Title: Vergißmeinnicht
Author: Wilhelm Adolf Lindau
Release date: May 24, 2019 [eBook #59597]
Language: German
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Ein
Taschenbuch
für
den Besuch der sächsischen Schweiz und
der angränzenden Theile Böhmens;
herausgegeben
von
W. A. Lindau.
Mit einem Titelkupfer und einer neuen Reisekarte.
Dresden, 1823.
in der Arnoldischen Buchhandlung.
(Ladenpreis 1 Thlr. 3 Gr.)
Es soll in diesen Blättern der Versuch gemacht werden, Reisenden eine bequemere Anleitung zum Besuche des meißnischen Hochlandes zu geben, als die zeither erschienenen Schriften darzubieten scheinen. Die sonst auch ziemlich ausführliche Beschreibung desselben, die ich früher in dem Rundgemählde der Gegend von Dresden geliefert habe, konnte, ohne das Ebenmaaß in der Anlage des Ganzen zu stören, den Plan nicht befolgen, den die nachstehende Uebersicht des Inhalts darlegt. Nach diesem Plane beschreibt die erste Abtheilung die Merkwürdigkeiten, die sich auf der Reiselinie finden, welcher jeder Reisende von Dresden aus folgt, wenn er auch nur die kürzeste Zeit, 3 Tage, dem Besuche des Berglandes widmet. Von den Abschweifungen, die man zu beiden Seiten dieser Linie machen könnte, ist nicht mehr berührt worden, als was sich füglich besuchen ließe, wenn man die Reise etwa um einen Tag[S. iv] verlängerte. Alle andre merkwürdigen Gegenden, die seltner besucht und nur von Einigen an die Hauptwanderung geknüpft, oder auf der Rückreise berührt werden, beschreibt der zweite Abschnitt, wo die Reiselinien auch in einige der reizenden Gegenden Böhmens ausgedehnt werden, die man bei einem längern Aufenthalt in Schandau bequem besuchen kann. Alle diese einzelnen Wanderungen sind so abgemessen worden, daß sie von 6 Stunden bis eine Tagereise und nur in wenigen Fällen längere Zeit fodern. Ueberall findet man Anleitung, wie die eine sich an die andre knüpfen läßt, und bei passenden Gelegenheiten werden aus verschiedenen Gegenden, z. B. aus der nördlichen und südlichen Ober-Lausitz, aus Böhmen und aus dem Erzgebirge Reiselinien in die sächsische Schweiz gezogen. So schien für alle Wanderer und für jeden Reiseplan gesorgt zu sein. Eine neue Reisekarte war ein längst gefühltes Bedürfniß, und was hier geliefert wird, möchte ihm Befriedigung geben.
Dresden, im Mai 1823.
L.
Einleitung. Gränzen und Umfang des Landstrichs. Gebirgbildung. Höchste Punkte. Elbthal und kleinere Flüsse und Bäche. Sandsteingebirge. Naturerzeugnisse und Klima. Bewohner. Zeit zur Reise. Reiseplan. Bequemlichkeitanstalten für Reisende.
Erster Abschnitt. Reise von Dresden über Pillnitz oder Pirna nach Schandau, und durch den Kirnitschgrund über den Kuhstall und die Winterberge nach dem Prebischthore und Hirniskretschen.
I. Reise zur Bastei.
II. Reise von Rathen nach Schandau.
III. Reise durch den Kirnitschgrund über den Kuhstall, die Winterberge und das Prebischthor nach Hirniskretschen.
Zweiter Abschnitt. Reisen von Schandau nach verschiedenen Gegenden der sächsischen Schweiz und der Gränzgebiete.
I. Reise durch den tiefen Grund nach dem Brand, Hohnstein und Stolpen.
II. Reise in den Ochelgrund, auf den Waizdorfer Berg und den Kikelsberg.
[S. vi] III. Reise über Sebnitz und Neustadt nach dem Falkenberg und Unger.
IV. Reise in die Felsengegenden östlich von Schandau, auf die hohe Liebe, zum Schrammstein, Reischenstein und Falkenstein.
V. Reise nach dem Arnstein, Kleinstein und Heilenberg.
VI. Reise in den großen Zschand, Hiekels Schlüchte und zurück über den Raubstein und Wildenstein.
VII. Reise über Hinterhermsdorf zur oberen Schleuse und zu den Thorwalder Wänden.
VIII. Reise nach dem Zschirnstein.
IX. Reise nach dem Schneeberge und in den Bielergrund.
1) Reise durch den oberen Kirnitschgrund zum Tollenstein.
2) Reise von Schandau nach Tetschen.
Dritter Abschnitt. Rückreise nach Dresden. Lilienstein. Königstein. Pirna. Sonnenstein.
Südlich von Stolpen und Hohnstein — durch eine unten zu bestimmende Gränzlinie hier vom nordwärts streichenden Granit geschieden — beginnt ein Sandsteingebirge, welches sich größtentheils mit angebautem Land bedeckt, zur Elbe hinabsenkt. In mehren Gegenden ist dasselbe von tiefen Thälern durchschnitten, wo hohe und steile Felsen die Ufer der Bäche begränzen. Gegen Mittag steigt das Gebirge mehr an, und an vielen Stellen des Stromufers ragen seltsam wilde Felsengestalten empor, endlich aber zieht es sich bis in die Gegend von Gießhübel und erscheint jenseit der Gottleube, wo das Gebiet des Gneises anfängt, nur in einzelnen Felsen. Südöstlich erstreckt es sich bis an die böhmische Gränze und dann weiter, durch den einspringenden Theil Böhmens, bis zu den bei Waltersdorf, Johnsdorf und Oybin sich erhebenden Sandsteingebirgen. Der niedrigste Punkt desselben liegt um Königstein und Pirna. Den Theil dieses Gebirglandes, der[S. 2] nördlich von dem kleinen Flusse Wesenitz, westlich von der Gottleube, südlich und südöstlich von Böhmen und östlich von einer, über Stolpen und Neustadt am Fuße des Falkenbergs laufenden Linie begränzt, und von der Elbe in reizenden Windungen durchflossen wird, hat man die sächsische Schweiz, oder das meißnische Hochland genannt, ein Landstrich, der von der Grundmühle bei Liebethal bis oberhalb Hinterhermsdorf an der böhmischen Gränze, eine Länge von beinahe 5 Meilen vom Falkenberge bis zur Gottleube ungefähr auch 5 Meilen Breite hat, und einen Flächenraum von 15 Quadratmeilen begreift. Im engern Sinne aber gibt man jenen Nahmen nur dem Sandsteingebirge, das sich oberhalb Pirna über Schandau auf beiden Ufern der Elbe bis südlich zu den böhmischen Gebirgen, ungefähr 3 Meilen lang, erstreckt. Dieses reizende Gebirgland umfaßt den östlichen Theil des meißnischen Kreises, und zwar das ganze Amt Hohnstein und einen Theil der Aemter Pirna und Stolpen.
Sandsteinfelsen, die besonders bei Königstein, Rathen, Hohnstein und Schandau in langen Ketten fortziehen, mehre gegen 1800 Fuß ansteigende Berge, furchtbare von Waldbächen durchströmte Schluchten, wechseln mahlerisch mit fruchtbaren Geländen und heitern Thälern, und machen diesen Landstrich zu einer der reizendsten Gegenden Sachsens. Jene wunderbaren, den Sandsteingebirgen überall eigenen Felsenbildungen findet man auch hier wieder. Steil und gerade steigen die Wände der Bergmassen und Thäler mauerartig empor, und die[S. 3] deutlich erkennbare Schichtung vermehrt die Aehnlichkeit mit künstlichem Mauerwerke. Mitten unter solchen Felsen senkt sich zuweilen eine enge Kluft hinab, die selbst dem Pflanzenwuchse Raum gibt, oder dem Menschen Zugänge öffnet. Nicht selten wölbt sich mitten durch die Felsen ein hohes Thor; breite Höhlen öffnen sich an steil abstürzenden Wänden, und überall an den dicht bewaldeten Felsenbergen, in den mauerartig geschlossenen Thälern glaubt man in pfeilerartigen Klippen die Trümmer von Menschenwerken zu erblicken. Auf sanft sich erhebenden Bergen sieht man senkrechte Sandsteinfelsen emporsteigen, deren ebene Oberfläche oft von beträchtlichem Umfange und häufig mit Nadelholz bewachsen ist, während die Bergabhänge an ihrem Fuße bald bewaldet, bald mit Aeckern und Wiesen bedeckt sind. Die Ufer der Elbe sind in manchen Gegenden, wie bei Wehlen, Königstein und Schandau, nackte, senkrecht ansteigende Felsenwände, die sich jedoch nie zu der Höhe jener, auf Berggipfeln emporragenden Sandsteinfelsen erheben. Die kleinen Flüsse und Bäche, welche der Elbe zuströmen, laufen meist alle durch finstere Felsenthäler. Diese Kette von Bergreihen und Thälern wird an der Gränze des Landstriches von hohen Bergen eingeschlossen. Nördlich erhebt sich der Falkenberg mit dem Hochwalde, die Gränzscheide der Oberlausitz und des Meißnerlandes, östlich der Buchberg bei Sebnitz, der Weifberg bei Hinterhermsdorf, und in Böhmen der Hantschberg und der basaltische Porzen bei Schluckenau, südöstlich der große Winterberg, und jenseit der Gränze der Ro[S. 4]senberg, südlich der Zschirnstein, auf der Gränze von Sachsen und Böhmen, der Schneeberg in Böhmen. Der Lilienstein, der Zschirnstein und der große Winterberg, der Pfarrberg nördlich von Schandau, der Hantschberg unweit Hinterhermsdorf, bieten die schönsten Standpunkte zur Uebersicht des Berglandes dar. Die übrigen höchsten Kuppen sind: der Unger und der Schönbachsberg unweit Neustadt, der Puttrichsberg bei Saupsdorf, der Kikelsberg bei Hohnstein, der Waizdorferberg, die Thorwaldwände oberhalb Schandau, der Kahlstein, der Königstein. Auf einigen dieser Höhen überschauen wir ein Gebiet von beinahe 20 Meilen, und selbst manche Bergebenen, wie die Höhe bei Neustadt, liegen höher als der Königstein. In der Nähe der höchsten Bergkuppen bei Rathen, Hohnstein und zwischen den Felsenwänden oberhalb Schandau, findet man die tiefsten Thäler, während weiter gegen Abend, wo der Strom sein Felsenufer verläßt, die Höhen in das breitere Thal abfallen.
Das Bett der Elbe bildet das Hauptthal dieser Gebirggegend, zu welchem die übrigen kleinern Thäler und Felsenschluchten sich hinab senken, und die Höhen sich abdachen. Der Anblick des Landes muß auf die Vermuthung führen, daß der Landsee, dessen Boden in der Urzeit Böhmen war, den Felsendamm oberhalb Hirniskretschen durchbrochen, und herabstürzend die ausgewaschenen, einzeln sich erhebenden Felsenkegel stehen gelassen habe, während der Strom in der Richtung von Südost nach Nordwest sich sein Bett wühlte. Dem Zuge der[S. 5] Elbe folgen die kleinern Flüsse und Bäche, die im böhmischen Waldgebirge unweit Rumburg entspringende Kirnitsch, die Sebnitz, die Polenz und die Wesenitz, die auf dem Falkenberge und dem Hochwalde ihre Quellen haben, und auf dem linken Stromufer die am Fuße des Schneeberges entspringende Biela. Die bei der Thalbildung wirksam gewesenen Umstände, wodurch jenen, im härtern Granitgebirge entsprungenen kleinen Flüssen der Weg durch die weichern Sandsteinfelsen geöffnet wurde, geben dem Berglande eine reizende Mannigfaltigkeit auffallender Gestaltungen in den hohen Felsenriesen, wie in den tiefen Thälern.
Ein Blick auf die Karte zeigt uns, daß der ganze Landstrich keine Ebenen hat, sondern eine Kette von zahllosen größern und kleinern, einzeln sich erhebenden oder verbundenen Bergen, Hügeln, Felsenthälern und Schluchten bildet. Die merkwürdigen Sandsteinbildungen ziehen zuerst unsere Blicke an.
Der Sandstein ist überall von weißer, zuweilen ins Bräunliche, oder auch ins Gelbliche spielender Farbe. Er liegt in wagerechten Lagern und Bänken von verschiedener Stärke, wovon die obere, gewöhnlich die schwächste, sehr zerklüftet erscheint, aber sich nicht über die unten liegenden Bänke zusammenhangend fortziehet, wogegen die untern Lager durch alle in dem Sandsteinfelsen angelegten Steinbrüche gleichförmig fortgehen. Die Flötzklüfte, welche die Lager trennen, sind mit lockerm Sande ausgefüllt, und alle Bänke durch beinahe senkrechte Klüfte gespalten, die zuweilen Oeffnungen von mehr als 20 Zoll bilden. Die[S. 6] Beschaffenheit und der Bau der Sandsteinfelsen verrathen deutlich, daß das Wasser dieses Gebirge auf dem darunter liegenden Granit und Schiefer abgesetzt hat, was auch die, sowohl in den obern und untern Bänken des vesten Steines, als in größerer Menge in den Flötzklüften gefundenen Versteinerungen, meist Austern und Kammmuscheln, beweisen. Die Bestandtheile der Sandsteinfelsen und ihre Verbindung sind nicht immer von gleicher Größe und Vestigkeit. Es wechseln Lager von gröberem Korne mit Bänken von feinerm, und locker verbundene Steine mit vestern ab. Der weiche Sandstein hat ein thoniges Bindemittel, in dem harten aber sind die Bestandtheile von gröberm Korn durch eine quarzige Masse verbunden. Die Lager des Sandsteins sind, nach den Gegenden, an Größe der Bänke und an Härte verschieden. Den härtesten Stein liefern, außer Cotta, die Brüche bei Hennersdorf unweit Krippen und die beiden Kirchleiten bei Königstein, die beßten Bausteine kommen aus Postelwitz, Königstein, Wehlstädtchen und aus den Teichsteinbrüchen, die vorzüglichsten Mühlsteine von Liebethal und die größten von Cotta. Der feinste Stein aus den Brüchen zwischen Cotta und Rothwernsdorf wird zu Bildhauerarbeiten gebraucht. Die hier angelegten Steinbrüche reichen ohne Zweifel in die Zeit des frühsten Anbaues dieser Gegend hinauf, und da der Stein an den meisten Orten über 100 und 200 Fuß hoch aufgesetzt und sehr weit verbreitet ist, so kann noch viele Jahrhunderte lang fortgearbeitet werden, ehe es nöthig wäre, einen mühsamen und kostbaren Bau in[S. 7] der Tiefe anzufangen. In diesen Brüchen arbeiten gegen 600 Steinbrecher, die eine aus verschiedenen Abtheilungen bestehende Zunft bilden.
Wie westlich die Gottleube das Sandsteingebirge von dem Gebiete scheidet, wo der Gneis die herrschende Gebirgart ist, so bildet eine, durch Dobra und Hohnstein über Waizdorf, westlich von Altendorf, dann über Lichtenhain, Saupsdorf, Hinterhermsdorf und die Heidelmühle laufende Linie die Gränze, auf deren nördlicher Seite der Granit herrschend wird. Zu den Naturmerkwürdigkeiten gehören auch die Basaltberge, deren man in dieser und der angränzenden Gegend gegen zehn (Spitzberg bei Neudörfel und Porzen, in Böhmen, Stolpen, Kikelsberg, Hankenhübel, Heilenberg, die beiden Winterberge, Zschirnstein, Spitzberg bei Cotta) zählt.
Die Berge, welche die Hochebenen des Felsenlandes umgeben, und die sich hindurch ziehenden Thäler sind mit Nadelholz und Wäldern bewachsen, deren dunkle Wipfel das fröhliche Grün der Buchen, Birken und andrer Laubhölzer erheitert. Ueberall erscheint mitten in der öden Felsenwelt reicher Pflanzenwuchs, der uns viele Seltenheiten, selbst Alpenpflanzen darbietet; die tiefen Felsenthäler, die Berggipfel, sind häufig mit Farrenkräutern bedeckt, oft selbst die nackten Sandsteinwände mit Moosen und Flechten mahlerisch bekleidet, und man findet fast alle Flechten, die im nördlichen Deutschland auf Ebenen und niedrigen Gebirgen, oder auf Höhen gedeihen. Die Insektenwelt ist in mehren Gegenden, z. B. am Hochwalde[S. 8] und am Falkenberg, zahlreich bevölkert. Die Wälder, deren es sehr ansehnliche, wie oberhalb Schandau und bei Neustadt, gibt, sind selbst von seltenen Vögeln, z. B. dem Auerhahn, Stockaar, Mäuseaar, Fischaar und Uhu bewohnt. Die Bären aber, die noch zu Anfange des 17ten Jahrhunderts in den Felsenwildnissen lebten, sind längst gewichen, und selbst die Ueberreste, die man noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts bei Hohnstein hegte, völlig verschwunden. Die zahlreichen Bäche liefern Lachse, Lachskunzen und köstliche Forellen.
Das Klima des meißnischen Hochlandes ist nicht überall gleich, im Ganzen jedoch milder als in andern teutschen Gebirggegenden, und selbst in einigen der höchsten Gegenden, wie im Gränzdorfe Schneeberg in Böhmen, mehr als 2000 Fuß über der Meeresfläche, gedeihen noch allerlei Obstarten, während in weit niedrigern Gegenden am Harz selbst Feldfrüchte nicht mehr fortkommen. Die höchste und kälteste Gegend dieses Berglandes, Rugiswalde nördlich von Sebnitz, erzeugt gute Kirschen und Pflaumen und in benachbarten Orten gedeihen noch feinere Obstarten. Es gibt aber auch Gegenden, wo der Schnee so früh fällt, und so spät verschwindet, als auf hohen Gebirgen. Der Boden, einzelne Stellen in dem Felsengebiete ausgenommen, ist fruchtbar und reich an Naturerzeugnissen. Viele Quellen, die auf den Höhen und an den Bergabhängen entspringen, erhöhen die Fruchtbarkeit, und von den Nadelholz-Wäldern angezogen, entladen sich die Gewitterwolken häufig in befruchtendem Regen.
Die Bewohner des Gebirglandes zeichnen sich durch[S. 9] kräftige Gesundheit, Fleiß und freundliche Geselligkeit aus. Man findet viele Dörfer, die durch ihre Größe, oder durch gefällige und bequeme Wohnungen für die Betriebsamkeit des Landmanns zeugen. In den höchsten Berggegenden liegen die Wohnungen zerstreut auf den Höhen, auf Wiesen und am Rande der Wälder oft in weiter Entfernung aus einander. Mehre Denkmale der Vergangenheit, alte Burgen, die theils noch unversehrt sind, theils in Trümmern liegen, theils nur in kaum erkennbaren, von der Ueberlieferung gedeuteten Spuren ihr Andenken erhalten haben, rufen dem Wanderer das Bild der Vorzeit zurück, während viele merkwürdige Anstalten ihm die höhere Bildung und die verständige Betriebsamkeit der Mitwelt beweisen. Jene Spuren der Vorzeit erinnern uns hier und da selbst noch an die Sorben, welchen auch diese Gegend, wie das ganze Meißnerland, seit dem 6ten Jahrhundert den ersten Anbau verdankte. In den Sitten und Gewohnheiten des Volkes aber ist hier nicht, wie in der Lausitz, das Gepräge der alten Bewohner sichtbar geblieben, und die volkthümliche Eigenheit derselben früh von den Sitten teutscher Ansiedler verdrängt worden, mit welchen seit dem 10ten Jahrhunderte jene allmählig immer mehr verschmolzen, als durch die Bemühungen der Bischöfe von Meißen das Christenthum unter den Sorben verbreitet wurde. Der Anbau des Landes und die Bildung seiner Bewohner mochten schon Fortschritte gemacht haben, als dieser Landstrich im 12ten Jahrhunderte an Böhmen kam. Das Schicksal des Berglandes hing seitdem meist von dem Besitze der Stadt Pirna ab, die[S. 10] im 13ten Jahrhundert an das meißnische Fürstenhaus kam, gegen Ende desselben aber wieder an Böhmen fiel, bis sie endlich im 15ten Jahrhunderte den Markgrafen von Meißen völlig unterworfen ward. In jener Zeit hatten hier viele Raubritter ihre Sitze, und während der böhmischen Herrschaft wurde besonders durch den fehdelustigen Geist des mächtigen Rittergeschlechts Berka von der Duba, das die Veste Hohnstein besaß, die Sicherheit und Ruhe des Landes gefährdet. Nicht minder kriegerisch waren jenseit der Elbe die Burggrafen von Dohna, deren Besitzungen über den Königstein und Lilienstein bis in die Gegend von Schandau sich erstreckten. Mit der Herrschaft der meißnischen Fürsten kamen Gesetzlichkeit und Friede und in ihrem Gefolge Wohlstand in das verwilderte Gebirgland, als nach Bezwingung der Burggrafen von Dohna zu Anfang des 15ten Jahrhunderts nach und nach auch die Vesten Hohnstein und Rathen erobert und andre Raubschlösser zerstört wurden.
Die angenehmste Zeit zum Besuche des Gebirglandes ist entweder der Frühling, oder das Ende des Junius und der Anfang des Julius, oder die frühere Herbstzeit von der Mitte des Septembers bis in den Oktober, wo das bunte Farbenspiel der Belaubung den Landschaften eigene Reize gibt, und besonders auch der Landschaftmahler durch die lichtern Wipfel, bei reinerm Himmel, die heitersten Aussichten genießt. Nach der Mitte des Julius und im August ist die Hitze gewöhnlich zu drückend, und der Himmel selten heiter, ausgenommen nach Regentagen.
Die meisten Reisenden besuchen die sächsische Schweiz von Dresden aus, und dieser Richtung folgt der erste Abschnitt der nachstehenden Anleitung, welcher sie von Pillnitz und Liebethal, oder Pirna nach Schandau und weiter bis zum Prebischthor und Hirniskretschen führt. Wir werden auf diesem Wege nicht vergessen, uns die Reiselinien angeben zu lassen, die wir an jene Wanderung knüpfen können, wenn wir längere Zeit dazu bestimmen wollen, als die Mehrzahl der Reisenden derselben zu widmen pflegt. Wer die übrigen merkwürdigen Gegenden zu beiden Seiten jener Linie besuchen will, versetze sich mit uns nach Schandau, um von diesem Mittelpunkte aus die übrigen Theile des Gebirglandes auf einzelnen Wanderungen zu bereisen. Diese Andeutungen zu einzelnen Reisen werden sich leicht als Grundlage eines zusammenhangenden Reiseplans benutzen lassen, wenn wir die ganze sächsische Schweiz, oder den größten Theil derselben auf einmahl durchwandern wollen. Wir werden uns zu diesem Zwecke mehre Reisewege, sowohl von Dresden, als von andern Gegenden Sachsens und Böhmens aus, vorschlagen lassen.
Seit dieses Bergland jährlich Tausende von Fremden anlockt, ist die Betriebsamkeit fortdauernd bemüht, für die Bequemlichkeit der Reisenden zu sorgen. In den Städten Pirna, Wehlen, Königstein, Schandau, Hohnstein, Neustadt und Sebnitz gibt es Gasthöfe, auch in Flecken und Dörfern, wie Lohmen, Rathen, Krippen, Saupsdorf, Hinterhermsdorf findet man oft unerwartet gute Bewirthung und Herberge, und selbst in einsamen Mühlen kann[S. 12] der Wanderer, wenn die Nacht, oder unfreundliches Wetter ihn überrascht, ein ländliches Nachtlager erhalten. Wer der Bereisung des meißnischen Hochlandes mehr als die gewöhnliche Zeit widmen will, kann sich jede Bequemlichkeit sichern, wenn er seine Wanderung in einzelne Tagereisen von Schandau aus abtheilt, wo er unter einigen Gasthöfen wählen kann, von welchen besonders das Badehaus in der anmuthigsten Lage ihn anziehen wird. Auch wenn man den Aufenthalt auf drei oder vier Tage beschränken muß, kann man die Reise sehr bequem so einrichten, daß man täglich das Nachtlager in Schandau nimmt. Auf mehren viel besuchten Punkten, z. B. auf der Bastei, in der Kuhstallhöhle, auf dem großen Winterberge und im Prebischthor sind — freilich oft den Genuß der Naturschönheiten störend — während der Sommermonate Schenkwirthschaften angesiedelt.
In Dresden, Pirna, Wehlen, Schandau, Hirniskretschen, Tetschen und aufwärts bis Aussig, findet man immer Gondeln bereit, wenn man einen Theil der Reise auf der Elbe machen will. Im Sommer geht an jedem Sonntage Nachmittags, wenn nicht heftige Winde die Fahrt hindern, von Rathen am Fuße der Bastei eine Gondel nach Dresden ab, wo sie gegen Abend ankommt. Eine auf der Bastei sichtbare weiße Flagge kündigt die Abfahrt an. Auch von Pirna und Schandau fahren wöchentlich Schiffe nach Dresden. Eine Postkutsche geht von Dresden täglich nach Pirna, und kommt an jedem Tage Vormittags von dort in Dresden an, und eine andere fährt Dienstags und Sonnabends von Dres[S. 13]den über Stolpen nach Neustadt. Wegkundige Führer, die man sowohl für die ganze Reise, als auf Tage dingen kann, findet man gewöhnlich in allen besuchten Orten, besonders in Schandau. Die seit 1820 auch hier, wie überall in Sachsen, an Scheidewegen, selbst mitten in Wäldern, aufgestellten Wegweiser erleichtern überdieß die Wanderung, und nur hier und da vermißt man noch solche willkommene Fingerzeige. Für den beschwerlichsten Theil der Reise kann man Tragsessel haben, die in der Kuhstallhöhle, oder auch schon am Fuße des Hausberges warten, und über die Winterberge und das Prebischthor bis Hirniskretschen bringen. In einigen Mühlen des Kirnitschthales findet man auch wohl Esel zur Bergreise, doch noch nicht so häufig, als es zu wünschen wäre. Mehre früher nicht ohne Gefahr, oder große Beschwerden ersteigbare Höhen und unzugängliche Thäler sind seit einigen Jahren, theils durch die preiswürdige Sorgfalt der sächsischen Behörden, theils durch die Betriebsamkeit der Bewohner, zugänglich und bequem gemacht worden. Möge man nur nie mit schonungloser Hand den natürlichen Schmuck der Landschaften antasten, aber mit Bedauern hat man neuerlich hier und da Anlaß gefunden, die Spuren der grausamen Holzaxt zu beklagen, die selbst besuchte Schattengänge gelichtet hat.
Reise von Dresden über Pillnitz oder Pirna nach Schandau, und durch den Kirnitschgrund über den Kuhstall und die Winterberge nach dem Prebischthor und Hirniskretschen.
Die meisten Reisenden begnügen sich, auf ihrer Wanderung durch die sächsische Schweiz der, in der Ueberschrift angedeuteten Linie zu folgen, so viele reizende Gegenden auch weiter hinaus auf beiden Seiten derselben liegen, und wenn sie, wie es gewöhnlich geschieht, nur drei bis vier Tage in ihrer Reise bestimmen, so können sie auch nur wenige Abschweifungen machen. Der achtstündige Weg von Dresden nach Schandau, entweder über Pirna, oder auf dem belohnenden Umwege über Pill[S. 15]nitz, Lohmen und Rathewalde gibt die erste Tagereise. Im ersten Falle reiset man, wenn die geradeste Richtung und der bequemere Fahrweg gewählt werden sollen, über Königstein, oder fährt von Pirna nach Lohmen, oder geht von Pirna zu Fuße über Wehlen und durch den Ottowalder Grund auf die Bastei, und von hier über Rathen, oder auf dem Fahrwege über Rathewalde, den Ziegenrück und Porschdorf nach Schandau. Im zweiten Falle besuchen wir von Pillnitz aus den Liebethaler Grund, Lohmen, den Ottowaldergrund, die Bastei, vielleicht auch den Amselgrund, und kommen auf dem angegebenen Fahrwege zum Ziele der Tagereise. Der zweite Tag ist der Wanderung durch das Kirnitschthal über den Kuhstall, die Winterberge, das Prebischthor nach Hirniskretschen gewidmet, wo eine Gondel uns aufnimmt, um uns nach Schandau zurück zu bringen. Wollen wir nicht schon am dritten Tage heim kehren, so besuchen wir die Umgegend von Schandau, oder machen eine von den, im zweiten Abschnitte angegebenen Wanderungen, oder gehen auf das jenseitige Elbufer über, besuchen den Zschirnstein, und wandern von hier nach Königstein, wo wir am Morgen des vierten Tages aufbrechen, um auf dem Rückwege nach Dresden vielleicht noch den Lilienstein zu besuchen. Wie die angegebene Reiselinie, der wir nun zunächst folgen wollen, durch Abschweifungen zu beiden Seiten sich verlängern lasse, wollen wir künftig andeuten. Wir theilen diese Linie zur bequemen Uebersicht in drei Abschnitte.
Wir reisen über Pillnitz. Der gewöhnliche Weg von Dresden führt uns über die Dörfer Strießen und Tolkewitz, Laubegast vorbei in 2 Stunden zu einer fliegenden Brücke, die uns während des Sommeraufenthalts der königlichen Familie in Pillnitz, zu diesem Lustschlosse hinüber bringt. Wer zu einer andern Jahrzeit auf dem linken Ufer seinen Weg nimmt, muß sich, wenn er zu Wagen, oder zu Pferde reiset, in Blasewitz oder Laubegast übersetzen lassen, oder sich der Kahnfähren in Hosterwitz und Söbrigen bedienen; Fußgänger aber finden in jedem Elbdorfe bequeme Ueberfahrt.
Auf dem rechten Elbufer folgt der Fahrweg jenseit des Mordgrundes der, über Loschwitz führenden Pillnitzer Bergstraße, wo sich aber nur selten Aussichten in das reizende Stromthal öffnen. Der Fußpfad bringt uns gleich jenseit des Prießnitzbaches, am Linkeschen Bade vorbei, durch eine anmuthige Landschaft längs dem Elbufer zu dem freundlichen Loschwitz, dessen große Kirche außerhalb des Dorfes an der Straße liegt. Oberhalb Loschwitz führt uns ein Wiesenpfad nach Wachwitz, und fast immer an Gebäuden und Gärten hinwandernd, kommen wir, Nieder-Poyritz und Hosterwitz vorbei, in ungefähr anderthalb Stunden nach Pillnitz, wenn nicht die anmuthigen Seitenthäler, die aus dem Rebengebirge herabfallen, der schattige Ziegengrund bei Loschwitz, der Helfenbergergrund bei Nieder-Poyritz und der Keppgrund bei[S. 17] Hosterwitz aus zu einer Abschweifung einladen. Aus dem Keppgrunde können wir über den Zuckerhut auf einem kurzen Umwege in die, zu dem Lustschlosse führende Kastanienallee gelangen.
Pillnitz, seit dem Anfange des funfzehnten Jahrhunderts das Eigenthum verschiedener adeligen Geschlechter, und schon zu Ende des siebzehnten auf kurze Zeit in landesherrlichem Besitze, ist seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts ununterbrochen fürstliches Eigenthum gewesen, und seit 1763 der beständige Sommeraufenthalt des Hofes. Die älteren Gebäude, die bereits Friedrich August I. verschönert hatte, wurden unter des jetzigen Königs Regierung theils abgetragen, theils verändert, und erhielten in den Jahren 1788 bis 1792 eine neue Gestalt. Der einzige Ueberrest des alten, 1616 erbauten Schlosses, dessen Speisesaal in frühern Zeiten Venustempel hieß, brannte 1818 ab, worauf in demselben Jahre nach dem Plane und unter der Aufsicht des Oberlandbaumeisters Schuricht der Bau eines neuen Schlosses begann, das weiter als das alte, nach Morgen verlegt wurde. Wir treten in den, durch das ganze Gebäude gehenden Speisesaal, der mit einer Kuppel bedeckt ist, die auf zwanzig freistehenden Säulen ruht, und theils von oben, theils durch hohe Seitenfenster erleuchtet wird. Zwischen der Kuppel und dem Gebälke befinden sich vier Dreiecke, sogenannte Pendentifs, und vier halbrunde Felder (Tympans), welche Professor Vogel mit Frescogemählden ziert. Für diese Felder sind die allegorischen Darstellungen der Mahlerei, Bildhauerkunst, Baukunst und Musik bestimmt; in den Dreiecken aber die zu[S. 18] jenen gehörenden allegorischen Figuren der Dichtkunst, der Liebe, der Philosophie und der Grazien auf blauem Hintergrunde in hoher Vollendung und heiterer Farbenpracht bereits ausgeführt. Die hellblau mit weißen Arabesken verzierten Wände des Saales enthalten zwischen den Säulen noch Füllungen, die späterhin gleichfalls mit Gemählden geschmückt werden sollen. — Die andern, den Schloßhof einschließenden Gebäude bestehen aus vier großen, einzeln stehenden Pavillons, die zwar nicht hoch, aber im Ebenmaaß gebaut, und mit Säulenreihen und sinesischen Kupferdächern verziert sind. Zwischen den nördlichen Pavillons steht das Bergpalais, zwischen den südlichen das Wasserpalais. Diese, ein großes Viereck bildenden, und im Innern geschmackvoll eingerichteten älteren Gebäude enthalten die Wohnungen der königlichen Familie. Hinter dem Bergpalais und dem anstoßenden Pavillon liegt der, schon 1769 angelegte, aber seit 1804 sehr erweiterte und verschönerte Garten, wo man eine reiche Sammlung ausländischer Gewächse findet. Eine Vestale aus carrarischem Marmor, von Trippel’s Meisterhand, ziert diese Anlagen, und ein geschmackvolles Gartengebäude enthält ansehnliche Sammlungen von Sämereien, trefflich gemahlten Pflanzen und seltenen Schmetterlingen.
Die umliegenden Berge, und die Thäler, welche sie durchschneiden, hat die Natur mit mannigfaltigen Reizen geschmückt, die feiner Kunstsinn erhöhte. Der Friedrichsweg am Eingange des Pillnitzer Grundes bringt uns zuerst zu einem wohlerhaltenen Weinberge und einer schön angelegten Eisgrube, und den Windungen des Pfades fol[S. 19]gend, kommen wir zu dem Raubschlosse, künstlichen Trümmern, die geschmackvolle Zimmer enthalten, wo man die Umgegend von Pillnitz und das lachende Elbthal überschaut. Ein anmuthiger Waldpfad führt uns dann über eine dicht beschattete Brücke zu einem Wasserfalle im einsamen Friedrichsthale, der 138 Fuß hoch herabstürzt. Den schattigen Pfad verfolgend, kommen wir in einer Stunde auf den mit Fichten und Birken bewachsenen Gipfel des Borsberges, eine Granitkuppe, die 811 Pariser Fuß über der Elbfläche bei Dresden und 1161 Paris. Fuß über dem Meere liegt. Im nahen Dorfe Borsberg finden wir einen Führer, der uns die Eremitage öffnet, eine künstliche Felsenmasse, die eine Grotte und ein freundliches Zimmer enthält. Eine, in den Trümmern verborgene Treppe führt uns auf den Altan über der Grotte, wo wir eine entzückende Aussicht genießen, die den Lauf der Elbe von Königstein bis Meißen und die Felsenberge des meißnischen Hochlandes umfaßt, über welche in der Ferne die waldigen Bergrücken des Erzgebirges, der Rosenberg in Böhmen und die Höhen bei Zittau hervorragen.
In der Nähe dieses Gebäudes führen steinerne Stufen in das Thal hinab, wo uns ein neu angelegter Jagdweg nach Klein-Graupe bringt. Auf dem gewöhnlichen Fahrwege von Pillnitz aber führt uns ein langer Baumgang längs dem Dorfe Ober-Poyritz, durch Graupe und ein Wäldchen zu der Grundmühle, wohin sich unweit der Schäferei in Groß-Graupe auch ein Fußpfad über Hinter-Jessen wendet. Wir lassen[S. 20] unsern Wagen von Graupe nach Liebethal fahren, und treten oberhalb jener Mühle in den
über dessen steile zerrissene Wände das Dorf Liebethal auf der Höhe hervorblickt. Auf beiden Seiten der Wesenitz, die das Thal durchströmt, ziehen sich die schroffen, bis zu 60 Ellen emporsteigenden mächtigen Felsengestalten gegen Morgen hinan, und erheben sich immer höher, je weiter wir wandern. Das Thal ist seit mehren Jahrhunderten bis in die Hälfte seiner Ausdehnung durch Sandsteinbrüche nach und nach erweitert worden. Weiter aufwärts drängen sich die Felsenwände so nahe zusammen, daß der Pfad am Ufer des rauschenden Baches verschwindet. Reissende Fluten, welche Felsenmassen fortwälzten und Steinhaufen aufschwemmten, haben überdies die Wanderung durch das Thal beschwerlicher gemacht. Die Steinbrüche gehören zu den ältesten des Landes, und liefern einen vesten und grobkörnigen Sandstein, wovon die weichern Massen zu Mühlsteinen, die mit Eisenadern durchzogenen aber nur zu geringerm Gebrauche taugen. Von den in frühern Zeiten gangbaren funfzig Brüchen wird kaum noch ein Fünftheil bearbeitet. Wir verweilen bei dem Bruche, von dessen hoch ansteigenden Wänden der Thurm von Liebethal und einige Häuser des Dorfes herabblicken, und finden wir die Arbeiter gerade beschäftigt, so wird uns die Kühnheit und Betriebsamkeit, womit sie ihr Gewerbe treiben, auf einige Augenblicke Unter[S. 21]haltung gewähren. Ein großer Block, ein sogenannter Satz, wird allmählig von dem Hauptfelsen gelöset, was oft die Arbeit eines halben Jahres, ja noch mehr Zeit kostet. Täglich arbeiten die Steinbrecher verwegen unter der drohend überhangenden Masse, ist aber endlich der Block herabgestürzt, so beginnt ein fröhliches Gelage, und mit leichterer Mühe wird dann das Stück in kleinere getrennt. Der Reisende muß auf die Warnung achten, die eine Inschrift über der Thür des letzten Hauses in Hinter-Jessen ihm zuruft, denn wenn er eines der eisernen Werkzeuge der Steinbrecher aufhöbe, oder den Ruf: Lauf zu! hören ließe, so müßte er büßen. Dieser Ruf ist die Losung, womit die Arbeiter in Lebensgefahren ihre entfernteren Gefährten zum Beistande auffodern, und hätte ein Wanderer, aus Unkunde oder Muthwillen, sie verleitet, von ihrer Arbeit zu eilen, so dürften sie, wofern der Fliehende innerhalb einer bestimmten Gränze eingehohlt wird, ihn zu einer Geldstrafe nöthigen.
Aus dem Thale führt uns ein beschatteter Weg am Kemnitzbache, oder ein rauherer Pfad durch die Steinbrüche zu dem Dorfe Liebethal hinauf, das vor Zeiten ein vestes Schloß hatte, welches gegen Anfang des sechzehnten Jahrhunderts zerstört wurde. Wir gehen durch das Dorf, an der Kirche vorbei, auf einem anmuthigen Wege am Rande des Felsenthales zu dem nahen Mühlsdorf, und verweilen bei einer Oeffnung des Gesträuches auf der vorspringenden Wand, um einen Blick in die furchtbare Tiefe zu werfen, wo die Lochmühle an der schäumenden Wesenitz zwischen Felsen eingeklemmt liegt.[S. 22] Bei den ersten Häusern von Mühlsdorf führt ein Weg zu der Mühle hinab. Wir gehen durch die Mühle, und finden auf der schmalen Brücke hinter derselben, wo der Bach über das Wehr stürmt, den günstigsten Standpunkt zur Ansicht der wilden Landschaft. Die Stelle, wo die Felsen so nahe zusammenrücken, daß kein Pfad am Ufer bleibt, heißt die Rabenteufe.
Der Mühle gegenüber steigt eine, zwischen den Felsen angelegte Treppe auf die jenseitige Höhe zu dem Dorfe Daube hinan. Oben am Ausgange der Treppe führt ein Pfad durch das Gebüsche auf eine vorspringende Felsenwand, die uns einen neuen Standpunkt zur Ansicht der wilden Felsenschlucht darbietet und Ueberreste von altem Gemäuer zeigt. Ein angenehmer Weg bringt uns von da gerade nach Lohmen, wenn wir nicht auf einem bequemern Pfade zur Daumühle im Wesenitz-Thale hinabsteigen und dann aufwärts nach Mühlsdorf wandern wollen, dessen Häuser, von Gärtchen umgeben, die dem Felsen abgewonnen wurden, auf dem Rande der steilen Höhe sich zeigen. Wählen wir diesen Umweg, so gehen wir durch Mühlsdorf an den Rand des Liebethaler Wäldchens, wo wir ein Landschaftbild überschauen, das Lohmen und dessen anmuthige nächste Umgebungen, die Gegend von Dohna bis Dresden, den Königstein und Lilienstein umfaßt, und in der blauen Ferne von Böhmens und Sachsens Gränzgebirgen umschlossen wird. Bei Mühlsdorf steigen wir dann einen felsigen Weg hinab, und kommen bald zu einer Brücke über die Wesenitz, die uns nach
führt. Dieser Flecken von ungefähr 800 Einwohnern, der im 17ten Jahrhundert Städtlein hieß, und noch im Besitze mehrer städtischen Gerechtsame ist, hat seinen Nahmen vielleicht von den Edlen von Chlumen oder Chlomen, welche auch das alte Schloß erbaut haben mögen. Die Geschichte dieses Geschlechts, das in dieser Gegend früh ansässig gewesen zu sein scheint, ist jedoch sehr dunkel, und es läßt sich nicht mit Gewißheit bestimmen, daß die Burg Lohmen ihm zugehört habe, die selbst zu der Zeit, als ein Edler von Chlomen in der letzten Hälfte des 15ten Jahrhunderts die ganze Herrschaft Wehlen besaß, einen andern Besitzer aus dem alten meißnischen Geschlechte von Köckeritz hatte, dessen Vorfahren Wehlen lange eigen gewesen war, und der später jene Herrschaft wieder erwarb, wozu Lohmen seit den ältesten Zeiten als Beisitz oder Nebengut gehört zu haben scheint. Nach mehren Besitzveränderungen kam die Herrschaft an die Herren von Schönburg, von welchen dieselbe mit Lohmen und Hohnstein um die Mitte des 16ten Jahrhunderts an den Herzog Moritz von Sachsen überging. Später kam das Schloß Lohmen wieder in den Besitz von Privatpersonen, bis es 1620 fürstliches Eigenthum ward. Seit dem Tode der Gemahlinn des Kurfürsten Johann Georg II, deren Witwensitz es war, und die hier 1687 starb, blieb es landesherrliches Kammergut. Wir sehen es in seiner kühnen und mahlerischen Lage auf dem Gipfel eines überhangenden, in der Mitte zerklüfteten Sandsteinfelsens,[S. 24] wenn wir, von Mühlsdorf kommend, jenseit der Brücke am Ufer der Wesenitz hingehen. Folgen wir dem Wege aufwärts an der Wesenitz, der durch die verheerende Ueberschwemmung im Sommer 1822 sehr gelitten hat, so kommen wir bald zur Hintermühle. In der Nähe derselben öffnet sich der Lohmner Grund, dessen Felsenumgebungen in seltsamen Gestalten empor steigen, bis sie endlich zusammen rücken und den Weg sperren. Wir kehren zu der Mühle zurück, und es öffnet sich uns bald ein Weg in die anmuthigen Gartenanlagen, die sich zu dem Schlosse hinan ziehen und uns überall angenehme Ruheplätze darbieten. Einen der günstigsten Standpunkte finden wir hier auf dem Felsenvorsprunge über der Hintermühle, wo wir einen Blick in das Thal der Wesenitz werfen. Das Schloß besteht aus zwei Hauptgebäuden, die durch einen Altan zusammen hangen, der auf einer Felsenspitze angelegt ist. Nur an der Hinterseite sieht man noch in den kleinen Erkern und Fenstern Ueberreste des Alterthums. Das Schloß ist jetzt der Sitz einer bedeutenden Landwirthschaft, mit welcher eine Schäferei verbunden ist. Wir verweilen einige Augenblicke auf dem Altan, wo wir eine reizende Aussicht genießen. Vor ungefähr 40 Jahren stürzte ein junger Landmann, der arbeitmüde auf diesem Altan eingeschlummert war, als er mitten in der dunklen Nacht aus dem Schlafe auffuhr, von dem 76 Fuß hohen Felsen in die Tiefe und wurde dennoch glücklich geheilt. Eine gereimte Inschrift auf einer hier eingemauerten Tafel erzählt diese Lebensrettung.
Unweit des Schlosses sehen wir die freundliche Kirche,[S. 25] eine der schönsten ländlichen Kirchen Sachsens. Das Pfarrhaus und die Försterwohnung sind mit wohlfeilen, aus Blechstreifen gemachten Blitzableitern versehen; eine Erfindung des vormahligen Pfarrers Nicolai in Lohmen, dessen Wegweiser durch die sächsische Schweiz[1], als eine der ersten Beschreibungen des meißnischen Hochlandes, viel beigetragen hat, diese Gegenden bekannt zu machen.
Folgen wir oberhalb der Kirche der, nach Stolpen führenden Straße, so kommen wir in den obern Theil des Lohmner Grundes, welchen uns, auf dem Wege von der Hintermühle, die Felsenwände versperrten. Diese enge wilde Schlucht, durch welche die schäumende Wesenitz hinab stürzt, heißt die Brausenitz. Auf beiden Seiten steigen die prächtigen Felsenwände in seltsamen Gestalten hinan. Es gibt hier mehre Steinbrüche, die sich bis gegen Porschendorf hinauf ziehen, wo das Wesenitz-Thal sich erweitert. Der Sandstein dieser Brüche ist feinkörniger, aber auch weicher als im Liebethaler Grunde, und mit vielen dunkelbraunen eisenschüssigen Adern durchzogen. Es werden hier große Schleifsteine gebrochen, die bis nach Dänemark ausgeführt werden.
Im Gasthofe zu Lohmen, wo man gute Bewirthung findet, und gewöhnlich, wenn man bei Tagesanbruche die Bastei besuchen will, das Nachtlager nimmt, treffen wir mit Reisenden zusammen, die aus andern Gegenden kommen. Wer aus der Gegend von Radeberg, oder Stolpen die sächsische Schweiz bereiset, kommt über Porschen[S. 26]dorf und Liebethal dahin. Von Pirna führt eine gute Fahrstraße über die Anhöhe von Doberzeit, wo sich eine reiche Aussicht nach Dresden, Pillnitz, Pirna und Königstein vor uns öffnet, und selbst die Felsengruppen um Schandau in der Ferne hervor ragen. In der Umgegend von Doberzeit, ungefähr 3 Viertelstunden von Lohmen, findet man viele Geschiebe von Kalzedon, Jaspis, Avanturin und schöne Versteinerungen. Hat man Zeit, hier zu verweilen, so lasse man sich zu den Felsenwänden am linken Ufer der Wesenitz hinab führen, wo man nach einem halbstündigen Wege, dem Dorfe Hinter-Jessen gegenüber, eine Sandsteinwand erblickt, worein viele Steinkohlentrümmer gemengt sind, welche, wie man glaubt, das Dasein eines Kohlenflötzes verrathen. Nicht weit davon entspringt eine Quelle, die im Winter nie zufriert, im Sommer aber sehr kalt ist, und viele kleine Kohlentrümmer auswirft. Als im Jahre 1770 nach anhaltendem Regen die Oeffnung der Quelle zu klein war, die Wassermasse auszuströmen, öffnete sich der Ueberfluß weiter aufwärts am Fuße jener Sandsteinwand einen andern Weg, floß einige Jahre lang, und warf auch hier Steinkohlentrümmer aus, welche zum Brennen gebraucht, den eigenen Kohlengeruch gaben.
Unweit Doberzeit führt ein Fußpfad zu einem Felsenthale, von dessen jenseitiger Höhe das Dorf Mockethal herab blickt. Unten am Eingange eines andern Thales liegt ein einzelnes Wirthshaus, der graue Storch, und gegenüber unter den Felsenwänden das Dörfchen Zatzschka. Eine Vertiefung in einem Felsen, wird der[S. 27] Riesenfuß genannt, weil nach der Sage ein Riese hier den Abdruck seines Fußes hinterlassen hat. Der nächste Weg von Pillnitz über Ober-Poyritz und die Dietzmühle nach Wehlen geht über diese Höhe. Unweit des Riesenfußes öffnet sich ein Felsenthal, welches von dem am Elbufer, Pirna gegenüber liegenden Dorfe Posta den Nahmen Alte Poste erhalten hat. Vom grauen Storche senkt sich ein enges Felsenthal zur Elbe hinab. Die alte Poste zieht sich zwischen Sandsteinfelsen hinan und führt auf die Hochebene von Lohmen, wo eine sanft ansteigende Höhe, der Kohlberg, sich erhebt, auf dessen Spitze, die ein einzelner Baum bezeichnet, eine ungemein anziehende Aussicht vor uns liegt, welche die Umgegend von Lohmen, die Felsen von Rathen, den Lilienstein, Königstein, Pfaffenstein und Quirl und in der Ferne den dämmernden Gipfel des Schneebergs, die Gebirge um Altenberg und die Höhen von Dresden bis Meißen einschließt.
Wer zu Wagen reiset, fährt von Lohmen über Rathewalde auf einem bequemen Wege bis nahe vor den Felsenvorsprung der Bastei, oder läßt, wenn er vorher den Ottowalder Grund besuchen will, den Wagen nach Rathewalde fahren. Wir lassen uns von Lohmen, oder wenn wir auf dem Kohlberge verweilten, gleich von hier in den
führen. Es öffnen sich uns zwei Wege in dieses Felsenthal. Der eine läuft längs dem Dorfe Ottowalde, das[S. 28] eine Viertelstunde von Lohmen, auf der südlichen Felsenwand liegt, über eine von Gebüschen eingeschlossene Wiese, zu einer Treppe von 114 Stufen, welche mit vielen Wendungen in die Tiefe hinab führt; der andere aber bringt uns quer durch das Dorf in einen Arm des Thales, der die Kluft genannt wird. Wir folgen diesem Wege und stehen bald zwischen steilen Wänden, die auf beiden Seiten, oft wunderbar gestaltet, und senkrecht zerklüftet, über 110 Fuß empor ragen. Gruppen von Sträuchern und Bäumen, Farrenkräuter und goldfarbiges Moos bedecken mahlerisch diese Felsenwände. Ein Bach fließt durch die Tiefe. Die engen geschlossenen Wände, worein oft nur ein schmaler Bogen des Himmels hinab blickt, treten bald auf beiden Seiten aus einander und bilden ein breiteres Thal. Links zieht sich eine Felsenschlucht, der Schleifgrund nach Lohmen. Dem Laufe des Hauptthales folgend, sehen wir nicht weit von jenem Grunde die oben erwähnten Stufen, die nach Ottowalde hinan führen. Hier und an einigen andern Stellen, wo das Thal sehr schmal ist, hohlen die Bewohner von Ottowalde vom jenseitigen Ufer Holz und Steine, auf großen Handschlitten, Rappern genannt, die man an einem, um zwei Bäume diesseit und jenseit geschlungenen, schräg über den Grund laufenden Seite hinüber und zurück gleiten läßt. Durch die zusammenrückenden Felsenwände windet sich nur ein schmaler Durchgang, über welchem drei herab gestürzte Blöcke wie ein Thor sich wölben. Jenseit dieses Thores wird das Thal breiter, bald aber wieder verengt. Das steinerne Haus nennt man einige, wie[S. 29] Dächer gelegte Steinblöcke, welche Höhlen decken, wo die Bewohner der umliegenden Gegend in Kriegeszeiten ihre geflüchtete Habe bargen. Nicht weit von hier finden wir eine Höhle, die sich durch zusammen gefallene Felsen zieht, welche eine schornsteinartige Oeffnung haben. Sie wird die Teufelsküche genannt. Ein anmuthiges Thal, von einem kleinen Felsenbache Zschirregrund genannt, öffnet sich nicht weit von hier, und zieht sich zwischen Felsenwänden hinan, die mit Farrenkräutern und Moosen bekleidet sind.
Wir sind hier auf dem nächsten und bequemsten Wege zur Bastei, und gelangen an eine Felsenecke, wo sich der Zschirregrund in zwei Arme spaltet. Ein links auslaufendes Thal, der Holzengrund, führt nach Rathewalde. Unser Weg läuft rechts durch ein sehr rauhes, von feuchten Wänden eingeschlossenes Thal, das die Hölle genannt wird. Ehe wir es betreten, zeigt uns der Führer die Stelle, wo der Königstein, der Lilienstein und der Pfaffenstein durch eine Waldblöße sichtbar sind, und auf einem Thalrande sehen wir die große und kleine Gans. Nach dem kurzen Wege durch die Hölle, kommen wir auf eine große Wiese, die Wehle, wo wir unter Bäumen an der Felsenwand einen steinernen Tisch mit Bänken finden, der im Anfange des vorigen Jahrhunderts bei Gelegenheit eines Jagdfestes gesetzt wurde. Hier liegt der Pfad vor uns, der uns bald auf die Bastei und nach Rathen bringt.
Die bereits erwähnte, durch einen Wolkenbruch erzeugte Flut im September 1822 hat in diesem Thale, be[S. 30]sonders in dem Hauptthale, das sich nach der Elbe hinab senkt, große Verheerungen angerichtet. Dieses Hauptthal, der Raingrund genannt, theilt sich in drei Arme. Rechts zieht sich der Teufelsgrund, dessen obere Ecke die Bärecke heißt, auf eine Anhöhe, über welche der Weg nach Lohmen, und zum Dorfe Wehlen geht. Der mittle Grund bringt uns zu diesem Dorfe und zum Städtchen Wehlen. Der dritte, links hinauf laufende Arm öffnet sich in ein breites freundliches Thal, das uns bald in dieses Städtchen führt.
Reisende, die sich von Pirna auf das rechte Elbufer übersetzen lassen, um von hier die Bastei und Rathen zu besuchen, gehen auf anmuthigen Wiesenpfaden, unter stets wechselnden Ansichten einer reich geschmückten Landschaft, aufwärts über die Dörfer Nieder-Posta, Ober-Posta und Zeichen nach Wehlen, das von Obstpflanzungen und Hopfengärten umgeben, am Ausgange des Ottowalder Thales unter hohen Felsenwänden längs der Elbe liegt, deren schöner Spiegel sich in sanften Krümmungen zwischen den felsigen, jenseit dicht bewaldeten Ufern hinab zieht. Ueber dem Städtchen, wo 700 Einwohner sich von Leinweberei, Baumwollespinnen, Obst- und Hopfenbau und besonders auch vom Korn- und Steinhandel nähren, ragen die ansehnlichen Trümmer des alten Schlosses hervor. Die Geschichte dieser Burg ist dunkel. Ursprünglich wurde sie vielleicht schon von den Sorben angelegt, später aber, als die Ansiedelung der Teutschen jene verdrängt hatten, wahrscheinlich in eine Burgwarte verwandelt, und in der Folgezeit der Hauptsitz der Herrschaft[S. 31] Wehlen. Diese gehörte bereits im 13ten Jahrhundert zum Markgrafthum Meißen, ward aber später böhmisches Lehen, bis sie zu Anfange des 15ten Jahrhunderts mit Pirna vom König Wenzel an Meißen verpfändet wurde. Schon im 16ten Jahrhundert, als die damahligen Besitzer dieser Herrschaft, die Herren von Schönburg, das Schloß Lohmen neu erbauten und es zu ihrem Wohnsitze machten, scheint das Schloß verfallen gewesen zu sein, und wurde seitdem so ganz verödet, daß 1788 eine Mauer einstürzte und ein Haus von der Stelle schob.
Von Wehlen führt ein sehr anmuthiger, aber nur für Fußwanderer gangbarer Weg längs der Elbe am Fuße der hohen Felsenwand in 3 Viertelstunden nach Rathen, wenn man sich nicht auf das jenseitige Ufer übersetzen lassen, und auf einem angenehmern Wege, im Angesichte der Felsen von Rathen, bis Ober-Rathen wandern will, wo man wieder auf’s rechte Ufer hinüber fährt. Die Reisenden, die von Pirna nach Wehlen gekommen sind, gehen nun entweder durch das Ottowalder Thal und den Zschirregrund auf dem bereits beschriebenen Wege, oder über Rathen auf die Bastei. Jener ist vorzuziehen, da sich uns hier die überraschende Aussicht von dem hohen Felsenvorsprunge auf einmahl öffnet, die wir auf dem letzten Wege theilweise von mehren Standpunkten betrachten. Wer aber diesen Weg wählt, wandert von Rathen in dem anmuthigen Grünbachthale hinauf, wendet sich dann in den felsigen Wehlergrund und kommt aus diesem auf den, in neuern Zeiten bequemer[S. 32] gewordenen Pfad, der durch die Vogeltelle zwischen hohen Felsen hinan führt.
Endlich stehen wir auf dem, kaum 10 Fuß breiten Gipfel des vorspringenden, gegen 600 Fuß über die Elbfläche und 973 Par. Fuß über das Meer sich erhebenden Felsenhornes, das wegen der Aehnlichkeit mit Bevestigungen den Nahmen
erhalten hat. Ein reiches Landschaftbild liegt vor unsern Blicken. Die Elbe zieht sich im Thale zwischen Wiesenufern und Saatfeldern, am Fuße der Sandsteinwände hinab. Rathen, Wehlen, und jenseit eine Reihe von Dörfern, liegen längs ihrem Gestade. An den beiden Bogen, die der Strom hier bildet, ragen die Bärsteine, der Königstein und der Lilienstein empor, und über ihre Felsenstirnen blicken der Pfaffenstein, die Kuppelberge, der Zschirnstein und aus blauer Ferne der Schneeberg und der Sattelberg in Böhmen, und der Geisingsberg im Erzgebirge. Hinter dem großen Winterberge und dem Zirkelstein wölbt sich der mächtige Rücken des böhmischen Rosenberges. Ueber Rathen hinaus nach Morgen und Mitternacht erheben sich die Felsenwände des Hohnsteiner Forstes, das Schloß Hohnstein und in der Ferne die Berge bei Neustadt. Kehrt unser Blick zu den nächsten Felsenumgebungen zurück, so sehen wir den Neu-Rathen empor ragen, den ein tiefer Abgrund, die Mardertelle von uns trennt, aus welchem wir einen aufgemauerten Pfeiler hervor ragen[S. 33] sehen, der die Brücke trug, die vor Zeiten das Felsenschloß mit der Bastei verband, und auf den Weg nach Rathewalde führte. Von den nächsten Felsen erblicken wir vor uns: die große und kleine Gans, das Blankhorn, den Amselstein und den Gamrichstein.
Wer die Reise nach der Bastei zu Wagen über Rathewalde gemacht hat, wird vielleicht, wenn er an demselben Tage wieder zurück nach Dresden geht, den Rückweg durch den Zschirregrund nehmen und weiter nach Ottowalde wandern, wo sein Wagen ihn erwartet. Geht er wieder über Rathewalde, so verweilt er hier, um die, 1 Viertelstunde entfernte Hohburkersdorfer Linde zu besuchen, welche eine Höhe krönt, wo sich eine der reichsten und reizendsten Aussichten öffnet.
[1] Zuerst Pirna 1803. und in der 4ten Aufl. Dresden 1821.
Wollen wir von der Bastei unsre Reise weiter östlich fortsetzen, so bieten sich uns verschiedene Wege dar. An einem günstigen Sommertage haben wir vielleicht Zeit, mit der Reise zur Bastei eine Wanderung zu den nächsten Felsengestalten zu verbinden, wohin von hier am Rande des Abgrundes ein Weg führt. Wir kommen zuerst zur großen Gans, die sich an dem, von hohen Felsengruppen umgebenen Wehlergrund erhebt. Die Aussicht von dieser Felsenhöhe zeigt uns eine wilde Landschaft, aber am Ausgange jenes Grundes werfen wir einen Blick in das anmuthige Grünbachthal und auf die Häuser von[S. 34] Rathen, über welche der Königstein und Lilienstein hervorragen. Unweit der großen Gans erhebt sich eine zerrissene, orgelförmig gestaltete Felsenwand, die kleine Gans, welche gleichfalls ersteigbar ist. Wir sehen uns hier von dem Blankhorne, dem Amselstein, Honigstein, Feldstein, Neu-Rathen und der Bastei umgeben, während in der Tiefe der Tümpelgrund, der Rabengrund, und die furchtbaren Schwedenlöcher, die in dem dreißigjährigen Kriege den Umwohnern eine Zuflucht gewährt haben mögen, sich öffnen. Ueber diese Felsenwildniß hinaus sehen wir Rathewalde, Hohnstein, und rechts das Dorf Walthersdorf, worüber die böhmischen Gebirge hervor ragen.
Wer so weit gegangen ist, geht durch den Wehlergrund zurück, um sich nach Rathen zu wenden, und erblickt auf diesem Wege die früher gesehenen Felsen in veränderten Gestalten. Man nähert sich bald der furchtbaren Mardertelle, worein man früher auf dem Wege von Rathen nach der Bastei einen Blick warf. In dieser wilden Schlucht stoßen die Wände des Neu-Rathen mit den höhern Wänden der Bastei zusammen; und außer dem aufgemauerten Pfeiler, den wir bereits von oben herab bemerkten, erblicken wir noch mehre ähnliche, welche die früher erwähnte Brücke trugen. Man soll hier, wie eine alte Ueberlieferung erzählt, einst Menschengebeine ausgegraben haben, welche man den Sorben zuschreiben wollte, die bei der Eroberung des Neu-Rathen in den Grund hinab stürzten.
Treten wir aus dem Wehlergrunde in das freund[S. 35]liche Thal, wo der Grünbach hinab fließt, so sehen wir auf der jenseitigen Höhe den Feldstein empor ragen, eine, vom Wald umgebene Felsenwand, welche Burgtrümmern ähnlich und von einer natürlichen Höhle durchbrochen ist, wo man auf vorspringenden Felsenspitzen ruhend, die umliegende Landschaft überschaut, die das nahe Rathen mit seinen Trümmern, die Elbe, den Königstein und Lilienstein umfaßt. Gegenüber erheben sich die zerrissenen Pfeiler der kleinen Gans. An den Feldstein gränzt der Honigstein, der auf allen Seiten von tiefen Schluchten umgeben, und am bequemsten vom nassen Gründel bestiegen wird, wenn man die, besonders gegen Ost und Südost reiche Aussicht von seinem Gipfel genießen will, die uns ein beinahe so herrliches Landschaftgemählde zeigt, als wir auf dem Felsenhorne der Bastei gesehen haben. Lassen wir den Blick über die furchtbare Schlucht des nassen Grundes, die sich vor uns öffnet, hinweg gleiten, so blickt uns vom jenseitigen Rande des Abgrunds die freundliche Landschaft von Hohnstein und Rathewalde entgegen. Ueber Hohnstein ragen die Wände des tiefen Grundes hervor, und über diese schaut der große Winterberg mit seinen böhmischen Nachbarn. Die beiden Gränzhüter des Elbthals, der Königstein und Lilienstein, erheben sich gegen Mittag und die Höhen des Erzgebirges dämmern im Hintergrunde.
Der Rückweg vom Honigstein geht durch den Saugrund, der uns wieder in das Grünbachthal bringt, wo wir mit den Wanderern zusammen treffen,[S. 36] die auf dem nächsten Wege von der Bastei durch die Vogeltelle (s. oben S. 31.) herabkommen, um mit uns nach
zu gehen. Dieses Dorf, wo wir im Lehngerichte, Bewirthung und Nachtlager finden, liegt auf beiden Ufern der Elbe, der kleinere Theil, Ober-Rathen, auf dem linken, der größere aber, Nieder-Rathen, zieht sich auf dem rechten in den Felsengrund hinauf. In der Umgegend wächst sehr guter Hopfen, den man dem böhmischen gleich setzen, und dem bei Wehlen erbauten vorziehen will. Wir verweilen zuerst vor dem freundlichen Wirthshause an der Elbe, des herrlichen Landschaftgemähldes uns zu erfreuen, das die Ufer des Stromes, in welchem links der Lilienstein seine Felsenkrone spiegelt, vor uns entfalten.
Wer den Besuch der schönen Umgegend von Rathen mit der Reise nach Schandau verbinden will, kann den bereits beschriebenen Weg zur Bastei und die noch rückständige Wanderung nicht in einem Tage zurücklegen, sondern muß am ersten Reisetage entweder in Lohmen, oder in Rathen sein Nachtlager nehmen, und die Frühstunden des zweiten Tages der neuen Bergwanderung widmen. Ein Führer, den wir im Wirthshause finden können, bringt uns in den, sich gleich hinter dem Hause öffnenden Rathner Grund, wo diejenigen, welche zuerst die oben beschriebenen Felsen am Wehler-Grund besehen wollen, sich bald von uns trennen. Auf die Trümmer der Burg von Alt-Rathen, die sich über dem[S. 37] Dorfe auf einem vorspringenden Felsen erheben, werfen wir nur einen Blick. Es ist nichts als ein runder Thurm mit kaum zugänglichen Kellern davon übrig. Die Burg wurde wahrscheinlich schon von den Sorben angelegt, und später, nach teutscher Art bevestigt, in eine Burgwarte umgewandelt. Nach den ältesten geschichtlichen Spuren stand Rathen gegen Ende des 13ten Jahrhunderts unter Raubold von Niemancz, welcher vom König von Böhmen abhängig, Burggraf des Schlosses Königstein war, später aber kam es vielleicht mit dem Königstein an die Burggrafen von Dohna. Im 15ten Jahrhunderte, bald nach Vertreibung dieses mächtigen Rittergeschlechts, finden wir Rathen im Besitze der Edlen von Oelsnitz, die in eine, von Glaubenshaß entzündeten Fehde, mit ihrem Nachbar, dem hussitisch gesinnten Hinko Berk von Duba auf Hohnstein verwickelt waren. Dieser Krieg machte es den Landesherrn, dem Kurfürsten Ernst und dem Herzog Albert nicht schwer, sich endlich 1468 der Burg Rathen zu bemächtigen.
Wir besuchen zuerst den Neu-Rathen, die Ueberreste einer Felsenburg, welche vielleicht schon im 12ten Jahrhundert angelegt wurde, als der Raum in Alt-Rathen zu beschränkt geworden war, und die mit dieser nach der Eroberung gleiches Schicksal hatte. Wenn wir eine kurze Strecke am Grünbach hinauf gegangen sind, bringt uns ein steil ansteigender Pfad zu dem Wachhäusel, einer in den Felsen gearbeiteten vierseitigen Höhle, die vielleicht einst einem Wächter zum Aufenthalte diente. In der Oeffnung der Felsen, durch welche der[S. 38] Weg dahin führt, verrathen uns Falze am Eingange, daß sie einst durch ein Thor verschlossen war. Am Abhange des Berges läuft der Weg im Gehölze fort, wo links die Elbe aus der Tiefe herauf blickt, und ein Vorsprung, der Rosengarten, oder das Rosenbett genannt, einen günstigen Standpunkt zur Aussicht in’s Thal darbietet. An dem hohen Mönchstein vorbei wandernd, kommen wir bald zum Eingange des Neu-Rathen, der als eine, von zwei senkrecht stehenden Felsenkegeln gebildete, gegen 6 Fuß breite Kluft erscheint, wo man die Falze und Löcher ehemahliger Fallgitter und Riegel deutlich erkennt. Haben wir dieses Felsenthor hinter uns, so führt uns ein angenehmer Weg zwischen hohen Felsenwänden aufwärts, und wir erblicken bald am Abhange des Berges die Trümmer alter, erst im siebenjährigen Kriege zerstörten Mauern, welche die Sage zu dem Ueberreste der Burgkapelle macht. Von hier ersteigen wir den Gipfel des Berges. Ein Felsenstück, wahrscheinlich von Menschenhänden in eine Bank verwandelt, das Kanapee, bietet uns einen Ruheplatz, wo wir die Aussicht über den Strom genießen, der sich in der Tiefe zwischen seinen Felsenufern fortwindet, ungefähr dasselbe Landschaftgemählde, das sich auf der Bastei vor uns ausbreitet, nur minder umfassend, und gegen Nordwest durch vorspringende Berge und Wälder beschränkt. Wir sehen hier die Trümmer von Alt-Rathen in der Nähe, und über uns erhebt sich der steil ansteigende, über 140 Fuß hohe Mönchstein mit dem Mönchsloche, einer selbst vom Elbufer sichtbaren, gegen 5 Fuß breiten Höhle, die vor Zeiten vielleicht zur Burg[S. 39]warte diente. Man hat diesen Felsen auch in neuern Zeiten mit Leitern erstiegen, die auf den vier Absätzen, woraus er besteht, angelegt wurden.
Auf dem Gipfel des Neu-Rathen erblicken wir ein von Felsenwänden spitzig gewölbtes Thor, das den Haupteingang der alten Burg bildet, und finden deutliche Spuren ehemahliger Gemächer, einen von Menschenhänden angelegten Brunnen und mehre Ueberreste alter Bevestigungen. Am Ausgange des Felsenthores schauen wir in den Abgrund der Mardertelle hinab. Betrachten wir hier die ganz nahen, auf Felsenspitzen gemauerten Brückenpfeiler, die aus der Tiefe hervor ragen, so scheint vom Thore zum ersten Pfeiler eine Zugbrücke gegangen zu sein, über die entferntern Pfeiler aber bis zur jenseitigen Wand zog sich vermuthlich eine hölzerne Brücke. Unweit der Brückenpfeiler zieht sich queer über den Grund eine Felsenerhöhung, die alte Schanze genannt, auf welcher in der Länge hier eine Vertiefung läuft; wahrscheinlich auch eine Spur ehemahliger Bevestigungen. — In neuern Zeiten hat man die halb verschütteten Stufen wieder aufgegraben, die unweit des Thores auf die höchste Felsenwand führen. Oben auf der Fläche lagen mehre große steinerne Kugeln, und da einige Spuren die Vermuthung zu begründen scheinen, daß man diese Kugeln von hier mittels einer Schleuder auf die Feinde geworfen, so nannte man den Felsen die Steinschleuder.
Die Trümmer der Burg Neu-Rathen, wovon nach der Zerstörung im Jahre 1468 nichts als die Felsenmauer übrig blieben, dienten im dreißigjährigen Kriege, beson[S. 40]ders im Jahre 1639, als Banner mit seinen Kriegsvölkern Pirna und den Sonnenstein belagerte, den verzagten Bewohnern der Umgegend als vester Zufluchtort, und eine Inschrift im Felsen verräth, daß auch bei dem schwedischen Einfall im Jahre 1706 Flüchtlinge hier Schutz gesucht haben, die vielleicht zu jener Zeit einige neue Bevestigungen zu ihrer Sicherheit anlegten.
Wer Zeit hat, sich in der Gegend von Rathen aufzuhalten, oder auch über Rathewalde nach Hohnstein zu wandern, kann von dem Neu-Rathen gleich in den nahen
gehen. Der Weg dahin von Rathen am Grünbach hinauf, ist leicht zu finden. Auf einem steilen Pfade ansteigend, sehen wir rechts den Gamrichstein und den Feldstein, links die Bastei und die Felsenwände des Neu-Rathen empor ragen. Wir gehen an einer engen Schlucht vorüber, die Dachsenhälter genannt, aus welcher ein Waldbach (dürre Bach) hervor strömt, und stehen bald vor dem Amselstein, wo der Grünbach über eine, gegen 30 Fuß hohe Wand hinab stürzt. Im Felsen wölbt sich eine Grotte, über deren Decke der Bach rauscht. Diese 10 Fuß hohe und 5 Fuß breite Höhle heißt das Amselloch. Der Wasserfall ist bei trocknem Wetter unbedeutend, wenn nicht der Müller in der Lohmühle bei Rathewalde bewogen wird, die Schlucht seines Teiches zu öffnen, um den Fall zu verstärken. Ein ansteigender Pfad zur Linken führt uns über das Amselloch[S. 41] hinaus, und wir kommen bald zu einem neuen Fall, wo der Bach sich bis zum Amselstein über Felsenblöcke fortwälzt. Den anmuthigen Weg am Grünbach verfolgend, treten wir nun aus der Felsenschlucht in ein breites waldiges Thal und sehen jenseit der Lochmühle das Dorf Rathewalde auf dem Rande der steilen Felsenwand.
Wir verlassen die Wanderer, die von hier den Hockstein besteigen und nach Hohnstein gehen, oder die Reise nach Schandau auf der Fahrstraße fortsetzen wollen, und kehren nach Rathen zurück, um andere Reiseplane zu besprechen. Am Eingange des Rathner Grundes folgen wir dem Pfade, der uns am jenseitigen Ufer des Grünbaches zwischen den Häusern des Dorfes Rathen hinan führt, ehe wir die Anhöhe erstiegen haben, fesseln unsern Blick reizende Aussichten. Die Felsen, die wir auf unserer frühern Wanderung sahen, die große und kleine Gans, der Neu-Rathen, die Bastei, der Feldstein und Honigstein, erscheinen von diesem Standpunkte gleichsam in ein Ganzes zusammen gedrängt. Zwischen dem Feldstein und dem rechts emporragenden Gamrichstein treten die hohen Wände des Ziegenrücks hervor, über welche die höhern Felsen der Hohnsteinwände, die das Polenzthal einfassen, herab schauen. Auf dem Rücken der Anhöhe stehen wir endlich vor dem sogenannten
einem, aus ungeheuren Blöcken tempelartig erbauten, mit[S. 42] einem platten Dache bedeckten Felsen, durch welchen eine, auf beiden Seiten offne, rund gewölbte Höhle geht, auf deren Hinterseite man in die furchtbare Tiefe des Abgrunds blickt. Am Eingange der Halle überschauen wir eines der reizendsten Landschaftbilder, durch welches sich die Elbe, zwischen waldigen Ufern von Königstein herabströmend, in einem sanften Bogen zieht. Jenseit auf dem hohen östlichen Uferrande liegt anmuthig das Dorf Weissig, hinter welchem die Bärsteine und der Rauenstein empor ragen. Wald und Gebüsch, Berge und Thäler, Kornfelder, Wiesen und Obstbaumpflanzungen ziehen sich auf jenem Uferrande in reizender Abwechselung hinab, während am Fuße des Gebirges einzelne Häuser aus Baumschatten hervor blicken. Auf dem diesseitigen Ufer lachen Wiesen am Fuße nackter Felsenwände und Waldhöhen, die in einem Halbkreise bis Wehlen laufen, und links blicken über den Strom und sein bunt geschmücktes Ufer die Felsengipfel des Liliensteins und Königsteins.
Vom Backofen zurückkehrend, kommen wir auf einem kurzen Wege an der Elbe, wo wir jene Halle von einem andern Standpunkte sehen, zu einem vorspringenden Felsenhorn, dem man Ludwigs XVI Nahmen gegeben hat, weil man in dem Umriß des Felsens eine Aehnlichkeit mit des Königs Kopfe auf Münzen finden will.
Reisende, die der Linie folgen, welche wir in diesem Abschnitte beschreiben, würden nur im Falle eines längern Aufenthalts in Rathen noch einige Seitenwanderungen in die Gegenden machen können, die wir nach[S. 43] unserm Plane erst auf künftigen Reisen besuchen. Für diejenigen, die nicht so eilig sind, ihr nächstes Ziel Schandau, zu erreichen, können wir hier nur Andeutungen geben. Die anziehendsten Punkte, die noch von Rathen besucht werden können, sind der Lilienstein und Hohnstein, und über beide könnte, wenn man den Umweg nicht scheut, die Reise nach Schandau fortgesetzt werden. Der nächste Weg von Rathen zum Lilienstein führt vom Ufer der Elbe auf den, durch das Gebüsch die Höhe hinan steigenden Lottersteig, der zu dem Dorf Ebenheit am Fuße des Felsens uns bringt. Die Fahrstraße von diesem Dorfe geht über Walthersdorf, und von hier über den Ziegenrück nach Rathewalde, oder nach Hohnstein, wohin Fußgänger durch den steilen Neuweg, eine enge und furchtbare Felsenschlucht, auf einem beschwerlichen Pfade hinan steigen. Ueber Porschdorf geht der Weg von Walthersdorf nach Schandau. Wollen wir den Besuch des Königsteins mit der Reise zum Lilienstein verbinden, so lassen wir uns in Rathen auf das linke Elbufer übersetzen und geben über Petzscha und längs den Bärsteinen über Weissig, oder über den Diebskeller nach Königstein, und von hier nach Ebenheit auf dem jenseitigen Elbufer. Wer von Rathen nach Hohnstein gehen will, wandert entweder auf dem oben beschriebenen Wege durch den Amselgrund nach Rathewalde, und geht dann auf der von Lohmen kommenden Straße über den Wartenberg nach Hohnstein, oder wendet sich von Rathen gleich auf die Straße über den[S. 44] Ziegenrück. Von Hohnstein führt der Weg durch den tiefen Grund in 3 Stunden nach Schandau; Fußwanderer aber werden vielleicht den Umweg über den Brand, den Kikelsberg, den Waizdorfer Berg, den tiefen Grund und den Ochelgrund wählen. Alle diese Gegenden beschreiben wir im folgenden Abschnitte, wenn unsre Wanderungen von Schandau aus uns dahin bringen.
Die Reisenden, welche auf den Abschweifungen, die wir nach der Rückkehr von der Bastei gemacht haben, uns nicht begleiten, sondern ihren Weg nach Schandau fortsetzen wollten, finden wir in Rathewalde wieder. Hier besteigen wir mit ihnen die oben erwähnte Anhöhe bei dem nahen Hohburkersdorf, wo wir einer Aussicht uns erfreuen, welche nördlich bis über Neustadt und Stolpen reicht, und besonders über Lohmen und Pirna bis nach Dresden ein herrliches Landschaftgemählde umfaßt, über dessen Rand die Höhen des Erzgebirges bis Altenberg und Böhmens blaue Bergrücken hervor blicken.
Der Fahrweg von Rathewalde zieht sich über eine steinige Anhöhe, den Ziegenrück, längs den mächtigen Felsenwänden, die über dem Hohnsteiner Grunde sich erheben. Wir blicken zuweilen in das Thal, an dessen hohem Rande der Weg läuft, und sehen es bald von Waldschatten verdüstert, bald von anmuthigen Wiesenmatten erheitert, durch welche die Polenz sich windet. Steil abwärts senkt sich die Straße nach Porschdorf, wo eine bedeckte Brücke über den Lachsbach führt, welcher aus[S. 45] der Vereinigung der Polenz und der Sebnitz entsteht. Jenseit der Brücke verweilen wir auf einem schönen Standpunkte, wo die Wände des Ochelgrundes, aus welchem die Sebnitz hervor strömt, sich an die Felsenreihen des tiefen Grundes schließen. Der Weg zieht sich am Lachsbach hinab, der bei Wendischfähre in die Elbe fließt, und wenn wir hier um den Bergvorsprung uns gewendet haben, sehen wir
vor uns. Das freundliche Städtchen von 170 Häusern und 1000 Einwohnern liegt, am Ausflusse des Kirnitschbaches, längs der Elbe, östlich und westlich von hohen Bergen und Sandsteinfelsen umgeben, deren Gipfel mit Nadelholz bekleidet sind, aus dessen dunkeln Wipfeln nur zuweilen heitres Laubholz hervor blickt. Der westliche Theil, der sich nach Wendischfähre zieht, heißt die Zauke und wird von Einigen für die älteste Anlage des Ortes gehalten, dessen Nahme auf sorbischen Ursprung deutet. Auf dem Kiefericht, einem nördlich sich erhebenden Berge, findet man die Trümmer des alten Schlosses, um welches sich allmählig die Stadt gebildet haben mag, die schon 1467 im Besitze städtischer Gerechtsame war. Im dreißigjährigen Kriege, besonders in dem für die Umgegend so furchtbaren Jahre 1639, erlitt sie große Drangsale, wurde 1704 nach einem verwüstenden Brande fast ganz neu aufgebaut und häufig, zumahl 1784 und 1799, durch Ueberschwemmungen beschädigt, welchen sie durch ihre Lage stets ausgesetzt ist. Die[S. 46] beßten Häuser, deren mehre zur Aufnahme von Fremden eingerichtet sind, stehen am Markte, wo auch Ullrichs Gasthof liegt. Im Bade findet der Fremde sehr gute Aufnahme. In der Nähe desselben gibt es auch einige freundliche Wohnungen, und überhaupt hat in den letzten Jahren die Betriebsamkeit der Bewohner des Städtchens sich bemüht, den zahlreichen Gästen, welche die Sommermonate hier zubringen, einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten.
Die Bewohner nähren sich vorzüglich durch den Elbhandel. Die nahen Sandsteinbrüche liefern den Schiffern Steine, womit sie den Strom hinabfahren, und besonders die böhmischen Wälder Holz für das Ausland, da das inländische nicht ausgeführt werden darf. Mit dem Getreide, das sie die Elbe hinaufbringen, oder aus Böhmen einführen, wird ein ansehnlicher Handel getrieben. In frühern Zeiten war der Elbhandel von hier abwärts sehr ausgebreitet, bis die hohen preußischen Durchgangzölle, die fast 50 vom 100 betrugen, ihn beschränkten. Die Schifffahrt ist jedoch wegen der Nähe von Böhmen und der günstigen Lage der Stadt, noch immer beträchtlich, und die Vortheile, die der frei gewordene Strom darbietet, werden die Nachwehen des letzten Krieges, dessen Zerstörungen im J. 1813 besonders gegen die Schiffe wütheten, auch hier immer mehr heilen. Schon früher war hier wegen des lebhaften Schiffverkehrs mit Böhmen der erste sächsische Elbzoll, den die Elbschifffahrt-Akte (1821) bestätigt und zu einem der verfassungmäßigen 14 Elbzollämter gemacht hat. Zur Beförderung der Gewerbsamkeit dient auch die Kirnitschflöße, die um 1568 angelegt wurde. Es werden jährlich gegen 6000 Klaftern hartes und weiches Scheitholz aus[S. 47] den Forsten des Amtes Hohnstein auf der Kirnitsch bis Schandau geflößt, wo sie in Flosse gebunden und auf der Elbe weiter nach Dresden und Meißen geschafft werden.
Mit einer gesunden Gebirgluft empfing Schandau aus der Hand der Natur das wohlthätigste Geschenk in einer kräftigen Heilquelle, die kaum eine Viertelstunde von der Stadt am Eingange des Kirnitschthales auf einer Wiese am Fuße eines Sandsteinfelsens entspringt. Man fand beim Nachgraben, daß unter diesem Sandsteine eine, gegen 6 Zoll starke Schale Granit durch den Sandstein setzt, der dem, eine Viertelstunde oberhalb des Bades mit dem Sandstein gränzenden Granit ganz ähnlich, aus röthlich weißem Feldspath, grauem Quarz und grauem Glimmer besteht, und fein eingesprengten Schwefelkies enthält. Schon gegen Anfang des vorigen Jahrhunderts kannte man die Quellen, deren Wässer sich auf der sumpfigen Wiese sammelten, und die der Gesundbrunnen hießen. Im Jahre 1730 wurden die Quellen, um die Wiesen trocken zu legen, in eine Cisterne gefaßt, und schon die ersten, damahl vorgenommenen unvollkommenen Untersuchungen ihres Gehalts[2] brachten sie so sehr in Ruf, daß das Wasser häufig zum Trinken und Baden gebraucht und sogar auf der Elbe abwärts versandt wurde. Die Quelle bewies sich zwar seitdem gegen manche Krankheiten wirksam, blieb aber mangelhaft gefaßt und wurde auffallend ver[S. 48]nachlässigt, selbst als sie im Besitze eines Arztes war, bis endlich der neue Besitzer der Wiese, der Kaufmann Hering, mit bedeutendem Aufwande und rühmlicher Thätigkeit seit 1799 das Bad empor zu bringen wußte. Er veranlaßte in jenem Jahre eine neue chemische Prüfung des Wassers, ließ mehre Quellen im Felsen selbst auffassen, und statt des alten mangelhaften Behältnisses auf der Wiese ein neues Brunnengebäude bauen, wo sie, von wilden Wässern befreit, gereinigt wurden. Später wurden neben dem Brunnenhause auch Wohnungen für Badegäste angelegt. Im Jahre 1803 wurde eine neue Quelle entdeckt, die sich vor den ältern durch Gehalt an Schwefelwasserstoffluft auszeichnet, und es sind jetzt überhaupt neun Quellen gefaßt. Die neu entdeckte gehaltreichste enthält nach den 1803 vorgenommenen Untersuchungen des Professors Lampadius in Freiberg[3] in 100 Pariser Kubikzoll, oder 4 Pfund, 6 Loth 1 Quentchen, 20 Gr. kölln. Gewicht des Wassers: Salzsaure Talkerde 8¾, schwefelsaure Kalkerde 5¼, Kieselerde 1⅛, Eisenoxyd 18¼ Gran, kohlensaure Luft und Schwefelwasserstoffluft 11⅓ Par. Kub. Zoll.
Das Wasser ist sehr hell, wird aber durch Kochen ge[S. 49]trübt, hat einen zusammenziehenden Geschmack und erregt Aufstoßen. In der Wärme entwickelt es Luftblasen und wird trübe. Es setzt Eisenoker ab und färbt die metallenen Hähne in den Badestuben schwarz. Der Geruch der Schwefelwasserstoffluft ist auffallend, wenn das Wasser in einer halb gefüllten Flasche geschüttelt wird. Bei 18–22 Grad Luftwärme hat das Wasser im Schatten 10 Grad Reaumur. Die Quelle hat sich vorzüglich bei Nervenschwäche, Hämorrhoidalleiden, geschwächter Verdauung, Gicht, Krämpfen und bei Störungen des weiblichen Organismus wirksam bewiesen.
Die Quellen geben, seit der verbesserten Fassung, in jeder Stunde 180 Kubikfuß Wasser. Der steinerne Behälter, welcher die Quelle aufnimmt, faßt 640 Kubikfuß, wie denn die Quelle überhaupt während der täglichen Badezeit weit über den Bedarf liefert. Das Badehaus enthält 8 einfache und 3 Doppelbäder, die mit allen Bequemlichkeiten versehen sind. Das Wasser kommt unmittelbar aus der Quelle in die 12 Zoll tief versenkten Badewannen. Das zur Erwärmung der Bäder nöthige Wasser wird durch eine Pumpe gleichfalls aus dem Behälter gehohlt und stets in Siedehitze erhalten, damit nur wenig heißes Wasser zu dem kräftigern kalten gemischt zu werden brauche. Der Preis jedes Bades ist 4 Groschen. Für das Trinken des Wassers wird nichts bezahlt. Das für Badegäste und Reisende bestimmte Gebäude enthält mehre bequeme Wohnungen, ein Gesellschaftzimmer und einen großen Saal, der im Sommer zu Bällen gebraucht wird. Die Vorderseite des Hauses ist nach der, mit freundlichen[S. 50] Anlagen geschmückten Wiese gewendet. Nicht weit davon ließ der Besitzer des Bades 1823 ein neues Gebäude aufführen, das bloß Wohnungen für Badegäste enthalten soll.
Die gewöhnlichen Lebensmittel liefert die Umgegend. Obst kommt aus den benachbarten Dörfern, vorzüglich aber aus Böhmen. Treffliche Forellen und Lachskunzen geben die nahen Bäche, Wildpret die umliegenden Wälder. Bei dem Speisewirth im Bade findet man im Sommer eine gesellige Wirthstafel, gute Weine und fremde Mineralwässer, und auch in Ullrichs Gasthofe ähnliche Befriedigung.
Ein Schiff geht im Sommer wöchentlich nach Dresden. Der Besitzer des Bades hält 5 Gondeln zur Bequemlichkeit der Gäste, und auch bei andern Bewohnern des Ortes findet man Kähne zu Lustfahrten. Briefe besorgt ein Postbote von Pirna.
Die Genüsse, welche die Reize der Natur darbieten, müssen die gewöhnlichen Badezerstreuungen ersetzen, die man hier nicht suchen darf; sie geben aber dem Aufenthalte eigne Annehmlichkeiten, die nicht nur den wohlthätigen Einfluß der Heilquelle erhöhen, sondern auch dazu beitragen mögen, eine freundliche Geselligkeit zu erwecken und jene schroffen Absonderungen zu verhüten, die in andern Bädern so störend sind. Während den rüstigen Wanderer nahe und ferne Thäler in ihre Schatten und die Felsen auf ihre hohen Gipfel rufen, findet auch der schwächere Badegast sanftere Pfade in der nächsten Umgegend. Gleich links vom Badehause zieht sich ein viel besuchter Weg zur Berghöhe hinan. In einer Felsen[S. 51]blende sehen wir Luthers Büste, mit der Inschrift: „Eine veste Burg ist unser Gott. Den 31. October 1817;“ ein Andenken an die Jubelfeier der Reformation. Ein Pfad, den man leider alles Schattens beraubt hat, bringt uns auf einen Felsenvorsprung über der Mündung der Kirnitsch, die Karlsruhe genannt, und unser Auge schweift über die anmuthige Landschaft, wo der Lilienstein, von Bergfernen überragt, in ernster Pracht hinab schaut, während Schandau, Postelwitz und Krippen, und die Ufer des Stromes, von der Thätigkeit der Schiffer und der Arbeiter in den Steinbrüchen belebt, unten im Thale in dem anmuthigsten Bilde sich verbinden. Verfolgen wir den Weg auf dem hohen Ufer der Elbe, so stehen wir bald auf der Höhe über Postelwitz, wo wir Schandau von einem der günstigsten Standpunkte erblicken. Steigen wir von der Karlsruhe aufwärts, und in einer Viertelstunde haben wir die Höhe bei dem, über dem Bade auf dem Uferrande der Kirnitsch liegenden Dorfe Ostrau, die sogenannte Ostrauer Scheibe, erreicht. Wir übersehen hier einen großen Theil des mahlerischen Felsenlandes, das über dem heitern Vorgrunde sich erhebt, und uns über dreißig Gipfel zeigt. Gegen Morgen blicken über die, aus dem Zahngrunde aufsteigenden Tannenwipfel der Felsenkegel des Falkensteins und die Schrammsteinwände, hinter welchen der grüne Rücken des Winterberges hervor ragt. Gegen Mittag erheben sich der Kahlstein, der Zirkelstein, und in blauer Ferne der Rosenberg. Ueber die Fluren von Schönau und Reinhardsdorf am jen[S. 52]seitigen Elbufer herrscht der mächtige Zschirnstein. Zwischen den Kuppelbergen schaut das Dörfchen Klein-Gießhübel hervor, und im Hintergrunde winkt die Kirche von Papstdorf. Der Papststein, der Gorischstein, der Quirl, die Bärsteine, der Rauenstein und der Gamrichstein bilden einen Felsenring, der die Ferne deckt, und nur hinter dem Lilienstein blicken die Anhöhen von Pillnitz hervor. Seitwärts vom Gamrichstein ragen die Hohnsteiner Wände empor, woran die Felsen des Ochelgrundes sich lehnen, über welche der Waizdorfer Berg und der Kikelsberg sich erheben. Ueber Ulbersdorf, Altendorf und Mittelndorf schauen der Unger und der Buchberg bei Sebnitz hervor, und schließen das prachtvolle Rundgemählde.
Von hier führt uns ein Weg über Feld und Wiesen nach dem Walde, und es öffnet sich ein Felsenthal, das uns in den Zahngrund bringt, vor dessen Ausgange an der Elbe das Dorf Postelwitz unter Baumschatten am felsigen Abhange liegt. Die Sandsteinbrüche, die sich von diesem Dorfe am Strome gegen Schmilka hinaufziehen, gehören zu den vorzüglichsten des Sandsteingebirges und liefern einen feinkörnigen vesten Stein. Der Naturforscher findet in einer, hier vorkommenden Sandstein-Breccie viele merkwürdige Versteinerungen.
An der Ecke dieser Steinbrüche erblickt man ein vorspringendes Felsenstück, das die Königsnase genannt wird. Rechts vom Eingange des Zahngrundes ziehen sich die Gärten den Dorfes Postelwitz nach Schan[S. 53]dau. Durch die anmuthige Landschaft, die das mahlerische Krippen am jenseitigen Ufer verschönert, wandern wir am Strome hin, bis wir vor einem Garten, den ein ehemahliger reicher Bewohner von Schandau auf der nackten Felsenwand mit großem Kostenaufwande und eigensinniger Beharrlichkeit angelegt hat, einen Augenblick verweilen.
Eben so belohnend sind Wanderungen abwärts an der Elbe nach Wendischfähre, oder in die freundliche Umgegend des Dorfes Prossen, oder bis zu den ersten Mühlen in dem reizenden Kirnitschthale, wo wir gleich oberhalb des Bades links einen Freiplatz unter einer Felsenwand sehen, der im Jahre 1818 zum Andenken der Jubelfeier des Königs den Nahmen Friedrich Augusts Platz erhielt. Links vom Eingange des Thales steigt ein Pfad den Bergabhang hinan, der uns zunächst zu einem Standpunkte leitet, wo wir das Bad und die Oeffnung des anmuthigen Thals überschauen, und dann weiter auf die nach Altendorf und Lichtenhain führende Fahrstraße bringt.
[2] S. das Schandauer Gesundheitsbad, beschrieben von K. F. Montag. Pirna (1799) 8. 6.
[3] S. dessen Beiträge zur Erweiterung der Chemie, Band 1. (Freiberg 1804) S. 318. John bemerkt dagegen (Wörterbuch der Chemie, IV, 126) wenn das Wasser kein schwefelsaures Eisen enthalte, sei der Eisengehalt zu beträchtlich angegeben. Von neuern Untersuchungen der Quelle ist, so viel ich weiß, wenigstens öffentlich nichts bekannt geworden. Billig sollten Heilquellen von Zeit zu Zeit wiederhohlten Prüfungen unterworfen werden.
Wir brauchen einen vollen Tag zu dieser Reise, wenn wir von Hirniskretschen nach Schandau zurück kehren wollen, und müssen sie, den kurzen Weg bis zu Heidemühle im Kirnitschthale abgerechnet, in der an[S. 54]genommenen Richtung ganz zu Fuße machen. Wer bis zum Kuhstall fahren will, wählt die Straße über Altendorf, Mittelndorf und Lichtenhain, wo ein Weg zur Lichtenhainer Mühle abwärts, und dann der Münzweg bis zum Eingange der Felsenhalle führt.
Wir treten gleich hinter den Gebäuden des Bades in das Thal, und wandern auf dem linken Ufer der Kirnitsch, die uns entgegen rauscht. Das Thal wird bei jedem Schritte reizender. Rechts schließen es die hohen Ostrauwände ein, über deren waldige Felsengipfel einige Häuser des Dorfes Ostrau herabsehen. Links begränzt den Weg die felsige Uferwand, über deren Höhe sich die eben erwähnte Straße nach Lichtenhain zieht. Während der Fahrweg im Thale bis zur Heidemühle fort läuft, führt uns der Fußpfad bald über einen Steg auf das jenseitige Ufer, wo wir die Gränze zwischen dem Sandstein und dem links von der Höhe herab einfallenden Granit bemerken, der wahrscheinlich weit in die Tiefe unter dem Sandstein einschießt. Wir wandern auf einem Wiesenpfade, bis wir bei den waldigen Umgebungen der Ostraumühle wieder auf das rechte Ufer des Baches kommen. Die Mittelndorfer Mühle, wo man Bewirthung und im Nothfall ein Nachtlager findet, umgibt ein Kranz von Obstbäumen, unter dem Schatten des dunklen Waldes. Unweit dieser Mühle läuft der Weg an dem Stollen eines Kupferbergwerks hin, das der neue Segen Gottes hieß, um die Zeit des siebenjährigen Krieges aber in Verfall gerieth, und auch nach einem spätern Versuche zu einem neuen Bau ganz aufgegeben wurde. Wald[S. 55] und Wiesen laufen am linken Ufer des Baches fort, während am jenseitigen eine nackte Granitwand sich erhebt, bis bald auch hier wieder Sandsteinfelsen vorspringen. Jenseit des Baches öffnen sich die kahlen Felsenwände der Kroatenschlüchte, und bald kommen wir um eine vorspringende Felsenwand in ein breites heiteres Wiesenthal, das ein üppiger Wald umgibt, aus welchem graue Sandsteinfelsen hervor blicken. Die höher emporragenden Felsen, von Fichten und Tannen gekrönt, drängen sich bald wieder an die Wiesenufer des Baches, aber die Thätigkeit in den Steinbrüchen auf beiden Seiten, wo der Naturforscher viele Muschelversteinerungen findet, belebt die Landschaft.
An der linken Bergwand sehen wir bald einen Waldbach, das Beuthenwasser, herab eilen, der zwischen dicht beschatteten Felsenblöcken einen Fall bildet, und uns vielleicht anlockt, in der Schlucht hinauf zu gehen, die uns nach Lichtenhain bringt. Dem Falle gegenüber führt ein Steg über den Bach in den Dietrichsgrund, der zwischen hohen Felsenwänden zum kleinen Winterberge sich zieht, und aus welchem südlich die nassen Schlüchte zu den beiden Speichenhörnern laufen.
Ohne uns zu diesen Abschweifungen verlocken zu lassen, setzen wir die Wanderung im Kirnitschthale fort, wo links am Wege eine Höhle, durch welche wir gehen können, die Metze genannt wird. Wir kommen nach wenigen Schritten zu der anmuthigen Heidemühle. Wer in dieser Mühle, der letzten, die wir auf[S. 56] unserm Wege finden, und die uns mit wohlschmeckender Milch bewirthet, ausruhen will, kann die, eine Viertelstunde von hier entfernte Höhle am Wildenstein besuchen, und geht dann vielleicht durch den Habichtsgrund auf den Kuhstall.
Von der Heidemühle führt der Weg wieder auf das jenseitige Ufer und steigt dann am vorspringenden Felsen aufwärts, bis wir zum Fall des Lichtenhainer Baches kommen, der bei einer Grotte, der hohle Stein genannt, zwischen hohen, von Flechten, Moosen und andern Pflanzen mahlerisch bekleideten Felsenwänden herab stürzt, und dann über Wiesen zur Kirnitsch rinnt.
Unweit der Grotte fällt ein Fußpfad herab, der von Lichtenhain zum Kuhstall führt. Wer von Schandau zum Kleinstein und Arnstein geht, verfolgt hier den Weg aufwärts an der Kirnitsch, die ihn zur Lichtenhainer Mühle bringt. Wir werden künftig auf diesen Weg zurück kommen, und gehen jetzt auf das linke Ufer der Kirnitsch hinüber, wo wir am Abhange des Berges ansteigend, auf den oben erwähnten Münzweg kommen, der in einen, um den Fuß des Hausberges sich ziehenden Weg in den großen Zschand fällt. An der Münze, wo die gleichnahmige Pflanze häufig wild wächst, bietet uns der Münzborn ein treffliches Quellwasser, und wir ersteigen dann auf einem Pfade, den ein Geländer bequemer macht, den Hausberg. Ein auf beiden Seiten von Nadelholz eingefaßter Weg öffnet sich uns, und bald ragt die prächtige Felsenhalle, der
empor, durch dessen weiten Bogen eine waldige Felsenlandschaft schaut. Gebüsch und Farrenkraut umgrünen das, 20 Fuß hohe und 28 Fuß breite Eingangsthor. Das Innere der Halle wölbt sich weiter und höher; an der jenseitigen Oeffnung aber, die 80 Fuß hoch und 70 Fuß breit ist, steigt die schroffe Wand aus einer tiefen waldigen Felsenschlucht empor, über welche die zackigen Gipfel des kleinen Winterbergs hervor ragen. Die merkwürdige Bildung dieser Felsenhalle ist ohne Zweifel das Werk der Naturgewalt; ob aber hier, wie man vermuthet hat, die Burg Neu-Wildenstein gestanden, ist sehr ungewiß, da sich selbst das Dasein dieser Burg keineswegs erweisen läßt. Während der Schrecknisse des dreißigjährigen Krieges, die seit dem Jahre 1631 über ein Jahrzehend lang diese Gegend verheerten,[4] war das ganze Felsengebiet oberhalb Schandau bis an die böhmische Gränze oft der Zufluchtort der vertriebenen Bewohner, und wie die Ueberlieferung erzählt, erhielt die Halle, wo das gerettete Vieh Sicherheit fand, in jener Zeit ihren Nahmen.
Aus der innern Wölbung treten wir links in einen Gang, wo uns ein schmaler Weg um die schroffe Wand des Felsens führt. Große Falze, die wir hier im Felsen erkennen, scheinen Spuren alter Bevestigungen zu sein, wenn auch nicht aus frühern Zeiten, doch aus der Zeit, wo die Halle Zufluchtort war. Links trennt die Felsenwand ein enger Spalt, der Weg, der auf den Gipfel des Fel[S. 58]sens führt. Nicht weit von hier öffnet sich eine Höhle, woran ein Felsengewölbe stößt, welches das Wochenbett heißt, weil hier in der Kriegszeit unglückliche Mütter geboren haben sollen.
Der früher sehr beschwerliche Weg durch die enge Felsenschlucht ist seit mehren Jahren durch Balkenstufen bequem gemacht worden, und nach kurzer Anstrengung haben wir den Gipfel erstiegen, der 965 Par. Fuß über dem Meere und 615 Par. Fuß über dem Elbspiegel bei Dresden liegt. Wir finden hier ein verfallenes Wasserbehältniß, einen Keller und andere Spuren ehemaliger Bewohnung. Diese Zeugnisse früherer Ansiedelung scheinen auch durch einige Groschen aus dem 14ten Jahrhunderte, die man vor mehren Jahren auf dem Gipfel ausgrub, bestätigt zu werden.
Haben wir von diesem Standpunkte das umliegende Felsengebiet überschaut, so kehren wir nicht durch den Spalt, sondern auf einem, in neuern Zeiten bequemer gemachten Weg durch eine westliche Schlucht zurück, der uns zu andern Felsengewölben und zu günstigen Standpunkten führt. Wir gehen auf einer Felsenbank bis an den Rand des Abgrundes, wo zwischen den hohen Wänden eine schöne Ferne durchblickt, die uns den Lilienstein, die Bärsteine und den Pfaffenstein zeigt. Eine tiefe Schlucht trennt den Kuhstall von einem andern hohen Felsen, wo wir eine Oeffnung mit einer angemahlten Schere erblicken, die das Schneiderloch genannt wird, wie die Sage erzählt, vor Zeiten die Zuflucht eines geächteten Räubers. Wir verweilen hier einige Augen[S. 59]blicke, um ein starkes, vielfach nachhallendes Echo zu hören. In einer ähnlichen Höhle, nicht weit davon, die das Pfaffenloch heißt, fand, wie die Sage will, im 15ten Jahrhundert ein Priester aus Lichtenhain Schutz gegen die Verfolgungen seiner hussitisch gesinnten Gemeine, bis man ihn entdeckte, und in die nahe Kluft, die noch jetzt Pfaffenklunst heißt, hinab stürzte. Am Rande dieser tiefen Kluft verweilen wir einige Augenblicke, den Anblick der Landschaft zu genießen, die sich hier vor unsern Augen ausbreitet. Auf dem Rückwege finden wir einen vorspringenden Felsen, welcher die Kanzel heißt, weil man hier im dreißigjährigen Kriege gepredigt haben soll. Ein bequemer Pfad führt uns bald zum Eingange der Halle.
Links vom Eingange senkt sich ein steiler, durch Stufen bequem gemachter Weg in eine Schlucht, die in den Habichtsgrund führt. Wir verweilen an einer klaren Quelle und blicken zum Kuhstallfelsen hinauf, der hier, über 700 Fuß hoch, prächtig sich erhebt. Links aber wendet sich der Weg, der über das Reinertshau zum Arnstein und Kleinstein bringt, und den wir später beschreiben werden. Wir folgen dem rechts laufenden Pfade und in einer Viertelstunde liegt der
vor uns. Vom Fuße des Berges steigen wir nun auf einem, in neuern Zeiten bequem gemachten Wege, der im Zickzack auf die steile Felsenkuppe führt, durch Nadelholzwaldung aufwärts und auf einigen Ruhesitzen, die für den Wanderer hier angebracht wurden, genießen wir schöne[S. 60] Aussichten auf die entfernten Felsen. Der mit Basalttrümmern besäete Weg führt uns zu dem Winterhause, das auf einem Felsenvorsprunge unter dem Gipfel liegt, und seine ursprüngliche Entstehung einem Jagdabenteuer verdankte. Kurfürst August von Sachsen, von seinem Sohne Christian begleitet, verfolgte im Jahre 1553 einen mächtigen Hirsch bis auf die steilste Kuppe. Er stand hier auf einem schmalen Felsenpfade am Rande des Abgrundes, und über ihm, auf der höheren Wand, der von Hunden gehetzte Hirsch, im Begriff auf den Fürsten herab zu springen. Mit den Worten: „Entweder treff’ ich dich, oder du bringst mich um“ er legte an, und der glückliche Schuß stürzte den Hirsch in die Tiefe. Sein Sohn ließ späterhin zum Andenken dieser Rettung einen, seit längerer Zeit herab gestürzten Denkstein errichten, und auf der, 30 Fuß höhern Felsenfläche ein Jagdhaus erbauen, auf dessen Dach man das Geweih des erlegten Hirsches setzte. Auf der Stelle des verfallenen alten Gebäudes wurde 1818 ein neues errichtet, wo über dem Eingange von außen eine lateinische, inwendig eine teutsche Inschrift an das Jagdabenteuer erinnert. Die Aussicht aus den Fenstern des Hauses ist so reich und weit, daß wir einige Augenblicke hier ausruhen, ehe wir den Gipfel vollends ersteigen, der nach neuern Messungen 1556 Par. Fuß über dem Meere liegt. In südlicher Richtung setzen wir unsern Weg fort, der erst über Basaltstücke sanft ansteigt, und dann ebener durch schattige Pflanzungen fortläuft, bis wir endlich unter die hohen Buchen treten, die der
auf seinem Rücken trägt. Der Weg zieht sich bis zu dieser Waldhöhe über üppige Wiesen, die von Quellen getränkt werden, unter welchen eine, die am südlichen Abhange entspringt, dem Wanderer die angenehmste Erquickung spendet. Auf der offnen Kuppe, die nach neuern Messungen 1416 Par. Fuß über der Elbfläche bei Dresden, oder 1766 Par. Fuß über dem Meere liegt, stehen nur noch an der östlichen Seite Ueberreste der Buchen, die einst den ganzen Gipfel beschatteten. Eine Landschaft von unbeschreiblicher Herrlichkeit liegt hier vor unsern Blicken, aber besonders reich ist die Aussicht gegen Süden und Südost nach Böhmen, dessen Gränze am Fuße des Berges hinläuft. Gegen Abend senkt sich der Bergabhang in einen tiefen waldigen Abgrund, wo die Elbe zwischen Felsenwänden hervorbricht, um ihren Lauf durch ein fröhlich geschmücktes Gelände fortzusetzen, das rechts, vom Fuße des Winterberges an, die mächtigen Goskenwände, der Reischenstein und die Schrammsteine begränzen. Dringt der Blick in die Ferne, so wird der Gesichtskreis gegen Mitternacht vom Falkenberge, den Gebirgen bei Arnsdorf und Wilthen und dem Augustusberge bei Königsbrück geschlossen. Ueber Hohnstein ragen bei heiterm Himmel die Zinnen des Schlosses Moritzburg hervor. Gegen Nordwest verfolgen wir den Lauf der Elbe über Pillnitz bis Dresden, und sehen die Höhen um Meißen hervor ragen, über welchen der Colmberg bei Oschatz, 11 Meilen von unserm Standpunkte, in blauer Ferne dämmert.[S. 62] Ueber die Felsengestalten auf dem jenseitigen Ufer des Stromes sehen wir links vom Nonnenstein die Höhen bei Kesselsdorf und die Berge um Tharand. Hinter Königstein blickt der Tharander Wald hervor, an welchen sich hinter Maxen die Gebirge bei Kreischa schließen, bis der Luchberg den Gesichtskreis begränzt. Der Geißingberg bei Altenberg sieht über die Kuppelberge herab; über den nahen Zschirnstein ragt der Kahlenberg, und über den Kahlstein der Sattelberg hervor. Vom Schneeberg, der sich links vom Sattelberge erhebt, zieht sich nach Süden und Südost eine Gebirgskette, in welcher die Paszokopole, der Donnersberg bei Bilin, der Hasenberg über Theresienstadt, der Göltsch bei Ausche, der Gräber, welcher hinter dem nahen Rosenberg hervor blickt, und der Forstberg mit dem Schlosse Kemnitz sich auszeichnen. Südöstlich erhebt sich der Kaltenberg, und über dem Rücken des Kreybitzer Gebirges der Kleisberg bei Zwickau in Böhmen, der Falkenberg bei Gabel, und in blauer Ferne der Jeschkenberg im Bunzlauer Kreise. Der Tollenstein, der Nesselberg und die Lausche ragen gegen Nordosten hervor und links blickt über einen waldigen Bergrücken der Spitzberg bei Oderwitz. Im Nebel der Ferne endlich dämmert ein Theil des Riesengebirges. Die längste Durchschnittlinie des Kreises, den man hier überschaut, vom Riesengebirge bis zum Colmberg, hat man zu beinahe 24 Meilen gerechnet.
Die ganze Kuppe des Winterberges besteht aus Basalt,[S. 63] dessen schwarzgraue Massen in einem langen Rücken gegen Mitternacht zu Tage ausgehen. Auf mehren Seiten am Abhange des Berges, wie nach dem kleinen Winterberge, nach dem Zeughause im großen Zschand, und nach Hirniskretschen und Schmilka, liegt der Basalt in großen Haufen aufgethürmt. Häufig findet man ihn in Säulen, wie in dem gegen Mitternacht sich hinziehenden Rücken, die jedoch nicht die regelmäßige Gestalt des Basalts von Stolpen haben, meist 4 bis 6 Zoll stark und gewöhnlich fünfseitig sind. Er zeichnet sich durch starkes Polarisiren aus.
Auf dem Gipfel des Berges wurde vor einigen Jahren, als Obdach für Reisende, ein einfaches hölzernes Gebäude angelegt, wo während der Sommermonate ein Wirth wohnte. In den ersten Frühlingswochen des Jahres 1821 ward es boshaft in Brand gesteckt. Seitdem wurde es durch zwei schnell erbaute Hütten ersetzt, man ist aber jetzt im Begriff, ein neues steinernes Gebäude aufzuführen. Vielleicht wird dann auch der Wunsch erfüllt, auf der Brustlehne eines, oben um das Haus laufenden Altans eine Tafel zu finden, welche alle Punkte des reichen Rundgemähldes bezeichnete.
Wer die Reise zum Prebischthor, das eine Stunde vom Winterberge entfernt ist, nicht machen will, kann entweder durch das Heidelbeergründel, oder den steileren Heuweg nach Hirniskretschen, oder auf einem nähern Wege nach Schmilka hinab steigen, um in 2 Stunden nach Schandau zu kommen. Wer vom Winterberge zum Reischenstein wandern will, geht[S. 64] durch die Zwiesel und den Reischengrund. Ueber den Roßsteig, oder durch Richters Schlüchte (s. den IIten Abschnitt), kommen wir vom Winterberg in den großen Zschand.
Wir wenden uns von dem Standpunkt bei den, zu Tage ausgehenden Basaltmassen südöstlich. Der Fußpfad läuft durch den Wald an einer klaren Quelle vorbei, über die böhmische Gränze auf den Brand, eine Felsenfläche, wo einst ein Waldbrand wüthete. Wählen wir hier den rechts durch eine öde Schlucht sich hinziehenden Pfad, der mahlerischer ist, als der Weg über die nackte Fläche. Durch einen dunklen Wald kommen wir bald an den Jordan, wo sich links ein Seitenweg durch Heidelbeerkraut zu dem Rande des dunkeln Prebischgrundes wendet, der über 1200 Fuß hinab fällt. Aus der Tiefe erhebt sich, von der steilen Wand im Hintergrunde abgesondert, und mehre hundert Ellen hoch, ein ungeheurer Felsenkegel, der Prebischkegel, der oben rund zuläuft, nach der viereckigen Grundfläche hin, aber abnimmt. Wir kehren auf demselben Pfade zurück, und verfolgen den, vom Jordan rechts ablaufenden Hauptweg, der uns auf eine Felsenzunge führt, die links in den eben so tiefen Hirschgrund sich hinab senkt. Die gegenüber liegende Wand des Prebischgrundes, die Stimmersdorfer Wand genannt, trägt eine vom Hauptfelsen getrennte, einer Warte ähnliche Felsengestalt, das Prebischhorn. Wir überschauen von diesem Standpunkt eine reizende Landschaft, die sich jenseit des Prebischgrundes nach Böhmen bis zum Elbthale bei Tetschen zieht. Die böhmische[S. 65] Gebirge ragen in der Ferne bis zur Paszokopole empor.
Endlich treten wir aus dem Gebüsche auf den Rand des Abgrunds, und finden einen Standpunkt, wo wir die, 120 Fuß hohe und eben so breite Wölbung in der Felsenwand über die Tiefe hinaus ragen sehen. Es ist das
Ein bequem gemachter Weg führt uns auf die Decke der Wölbung, die ein 60 Fuß langer Schlußstein bildet. Wir sind hier 1402 Par. Fuß über dem Meere. Ueber den tiefen, waldigen Thorgrund blicken wir auf eine schöne Gebirglandschaft, die vom Kaltenberge anfängt und sich über die Gebirge bei Kreybitz, Hohenleipa und den Kamnitzer Schloßberg zum nahen Rosenberg fortzieht, an dessen Fuße ein herrlich angebautes Gelände sich ausbreitet, über dessen ansteigenden Hintergrund die Berge bei Aussig in blauer Ferne hervor ragen. Die Elbe zieht sich unsichtbar in der Tiefe durch ihr waldiges Felsenthal hinab. Auf ihrem linken Ufer sehen wir rechts den Kahlstein und den Zirkelstein, über welche der Zschirnstein hervor ragt, und von diesem steigt der Bergzug bis zum Schneeberg und zu dem Rücken des Erzgebirges.
Wir steigen zu der innern Wölbung des Thores hinab, und ruhen unter dem Felsenbogen, wo wir einen reizenden Abschnitt des von der Wölbung gesehenen Landschaftbildes überblicken. Auf einem jetzt minder beschwerlichen Pfade ersteigen wir die, der Wölbung gegenüber sich erhebende Felsenwand, das Böchhorn, wo wir das Thor von einem sehr günstigen Standpunkte betrachten.
Der Weg läuft nun anfänglich ziemlich steil abwärts durch das Harzgründel. Am Fuße des Berges wollen wir einige Augenblicke verweilen und in das prächtige Felsenamphitheater, das über himmelhohe Tannen sich erhebt, zurück sehen. Diese anziehende Stelle hat man die heiligen Hallen genannt. Nach einer halben Stunde kommen wir auf die, aus dem großen Zschand nach Hirniskretschen führende Straße. Nicht weit von hier öffnet sich links der Prebischgrund, wo wir, wenn Zeit zu einer Abschweifung von etwa fünf Viertelstunden übrig ist, das Prebischthor auf der Zinne der Thalwand, und den Prebischkegel sehen können.
Das vom Bielbach durchströmte Hauptthal, worin wir den Weg fortsetzen, heißt der Bielgrund, und unter freundlichen Landschaftbildern fortwandernd, kommen wir an den Kamnitzbach, der den Bielbach aufnimmt, und bald in das böhmische Gränzdorf
das sich vom Ausgange des Kamnitzthales nach dem Ufer der Elbe hinabzieht. Das Dorf, das lebhaften Holz- und Steinhandel treibt, liegt in der, dem Fürsten Clary gehörenden Herrschaft Binsdorf. Wollen wir länger hier verweilen, so wandern wir aufwärts am rechten Ufer der Elbe, und kommen in einer Viertelstunde zu dem Belvedere, einem Standpunkte, wo eine reizende Landschaft vor uns liegt.
Wir verlassen die Reisenden, die uns so weit beglei[S. 67]tet haben, werden aber künftig zu ihnen zurück kehren, wenn wir, von Schandau aus, die östlichen Felsengebiete, oder die angränzenden Gegenden von Böhmen besuchen, und sie endlich hier abhohlen, um eine Wanderung auf das jenseitige Elbufer mit ihnen zu machen. Eine Gondel, die wir gewöhnlich hier finden, soll uns durch ein reizendes Uferland, das die Strahlen der sinkenden Sonne herrlich schmücken, nach Schandau zurück bringen.
[4] Mehr darüber in Götzingers Geschichte und Beschreibung des Amtes Hohnstein (Freiberg 1786) S. 233 ff.
Reisen von Schandau nach verschiedenen Gegenden der sächsischen Schweiz und der Gränzgebiete.
Nach dem Plane, dem dieser Wegweiser folgt, vereinigen wir nun die Beschreibungen derjenigen Gegenden des Gebirglandes, welche bei einem längern Aufenthalte in Schandau bequem auf einzelnen Wanderungen von hier besucht werden können. Wenn auch die Mehrzahl der Reisenden diese Gegenden seltner berührt, so können doch diejenigen, welche der, im vorigen Abschnitte vorgezeichneten Hauptrichtung folgen, die meisten der anzugebenden Reisen, mit Ausnahme einiger nach dem Gränzlande gerichteten, an jene Linie knüpfen, wenn ihre Wanderung das ganze Bergland umfassen soll. Wir werden dazu in der Folge, wie in der vorhergehenden Uebersicht geschehen[S. 69] ist, Anleitung geben, so oft sich Gelegenheit findet. Die vorgeschlagenen Wanderungen sind so gewählt, daß die meisten, den Rückweg nach Schandau mit gerechnet, höchstens eine Tagereise fodern.
Wir gehen abwärts an der Elbe nach Wendischfähre, das seine Entstehung und seinen Nahmen der Fähre verdankt, die hier vor Zeiten angelegt wurde, um die Wallfahrten der oberlausitzischen Wenden zu einem Wunderbilde in der Kirche zu Papstdorf zu erleichtern. Am Lachsbach (s. oben S. 44.) hinauf wandernd, folgen wir eine Zeitlang dem Wege, den wir auf der Reise von Rathewalde nach Schandau berührt haben, bis zur Porschdorfer Mühle, oberhalb welcher ein Lachsfang angelegt ist. Die Lachse, die aus der Elbe in die Bäche hinauf gehen, stoßen hier auf ein hohes, mit spitzigen Hölzern umzäuntes Wehr, von welchem sie, bei dem Versuche es zu überspringen, zurück prallen, worauf sie dann an einer unbewaffneten Stelle in ein am Wehr angebrachtes Behältniß gehen. Die jungen Lachskunzen bleiben drei bis vier Jahre in den Bächen, und gehen dann die Elbe hinab. Von den, in den Bächen zuweilen bis Hohnstein und Sebnitz hinaufsteigenden Lachsen werden im Herbste mehre in den Mühlgraben bei Hohnstein gesetzt, während des Laichens bewacht, und nachher mit Gabeln heraus gestochen. Seit der Anlage des Lachsfangs bei[S. 70] Dessau sind jedoch die Lachse in dem sächsischen Theile des Elbgebietes seltner geworden.
Nicht weit von dem Lachsfange öffnet sich rechts der grüne Ochelgrund, aus welchem die Sebnitz herab kommt, während wir links einen Blick in das heitere Thal werfen, aus welchem die Polenz hervor strömt, um sich mit jenem Bache zu vereinigen. Nach einer kurzen Wanderung stehen wie an dem Eingange eines Felsenthales, welches der
genannt wird, eines der schönsten Thäler des Gebirglandes, das seine wilden Reize eben so herrlich entfaltet, wenn wir von Hohnstein hinab, als von Schandau hinauf wandern. Bald erhebt sich links von der Fahrstraße der Frynsberg, auf welchem sich eine große Höhle öffnet. Der Weg läuft längs dem hohen Uferrande eines Baches, der meist unter dunkeln Baumgruppen verborgen, oder zwischen bemoosten Felsenstücken fortrauscht. Das Thal wird enger, und die nackten Felsenmassen zeigen sich, wenn sie bei den Windungen des Thales uns bald auf allen Seiten einschließen, in ihrer ernsten Pracht, bald furchtbar überhangend, bald in seltsamen Gestalten mauerartig empor steigend, oder Trümmern alter Vesten und Warten ähnlich, aus den Wolken herabschauend. Ueberall sind die grauen Sandsteinklippen mit zerstreuten Fichten, Tannen, Buchen und Birken bekleidet, die aus Spalten hervor wachsen, oder von den Zinnen der Felsen herab winken, deren Stirne oft mit gelbem Moos, Waldwinden[S. 71] und den Wedeln der Farrenkräuter mahlerisch geschmückt ist. — Eine Sense, in eine Felsenwand eingehauen, deutet die Ueberlieferung als das Andenken eines Zweikampfes, wozu zwei junge Landleute, die beide um ein Mädchen warben, sich herausfoderten, und auf einer Stelle in der Nähe, die ein Kreuz und die Jahrzahl 1699 bezeichnen, soll der gefallene Nebenbuhler begraben liegen. Nicht weit von hier stürzt der Waizdorfer Bach aus einer, von Felsenblöcken gebildeten finstern Höhle, über eine moosige Wand herab und eilt dem Grundbach entgegen, der hier gleichfalls einen Wasserfall bildet.
Links vom Wege fällt in den tiefen Grund, vom steilen Forstberge eine Straße, die uns auf den
führt, der 3 Viertelstunden von Hohnstein liegt. Näher aber ist ein neuerlich angelegter Weg, der sich unmittelbar vom Brand zwischen hohen Felsenwänden in den tiefen Grund hinab windet, und für kundige Wanderer, selbst für Frauen bequem ist. Das südlich ausspringende Felsenhorn auf dem steilen Rande des Polenzthales, worauf wir stehen, hat seinen Nahmen von einem ehemahligen Waldbrande. Der Reichthum der Landschaft, die wir hier überschauen, macht diesen Standpunkt zu einem der anziehendsten in dem Berglande. Unser Blick schweift über die benachbarten Felsengestalten, zu dem Königstein und seinen Nachbarn hinüber. Pirna und Wehlen blicken aus dem Kranze einer fröhlichen Landschaft herauf. Der Rosenberg, über den Schramm[S. 72]stein hervor ragend, schließt den Kreis. Die blauen Rücken des Erzgebirges dämmern am Himmelsrande. Den Zschirnstein erblicken wir kaum von irgend einem andern Standpunkte so herrlich als von dieser Höhe. Der Polenzbach zieht sich durch das tiefe Thal, die Elbe aber zeigt uns nur hier und da einen glänzenden Bogen, zumahl auf einem der günstigsten Standpunkte, wo wir die Felsen bei Rathen erblicken, und das freundliche Wehlen hervor schaut. Ueber Königstein und Pirna zieht ein, mit zahllosen Dörfern bedecktes Gelände sich nach dem Hintergrunde, wo die Höhen des Erzgebirges an die böhmischen Gebirge sich anschließen, welche, obgleich weit von einander getrennt, von diesem Standpunkte wie eine zusammenhangende Kette erscheinen.
Mehre Bänke und ein Obdach in einer Rindenhütte machen diesen Ruheplatz seit einigen Jahren noch angenehmer, und man hat sogar die Höhlung eines Felsens in eine Küche umgewandelt, um den Reisenden Gelegenheit zu geben, sich eine Erfrischung zu bereiten.
Wir gehen von hier über die Hochebene des Vorder- und Hinterforstes nach
wohin diejenigen Reisenden, die den Brand nicht besucht haben, aus der Fortsetzung des Weges durch den tiefen Grund über die Grundmühle gekommen sind. Das Städtchen liegt mit seinem Felsenschlosse auf einem Bergrücken östlich von der Polenz, und hat gegen 800[S. 73] Einwohner, die sich von Weberei, Flachsspinnen und Landwirthschaft nähren. Das Schloß, das auf einem abgesonderten Felsen liegt, ist mit der Stadt durch eine steinerne Brücke verbunden. Die Veste, gewiß so alt, als die Burg Rathen, und vielleicht gegen Ende des 11ten Jahrhunderts zuerst angelegt, war wenigstens schon im 14ten Jahrhunderte der Sitz der mächtigen Edlen Birk oder Berk von Duba. Dieses Geschlecht erwarb seit dem 11ten Jahrhunderte ansehnliche Besitzungen in Böhmen, von der Elbe bis zum Riesengebirge. Die mächtigste Linie besaß auch das Schloß Leipa in Böhmen, wovon sie den Beinahmen führte, und dieser gehörte nach urkundlichen Beweisen schon 1353 auch Hohnstein. Um das Jahr 1444 kam Hohnstein unter die Obergewalt des Kurfürsten von Sachsen, Friedrichs des Sanftmüthigen, und noch vor Ende des 15ten Jahrhunderts hörte die Herrschaft des Hauses Birk von Duba auf, ob durch Kauf oder Tausch ist ungewiß. Das meißnische Geschlecht von Schleinitz, dem auch die benachbarten böhmischen Herrschaften Tollenstein, Schluckenau und Hainsbach und viele Güter in den Lausitzen gehörten, besaß Hohnstein, bis es 1523 an die Besitzer der Herrschaft Wehlen, die Herren von Schönburg, kam, die endlich 1543 beide Besitzungen an den Herzog Moritz von Sachsen vertauschten, der ihnen einen Theil der jetzigen Schönburgischen Herrschaften dafür überließ. Hohnstein wurde der Hauptort eines landesherrlichen Amtes, mit welchem Lohmen vereinigt ward.[5]
Das Schloß ist auf allen Seiten von sehr tiefen Abgründen umgeben, auf deren Wänden die Burg sich erhebt, deren veste Mauern im dreißigjährigen Kriege allen Angriffen der Kaiserlichen und der Schweden trotzten. Das erste Gebäude, worein wir treten, ist das mittle Schloß, das im Jahre 1620 durch einen Blitzstrahl größtentheils zerstört wurde, und nur noch einige bewohnte Räume enthält. Im Thurme ist ein altes Staatsgefängniß. Wir verweilen in einem, auf dem nahen Felsen angelegten Gärtchen, wo wir in die Tiefe des Bärgartens und der angränzenden Felsenschluchten hinab sehen. Dem mittlen Schlosse gegenüber liegt das neue, das der Justizamtmann bewohnt. Ein langer und breiter Felsengang führt uns in einen, mit alten Wirthschaftgebäuden, Gefängnissen und Trümmern umgebenen Hof. Durch eine verfallene Burgmauer treten wir auf einen Felsenvorsprung, der ein freundliches Gärtchen trägt, das eine schöne Aussicht auf das Städtchen und über das Thal gewährt, durch welches die 1813 vom Fuße des Liliensteins nach Stolpen geführte Napoleonstraße läuft. Längs verfallner Mauern kommen wir zu einem eisernen Gitterthor, das uns in die noch übrigen Gemächer des, im 17ten Jahrhundert durch den Blitz zerstörten Schlosses führt. In einem alten Gemache zeigt man ein, aus kurzgehacktem Stroh mühsam geflochtenes Seil, an welchem gegen Anfang des 18ten Jahrhunderts ein Gefangener sich aus dem Fenster seines Kerkers herablassen wollte, ein Versuch, der aber verunglückte, weil das sonst veste Strohseil zu kurz war. In der ehemahligen Schloß[S. 75]kapelle ist jetzt das Amtsarchiv; die schön gearbeitete Kanzel von durchbrochener Arbeit aber, die früher hier noch zu sehen war, ist seit mehren Jahren in der Kirche zu Röhrsdorf bei Dresden. In einem engen Hofe, worein wir aus diesem Theile des alten Schlosses treten, sehen wir die Ueberreste eines Kerkergewölbes. Es führt den Nahmen des Freiherrn von Klettenberg, eines betrügerischen Goldmachers, der im Anfange des 18ten Jahrhunderts den Herzog Ernst von Weimar und den König August II. hinterging und einige Zeit hier gefangen saß, ehe er auf dem Königstein enthauptet ward.[6] Dieser scheußliche Kerker ist seit 1770 nicht mehr zur Aufbewahrung von Gefangenen gebraucht worden. Die Gefängnisse auf der Burg waren vor Zeiten so furchtbar, daß das Sprichwort sagte: „Wer da kommt nach dem Hohnstein, der kommt selten wieder heim.“ Von der ältesten Burg, in deren Trümmern wir aus jenem Hof gelangen, ist nichts als altes Gemäuer und ein Theil eines Thurmes übrig, der jedoch nicht mehr ohne Gefahr zu ersteigen ist.
Durch den Ausfall steigen wir in die Tiefe hinab, und kommen über einen von alten Mauern umschlossenen Rasenplatz, der einst die Wirthschaftgebäude enthielt, auf eine Felsenebene, wo wir auf einem günstigen Standpunkte in die furchtbare Tiefe des Bärgartens hinab schauen, und jenseit des Thales den Hockstein empor ragen sehen. Der Bärgarten, wohin sowohl vom Schlosse,[S. 76] als von dem Städtchen ein Weg führt, wurde 1609 angelegt, um hier Bären, deren es damahl noch in den umliegenden Wäldern gab, aufzubewahren. Auf der, nach dem Städtchen gekehrten Seite waren die Fänge angebracht, durch welche die Bären in Kasten gelockt wurden, so oft sie zu den Thierhetzen in Dresden und Sedlitz gebraucht werden sollten. Auf der untern Seite befand sich ein Wasserhaus mit großen Rädern, um die starken Eisengitter aufzuziehen, die den Bären den Ausgang sperrten. Die Thiere pflanzten sich hier über 150 Jahre fort, bis sie endlich, da sie zuweilen die Felsenumgebungen überstiegen und den Umwohnern gefährlich wurden, um das Jahr 1756 erschossen wurden. Hier ward auch der gezähmte Bär aufbewahrt, den August II. aus Polen mitgebracht, und in seinem Zimmer erzogen hatte, bis endlich das erwachsene Thier den König bedrohte, der es einst im gefährlichen Kampfe mit dem Hirschfänger verwundete, und dann in den Bärgarten verbannte.
Die zu dem Schlosse gehörende Landwirthschaft ist schon seit langer Zeit vor das Städtchen verlegt worden, und bildet ein ansehnliches Kammergut, das einer der ersten Sitze der veredelten Schafzucht in Sachsen war.
Dem Schlosse gegenüber erhebt sich, ganz abgesondert von den umliegenden Felsenwänden, der
ein steiler über 500 Fuß hoher Sandsteinfelsen, im Hintergrund des Polenzthales, worein wir von Hohnstein hinab steigen. Wir kommen hier über die, durch[S. 77] Hohnstein laufende Gränze, wo Granit und Sandstein sich scheiden. Dem Wege folgend, der das Thal durchschneidet, sehen wir, hoch über uns, eine im Jahre 1821 angelegte kühne Brücke, welche über eine tiefe Schlucht gespannt ist, um den Hockstein mit einem andern Felsen zu verbinden. Durch diese Anlage, die man den preiswürdigen Bemühungen des königlichen Forstbeamten in Hohnstein, Herrn von Carlowitz verdankt, ist der Felsen zugänglicher geworden, dessen Erklimmung seither sehr beschwerlich war. Man mußte auf dem Wege von Rathewalde den steilen Wartenberg hinab gehen, um aus einer tiefen und engen Felsenschlucht, dem Kohlicht, den Felsen zu erklettern; eine Oeffnung am Fuße des Felsens bildete den einzigen Zugang zu dem Gipfel, den man in einem, die ganze Höhe des Felsens theilenden engen Spalt, wo nur eingehauene Falze, wahrscheinlich Ueberreste alter Bevestigungen, das Klettern erleichtern, mühsam ersteigt, bis man endlich auf einen freien Platz tritt, der nur auf drei Seiten von Felsen eingeschlossen, auf der vierten in einen Abgrund stürzt; von hier aber mußte man noch eine 40 Fuß hohe steile Wand erklimmen, um auf den freien Gipfel zu gelangen. Die 12 Ellen lange Brücke, welche über die, gegen 75 Ellen tiefe Schlucht zum sogenannten kleinen Hockstein und von diesem auf die Straße nach Rathewalde führt, erleichtert den Besuch des Felsens, wohin man nun am bequemsten von Rathewalde oder Lohmen geht. Von der Brücke führen zwanzig in den Felsen gehauene Stufen auf den höchsten Gipfel. Die 150 Schritt lange und 60 Schritt breite Fläche der[S. 78] Felsenkuppe zeigt uns auffallende Spuren ehemahliger Bewohnung, z. B. ein Wasserbehältniß, breite in ein großes Behältniß führende Stufen, und die Ueberreste eiserner Haken an der äußersten Spitze eines zugänglichen, kühn vorspringenden Felsenhornes, wo man, außer einem Mühlenspiel, wie man es auf Damenbretern findet, auch Nahmen ausgehauen sieht. Wahrscheinlich gehörte der Hockstein als Warte zu dem benachbarten Hohnstein, und jene Haken dienten vielleicht zu einem Hebewerke, das den einsamen Bewohnern des Felsens ihre Bedürfnisse heraufbrachte. Diese Verbindung gab ohne Zweifel Anlaß zu der ungereimten Sage, die beide Felsen durch eine lederne Brücke vereinigt. Die Aussicht vom Gipfel umfaßt eine Landschaft, wo über Felsenschluchten und Waldwipfel der Königstein hervor schaut, während gegen Mitternacht die Polenz aus einem freundlichen Thale in ein wildes Felsenbett hinab fließt.
Zu der eben beschriebenen Wanderung und dem nächsten Rückwege über Hohnstein brauchen wie ungefähr 7 Stunden, und wer vom Hockstein auf dem früher (S. 41.) angedeuteten Wege durch den Amselgrund nach Schandau zurück kehren will, hat einige Stunden mehr nöthig. Ein dritter, sehr anziehender aber längerer Rückweg führt über den Waizdorfer Berg, Gosdorf und den Kikelsberg, den tiefen Grund und den Ochelgrund. Wir werden diesen Weg in der Folge erst beschreiben, und wollen an die vorgeschlagene Wanderung die Reise nach Stolpen knüpfen. Diejenigen, welche den Hockstein früher schon besucht haben, und[S. 79] den geraden Weg von Hohnstein wählen, brauchen zur Ausführung dieses Reiseplans, mit Einschluß des Rückweges, eine Tagereise. Wir kommen von Hohnstein auf einem angenehmen Wege nach Heeselicht und weiter über Langenwolmsdorf, in dritthalb Stunden nach
das am Abhange eines Basaltberges liegt, auf dessen Kuppe, 1010 Paris. Fuß über dem Meere, das alte Schloß mahlerisch sich erhebt. Die Stadt, die 1000 Einwohner zählt, welche sich meist von Landwirthschaft und Brauerei nähren, verdankt dem König eine 1789 angelegte Wasserleitung, die das Wasser eine Stunde weit führt, und eine Inschrift am Ausgusse der Hauptröhre rühmt diese Wohlthat. Auf dem Markte sehen wir ein, im Jahre 1818 am Tage der Jubelfeier des Königs errichtetes Denkmahl, das aus erlesenen, 7 Ellen hohen Basaltsäulen besteht, die eine obeliskenförmige, von einem metallenen Eichenkranze umschlungene Gruppe bilden, deren oberste Säule durch seltene Größe und Stärke sich auszeichnet. Eine Inschrift auf einem, an die Säulen gelehnten Granitblocke spricht die Widmung des Denkmahls aus, das ein Kreis von kleinen Basaltsäulen, den vier junge Eichen beschatten, umschließt.
Der hiesige, wegen seiner regelmäßigen Säulengestalt berühmte Basalt, zieht die Aufmerksamkeit des Naturfreundes vorzüglich an. Wir dürfen nur einen Blick umher werfen, um uns zu überzeugen, in welcher Reichhaltigkeit diese Massen sich hier finden, da außer dem[S. 80] großen Schlosse, auch die Mauern der Stadt, die Stadtkirche und das Straßenpflaster von Basalt sind. Der Berg, auf dessen Kappe die Säulen hervor ragen, läuft von allen Seiten sanft an, bis er an der Stelle, wo der Basalt zu Tage ausgeht, sich steil erhebt. Der Basalt ist auf einem ziemlich grobkörnigen Granit gelagert, doch lassen sich die Gränzen, wo dieser aufhört, und die hervorragenden Basaltsäulen anfangen, nicht genau bestimmen, und man kann dieselben nur bei dem Anfange des steilern Ansteigens, wo man keinen Granit mehr findet, vermuthen. Der Basalt zieht sich um das Schloß in dicht an einander stehenden Säulen, die im Durchmesser 6, 8, 10 bis 12 Zoll haben, zwar zuweilen über 12 Ellen lang zu sein scheinen, aber in dieser Länge senkrecht, oder auch gebogen auf einander stehen, da man keine über 7 bis 8 Ellen lange Säulen zu Tage ausgehend findet. Die meisten sind sechsseitig. Die schönsten zu Tage ausgehenden Säulen sieht man im Thiergarten und im ersten Schloßhofe. Der Basalt ist schwärzlich, auf dem Bruche uneben, mit Zeolith, kleinen Hornblendekristallen, seltner mit Olivin, Hornstein und Augit vermischt, und zeichnet sich durch starkes Polarisiren aus. Nach des Schottländers Macdonald[7] Bemerkung, hat der Basalt zu Stolpen in seiner Masse viel Aehnlichkeit mit dem Basalte in der Fingalshöhle zu Staffa, und besonders fand er die quer[S. 81]liegenden Basalte im Schloßbrunnen den Säulen auf dem südwestlichen Theile von Staffa ungemein ähnlich. Der Basalt wird gebrochen, und besonders auch zu Amboßen, und Schlagsteinen für Buchbinder benutzt.
Das Schloß, das wir nun besuchen, ist älter als die Stadt, sorbischen Ursprungs und kam nebst dem Städtchen, das in frühern Zeiten Jokrim hieß, und in der Gegend des nahen Dorfes Altstadt lag, im Jahre 1222 an die Bischöfe von Meißen, die sich um den Anbau dieser Gegend große Verdienste erworben haben. Stolpen blieb seitdem dem Bisthum eigen und wurde in der Folge der beständige Wohnsitz der Bischöfe. Im 15ten Jahrhunderte verwüsteten die Hussiten das alte Jokrim, und der Ort ward alsdann am Fuße der Burg wieder aufgebaut, und nach dieser benannt. Eine blutige Fehde zwischen dem meißnischen Bischofe und dem Rittergeschlechte Carlowitz, gab im Jahre 1559 dem Kurfürsten August Anlaß, sich der Burg zu bemächtigen, die seitdem landesherrliches Besitzthum blieb. Seit dem Jahre 1716 bewohnte die Gräfinn Cosel, Augusts II. verstoßene Geliebte, das Schloß, und zwar anfänglich den Johannisthurm, späterhin bequemere Zimmer, bis sie im Anfange des siebenjährigen Krieges daselbst starb. Die Preußen nahmen 1756 die unbeschützte Veste ein, die darauf zerstört und endlich 1787 ganz abgetragen wurde. Während des Feldzugs 1813 wurde Stolpen in die Linie gezogen, durch welche Napoleon seine Stellung an der Elbe deckte.
Die vier Höfe des Schlosses, das unmittelbar auf den Säulen des Basalts sich erhebt, sind durch Brücken ver[S. 82]bunden. In dem ersten Hofe, oder der sogenannten Klengelsburg, sehen wir ein, in den Basalt gebrochenes Wasserbehältniß, und den ehemahligen bischöflichen Marstall, wo jetzt das Amtsarchiv und einige Ueberreste der Altäre und Verzierungen der abgetragenen alten Schloßkirche aufbewahrt werden. Man zeigt uns in der Nähe das furchtbare Gewölbe, das vor Zeiten die Marterkammer war. In diesem Hofe fiel am 8. September 1756 der erste feindliche Schuß, der den siebenjährigen Krieg eröffnete, als der preußische Generalmajor Warneri, der das Schloß mit seinen Husaren überrumpelte, den sächsischen Befehlhaber der Veste, welcher eben im Begriff war, seinen Degen abzugeben, durch einen Pistolenschuß tödlich verwundete. Aus dem zweiten Hofe führt eine Brücke längs schöner Basaltsäulen zu einem doppelten Thore. Durch das erste Thor kommen wir zu einem schmalen Gange, der zu einem unterirdischen Kerker führt, worein die Gefangenen durch ein Loch hinabgelassen wurden. Das zweite Thor führt uns in den Hof selbst, und wir erblicken links den Johannisthurm, den wir besteigen, um eine, nach Mitternacht und Morgen reiche und anziehende Aussicht zu genießen. In dem vierten Hofe sieht man die Ueberreste der alten Schloßkirche und den Basaltbrunnen. Dieser merkwürdige, in seiner Art einzige Brunnen wurde im Jahre 1608 angefangen, und in den durch Feuer erweichten Basalt 287 Fuß tief gebrochen, bis man nach einer Arbeit von 22 Jahren Wasser fand, das in der Folge 7 bis 8 Ellen stieg und wechselweise wieder fiel. Seit dem Ueberfalle der Burg durch die Preußen im siebenjährigen[S. 83] Kriege, bei welchem diese alte eiserne Kanone, Gewehre und Kugeln in den Brunnen stürzten, ist er bis auf beinahe drei Viertheile seiner ehemahligen Tiefe verschüttet. Der von Naturforschern oft ausgesprochene Wunsch, den Brunnen geräumt zu sehen, um die seltene Gelegenheit zur Untersuchung des Innern eines Basaltberges benutzen zu können, möge hier 45 Jahre nach dem Ersten, der ihn dringend aussprach[8] wiederhohlt werden.
Auf dem Rückwege vom Schlosse gehen wir über den Kirchhof, wo sich das dem Geschichtschreiber Stolpens, dem verstorbenen Pfarrer Gerken errichtete Denkmahl auszeichnet, zu dem Thiergarten. Kurfürst August bestimmte diesen Platz ursprünglich zu einem Obstgarten, welchen er aber, als die Anpflanzung mißlang, in einen Thiergarten verwandelte, wohin er weiße Hirsche und andere seltene Thiere versetzte. Auch von dieser Anlage ist längst keine Spur mehr übrig. Den Weg am Fuße des Schloßberges fortsetzend, verweilen wir einen Augenblick bei dem Basaltbruche, wo wir die regelmäßigsten Säulengestalten erblicken, und gehen dann weiter zu der sehenswerthen königlichen Schäferei, welche mit dem nahen Vorwerke Rennersdorf den Hauptsitz der veredelten Schafzucht in Sachsen bildet. Schon 1765 wurden, um die inländischen Schäfereien zu veredeln, über 200 spanische Stähre und Mutterschafe, von zwei spanischen Schäfern begleitet, nach Sachsen gebracht, und im Thiergarten aufgenommen. Später[S. 84]hin (1778) wurde dieser Stamm durch einen Zuwachs von erlesenen Merinoschafen aus den beßten Heerden in Leon und Castilien vermehrt und zur Erweiterung der Zuchtanstalt auch in Lohmen, Rennersdorf und Hohnstein Schäfereien angelegt. Die Schäferei in Stolpen hat seitdem durch fortgesetzte Sorgfalt einen vorzüglich feinwolligen Stamm erhalten. Von hier wurde die Schäferei in Lohmen veredelt, die sich in der Folge selbst fortpflanzte, und noch immer wird aus dem Stamm im Thiergarten die Zuchtanstalt in Rennersdorf verbessert. Die Stammschäferei in Stolpen, ist die einzige ursprünglich spanische Schäferei in Sachsen, und Spanien selbst, behauptet man, habe jetzt keine Heerde mehr aufzuweisen, die dem 1765 nach Sachsen gekommenen Stamm vollkommen gleich wäre. Sie hat auf die Veredlung der Schafzucht in Sachsen, und dadurch auf Landwirthschaft und Gewerbfleiß überhaupt, wohlthätig eingewirkt, da von 1779 bis 1811 über 10,000 Stähre und Mutterschafe an andere inländische Schäfereien gegen vestgesetzte sehr billige Preise abgegeben wurden. Das Kriegsjahr 1813 hat zwar auch dieser Anstalt, besonders den Schäfereien zu Stolpen und Rennersdorf, großen Verlust gebracht, den man jedoch seitdem zu ersetzen eifrig und mit Erfolg bemüht gewesen ist.[9]
[5] S. Götzingers angeführtes Werk.
[6] Seine Geschichte erzählt Engelhardt in den Denkwürdigkeiten aus der sächsischen Geschichte, Bd. I. S. 1. ff.
[7] In einer Anmerkung zu Wiedemann’s Uebersetzung von Faujas de Saint Fond’s Reise durch England, Schottland und die Hebriden. Band 2. (Göttingen 1799. 4) S. 36.
[8] Mineralogische Geographie der chursächsischen Lande, von J. F. W. Charpentier (Leipzig 1778. 4.) S. 37.
[9] S. Ueber die spanischen Schäfereien bei Stolpen, zu Rennersdorf und zu Lohmen — im 18ten u. 19ten Stück des Gouvernementsblattes für Sachsen (1814). In der schätzbaren Schrift des Freiherrn von Ehrenfels: Ueber das Electoral-Schaf (Prag 1822) findet man Manches über die sächsische Schafzucht, und Winke, die aller Beherzigung werth sind.
Wir kommen auf dem nächsten Wege von Schandau über das Kiefericht (s. S. 45.), die Straße nach Altendorf durchschneidend, zur Kohlmühle an der Sebnitz. Ein höherer Genuß aber erwartet uns, wenn wir am Lachsbach hinauf gehen, und dann entweder durch den tiefen Grund nach dem Waizdorfer Berg und dem Kikelsberg wandern und durch den Ochelgrund zurück kehren, oder aber oberhalb der Porschdorfer Mühle (s. S. 69.) an der Sebnitz hinauf gehen, die uns aus dem Thale entgegen kommt. Wir folgen einem schmalen Pfade, welcher, von dichten Baumwipfeln und Gesträuchen beschattet, sich um die vorspringende Felsenecke der Ochelwände windet, und uns in den
bringt. Bald umfängt uns ein erweitertes anmuthiges Thal, dessen heitre Wiesenmatten von prächtigen Felsenwänden umschlossen sind, die wie Trümmer empor ragen. Das Thal verengt sich wieder, und in reizender Abwechselung erheben sich die Felsen. Von einer glatten Wand, die wir rechts am Wege bemerken, stürzte vor mehren Jahren ein Felsenblock in den Bach herab, und hemmte dessen Lauf mit solcher Gewalt, daß Wasser und Fische an die jenseitige Wand geschleudert wurden. Zwischen hohen Felsenwänden hinauf wandernd, die aus einem gelblichen,[S. 86] zu Bausteinen untauglichen weichen Sandsteine bestehen, kommen wir zum schwarzen Loch im Mordgrunde, wo wir in eine weite Höhle blicken. Der Bach rauscht zwischen üppigen Wiesen fort, und bald öffnet sich links der, von schönen Felsenwänden eingeschlossene Kohlgraben, durch welchen der Weg nach Gosdorf läuft. Nicht weit von hier erblicken wir die Kohlmühle, wo wir an die, von Waizdorf und Hohnstein herabfallende Gränze zwischen dem Granit und Sandstein kommen, jenseit welcher wir, statt nackter Felsen, meist grüne Höhen finden, an deren Fuße schöne Wiesen sich zum Bache hinab senken.
Wir steigen die Anhöhe links hinan, und erreichen bald den Hankenhübel, der aus einer, in Basalt übergehenden Wacke besteht, die bald säulenförmig und bald tafelförmig in viele kleine Stücke zerfällt, womit auch die umliegenden Felder besäet sind. Große Basalthaufen bezeichnen den Weg zu dem nahen Gosdorf, wo wir im Lehngerichte Bewirthung und einen Führer finden, mit welchem wir das
besuchen. Der Weg führt über Feldfluren und Waldboden auf eine schmale Erdzunge, welche, auf beiden Seiten dicht bewaldet, in tiefe Schluchten abstürzt. Wir kommen bald an eine Vertiefung, wo nach der Ueberlieferung die erste Zugbrücke gewesen ist, und weiter zeigt man uns die Stellen der zweiten und dritten Brücke, bis endlich der Bergrücken am Ende der schmalen Erdzunge, um deren Fuß der Schwarzbach dem Sebnitzbache zuströmt, zu ei[S. 87]ner weitern Rundung wird. Hier erblicken wir die Trümmer, die in dickem Gemäuer, Oeffnungen tiefer Gewölbe bestehen, und einen in den Granit gearbeiteten Brunnen. Man hat hier alte Pfeile und Spornen ausgegraben. Am Abhange des steilen Berges findet man wieder Ueberreste von Mauern, so wie auch unten auf der Wiese, die noch den Nahmen der Schloßwiese führt. Alles, was man von dieser Burg erzählt, beruht bloß auf Ueberlieferung, da die beglaubigte Geschichte durchaus keine Nachricht davon aufbewahrt.
Wir kehren über die Wiesen am Schwarzbach nach Gosdorf zurück, und besuchen zuerst den
wohin uns durch das Gebüsche der Weg führt, den eine seltsam verkrüppelte Fichte, der Ziegenstrauch genannt, bezeichnet. Linden krönen den Gipfel des Granitberges, der sich über dem Dörfchen Waizdorf erhebt, wo es keine Sperlinge geben soll. Die Aussicht, die sich hier vor unserm entzückten Blicke öffnet, gehört zu den reizendsten und reichsten, die wir von irgend einem Standpunkte des Berglandes genießen. Alle Felsenthäler von Liebethal bis Hohnstein, selbst der nahe tiefe Grund, der Ochelgrund und das Elbthal sind von dunkeln Waldwipfeln verhüllt, aus welchen hier und da weiße Felsenspitzen hervor schauen. Von dem Weifberge bei Hinterhermsdorf zieht sich über den großen Winterberg, den Schrammstein und Falkenstein bis zu den Bärsteinen ein mächtiger Felsenbogen, über welchen der[S. 88] Zschirnstein und am westlichen Gränzpunkt der Königstein hervor ragt, von welchem nach Dresden hin eine heitre Landschaft sich ausbreitet. Der Kaltenberg mit den Trümmern des Schlosses Chemnitz, der Rosenberg, der Rücken des Schneebergs, der Sattelberg und Geiersberg mit dem benachbarten Schönwalde, der Kahlenberg und Geiersberg bei Altenberg und der von hier nach Dippoldiswalde laufende Bergzug, der Luchberg und Hirschberg bilden den Hintergrund. Wenden wir uns gegen Abend und Mitternacht, so erblicken wir den Augustusberg bei Königsbrück, die Pulsnitzer Gebirge, näher den Unger und gegen Morgen endlich Böhmens Gebirge. Oestlich von hier, unweit Losdorf, erhebt sich der
welcher, wie der mit ihm zusammenhangende Hankenhübel, ein Basaltberg ist. Er steigt ziemlich steil empor, und ist überall mit Basaltstücken bedeckt. Am Abhange auf der Morgenseite ist ein offener Bruch, wo man sehr starke Säulen sieht. Dieser, dem Granit aufgelagerte Basalt ist von schwarzgrauer, ins Blaue spielender Farbe, von dichtem und unebenem Bruche und zuweilen ist Olivin, Augit, Hornblende und Zeolith sparsam eingemengt. Er findet sich theils in unregelmäßigen Stücken, theils in Säulen von 3, 4 und 5 Seiten, oder größern und kleinern Tafeln, oder auch kegelförmig. Die Aussicht von dem Gipfel ist nicht so reich, als wir sie auf dem Waizdorfer Berg gefunden haben, nur ist sie offener und freier[S. 89] nach den Gegenden von Neustadt, Sebnitz und Hohnstein.
Sind wir auf der Hinreise durch den tiefen Grund gegangen, so wandern wir auf dem nächsten Wege durch den Kohlgraben und den Ochelgrund nach Schandau zurück, und wenn wir auf dem Birkicht oder Adamsberg bei Altendorf, einem runden Hügel, über welchen unser Weg geht, einer reizenden Aussicht uns erfreut haben, gehen wir im Angesichte immer wechselnder Landschaftbilder, am Ufer der Kirnitsch hinab. Wollen wir die beschriebene Wanderung zu einer Tagereise ausdehnen, so können wir vom Kikelsberg über Ulbersdorf erst auf den Unger steigen und über Lichtenhain zurückkehren.
Wir verbinden diese ziemlich langen Reiselinien, weil wir ihnen, den Rückweg über den Unger mitgerechnet, folgen können, ohne mehr als eine Tagereise nöthig zu haben, wiewohl wir den Genuß erhöhen und zu einigen der anziehenden Abschweifungen, auf welche hingedeutet werden soll, Zeit haben würden, wenn wir wenigstens anderthalb Tage dazu bestimmten, und am ersten Tage in Sebnitz, oder besser in Neustadt übernachteten.
Wir reisen von Schandau entweder durch das Kirnitschthal über die Lichtenhainer Mühle, oder auf der Fahrstraße nach Ottendorf. Wählen wir[S. 90] den letzten Weg. Vom Bade gehen wir am rechten Ufer der Kirnitsch den, auf die Anhöhe sich windenden Pfad, und verweilen auf dem Grauen, um uns einer ungemein anziehenden Aussicht zu freuen, die uns das Kirnitschthal mit seinen waldigen Felsenwänden, auf der jenseitigen Höhe das Dorf Ostrau, hinter ihm den Schrammstein, Falkenstein, das Schrammthor und die hohe Liebe zeigt. Wir kommen auf die sogenannte hohe Straße, die von Schandau nach Nixdorf in Böhmen führt, und das südlich hervor ragende Felsenland mit seinen mahlerischen Bergfernen in immer neuen Ansichten zeigt. Bei Altendorf zieht sich links der nächste Weg nach Neustadt über Ulbersdorf und am Fuße des Ungers hinauf. Wir folgen der hohen Straße nach Mittelndorf und besteigen den seitwärts sich erhebenden runden Hügel, den Pfarrberg, wo wir die reizende Landschaft vom Buchberge bei Sebnitz bis Rathen, vom Unger bis zum Winterberge, ein herrliches Rundgemählde, überschauen. Von Morgen nach Mittag bilden die böhmischen Gebirge den Hintergrund und von Mittag gegen Abend erhebt sich der Bergzug vom Schneeberg bis zum Erzgebirge. Der Weg zieht sich ansteigend nach Lichtenhain fort, einem der ältesten Dörfer dieser Gegend, das auf einer anmuthigen Fläche liegt, wo sich uns ein neuer wunderschöner Standpunkt darbietet.
Wer von hier die östlich von Schandau liegenden Felsengegenden besuchen will, geht hinter dem Dorfe den Weg zur Lichtenhainer Mühle hinab, die sehr reizend am Fuße des Hausberges im Kirnitschthale[S. 91] liegt, und verfolgt den Lauf der Kirnitsch, oder bleibt auf der hohen Straße bis oberhalb Ottendorf, wo südlich der Fahrweg in den großen Zschand und östlich der Weg nach Saupsdorf und Hinterhermsdorf abläuft.
Wir verlassen die hohe Straße unweit Ottendorf, und erreichen bald das Dorf Hertigswalde, über welches der
sich erhebt, den wir sogleich besteigen, wenn wir nicht in Sebnitz übernachten, und die erste Morgenstunde auf dem Berge genießen wollen. Es entzückt uns auf dem Gipfel, 1448 Par. Fuß über dem Meere, eine der reichsten Aussichten. Wir übersehen die südlichen Felsenzüge, die böhmischen Gebirge, die sich um den Rosenberg und Schneeberg aufthürmen, und die anstoßenden sächsischen Gebirge, einen großen Theil des jenseitigen Elbufers bis unterhalb Dresden, während unser Blick nördlich bis Stolpen reicht. Am Fuße des Berges, gegen Nordost, breiten sich die böhmischen Dörfer Einsiedel, Lobendau und Hilgersdorf in einem schönen Thale aus, über welche der Kirchthurm von Hainsbach hervor blickt. Die Gebirge von Arnsdorf, Wilthen und Hochkirch in der Lausitz schließen den Hintergrund. Gegen Mitternacht blickt aus einem tiefen Thale, das die Ruhebänke, der Hufenberg und der Buchberg bilden,
herauf, wohin wir durch eine, an den Buchberg sich lehnende Gasse hinab steigen. Die Stadt, 3 Stunden von Schandau entfernt, ist sorbischen Ursprungs der größte Ort im Amte Hohnstein mit 2500 Einwohnern, und eine der bedeutendsten Fabrikstädte des Landes, wo verschiedene leinene und halbseidene, oder halbbaumwollene, zum Theil auch gedruckte Gewebe, die sogenannten Sebnitzer Zeuge, verfertigt werden. In den günstigsten Handelszeiten, als gegen 900 Stühle im Gange waren, schickte die Stadt ihre Waaren unmittelbar ins Ausland, selbst nach Amerika, in den neusten Zeiten aber hat sich der Gewerbfleiß, besonders durch die Thätigkeit des Fabrikeigenthümers Hesse, der mit glücklichem Erfolge manche neue Gewebe versuchte, wieder sehr gehoben.
Der Fahrweg von Sebnitz nach Neustadt geht über Schönbach und Crumhermsdorf, der weit nähere und angenehmere Fußweg aber läuft zwischen dem Finkenberg und Hasenberg über die hohen Ruhebänke, eine Hochebene, 1524 Par. Fuß über dem Meere, die uns einen sehr günstigen Standpunkt zur Uebersicht des südlichen Elbufers darbietet. Wir lassen den Unger, dessen Rücken wir bei dem Gränzdorfe Rugiswalde nahe sind, seitwärts liegen, und kommen auf einem kurzen Wege, den der Blick in die nahen Thäler Böhmens erheitert, nach
einem Städtchen mit ungefähr 2000 Einwohnern, das unter dem Hochwalde, in einem anmuthigen Thale am Polenzbache, 4 Meilen von Dresden und vierthalb Stunden von Schandau entfernt, an der Straße nach Schluckenau liegt. Die Stadt ist sehr alt, und wurde wahrscheinlich von dem Rittergeschlecht Berk von Duba, dessen Wappen, zwei kreuzweise gelegte Eichenäste, sie noch führt, vielleicht im 13ten Jahrhundert erbaut. Vor dem dreißigjährigen Kriege, der ihr sehr verderblich wurde, war sie der größte und volkreichste Ort des Amtes Hohnstein. Leinweberei ist der Haupterwerbzweig des Ortes. Man verfertigt hier und in der Umgegend ungefähr dieselben Gewebe, die Sebnitz liefert, und macht davon beträchtlichen Absatz ins Ausland. Der Waarenzug von Pirna über Stolpen nach Rumburg und der Schleichhandel mit Böhmen erhöhen die Gewerbsamkeit. Wir haben von hier bis zum
einem der höchsten Berge des meißnischen Kreises, an der Gränze der Lausitz, ungefähr 1 Meile zu wandern. Der Fahrweg geht über Berthelsdorf, Nieder-Ottendorf und das Försterhaus im Klunker; der Fußpfad hingegen läuft seitwärts des erstgenannten Dorfes, längs dem Schönbachsberge. In einem am Wege sich hinab senkenden kleinen Thale wird Granit gebrochen, und in Säulen, Portalen und ähnlichem Gebrauche nach dem[S. 94] Winkel bearbeitet und sehr fein geglättet. Die beßten Arbeiten liefert eine vorzüglich harte, aus bläulich weißem Feldspath, weißem Quarz und braunschwarzem Glimmer bestehende Art. Wir setzen den Weg zum Försterhause im Klunker fort, wo wir Bewirthung und einen Führer finden, und kommen durch einen Theil des Putzkauer Waldes, in 3 Viertelstunden auf den Gipfel des Berges, der 1808 Par. Fuß über dem Meere liegt. Der ganze Wald, durch welchen wir wandern, ist mit Granitblöcken besäet, die zuweilen mit großen Kuppen und Klippen abwechseln, und hier und da Höhlen bilden, worunter die Wolfshöhle die größte ist. Gegen den Gipfel ansteigend, findet man viel Flötzgrünstein, und Grünsteinporphir, der zuweilen die Magnetnadel in Bewegung setzt. Merkwürdig ist, am westlichen Abhange, ein durch den Granit setzender, 9 Zoll breiter Gang von basaltischem Grünstein, der in Basalt übergeht. Die Aussicht vom Gipfel ist unermeßlich. Wir übersehen das weite Gebiet vom Riesengebirge bis zum Kolmberge. Wenden wir uns auf der Abendseite zu einigen Bänken unter Granittrümmern, so fliegt unser Blick über eine schöne Landschaft in die Gegend von Dresden bis zum Kolmberge, während in Nordwesten die Berge unter Königsbrück und Hoyerswerda den Gesichtskreis schließen. Auf der nördlichen Seite sehen wir über eine Waldblöße einen großen Theil der Oberlausitz von Camenz bis gegen die schlesische Gränze; am Fuße des Berges liegt das lange Dorf Neukirch in einem schönen Thale, und Bauzen, von zahllosen Dörfern umgeben, breitet sich in der Ferne[S. 95] aus, welche die Gebirge von Arnsdorf und Wilthen schließen.
Auf der Nordseite des Berges ist altes Gemäuer zu sehen, und auch auf dem nahen Ruprechtsberge sieht man Trümmer. Die Geschichte weiß zwar nichts von Burgen auf diesen Höhen, die Sage aber erzählt, von zwei Brüdern, Valentin und Ruprecht, die einst nach der Theilung ihres Erbes, des Rittersitzes Neukirch, auf jenen beiden Bergen Schlösser gebaut, aber bald sich entzweit hätten, worauf nun in einer blutigen Fehde die Burg auf dem Falkenberg wäre zerstört worden.
Wer von Bauzen in die sächsische Schweiz reiset, wird uns hier begegnen, wenn er über Neukirch auf den Falkenberg und weiter über Neustadt und Hohnstein oder über Sebnitz nach Schandau geht.
Wir wenden uns wieder nach Neustadt, um den Rückweg anzutreten. Nehmen wir den Weg über Hohnstein, das dritthalb Stunden von hier entfernt ist, so besteigen wir den Polenzer- oder Richtersberg, der nicht weit von der Stadt rechts an der Straße nach Hohnstein liegt, und freuen uns einer reichen Aussicht über das reizende Thal von Neustadt und den Felsenzug von Hinterhermsdorf bis zu dem Schrammstein, über welchen die hohen Kuppen des Rosenbergs, und Winterbergs und der Königstein sich erheben, und in der Ferne die böhmischen Gränzgebirge nach dem Erzgebirge sich ziehen. Haben wir Zeit uns in Neustadt aufzuhalten, und unsre Reiselinie zu verlängern, so würde eine Abschweifung in das nahe böhmische Gränzgebiet eine[S. 96] ungemein belohnende Wanderung sein. Wir kommen durch Langburkersdorf, und wenn wir in 1 Stunde die böhmische Gränze überschritten haben, besteigen wir den Raubeberg, auf dessen Gipfel wir das anmuthige Thal, durch welches unser Weg gegangen ist, und die heitre Landschaft, die sich weit ins Gränzland ausbreitet, überschauen. Eine Viertelstunde weiter südöstlich bei Neudörfel, erhebt sich der Spitzberg, auf dessen Kuppe, die ein eisernes Kreuz bezeichnet, der Basalt säulenförmig zu Tage ausgeht. Bei Lobendau, dem ersten Gränzdorfe, liegt eine Kapelle, die an manchen Festtagen von vielen Wallfahrern besucht wird. Der Weg zu dem schönen gewerbsamen Dorfe Hainsbach, mit einem Schlosse des Grafen von Salm, zieht sich durch das freundliche Thal und wir erreichen bald den Porzen, einen mächtigen Basaltberg, an dessen Fuße der Weg zu dem Städtchen Schluckenau läuft. Wollen wir die Wanderung durch den einspringenden Winkel Böhmens nach der Lausitz fortsetzen, so kommen wir über das gewerbfleißige Rumburg und Ruppersdorf nach Herrnhut, oder über das schöne Warnsdorf nach Großschönau und Zittau, oder über Georgenthal zu den Trümmern der Burg Tollenstein. Die nächste bequeme Straße von Schluckenau aber nach Herrnhut geht entweder über Friedersdorf, Kotmanndorf und Strahwalde, oder auf einem noch geradern, und mannigfaltig anziehenden Wege über das freundliche böhmische Gränzdorf Georgswalde, in dessen Nähe bei dem sächsischen Gersdorf wir die Quelle der Spree, den Spreebrunnen, besuchen[S. 97] und über das ansehnliche Weberdorf Eybau, eines der größten Dörfer Sachsens.
Es genügt uns, diese weite Abschweifung, wenn auch nur für wenige Reisende, angedeutet zu haben, und wir kehren nach Schluckenau zurück, um von hier entweder über Nixdorf durch ein anmuthiges Thal nach Sebnitz zu wandern, oder über Einsiedel oder Neudörfel nach Rugiswalde zu gehen, wo der
vor uns liegt, über dessen hohen Gipfel wir den Rückweg nach Schandau machen wollen. Das Prachtgemählde, das hier vor unsern Blicken aufgerollt liegt, steht an Umfang und Reichthum nur den Aussichten vom großen Winterberg und Zschirnstein nach. Auf dem nächsten Standpunkte gegen Mitternacht und Abend ist die Aussicht in die Gegenden von Dresden, Königsbrück und auf die Lausitzer Gebirge jenseit Stolpen, zum Theil durch Bäume verdeckt. Auf der Morgenseite, am Rande eines Kiefernwäldchens, auf einer mit Granitblöcken bedeckten Erhöhung, überblicken wir eine Landschaft, welche die Gebirge von Zittau bis Altenberg in blauer Ferne begränzen. Ueber Sebnitz und den Buchberg hin, folgt unser Blick dem Bergzuge, den die Lausche bei Zittau, der Nestelberg, der Tanneberg, der Kaltenberg, und die Kemnitzer Berge bilden. Hinter dem mahlerischen Felsenkranze von Hinterhermsdorf bis Schandau, woran das jenseitige Uferland sich knüpft, blicken der Rosenberg, und aus blaue[S. 98]rem Hintergrunde der Gräber und der Göltsch hervor, und beginnen einen neuen Gebirgrücken, über welchen wir das Schloß Blankenstein bei Aussig schimmern sehen. Vom Schneeberg zieht sich eine Bergferne, wo wir das böhmische Dorf Schönewalde, den Sattelberg, den Geiersberg, und endlich den Kahlenberg und Geisingberg erblicken. Gehen wir durch das Gebüsch auf die höchste offene Kuppe des Berges, so schließen sich auch die östlichen Fernen an das unermeßliche Landschaftbild, und über dem Porzen sehen wir die Tafelfichte, das Friedländergebirge und einen matten Streif des Riesengebirges dämmern.
Den Berg hinab steigend, kehren wir über Ulbersdorf und Altendorf auf dem bekannten Wege nach Schandau zurück.
Wir gehen über die Ostrauer Scheibe (s. S. 51.) oder auf dem, hinter dem Bade am linken Ufer der Kirnitsch am Bergabhange ansteigenden Wege zu dem Dorfe Ostrau. Auf dem Feldwege, im Angesichte des prächtigen Schrammsteins und des schroff emporragenden Falkensteins, nähern wir uns dem Saume des Waldes, der den, mitten aus wilden Felsenumgebungen sich erhebenden Berg,
vom Fuße bis zum Gipfel deckt. In einer halben Stunde erreichen wir auf einem bequemen, selbst fahrbaren Wege die Höhe, wo die steilere nackte Felsenkuppe, die kaum 30 Schritte lang und äußerst schmal ist, sich erhebt. Anmuth und Wildheit wechseln mannigfaltig in dem Gemählde, das sich hier vor uns ausbreitet. Vom Unger senkt sich ein Bergzug, der sich gegen Abend über Ostrau und Altendorf bis in das Thal verliert, wo bei heiterm Himmel selbst Dresden sichtbar ist. Zwischen den Felsen von Königstein und Rathen blicken anmuthige Landschaftbilder hervor, und ziehen sich im Elbthale hinab bis zu dem Hintergrunde, den die blauen Höhen des Erzgebirges einschließen. Gegen Mittag erblicken wir einen Theil des jenseitigen Elbufers, wo Dörfer und heitere Feldfluren zwischen dunkeln Wäldern lachen, über welchen der Zschirnstein und Schneeberg hervor ragen. Gegen Morgen blickt die hohe Spitze des Rosenberges über den Rücken des Winterberges, an dessen Fuße von den Speichenhörnern an, eine furchtbar wilde Felsenwelt, durch finstere Waldschluchten verbunden, sich ausbreitet. Am Fuße des Berges liegt eine, von hohen Felsen umschlossene Wildniß, der Gemsgarten, wo man in früherer Zeit schweizerische Gemsen einheimisch zu machen versuchte, die aber bald über die Felsen entflohen, bis auf einen Bock, der sich noch lange hier aufhielt.
Wir steigen herab, und wandern, am Fuße des Falkensteins hin, zum Zahngrund, wo der große Back[S. 100]ofen, ein überhangender, mit starken Eisenadern durchzogener Sandsteinfelsen, uns anzieht. Der Weg theilt sich bald in vier Arme, wovon der erste links zur Heidemühle im Kirnitschthale, der andere zum Kuhstall und in den großen Zschand, der dritte zum vordern Winkel und der vierte durch das Schrammthor nach Schmilka bringt. Wie folgen dem dritten zum
einer schroffen Wand, die mit dem anstoßenden Einsprunge, welcher der vordere Winkel heißt, eine prächtige Felsengruppe bildet. Wie die Trümmer einer zerstörten Burg, zieht sie sich zu einer, auf der östlichen Seite angränzenden Wand, auf welcher ein einzelnes Felsenhorn hervor ragt. Hinter dem vordern Winkel läuft eine Schlucht, durch welche man auf einem beschwerlichen Pfade die Höhe erreicht; den Schrammstein selbst aber kann man nur mittels hoher Leitern ersteigen. Die niedrigern Wände, die von den aus- und einspringenden Felsen den Nahmen der drei Winkel führen, ziehen sich weiter südöstlich. Ein steiler Waldweg führt zu dem mittlern Winkel, den man auf eingehauenen Stufen ersteigt. Längs den Wänden des Gemsgartens, und am Buchhübel hin, kommen wir endlich zu dem hintern Winkel, wo die Felsenwand abgeschnitten ist. Auf der Südseite dieser Wand bringt uns ein schmaler Weg, die Lehne, an den Rand eines tiefen Abgrundes, die breite Kluft genannt. Sehen wir von dem Felsenzuge der Winkel zurück, so kommen wir in die tiefe Kluft des[S. 101] Falkenheger Grundes, in welchen sich ein steiler Pfad senkt, der nach Schmilka hinab führt. Ein Weg über eine sumpfige Waldebene, bringt uns vom Falkenheger Grund zu einer tiefen Schlucht, das Heringsloch genannt, in welcher die heilige Stiege hinab geht, eine Felsentreppe, die gegen Morgen auf einen, zum kleinen Winterberg führenden Pfad stößt.
Aus dem Heringsloch kommen wir in den Reischengrund, der von ungeheuren Felsen eingeschlossen ist, die bald als kühne Mauern empor ragen, bald in steilen Klippen aus den dunkeln Waldwipfeln hervor schauen. Zwei hohe Wände, die sich gegen einander neigen, bilden eine Wölbung, das Reischenthor genannt, und alsbald stehen wir vor dem
oder Reischenschloß, einem mächtigen Felsenbau, der sich gegen 300 Fuß hoch erhebt, von Sträuchern begrünt, die aus den Spalten hervor wachsen. In der Mittagseite führt ein Weg aufwärts, und wir stehen bald vor einem Spalt, durch welchen wir auf die Höhe des Felsens klimmen. Auch dieser Felsen war, wie mehre Spuren anzudeuten scheinen, welche die Ueberlieferung bestätigen, vor Zeiten bewohnt, wenn auch die Bevestigung nicht aus Mauerwerk, sondern nur aus einem hölzernen Blockhause bestanden haben mag. Auf der Felsenhöhe öffnet sich uns gegen Mittag eine reiche Aussicht, die von den Dörfern Schönau und Reinhardsdorf auf dem jenseitigen Elbufer, über Königstein bis in die Gegend von Dresden reicht, wäh[S. 102]rend gegen Mitternacht und Morgen eine Felsenwildniß aus der Tiefe herauf blickt. Sind wir vom Reischenstein herab gestiegen, so suchen wir an der Morgenseite desselben einen günstigen Standpunkt zur Ansicht der Felsenwände des Reischengrundes, welche, wie wir hier deutlich sehen, in drei verschieden geschichteten Absätzen aufgethürmt sind. Ein starkes fünffaches Echo macht diesen Standpunkt doppelt anziehend.
Vom Reischenstein kommt man durch den Felsengrund, die Gostge, in südlicher Richtung an die Elbe. Wir gehen aus diesem Thale rechts durch den langen Grund zu den Bierwänden, einer Felsenreihe, die mit den Winkeln und der Elbe in gleicher Richtung läuft. Die Postelwitzer Steinbrüche (s. S. 52.) liegen unter diesen hohen, merkwürdig geschichteten Wänden. Ein vorspringender mächtiger Felsenkegel, der Butterweck, dient den Bewohnern des jenseitigen Elbufers als Sonnenweiser, da seine Spalten und Ritzen ihnen die Tageszeit anzeigen.
Wie gehen in dem langen Grunde hinab. Am Wege verweilen wir bei einem großen Sandsteinblocke, der viele Vertiefungen, deren Ränder meist von Eisen braun gefärbt sind, und auf der Nordseite eingesprengte Eisennieren hat. Nach einem kurzen Wege erreichen wir die Schrammthorwände, und steigen auf einem Seitenpfade auf den hohen Rand über den Steinbrüchen, wo eine herrliche Aussicht ins Elbthal uns überrascht. Wir gehen von hier durch das Schrammthor, einen schma[S. 103]len Durchgang zwischen hohen Wänden, und stehen bald vor dem
welcher, aus ungeheuren Schichten aufgethürmt und abgesondert von den benachbarten Felsengestalten, empor steigt, und rings umgangen werden kann. In einem Spalt finden wir Falze und Stufen, welche auf den Gipfel führen, wo wir Jahrzahlen eingehauen finden, die andeuten, das auch hier während des dreißigjährigen Kriegs Flüchtlinge Zuflucht gefunden haben. Gegen Abend öffnet sich eine schöne Aussicht nach Schandau und Königstein.
Wir gehen von hier über Ostrau an die Kirnitsch hinab, oder durch den Zahngrund nach Schandau zurück, wo wir, wenn wir bei Tagesanbruch abgereiset sind, in den ersten Nachmittagstunden ankommen.
Wir brauchen, den Rückweg mitgerechnet, zu dieser Wanderung ungefähr 10 Stunden. Es öffnen sich uns verschiedene, gleich angenehme Wege. Wir können auf der hohen Straße nach Lichtenhain gehen, und von hier herab zur Lichtenhainer Mühle (s. S. 90.) wo wir mit den Wanderern zusammen treffen, welche vom hohlen Stein (s. oben S. 56.) aufwärts an der Kirnitsch zur Mühle gekommen sind. Der Weg läuft von hier über Wiesen und weiter auf einem, jetzt sehr gangbaren Pfade am Fuße[S. 104] des hohen Kühnbergs durch ein wildes Thal zu Keßlers Mühle. Hier treffen wir diejenigen Reisenden, die vom Kuhstall über Reinertshau und durch einen Theil des kleinen Zschands kommen, der sich nahe bei der Mühle öffnet. Gemeinschaftlich setzen wir nun unsre Wanderung fort, und kommen bald zu einer andern Mühle, wo eine Brücke über die Kirnitsch in den großen Zschand führt. An dem Bach aufwärts wandernd, erreichen wir Neumann’s (sonst Puttrichs) Mühle, deren reizende Umgebungen uns einen Augenblick vest halten, ehe wir zur Buschmühle hinan gehen. Wir finden in einer dieser Mühlen, wenn wir ausruhen wollen, freundliche und dienstfertige Wirthe, die uns immer Milch und wohlschmeckende Butter reichen, und zuweilen gar Forellen auftischen können. Auch werden wir hier gewöhnlich einen Führer finden.
Bei der Buschmühle verlassen wir das Ufer der Kirnitsch, und dem Wege folgend, der am Ottendorfer Bach hinauf führt, kommen wir bald an den Abhang des Berges, der die steile Felsenkuppe, den
trägt, dessen prächtige, in einer Breite von mehren hundert Ellen sich hinziehende Wände an ihrem Fuße von vielen Höhlen durchbrochen sind, welche man, wie es scheint, früher zu Kellern benutzte. In der Mitte der Felsenwand führen kleine Stufen durch einen engen Spalt auf den ersten Absatz des Felsens, von hier bringt uns eine hölzerne Treppe auf den 2ten, dann eine Felsentreppe auf den 3ten und endlich[S. 105] ein enger Felsenweg auf den letzten Absatz, einen ebenen Platz, wo wir manche Spuren früherer Ansiedelung sehen. Die merkwürdigste darunter ist ein vierseitiger, senkrecht in den Felsen gehauener Brunnen, welchen die Sage bis zur Fläche der Kirnitsch hinab gehen läßt. Einige Landleute, die vor mehren Jahren den Brunnen von Streu und Schutt bis auf zwanzig Ellen reinigten, um Schätze zu suchen, sollen mit einer langen Stange, die sie hinab stießen, keinen Grund gefunden haben. Andre Schatzgräber gruben an andern Stellen eiserne Pfeile und Bolzen aus. Die Aussicht von der Kuppe ist auf die nahen Felsenumgebungen beschränkt, da die umliegenden Höhen den Blick in die Ferne hemmen. Wir steigen auf demselben Wege hinab, welcher der einzige Zugang auf die Felsenplatte ist, und westlich an der hohen Wand fortwandernd, erblicken wir wieder viele Höhlen, worin man gleichfalls Spuren früherer Benutzung bemerken kann. An der hintersten Seite, wo die Wände sich spalten und viele eingehauene Falze sichtbar sind, will die Sage den Platz der ehemahligen Burgkapelle finden. Einer der alten Burgherren, erzählt die Ueberlieferung, entführte einst ein Fräulein von einem Schlosse in der Umgegend, und ließ darauf einen Geistlichen mit Gewalt aus seiner Wohnung in der Nachbarschaft hohlen und auf die Felsenburg bringen, der ihn hier mit der geraubten Braut trauen mußte, und eine Zeitlang vest gehalten wurde, um den Gottesdienst zu besorgen. Alles aber, was man von dieser Felsenburg auf dem Arnstein erzählt, gründet sich bloß auf dürftige Ueberlieferung, die von den angegebenen Spuren ehemah[S. 106]liger Ansiedelung nur schwach unterstützt wird, und es möchte wohl nicht jeder in den Umrissen von drei Blättern mit einer dolchartigen Figur, die man unten am Fuße der Felsenwand, wo ein Thor gestanden haben soll, eingehauen sieht, gleich ein altes Wappen erkennen.[10] Bei aller Unfruchtbarkeit der ältern Geschichte, ist es doch auffallend, gar keine urkundlichen Spuren von den Burgen zu finden, womit man so viele Felsen in diesem Gebirglande freigebig bebaut hat. Niemand wird bei mehren derselben die frühere Bewohnung abläugnen wollen; selbst in ältern Zeiten aber haben sie kaum lange zu Wohnsitzen, sondern wohl nur als augenblickliche Zuflucht gedient, und leicht möchten sich in den meisten Fällen alle Spuren ehemahliger Ansiedelung oder Bevestigung auf die Zeit zurück führen lassen, wo während des dreißigjährigen Krieges Flüchtlinge hier Rettung suchten. Aus diesem Umstande, aus dem Mangel einer alten Geschichte, möchte denn auch der Mangel eigenthümlicher, das Gebiet der Vorzeit sinnig schmückenden Ueberlieferungen zu erklären sein. Die Sage wurzelt im Boden der Geschichte. Auch andre Reisende haben, so viel wir wissen, vergebens nach solchen, noch unter dem Volke lebenden Sagen geforscht, womit die Fantasie, sollte man meinen, die wunderbare Felsenwelt hier beleben müßte, wenn diese wirklich einmahl belebt gewesen wäre. Alles der Art, was man eingesammelt hat, ist entweder dürftig und ohne heimisches Leben, ohne örtliche Eigenheit, oder aus neuerer Zeit, z. B. die anzie[S. 107]hendste dieser Sagen, die bekannte Erzählung von dem Ursprung des Nahmens hohe Liebe, wie sie im Munde des Volkes lebt. Wer glücklicher im Sammeln sein sollte, möge seinen Fund mittheilen.
Auch auf den gegenüber liegenden Felsen, den Lorenzstein, wo früher ein alter Pfeil gefunden wurde, versetzt man eine Burg, deren Bewohner mit den Rittern auf dem Arnstein in langer Fehde gelebt haben sollen. Die von dem Felsen getrennte Kuppe von gleicher Höhe, die rechts vom Eingange sich erhebt, wird gleichfalls zum Arnstein gerechnet, und das Volk gibt diesen Nahmen der ganzen umliegenden Felsengruppe. Vom Arnstein führt ein, vor einigen Jahren gebahnter Pfad durch den waldigen Wiesengrund, den der Weißbach belebt, zu dem
in dessen hohen Wänden wir schon vom Thale aus, wo der Weg an seinem Fuße hinläuft, eine scheinbar unbedeutende Oeffnung erblicken. Hinter Felsenblöcken zieht sich der Weg auf den Gipfel, und wir treten in die Oeffnung einer breiten Höhle, die sich zwischen zusammengeschobenen Sandsteinfelsen spitzig wölbt, und oben einen schmalen Spalt hat. Die Aussicht aus dem Eingange ist beschränkt, aber die Betrachtung des wunderbaren Baues dieser Wölbung belohnt den Wanderer.
Wer nicht sogleich den Rückweg antreten will, kann an diese Wanderung andere Reiselinien knüpfen. Den nächsten Ruheplatz bietet uns Saupsdorf, nur eine halbe Stunde vom Kleinstein entfernt, und von hier[S. 108] würde man nach Hinterhermsdorf gehen, wenn man die obere Schleuse an der Kirnitsch besuchen wollte, die wir in der Folge beschreiben werden. Wollen wir nach Schandau zurückkehren, so lassen wir uns, wenn geognostische Merkwürdigkeiten uns anziehen, vom Kleinstein, am Abhange des Hirschwaldes hin, durch das Kirnitschthal auf den Heilenberg führen, aus dessen Sandsteinkuppen in einem sehr beschränkten Umfange, regelmäßige Basaltsäulen, die drei-, vier- und fünfseitig und oft 8 bis 10 Fuß lang sind, hervor brechen, und zum Theil in großen Haufen umher liegen. Das Gestein ist von grauschwarzer Farbe, und enthält häufig eingesprengte Magneteisensandkörner, die sich darin rundlich und stark glänzend zeigen, als ob sie geschmolzen wären. Auf dem Gipfel öffnen sich durch einige Waldblößen Aussichten in die Nähe und Ferne. Am Fuße des Berges sehen wir das Mundloch eines alten Stollns, deren man in der Umgegend, wo früher auf Magneteisenstein gebaut wurde, noch mehre findet.
Sind wir durch das Kirnitschthal hinaufgereiset, so werden wir den Rückweg über Ottendorf, oder über die Lichtenhainer Mühle (s. S. 90.) und die hohe Straße wählen. Wer früh von Schandau aufgebrochen ist, könnte seine Wanderung verlängern, und sich vom Heilenberg über die drei Stege zum Zeughause im großen Zschand bringen lassen. Von hier würde er entweder auf den nächsten Wegen durch Dietrichs Grund und das Kirnitschthal, oder auch am Fuße des Falkensteins (s. S. 103.) nach Schandau gehen,[S. 109] oder sich über den Roßsteig, oder durch die anziehenden Richters Schlüchte — die wir künftig besuchen werden — auf den großen Winterberg führen lassen und von hier über Schmilka, wo die reizend liegende Mühle einen Ruheplatz darbietet, zurück kehren.
[10] S. Götzingers Schandau, S. 530.
Auch zu dieser Wanderung, wenn wir sie nicht an eine Verlängerung der vorhergehenden Reiselinie knüpfen wollen, brauchen wir ungefähr 10 Stunden. Der Fahrweg in den großen Zschand geht über Ottendorf; den Fußweg über die Lichtenhainer und Keßlers Mühle haben wir auf einer andern Wanderung (S. 104.) kennen gelernt. Wir wandern vom Bade an der Kirnitsch hinauf, bis sich, dem Fall des Beuthenwassers (s. S. 55.) gegenüber, der Dietrichsgrund auf dem linken Ufer öffnet. Wir folgen diesem Seitenthale, das die Felsen und Höhen durchschneidet, und bis zum Fuße des kleinen Winterberges sich fortzieht. Hat man die früher (S. 56.) erwähnte Höhle am Wildenstein, die wir auf dem Rückwege sehen werden, von der Heidemühle aus besucht, so kann man, wenn man nicht gleich durch den Habichtsgrund (s. S. 59.) weiter gehen will, auch in den Dietrichsgrund kommen. Aus diesem Thale führt durch die nasse Schlüchte ein Weg zu den beiden Speichenhörnern. Die höchste dieser Felsenge[S. 110]stalten, die wie Burgen empor ragen, heißt das vordere Raubschloß, wo eine Burg gewesen sein soll. Man findet auch auf dem Gipfel des schwer ersteiglichen Felsens manche Spuren ehemahliger Bevestigungen und unter andern eine, wie es scheint, durch Menschenhände erweiterte Höhle, die eine der größten in dieser Felsengegend ist. Das Bauerloch, eine tiefe enge Felsenschlucht, läuft zwischen dem Speichenhorn und dem langen Horn, dessen Wände in verschiedenen Absätzen sich aufthürmen, von welchen der obere, mit dem untern nicht verbunden, auf Felsenstücken ruht, und von vielen Höhlen durchbrochen ist. Von diesem merkwürdigen Felsenbau ist der nahe Affenstein durch eine Schlucht abgesondert.
Wir können durch das Bauerloch auf einem steilen Pfade in den Dietrichsgrund zurück kehren, und gehen dann längs dem Fuße des kleinen Winterberges und unter dem Raubstein weg durch die Wieselschlüchte in den
wo wir im Zeughause, einem königlichen Jagdgebäude, Obdach finden. Das Felsengebiet östlich von Schandau wird in seiner ganzen Breite von diesem Thale durchschnitten, durch welches die Hauptstraße aus dem, östlich von Sebnitz liegenden Theil Böhmens über Ottendorf nach Hirniskretschen führt. Auf beiden Seiten des Thales laufen bis gegen das Zeughaus hohe, in mannigfaltigen Gestalten empor ragende Felsenwände, die bald mit jungem Gehölz bekleidet, bald mit Moos, Farrenwe[S. 111]deln, oder wildem Efeu mahlerisch geschmückt, oft auch von wildem Rosmarin umschlungen sind, dessen würziger Duft den Wanderer an warmen Sommertagen erquickt. In der Nähe des Zeughauses findet man Magneteisensand, womit der Boden in frühern Zeiten so reichlich bedeckt war, daß man ihn im Anfange des vorigen Jahrhunderts bergmännisch gewann. Die Gesellschaft, welche diesen Bau, zugleich mit dem oben erwähnten Versuchbau am Heilenberg, betrieb, hieß die Granatengewerkschaft, weil man den Eisensand Granaten nannte, und 1723 ward eine Münze von dem gewonnenen Metalle geprägt.
Auf beiden Seiten senken sich von den Höhen Felsenthäler in den großen Zschand hinab. Wir gehen zuerst längs der östlichen Wand hin, und kommen in 3 Viertelstunden in
die sich am Ende der Thorwalder Wände öffnet. Wir steigen hinan und stehen vor dem Eingange der merkwürdigen großen Höhle. Im Hintergrunde dieser ungeheuren Wölbung quillt aus dem Felsen eine klare Quelle, die sich erst in einem natürlichen Becken sammelt und dann in einem verborgenen Abflusse sich verliert.
Wir gehen durch die Schlucht in den Zschand zurück, und erreichen nach einer Viertelstunde die, an der westlichen Wand des Zschands sich öffnende Webers Schlüchte, die sich, von üppigem Pflanzenwuchse begrünt, an den Polischhörnern zwischen prächtig empor steigenden Felsenwänden breit hinan zieht. Wer dem[S. 112] Zuge dieses Thales folgen will, kann über den Jordan (s. S. 64–65) bald zum Prebischthor kommen, oder über den Schlüssel gerade nach Hirniskretschen hinab gehen. Wir kehren in den Zschand zurück, und stehen bald vor dem Eingange eines andern Felsenthales,
genannt, das gleichfalls aus der westlichen Wand hinab fällt. Dieses mahlerische Thal verdient vor allen einen Besuch. In wunderbaren Gestalten erheben sich die Sandsteinfelsen auf beiden Seiten, bald wie die Mauern alter Burgen, bald wie Basteien und Thürme aus den Waldwipfeln hervor ragend, bis wir endlich, am Ausgange der Schlucht, unter dunkeln Schatten vor einem Felsenbau stehen, dessen Wände, prächtigen Tempeltrümmern ähnlich, über 100 Fuß hoch aufsteigen, und in einer kühnen Wölbung sich schließen. Von diesem Dom fällt immer Wasser in großen Tropfen an der hintern Wand in eine, von Felsenblöcken verdeckte Tiefe hinab, das im Frühlinge, oder nach langer Regenzeit zu einem rauschenden Fall anschwillt. Nicht weit von diesem Felsen, welchen man den Tempel in Richters Schlüchte nennt, führt ein, zum Theil steiler Pfad in 3 Viertelstunden auf den großen Winterberg, und links ein südwestlich laufender Weg in ungefähr gleicher Zeit zum Prebischthor.
Wir kehren wieder in den großen Zschand zurück und wandern längs der westlichen Wand zum Zeughause hinauf. In der Nähe des Hauses, an einer vom Heilenberg abfallenden Schlucht, erhebt sich der schroffe[S. 113] Teichstein, der seinen Nahmen von einem nahen Teiche hat, wo in frühern Zeiten große Wasserschlangen lebten. An der jenseitigen Thalwand hinter dem Jagdhause läuft durch eine, sich hier öffnende Schlucht der Roßsteig hinan, ein enger steiler Felsenweg, der uns zu dem, an der Pechschlüchte emporragenden Goldstein führt, dessen schroffe Wände gelbes Moos bekleidet. Von der Höhe blicken wir über die vorliegenden Felsenthäler in die Gegend von Hinterhermsdorf, über welche die sächsischen und böhmischen Gränzgebirge und der Bergzug des fernen Hintergrundes hervor ragen. Der Roßsteig führt weiter in südwestlicher Richtung über den Lehmhübel zum großen Winterberge, und über den Schlüssel zum Prebischthor. Wir aber folgen einem rechts ablaufenden Pfade, der uns zu den Bärfangwänden führt, wo wir in eine, dem Kuhstall ähnliche Höhle treten. Ein steiler Pfad läuft hier in die nasse Schlüchte hinab, und wo diese in den kleinen Zschand fällt, sehen wie eine Pechhütte dampfen.
Unweit der Bärfangwände, nahe an der Queene, erhebt sich auf einem hohen Berge der
ein mächtiger Sandsteinfelsen, durch dessen Wölbungen und gespaltene Wände der beschwerliche Weg auf den Gipfel führt, wo sich manche Spuren ehemahliger Bewohnung, ein Wasserbehältniß, Keller und altes Gemäuer finden und eine belohnende Aussicht über die umliegende Felsenwildniß sich öffnet.
Wir gehen in den Habichtsgrund (s. S. 59 und 109.) hinab und folgen dem Pfad, der uns zum
hinan führt, wo wir am Fuße des Felsens den Eingang einer tief einlaufenden finstern Höhle erblicken. Auf der Kuppe öffnet sich eine reiche Aussicht auf den prächtigen Felsenkranz, der sich über dem, das Thal bedeckenden dunkeln Wildensteiner Walde vom kleinen Winterberge bis zu dem langen Horn, dem Affenstein und den Speichenhörnern ausdehnt. Der Schrammstein, der Falkenstein und die hohe Liebe blicken hinter dem Affenstein hervor, und in der Ferne sieht man den Papststein und die Bärsteine, während sich auf der nördlichen Höhe die Dörfer an der hohen Straße bis Lichtenhain zeigen. Zwischen dem Winterberge und dem Kuhstallfelsen entdecken wir gegen Morgen den Lorenzstein, den Raubstein und den Arnstein und im Hintergrunde die Thorwalder Wände. Man hat auch auf diese Felsenkuppe eine Burg versetzen und darin das gleichnahmige Schloß finden wollen, dessen eine Urkunde aus dem 15ten Jahrhundert gedenkt, obgleich sich auf dem Gipfel nicht die mindeste Spur ehemahliger Bewohnung findet.
In einer Viertelstunde kommen wir vom Wildenstein zur Heidemühle (s. S. 55.) und wandern an der Kirnitsch nach Schandau hinab.
Diese Wanderung wird, den Rückweg nach Schandau mitgerechnet, zwar nicht mehr als eine Tagereise fodern, da sich aber auch hier manche Versuchungen zu anziehenden Abschweifungen darbieten, so werden wir uns freilich einen erhöhten Genuß und mehr Bequemlichkeit bereiten, wenn wir längere Zeit dazu bestimmen, und wenigstens am ersten Tage den vierstündigen Weg von Schandau nach Hinterhermsdorf zurück legen. Wir gehen am bequemsten auf der hohen Straße bis Lichtenhain, und von hier über Ottendorf nach Saupsdorf, wo es ansehnliche Garnbleichen gibt. Auf dem nahen Wachberge ladet ein freundliches Obdach zum Verweilen ein, und wir genießen die reiche Aussicht über das ganze Felsengebiet von den Thorwalder Wänden bis zum Schrammstein. Der Winterberg und die nahen und fernen Gebirge Böhmens steigen im Hintergrunde empor, während unser Auge gegen Abend dem Zuge der Berge und Thäler bis in die blaue Ferne folgt, wo wir bei hellem Himmel selbst Dresden sehen. Auf einem anmuthigen Wege, den die Aussicht in eine schöne Bergferne erheitert, kommen wir in 1 Stunde nach
einem ansehnlichen und gewerbsamen Dorfe, wo wir im Lehngerichte gute Bewirthung finden. Gegen Mitternacht, eine halbe Stunde vom Dorfe, erhebt sich der Weifberg,[S. 116] und eine Viertelstunde weiter, jenseit der böhmischen Gränze, der höhere Hantschberg, an dessen Fuße das schöne und gewerbsame Dorf Nixdorf sich ausbreitet. Wie besteigen beide Berge, oder wenigstens den Hantschberg, wo ein herrliches Landschaftbild vor uns liegt, das an die Aussicht vom Winterberge erinnert. Wollen wir die Wanderung zur obern Schleuse auf einem angenehmen Umwege machen, so gehen wir von Hinterhermsdorf in östlicher Richtung an den Steinbergen bis zur Heidelbachmühle. Unterhalb dieser Mühle fließt der Heidelbach in die Kirnitsch, die nun, ungefähr 1 Meile weit, die Gränze zwischen Sachsen und Böhmen bildet. Wir werden den Weg durch das ungemein reizende Thal, in welchem die Kirnitsch von dem böhmischen Städtchen Schönlinde hinab fließt, künftig kennen lernen, und gehen vom Ausfluße des Heidelbachs, wo die Mittelmühle unter einer Berghöhe, Toffel im Fleckel genannt, jenseit der Kirnitsch im böhmischen Gebiete liegt, auf einem anmuthigen Wege zur Niedermühle. Längs dem rauschenden Bache kommen wir bald zu Reißers Höhle, die uns unter einem hohen, weit überhangenden Felsen einen kühlen Ruheplatz darbietet. Wir verlassen hier das Ufer des Baches, steigen in Reißers Grund zu den Steinbrüchen hinan, die einen harten und feinen Sandstein liefern, und kommen über den Hauberg zum Schleusenberg. Wer den beschriebenen Umweg nicht machen will, geht von Hinterhermsdorf auf einem weit nähern und bequemen, im Jahre 1820 geebneten Wege über die Grünstelle, einen[S. 117] hohen Felsen, wo wir das gebirgige Gränzgebiet Böhmens überschauen, zum Schleusenberg, unter welchem die
liegt. Ein steiler Pfad führt von dem hohen Bergrande in diesen Felsenspalt, dessen schroffe Wände mit Farrenwedeln, Moosen und vielfarbigen Flechten bekleidet, über 300 Fuß hinab stürzen. Die Kirnitsch rauscht ungestüm durch ihr enges Felsenbett über die, im Jahre 1816 von dem Floßmeister Hering in Schandau neu gebaute Schleuse, und läßt hier, wo die schroffen Wände, der Krümmung des Baches folgend, den finstern Schlund ganz zu verschließen scheinen, nur einen schmalen Uferrand, auf welchem ein Hüttchen für die Floßarbeiter an den Felsen sich lehnt. Die Wände rücken oben so nahe zusammen, daß nur ein schmaler Streif des Himmelslichts den furchtbaren Abgrund erhellet. Diese Schleuse ward, nebst einer andern unter dem hohen Holzig, östlich von den Thorwalder Wänden, zuerst im Anfange des 17ten Jahrhunderts für die, im 16ten Jahrhunderte angelegte, wichtige Kirnitschflöße erbaut. Die Arbeiten des Flößens fangen im Herbst an. Das Scheitholz wird während des Winters an den Bach, oder auf hohe Uferränder gefahren, wo es hinab gestürzt werden kann. Solche Stellen, die aus einem Kanal von Stangenholz bestehen, nennt man Bloßen, oder Huschen. Können die Schlitten der Landleute, wie es gewöhnlich der Fall ist, das gefällte Holz nicht weiter als auf Höhen bringen, die von den[S. 118] Uferwänden der Kirnitsch durch Felsenschluchten getrennt sind, so werfen die Floßknechte über die Klüfte große Baumstämme, die mit kleinern Stämmen und vielen Zweigen belegt werden, und über diese kühnen Brücken schaffen sie das Holz auf Schlitten an die Bloßen. Die herabgestürzten Scheite bilden am Bache einen hohen Haufen, der im Winter vest friert, und im nächsten Frühlinge von den Floßknechten in den angeschwollenen Bach hinab gestürzt wird, der das Holz nach Schandau trägt.
Wir steigen wieder auf den Schleusenberg, und kommen vom nahen Seufzengründel — wo wir im Sandboden viele Mineralien, z. B. braunen kristallisirten Hyacinth, Augit, selten nur edlen Granat, aber Magneteisensand in großer Menge finden — in einer halben Stunde zum großen Darnstein, an dessen Fuße, jenseit der Kirnitsch, ein böhmisches Wirthshaus liegt. Hier zieht sich durch einen langen und engen Grund, Kühzahl am Hühnerkropf genannt, und durch den Höllengrund eine Felsenstraße von Hinterhermsdorf, auf welcher Möllendorf im Julius 1778 einen Heerhaufen mit Geschütz nach Böhmen führte. Wir verlassen nun bald das Ufer der Kirnitsch, die bei der vorspringenden Höhe, das Kirnitschhorn genannt, ihren Lauf nördlich richtet, und gehen abwärts in den Ziegengrund, welcher die Landesgränze bildet, und auf der böhmischen Seite von wunderbaren Felsenbildungen eingeschlossen ist. In einem großen Steine ist das Bild eines Luchses ausgehauen, zum Andenken, daß hier im Jahre 1743 das letzte der Raubthiere, die einst in diesen Felsen[S. 119]wildnissen wohnten, durch einen Selbstschuß erlegt wurde. Nach einer halben Stunde kommen wir zu dem Altarstein, wo die eingehauenen Jahrzahlen 1639 und 1640 die Ueberlieferung bestätigen, daß die, den Kriegsgräueln entflohenen Landleute sich hier zu Andachtübungen versammelt haben. Wir nähern uns nun der mächtigen Felsengruppe der
auf deren Höhen uns ein beschwerlicher und für furchtsame, oder unvorsichtige Wanderer zuweilen gefahrvoller Weg über den Hänelsberg bringt. Die Aussicht über die Wildniß, die uns hier in prächtigen, einen weiten Halbkreis einschließenden Felsengestalten umgibt, ist überraschend, und zeigt uns eines der großartigsten Naturbilder, welche das Hochland darbietet.
Wir können auch von hier, aber gleichfalls nur auf sehr beschwerlichen Pfaden, über die Daunenstellge zur Höhle in Hiekels Schlüchte (s. S. 111.) kommen.
Den größten Theil des beschriebenen Felsengebiets kann man auch zu Wagen bereisen, wenn man von Schandau nach Hinterhermsdorf fährt, und während man über die Grünstelle zur obern Schleuse wandert, den Wagen durch den Höllengrund in den Ziegengrund fahren und dann im Zeughause (s. S. 110.) warten läßt, wofern man etwa Hiekels Schlüchte, oder Richters Schlüchte besuchen will. Mit dieser Reise würde sich dann von hier aus (s. S. 112.) der Besuch des Prebischthores, dem man auf keinem andern[S. 120] Fahrwege so nahe kommen kann, verbinden lassen. Vom Zeughause wird man auf dem bekannten Fahrwege (s. S. 109.) nach Schandau zurück kehren. Wir aber endigen unsere Tagereise auf einem nähern und angenehmern Wege, wenn wir durch den Prebischgrund (s. S. 66.) nach Hirniskretschen wandern, wo eine Gondel uns aufnimmt, wenn wir nicht etwa von hier nach Tetschen reisen, oder unsre Wanderung auf das jenseitige Elbufer antreten wollen.
Die Wanderung durch die reizenden Gegenden auf dem südwestlichen Ufer der Elbe wird am beßten auch von Schandau aus gemacht. Wir fahren nach Krippen über, und wenn wir zunächst den Zschirnstein besuchen wollen, wenden wir uns hinter dem Lehngerichte auf den Kirchweg nach Reinhardsdorf, wo wir uns der schönsten Ansicht des Elbthales bei Schandau und der anmuthigen umliegenden Landschaft erfreuen.
Wir aber folgen zuerst dem Wiesenpfade, der uns von Krippen längs der Elbe in einer Stunde zur Hirschmühle führt, die am Ausflusse des Zschiepbaches unter einem überhangenden Felsen den Schrammsteinwänden gegenüber liegt. Ein Fußweg hinter der Mühle bringt uns zur Hundskirche und am Mühlbach hinauf, der in vielen Fällen im Thale hinab stürzt, nach Schönau. Unter diesem Dorfe liegen an der Elbe die Teichsteinbrüche, und nicht weit davon kommen wir zu der[S. 121] Zschiepmühle, der letzten Wohnung auf sächsischem Boden. Bei Schönau erhebt sich der Kahlstein (gewöhnlich Gallstein), oder Kronenberg, ein Sandsteinfelsen, auf dessen Gipfel wir ein reiches Landschaftbild überschauen, worin besonders der Winterberg in seinen großartigen Umrissen hervortritt. Südwestlich liegt der Zirkelstein, der aus unzähligen, in zwei Absätzen aufgethürmten Schichten besteht, wovon die unterste so weit vorspringt, daß man den ganzen Felsen umgehen kann. Durch eine enge Schlucht ersteigen wir den Gipfel, wo wir fast dieselbe Landschaft überschauen, die wir vom Kahlstein erblickten, aber die Gegend um den Rosenberg näher sehen. Am Fuße des Felsens sieht man viele Fuchs- und Dachshöhlen, die in weiten Irrgängen durch den Felsen zu laufen scheinen. Vor mehren Jahren folgte ein Hund einem Dachse in eine dieser Oeffnungen, und kam zur Verwunderung seines Herrn, des Bezirkförsters, erst am neunten Tage heraus.
Wer auf der oben angedeuteten Abschweifung, die über 3 Stunden Zeit fodern würde, uns nicht begleiten kann, weil er wenigstens in den Morgenstunden auf den
steigen will, wird gleich von Reinhardsdorf die Wanderung antreten, sei es, daß er von Schandau mit Tagesanbruche abgereiset ist, oder die Nacht im Dorfe zugebracht hat, um das herrliche Schauspiel der aufgehenden Sonne auf dem Berge zu genießen. Man kann von hier fast bis auf den Gipfel des Berges fahren, während[S. 122] von andern Seiten der Weg steil und beschwerlich ist. In einer Stunde ist die Höhe erstiegen, die nach neuen barometrischen Messungen 1761 Par. Fuß über dem Meere liegt. Aus dem Schatten des Waldes tretend, der uns bis zum Gipfel begleitet, überschauen wir das reiche Gemählde, das zu den herrlichsten gehört, welche das Bergland uns darbietet, und selbst die Aussicht vom Winterberge an Umfang übertrifft, da hier unserm Blicke weit weniger verdeckt wird. Vom fernen Schneeberge breitet sich eine Waldlandschaft bis zum Thal der Elbe aus, deren Lauf eine Sandsteinwand bezeichnet, während der Spiegel des Stromes, dessen Windungen wir vom Gipfel des Winterberges verfolgen können, hier nur zuweilen aus dem Dunkel des Waldes hervor blickt. Der Schneeberg deckt uns nur einen Theil Böhmens, aber eine unermeßliche Landschaft liegt vor uns, die von Lowositz bis zum Riesengebirge sich ausbreitet, wovon wir in blauer Ferne das große Rad, oder wie Andre glauben, die Schneekoppe dämmern sehen. Aus dem böhmischen Mittelgebirge heben sich deutlich der Kletscher und die Paszokopole. Seitwärts vom Rosenberge blickt der Schloßberg bei dem böhmischen Kemnitz mit den Trümmern seiner Burg hervor, und der Jeschkenberg aus dem Nebel der Ferne. Ueber dem Buchenkranz des Winterbergs ragen die Zittauer Gebirge, der Hochwald, der Oderwitzer Spitzberg, die Landeskrone bei Görlitz und die Tafelfichte hervor. Steigen wir auf das Rabenbad, einen von der Bergkuppe sich erhebenden Felsen, so erweitert sich die[S. 123] Aussicht, und von dem, in Norden aufsteigenden Falkenberge zieht sich eine Bergferne über die Höhen um Königsbrück, Meißen, Kesselsdorf, Kreischa und über den Kahlenberg und Geiersberg bis zum Schneeberge, während die nähern Berge und Thäler von Stolpen, Hohnstein, Lohmen, Königstein und Pirna sich zu dem breiten, heitern Thale senken, worin unser Auge, hier und da von einem glänzenden Bogen der Elbe geleitet, Pillnitz, Dresden und die nach Meißen sich ziehenden Rebengebirge erblickt, und bei heiterm Himmel selbst den Colmberg bei Oschatz dämmern sieht.
Der Zschirnstein ist aus Sandsteinblöcken zusammengesetzt. Am Fuße des Berges, und noch häufiger auf der mitternächtlichen Seite desselben, nach dem kleinen Zschirnstein hinab, findet man häufig säulenförmige Basaltgeschiebe. Ein Lager von Brauneisenstein, der früher bergmännisch gewonnen wurde, unterbricht den Basaltzug. Auch der letztgenannte Berg, den vom großen Zschirnstein ein Thal trennt, ist mit Basalttrümmern bedeckt.
Wer vom Zschirnstein aus, die Wanderung zum Schneeberge machen will, läßt sich über Kleingießhübel, das am Fuße des Berges mitten im Walde liegt, nach Cunnersdorf bringen, wer aber nach Schandau zurück kehren will, geht wieder nach Reinhardsdorf und Krippen. Haben wir den Morgen auf dem Berge genossen, so werden uns einige Vormittagstunden übrig bleiben, unsre Wanderung zu verlängern. Es[S. 124] winken uns in der Nähe drei mächtige, schroff ansteigende Felsen, der Hennersdorfer Stein, der Papststein und der Gorischstein. Wir gehen von Krippen über den Hofeberg nach Kleinhennersdorf und von hier nach Papstdorf, dessen freundliche Kirche abgesondert vom Dorfe und weithin sichtbar auf der Berghöhe liegt. Wir besteigen von hier den Papststein auf einem ziemlich steilen Pfade, um uns einer belohnenden Aussicht zu erfreuen. Wir sehen über Pillnitz nach Dresden. Die Felsen von Rathen erheben sich am jenseitigen Ufer, Hohnstein blickt aus der Ferne hervor und im höhern Hintergrunde Stolpen auf seiner Basaltkuppe. Auf dem Wege vom Papststein zum Gorischstein verweilen wir unweit der Weinberge, wo sich uns eine herrliche Aussicht auf die Felsenwelt von Schandau öffnet, über welche die Gebirge der Oberlausitz in dämmernder Ferne sich erheben. Der Gorischstein ist schwer zu ersteigen. Am Abhange der östlichen Felsenwand stehen mehre Felsen so gegen einander, daß sie eine hohe Pforte bilden, wovon eine Wand auf einem natürlichen Pfeiler ruht. Man nennt sie den Brömmerstall, weil die Hirsche zur Brunftzeit hier wechseln, und sich einen Pfad rings um den Pfeiler gebahnt haben. Spuren von Steinkohlen im Sandstein gaben um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu einem Versuchbau Anlaß. Es ist noch das Mundloch eines Stollns am Fuße des Berges davon übrig. Durch den Sandstein streicht eine thonige Masse, die der Walkererde nicht unähnlich gewesen sein soll, so[S. 125] wie man auch eine der lemnischen Erde ähnliche Thonart gefunden haben will.
Wie gehen vom Fuße des Berges durch den Rietschgrund an das Elbufer zurück und folgen dem anmuthigen Pfade, der uns in kurzer Zeit zu der Schandauer Fähre bringt.
Wir brauchen mit dem Rückwege nach Schandau 10 Stunden zu dieser Wanderung, und gehen auf dem nächsten Wege über Klein-Hennersdorf nach Cunnersdorf, das in einem angenehmen Thale liegt. Die Straße von Dresden und Königstein nach Schneeberg und Tetschen geht durch das Dorf. Wir folgen dem Waldwege am Rande eines tiefen Grundes, in welchem der Fuchsbach hinab fließt, der durch Cunnersdorf läuft und am Fuße des Quirls mit der Biela sich vereinigt. Der Katzstein und der Rothstein, beide leicht ersteiglich, ragen rechts am Wege aus dem Walde hervor. Nach einer Stunde sind wir in Rosenthal, wenn wir nicht, ehe wir in’s Dorf kommen, vom Waldwege links abweichend, eine offene, von zwei Linden beschattete Höhe besteigen wollen, wo uns eine weite und reizende Aussicht überrascht. In den umher liegenden Sandsteinblöcken findet man viele schöne Versteinerungen.
Nach einem kurzen Wege über Felder und Wiesen,[S. 126] umfängt uns bald wieder ein dunkler Wald, und nach einer Stunde erreichen wir das böhmische Gränzdorf
das am Fuße des gleichnahmigen Berges liegt. Bei dem östreichischen Zolleinnehmer hohlen wir die Erlaubniß, den Berg zu besteigen, und in einer halben Stunde sind wir auf der Kuppe, die nach neuern barometrischen Messungen 2240 Par. Fuß über das Meer sich erhebt. Auf dem Standpunkte gegen Abend liegt das Gelände vor uns, das der Gebirgkranz umfaßt, der sich vom Falkenberg bis zum Sattelberg ausdehnt, und unser Auge fliegt von diesem Gränzpunkte bis zum Kolmberge und zu den Gebirgen bei Großenhain, und von den Anhöhen um Meißen bis zu den Annaberger Gebirgen und zum Fichtelberg. Noch weiter ist die Aussicht in der Nähe des Telegraphen. Wir sehen vom Erzgebirge bis zum Riesengebirge und über Tetschen bis zum weißen Berge bei Prag, während im Mittelgrund das reizende Uferland der Elbe sich ausbreitet.
Von dem Schneeberge, der den Mittelpunkt des Berglandes auf dem linken oder südöstlichen Elbufer bildet, ziehen sich fast nach allen Richtungen Gebirgstrahlen, von welchen der westwärts längs der Gränze hinab laufende durch einen breiten Gebirgsattel bei Höllendorf mit dem Sattelberge, dem Endpunkte des Erzgebirges, verbunden wird. Es kommt hier die seltene Erscheinung vor, daß sich von derselben Höhe die Bäche nach Mitternacht, Morgen und Mittag in denselben Fluß ergießen.
Wir gehen über die Gränze zurück, und in den
hinab, der unter dem Schneeberge, bei dem böhmischen Dorfe Eiland anfängt und von dem, am Abhange jenes Berges entspringenden Bielbach durchflossen wird. Das mahlerische Thal zieht sich unter den mannigfaltigsten Abwechselungen bis gegen Königstein hinab, wo der Bach in die Elbe fällt. Bald nach dem Eintritte in das Thal, stehen wir vor der Oeffnung einer finstern Höhle, die über 60 Fuß tief in das Innere des Felsens sich zieht, wo sie zu einem breiten Gewölbe sich erweitert, das im dreißigjährigen Kriege den Geflüchteten Schutz gewährte, und daher das Schwedenloch genannt wird. Bei der ersten Mühle, Ehrlichsmühle, erweitert sich das Thal; der Wald weicht von den heitern Wiesenufern des Baches zurück, der auf beiden Seiten von den seltsamsten Felsengestalten eingeschlossen ist, welche diesem Thale ganz eigne Reize geben. Auf der Mittagseite erhebt sich eine ersteigliche Felsenkuppe, der Kanzelstein, wo zu der Zeit, als die Hammerwerke in diesem Thale betrieben wurden, ein Prediger zuweilen zu seinen unten versammelten Zuhörern gesprochen haben soll. Nicht weit von hier sehen wir die Trümmer eines Hammerwerkes, deren es vor der Mitte des 18ten Jahrhunderts hier mehre gab, die das Eisen aus Gießhübel erhielten. Die nahe Oberhüttenmühle in einer ungemein reizenden Lage, gewährt uns einen Ruheplatz und Bewirthung.
Wollen wir nach Schandau zurück kehren, so folgen[S. 128] wir dem Laufe des Baches bis zu dem Dörfchen, die Hütten, das am Fuße des Königsteins in einem anmuthigen Thale, dem Hüttengrunde liegt, der von den zahlreichen Eisenhämmern, die hier vor Zeiten im Gange waren, den Nahmen erhielt. Wir wenden uns hier zu dem Quirl, einem Felsenberge, an dessen Fuß auf der Abendseite eine sehr tiefe und breite Höhle, der Diebskeller, sich öffnet und uns einen kühlen Ruheplatz bietet, wo wir an heiteren Tagen eine schöne Ansicht des nahen Königsteins und des Liliensteins haben. Auch die Aussicht vom Gipfel des Berges ist anziehend. Oestlich vom Quirl erhebt sich nahe bei Pfaffendorf der Pfaffenstein, ein waldiger Felsenberg, an dessen Morgenseite der Jungfernstein empor ragt, dem die Sage eine abenteuerliche Entstehung gibt. Eine Mutter, erzählt sie, schickte am Sonntage ihre Tochter in die Kirche, das Mädchen aber ging auf den Pfaffenstein, um Heidelbeeren zu suchen, wo die Mutter sie endlich fand und in der Aufwallung des Zornes wünschte, die Ungehorsame möchte zu Stein werden, worauf denn alsbald die Jungfrau in einen schlanken Felsenkegel verwandelt wurde. Von hier führt der Weg am Fuße des Gorischsteins (s. S. 124.) an das Ufer der Elbe.
Auch hier aber werden wir uns leicht zu einer Abschweifung verleiten lassen, wozu die westlich nach der Gottleube sich hinziehende Gegend uns einladet. Wir verlassen alsdann den Bielergrund und ersteigen unweit des Kanzelsteins den westlichen Thalrand. Auf einem Waldwege und durch den hohlen Stein, einen[S. 129] ausgehauenen Felsenweg, kommen wir bald nach Markersbach, das am Schwarzbach in einem tiefen Thale liegt, und einst einen, vor beinahe zwanzig Jahren eingegangenen Eisenhammer hatte. Ungefähr eine halbe Stunde von dem Dorfe erhebt sich der Hartstein, auf dessen Gipfel wir das schon von manchen andern Standpunkten gesehene Landschaftbild gern noch einmahl betrachten. In dem großen Halbkreise, der sich von Hohnstein und Stolpen über die Gebirge bei Königsbrück und die Anhöhen um Meißen bis zum Geisingberg und Sattelberg zieht, hebt sich besonders der Zug des Rebengebirges von Pillnitz bis Meißen hervor. Gegen Südwest sehen wir die nahen Gränzdörfer Höllendorf und Peterswalde, durch welche die Straße von Dresden nach Teplitz, Karlsbad und Prag läuft.
Wir sind hier an der früher (s. S. 7.) angedeuteten Gränze, wo das vorherrschende Sandsteingebirge mit einer andern Gebirgart wechselt. Der südliche Abhang des Erzgebirges zwischen der Freiberger Mulde und der Elbe, den wir hier berühren, besteht größtentheils aus Gneis, der auf Granit liegt. Die Umgegend war im August und September 1813 der Schauplatz vieler blutiger Gefechte. Wer nicht durch den anmuthigen Oelsengrund zu dem Städtchen Gottleube wandern will, folgt vielleicht der Landstraße, die nach Gießhübel führt. Die kräftige, schon in frühern Zeiten viel besuchte Heilquelle dieses Städtchens, das in einem sehr anmuthigen Thale liegt, ist seit 1822 neu gefaßt worden, und überhaupt hat der jetzige Besitzer bei der neuen Einrichtung des Bades und[S. 130] der Verschönerung der Umgebungen so viel Sorgfalt und Geschmack gezeigt, daß der Aufenthalt für die Kranken, die hier Heilung suchen, und für Naturfreunde neue Annehmlichkeiten erhalten hat. Es gibt in der Nähe mehre ausgezeichnet schöne Gegenden, die eines Besuches werth sind, i. B. der Felsberg, der Hohenstein, der Jagdstein, die theils durch reizende Aussichten, theils durch mahlerische Felsenbildungen anziehen. Wir begnügen uns mit diesen Andeutungen[11], und treten den Rückweg an. Folgen wir dem Laufe der Gottleube, so kommen wir in die Zwiesel, wo eine Mühle und einige Häuser an heitern Bergwiesen liegen. Bald aber umfängt uns ein wildes Felsenthal, das der Bach durchrauscht; der Pfad schlingt sich durch dunkle Waldschatten bis zur einsamen Buschmühle, und kaum sind wir eine Viertelstunde weiter gegangen, so sehen wir den Langhennersdorfer Bach zwischen Sandsteinfelsen, die von Baumgruppen umgeben und mit dunklem Wintergrün bekleidet sind, 80 Fuß hoch auf wild zerstreute Blöcke herab stürzen, wo der gebrochene Wasserfall zur Gottleube strömt. Eine Felsentreppe führt am Wasserfall auf die Höhe. Seitwärts öffnet sich eine Höhle, das Zwergloch, die tief in den Felsen läuft.
Wir wenden uns von hier zu dem Hammerwerke[S. 131] Brausenstein am Bieler Grund, und gehen durch dieses Thal über Königstein, oder über Rosenthal nach Schandau zurück.
[11] Mehr über Gießhübel, die neue Einrichtung des Bades und die reizenden Umgebungen, in dem die Abendzeitung begleitenden Wegweiser im Gebiete der Künste und Wissenschaften 1822, St. 55 u. 56.
Wir haben die Wanderungen, die wir von Schandau aus, als dem Mittelpunkte eines großen Kreises, machen wollten, nun vollendet, und bis auf die Gegend, welche wir auf dem Rückwege nach Dresden besuchen werden, das ganze meißnische Hochland bereiset. Bei längerm Aufenthalte in Schandau aber werden wir uns auch in Böhmens reizende Thäler hinüber locken lassen. Eine Reiselinie in die nordöstlichen Gegenden haben wir bereits (S. 96.) angedeutet. Weit anziehender aber sind zwei Reisen, wozu wir, von Schandau aus, nicht mehr als eine, bis anderthalb Tagereisen brauchen.
Wir gehen in 4 Stunden nach Hinterhermsdorf (S. 115.), wo wir übernachten, und am folgenden Morgen kommen wir auf dem früher (S. 116.) angedeuteten, sehr anmuthigen Wege an das Ufer der Kirnitsch. Der Wald wird dichter; hohe Felsenwände steigen empor, unter welchen einige, zu Hinterhermsdorf gehörende Häuser unter Obstbäumen liegen. Unser Weg geht aufwärts am Bache, und führt uns zu einem einsamen, zur böhmischen Herrschaft Kemnitz gehörenden Jägerhause,[S. 132] der Jäger genannt. Bald sehen wir uns wieder von mahlerischen Felsen umgeben, an deren Fuße der Bach hinab rauscht, und unter reizenden Abwechselungen führt uns das bald offene, bald wieder von hohen bewaldeten Wänden eingeschlossene Thal über die Dörfchen Khaa und Langengrund zu dem freundlichen Städtchen Schönlinde, wo das Thal der, hier entspringenden Kirnitsch sich in eine anmuthige Gegend öffnet. Das freundliche Städtchen, das Zwirnmanufacturen und ansehnliche Bleichen hat, und viele Wechselgeschäfte für den innern Verkehr treibt, liegt dritthalb Stunden von Hinterhermsdorf, in einem heitern Thale, welches ein Gebirgkranz einfaßt, der von Rumburg längs der Lausitzer Gränze läuft. Ueberall sehen wir in diesem einspringenden Theile des Leitmeritzer Kreises die Spuren reger Betriebsamkeit. In dem großen Dorfe Niedergrund, das sich in einem langen Bogen durch das Thal zieht, ist eine bedeutende Manschestermanufactur und eine ansehnliche Kattunfabrik, deren Erzeugnisse neuerlich durch Walzendruck zu höherer Vollkommenheit gebracht worden sind, jedoch nur im Inlande abgesetzt werden. Wir kommen bald auf die von Rumburg nach Prag führende Straße, und immer reizender wird die Landschaft, über welche die hohen Rücken der Lausitzer Gebirge hervor ragen. Das Städtchen Georgenthal, anderthalb Stunden von Schönlinde liegt freundlich am Abhange des Kreuzberges, und hat seinen Nahmen von Georg von Schleinitz, der es im 16ten Jahrhundert erbaute. Auf der Spitze des Berges steht die Georgskapelle, ein viel besuchter Wall[S. 133]fahrtort. Eine Viertelstunde südlich von der Stadt, nahe an der sogenannten Kaiserstraße, erheben sich auf einem steilen, meist nackten Porphyrfelsen die Trümmer der Burg Tollenstein, die im Mittelalter dem mächtigen Geschlecht Schleinitz gehörte, das in diesem Theile Böhmens und im angränzenden Meißen ansehnliche Güter (s. S. 73.) besaß. Im Jahre 1337 und vollends 1475 wurde das Schloß, auf Befehl des Kaisers, von Zittau’s Bürgern mit Hilfe der Schlesier zerstört. Man sieht noch einige verfallene Ringmauern, mehre Keller und Thürme. Gegen Mittag ist das Hauptthor. Westlich ruhen die Burgmauern auf Felsen. Südwestlich hinter der Burg ragt der hohe Dammberg empor. Das Volk erzählt sich allerlei Sagen von wunderbaren Schätzen, die besonders im nahen Meisengrunde verborgen sein sollen.
Wir haben von hier noch anderthalb Stunden bis zu dem sächsischen Waltersdorf, einem ansehnlichen Weberdorfe, am Fuße der Lausche, und auf dem, durch herrliche Aussichten anziehenden Wege über Johnsdorf und den Johnsberg kommt man von Waltersdorf in 2 Stunden auf den Oybin. Wir aber kehren von Georgenthal entweder auf dem angegebenen Wege über Schönlinde und Hinterhermsdorf, oder auch über Lichtenberg, Carlstein und Hirnischkretschen nach Schandau zurück, oder machen den anziehenden Umweg über Rumburg, Ehrenberg, Zeidler, und die Thomschenke nach Lichtenhain, oder von[S. 134] Ehrenberg durch das Kirnitschthal nach Hinterhermsdorf.
Wollen wir die Reise nach Tetschen, das 3 Meilen vom Tollenstein entfernt ist, mit dieser Wanderung verbinden, so gehen wir von Georgenthal zu dem freundlichen Marktflecken Kreybitz. Wir sind hier am Fuße des nach Ost und Südost laufenden Zuges der sächsisch-böhmischen Sandsteingebirge, der vom Hochwalde bis an die Elbe gegen 7 Meilen lang ist und das Elbgebirge mit dem Sandsteingebirge um Zittau verbindet. Der Sandstein wird in diesem Landstriche zuweilen von andern Gebirgarten, bald von Hornstein und bald von Granit, am häufigsten von Basalt unterbrochen, bei Kreybitz aber sehen wir wieder die, dem Sandsteine eigenen nackten, zerrissenen Felsenbildungen aufsteigen, die sich hier durch mehre schroffe Seitenthäler fortsetzen. Der Tannenberg, wo wir einen großen Theil der Oberlausitz und Schlesiens überschauen, und der Kaltenberg, auf dessen Gipfel wir bis Königstein sehen, ragen unter den umliegenden Bergen hervor. Wir gehen weiter über Wendisch-Kemnitz am Fuße des Rosenbergs, dessen schöne Kuppe wir auf unsern frühern Wanderungen von so vielen Standpunkten erblickt haben. Der kegelförmige Berg steigt ziemlich steil hinan, aber reich ist die Aussicht, die zwischen den Buchen, die seinen Gipfel krönen, sich uns öffnet. Die Abhänge sind mit schwarzgrauem Basalt bedeckt, der auf der Sandsteinkuppe in vesten, fünf- und sechsseitigen Säulen zu Tage ausgeht. Der[S. 135] Lauf des Kemnitzbaches, der den Fuß des Berges bespült, zeigt uns den Weg nach Hirniskretschen, setzen wir aber unsre Wanderung in südwestlicher Richtung fort, so kommen wir bald auf eine Höhe, wo wir Tetschen und das reizende Elbthal erblicken.
Wir brauchen zu dieser Wanderung nur eine Tagereise, und kommen auf der Elbe, oder auf einem der oft angegebenen Wege nach Hirniskretschen. Längs dem Strome hinan gehend, bleiben wir, ehe wir das Belvedere (s. S. 66.) erreichen, vor der Oeffnung stehen, wo der dürre Grund sich hinabsenkt, und finden uns reichlich belohnt, wenn wir dem Thale bis zu der Mühle folgen, die wir zwischen ungemein mahlerischen, frisch begrünten Felsen eingeklemmt sehen. Wir setzen den Weg an der Elbe fort. Oberhalb Elbleiten liegt jenseit des Flusses zwischen schroffen und dürren Felsen das Dorf Niedergrund, wo das östreichische Gränzzollamt, oder die zweite Elbzollstätte stromabwärts ist, und die Prager Handels- und Schiffahrt-Assecuranz-Gesellschaft seit 1822 ihren Sitz hat, wiewohl gegen die Wahl dieses Ortes als Zollstätte und Umladeplatz, besonders wegen der, aus der Lage desselben hervorgehenden Schwierigkeiten einer Verbindung mit dem Innern Böhmens, gegründete Einwendungen gemacht worden sind. Von hier kommen wir in 2 Stunden nach
das ungemein anmuthig auf dem rechten Elbufer am kleinen Flusse Polzen im Leitmeritzer Kreise liegt. Das Städtchen, schon im 12ten Jahrhundert als Veste bekannt, gehörte mit der gleichnahmigen Herrschaft um die Mitte des 11ten Jahrhunderts den mächtigen Berka von Duba und Leipa, fiel aber nach der Schlacht am weißen Berge bei Prag, wo der damahlige Besitzer, Rudolf von Bünau, nach Sachsen flüchtete, an das gräfliche Haus von Thun, das es noch besitzt. Ein hoher Sandsteinfelsen über der Stadt trägt das schöne Schloß, das theils gegen Ende des 17ten Jahrhunderts, theils erst im vorigen Jahrhunderte neu erbaut wurde, eine aus dem Felsen gehauene, 936 Fuß lange und 32 Fuß breite Einfahrt und einen, über 70 Klafter tiefen Felsenbrunnen hat. Die Büchersammlung ist ziemlich ansehnlich und die Rüstkammer reich an alten Waffen. Ein Lustgarten umgibt das Schloß, und das Ganze wird von dem geschmackvollen Besitzer immer mehr verschönert. In dem Städtchen, das 1600 Einwohner, eine Kattundruckerei, Baumwollenspinnerei, und viel Handel und Schiffahrt hat, besuchen wir die, im 17ten Jahrhundert erbaute, Lorettokapelle auf dem schönen Marktplatze, die Sakristei in der Stadtpfarrkirche mit guter Bildhauerarbeit, und den Wasserthurm, wo ein vom Mühlbache getriebenes Rad über 40 Eimer füllt und eine in den Schloßgarten geführte Röhre sich ausgießt. Der Fluß Polzen, der hier in die Elbe fällt, hebt gewöhnlich im Frühlinge zuerst die Eisdecke des Stromes und veran[S. 137]laßt dadurch die Ueberschwemmung in Sachsen, während die Moldau bei Prag noch zugefroren ist. Die seit 50 Jahren bekannte Heilquelle, das sehr gut eingerichtete Josefsbad, liegt nahe bei dem Dorfe Weyer.
Wir sind hier in einer Gegend, die man mit Recht Böhmens Paradies nennt, und gewiß ist kein Theil des Elbthales schöner, als das Uferland von Tetschen bis Aussig, wo zwischen mahlerischen Felsengestalten ein reizendes, fröhlich geschmücktes Gelände sich durchschlingt, und hier Felsenstirnen mit Burgtrümmern, dort Weinberge mit Winzerhütten, dort freundliche Dörfer mit ihren Kirchthürmen sich in dem still bewegten Strome spiegeln, den Schiffe und leichte Kähne beleben. Alles ladet uns ein, in dem Städtchen länger zu verweilen, wo ein guter Gasthof uns alle Bequemlichkeiten darbietet. In der Nähe und Ferne locken uns reizende Gegenden. Wir besuchen die anmuthige Meierei Liewerda, 3 Viertelstunden von Tetschen. Der 2 Stunden entfernte Schneeberg (s. S. 126.) ist von hier am bequemsten zu besteigen. Wir gehen durch Tichlowitz, eine Meile aufwärts am rechten Elbufer, zum Zinkenstein, auf dessen Gipfel wir von sieben verschiedenen Standpunkten die bezauberndsten Aussichten genießen. Auf dem halben Wege nach Aussig, eine Viertelstunde ostwärts von der Elbe, erhebt sich unweit des Dorfes Nieder-Welhottin der schroffe Spaltenstein, eine auf grauem Sandstein aufsitzende, dreimahl gespaltene Basaltkuppe, die aus Laubholz- und Tannenwipfeln, gegen 700 Fuß hoch über der Elbe, mahlerisch hervor ragt. Nicht weit von hier ziehen sich am[S. 138] Elbufer die Podskalsky-Weinberge nach Aussig hinan, die einen, im ersten Jahre wie Champagner schäumenden weißen und rothen Wein liefern. Oberhalb Aussig, das auf dem linken Elbufer liegt, erhebt sich der Schreckenstein, ein nackter Porphyrfelsen, dessen von den Hussiten zerstörte Burg auf das blutige Schlachtfeld hinabschaut, wo im Brachmonat 1426 gegen 12000 Meißner und Thüringer, die Friedrichs des Streitbaren großherzige Gemahlinn, Katharina, zum Schutze des Vaterlandes gesammelt hatte, im Heldenkampfe erlagen.
Haben wir uns verleiten lassen, so weit unsere Wanderung fortzusetzen, so miethen wir in Aussig einen Kahn, der uns nach Schandau zurück bringt.
Rückreise nach Dresden.
Wir verlassen Schandau bei Tagesanbruche und wenn wir in einer Gondel hinabschwimmen, landen wir in einer Stunde bei Halbstadt, dem Städtchen Königstein gegenüber. Wir sind hier unter dem
dem höchsten der zwölf frei stehenden Felsen in der Umgegend, der aus ungeheuren, enge verbundenen Sandsteinblöcken besteht, die auf dem Rücken des Berges sich erheben. Das Gestein gleicht völlig dem übrigen Sandstein des Elbgebirges, ist aber gegen die Mitte der steilen Höhe des Berges mit röthlichem, oder bräunlichem Eisenoker durchzogen. Es führen viele Pfade auf die Höhe des Berges, da die Landleute, welche die hier häufig wachsenden Beeren suchen, über die Abhänge nach allen Richtungen[S. 140] Pfade gebahnt haben. Vom Dorfe Ebenheit, am Fuße des Berges, wo wir auch einen Führer finden, zieht sich der Hauptweg an der Südseite längs dem Rande des Gehölzes. Wir steigen auf ausgehauenen Felsenstufen hinan, wo aber die Felsen unersteiglich empor ragen, führt eine Balkenbrücke über den Abgrund an der Seite der schroffen Wand und endlich bringen uns andre Stufen zwischen Felsenspalten auf die Kuppe des Berges, die mit Kiefern und Fichten bedeckt ist. Auf der Südseite sehen wir die Trümmer einer Jagdhütte, die im Jahre 1771 errichtet ward, als der jetzige König den Felsen erstieg. Auf einer vorspringenden, durch Spalten getrennten Felsenwand steht eine Spitzsäule, zum Andenken des Jahres 1708, wo des Königs Urgroßvater den Berg besuchte. Die Inschrift: Fridericus Augustus, Rex et Elector Sax. ut fortunam virtute ita asperam hanc rupem primus superavit aditumque faciliorem reddi curavit. Ao. 1708, (d. i. König Friedrich August, Kurfürst von Sachsen, erstieg muthvoll, wie er sein Schicksal ertrug, zuerst diesen rauhen Felsen und ließ den Zugang bequemer machen,) erinnert an die Bedingungen des Friedens von Alt-Ranstädt, nach welchen Karl XII. seinem Gegner nur den Königsnahmen, nicht aber die Erwähnung der polnischen Krone gestattete. Die Aussicht vom Gipfel, der nach neuern barometrischen Messungen 1297 Par. Fuß über dem Meere liegt, ist bezaubernd und reich, besonders gegen Morgen. Wir verweilen bei der Spitzsäule, einem günstigen Standpunkte, wo unser Auge dem Strome aufwärts über Schandau und den großen Winterberg bis zu Böhmens Gebirgen[S. 141] folgt. Eben so schön ist die Aussicht, die sich uns auf der Abendseite öffnet. Wir sehen Stolpen über den Wipfeln des Waldes, Dresden, Scharfenberg und den schönen Bogen der Elbe zwischen den nach Meißen sich hinabziehenden Rebenhügeln. Eine gegen Abend aufsteigende Kuppe ist von dem Hauptfelsen durch eine tiefe Kluft getrennt und unersteigbar, doch scheint sie einst mit jenem durch Kunst verbunden gewesen zu sein. Man weiß indeß nichts von der ältern Geschichte des Ylgensteins, wie der Felsen vor Zeiten hieß, als die unbestimmte, aus einer Urkunde hervor gehende Andeutung, daß noch zu Ende des 14ten Jahrhunderts eine veste Burg hier stand, die wahrscheinlich als böhmisches Schloß mit dem nahen Königstein denselben Besitzer hatte, und mit diesem an den Burggrafen von Dohna kam. In frühern Zeiten sah man noch mehre Ueberreste von altem Gemäuer, als jetzt, und auf einem Steine des 1708 geräumten Brunnens war die Jahrzahl 1499 noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zu lesen.[12] Die Sage hat das Innere des Felsens, der viele finstere Höhlen und Schluchten enthält, mit Geistern bevölkert, die unermeßliche Schätze bewachen. Die Gegend um den Fuß des Berges war der Schauplatz des harten Schicksals, welches dem sächsischen Heere in den unglücklichen Octobertagen des Jahres 1756 durch die Fehler seiner Führer bereitet wurde, und mit der Uebergabe desselben endigte, nachdem es 34 Tage lang[S. 142] eingeschlossen gewesen war, und Drangsale aller Art mit ungebeugtem Muthe und ungeschwächter Kampflust ertragen hatte. Noch sieht man am Fuße des Berges die alte Linde, wo Friedrich II. in jenen Tagen verweilt haben soll. Die Franzosen legten im Sommer des Jahres 1813 auf dem untersten Kranze des Felsens veste Verschanzungen an, wozu das Holz bis ans Stromufer hinab, größtentheils weggeschlagen wurde. Napoleon ließ, um die Verbindung mit diesen Bevestigungen zu erleichtern, eine auch für Geschütz fahrbare Straße (s. S. 74.) durch die Felsenumgebungen von Hohnstein anlegen, die von hier über Heeselicht nach Stolpen führte, und bis auf einige Theile, welche die Eigenthümer der Grundstücke, worüber sie war gelegt worden, sich wieder zugeeignet haben, ist sie noch immer in gutem Stande. Wie wir die Reise zum Lilienstein an andre Wanderungen knüpfen können, haben wir früher (S. 43.) schon gehört.
Wir fahren wieder über die Elbe und landen unter der Veste
bei dem gleichnahmigen Städtchen, das am Fuße des hohen Felsens, 390 Par. Fuß über dem Meere liegt, und gegen 1300 Einwohner zählt, die sich von einigen städtischen Gewerben nähren, aber gar keinen Feldbau haben. Der Besuch der Veste fand in frühern Zeiten weniger Schwierigkeiten, jetzt aber wird Niemanden der Zutritt gestattet. Sie erhebt sich nordwestlich von der Stadt auf einem abgesonderten Felsenkegel, ist der Schlüssel des[S. 143] Passes nach Böhmen durch das Elbthal und von mehren Seiten unzugänglich. Wenn wir hinter dem Städtchen in dem Hüttengrunde (s. S. 128.) hinauf gehen, oder dem Wege nach Pirna bis zur neuen Schenke am Fuße des Berges folgen, sehen wir die Gebäude der Veste von den nächsten Standpunkten. Es ist nicht zu bestimmen, ob bereits die Sorben den Felsen bevestigt haben, aber gegen Ende des 13ten Jahrhunderts nennt ihn die Geschichte als eine böhmische Veste, die König Wenzel späterhin einem Edlen seines Reiches, Stirnad von Winterberg, verpfändete. Im Anfange des folgenden Jahrhunderts aber gebot hier der mächtige Burggraf, Jeschke von Dohna, nach dessen Falle (1403) Königstein an den Markgrafen von Meißen kam, dem der König von Böhmen im Vertrage zu Eger (1459) seine Ansprüche abtrat. Die alte Burg wurde im Hussitenkriege (1425) verbrannt. Herzog Georg von Sachsen baute 1516 auf den Trümmern ein Cölestiner-Kloster, das er mit Mönchen vom Oybin bei Zittau besetzte. Kaum aber hatte die neue, dürftig begabte Stiftung 9 Jahre bestanden, als die Mönche, bis auf einen einzigen, heimlich nach Wittenberg gingen, wo der Prior heirathete. Der Herzog hob in seinem Unwillen das Kloster auf. Nach seinem Tode wurde der Felsen seiner ursprünglichen Bestimmung zurück gegeben. Kurfürst August legte den Grund zu der neuen Veste, deren eigentlicher Schöpfer aber sein Sohn Christian war. Unter seinen Nachfolgern, bis auf Friedrich August I. wurden viele neue Werke angelegt und die alten verstärkt, besonders aber hat der jetzige König durch die Erbauung[S. 144] vortrefflicher Kasematten, eines künstlichen Backofens und neuer Außenwerke, die Verlegung der Pulverbehältnisse unter die Mauern der Veste, und andre Anlagen, viel für die alte Schutzwehr des Landes gethan. Seit dem Frieden hat der in den Kriegsjahren größtentheils unterbrochene Bau wieder angefangen. Im dreißigjährigen Kriege wurde die Veste weder von den Kaiserlichen, noch von den Schweden angegriffen, im siebenjährigen Kriege war sie, Kraft einer besondern Uebereinkunft, parteilos, und im Kriegsjahre 1813, wo sie stets sächsische Besatzung behielt, ward ihr derselbe Vortheil von den Verbündeten gewährt, die nach der Schlacht bei Leipzig das obere Elbufer besetzt hatten. In Kriegszeiten werden die Schätze des Staats hier aufbewahrt. Im Anfange des siebenjährigen Krieges flüchtete König August selbst auf die Veste, und als das Schicksal seines Heeres entschieden war, ging er von hier nach Polen.
Ein breiter Steinweg führt zu einer Zugbrücke, die in einen dunkeln gewölbten Felsengang bringt. Ueber diesem Eingange war der, bei der Feuersbrunst im Jahre 1806 zerstörte, in neuern Zeiten wieder hergestellte Johannissaal, aus dessen Fallthüren der eingedrungene Feind durch Steinwürfe und Gewehrfeuer abgewehrt werden kann. Der Steinweg führt auf die Ebene des Felsens, der mehre zu verschiedenen Zeiten errichtete kühne Gebäude trägt. Die Christiansburg, oder Friedrichsburg, vom Kurfürsten Christian I. erbaut und von Friedrich August I. verschönert, steht gerade dem Lilienstein gegenüber, und enthielt vor Zeiten einen prächtigen[S. 145] Spiegelsaal mit einer Vorrichtung im Fußboden, wodurch eine besetzte Tafel herauf gehoben werden konnte. Der Blitz zerstörte alles dieß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Man sieht hier jetzt die früher im Johannissaal aufbewahrten Bildnisse sämmtlicher sächsischen Fürsten, bis in die Fabelzeit hinauf, aller Feldobersten, die mit Johann Georg III. beim Entsatze von Wien waren und aller Befehlhaber der Veste. Man zeigt in der Nähe das Pagenbett, einen kaum zwei Fuß breiten Vorsprung der Brustwehr, auf welchem ein Page Johann Georgs III., Heinrich von Grünau, im Taumel des Rausches durch eine Schießscharte gekrochen war, und wo er, am Rande des steilen Abgrundes ruhig schlief, bis der Kurfürst, der ihn auf dem gefahrvollen Lager mit Stricken hatte vest binden lassen, durch Trompetenschall ihn wecken ließ. In der Kirche bewahrt man ein, vom Kurfürsten Johann Georg II. verfertigtes Kruzifix von Ebenholz und Elfenbein und ein Gemählde, das von Lukas Kranach sein soll. In der Georgenburg wurden vor Zeiten Staatsgefangene aufbewahrt, unter andern der unglückliche Kanzler Crell, der Betrüger Klettenberg (s. S. 75.) und Menzel, der Friedrichs II. Gesandten geheime Staatsurkunden treulos verrieth. Unter der Magdalenenburg sind zwei Felsenkeller, wovon einer seit 1624 stets ein großes Weinfaß enthielt. Das letzte und größte, das in den Jahren 1722–1725 ein Böttcher aus Strasburg erbaute, war 17 Ellen lang und faßte 3709 Dresdener Eimer; ward aber vor einigen Jahren wegen Baufälligkeit aus einander genommen, und die dabei aufbewahrten silbernen[S. 146] Trinkgefäße in Gestalt von Kanonen und Mörsern wurden in die Kunstkammer in Dresden gebracht.[13] Der in den Felsen gehauene Brunnen, der 1553 angefangen, aber erst 1593 vollendet ward, hat nach ältern Angaben 900, nach neuern jedoch nur 586 Ellen Tiefe und ist mit einem Gewölbe bedeckt. Eine Maschine, die mit einem, von vier Soldaten getretenen Rade in Verbindung steht, windet die Wassertonnen hinab und herauf. Das Zeughaus enthält eine Menge alter und neuer Waffen. Das Provianthaus faßt Vorräthe für drei Jahre. Auf der Fläche des Felsens sieht man mehre kleine Gemüsegärten, selbst einen Weingarten. Den Gipfel ziert auch ein schattiger Lustwald von alten hochstämmigen Bäumen, den mehre Gänge in verschiedenen Richtungen durchschlängeln. Die neuen bombenvesten Kasematten, welche die Felsenburg in dem Umfange einer halben Stunde umschließen, sind zum Theil ganz in den Felsen gehauen, aber sehr geräumig und trocken. Jede kostet 1500 Thaler. Auf den Steinplatten, welche die Gewölbe der Kasematten bedecken, und auf den Gängen der Brustwehr geht man rings um die Veste, und genießt nach allen Seiten reizende Aussichten. Der ganze Lauf der Elbe liegt vor dem entzückten Blicke, und im Hintergrunde steigen die nahen und fernen Gipfel einer Felsen- und Gebirgwelt über die reichen Landschaftgemählde, welche die Ufer des Stromes schmücken. Die Veste hat einen Commandanten, einen Unter-Commandanten, einen Platzadjutanten, einen Au[S. 147]diteur und einen Ingenieur. Die bleibende Besatzung bestand früher aus Invaliden; nach der 1821 verfügten Entlassung sämmtlicher Invaliden aber wird von jedem Infanterie-Regimente Mannschaft zur Besatzung abgegeben, wozu auch eine Abtheilung Artillerie gehört, die zu bestimmten Zeiten abgelöset wird.
Die Fahrstraße von Königstein nach Pirna geht über Struppen, oder auf einem bessern Wege näher am Elbufer. Wir gehen in der Landzunge, die der schöne Bogen des Stromes hier bildet, nach Weißig hinauf, und stehen bald am Fuße der
wovon der größte 1030 Par. Fuß über dem Meere liegt. Auf dem leicht ersteigbaren Gipfel hat man eine reizende Aussicht auf die Gegenden von Pirna, Pillnitz und Dresden und aufwärts über Königstein nach den hohen Gränzgebirgen. Den Bärsteinen gegenüber, ragt aus dem Walde der Nonnenstein hervor, den, wie die Sage erzählt, eine Nonne mittels eines gefällten und angelegten Tannenstammes täglich erstiegen hat, um auf dem Gipfel zu beten, und noch am Ende des 17ten Jahrhunderts soll ein alter Mönch eine Wallfahrt dahin gemacht haben. Nördlich von Thürmsdorf erhebt sich eine hohe Felsenwand, wo ein Kreuz das Andenken einer muthvollen Jungfrau erhält, die im Jahre 1639, von schwedischen Kriegsleuten geängstigt und verfolgt, sich in den Abgrund stürzte, um ihre Unschuld zu retten. Seitdem heißt der Felsen der Jungfernsprung. In der Nähe[S. 148] zieht sich eine weite Höhle, der Diebskeller, in den Felsen. Wir folgen dem anmuthigen Wege längs der Elbe über Pötscha und Vogelsang, oder von Naundorf über Struppen und von hier auf dem hohen Uferrande der Elbe, wo oft der Spiegel des Stromes aus dem reizenden Thale zu uns herauf blickt, über Cunnersdorf nach
eine der freundlichsten Elbstädte, die am Ausgange des Felsenthales liegt, das von der böhmischen Gränze her die Ufer des Stromes einschließt. Pirna ward ohne Zweifel von den Sorben erbaut, und die günstige Lage mußte den Ort bald blühend machen. Nach den ältesten Nachrichten gehörte die Stadt im 12ten und 13ten Jahrhunderte zu Böhmen, war aber den Bischöfen zu Meißen lehnpflichtig. Die Tochter des böhmischen Königs Ottokar I. brachte sie im Jahre 1249 Heinrich dem Erlauchten als Mitgift. Funfzig Jahre später aber kam die Stadt mit dem Sonnenstein wieder an Böhmen, und nach manchen Besitzveränderungen, gelangte sie endlich 1404 an die meißnischen Markgrafen, welchen der zu Eger 1458 geschlossene Vertrag das Eigenthum bestätigte. Eine Seuche richtete 1532 furchtbare Verheerungen an, noch verderblicher aber wurde der dreißigjährige Krieg, der den Handelsreichthum der Stadt zerrüttete, und 4 Jahre nach dem Prager Frieden (1635), dessen Grundlagen hier verabredet wurden, erduldete sie in dem furchtbaren Jahre 1639, wo sie von dem schwedischen Feldherrn Banner mit[S. 149] Sturm genommen wurde, fünf Monate hindurch die härtesten Drangsale. Der Krieg im Jahre 1813 schlug ihr neue Wunden, besonders als die Franzosen den Sonnenstein gegen die Angriffe der Verbündeten hartnäckig vertheidigten. Die Stadt ist größtentheils gut gebaut und hat in 483 Häusern 4500 Einwohner. Die große Hauptkirche, die 1803 im Innern erneuert wurde, ist ein sehenswerthes Denkmahl altdeutscher Baukunst, und hat in den Fenstern noch einige alte Glasgemählde. Die Klosterkirche am Elbthore ist zum Theil noch von den alten Mauern des ehemahligen Dominikanerklosters umgeben, das 1300 gegründet wurde und vor der Reformation sehr berühmt war. Hier lebte der sogenannte pirnaische Mönch, Paul Lindner, der von 1480 bis 1530 ein geschichtliches Werk zusammen trug, das für die gleichzeitige sächsische Geschichte nicht ohne Werth ist. Die Handschrift dieses Werkes wurde 1639 vom Untergang gerettet, und kam später in die Rathsbibliothek zu Leipzig. Die Büchersammlung des Klosters wurde 1544 der Paulinerbibliothek zu Leipzig überlassen.
Unter den gemeinnützigen Anstalten ist außer der, aus einer ehemahligen Gelehrtenschule entstandenen Bürgerschule, der Schule für die Kinder in den Kattunfabriken und der 1822 gestifteten katholischen Schule, vorzüglich die Waisenanstalt des meißnischen Kreises zu erwähnen, die gleich nach dem Ende des letzten Krieges, der so viele Kinder zu Waisen gemacht hatte, durch die im Lande gesammelten milden Beiträge und durch englische Hilfgelder gegründet wurde. Die Anstalt ist dadurch zu[S. 150] einem nicht unbedeutendem Vermögen gekommen, erhält aber noch jährlich Unterstützungen aus öffentlichen Kassen und durch Geschenke, und erzieht in einem wohl eingerichteten Gebäude 50 Waisen. Die Leitung der Anstalt besorgt ein Ausschuß von sechs Männern mit Theilnahme des Frauenvereins in Pirna und die Oberaufsicht führt eine eigene Behörde, an deren Spitze der Kreishauptmann steht. Die Knaben werden außer den Unterrichtstunden mit Feldarbeit, Spinnen und mit Verfertigung ihres Anzuges beschäftigt, und die Mädchen müssen überdieß die wirthschaftlichen Arbeiten im Hause besorgen.
Handel, Schifffahrt und Kattunfabriken sind die vorzüglichsten Erwerbzweige der Einwohner. Vor den Handelstörungen, die der Krieg herbei führte, war der Verkehr, besonders in Colonialwaaren, die häufig von hier nach Böhmen gingen, sehr bedeutend, und es ist zu erwarten, daß auch hier die Freiheit der Elbschifffahrt ihn wieder beleben werde. Auf dem Strome werden vorzüglich Sandsteine aus den benachbarten Brüchen, und gute Töpferwaaren, wovon jährlich mehre Schiffladungen nach Niedersachsen gehen, ausgeführt. Das alte, schon im 13ten Jahrhunderte erworbene Stapelrecht, nach welchem alle, mit Getreide und Kaufmannsgütern beladene Schiffe in Pirna drei Tage anlegen, feil halten und eine Abgabe bezahlen sollten, war schon lange fast ganz unbräuchlich geworden, und ist nun durch die Elbschifffahrt-Akte für immer aufgehoben. Zwei Kattunfabriken beschäftigen über 100 Arbeiter und geben mehren 100 Menschen in der Umgegend Nahrung. Die Leinweberei ist dagegen auch hier[S. 151] seit einigen Jahrzehnden in Verfall gerathen. Eine, vor einigen Jahren angelegte Steingutfabrik liefert gute Waare in schwarzer, gelber und weißer Masse.
Die Stadt ist zum Theil von einer Lindenallee umschlossen und ihre Umgebungen sind neuerlich durch die Abtragung zweier alten Thürme über dem Dohnaischen- und Elbthore noch freundlicher geworden. Auf einer vorspringenden Felsenecke südöstlich von der Stadt liegt das Schloß
wozu eine, hinter der Stadtkirche ansteigende Treppe führt, die uns zunächst auf den Altan vor der Schloßschenke bringt, wo wir, 162 Par. Fuß über der Elbfläche bei Dresden, eine ungemein schöne Aussicht genießen. Schon um die Mitte des 13ten Jahrhunderts stand hier eine meißnische Gränzveste, die im Jahre 1573 zum Theil abgetragen und neu erbaut wurde. Man hielt diese Veste lange für eine wichtigere Schutzwehr als den Königstein, und sie diente, wie dieser, auch zu einem Staatsgefängnisse. Der unglückliche Patkul wurde hier seit 1705 aufbewahrt, bis er endlich, nach den Bedingungen des Friedens von Alt-Ranstädt, im Jahre 1707 der grausamen Rache Karls XII. ausgeliefert werden mußte, nachdem mehre, ihm auf Augusts heimlichen Befehl gegebene Gelegenheiten zur Flucht waren vereitelt worden, weil er zu geizig über das Lösegeld mit dem Befehlhaber der Veste unterhandelt haben soll. Im Jahre 1758 eroberten die Preußen das Schloß und schleiften die Außenwerke. Es wurde seitdem lange von verabschiedeten Offizieren und[S. 152] Offizierwitwen bewohnt, bis es bei der Anlegung der Vestung Torgau für die, seit 1781 mit dem dortigen Zucht- und Armenhause verbunden gewesene Pfleganstalt für Seelenkranke eingerichtet ward. Im Julius 1811 wurde die neu begründete Anstalt, die aber mehr, als es früher der Fall gewesen war, die Heilung der Irren als Hauptzweck verfolgen sollte, unter der ärztlichen Leitung des Dr. Pienitz eröffnet, und im folgenden Jahre der Bau größtentheils vollendet. Kaum aber war die gleich anfangs musterhaft eingerichtete Anstalt unter der eifrig sorgenden Oberaufsicht der königlichen Commission für die Straf- und Versorganstalten glücklich gediehen, als das Schloß im Spätsommer 1813 geräumt werden mußte, um wieder als Veste zu dienen. Bei der Eile und Härte, womit die französischen Kriegsbehörden die Räumung betrieben, wurde die Anstalt fast ganz aufgelöset.[14] Nach der Uebergabe des Schlosses im November 1813 aber, sorgte man so thätig für die Wiedereinrichtung desselben, daß schon im Februar des folgenden Jahres viele Kranke zurück kehren konnten. Zwei Jahre später war die Wiederherstellung des Schlosses vollendet und am 2. November 1817 ward auch die erneuerte Kirche feierlich eingeweiht.
Die Anstalt ist hauptsächlich für heilbare Seelenkranke, aber auch für Personen von besserer Erziehung bestimmt, die sich zur Aufnahme in eine Versorganstalt eignen.[S. 153] Unheilbare Kranke werden an das Irrenhaus in Waldheim abgegeben. Die Pfleglinge zerfallen in 3 Klassen, und nach dieser Abtheilung sind die Kosten der Verpflegung verschieden. In der ersten Klasse beträgt das Kostgeld bis zu 150 Thalern für Wohnung, Tisch und ärztliche Pflege, jedoch wird für Frühstück, Wäsche und Kleidung besonders bezahlt, was in den andern Klassen nicht der Fall ist. Die zur dritten Klasse gehörenden Gemeinen haben für ein Pfleggeld von höchstens 60 Thalern geringere Kost und gleichförmige Kleidung. Arme Inländer werden ganz unentgeltlich aufgenommen. Die Kost ist gut und nach dem Zustande der Kranken sorgfältig eingerichtet. Nach vierjährigem Durchschnitt wurde ungefähr ⅙ der Aufgenommenen theils völlig genesen entlassen, theils auf unbestimmte Zeit beurlaubt, da es Grundsatz der Anstalt ist, den Genesenen vor ihrer völligen Entlassung erst einen unbestimmten Urlaub zu geben, um über die Fortdauer des Gesundheitzustandes derselben unter veränderten Umgebungen Versuche zu machen. Mit dem Urlaubpasse erhält der Pflegling eine gedruckte musterhafte Anweisung für die Ortsobrigkeiten und Verwandten der Beurlaubten, zur Behandlung der Genesenen.[15] Die Beamten der Anstalt bestehen aus dem Arzte, dem Hausverwalter, dem Geistlichen und dem Rechnungführer. Drei Aufseher theilen sich in die Aufsicht über die Pfleglinge und die strenge Beobachtung der Hausordnung.
Die Anzahl der Kranken beträgt gewöhnlich über 200. Männliche und weibliche Pfleglinge sind völlig gesondert, und für die letzten ist das, von den übrigen Gebäuden getrennte Frauenhaus bestimmt. Gewöhnlich wohnen 2 bis 4 Kranke beisammen, selten Einer allein, Wüthende ausgenommen. Alle Pfleglinge stehen im Sommer um 5, im Winter um 6 Uhr auf. Die einzelnen Abtheilungen versammeln sich alsdann zum Frühstücke, und nach gemeinschaftlichem Gebete, beginnen um 7 Uhr die täglichen Arbeiten und Beschäftigungen. Um 12 Uhr speisen die verschiedenen Abtheilungen, wobei gleichfalls die Geschlechter abgesondert sind. Nach einer Erhohlungstunde fängt um 2 Uhr die Arbeitzeit wieder an, die bis 6 Uhr dauert. Nach dem Abendbrot ist eine Betstunde, worauf alle in ihre Kammern gehen, die jeden Abend von den Aufsehern untersucht werden. Der Arzt und der Hausverwalter ordnen die Arbeiten und Beschäftigungen der Pfleglinge gemeinschaftlich an, und zwar mit sorgfältiger Rücksicht auf die Kräfte und Anlagen der Einzelnen und auf Anregung angemessener Thätigkeit. Einigen Pfleglingen gibt man Beschäftigungen in den Gärten, oder bei häuslichen Arbeiten im Freien; Andern in den Arbeitzimmern. Die zur ersten Klasse gehörenden Kranken finden Unterhaltung in dem Musik- und Lesezimmer, wo eine zweckmäßig und vorsichtig gewählte Büchersammlung und verschiedene musikalische Instrumente aufbewahrt werden. Lustwandel in den Gärten, Kegelschub und Billard gewähren Unterhaltung. Auch sind Uebungen im Exerciren mit hölzernen Flinten eingeführt worden, die man heilsam gefunden hat.[S. 155] Wöchentlich einmahl werden von mehren Pfleglingen Konzerte gegeben. In der Behandlung der Kranken herrschen durchaus Theilnahme und Milde. Ketten, Zwangstuhl und Schläge sind verbannt; Zwangriemen und Zwanghemd werden nur bei Wuthanfällen gebraucht. In den schlimmsten Fällen dienen die, nach Autenrieths Angabe angelegten Tollstuben, wo die Thüren vester verwahrt, Oefen und Fenster durch hölzerne Gitter gesichert sind. Alle zur Heilung erfoderlichen Mittel sind vorhanden, z. B. eine musterhaft eingerichtete Badeanstalt, worin täglich über 40 Pfleglinge gebadet werden können, Tropfbäder, ein Sturzbad, ein galvanischer und electrischer Apparat, ein Drehstuhl, ein Schwungbett und ein Schwungrad für unbändig Wüthende.
Die Gesuche um Aufnahme in die Anstalt werden durch die Ortsobrigkeiten mit Beifügung ärztlicher Berichte über die Seelenkranken[16] an die königliche Commission gebracht. Es ist jedoch dem Arzte der Anstalt gestattet, Kranke als Pfleglinge bei sich aufzunehmen, und zwar sowohl Ausländer als Inländer, die Bedingungen werden aber in solchen Fällen mit ihm allein verabredet.[17]
Die reizende Umgegend von Pirna könnte uns leicht noch länger vesthalten, zumahl wenn wir von hier aus[S. 156] das anmuthige Thal der Gottleube (s. S. 129.) und Gießhübel besuchen wollten. Andre Wanderungen von hier in das meißnische Hochland, z. B. durch die alte Posta (s. S. 27.) oder über Wehlen (s. S. 30.) nach der Bastei und nach Rathen, haben wir bereits früher angegeben. Eine Landstraße, die sich von Pirna durch die freundliche Ebene des Elbthals zieht, bringt uns in 4 Stunden nach Dresden.
[12] S. Heckels Beschreibung der Vestung Königstein. (Pirna 1737.)
[13] S. Neues Gemählde von Dresden. S. 231.
[14] S. Darstellung der Ereignisse in Dresden im Jahre 1813. S. 145.
[15] Abgedruckt in der Schrift: Die sächsischen Medicinal-Gesetze älterer und neuerer Zeit u. s. w. Von K. G. Schmalz (Dresden 1819.) S. 441.
[16] Eine lesenswerthe Anleitung dazu steht in der angeführten Sammlung der sächsischen Medicinal-Gesetze. S. 437.
[17] Eine umständliche Nachricht über die Heilanstalt ist im 2ten Stücke der Zeitschrift für das Königreich Sachsen (Dresden 1818) enthalten.
Man hat mancherlei gegen die Angemessenheit der Vergleichung des meißnischen Hochlands mit dem herrlichen Alpenlande und gegen den Nahmen: sächsische Schweiz eingewendet; anziehender aber hat wohl Niemand darüber gesprochen, als ein Wanderer, der im Spätsommer 1822 das Gebirgland besuchte, und in den Fremdenbüchern auf dem Prebischthor (er kam von Süden her), auf dem Kuhstall und auf der Bastei, mit der Unterschrift: Helvetius ein Andenken zurück ließ. Die glücklichen Zeilen mögen hier eine Stelle finden.
Der Schweizer in der sächsischen Schweiz.
Schweizer Kühreigen auf dem Kuhstall.
Auf der Bastei.
Chor.
Solo.
Chor.
Solo.
Chor.
Solo.
Chor.
[18] habe,
[19] gleich,
[20] hinaus,
[21] schauen,
[22] etwa,
[23] das wett’ ich,
[24] endlich,
[25] man,
[26] Grausen,
[27] wie ich auch,
[28] Geläut,
[29] nur Einem,
[30] einmal,
[31] sey es,
[32] feierlich,
[33] rings um,
[34] willkommen, gegrüßt,
[35] jubeln,
[36] trägt,
[37] sauber gewaschen, reinlich,
[38] mir das,
[39] Lieschen,
[40] durchgebracht,
[41] munter bewegt,
[42] Komme,
[43] erzählen,
[44] Kleinen,
[45] Berge,
[46] fettere,
[47] Kühe,
[48] Rheinfall,
[49] etwa,
[50] nur,
[51] handvoll,
[52] Käse,
[53] klein,
[54] Rahm,
[55] sind,
[56] nährt,
[57] genügt,
[58] nichts (sättigt nicht, wie viel man auch esse),
[59] nur das,
[60] sonst noch,
[61] wenn wir es,
[62] die Mädchen,
[63] daheim.
Nachricht für den Käufer.
Von diesem Taschenbuch sind verschiedene Ausgaben:
erschienen und für die beigesetzten Preise durch alle Buchhandlungen von uns zu bekommen.
Arnoldische Buchhandlung.
Außerdem sind für Reisende, über diese und ähnliche Gegenstände noch folgende Bücher, Karten und Kupfer bei uns erschienen und durch alle Buchhandlungen für die eingefügten Preise zu bekommen:
Ficinus, Dr. H., (Professor), Flora der Gegend um Dresden. Erste Abtheilung: Phanerogamen. Zweite verm. u. verb. Aufl. 8. 1821. 2 Thlr.
— — — Flora der Gegend um Dresden. Zweite Abtheilung: Kryptogamen. Mit 5 Kupfertafeln. 8. 1822. 2 Thlr. 12 Gr.
E. Schmalz, die Gattungen der um Dresden wildwachsenden und auf Aeckern gebauten Pflanzen, in einer tabell. Uebersicht; als Anhang zu Dr. Ficinus Flora um Dresden. In lat. u. deutscher Sprache Fol. broch. 1822. 1 Thlr.
Frau von Genlis, Taschenbuch für Reisende. Gespräche für das gesellschaftliche Leben, in deutscher, französischer, italienischer, englischer, spanischer und portugiesischer Sprache. Nach der 9ten englischen Ausgabe von Cignani, bearb. v. J. B. Fromm. 8. 1822. geb. 1 Thlr. 12 Gr.
Lindau, W. A., Dresden und die Umgegend. 2 Theile. 2te verbesserte Auflage. Dessen erster Theil, unter dem Titel: neues Gemählde von Dresden, in Hinsicht auf Geschichte, Oertlichkeit, Kultur, Kunst und Gewerbe. 2te sehr verb. Auflage. Mit einem neuen Plan von der Stadt und deren Umgebungen, von J. G. Lehmann. 8. 1820. geb. 1 Thlr. 16 Gr.
Dazu
Dreißig mahlerische An- und Aussichten von Dresden und den nächsten Umgebungen, vom Professor C. A. Richter, in 4 geb. 2 Thlr. 12 Gr.
Diese Kupfer kolorirt 9 Thlr.
einzeln jedes Blatt 8 Gr.
Der zweite Theil unter dem Titel: Rundgemählde der Gegend von Dresden. Ein neuer Wegweiser durch das meißnische Hochland oder die sächsische Schweiz und das böhmische Gränzgebirge, die Gegenden von Pirna, Königstein und Gieshübel bis Töplitz; von Dohna, Altenberg, Freiberg, Chemnitz, Meißen, Hayn, Elsterwerda, Camenz, Bauzen, Herrnhut und Zittau. 2te verb. Aufl. mit einer neuen topographischen Reisekarte von Lehmann und Becker. 8. 1822. geb. 1 Thlr. 16 Gr.
Dazu
Siebzig mahlerische An- und Aussichten der Umgegend[S. 169] von Dresden, in einem Kreise von 6–8 Meilen, vom Professor C. A. Richter, in 4 geb. 5 Thlr.
Diese Kupfer kolorirt 20 Thlr.
einzeln jedes Blatt 8 Gr.
Nikolai, C. H., Wegweiser durch die sächsische Schweiz. 4te umgearbeitete Auflage, mit einer verbesserten Reisekarte. 12. 1821. geb. 12 Gr.
Odeleben, O. von, die Umgegend von Bauzen, mit Beziehung auf die Schlacht vom 20. und 21. May 1813 und im Sinne des Lehmannischen Systems dargestellt, mit einem großen Plan in 2 Blättern. 4. 1820. Schreibpapier. 3 Thlr.
Tableau, nouveau, de Dresde, ou description topographique de cette ville; cont. des notices sur tout se qu’elle offre de curieux et d’intéssant aux étrangers sous le rapport de l’histoire, des arts et de l’industrie suivie d’une table des routes de Dresde etc. Avec un nouveau Plan de la Ville. 8. 1818. broch. 1 Thlr. 16 Gr.
Verzeichniß der Obstsorten in der systematischen Obstbaumschule im k. sächs. großen Garten bei Dresden. gr. 8. 1819. broch. 18 Gr.
Plan von Dresden, seinen Umgebungen und Befestigungen im Jahre 1813. Nach der Aufnahme und Originalzeichnung von J. G. Lehman, in Kupfer gestochen von Keyl. 1813. gr. Landkartenformat 1 Thlr.
Neuester Plan von Dresden. Aufgenommen und gezeichnet vom Major J. G. Lehmann und ergänzt vom Lieutenant Reinsch, in Kupfer gestochen von Stölzel d. j. Landkartenformat. 16 Gr.
Neuester Plan der Schlacht bei Kesselsdorf am 15. Dec. 1745, und Plan von dem Gefechte bei Katholisch-Hennersdorf am 23. November 1745, aufgenommen, gezeichnet und mit Erklärungen von J. G. Lehmann, in[S. 170] Kupfer gestochen von J. Bach, 2 Blatt Landkartenformat. 1820. 2 Thlr.
Neuester Plan von Tharand und der Umgegend. Aufgenommen und gezeichnet von J. G. Lehmann, in Kupfer gestochen von J. Bach. Landkartenformat. 1818. 16 Gr.
Neuer topographischer Plan der Umgegend von Dresden: aufgenommen und gezeichnet von J. G. Lehmann und ergänzt von H. Becker. Landkartenformat. 16 Gr.