The Project Gutenberg eBook of Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx 1844 bis 1883, Erster Band

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Title: Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx 1844 bis 1883, Erster Band

Author: Friedrich Engels

Karl Marx

Editor: August Bebel

Eduard Bernstein

Release date: January 18, 2021 [eBook #64327]
Most recently updated: October 18, 2024

Language: German

Credits: Jan-Fabian Humann, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER BRIEFWECHSEL ZWISCHEN FRIEDRICH ENGELS UND KARL MARX 1844 BIS 1883, ERSTER BAND ***

Der Briefwechsel zwischen
Friedrich Engels und Karl Marx

Erster Band

Der Briefwechsel zwischen
Friedrich Engels und Karl Marx
1844 bis 1883

Herausgegeben von A. Bebel und Ed. Bernstein

Erster Band

Stuttgart 1921
Verlag von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H.

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.

(Siehe auch Art. 3 der Übereinkunft zwischen Deutschland und Rußland
zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst.)

Copyright 1919 by J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. Stuttgart.

Druck von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. in Stuttgart.

Vorwort.

Friedrich Engels, der treue Arbeits- und Kampfgenosse von Karl Marx, hat die beiden Unterzeichneten zu Erben seines literarischen Nachlasses sowie des Briefwechsels zwischen ihm und Karl Marx eingesetzt. Wir übergeben diesen Briefwechsel, der sich über ungefähr vier Jahrzehnte erstreckt, nunmehr der Öffentlichkeit. Er wird in den vorliegenden Bänden bis auf Unwesentliches und Intimitäten, die für weitere Kreise kein Interesse haben, unverkürzt zum Abdruck gebracht.

Die Unterzeichneten sind überzeugt, daß der Inhalt dieses Briefwechsels für die spätere Geschichtschreibung sehr wertvolles Material in reicher Fülle bietet. Von diesem Gedanken geleitet, können sie nur wünschen, daß die Ausgabe die lebhafteste Aufmerksamkeit sowohl der leitenden Parteikreise wie der Gelehrtenwelt finde.

Vor allem hat die sozialistisch denkende Welt Anspruch, ein unverfälschtes Bild von dem Werdegang, dem Fühlen und Denken der beiden Männer zu erhalten, die als die Begründer des modernen wissenschaftlichen Sozialismus angesehen werden müssen und die für ihn als die Sache des Proletariats ihre ganze Persönlichkeit einsetzten.

Was uns die Briefe hierüber mitteilen, liefert zugleich neue, in vielem selbst Freunde der Verfasser überraschende Beweise dafür, wie sehr Marx und Engels in all ihrem Tun untrennbare Persönlichkeiten waren, deren hingebendes Zusammenwirken während Jahrzehnten es allein ermöglichte, daß jene wissenschaftlichen Leistungen vollbracht wurden, die nachher als reife Frucht unter der Autorschaft von Karl Marx der Öffentlichkeit übergeben wurden.

Der Leser begegnet in diesem Briefwechsel einem Freundschaftsverhältnis, wie es vielleicht in der Geschichte der Menschheit einzig dasteht und sicher nicht übertroffen worden ist. Man darf nach Kenntnisnahme dieses Briefwechsels ferner aussprechen, daß der größte Teil der schöpferischen Arbeiten und wissenschaftlichen Entdeckungen eines Karl Marx ohne die unermüdliche, nie versagende Mithilfe geistiger und finanzieller Natur von Friedrich Engels schwerlich das Tageslicht erblickt haben würden. Und mancherlei Veröffentlichungen, die bis heute auf das Konto von Karl Marx gingen, sehen wir dem Eingreifen von Friedrich Engels geschuldet, der dem fast unausgesetzt an schweren Nöten aller Art leidenden Freunde allezeit in hingebender Bereitwilligkeit zu Hilfe kam, aber der Öffentlichkeit gegenüber sich bescheiden im Hintergrund hielt.

Als Vertrauensmann der Frau Laura Lafargue, die als literarische Erbin von Marx ihre Genehmigung zur Veröffentlichung eines Teils des Briefwechsels zu geben hatte, ist Franz Mehring an der Redaktion beteiligt gewesen. Auch hat uns N. Rjasanoff durch seine große Sachkunde wertvolle Dienste geleistet, wofür wir ihm an dieser Stelle unseren Dank aussprechen.

Schöneberg bei Berlin.

A. Bebel. Ed. Bernstein.

Anmerkungen.

Bei der Herstellung der Briefe für den Druck wurden folgende Grundsätze beobachtet:

Der große Wert des Briefwechsels besteht darin, daß er die Ergänzung zu den von den Verfassern selbst veröffentlichten Schriften und Aufsätzen bildet, daß aus ihm die Antriebe zur Abfassung und Veröffentlichung jener Schriften, ihr unmittelbarer und weiterer Zweck ersichtlich werden, daß er tiefere Einblicke in das geistige Werden, das wissenschaftliche Arbeiten und politische Wirken der Schreiber gewährt und damit zum besseren Verständnis ihres Schaffens beiträgt, und daß er schließlich über die persönlichen Verhältnisse und Schicksale der Freunde genauere Auskunft gibt, ihre Kämpfe für die Anforderungen des Daseins, ihre menschlichen Beziehungen, Freundschaften und Feindschaften, ihre intimeren Urteile über Freunde und Feinde, über politische, soziale und literarische Vorgänge, den Wandel in verschiedenen dieser Urteile, kurz jenes Mosaik der Lebensäußerungen uns unmittelbar vor Augen bringt, dessen Einzelheiten oft unwesentlich erscheinen, das aber erst in seiner Fülle ein naturtreues Bild der Menschen erstehen, ihren Charakter, ihre Lebensauffassung und Lebensführung richtig begreifen läßt.

Im Hinblick auf alles dieses sind die Briefe nur mit geringen Kürzungen zum Abdruck gebracht worden. Nur wo besonders intime Verhältnisse behandelt wurden, an die sich kein allgemeineres Interesse irgendwelcher Art knüpft, wo gleichgültige Dinge über ganz und gar gleichgültige Personen erwähnt werden, schienen Streichungen gerechtfertigt. Fortgelassen sind auch hier und dort mißfällige Bemerkungen über dritte Personen, doch betrifft dies nur solche Äußerungen, die kein politisches oder wissenschaftliches Urteil einbegriffen, das nicht schon in vorhergegangenen Briefen deutlich ausgesprochen ist.

Unvermeidlich war dagegen eine gewisse philologische Behandlung der Briefe, und zwar namentlich der Briefe von Marx. Es handelt sich um den Gebrauch französischer und englischer Ausdrücke. Die betreffenden Stellen sind in den Briefen unverändert geblieben, aber in Rücksicht auf die proletarischen Leser sind den betreffenden Briefen Übersetzungsnoten beigegeben worden, von denen je nach Bedarf Gebrauch gemacht werden möge.

Zum zweiten war auch eine gewisse sprachliche Redaktion am deutschen Text einzelner Briefe nicht zu umgehen. Marx läßt sich zeitweise in seinen Briefen nicht weniger drastisch aus, als dies der Olympier Goethe zu tun pflegte, und gelegentlich tut es auch Engels. Es würde aber durchaus nicht in ihrem Sinn gehandelt sein, wenn die derben Ausdrücke unverändert im Druck wiedergegeben würden. Denn weder Marx noch Engels waren etwa doktrinäre Gegner zivilisierter Umgangsformen. Marx äußert sich vielmehr bei Gelegenheit sehr entrüstet darüber, daß einer seiner Briefe von den Empfängern unverändert in der „brutalen Sprache von Briefen“ veröffentlicht worden war. (Es handelt sich um den Brief an den Braunschweiger Ausschuß der Eisenacher Sozialdemokratie über die Annexion Elsaß-Lothringens.) Es sind daher Worte, die der deutsche Druck nun einmal nicht verträgt, durch andere ersetzt worden.

Hinsichtlich der Rechtschreibung wurden, da diese in dem sich über vierzig Jahre erstreckenden Briefwechsel selbst nicht streng durchgeführt ist, der Einheit und Einfachheit halber die heute üblichen Regeln beobachtet. Um den Stil der Verfasser möglichst wenig zu ändern, wurden Satzflüchtigkeiten, wie sie in hingeworfenen Briefen leicht unterlaufen, nur dann durch Ergänzungen verbessert, wenn es im Interesse der Deutlichkeit erfordert zu sein schien, und die ergänzenden Worte oder Teilworte in griechische Klammern gesetzt. Abkürzungen von Worten – Gebrauch von Zeichen für Vergleichungsworte und von Ziffern für Zahlworte usw. – wurden selbstverständlich nicht anders behandelt, wie regelrechte Kurzschrift behandelt worden wäre, das heißt durch das volle Wort ersetzt.

Es wird manchem Leser ein Kommentar des Briefwechsels nicht unerwünscht sein, und es ist auch die Abfassung eines solchen in Aussicht genommen. Aber da jeder Kommentar notwendigerweise mehr oder weniger Kritik mit sich bringt, erscheint es angemessen, seine Herausgabe nicht mit der Ausgabe des Briefwechsels selbst zu verbinden. In dieser sollen nur die Verfasser das Wort haben.

In den Vorbemerkungen zu den einzelnen Teilen, sowie im Namen- und Sachregister findet der Leser Nachweise, die ihm die Orientierung über Menschen und Dinge erleichtern werden.

Ed. Bernstein.

Berichtigungen zum ersten Band

Seite 93 Zeile 5 von unten: Hinter dieser Zeile ist folgendes Satzstück einzuschalten:

Schreibe auch ein paar Zeilen an M. Bricourt, membre de la Chambre des Représentants, der sehr gut für Dich in der Kammer aufgetreten ist und den Minister auf Maynz’ Ansuchen scharf interpelliert und die Enquete wegen der Geschichte durchgesetzt hat. Er ist Repräsentant für Charleroi und nach Castiau der beste. Castiau war gerade in Paris.

Seite 95 Zeile 8 von oben statt Sous ist zu setzen: Sou.
- 117 - 6 - - - Combaux - Combreur.
- 117 - 7 - - - Ganon - Favon.
- 222 - 8 - unten - personel - personnel.

Erster Abschnitt
Die ersten Jahre des Bundes
1844 bis 1849

Vorbemerkung.

Der Freundschaftsbund zwischen Engels und Marx wurde im Jahre 1844 geschlossen, nachdem seine geistige Grundlage, die Übereinstimmung der Ideen über den Zusammenhang der sozialistischen Bewegung mit der Entwicklung der Produktionsverhältnisse und den Klassenkämpfen der Epoche, sowie die gleiche Stellung zur Bewegung selbst sich in ihren Beiträgen zu den Deutsch-Französischen Jahrbüchern deutlich angezeigt und in mündlicher Unterhaltung, die im Sommer 1844 in Paris stattfand, Bekräftigung gefunden hatte. Es ist äußerst charakteristisch, daß kein Mitarbeiter der Deutsch-Französischen Jahrbücher sich den darin von Marx geschichtsphilosophisch niedergelegten Ideen so nahe zeigt als der in Manchester kommerziell beschäftigte Fabrikantensohn aus Barmen, in dem Marx anderthalb Jahre vorher einen simplen Radikalen vom Kaliber der Berliner „Freien“ vermutet hatte. Der Wissensdrang, der bei Engels kaum weniger stark war als bei Marx, sowie Verbindungen mit der in England schon eingewurzelten Arbeiterbewegung hatten in Engels den Blick für die Unzulänglichkeiten des spekulativen Radikalismus geschärft, der sich als die Krönung der idealistischen deutschen Philosophie gebärdete. Marx hatte jenen Radikalismus früher durchschaut, und nachdem er in Frankreich den dortigen Kommunismus und Sozialismus gründlich studiert hatte, war er praktisch zu fast der gleichen Stellung zur kommunistischen Arbeiterbewegung gelangt wie Engels. Beide betrachteten und bezeichneten sich als Kommunisten, weil sie die großen Ziele jener Bewegung anerkannten und für sie zu wirken sich zur Aufgabe gestellt hatten. Aber beide konnten es nicht über sich gewinnen, sich einer der bestehenden Gruppen oder Schulen des Kommunismus anzuschließen, die alle noch im Fahrwasser der Sektiererei oder der unbestimmten Menschheitsbeglückung segelten. Die Bewegung aus dem Sektenstadium herauszubringen erschien als das dringendste Erfordernis, und da in Deutschland für eine politische Partei die Vorbedingungen fehlten, mußte der Kampf hier zunächst literarisch-propagandistisch geführt werden.

Darüber waren sich Marx und Engels einig geworden, als dieser im Spätsommer 1844 Marx in Paris besucht hatte, und mit dem ersten Briefe, den Engels nach jenem Besuch an Marx geschrieben hat, beginnt unsere Sammlung. Er ist aus Barmen datiert, wohin Engels sich begeben hatte, offenbar, um sich mit dem Vater über sein ferneres Leben auseinanderzusetzen, da er keine Lust hatte, es am Kontortisch zuzubringen. Der Brief zeigt den Feuergeist des jungen Engels, er wirft aber auch ein interessantes Streiflicht auf die Verfassung des öffentlichen Geistes in Deutschland am Vorabend der bürgerlichen Revolution. Überall stößt der Jünger des Kommunismus in der bürgerlichen Welt auf Gesinnungsgenossen, überall auf „Kommunisten“, man sollte meinen, das Evangelium der Menschenverbrüderung wolle Deutschland im Sturme erobern. Es sollte sich indes zeigen, daß der Kommunismus der meisten dieser Leichtgewonnenen nur Frucht unbestimmten Oppositionsdranges war und, als es die Probe zu bestehen galt, ebenso leicht wieder verflog.

Zu jener Zeit war Marx in Paris Mitarbeiter an der radikalen Zeitschrift „Vorwärts“, die der Journalist Heinrich Börnstein herausgab. Bald darauf wurde er mit anderen Mitarbeitern des „Vorwärts“ auf Betreiben der preußischen Regierung aus Paris ausgewiesen und siedelte nach Brüssel über. Nach Paris noch ist der folgende Brief von Engels gerichtet, der das Datum des 19. November 1844 trägt. Er atmet denselben frisch-naiven Geist wie der erste, ist aber ungleich interessanter. Er zeigt, daß Marx-Engels sich zwar schon des Unterschieds zwischen ihnen und anderen deutschen Sozialisten der Epoche bewußt waren, sich aber noch nicht von letzteren getrennt hatten; daß sie wohl mit ihnen diskutierten, aber nicht gegen sie polemisierten, sondern zunächst gemeinsam mit ihnen die Geschosse gegen die unfruchtbare Überkritik der Gebrüder Bauer und Genossen richteten. Die erste von Marx und Engels gemeinsam gezeichnete Kampfschrift „Die heilige Familie zu Charlottenburg“ ward eine Abrechnung mit den Bauers, und hier sehen wir, wie, noch ehe dies Buch erschien, schon das den Radikalismus der Bauer weit überbietende Produkt jener Richtung, Stirner-Schmidts „Der Einzige und sein Eigentum“, auf die Bühne tritt und neue Kritik herausfordert. Engels’ Bemerkungen über das Buch sind als Merkmale seiner selbständigen Entwicklung außerordentlich interessant und ebenso, was er über die Stellung des Moses Heß zu dem Buche sagt. Heß, den Jahren nach und als Sozialist der ältere, wird noch sehr zart angefaßt, aber seine Methode und Auffassung werden doch schon entschieden als falsch gekennzeichnet. Allerdings sind auch Marx-Engels mit der Ausarbeitung ihrer Theorie noch nicht fertig, spricht doch Engels selbst noch stark die Sprache der von ihnen bekämpften Philosophenschule. Aber der Sache nach sind seine paar Sätze über Stirner ungleich schlagender als die breite Polemik, die dann Heß gegen diesen veröffentlichte.

Auch darin zeichnet sich der zweite Brief vor dem ersten aus, als die geradezu phänomenale Arbeitslust und Arbeitskraft Engels’ hier viel drastischer sich kundgibt wie dort. Wohl nimmt es der junge Engels mit dem zu verarbeitenden Stoff noch verhältnismäßig leicht, aber das bloße Konstruieren aus dem Kopfe war doch auch damals nicht seine Sache. Und so kann man nur staunen, wieviel schriftstellerische Arbeit er überzeugt ist in kürzester Zeit fertigstellen zu können, während er nebenbei hin und her reist, agitiert und organisiert. Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß der Jung, von dem im Briefe die Rede ist, der spätere demokratische und schließlich nationalliberale Georg Jung war, und der List, gegen den Engels eine Broschüre zu schreiben erklärt, der Schutzzollanwalt Friedrich List war, der damals viel von sich reden machte.

Einige Briefe aus den ersten Monaten des Jahres 1845 schildern den Fortgang der Engelsschen Arbeiten, seine literarischen Unternehmungen und Projekte; die Propaganda in öffentlichen Versammlungen und ihren Ausgang, sowie die Widerstände, auf die Engels mit seinen Ideen und Plänen im elterlichen Hause stieß. Im Frühjahr 1845 übersiedelte Engels nach Brüssel, und der Briefwechsel mit Marx wird damit überflüssig. Im persönlichen Verkehr arbeiten die Freunde nun ihre Theorie vollständig aus. Sie verfechten sie kritisch-polemisch gegen den immer mehr ins Sektiererische verfallenden Kommunismus Weitlings und den halb polternden und halb sentimentalen Sozialismus einer Reihe von Ganz- oder Halbakademikern, der im wesentlichen auf radikaler Stimmung und gutem Willen beruhte, dessen Vertreter aber sich um die materiellen Vorbedingungen ihrer Umwälzungsideen wenig kümmerten. Marx-Engels selbst aber standen mit den revolutionären Chartisten Englands und sozialistischen Demokraten Frankreichs in Verbindung, traten in immer lebhafteren Verkehr mit führenden Mitgliedern des kommunistischen Geheimbundes der Gerechten, die sich über die Unzulänglichkeiten von Weitlings Ideen und Plänen nicht mehr täuschen ließen, sammelten einen Kreis überzeugter Anhänger um sich und bildeten mit einigen von ihnen in Brüssel ein freies Komitee zur Verfechtung der gewonnenen Erkenntnis.

Teils an Marx selbst und teils an jenes Komitee, an dessen Spitze Marx stand, sind die nächsten der hier vorliegenden Briefe gerichtet. In Paris, dem Stammsitz des Bundes der Gerechten, hatte Karl Grün, wohl der schriftstellerisch gewandteste Vertreter des oben geschilderten Gefühlssozialismus, unter den dortigen deutschen Arbeitern Einfluß gewonnen, so daß zu gewärtigen war, daß der Bruch mit Weitling für einen Teil der Mitglieder des Bundes der Gerechten nur einen Wechsel vom Regen der Utopisterei unter die Traufe eines kompaßlosen Radikalismus bedeuten werde. Dieser Gefahr entgegenzuwirken, war Engels im Juli 1846 nach Paris gegangen, und wie er sich erfolgreich seiner Mission entledigte, schildern unter anderem drei Briefe, die er selbst mit dem Bemerken Komiteebrief I, II und III versehen hat.

Die Briefe geben ein bezeichnendes Bild davon, in welch kleinen Kreisen sich damals die Bewegung abspielte, und erklären so, warum allerhand kleinliche Dinge in ihr einen unverhältnismäßig großen Platz in Anspruch nehmen konnten. Aus den Mitteilungen über die Gruppierung und die Zusammenkünfte der deutschen Arbeiter in Paris ersieht man unter anderem, wie das in den Briefen von Engels und später auch von Marx häufig für Arbeiter gebrauchte Wort „Straubinger“ zu verstehen ist, nämlich als Bezeichnung für entweder noch stark zünftlerisch denkende Handwerksgesellen oder für solche Arbeiter, die jedes größeren geistigen Weitblicks entbehrten und nur Männer der schwieligen Faust als ihnen zugehörig anerkannten. Die „Barriere“ ist die Zollmauer von Paris; in den vor ihr gelegenen Wirtschaften hatten schon in den vierziger Jahren große Gewerksversammlungen französischer Arbeiter stattgefunden.

Hinsichtlich der Personen, die Engels in den Briefen erwähnt, konnte leider nicht ermittelt werden, wer der intelligente Gesinnungsgenosse „Junge“ war, der erst nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet wird. Der Russe Tolstoi war in der Tat ein Agent der russischen Regierung. Ein ehemaliges Mitglied des Geheimbundes der Dekabristen und Freund des berühmten Dichters Puschkin, hatte er sich insgeheim der Regierung verkauft, während er in revolutionären Kreisen noch volles Vertrauen genoß. Er ist mit dem russischen Steppengutsbesitzer identisch, von dem dessen Landsmann Annenkow 1883 in seinem Artikel über Marx erzählt hat, daß er diesem 1846 in Brüssel die feierlichsten Angelobungen gemacht, nach Rußland zurückgekehrt aber alles schnell vergessen und sein Leben als feuriger Junggeselle bis zu seinem Ende fortgesetzt habe. Über die Persönlichkeiten des Brüsseler Kreises berichtet Franz Mehring in der Vorbemerkung zum siebenten Abschnitt seiner Veröffentlichung „Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle“. Ergänzungen wie auch sonstige Personalnotizen findet der Leser im Register zu diesen Briefen. Die Mitteilungen über Heinrich Heine und über die Polemiken der Franzosen sprechen für sich selbst.

Im übrigen geht aus diesen Berichten und einigen in dieselbe Zeit entfallenden Briefen von Engels an Marx hervor, daß die beiden und ihre Gesinnungsfreunde schon stark daran waren, die Grundlagen für die Organisation einer eigenen Partei zu schaffen und als Mittel dazu die Erweiterung der von ihnen zwanglos herausgegebenen lithographierten Zirkulare zu einer regelmäßigen Korrespondenz planten, für die an den verschiedenen Orten kleine, nur aus ganz zuverlässigen Personen zusammengesetzte Komitees tätig sein sollten.

Wir glauben bei den Lesern dieses Briefwechsels Kenntnis der vorerwähnten Mehringschen Veröffentlichung voraussetzen und deshalb von einer Wiederholung der dort zu findenden Angaben über den deutschen Sozialismus der vierziger Jahre absehen zu dürfen. Es versteht sich von selbst, daß die scharfen Äußerungen, die in diesen Briefen gelegentlich über Leute wie Otto Lüning, Hermann Püttmann, Joseph Weydemeyer usw. fallen, nicht allzu wörtlich oder als endgültige Urteile aufzufassen sind. So geht es Weydemeyer hier recht schlecht, später aber wird er einer der treuesten Kampfgenossen von Marx-Engels, wenngleich auch dann in ihren Briefen manchmal über ihn gewettert wird. Er war, scheint es, eine etwas schwerfällige Natur, einer jener Menschen, die Zeit brauchen, sich in eine neue Auffassung hineinzuleben und in einer neuen Situation sich zurechtzufinden. Bei ihm wie bei seinen engeren Landsleuten Kriege, Lüning usw. kommt noch die Rückwirkung einer wirtschaftlich sehr unentwickelten Umgebung hinzu. Fast allen deutschen Sozialisten der Epoche außer Marx-Engels passierte es, daß, wenn sie sich literarisch-propagandistisch an ein größeres Publikum wandten, die proletarische Auffassung in die Brüche ging, weil das Proletariat, dem sie gepaßt hätte, entweder gar nicht oder nur in sehr schwachen Anfängen existierte. Es war eben dann unvermeidlich, daß die einen mehr, die anderen weniger, die einen unversehens, die anderen mit Berechnung die sozialistische Lehre anderen Gesellschaftsschichten mundgerecht zu machen suchten und dadurch genötigt waren, ihr einen verschwommenen Charakter zu geben. Das mußte aber Marx-Engels um so verwerflicher erscheinen, als sie wiederum zwar sich bewußt waren, daß ein Proletariat, wie es ihre Theorie voraussetzte, in Deutschland erst als Ausnahme existierte, aber doch auch für hier eine raschere Entwicklung der Dinge annahmen, als sie tatsächlich ausfiel. Selbst in England und Frankreich, die ihnen als historische Wegweiser galten, war die Arbeiterklasse in Wirklichkeit viel weniger entwickelt, als wie sie damals ihnen und anderen erschien. Kurz, es bewirkten Unterschiede in der Schärfe des Denkens mit solchen der Anschauung der Dinge zusammen, daß den beiden Freunden der Gegensatz zwischen ihrer Auffassung und der der bezeichneten deutschen Sozialisten stärker erschien als jenen, und sie sogar für deren Bereitwilligkeit, von ihnen zu lernen, manchmal nur Spott hatten.

Noch ein Wort über die wegwerfende Behandlung, die Moses Heß in den Berichten und den nun folgenden Briefen von Engels erfährt. Heß war zwar als Sozialist älter als Marx-Engels und hatte sogar zeitweise in Brüssel sich an ihren Arbeiten gegen Feuerbach, Stirner usw. beteiligt, aber gerade dabei hatte sich immer deutlicher gezeigt, daß seine Art zu philosophieren und argumentieren ganz und gar nicht die ihrige war, daß es ihm nicht möglich war, sich aus den Schlingen einer recht sterilen Begriffsspekulation völlig herauszuarbeiten. Er merkte nicht einmal, daß die Ausfälle von Marx-Engels über diese Philosophie auch gegen ihn gingen. So sank er denn immer tiefer in ihrem Ansehen, und da sie ihm das nicht vorenthielten, ward seine Empfindlichkeit schwer gereizt. Er war ein Gemisch von Eigensinn und Gutmütigkeit, in seinen sozialistischen Gesinnungen fest, aber launenhaft in seiner Betätigungsweise, und so gab es, wie damals zwischen ihm und seiner Braut und späteren Frau, auch zwischen ihm und Marx-Engels abwechselnd Krieg und Waffenstillstand. Für immer aber war er ihnen, wie dies aus Engels’ Bemerkungen hervorgeht, eine wesentlich komische Figur geworden.

In die Zeit der Abfassung der Briefe an das Komitee entfällt auch ein undatierter Brief von Engels an Marx, der Ende September oder Anfang Oktober 1846 geschrieben wurde. Er eröffnet mit charakteristischen kritischen Bemerkungen über Feuerbachs in dem Sammelwerk „Die Epigonen“ erschienene Abhandlung „Das Wesen der Religion“. Es handelt sich um die Frage, ob diese Schrift noch in dem Werk über die nachhegelsche deutsche Philosophie, das Marx und Engels in Brüssel zusammen verfaßt hatten, berücksichtigt werden müsse, und die Bestimmtheit, mit der Engels dies verneint, sowie die Begründung seines Urteils lassen den Gegensatz ihrer Geschichtsphilosophie zur Feuerbachschen aufs schärfste hervortreten. Des weiteren ersieht man aus diesem Brief und aus entsprechenden Stellen späterer Briefe, wie viel Mühe Marx und Engels es sich kosten ließen, einen Verleger für ihre philosophische Arbeit zu finden, und auf welche Hindernisse die Versuche stießen, das nach ihrer Schätzung fünfzig Druckbogen umfassende Manuskript unterzubringen. Die Ratschläge, die Engels mit Bezug hierauf dem Freunde gibt, lassen große geschäftliche Umsicht erkennen. Andere Bemerkungen beziehen sich auf die Polemik mit dem von Feuerbach her zum Sozialismus gekommenen Hermann Kriege, der nach Amerika gegangen war, in New York ein Blatt, „Der Volkstribun“, herausgab, worin er einen verschwommenen Liebeskommunismus predigte, und, kaum daß Marx-Engels und Freunde ein Rundschreiben gegen seine Verfaselung des Sozialismus erlassen hatten, in Wilhelm Weitling einen Verbündeten gegen jene fand. Der von Engels so ironisch behandelte „große Mäurer“ (das „Zigarrenmännlein“) ist der Dr. German Mäurer, eines der ältesten Mitglieder der Pariser Emigration.

Zu den Briefen dieser Epoche gehört ferner ein undatiertes Brieffragment, das sich dem Datum nach genau nicht einordnen ließ, und von dem auch nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, wer die Urheber des darin kritisierten Projekts einer Verlagsgenossenschaft waren. Man wird es wohl in die Zeit zu verlegen haben, wo Engels wiederholt sich in Paris aufhielt und Marx in Brüssel wohnte, also zwischen August 1846 und Ende 1847. Und klar ist, daß es sich um einen Verlag für radikal-demokratische und sozialistische Publikationen handelte.

Engels’ Brief an Marx vom 23. Oktober 1846 rekapituliert und ergänzt im wesentlichen nur kurz die Mitteilungen des dritten Briefes an das Komitee. Die vom 2. November 1846 datierte Anschrift an einen Brief des C. Fr. Bernays an Marx handelt von zwei verschiedenen Manuskripten. Das eine scheint das Manuskript irgend einer Abhandlung des Bernays gewesen zu sein, die Marx vielleicht durchgesehen hatte, mit dem anderen ist das Manuskript der Kritik der Nachhegelianer gemeint. Jenny war ein Verlagsbuchhändler in Bern. Den Brief des Bernays an Marx mit abzudrucken lag kein Anlaß vor. Der Inhalt ist völlig interesselos und läßt den Schreiber durchaus als das erkennen, als was ihn Engels später charakterisiert, nämlich als ein Gemisch von Sentimentalität und Berechnung. Der undatierte, aber offenbar von Ende 1846 herrührende Brief erklärt sich im wesentlichen selbst. Mit „die Londoner“ waren zweifellos führende Mitglieder des Londoner deutschen kommunistischen Arbeitervereins gemeint, die wohl irgend eine Absage oder die Androhung einer solchen nach Brüssel hatten gelangen lassen. Auch der Brief vom 15. Januar 1847 bedarf keiner besonderen Erläuterung; es geht aus ihm hervor, daß Marx um jene Zeit einen Besuch in Paris plante. Aus der Broschüre gegen Proudhon, die Engels erwartete, wurde, wie man weiß, das Buch „La Misère de la Philosophie“; die Briefe von Engels zeigen, wie sehr diese Streitschrift durch die Agitationen veranlaßt war, die Karl Grün unter deutschen Arbeitern für Proudhon entfaltete. Wir werden noch sehen, daß Marx es keineswegs bei der französischen Ausgabe bewenden lassen wollte. Wenn er mit ihr den Anfang machte, so wird wohl der Umstand mitbestimmend gewesen sein, daß selbst für das Manuskript gegen Stirner und Genossen ein Verleger noch nicht gefunden war. Daß es sich aber bei diesen Schriften nicht nur um literarische Kämpfe handelte, sondern um unmittelbare Zwecke der praktischen Agitation, zeigt der nun folgende, vom 9. März 1847 datierte Brief. Es galt nicht nur, Widersacher aller Art zu entwaffnen, es war auch der schriftstellerische Tatendrang von Leuten abzuwehren, die sich für Parteigänger hielten oder ausgaben. Was aus den zwei Broschüren geworden ist, die Engels laut diesem Brief damals abgefaßt hat, war nicht zu ermitteln. Ebenso bleibt es Sache der Vermutung, auf welche dieser Broschüren sich die Bemerkung von Marx in dessen Brief vom 15. Mai 1847 bezog.

Einen neuen Abwehrkampf schildert der nächste Engelssche Brief. Es ist mehr als ein halbes Jahr verflossen, in London hat die Konferenz des Bundes der Gerechten stattgefunden, auf der eine Umgestaltung der Organisation und, als Wahrzeichen der Preisgabe des utopistischen Grundzugs der alten Doktrin des Bundes, die Umwandlung von dessen Namen in Bund der Kommunisten beschlossen worden war. Marx ist zur Abwicklung einer Geldangelegenheit nach Deutschland gereist, und in seiner Abwesenheit versuchen in Brüssel lebende deutsche Arbeiter und Sozialisten, die mit dem Verlauf der Dinge unzufrieden waren oder sich zurückgesetzt fühlten, einen Gegenschlag zu führen. Es ist von geringem Belang, ob ihre Absichten genau auf das hinausgingen, was der für die Zeit der Abwesenheit von Marx nach Brüssel übersiedelte Engels auf Grund der ihm erstatteten Berichte und von Ausplaudereien der Beteiligten folgerte. Jedenfalls lag ein Versuch vor, den Einfluß ihrer Richtung in der Arbeiterschaft und bei den belgischen Sozialisten und Demokraten zurückzudrängen. Das aber mußte schon im Hinblick auf den bevorstehenden Bundeskongreß, der die endgültige Entscheidung bringen sollte, um jeden Preis verhindert werden, und es ist interessant, zu vernehmen, mit welcher Energie Engels sich ins Zeug legt und wie begeistert er vom Sieg und der Haltung „unsrer Jungens“ spricht, worunter zweifelsohne die Brüsseler Mitgliedschaft des Bundes der Kommunisten gemeint ist.

Die Gesellschaft, die damals in Brüssel gegründet wurde, nannte sich „Demokratischer Bund“ – Association Démocratique – und ward von den Beteiligten durchaus ernst genommen. Marx, für dessen Wahl in den Vorstand Engels so energisch gesorgt hatte, nahm diese Wahl an und ward im November 1847 vom Bund als dessen Vertreter zum Internationalen Meeting der Londoner Fraternal Democrats abgesandt, welche Reise mit der zum Kongreß des Bundes der Kommunisten zusammenfiel. Engels nennt einen gewissen Tedesco als Begleiter von Marx, und auch in einigen späteren Briefen begegnen wir diesem Namen. Es sei daher bemerkt, daß Viktor Tedesco ein junger Lütticher Anwalt sehr entschieden sozialistisch-demokratischer Gesinnung war, für die er dann fünf Jahre in Gefangenschaft zubrachte. Nach seinem Wiedereintritt in die Freiheit ist er später der liberalen Partei Belgiens beigetreten und einer ihrer Hauptführer geworden. Aus seiner Feder existiert ein „Katechismus des Proletariers“. Adolf Bartels, Jakob Kats, L. Jottrand, Jan Pellering waren belgische Sozialisten, die in der Geschichte der Sozialdemokratie ihres Landes ehrenvolle Plätze einnehmen. Maynz, Professor an der Brüsseler Universität, Breyer, Arzt, und Viktor Faider, Advokat, waren Mitglieder des Demokratischen Bundes; der neben Bricourt als Mitglied der Deputiertenkammer genannte Castiau war ein ungewöhnlich charaktervoller und begabter Demokrat, der 1848, als er sich in der Kammer isoliert sah, der parlamentarischen Laufbahn Valet sagte, und Philipp Gigot, Beamter im städtischen Archiv, war seit 1846 schon Mitglied des Kommunistenbundes. Imbert war ein französischer Flüchtling, der in Marseille ein radikalsozialistisches Blatt herausgegeben hatte.

Von den Personen, die Engels in diesen Briefen sonst noch nennt, sind die meisten aus der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie bekannt. Bornstedt war der Herausgeber der Deutschen Brüsseler Zeitung, an der Marx-Engels und Freunde auf Grund eines Vertrags regelmäßig mitarbeiteten, und daß dadurch sie ihr den Charakter gaben und nicht er, mochte seinem Selbstgefühl schon wehe tun. Auch mögen schon damals Ansätze des Wahnsinns bei ihm vorhanden gewesen sein, dem er 1852 erlag. Sein schwankendes Verhalten erinnert an das von Moses Heß, der nun auch wieder in Brüssel ist und dort darin einwilligt, daß die führende Stellung Marx eingeräumt wird. Heilberg, Schriftsteller und Lehrer, war ein aus Schlesien gebürtiger Sozialist und Demokrat, der im Revolutionsjahr 1848 in Deutschland wirkte, dann vor den Verfolgungen der Reaktion wieder ins Ausland mußte und im Winter 1851/52 in London in sehr bedrängten Verhältnissen starb. Er war von einem Omnibus überfahren worden, und Freiligrath sammelte Geld, um des Verunglückten Frau und Kind nach Deutschland zurückzubefördern. Der Wallau, von dem Engels schreibt, war damals Schriftsetzer an der Brüsseler Zeitung und hat später als Oberbürgermeister von Mainz geendet, der mit „B.“ bezeichnete Bundesgenosse war zweifellos der Schriftsetzer Stephan Born. Von ihm ist in einem vier Wochen später – etwa am 10. November 1847 – wieder aus Paris datierten Briefe die Rede. Auf Born setzt Engels für den bevorstehenden Kommunistenkongreß besondere Hoffnungen, die Born auch nicht Lügen gestraft hat. Die in französischer Sprache geschriebene Bemerkung am Schlusse des Briefes zielt auf Artikel von Moses Heß in der Brüsseler Zeitung hin. Mit der „Drecklawine“ Karl Heinzens ist dessen Pamphlet „Die teutschen Kommunisten“ gemeint. Die im Anfang des Briefes geschilderte Verhandlung mit den Leuten von der Réforme und vom Atelier lassen eine ganze Internationale im Werden ersehen. Das günstige Urteil, das Engels dort über Louis Blanc fällt, erfährt sehr bald eine Abtönung.

Der in Engels’ Brief vom 15. November 1847 erwähnte Frank war der Pariser Verleger von Marx’ mittlerweile herausgekommener Schrift „Misère de la Philosophie“, und wie dieser Biedermann durch sein schlaues Geldmanöver es erreicht hatte, daß das Buch von der Pariser Presse ignoriert wurde, muß für Marx eine ebenso erbauliche Kunde gewesen sein, wie die Mitteilung von den Bedenken des guten Flocon gegen seinen Artikel über die Freihandelsfrage. Die Deputiertenwahl, von der im Briefe die Rede ist, war die Wahl eines Delegierten für den Londoner Kommunistenkongreß durch die Pariser Mitgliedschaft des Kommunistenbundes. Wenn Engels schreibt, er habe „diesmal gar nicht intrigiert“ und auch keinen Anlaß dazu gehabt, so weicht das von der Schilderung ab, die Stephan Born in seinen Erinnerungen von dieser Wahl gibt. Aber man wird Engels, der sich Marx gegenüber stets mit rückhaltloser Offenheit über seine taktischen Manöver äußerte und im Augenblick des Vorganges schrieb, unbedingt mehr zu glauben haben als Born, der fünfzig Jahre später darüber schrieb und einem Groll gegen Engels Genugtuung verschaffen wollte. Daß Engels sonst bereit war, im Notfall den Dingen etwas nachzuhelfen, lassen die Briefe zur Genüge erkennen; wo so Wichtiges auf dem Spiele stand, wäre es auch höchst doktrinär gewesen, die vertretene Sache der Laune des Zufalls anheimzugeben. Aus dem nächsten, kurz vor der Fahrt zum Kommunistenkongreß abgefaßten Brief ist am bedeutendsten die Stelle, die sich auf die abzufassende Programmschrift des Kommunistenbundes bezieht. Wir ersehen daraus, daß ein erster Entwurf des Kommunistischen Manifestes von Friedrich Engels verfaßt wurde und auch der Name auf ihn zurückgeht. Sonst zeigen dieser Brief und die nächsten Briefe, auf welche Schwierigkeiten Engels in Paris mit seinen Bemühungen für eine anständige Besprechung der „Misère de la Philosophie“ selbst dort stieß, wo man am ehesten auf Entgegenkommen hätte rechnen dürfen. Die Briefe der Freunde aus dem Monat März 1848 beziehen sich hauptsächlich auf die Ausweisung von Marx und Wilhelm Wolff aus Belgien und die sonstigen Polizeibrutalitäten, welche die belgische Regierung nach der Februarrevolution im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer Ordnung bei sich zu Hause ins Werk setzte; auch geben sie ein kleines Stimmungsbild aus der Zeit zwischen dem Siege der Februarrevolution in Paris und der Erhebung vom 18. März 1848 in Berlin. Ein sehr charakteristisches Situationsbild gibt auch Engels’ vom 25. April 1848 datierter Brief aus Barmen. Er handelt von dem Versuch, für die von Marx-Engels und Freunden geplante radikal-demokratische Zeitung großen Stils – die dann den Titel Neue Rheinische Zeitung erhielt – Aktionäre auszutreiben, und zeigt, wie schnell nun, wo die Dinge ernst zu werden anfingen, jene Sympathien mit dem Kommunismus sich verflüchtigten, denen Engels vier Jahre vorher in Barmen-Elberfeld auf Schritt und Tritt begegnet war. Es dauert zwei Wochen, bis im nächsten Brief Engels die Zeichnung von vierzehn Aktien melden kann.

Immerhin, die Neue Rheinische Zeitung trat ins Leben, und ihr Erscheinungsort Köln ward das Zentrum der radikalen Demokratie Deutschlands. Zugleich aber regnete es bald Verfolgungen über ihre Redakteure und Parteigänger. Unter anderem ward im September 1848 Verhaftungsbefehl gegen Engels erlassen, und da gleichzeitig der Belagerungszustand über Köln verhängt wurde, zog es Engels vor, sich einstweilen durch Weggang ins Ausland der Verhaftung zu entziehen. Er wandte sich nach Belgien, ging dann über Frankreich in die Schweiz und arbeitete von dort, wohin ihm Marx Geld und Weisungen schickt, wieder an der Neuen Rheinischen Zeitung mit. Anfang 1849 kehrt Engels nach Köln zurück und findet eine ziemlich veränderte Situation vor. Durch Austritt eines Teils der bürgerlichen Aktionäre gestaltet sich trotz steigender Verbreitung die finanzielle Lage der Neuen Rheinischen Zeitung recht schwierig. Es fehlt an Betriebsmitteln, und um solche zu beschaffen tritt Marx eine Reise zu auswärtigen Gesinnungsfreunden an, worüber wir etwas aus Marx’ Brief vom 23. April 1849 ersehen. Als im Mai 1849 die preußische Behörde durch Ausweisung von Marx aus Preußen und Androhung von Ausweisung und Verhaftung anderer Redakteure der Neuen Rheinischen Zeitung den Lebensfaden abschnitt, ging Engels bekanntlich zunächst in die Pfalz und dann nach Baden, um an der dortigen Reichsverfassungskampagne teilzunehmen. Davon handelt der nächste dieser Epoche angehörige Brief. Er ist aus Vevey in der Schweiz vom 25. Juli 1849 an Frau Marx gerichtet und zeigt den liebenswürdigen Charakter Engels’, die rührende Zurücksetzung seiner Person, wo Marx in Betracht kam, wieder von der schönsten Seite. Wie mit Bezug hierauf spricht auch sonst dieser Brief im besten Sinne des Wortes für sich selbst. Ebenso läßt Marx’ Brief an Engels vom 7. Juni 1849 ausgestandene Sorge um den Freund erkennen. Marx’ aus Paris datierte Briefe berichten von seiner Drangsalierung durch die französische Regierung, seinen literarischen Projekten und politischen Hoffnungen. Mit dem Brief Marx’ vom 23. August 1849, der die unmittelbare Übersiedlung nach London anzeigt, endet der Briefwechsel dieser Epoche. Es beginnen die Jahre des Londoner Exils.

1844 bis 1849

1844

1

[Barmen], Ende September 1844.

Lieber Marx!

Du wirst Dich wundern, daß ich nicht früher schon Nachricht von mir gab, und Du hast ein Recht dazu; indes kann ich Dir auch jetzt noch nichts wegen meiner Rückkehr dorthin sagen. Ich sitze jetzt hier seit drei Wochen in Barmen und amüsiere mich so gut es geht mit wenig Freunden und viel Familie, unter der sich glücklicherweise ein halbes Dutzend liebenswürdiger Weiber befinden. An Arbeiten ist hier nicht zu denken, um so weniger, als meine Schwester sich mit dem Londoner Kommunisten Emil Blank, den Ewerbeck kennt, verlobt hat und jetzt natürlich ein verfluchtes Rennen und Laufen im Hause ist. Übrigens sehe ich wohl, daß meiner Rückkehr nach Paris noch bedeutende Schwierigkeiten werden in den Weg gelegt werden, und daß ich wohl werde auf ein halbes oder ganzes Jahr mich in Deutschland herumtreiben müssen. Ich werde natürlich alles aufbieten, um dies zu vermeiden, aber Du glaubst nicht, was für kleinliche Rücksichten und abergläubische Befürchtungen mir entgegengestellt werden.

Ich war in Köln drei Tage und erstaunte über die ungeheure Propaganda, die wir dort gemacht haben. Die Leute sind sehr tätig, aber der Mangel an einem gehörigen Rückhalt ist doch sehr fühlbar. Solange nicht die Prinzipien logisch und historisch aus der bisherigen Anschauungsweise und der bisherigen Geschichte und als die notwendige Fortsetzung derselben in ein paar Schriften entwickelt sind, so lange ist es doch alles noch halbes Dösen und bei den meisten blindes Umhertappen. Später war ich in Düsseldorf, wo wir auch einige tüchtige Kerls haben. Am besten gefallen mir übrigens noch meine Elberfelder, bei denen die menschliche Anschauungsweise wirklich in Fleisch und Blut übergegangen ist; diese Kerls haben wirklich angefangen, ihre Familien wirtschaftlich zu revolutionieren, und lesen ihren Alten jedesmal den Text, wenn sie sich unterfangen, die Dienstboten oder Arbeiter aristokratisch zu behandeln. Und so was ist schon viel in dem patriarchalischen Elberfeld. Außer dieser einen Clique existiert aber auch noch eine zweite in Elberfeld, die auch sehr gut, aber etwas konfuser ist. In Barmen ist der Polizeikommissär Kommunist. Vorgestern war ein alter Schulkamerad und Gymnasiallehrer bei mir, der auch stark angesteckt ist, und [dies] ohne daß er irgendwie mit Kommunisten in Berührung gekommen wäre. Könnten wir unmittelbar aufs Volk wirken, so wären wir bald obendrauf, aber das ist so gut wie unmöglich, besonders da wir Schreibenden uns still halten müssen, um nicht gefaßt zu werden. Im übrigen ist es hier sehr sicher, man kümmert sich wenig um uns, solange wir still sind. Ich bin hier noch nicht im allergeringsten molestiert worden, und bloß der Oberprokurator hat sich einmal bei einem unserer Leute angelegentlich nach mir erkundigt. Das ist alles, was mir bis jetzt zu Ohren gekommen ist.

Hier hat in der Zeitung gestanden, der Bernays sei dort von der hiesigen Regierung belangt worden und vor Gericht gewesen. Schreibe mir doch, ob das wahr ist, und auch was die Broschüre macht, sie wird jetzt doch wohl fertig sein. Von den Bauers hört man hier nichts, kein Mensch weiß was von ihnen. Dagegen um die Jahrbücher reißt man sich bis auf die heutige Stunde. Mein Artikel über Carlyle hat mir bei der „Masse“ ein enormes Renommee verschafft, lächerlicherweise, während den über Ökonomie nur sehr wenige gelesen haben. Das ist natürlich.

Auch in Elberfeld haben die Herren Pastoren ... gegen uns gepredigt, vorläufig bloß gegen den Atheismus der jungen Leute, indes hoffe ich, daß bald auch eine Philippika gegen den Kommunismus folgen werde. Vorigen Sommer sprach ganz Elberfeld bloß von diesen gottlosen Kerls. Überhaupt ist hier eine merkwürdige Bewegung. Seit ich fort war, hat das Wuppertal einen größeren Fortschritt in jeder Beziehung gemacht als in den letzten fünfzig Jahren. Der soziale Ton ist zivilisierter geworden, die Teilnahme an der Politik, die Oppositionsmacherei ist allgemein, die Industrie hat rasende Fortschritte gemacht, neue Stadtviertel sind gebaut, ganze Wälder ausgerottet worden, und das ganze Ding steht jetzt doch eher über als unter dem Niveau der deutschen Zivilisation, während es noch vor vier Jahren tief darunter stand – kurz, hier bereitet sich ein prächtiger Boden für unser Prinzip vor, und wenn wir erst unsere wilden, heißblütigen Färber und Bleicher in Bewegung setzen können, so sollst Du Dich über das Wuppertal noch wundern. Die Arbeiter sind so schon seit ein paar Jahren auf der letzten Stufe der alten Zivilisation angekommen, sie protestieren durch eine reißende Zunahme von Verbrechen, Räubereien und Morden gegen die alte soziale Organisation. Die Straßen sind bei Abend sehr unsicher, die Bourgeoisie wird geprügelt, mit Messern gestochen und beraubt; und wenn die hiesigen Proletarier sich nach demselben Gesetz entwickeln wie die englischen, so werden sie bald einsehen, daß diese Manier, als Individuen gewaltsam gegen die soziale Ordnung zu protestieren, nutzlos ist, und als Menschen in ihrer allgemeinen Kapazität durch den Kommunismus protestieren. Wenn man den Kerls nur den Weg zeigen könnte! Aber das ist unmöglich.

Mein Bruder ist jetzt Soldat in Köln und wird, solange er unverdächtig bleibt, eine gute Adresse sein, um Briefe für H[eß] und Komp. einzuschicken. Einstweilen weiß ich indes seine Adresse selbst noch nicht genau und kann sie Dir auch nicht angeben. –

Seit ich das Vorstehende schrieb, war ich in Elberfeld und bin wieder auf ein paar mir früher total unbekannte Kommunisten gestoßen. Man mag sich hindrehen und hinwenden, wohin man will, man stolpert über Kommunisten. Ein sehr wütender Kommunist, Karikaturen- und angehender Geschichtsmaler namens Seel geht in zwei Monaten nach Paris, ich werde ihn an Euch adressieren, der Kerl wird Euch durch sein enthusiastisches Wesen, seine Malerei und Musikliebhaberei gefallen und ist sehr gut zu gebrauchen als Karikaturenmacher. Vielleicht bin ich dann selbst schon da, das ist aber noch sehr zweifelhaft.

Der Vorwärts kommt in ein paar Exemplaren her, ich habe dafür gesorgt, daß andere bestellen werden; lasse die Expedition Probeexemplare schicken nach Elberfeld an Richard Roth, Wilhelm Blank-Hauptmann junior, J. W. Strücker, bayerisch Bierwirt Meyer in der Funkenstraße (Kommunistenkneipe), und zwar alle durch den kommunistischen Buchhändler Bädeker daselbst und kuvertiert. Wenn die Kerls erst sehen, daß Exemplare herüberkommen, so werden sie auch bestellen. Nach Düsseldorf an Dr. med. W. Müller, nach Köln meinetwegen an Dr. med. D’Ester, Bierwirt Löllchen, an Deinen Schwager und Ko. Alles natürlich per Buchhandel und kuvertiert.

Nun sorge dafür, daß die Materialien, die Du gesammelt hast, bald in die Welt hinausgeschleudert werden. Es ist verflucht hohe Zeit. Ich werde mich auch tüchtig an die Arbeit setzen und gleich heute wieder anfangen. Die Germanen sind alle noch sehr im unklaren wegen der praktischen Ausführbarkeit des Kommunismus; um diese Lumperei zu beseitigen, werde ich eine kleine Broschüre schreiben, daß die Sache schon ausgeführt ist, und die in England und Amerika bestehende Praxis des Kommunismus populär schildern. Das Ding kostet mich drei Tage oder so und muß die Kerls sehr aufklären. Das habe ich schon in meinen Gesprächen mit den Hiesigen gesehen.

Also tüchtig gearbeitet und rasch gedruckt. Grüße Ewerbeck, Bakunin, Guerrier und die anderen, Deine Frau nicht zu vergessen, und schreibe mir recht bald über alles. Schreibe, falls dieser Brief richtig und uneröffnet ankommt, unter Kuvert an „J. W. Strücker und Ko., Elberfeld“, mit möglichst kaufmännischer Handschrift auf der Adresse, sonst an irgend eine andere Adresse, von denen, die ich Ewerbeck gab. Ich bin begierig, ob die Posthunde sich durch das damenhafte Aussehen dieses Briefes täuschen lassen werden.

Nun lebe wohl, lieber Kerl, und schreibe recht bald. Ich bin seitdem doch nicht wieder so heiter und menschlich gestimmt gewesen, als ich die zehn Tage war, die ich bei Dir zubrachte. Wegen des zu etablierenden Etablissements hatte ich noch keine Gelegenheit, Schritte zu tun.

[Fr. Engels.]

2

[Fragment.]

Barmen, 19. November 1844.

Lieber Marx!

Ich habe vor etwa vierzehn Tagen ein paar Zeilen von Dir und Bernays erhalten, datiert 8. Oktober, und mit Poststempel Brüssel, 27. Oktober. Ungefähr um dieselbe Zeit, als Du das Billett schriebst, schickte ich einen Brief für Dich, adressiert an Deine Frau, ab und hoffe, daß Du ihn erhalten hast. Um in Zukunft sicher zu sein, daß mit unseren Briefen kein Unterschleif getrieben wird, wollen wir sie numerieren, mein jetziger ist also Nr. 2, und wenn Du schreibst, so zeige eben an, bis zu welcher Nummer Du erhalten hast und ob einer in der Reihenfolge fehlt.

Ich war vor ein paar Tagen in Köln und Bonn. In Köln geht alles gut. Grün wird Dir von der Tätigkeit der Leute erzählt haben. Heß gedenkt in vierzehn Tagen bis drei Wochen auch dort hinzukommen, wenn er die gehörigen Gelder dazu bekommt. Den Bürgers habt Ihr ja jetzt auch da, und damit ein gehörig Konzilium. Um so weniger werdet Ihr mich nötig haben und um so nötiger bin ich hier. Daß ich jetzt noch nicht kommen kann, ist klar, weil ich mich sonst mit meiner ganzen Familie überwerfen müßte. Zudem hab’ ich eine Liebesgeschichte, die ich auch erst ins reine bringen muß. Und einer von uns muß jetzt doch hier sein, weil die Leute alle nötig haben, gestachelt zu werden, um in der gehörigen Tätigkeit zu bleiben und nicht auf allerhand Flausen und Abwege zu geraten. So ist zum Beispiel Jung und eine Menge anderer nicht zu überreden, daß zwischen uns und Ruge ein prinzipieller Unterschied obwaltet, und noch immer der Meinung, es sei lediglich persönlicher Skandal. Wenn man ihnen sagt, Ruge sei kein Kommunist, so glauben sie das nicht recht und meinen, es sei immer schade, daß eine solche „literarische Autorität“ wie Ruge unbedachtsam weggeworfen sei! Was soll man da sagen? Man muß warten, bis Ruge sich einmal wieder mit einer kolossalen Dummheit losläßt, damit es den Leuten ad oculos demonstriert werden kann. Ich weiß nicht, es ist mit dem Jung doch nichts Rechtes, der Kerl hat nicht Entschiedenheit genug.

Wir haben jetzt überall öffentliche Versammlungen, um Vereine zur Hebung der Arbeiter zu stiften, das bringt famose Bewegung unter die Germanen und lenkt die Aufmerksamkeit des Philistertums auf soziale Fragen. Man beruft diese Versammlungen ohne weiteres, ohne die Polizei zu befragen. In Köln haben wir die Hälfte des Komitees zur Statutenentwerfung mit Unsrigen besetzt, in Elberfeld war wenigstens einer drin, und mit Hilfe der Rationalisten brachten wir in zwei Versammlungen den Frommen eine famose Schlappe bei; mit ungeheurer Majorität wurde alles Christliche aus den Statuten verbannt. Ich hatte meinen Spaß daran, wie gründlich lächerlich sich diese Rationalisten mit ihrem theoretischen Christentum und praktischen Atheismus machten. Im Prinzip gaben sie der christlichen Religion vollkommen recht, in der Praxis aber sollte das Christentum, das nach ihrer eigenen Aussage doch die Basis des Vereins bilde, auch mit keinem Worte in den Statuten erwähnt werden; die Statuten sollten alles enthalten, nur nicht das Lebensprinzip des Vereins! Die Kerle hielten sich aber so steif auf dieser lächerlichen Position, das ich gar nicht nötig hatte, ein Wort zu sagen, und wir doch solche Statuten bekamen, wie sie bei den bestehenden Verhältnissen nur zu wünschen sind. Nächsten Sonntag ist wieder Versammlung, ich kann aber nicht beiwohnen, weil ich morgen nach Westfalen gehe.

Ich sitze bis über die Ohren in englischen Zeitungen und Büchern vergraben, aus denen ich mein Buch über die Lage der englischen Proletarier zusammenstelle. Bis Mitte oder Ende Februar denke ich fertig zu sein, da ich durch die schwierigste Arbeit, die Anordnung des Materials, seit acht bis vierzehn Tagen durch bin. Ich werde den Engländern ein schönes Sündenregister zusammenstellen; ich klage die englische Bourgeoisie vor aller Welt des Mordes, Raubes und aller übrigen Verbrechen in Masse an und schreibe eine englische Vorrede dazu, die ich apart abziehen lassen und an die englischen Parteichefs, Literaten und Parlamentsmitglieder einschicken werde. Die Kerls sollen an mich denken. Übrigens versteht es sich, daß ich den Sack schlage und den Esel meine, nämlich die deutsche Bourgeoisie, der ich deutlich genug sage, sie sei ebenso schlimm wie die englische, nur nicht so couragiert, so konsequent und so geschickt in der Schinderei. Sobald ich damit fertig bin, geht’s an die soziale Entwicklungsgeschichte der Engländer, die mir noch weniger Mühe kosten wird, weil ich das Material dazu fertig und im Kopfe geordnet habe, und weil mir die Sache ganz klar ist. In der Zwischenzeit schreibe ich wohl einige Broschüren, namentlich gegen List, sobald ich Zeit habe.

Du wirst von dem Stirnerschen Buche „Der Einzige und sein Eigentum“ gehört haben, wenn es noch nicht da ist. Wigand schickte mir die Aushängebogen, die ich mit nach Köln nahm und bei Heß ließ. Das Prinzip des edlen Stirner – Du kennst den Berliner Schmidt, der in der Buhlschen Sammlung über die mystères[1] schrieb – ist der Egoismus Benthams, nur nach der einen Seite hin konsequenter, nach der anderen weniger konsequent durchgeführt. Konsequenter, weil Stirner den einzelnen als Atheist auch über Gott stellt oder vielmehr als Allerletztes hinstellt, während Bentham den Gott noch in nebeliger Ferne darüber bestehen läßt, kurz, weil Stirner auf den Schultern des deutschen Idealismus steht, in Materialismus und Empirismus umgeschlagener Idealist, wo Bentham einfacher Empiriker ist. Weniger konsequent ist Stirner, weil er die Rekonstruierung der in Atome aufgelösten Gesellschaft, die Bentham bewerkstelligt, vermeiden möchte, aber es doch nicht kann. Dieser Egoismus ist nur das zum Bewußtsein gebrachte Wesen der jetzigen Gesellschaft und des jetzigen Menschen, das letzte, was die jetzige Gesellschaft gegen uns sagen kann, die Spitze aller Theorie innerhalb der bestehenden Dummheit.

Darum ist das Ding aber wichtig, wichtiger als Heß zum Beispiel es dafür ansieht. Wir müssen es nicht beiseite werfen, sondern eben als vollkommenen Ausdruck der bestehenden Tollheit ausbeuten und, indem wir es umkehren, darauf fortbauen. Dieser Egoismus ist so auf die Spitze getrieben, so toll und zugleich so selbstbewußt, daß er in seiner Einseitigkeit sich nicht einen Augenblick halten kann, sondern gleich in Kommunismus umschlagen muß. Erstens ist es Kleinigkeit, dem Stirner zu beweisen, daß seine egoistischen Menschen notwendig aus lauter Egoismus Kommunisten werden müssen. Das muß dem Kerl erwidert werden. Zweitens muß ihm gesagt werden, daß das menschliche Herz von vornherein, unmittelbar, in seinem Egoismus uneigennützig und aufopfernd ist, und er also doch wieder auf das hinauskommt, wogegen er ankämpft. Mit diesen paar Trivialitäten kann man die Einseitigkeit zurückweisen. Aber was an dem Prinzip wahr ist, müssen wir auch aufnehmen. Und wahr ist daran allerdings das, daß wir erst eine Sache zu unserer eigenen, egoistischen Sache machen müssen, ehe wir etwas dafür tun können – daß wir also in diesem Sinne, auch abgesehen von etwaigen materiellen Hoffnungen, auch aus Egoismus Kommunisten sind, aus Egoismus Menschen sein wollen, nicht bloße Individuen. Oder, um mich anders auszudrücken: Stirner hat recht, wenn er „den Menschen“ Feuerbachs, wenigstens [den] des Wesens des Christentums verwirft; der Feuerbachsche „Mensch“ ist von Gott abgeleitet. Feuerbach ist von Gott auf den „Menschen“ gekommen, und so ist „der Mensch“ allerdings noch mit einem theologischen Heiligenschein der Abstraktion bekränzt. Der wahre Weg, zum „Menschen“ zu kommen, ist der umgekehrte. Wir müssen vom Ich, vom empirischen, leibhaftigen Individuum ausgehen, um nicht, wie Stirner, drin stecken zu bleiben, sondern uns von da aus zu „dem Menschen“ zu erheben. „Der Mensch“ ist immer eine Spukgestalt, solange er nicht an dem empirischen Menschen seine Basis hat. Kurz, wir müssen vom Empirismus und Materialismus ausgehen, wenn unsere Gedanken und namentlich unser „Mensch“ etwas Wahres sein sollen; wir müssen das Allgemeine vom Einzelnen ableiten, nicht aus sich selbst oder aus der Luft à la Hegel.

Das sind alles Trivialitäten, die sich von selbst verstehen, die von Feuerbach schon einzeln gesagt sind, und die ich nicht wiederholen würde, wenn Heß nicht – wie mir scheint, aus alter idealistischer Anhänglichkeit – den Empirismus, namentlich Feuerbachs und jetzt Stirners, so scheußlich heruntermachte. Heß hat in vielem, was er über Feuerbach sagt, recht, aber auf der anderen Seite scheint er noch einige idealistische Flausen zu haben – wenn er auf theoretische Dinge zu sprechen kommt, geht es immer in Kategorien voran, und daher kann er auch nicht populär schreiben, weil er viel zu abstrakt ist. Daher haßt er auch allen und jeden Egoismus und predigt Menschenliebe usw., was wieder auf die christliche Aufopferung herauskommt. Wenn aber das leibhaftige Individuum die wahre Basis, der wahre Ausgangspunkt ist für unsere „Menschen“, so ist auch selbstredend der Egoismus – natürlich nicht der Stirnersche Verstandesegoismus allein, sondern auch der Egoismus des Herzens – Ausgangspunkt für unsere Menschenliebe, sonst schwebt sie in der Luft. Da Heß jetzt bald herüberkommt, so wirst Du selbst mit ihm darüber sprechen können. Übrigens langweilt mich all dies theoretische Geträtsch alle Tage mehr, und jedes Wort, das man noch über „den Menschen“ verlieren, jede Zeile, die man gegen die Theologie und Abstraktion wie gegen den krassen Materialismus schreiben oder lesen muß, ärgert mich. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn man sich statt all dieser Luftgebilde – denn selbst der noch nicht realisierte Mensch bleibt bis zu seiner Realisierung ein solches – mit wirklichen, lebendigen Dingen, mit historischen Entwicklungen und Resultaten beschäftigt. Das ist wenigstens das Beste, solange wir noch allein auf den Gebrauch der Schreibfeder angewiesen sind und unsere Gedanken nicht unmittelbar mit den Händen oder, wenn es sein muß, mit den Fäusten realisieren können.

Das Stirnersche Buch zeigt aber wieder, wie tief die Abstraktion in dem Berliner Wesen steckt. Stirner hat offenbar von den Freien am meisten Talent, Selbständigkeit und Fleiß, aber bei alledem purzelt er aus der idealistischen in die materialistische Abstraktion und kommt zu nichts. Wir hören von Fortschritten des Sozialismus in allen Teilen Deutschlands, aber von Berlin keine Spur. Diese superklugen Berliner werden sich noch eine Démocratie pacifique[2] auf der Hasenheide etablieren, wenn ganz Deutschland das Eigentum abschafft – weiter bringen es die Kerle gewiß nicht. Gib acht, nächstens steht in der Uckermark ein neuer Messias auf, der Fourier nach Hegel zurechtschustert, das Phalanstère aus den ewigen Kategorien konstruiert und es als ein ewiges Gesetz der zu sich kommenden Idee hinstellt, daß Kapital, Talent und Arbeit zu bestimmten Teilen am Ertrag partizipieren. Das wird das Neue Testament der Hegelei werden, der alte Hegel wird Altes Testament, der „Staat“ das Gesetz wird ein „Zuchtmeister auf Christum“, und das Phalanstère, in dem die Abtritte nach logischer Notwendigkeit placiert werden, das wird der „neue Himmel“ und die „neue Erde“, das neue Jerusalem, das herabfährt vom Himmel, geschmückt wie eine Braut, wie das alles des breiteren in der neuen Apokalypse zu lesen sein wird. Und wenn das alles vollendet sein wird, dann kommt die Kritische Kritik, erklärt, daß sie alles in allem ist, daß sie Kapital, Talent und Arbeit in ihrem Kopfe vereinigt, daß alles, was produziert sei, durch sie sei und nicht durch die ohnmächtige Masse – und nimmt alles für sich in Beschlag. Das wird das Ende der Berliner Hegelschen friedlichen Demokratie sein.

Wenn die Kritische Kritik fertig ist, so schicke mir ein paar Exemplare kuvertiert und versiegelt auf dem Wege des Buchhandels zu – sie wer [...] konfisziert werden. Für den Fall, daß Du meinen letzten Brief nicht erhalten haben solltest, setze ich nochmals her, daß Du mir entweder [...] für E. junior, Barmen, oder per Kuvert an F. W. Strücker und Ko., Elberfeld, schreiben kannst. Dieser Brief geht Dir auf einem Umweg zu.

Nun schreibe aber bald – es sind über zwei Monate, daß ich nichts von Dir höre –, was macht der Vorwärts? Grüße die Leute alle.

Dein [Fr. Engels.]


[1] Geheimnisse. [Es ist Eugen Sues Roman „Die Geheimnisse von Paris“ gemeint.]

[2] Die friedfertige Demokratie. [So bezeichneten sich in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts diejenigen Fourieristen, deren Haupt Victor Considérant war.]

1845

3

[Poststempel Barmen, 20. Januar 1845.]

Lieber Marx!

Wenn ich Dir nicht früher geantwortet habe, so liegt das hauptsächlich daran, daß ich auf den von Dir versprochenen Vorwärts wartete. Da das Ding indes bis jetzt noch nicht hier ist, so habe ich das Warten aufgegeben und ebenso das Warten auf die Kritische Kritik, von der ich weiter gar nichts höre. Was den Stirner betrifft, so bin ich durchaus mit Dir einverstanden. Als ich Dir schrieb, war ich noch zu sehr unter dem unmittelbaren Eindruck des Buches befangen, seitdem ich es habe liegen lassen und mehr durchdenken können, finde ich dasselbe, was Du findest. Heß, der noch immer hier ist und den ich vor vierzehn Tagen in Bonn sprach, ist nach einigen Meinungsschwankungen ebendahin gekommen wie Du; er las mir einen Artikel über das Buch vor, den er bald drucken lassen wird, worin er, ohne Deinen Brief gelesen zu haben, dasselbe sagt. Ich habe ihm Deinen Brief dagelassen, weil er noch einiges benutzen wollte, und muß ihn daher aus dem Gedächtnis beantworten. Was mein Herüberkommen betrifft, so ist daran kein Zweifel, daß ich in etwa zwei Jahren dort sein werde, auch bin ich darüber im reinen, daß ich um jeden Preis nächsten Herbst auf vier bis sechs Wochen herüberkomme. Wenn die Polizei mir mein Wesen hier legt, so komme ich ohnehin, und wie die Sachen hier stehen, kann es dem Gesindel alle Tage einfallen, unsereins zu molestieren. Wir werden an Püttmanns Bürgerbuch sehen, wie weit man etwa gehen darf, ohne gefaßt oder geschaßt zu werden. – Meine Liebesgeschichte hat ein Ende mit Schrecken genommen. Erlaß mir die langweilige Auseinandersetzung, es kann doch nichts mehr helfen, und ich habe so schon genug mit der Sache durchgemacht. Ich bin froh, daß ich wenigstens wieder arbeiten kann, und wenn ich Dir den ganzen Bettel erzählte, wäre ich für den Abend verdorben.

Das Neueste ist, daß Heß und ich vom 1. April an bei Thieme & Butz in Hagen eine Monatsschrift: „Gesellschaftsspiegel“ herausgeben und darin die soziale Misere und das Bourgeoisieregime schildern werden. Prospektus usw. nächstens. Einstweilen wird es gut sein, wenn sich der poetische „Ein Handwerker“ die Mühe geben will, uns aus der dortigen Misere Material zuzuschicken. Besonders einzelne Fälle, das klappt für den auf den Kommunismus vorzubereitenden Philister. Das Ding kann mit wenig Mühe redigiert werden, für Material, um monatlich vier Bogen zu füllen, werden sich Mitarbeiter genug finden – wir haben wenig Arbeit dabei und können viel wirken. Außerdem wird Püttmann bei Leske eine Vierteljahrsschrift: Rheinische Jahrbücher überzensurgroß erscheinen lassen, worin lauter Kommunismus erscheinen soll. Du kannst Dich wohl auch dabei beteiligen. Es schadet ohnehin nichts, wenn wir einen Teil unserer Arbeiten zweimal – erst in einer Zeitschrift und dann apart und im Zusammenhang – drucken lassen; die verbotenen Bücher zirkulieren doch weniger frei, und wir haben so doppelte Chance zu wirken. Du siehst, wir haben hier in Deutschland genug zu tun, um alle diese Geschichten mit Stoff zu versehen und dabei doch größere Sachen auszuarbeiten – aber wir müssen doch klotzen, wenn wir was zustande bringen wollen, und da ist’s gut, wenn’s einem etwas auf den Fingern brennt. Mein Buch über die englischen Arbeiter wird in vierzehn Tagen bis drei Wochen fertig, dann nehme ich mir vier Wochen Zeit für kleinere Sachen, und dann gehe ich an die historische Entwicklung Englands und des englischen Sozialismus.

Was mir einen aparten Spaß macht, ist diese Einbürgerung der kommunistischen Literatur in Deutschland, die jetzt ein fait accompli[1] ist. Vor einem Jahre fing sie an, sich außer Deutschland in Paris einzubürgern, eigentlich erst zu entstehen, und jetzt sitzt sie dem deutschen Michel schon auf dem Nacken. Zeitungen, Wochenblätter, Monats- und Vierteljahrsschriften und eine heranrückende Reserve von schwerem Geschütz ist alles in bester Ordnung. Es ist doch verflucht rasch gegangen! Die Propaganda unterderhand war auch nicht ohne Früchte – jedesmal, wenn ich nach Köln, jedesmal, wenn ich hier in eine Kneipe komme, neue Fortschritte, neue Proselyten. Die Kölner Versammlung hat Wunder getan – man entdeckt allmählich einzelne kommunistische Cliquen, die sich ganz im stillen und ohne unser direktes Zutun entwickelt haben. – Auch das Gemeinnützige Wochenblatt, das früher mit der Rheinischen Zeitung zusammen ausgegeben [wurde], ist jetzt in unseren Händen. D’Ester hat es übernommen und wird sehen, was zu machen ist. Was uns jetzt aber vor allem not tut, sind ein paar größere Werke, um den vielen Halbwissenden, die gern wollen, aber nicht allein fertig werden können, einen gehörigen Anhaltspunkt zu geben. Mache, daß Du mit Deinem nationalökonomischen Buche fertig wirst, wenn Du selbst auch mit vielem unzufrieden bleiben solltest, es ist einerlei, die Gemüter sind reif, und wir müssen das Eisen schmieden, weil es warm ist. Meine englischen Sachen werden zwar auch ihre Wirkung nicht verfehlen, die Tatsachen sind zu schlagend, aber trotzdem wollte ich, daß ich die Hände freier hätte, um manches auszuführen, was für den jetzigen Augenblick und die deutsche Bourgeoisie schlagender und wirksamer wäre. Wir theoretischen Deutschen – es ist lächerlich, aber ein Zeichen der Zeit und der Auflösung des Nationaldrecks – können noch gar nicht zur Entwicklung unserer Theorie kommen, wir haben noch nicht einmal die Kritik des Unsinns publizieren können. Jetzt ist aber hohe Zeit. Darum mache, daß Du vor April fertig wirst, mach’s wie ich, setze Dir eine Zeit, bis wohin Du positiv fertig sein willst, und sorge für einen baldigen Druck. Kannst Du es da nicht drucken lassen, so laß in Mannheim, Darmstadt oder so drucken. Aber heraus muß es bald.

Daß Du die Kritische Kritik bis auf zwanzig Bogen ausgedehnt, ist mir allerdings verwunderlich genug gewesen. Es ist aber ganz gut, es kommt so vieles schon jetzt an den Mann, was sonst wer weiß wie lange noch in Deinem Sekretär gelegen hätte. Wenn Du aber meinen Namen auf dem Titel hast stehen lassen, so wird das sich kurios ausnehmen, wo ich kaum anderthalb Bogen geschrieben habe. Wie gesagt, habe ich von dem Löwental noch nichts gehört, auch nichts vom Erscheinen des Buches, auf das ich natürlich sehr begierig bin. – Gestern bekam ich den Vorwärts, von dem ich seit meiner Abreise nichts gesehen. Einige Witze von Bernays haben mich köstlich amüsiert, der Kerl kann einem so ein recht gründliches Lachen abgewinnen, was mir sonst beim Lesen selten passiert. Sonst ist es freilich schlecht und nicht interessant und belehrend genug, als daß viele Deutsche es auf die Dauer halten sollten. Wie steht es jetzt äußerlich, und ist es wahr, was ich in Köln höre, daß es in eine Monatsschrift verwandelt werden soll? Wir sind hier so fürchterlich mit Arbeit überladen, daß von hier aus nur gelegentlich Beiträge kommen können. Ihr müßt Euch dort auch angreifen. Schreibe doch alle vier bis sechs Wochen einen Artikel dafür, laß Dich nicht von Deiner Stimmung „maßregeln“. Warum schreibt Bakunin nichts, und warum ist der Ewerbeck nicht dazu zu kriegen, daß er wenigstens trivial schreibt? Der arme Bernays wird jetzt wohl im Brummstall sitzen, grüße ihn von mir und laß ihn sich den Dreck nicht zu sehr zu Herzen nehmen, zwei Monate gehen auch herum, obwohl es scheußlich genug ist. Was machen überhaupt die Bengels? Du schreibst gar nichts darüber. Ist Guerrier wieder dort, schreibt Bakunin französisch? Was treibt die ganze Bande, die im August jeden Abend den Quai Voltaire frequentierte? Und was fängst Du eigentlich an? Wie geht’s mit Deiner Stellung dort? Wohnt Fouine noch unter Deinen Füßen? Fouine hat sich ja neulich wieder im Telegraphen losgelassen. Wie sich von selbst versteht, über den Patriotismus. Es ist groß, wie er den zu Tode reitet, wie ihm alles wurst ist, wenn es ihm nur gelingt, den Patriotismus zu vernichten. Wahrscheinlich war das des Pudels Kern, den er Fröbeln nicht geben wollte. Die deutschen Zeitungen ließen neulich Fouine nach Deutschland zurückkehren wollen. Wenn’s wahr ist, so gratuliere ich, aber es kann nicht wahr sein, er müßte sich ja zum zweitenmal zur Anschaffung eines Omnibus mit Abtritt verstehen, und das geht doch nicht.

Ich sprach neulich einen, der von Berlin kam. Die Auflösung des caput mortuum[2] der Freien scheint vollständig zu sein. Außer den Bauers scheint auch Stirner keinen Umgang mehr mit ihnen zu haben. Der kleine Rest, Meyen, Rutenberg und Konsorten lassen sich durch nichts stören, gehen wie vor sechs Jahren täglich 2 Uhr nachmittags zu Stehely und klugscheißen über die Zeitungen. Jetzt sind sie aber doch schon bei der „Organisation der Arbeit“ angelangt, und dabei wird’s bleiben. Auch Herr Nauwerk scheint diesen Schritt gewagt zu haben, denn er eifert ja in Volksversammlungen. Ich sagte Dir ja, die Leute werden alle Démocrates pacifiques[3]. Dabei haben sie die Klarheit usw. unserer Artikel in den Jahrbüchern sehr „anerkannt“. Wenn mich nächstens mal wieder der Teufel reitet, so setze ich mich mit dem kleinen Meyen in Korrespondenz, man kann möglicherweise Spaß von den Kerls haben, wenn auch keinen Spaß an ihnen. Ohnehin fehlt einem hier alle Gelegenheit, seinen Übermut von Zeit zu Zeit auszulassen, denn ich führe Dir hier ein Leben, wie es der glänzendste Philister nur verlangen kann, ein stilles und geruhiges Leben in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, sitze auf meinem Zimmer und arbeite, gehe fast gar nicht aus, bin solide wie ein Deutscher, wenn das so fortgeht, so fürchte ich gar, daß der Herrgott mir meine Schriften übersieht und mich in den Himmel läßt. Ich versichere Dich, ich fange an, hier in Barmen in guten Ruf zu kommen. Ich bin’s aber auch leid, ich will Ostern weg von hier, wahrscheinlich nach Bonn. Ich hatte mich durch die Zureden meines Schwagers und die trübseligen Gesichter meiner beiden Alten noch einmal zu einem Versuch mit dem Schacher bestimmen lassen und seit vierzehn Tagen etwas auf dem Kontor gearbeitet, auch die Aussicht wegen der Liebesgeschichte veranlaßte mich mit dazu – aber ich war es leid, ehe ich anfing zu arbeiten, der Schacher ist zu scheußlich, Barmen ist zu scheußlich, die Zeitverschwendung ist zu scheußlich, und besonders ist es zu scheußlich, nicht nur Bourgeois, sondern sogar Fabrikant, aktiv gegen das Proletariat auftretender Bourgeois zu bleiben. Ein paar Tage auf der Fabrik meines Alten haben mich dazu gebracht, diese Scheußlichkeit, die ich etwas übersehen hatte, mir wieder vor die Augen zu stellen. Ich hatte natürlich darauf gerechnet, nur so lange im Schacher zu bleiben, als mir paßte, und dann irgend etwas Polizeiwidriges zu schreiben, um mich mit guter Manier über die Grenze drücken zu können, aber selbst bis dahin halte ich’s nicht aus. Wenn ich nicht täglich die scheußlichsten Geschichten aus der englischen Gesellschaft hätte in mein Buch registrieren müssen, ich glaube, ich wäre schon etwas versauert, aber das hat wenigstens meine Wut im Kochen erhalten. Und man kann wohl als Kommunist der äußeren Lage nach Bourgeois und Schachervieh sein, wenn man nicht schreibt, aber kommunistische Propaganda im großen und zugleich Schacher und Industrie treiben, das geht nicht. Genug, Ostern gehe ich hier fort. Dazu das erschlaffende Leben in einer ganz radikal christlich-preußischen Familie – es geht nicht mehr, ich würde auf die Dauer ein deutscher Philister werden können und das Philisterium in den Kommunismus hineintragen. – Nun laß mich nicht so lange auf einen Brief von Dir warten wie ich Dich diesmal. Grüße Deine Frau unbekannterweise und wer es sonst wert ist. Einstweilen schreibe noch hierher, man wird, falls ich schon fort sein sollte, mir Deine Briefe nachschicken.

Dein F. E.


[1] Vollzogene Tatsache.

[2] Restbestand [wörtlich: Toter Kopf].

[3] Friedfertige Demokraten [Bezeichnung des politischen Flügels der Fourieristen].

4

Barmen, 22. Februar 1845.

Lieber Marx!

Soeben erhalte ich nach langem Hin- und Herschreiben von Köln aus endlich Deine Adresse und setze mich gleich hin, an Dich zu schreiben. Sowie die Nachricht von der Expulsion herkam, hielt ich es für nötig, gleich eine Subskription zu eröffnen, um die Dir dadurch verursachten Extrakosten auf uns alle kommunistisch zu repartieren. Das Ding hatte guten Fortgang, und vor drei Wochen schickte ich 50 und einige Taler an Jung, forderte auch die Düsseldorfer auf, die ebensoviel zusammengebracht haben, und habe auch in Westfalen die deshalb nötige Agitation durch Heß anstiften lassen. Hier ist die Zeichnung indes noch nicht geschlossen, der Maler Köttgen hat indes die Sache verschleppt, und so bin ich noch nicht im Besitz aller zu erwartenden Gelder. Indes wird in ein paar Tagen alles hoffentlich einkommen, und dann werde ich Dir einen Wechsel auf Brüssel schicken. Da ich übrigens nicht weiß, ob das genügen wird, um Dir Deine Einrichtung in Brüssel zustande zu bringen, so versteht es sich von selbst, daß mein Honorar für das erste englische Ding, was ich hoffentlich bald wenigstens teilweise ausbezahlt bekomme und für den Augenblick entbehren kann, da mein Alter mir pumpen muß, Dir mit dem größten Vergnügen zur Disposition steht. Die Hunde sollen wenigstens das Pläsier nicht haben, Dich durch ihre Infamie in pekuniäre Verlegenheit zu bringen. Daß man Dich gezwungen hat, die Hausmiete für die Zukunft noch zu bezahlen, ist doch die Krone der Scheußlichkeit. Ich fürchte aber, man wird Dich am Ende in Belgien auch molestieren, so daß Dir zuletzt nur England übrig bleibt.

Doch kein Wort weiter von der ganzen niederträchtigen Geschichte. Kriege wird bei Ankunft dieses schon bei Dir sein. Der Kerl ist ein famoser Agitator. Er wird Dir von Feuerbach viel erzählen. – Den Tag nach seiner Abreise von hier traf ein Brief von Feuerbach an mich ein, wir hatten dem Kerl nämlich geschrieben. Feuerbach sagt, er müsse erst den religiösen Dreck gründlich vernichtet haben, ehe er sich so mit dem Kommunismus beschäftigen könne, daß er ihn schriftstellerisch vertrete. Auch sei er in Bayern zu sehr von dem ganzen Leben abgeschlossen, als daß er dazu kommen könne. Übrigens sei er Kommunist, und es handle sich für ihn nur um das Wie der Ausführung. Womöglich kommt er diesen Sommer an den Rhein, und dann soll er auch nach Brüssel, das wollen wir ihm schon beibringen.

Hier in Elberfeld geschehen Wunderdinge. Wir haben gestern im größten Saale und ersten Gasthof der Stadt unsere dritte kommunistische Versammlung abgehalten. Die erste 40, die zweite 130, die dritte wenigstens 200 Menschen stark. Ganz Elberfeld und Barmen, von der Geldaristokratie bis zur épicerie[1], nur das Proletariat ausgeschlossen, war vertreten. Heß hielt einen Vortrag. Gedichte von Müller, Püttmann und Stücke aus Shelley wurden gelesen, ebenso der Artikel über die bestehenden Kommunistenkolonien im Bürgerbuch. Nachher diskutiert bis 1 Uhr. Das Ding zieht ungeheuer. Man spricht von nichts als vom Kommunismus, und jeden Tag fallen uns neue Anhänger zu. Der Wuppertaler Kommunismus ist eine vérité[2], ja beinahe schon eine Macht. Was das für ein günstiger Boden hier ist, davon hast Du keine Vorstellung. Das dümmste, indolenteste, philisterhafteste Volk, das sich für nichts in der Welt interessiert hat, fängt an beinahe zu schwärmen für den Kommunismus. Wie lange man dem Ding noch so zusehen wird, weiß ich nicht, aber die Polizei ist jedenfalls in der höchsten Verlegenheit, sie weiß selbst nicht, woran sie ist, und der Hauptschweinehund, der Landrat, ist gerade in Berlin. Aber wenn man’s auch verbietet, so umgehen wir das, und geht das auch nicht, so haben wir jedenfalls so ungeheuer angeregt, daß alles, was in unserem Interesse erscheint, hier furchtbar gelesen wird. Da ich nun Ostern weggehen werde, so ist es um so besser, daß Heß sich hier ansiedelt und zugleich bei Bädeker in Elberfeld eine Monatsschrift herausgibt, wovon Kriege, glaube ich, einen Prospektus hat. Ich gehe, wie ich Dir wohl schon schrieb, jedenfalls nach Bonn. Meine projektierte Reise nach Paris wird nun zu Wasser, da ich dort nichts mehr zu suchen habe, dafür aber komme ich jedenfalls nach Brüssel, um so eher, als meine Mutter und meine beiden Schwestern im Sommer nach Ostende gehen werden. Ich muß außerdem noch mal nach Bielefeld unter die dortigen Kommunisten, und wenn Feuerbach nicht kommt, so gehe ich zu ihm, und dann, wenn ich Geld und Zeit habe, auch noch einmal nach England. Du siehst, ich hab’s gut vor. Bergenroth erzählte mir ebenfalls, er werde wahrscheinlich in einigen Wochen oder so nach Brüssel kommen. Er war, nebst einigen Düsseldorfern, bei unserer zweiten Versammlung anwesend und hat mitgesprochen. Es ist übrigens doch ein ganz anderes Ding, da vor den wirklichen leibhaftigen Menschen zu stehen und ihnen direkt, sinnlich, unverhohlen zu predigen, als dies verfluchte abstrakte Schreibertum mit seinem abstrakten Publikum vor den „Augen des Geistes“ zu treiben.

Ich soll Dich nochmals in Heß’ Namen – auch in dem meinigen tue ich es – auffordern, dem Püttmann was für seine Vierteljahrsschrift zu schicken. Wir müssen durchaus gleich im ersten Hefte alle erscheinen, damit das Ding Charakter bekommt. Ohnehin kommt es ohne uns gar nicht einmal zustande. –

25. Februar. Gestern abend kam die Nachricht an, daß unsere nächste Versammlung mit Gendarmen gesprengt und die Redner verhaftet werden sollten. – 26. Februar. Gestern morgen untersagte der Oberbürgermeister der Frau Obermeyer, in ihrem Lokal solche Zusammenkünfte zu gestatten, und mir wurde gesteckt, daß, wenn trotzdem die Versammlung gehalten würde, eine Verhaftung und Klage folgen würde. Wir haben’s jetzt natürlich drangegeben und müssen erwarten, ob man uns einklagen wird, was aber kaum zu erwarten steht, da wir schlau genug waren, keine Handhabe zu bieten, und der ganze Dreck nur in einer großartigen Blamage der Regierung endigen könnte. Ohnehin waren die Staatsanwälte und das ganze Landgericht gegenwärtig, und der Oberprokurator hat selbst mitdiskutiert.

7. März. Ich bin, seitdem ich das Vorstehende schrieb, eine Woche in Bonn und Köln gewesen. Die Kölner dürfen ihre Versammlung wegen des Vereins jetzt halten. In unserer hiesigen Angelegenheit ist ein Reskript der Regierung zu Düsseldorf eingetroffen, wodurch fernere Versammlungen verboten werden. Heß und Köttgen haben protestiert. Nutzt natürlich nichts, aber die Leute werden aus der Haltung des Protestes ersehen, daß sie uns nichts anhaben können. Heß ist wieder ungeheuer sanguinisch, weil alles sonst so famos abläuft und unsere Fortschritte wirklich ungeheuer sind, der gute Kerl macht sich nur immer Illusionen. – Unser Gesellschaftsspiegel wird prächtig, der erste Bogen ist schon zensiert und alles durch. Beiträge in Masse. Heß wohnt in Barmen in der „Stadt London“. Bergenroth wird wahrscheinlich doch sobald nicht dorthin kommen, dagegen ein anderer, den ich nicht nenne, weil dieser Brief doch wohl erbrochen wird. Wenn es irgend geht, komme ich auch noch einmal im April hinüber. Der Geldpunkt ist jetzt die Hauptsache für mich, da ich infolge der Versammlung Familientuck gehabt habe, wonach mein Alter resolviert ist, mich nur für meine „Studia“, nicht aber für kommunistische Zwecke irgend einer Art zu unterstützen.

Ich würde Dir noch eine Masse Zeugs schreiben, wenn ich eine sichere Adresse nach Brüssel wüßte, die Du mir jedenfalls verschaffen mußt. Viele Sachen, die hier vorgefallen, könnten vielen schaden, wenn sie in einem cabinet noir[3] gelesen würden. Ich bleibe nun noch vier Wochen hier und gehe anfangs April nach Bonn. Schreibe mir jedenfalls nochmals vorher, damit man weiß, wie Dir’s geht. Die Gelder sind so ziemlich zusammen, ich habe noch nicht erfahren, wieviel es ist, es soll unverzüglich abgehen. Mein Manuskript geht dieser Tage ab. – Die Kritische Kritik ist noch immer nicht hier! Der neue Titel: Die heilige Familie wird mich wohl in Familienhäkeleien mit meinem frommen, ohnehin jetzt höchst gereizten Alten bringen, das konntest Du natürlich nicht wissen. Wie aus der Ankündigung hervorgeht, hast Du meinen Namen zuerst gesetzt, warum? Ich habe ja fast nichts daran gemacht, und Deinen Stil kennt doch jeder heraus.

Schreibe mir nun umgehend, ob Du noch Geld nötig hast. Wigand muß mir in zirka 14 Tagen was schicken, und dann hast Du nur zu disponieren. Ich fürchte, die Rückstände der Subskription werden nicht über 120 bis 150 Franken betragen.

Apropos. Wir haben hier vor, den Fourier zu übersetzen und überhaupt womöglich eine „Bibliothek der vorzüglichsten sozialistischen Schriftsteller des Auslandes“ zu geben. Fourier wäre der beste, um anzufangen. Leute zum Übersetzen sind gefunden. Heß erzählt mir soeben von einem in Frankreich herausgekommenen Wörterbuch zu Fourier, von einem beliebigen Fourieristen. Du wirst davon wissen. Gib mir doch auch hierüber sogleich Auskunft und womöglich schicke ein Exemplar per Post an mich. Empfiehl zu gleicher Zeit die Sachen der Franzosen, von denen Du glaubst, daß sie sich zum Übersetzen in der Bibliothek eignen. Aber rasch, die Sache hat Eile, da wir schon mit einem Verleger am Unterhandeln sind. Wie weit bist Du mit Deinem Buch? Ich muß jetzt an mein Manuskript. Darum lebe einstweilen wohl und schreibe über die erwähnten Punkte sogleich.

Grüße Kriege und Bürgers. Ist Bernays da?

Dein F. E.


[1] Krämertum.

[2] Wahrheit, Tatsache.

[3] Schwarzes Kabinett [für Erbrechung von Briefen].

5

Barmen, 17. März 1845.

Lieber Marx!

Gestern gab mir Heß Deinen Brief. Was die Übersetzungen betrifft, so ist das Ganze noch gar nicht organisiert. In Bonn wollte ich den Fourier von einigen dortigen Leuten unter meinen Augen und meiner Leitung übersetzen lassen, natürlich den kosmogonischen Unsinn weglassen, und wenn der Verleger einverstanden wäre, das Ding als erste Sektion einer solchen Bibliothek herausgeben. Ich sprach gelegentlich mit B[utz], dem Verleger des Gesellschaftsspiegels, darüber, und er schien nicht übel Lust dazu zu haben, obgleich er zu einer größeren Bibliothek nicht die Fonds hat. Geben wir aber das Ding in dieser Gestalt, so wird es allerdings besser sein, es Leske oder sonst jemand zu geben, der auch was dranwenden kann. Die Sachen selbst zu übersetzen, habe ich für den Sommer durchaus keine Zeit, da ich die englischen Sachen abschließen muß. Das erste Ding ist diese Woche an Wigand abgegangen, und da ich mit ihm stipuliert habe, daß er mir 100 Taler bei Empfang des Manuskriptes auszahlen soll, so denke ich in 8 bis 12 Tagen Geld zu bekommen und Dir schicken zu können. Einstweilen liegen 122,22 Franken per 16. März auf Bons.

Hierbei den Rest der Subskriptionen; wenn die Sache nicht durch die Elberfelder so scheußlich verschleppt worden wäre, die von ihren amis-bourgeois[1] noch wenigstens 20 Taler hätten zusammentreiben können, so wäre es eher und mehr gekommen.

Um auf die Bibliothek zurückzukommen, so weiß ich nicht, ob die historische Reihenfolge der Sachen die beste sein würde. Da Franzosen und Engländer doch abwechseln müßten, so würde der Zusammenhang der Entwicklung doch fortwährend unterbrochen werden. Ohnehin glaube ich, daß es besser wäre, hierbei das theoretische Interesse der praktischen Wirksamkeit aufzuopfern und mit den Sachen anzufangen, die den Deutschen am meisten Stoff geben und unseren Prinzipien am nächsten stehen; also die besten Sachen von Fourier, Owen, den Saint-Simonisten usw. – Morelly könnte auch ziemlich vornehin kommen. Die historische Entwicklung könnte man ganz kurz in der Einleitung zum Ganzen geben, und so würde sich auch bei einer solchen Anordnung jeder leicht zurechtfinden. Die Einleitung könnten wir zusammen machen – Du Frankreich, ich England nehmen –, vielleicht ginge das schon, wenn ich, wie ich vorhabe, in drei Wochen herüberkomme – wenigstens könnten wir das Ding besprechen –, jedenfalls scheint mir aber durchaus nötig, gleich von vornherein mit Sachen anzufangen, die von praktischer, einschlagender Wirkung auf die Deutschen sind und uns ersparen, das noch einmal zu sagen, was andere vor uns gesagt haben. Wenn wir eine Quellensammlung zur Geschichte des Sozialismus oder vielmehr die Geschichte in und durch die Quellen geben wollten, so würden wir mit dem Ding, fürchte ich, in langer Zeit nicht fertig und obendrein langweilig werden. Deshalb bin ich dafür, daß wir nur solche Sachen geben, deren positiver Inhalt wenigstens zum größten Teil heute noch zu brauchen ist. Godwins Political Justice[2] würde, als Kritik der Politik vom politischen und bürgerlich-gesellschaftlichen Standpunkt, trotz der vielen famosen Sachen, in denen Godwin an den Kommunismus anstreift, wegfallen, da Du doch die vollständige Kritik der Politik geben wirst. Um so eher, als Godwin am Ende seiner Schrift zum Resultat kommt, der Mensch habe sich möglichst von der Gesellschaft zu emanzipieren und sie nur als einen Luxusartikel zu gebrauchen (Political Justice, II, Buch 8, Anhang zu Kapitel 8) und überhaupt in seinen Resultaten so entschieden antisozial ist. Ich habe übrigens das Buch vor sehr langer Zeit, wo ich noch arg im unklaren war, exzerpiert und muß es jedenfalls noch einmal durchnehmen, deswegen ist es leicht möglich, daß mehr in dem Ding steckt, als ich damals darin fand. Nehmen wir aber Godwin, so dürfen wir sein Supplement Bentham auch nicht fehlen lassen, obwohl der Kerl arg langweilig und theoretisch ist. – Schreibe mir hierüber, und dann wollen wir weiter sehen, was zu machen ist. Da diese Idee uns beiden gekommen ist, so muß sie jedenfalls durchgeführt werden – ich meine die Bibliothek. Heß wird sich gewiß mit Vergnügen dabei beteiligen und ich desgleichen, sobald ich irgendwie Zeit habe – Heß hat sie, da er augenblicklich außer der Redaktion des Gesellschaftsspiegels nichts im Schilde führt. – Sind wir über die Grundlage einverstanden, so können wir bei meiner Dorthinkunft, die ich wegen dieser Sache noch mehr betreiben werde, die Sache vollständig ins reine bringen und gleich ans Werk gehen. –

Die Kritische Kritik – ich glaube, ich schrieb Dir schon, daß sie angekommen ist – ist ganz famos. Deine Auseinandersetzungen über Judenfrage, Geschichte des Materialismus und mystères[3] sind prächtig und werden von ausgezeichneter Wirkung sein. Aber bei alledem ist das Ding zu groß. Die souveräne Verachtung, mit der wir beide gegen die Literatur-Zeitung auftreten, bildet einen argen Gegensatz gegen die 22 Bogen, die wir ihr dedizieren. Dazu wird doch das meiste von der Kritik der Spekulation und des abstrakten Wesens überhaupt dem größeren Publikum unverständlich bleiben und auch nicht allgemein interessieren. Sonst aber ist das ganze Buch prächtig geschrieben und zum Kranklachen. Die Bauers werden kein Wort sagen können. Bürgers kann übrigens, wenn er’s im Püttmannschen ersten Heft anzeigt, gelegentlich den Grund erwähnen, aus welchem ich nur wenig und nur das, was ohne tieferes Eingehen auf die Sache geschrieben werden konnte, bearbeitet habe – meine zehntägige kurze Anwesenheit in Paris. Es sieht ohnehin komisch aus, daß ich vielleicht anderthalb Bogen und Du über zwanzig drin hast. Das über die „Hurenverhältnisse“ hättest du besser gestrichen. Es ist zu wenig und zu total unbedeutend.

Es ist merkwürdig, wie ich außer mit der Bibliothek noch in einem anderen Plane mit Dir zusammengekommen bin. Auch ich wollte für Püttmann eine Kritik Lists schreiben – glücklicherweise erfuhr ich durch Püttmann Deine Absicht früh genug. Da ich den List übrigens praktisch fassen wollte, die praktischen Folgen seines Systems entwickeln, so werde ich eine meiner Elberfelder Reden (die Verhandlungen werden im Püttmannschen Ding gedruckt), worin ich dies unter anderem in kurzem tat, etwas weiter ausarbeiten – ich vermute ohnehin nach dem Bürgersschen Brief an Heß und nach Deiner Persönlichkeit, daß Du Dich mehr auf seine Voraussetzungen als auf seine Konsequenzen einlassen wirst.

Ich lebe Dir jetzt ein wahres Hundeleben. Durch die Versammlungsgeschichten und die „Liederlichkeit“ mehrerer unserer hiesigen Kommunisten, mit denen ich natürlich umgehe, ist der ganze religiöse Fanatismus meines Alten wieder erweckt, durch meine Erklärung, den Schacher definitiv dranzugeben, gesteigert – und durch mein offenes Auftreten als Kommunist hat sich nebenbei noch ein glänzender Bourgeoisfanatismus in ihm entwickelt. Jetzt denke Dir meine Stellung. Ich mag, da ich in vierzehn Tagen oder so weggehe, keinen Krakeel anfangen; ich lasse alles über mich ergehen, das sind sie nicht gewohnt und so wächst ihnen der Mut .... Wär’s nicht um meiner Mutter willen, die einen schönen menschlichen Fonds und nur meinem Vater gegenüber gar keine Selbständigkeit hat, und die ich wirklich liebe, so würde es mir keinen Augenblick einfallen, meinem fanatischen und despotischen Alten auch nur die elendeste Konzession zu machen. Aber so grämt sich meine Mutter ohnehin jeden Augenblick krank und hat gleich jedesmal, wenn sie sich speziell über mich ärgert, acht Tage Kopfschmerzen – es ist nicht mehr auszuhalten, ich muß fort und weiß kaum, wie ich die paar Wochen, die ich hier bin, noch aushalten soll. Doch das wird auch schon gehen.

Im übrigen ist hier nichts Neues. Die Bourgeoisie politisiert und geht in die Kirche, das Proletariat tut, wir wissen nicht was, und können’s kaum wissen. Die Adresse, an die Euer letzter Brief abging, ist einstweilen noch sicher. Heute abend hoffe ich das Geld zu bekommen – eben versichert mir Köttgen, daß er, sobald er etwas mehr Zeit hat – in ein paar Tagen – noch etwas wird auftreiben können. Ich traue dem Ding aber nicht recht, der Köttgen ist bei der Hand, wo er sich hervortun kann, aber sonst taugt er und tut er nichts. Addio!

Dein E.


[1] Bourgeois-Freunden

[2] Politische Gerechtigkeit.

[3] Geheimnisse [bezieht sich auf die Kritik von Sues „Die Geheimnisse von Paris“].

1846

6

Cercle Valois, Palais Royal, 19. August 1846.

Lieber Marx!

Freitag abend nach einer strapaziösen Reise und viel Langeweile hier endlich angekommen. Ewerbeck gleich getroffen. Der Junge ist sehr fidel, vollständig traktabel, empfänglicher wie je, kurz, ich hoffe mit ihm in allen Dingen – mit einiger Geduld – ganz gut herumzukommen. Von Jammer über Parteistreitigkeiten ist keine Rede mehr – aus dem einfachen Grunde, weil er selbst in die Notwendigkeit versetzt ist, hier einige Weitlingianer herauszubugsieren. Was er mit Grün eigentlich gehabt hat, wodurch der Bruch mit ihm eintrat, darüber ist bis jetzt wenig verlautet; gewiß ist, daß ihn Grün durch ein abwechselnd kriechendes, abwechselnd hochfahrendes Betragen in einer gewissen respektvollen Zuneigung erhielt. Ewerbeck ist über Heß vollständig im klaren, il n’a pas la moindre sympathie pour cet homme-la![1] Er hatte ohnehin noch so einen alten Privathaß gegen ihn von der Zeit her, da sie zusammenwohnten. Ewerbeck hat übrigens den Proudhon vor Grün gewarnt. Grün ist wieder hier, wohnt hinten auf dem Ménilmontant und schmiert die scheußlichsten Artikel in die Triersche. Mäurer hat dem Cabet die bezüglichen Stellen aus dem Grünschen Buche übersetzt, Du kannst Dir Cabets Wut denken. Auch beim National ist er außer allem Kredit.

Bei Cabet war ich. Der alte Knabe war recht kordial, ich ging auf all seinen Kram ein, erzählte ihm von Gott und dem Teufel usw. Ich werde öfter hingehen. Aber mit der Korrespondenz müssen wir ihm vom Halse bleiben. Er hat erstens genug zu tun und ist zweitens zu mißtrauisch. Il y verrait un piège,[2] um seinen Namen zu mißbrauchen.

Ich habe in den Epigonen „Das Wesen der Religion“ von Feuerbach etwas durchgeblättert. Abgesehen von einigen netten Aperçus ist das Ding ganz im alten Stiefel. Anfangs, wo er sich rein auf die Naturreligion beschränkt, ist er schon gezwungen, sich mehr auf empirischem Boden zu verhalten, aber später wird’s kunterbunt. Wieder lauter Wesen, Mensch usw. Ich werde es genau lesen und Dir in kürzester Frist die Hauptstellen, wenn sie interessant sind, exzerpieren, damit Du es für den Feuerbach noch gebrauchen kannst. Einstweilen nur zwei Sätze. Das Ganze – zirka sechzig Seiten – beginnt mit folgender, vom menschlichen Wesen unterschiedenen Definition der Natur: „Das vom menschlichen Wesen oder Gott(!!), dessen Darstellung das ‚Wesen des Christentums‘ ist, unterschieden als unabhängige Wesen (1), das Wesen ohne menschliches Wesen (2), menschliche Eigenschaften (3), menschliche Individualität (4), ist in Wahrheit nichts anderes als – die Natur.“ Dies ist doch das Meisterstück einer mit Donnerton ausposaunten Tautologie. Dazu kommt aber noch, daß er das religiöse, vorgestellte Phantom der Natur an diesem Satz vollständig hinten und vorn mit der wirklichen Natur identifiziert. Comme toujours.[3] – Ferner, etwas weiter. „Religion ist die Beherzigung und Bekennung dessen, was ich bin(!) ... Die Abhängigkeit von der Natur sich zum Bewußtsein erheben, sie sich vorstellen, beherzigen, bekennen, heißt sich zur Religion erheben.“

Der Minister Dumon wurde dieser Tage im Hemde bei der Frau eines Präsidenten ertappt. Der „Corsaire“ erzählt: Eine Dame, die bei Guizot suppliziert hatte, sagte, es ist schade, daß ein so ausgezeichneter Mann wie Guizot, est toujours si sévère et boutonné jusqu’au cou[4]. Die Frau eines employé der Travaux publics[5] sagt: On ne peut pas dire cela de M. Dumon, on trouve généralement qu’il est un peu trop déboutonné pour un ministre.[6]

Quelques heures après,[7] nachdem ich dem Weilchen zu Gefallen umsonst ins Café Kardinal geloffen – das Weilchen ist etwas traurig, weil ihm die Démocratie pacifique[8] seine Honorare, zirka 1000 Franken, nicht zahlt; es scheint eine Art great crisis and stopping of cash payments[9] bei ihr eingetreten zu sein, und Weilchen ist zu sehr Jude, um sich mit Banknoten auf das erste Phalanstère der Zukunft abfertigen zu lassen. Übrigens werden die Herren Fourieristen alle Tage langweiliger. Die Phalange enthält nichts als Unsinn. Die Mitteilungen aus Fouriers Nachlaß beschränken sich alle auf das mouvement aromal[10] und die Begattung der Planeten, die plus ou moins[11] von hinten zu geschehen scheint. Aus der Begattung des Saturn und Uranus entstehen die Mistkäfer, welche jedenfalls die Fourieristen selber sind – der Hauptmistkäfer aber ist der Herr Hugh Doherty, der Irländer, der eigentlich noch nicht einmal Mistkäfer, sondern erst Mistengerling, Mistlarve ist – das arme Tier wälzt sich schon zum zehnten Male (10me article[12]) in der question religieuse[13] herum und hat noch immer nicht heraus, wie er mit Anstand sein exit[14] machen kann.

Bernays habe ich noch nicht gesehen. Wie Ewerbeck aber sagt, ist es so gar arg mit ihm nicht und sein größtes Leiden die Langeweile. Der Mann soll sehr robust und gesund geworden sein, seine Hauptbeschäftigung, die Gärtnerei, scheint in Beziehung auf seinen Kadaverzustand den Sieg über seinen Kummer davongetragen zu haben. Auch hält er, dit-on,[15] die Ziegen bei den Hörnern, wenn seine –? Gattin? –, die nur zwischen zwei Fragezeichen zu denken ist, sie melkt. Der arme Teufel fühlt sich in seiner Umgebung natürlich unbehaglich, er sieht außer Ewerbeck, der wöchentlich hinauskommt, keine Seele, läuft in einer Bauernjacke herum, geht nie aus dem Sarcelles, das das elendeste Dorf der Welt ist und nicht einmal ein Kabarett hat, heraus, kurz, er ennuyiert sich zum Sterben. Wir müssen sehen, daß wir ihn wieder nach Paris kriegen, dann ist er in vier Wochen wieder der alte. Da der Börnstein in seiner Qualität als Mouchard nicht wissen soll, daß ich hier bin, so haben wir dem Bernays erst geschrieben wegen eines Rendezvous in Montmorency oder sonst in der Nähe, nachher schleifen wir ihn nach Paris und wenden ein paar Franken daran, ihn einmal tüchtig aufzuheitern. Dann wird er schon anders werden. Übrigens laß ihn nicht merken, daß ich Dir so über ihn geschrieben habe, in seiner überspannten romantischen Stimmung könnte der gute Junge sich moralisch verletzt fühlen ....

Antworte bald.

Dein E.

Adresse: 11, rue de l’Arbre sec, 17.[16]

Es versteht sich, daß, was ich Dir hier und später über Ewerbeck, Bernays und andere Bekannte schreibe, strikt konfidentiell ist.

Ich frankiere nicht, da ich knapp bei Gelde bin und vor dem 1. Oktober nichts zu erwarten habe. An selbigem Tage werde ich aber einen Wechsel schicken, um meinen Anteil an den Portoauslagen zu decken.


[1] Er hat nicht die geringste Sympathie für diesen Menschen.

[2] Er würde darin eine Falle sehen.

[3] Wie immer.

[4] immer so streng und bis und den Hals zugeknöpft ist.

[5] Beamten der öffentlichen Arbeiten.

[6] Man kann das nicht von M. Dumon sagen, man findet allgemein, daß er für einen Minister etwas zu aufgeknöpft ist.

[7] Einige Stunden später.

[8] [Das Blatt] Friedfertige Demokratie.

[9] Große Krise und Einstellung der Barzahlungen.

[10] Bewegung nach Ausströmungen [in Charles Fouriers Theorie].

[11] Mehr oder weniger.

[12] Zehnter Artikel.

[13] Religiöse Frage.

[14] Ausgang.

[15] Sagt man.

[16] Arbre sec [dürrer Baum], Straße.

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Poststempel Paris, 21. August 1846.

Brief an das Brüsseler Komitee. Nr. 1.

Carissimi![1] Unsere Geschichte wird hier sehr gut gehen. Ewerbeck ist ganz voll davon und wünscht nur, daß die offizielle Organisation eines Komitees nicht übereilt werde, weil eine Spaltung bevorsteht. Der Rest der Weitlingianer, eine kleine Schneiderclique, steht nämlich im Begriff, hier herausgeschmissen zu werden, und Ewerbeck hält es für besser, daß dies erst abgemacht wird. Ewerbeck glaubt indes nicht, daß mehr als vier bis fünf der Hiesigen zur Korrespondenz zugezogen werden können, was auch vollständig hinreichend ist. In meinem Nächsten hoffe ich die Konstituierung anzeigen zu können.

Diese Schneider sind wirklich gottvolle Kerls. Neulich haben sie über Messer und Gabeln, ob die nicht besser an die Kette zu legen seien, ganz ernsthaft diskutiert. Es sind ihrer aber nicht viele. Weitling selbst hat auf den letzten, durch uns ihm besorgten, sehr groben Brief nicht geantwortet. Er hatte 300 Franken für seine Erfindung zu praktischen Experimenten verlangt, ihnen aber zugleich geschrieben, das Geld sei wahrscheinlich in den Dreck geschmissen. Ihr könnt Euch denken, wie sie ihm antworteten.

Die Schreiner und Gerber dagegen sollen famose Kerls sein. Ich habe sie noch nicht gesehen, Ewerbeck betreibt das alles mit bekannter Bedächtigkeit.

Ich will Euch jetzt einiges aus französischen Blättern mitteilen, versteht sich aus solchen, die nicht nach Brüssel kommen.

Das Monatsblatt von Pierre Leroux wird fast ganz mit Artikeln über Saint-Simon und Fourier von Pierre Leroux selbst gefüllt. Er erhebt darin Saint-Simon in die Wolken und sucht Fourier möglichst schlecht zu machen und als verfälschenden und verschlechternden Nachtreter von Saint-Simon darzustellen. So plagt er sich ab, zu beweisen, daß die Quatre Mouvements[2] nur ein vermaterialistisiertes Plagiat der Lettres d’un habitant de Genève[3] seien. Der Kerl ist rein verrückt. Weil es dort einmal heißt, ein System, das alle Wissenschaft enzyklopädisch zusammenfasse, ließe sich am besten durch die Zurückführung aller Erscheinungen usw. auf die pesanteur universelle[4] durchführen, so muß Fourier darauf seine ganze Lehre von der Attraktion genommen haben. Natürlich sind alle Beweise, Zitate usw. nicht einmal hinreichend, zu beweisen, daß Fourier die Lettres auch nur gelesen hatte, als er die Quatre Mouvements schrieb. Dagegen wird die ganze Richtung Enfantin als in die Schule hereingeschmuggelter Fourierismus bezeichnet. Das Blatt heißt: Revue Sociale ou solution pacifique du problème du prolétariat.[5]

Das Atelier erzählt nachträglich über den reformistischen Journalkongreß: Es sei nicht dort gewesen und daher sehr erstaunt, sich auf der Liste der dort repräsentierten Journale zu finden. Man habe le peuple de la presse[6] so lange ausgeschlossen, bis die Basen der Reform festgestellt waren, und als man dann den Ouvrierjournalen die Türen zum Jasagen geöffnet, habe es es unter seiner Würde gehalten, hinzugehen. Das Atelier erzählt ferner, daß 150 Ouvriers[7], wahrscheinlich Buchesisten – welche Partei nach Versicherung von Franzosen zirka 1 000 Mann stark sein soll –, am 29. Juli die Julitage ohne Erlaubnis der Polizei durch ein Bankett feierten. Die Polizei mischte sich ein, und weil sie sich nicht verpflichten wollten, keine politischen Reden zu führen und keine Bérangerschen Lieder zu singen, wurden sie aufgelöst.

Die „Epigonen“ des Herrn Wigand sind hier. Herr Wigand wirft sich hier mit furchtbarem Gepolter in die aufgeblähte Brust: „An A. Ruge.“ Er hält diesem ihre beiderseitigen Pechheiten vor, die sie seit vier Jahren ausgestanden. Ruge konnte – in Paris – „mit den fanatischen Kommunisten nicht Hand in Hand gehen“. Der Kommunismus ist ein Zustand „im eigenen dünkelvollen Hirn ausgeheckt, eine beschränkte und dünkelvolle Barbarei, die der Menschheit gewaltsam aufgedrängt werden soll“. Schließlich renommiert er, was er nicht alles tun will, „solange es noch Blei zu Lettern in der Welt gibt“. Ihr seht, der candidat de la potence[8] hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, es bis zum candidat de la lanterne[9] zu bringen.

Ich mache Euch aufmerksam auf den Artikel im heutigen „National“ (mercredi[10] 19) über die Abnahme der Wähler in Paris von über 20 000 auf 17 000 seit 1844.

11, rue de l’Arbre sec, 19. August 1846.

Euer E.

Paris ist tief gesunken. Danton verkauft Holz am Boulevard Bourdon, Barbaroux hat einen Kattunladen, Rue St. Honoré, die Réforme hat nicht die Kraft mehr, den Rhein zu verlangen, die Opposition sucht die Kapazitäten und findet sie nicht, die Herren Bourgeois legen sich so früh schlafen, daß um 12 Uhr alles zu sein muß, und la jeune France[11] läßt sich das ruhig gefallen. Die Polizei hätte das gewiß nicht durchgesetzt, aber die frühen Comptoirstunden der Herren Prinzipale, die nach dem Sprichwort leben: Morgenstunde hat usw. usw. Herrn Grüns auf Kosten der Arbeiter gedruckte Broschüre ist dieselbe, die ich einmal bei Seiler gesehen habe: „Die preußischen Landtagsabschiede, ein Wort zur Zeit“ (anonym), enthält hauptsächlich Plagiate aus Marx’ Aufsätzen (Deutsch-französische Jahrbücher) und kolossalen Unsinn. „Nationalökonomische“ und „sozialistische“ Fragen sind ihm identisch. Folgende Entwicklung der absoluten Monarchie: „Der Fürst machte sich eine abstrakte Domäne, und diese geistige Domäne hieß der Staat. Der Staat ward die Domäne der Domänen; als Ideal der Domäne hebt er die einzelne Domäne ebensowohl auf, als er sie stehen läßt, er hebt sie immer dann auf, wenn sie absolut selbständig werden will usw.“ Diese „geistige“ Domäne „Preußen“ verwandelt sich gleich darauf in eine Domäne, „auf der gebetet wird, eine geistliche Domäne“! Resultat des Ganzen: der Liberalismus ist in Preußen theoretisch bereits überwunden, daher werden sich die Reichsstände gar nicht mehr mit Bourgeoisfragen, sondern directement mit der sozialen Frage beschäftigen. „Die Schlacht- und Mahlsteuer ist die wahre Verräterin vom Wesen der Steuer, sie verrät nämlich, daß jede Steuer eine Kopfsteuer ist. Wer aber eine Kopfsteuer erhebt, der sagt: Eure Köpfe und Leiber sind mein eigen, ihr seid kopf- und leibeigen. Die Schlacht- und Mahlsteuer entspricht zu sehr dem Absolutismus usw.“ Der Esel hat zwei Jahre lang Oktroi bezahlt und weiß es noch nicht, er glaubt, so was existiere nur in Preußen. Schließlich ist das Broschürli, einige Plagiate und Phrasen abgerechnet, durch und durch liberal, und zwar deutsch-liberal.


[1] Teuerste [Freunde].

[2] Vier Bewegungen. [Der Titel der ersten Hauptschrift Charles Fouriers.]

[3] Briefe eines Bewohners von Genf. [Der Titel der ersten Hauptschrift Saint-Simons.]

[4] Allgemeine Schwere.

[5] Soziale Rundschau oder die friedliche Lösung der Frage des Proletariats.

[6] Das Volk der Presse.

[7] Arbeiter, beziehungsweise Handwerker.

[8] Kandidat des Galgens.

[9] Kandidat für die Laterne.

[10] Mittwoch.

[11] Das junge Frankreich.

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Brief an das Brüsseler Komitee. Nr. II.

Poststempel Paris, 19. [16.] September 1846.

Liebe Freunde!

Eure Nachrichten über Belgien, London und Breslau waren mir sehr interessant. Ich habe an Ewerbeck und Bernays davon mitgeteilt, was sie interessierte. Haltet mich zugleich etwas au fait[1] über den Sukzeß unseres Unternehmens und die plus ou moins[2] eifrige Teilnahme der verschiedenen Lokalitäten, damit ich mich hier den Arbeitern gegenüber, soweit es politisch, auslassen kann. Was machen die Kölner? – Von hier aus ist allerlei:

1. Mit den hiesigen Arbeitern bin ich mehrere Male zusammen gewesen, das heißt mit den Hauptleuten der Schreiner aus dem Faubourg St. Antoine. Die Leute sind eigentümlich organisiert. Außer ihrer – durch eine große Dissension mit den Weitlingschen Schneidern – sehr in Konfusion geratenen Vereinsgeschichte kommen diese Kerls, das heißt zirka zwölf bis zwanzig von ihnen, jede Woche einmal zusammen, wo sie bisher diskutierten; da ihnen aber der Stoff ausging, wie das gar nicht anders möglich, so war Ewerbeck genötigt, ihnen Vorträge über deutsche Geschichte – ab ovo[3] – und eine höchst verworrene Nationalökonomie – vermenschentümlichte Deutsch-französische Jahrbücher – zu halten. Dazwischen kam ich. Zweimal hab’ ich, um mich mit ihnen in Konnex zu setzen, die deutschen Verhältnisse seit der französischen Revolution, von den ökonomischen Verhältnissen ausgehend, auseinandergesetzt. Was sie nun in diesen Wochenversammlungen loskriegen, wird Sonntags in den Barriereversammlungen, wo Krethi und Plethi hinkommt, Weib und Kind, durchgepaukt. Hier wird – abstraction faite de toute espèce de politique[4] – so etwas „soziale Fragen“ diskutiert. Das Ding ist gut, um neue Leute hinzuzuziehen, denn es ist ganz öffentlich, vor vierzehn Tagen war die Polizei da, wollte Veto einlegen, ließ sich aber beruhigen und hat nichts weiter getan. Oft sind über 200 Leute zusammen. – Wie diese Geschichte jetzt ist, kann sie unmöglich bleiben. Es ist eine gewisse Schläfrigkeit unter den Kerls eingerissen, die aus ihrer Langeweile über sich selbst hervorgeht. Was sie nämlich dem Schneiderkommunismus entgegensetzen, ist weiter nichts als Grünsche menschentümliche Phrasen und vergrünter Proudhon, den ihnen teils Herr Grün höchstselbst, teils ein alter aufgeblasener Schreinermeister und Knecht Grüns, Papa Eisermann, teils aber auch Amicus E[werbeck] mit Mühe und Not eingebleut hat. Das ist ihnen natürlich bald alle geworden, eine ewige Repetition trat ein, und um sie vor dem Einschlafen (buchstäblich, dies riß furchtbar in den Sitzungen ein) zu bewahren, quälte sie Ewerbeck mit spitzfindigen Disquisitionen über den „wahren Wert“ (den ich teilweise auf dem Gewissen habe) und ennuyiert sie mit den germanischen Urwäldern, Hermann dem Cherusker und den scheußlichsten altdeutschen Etymologien nach Adelung, die alle falsch sind.

Übrigens ist nicht Ewerbeck der eigentliche Chef dieser Leute, sondern J[unge], der in Brüssel war; der Kerl sieht sehr gut ein, was geändert werden muß, und könnte sehr viel tun, denn er hat sie alle in der Tasche und zehnmal mehr Verstand wie die ganze Clique, aber er ist zu wackelhaft und macht immer neue Projekte. Daß ich ihn seit beinahe drei Wochen nicht gesehen – er kam nie und ist nirgends zu finden –, ist die Ursache, daß noch so wenig ausgerichtet ist. Ohne ihn sind die meisten schlapp und schwankend. Man muß aber mit den Kerls Geduld haben; zuerst muß der Grün ausgetrieben werden, der wirklich direkt und indirekt einen schauderhaft erschlaffenden Einfluß ausgeübt hat, und dann, wenn man ihnen diese Phrasen aus dem Kopf gebracht, hoffe ich, mit den Kerls zu etwas zu kommen, denn sie haben alle einen großen Drang nach ökonomischer Belehrung. Da ich Ewerbeck, der bei bekannter, jetzt im höchsten Grade blühender Konfusion den besten Willen von der Welt hat, ganz in der Tasche habe, und J[unge] auch vollständig auf meiner Seite ist, so wird sich das bald machen. Wegen der Korrespondenz habe ich mit Sechsen beraten. Der Plan fand, besonders bei J[unge], sehr großen Anklang und wird von hier aus ausgeführt werden. Solange aber nicht durch Zerstörung des persönlichen Einflusses des Grün und Ausrottung seiner Phrasen wieder Energie unter die Leute gebracht ist, so lange ist bei großen materiellen Hindernissen (besonders Engagement fast aller Abende) nichts zu machen. Ich habe ihnen offeriert, dem Grün in ihrer Gegenwart seine persönlichen Schuftereien ins Gesicht zu sagen, und B[ernay]s will auch kommen – Ewerbeck hat auch ein Hühnchen mit ihm zu pflücken –. Dies wird geschehen, sobald sie ihre eigenen Sachen mit Grün abgemacht, das heißt Garantie für das zum Druck des Grünschen Landtagsmistes vorgeschossene Geld bekommen haben. Da J[unge] aber nicht kam und die übrigen sich wie Kinder benahmen gegenüber dem Grün, so ist auch das noch nicht in Ordnung, obwohl bei einiger Energie das Ding in fünf Minuten abgemacht wäre. Das Pech ist, die meisten dieser Kerls sind Schwaben.

2. Jetzt etwas Ergötzliches. Proudhon hat in dem neuen, noch ungedruckten Buche, was Grün verdolmetscht, einen großen Plan, Geld aus Nichts zu machen und allen Arbeitern das Himmelreich nahe zu rücken. Niemand wußte, was das war. Grün hielt sehr hinter dem Berge, renommierte aber sehr mit seinem Stein der Weisen. Allgemeine Spannung. Endlich vorige Woche war Papa Eisermann bei den Schreinern, ich auch, und allmählich rückt der alte Zierbengel höchst naiv-geheimnisvoll heraus. Herr Grün hat ihm den ganzen Plan vertraut. Jetzt hört die Größe dieses Welterlösungsplanes: ni plus ni moins[5] als die in England längst dagewesenen und zehnmal bankrottierten Labour bazars oder labour-markets[6], Assoziationen aller Handwerker aller Zweige, großes Depot, alle von den Associés eingelieferten Arbeiten genau nach den Kosten des Rohproduktes plus der Arbeit taxiert und in anderen Assoziationsprodukten bezahlt, die ebenso taxiert werden. Was mehr geliefert, als in der Assoziation verbraucht wird, soll auf dem Weltmarkt verkauft, der Ertrag den Produzenten ausbezahlt werden. Auf diese Weise, spekuliert der pfiffige Proudhon, umgeht er und seine Mitassociés den Profit des Zwischenhändlers. Daß er dabei auch den Profit auf sein Assoziationskapital umgeht, daß dies Kapital und dieser Profit genau so groß sein müssen wie das Kapital und der Profit der umgangenen Zwischenhändler, daß er also mit der Rechten wegwirft, was die Linke bekommt, daran hat der feine Kopf nicht gedacht. Daß seine Arbeiter nie das nötige Kapital aufbringen können, weil sie sich sonst ebensogut separat etablieren könnten, daß die etwaige, aus der Assoziation hervorgehende Kostenersparnis durch das enorme Risiko mehr als aufgewogen wird, daß die ganze Geschichte darauf hinausläuft, den Profit aus der jetzigen Welt herauszueskamotieren und alle Produzenten des Profits stehen zu lassen, daß sie eine wahre Straubingeridylle ist, die von vornherein alle große Industrie, Bauhandwerke, Ackerbau usw. ausschließt, daß sie nur die Verluste der Bourgeois zu tragen haben, ohne ihren Gewinn zu teilen, alles das und hundert andere auf platter Hand liegende Einwände vergißt er über dem Glück seiner plausiblen Illusion. Die Geschichte ist zum Totschießen. Familienvater Grün glaubt natürlich an die neue Erlösung und sieht sich schon im Geiste an der Spitze einer Assoziation von 20 000 Ouvriers (man will gleich groß anfangen), wobei natürlich seine Familie kostenfrei gespeist, gekleidet und logiert wird. Der Proudhon aber blamiert sich und alle französischen Sozialisten und Kommunisten auf ewig, wenn er damit herausrückt, vor den Bourgeoisökonomen. Daher jene Tränen, jenes Polemisieren gegen die Revolution, weil er ein friedliches Heilmittel in petto hatte. Der Proudhon ist gerade wie der John Watts. Dieser setzt seinen Beruf darein, trotz seines disrespektablen Atheismus und Sozialismus bei den Bourgeois respektabel zu werden; Proudhon bietet alles auf, um trotz seiner Polemik gegen die Ökonomen ein großer anerkannter Ökonom zu werden. So sind die Sektierer. Dabei noch so eine alte Geschichte!

3. Jetzt wieder eine höchst kuriose Geschichte. – Augsburger Allgemeine Zeitung vom 21. Juli, Paris 16. Juli. Artikel über die russische Gesandtschaft .... „Das ist die offizielle Gesandtschaft – aber ganz außerhalb oder vielmehr über derselben steht ein gewisser Herr von Tolstoi, der keinen Titel hat, übrigens als ‚Vertrauter des Hofes‘ bezeichnet wird. Früher im Unterrichtsministerium beschäftigt, kam er mit einer literarischen Mission nach Paris, schrieb hier einige Memoirs für sein Ministerium, lieferte einige Übersichten der französischen Tagespresse. Dann schrieb er nichts mehr, tat aber desto mehr. Er macht ein glänzendes Haus, geht zu aller Welt, empfängt alle Welt, beschäftigt sich mit allem, weiß alles und arrangiert vieles. Er scheint mir der eigentliche russische Botschafter in Paris ... seine Verwendung bewirkt Wunder“ (alle Polen, die begnadigt sein wollen, adressierten sich an ihn), „auf der Gesandtschaft beugt sich alles vor ihm, und in Petersburg erfreut er sich großer Rücksichten.“ – Dieser Tolstoi ist niemand anders als unser Tolstoi, der Edle, der uns vorlog, in Rußland seine Güter verkaufen zu wollen. Der Mann hatte außer seiner einen Wohnung, wo er uns hinführte, noch ein glänzendes Hotel in der Rue Mathurin, wo er die Diplomatie empfing. Die Polen und viele Franzosen haben das längst gewußt, nur die deutschen Radikalen nicht, bei denen er es für besser hielt, sich als Radikalen zu insinuieren. Der obige Artikel ist von einem Polen geschrieben, den Bernays kennt, und sogleich in den Corsaire-Satan und National übergegangen. Tolstoi hat, als er den Artikel las, weiter nichts bemerkt, als sehr gelacht und Witze darüber gerissen, daß er endlich ausgefunden sei. Er ist jetzt in London und wird, da seine Rolle hier ausgespielt ist, dort sein Glück versuchen. Es ist schade, daß er nicht wiederkommt, ich würde sonst einige Witze mit ihm versucht und schließlich in der Rue Mathurin meine Karte abgegeben haben. Daß nach diesem der von ihm empfohlene Annenkow ebenfalls ein russischer Mouchard ist, c’est clair.[7] Selbst Bakunin, der die ganze Geschichte wissen mußte, da die anderen Russen sie gewußt haben, ist sehr verdächtig. Ich werde mir gegen ihn natürlich nichts merken lassen, sondern Revanche an den Russen nehmen. So ungefährlich diese Spione für uns sind, so darf man ihnen das doch nicht passieren lassen. Sie sind gute Sujets, um an ihnen Intrigenexperimente in corpore vili[8] zu machen. Dazu sind sie sonst so übel gar nicht.

4. Vater Heß. Nachdem ich dessen ... Gattin hier glücklich der Vergessenheit, das ist dem äußersten Ende des Faubourg Saint-Antoine, wo da ist Heulen und Zähneklappern (Grün und Gesellschaft), überliefert habe, erhalte ich vor einiger Zeit vermittels eines gewissen Reinhardt ein ferneres Wiederanknüpfungsschreiben des Kommunistenpapas. Das Ding ist zum Totlachen. Natürlich als ob nichts vorgefallen wäre, ganz in dulci jubilo[9] und dazu ganz der alte Heß. Nachdem er konstatiert hat, daß er mit „der Partei“ wieder einigermaßen ausgesöhnt (das Judde-Gränzchen scheint falliert zu haben) – „auch wieder Lust am Arbeiten hat“ (welches Ereignis mit Glocken eingeläutet werden sollte), folgende historische Notiz (de dato 19. August): „Hier in Köln wär’s vor einigen Wochen auf ein Haar zu einer blutigen Emeute gekommen, es waren schon sehr viele bewaffnet (wozu Moses gewiß nicht gehörte). Das Ding kam nicht zum Ausbruch, weil die Soldaten sich nicht zeigten (enormer Triumph des Kölner Schöppchesphilisters) usw. usw. usw.“ – Dann von den Bürgerversammlungen, wo „wir“, id est „die Partei“ und „Herr Moses“, qua Kommunisten „so vollständig siegten, daß wir usw. Wir haben zuerst die Geldaristokraten ... und dann die kleinen Bourgeois mit Glanz (da sie keine Talente unter sich haben) aus dem Felde geschlagen. Wir hätten (!) in den Versammlungen zuletzt alles durchsetzen können (zum Beispiel den Moses zum Oberbürgermeister machen); ein Programm, worauf die Versammlung ihre Kandidaten verpflichtete, ging durch, welches (hört, hört!) von den englischen und französischen Kommunisten nicht radikaler hätte abgefaßt (und von niemandem unsinniger als von Moses aufgefaßt) werden können (!!!) ... Sehe (sic!) Dich zuweilen nach meiner [Frau] um ... und teile dem Ewerbeck zur Herzensstärkung dieses mit.“ Gesegn’ Euch Gott diese „Herzensstärkung“, dies Manna aus der Wüste. Ich ignoriere das Vieh natürlich komplett – jetzt hat er auch an Ewerbeck geschrieben (und zwar bloß, um seiner weiblichen Seite einen Brief auf dessen Kosten zukommen zu lassen) und droht in zwei Monaten herzukommen. Wenn er mich besucht, denk’ ich ihm auch etwas „zur Herzensstärkung“ mitteilen zu können.

Da ich einmal im Zuge bin, so will ich Euch schließlich noch mitteilen, daß [Heinrich] Heine wieder hier ist und ich vorgestern mit Ewerbeck bei ihm war. Der arme Teufel ist scheußlich auf dem Hund. Er ist mager geworden wie ein Gerippe. Die Gehirnerweichung dehnt sich aus, die Lähmung des Gesichts desgleichen. Ewerbeck sagt, er könne sehr leicht einmal an einer Lungenlähmung oder an irgend einem plötzlichen Kopfzufall sterben, aber auch noch drei bis vier Jahre abwechselnd besser oder schlechter sich durchschleppen. Er ist natürlich etwas deprimiert, wehmütig, und was am bezeichnendsten ist, äußerst wohlwollend (und zwar ernsthaft) in seinen Urteilen – nur über Mäurer reißt er fortwährend Witze. Sonst bei voller geistiger Energie, aber sein Aussehen, durch einen ergrauenden Bart noch kurioser gemacht (er kann sich nun den Mund nicht mehr rasieren lassen), reicht hin, um jeden, der ihn sieht, höchst trauerklötig zu stimmen. Es macht einen höchst fatalen Eindruck, so einen famosen Kerl so Stück für Stück absterben zu sehen.

Auch den großen Mäurer habe ich gesehen. „Männlein, Männlein, was wiegen Sie so leicht!“ Der Mann ist wirklich sehenswert, ich habe ihm die größten Grobheiten gemacht, zum Danke nimmt mich der Esel in seine besondere Affektion und sagt mir nach, ich hätte ein sanftes Gesicht. Er sieht freilich aus wie Karl Moor sechs Wochen nach seinem Tode. Antwortet bald!

Euer E.

Mittwoch, 16. September 1846.

Amüsiert Euch an folgendem: Journal des Économistes, August dieses Jahres, enthält in einem Artikel über die Biedermännischen Artikel ... [über] den Kommunismus folgendes: Erst Heß’ ganzer Unsinn komisch französiert, dann heißt es, der nächste ist M. Marx. „M. Marx est un cordonnier, comme un autre Communiste allemand, Weitling est un tailleur. Le premier (Marx) n’a pas une grande estime pour le communisme français (!) qu’il a été assez heureux d’étudier sur les lieux. M. ne sort du reste non plus (erkennst Du an dieser Elsässer Phrase nicht Herrn Fix?) des formules abstraites und il se garde ... bien d’aborder aucune question véritablement pratique. Selon lui (gib acht auf den Unsinn) l’émancipation du peuple allemand sera le signal de l’émancipation du genre humain; la tête de cette émancipation serait la philosophie et son coeur le prolétariat. Lorsque tout sera préparé, le coq gaulois sonnera la résurrection germanique ... Marx dit qu’il faut créer en Allemagne un prolétariat universel (!!) afin de réaliser la pensée philosophique du communisme. Signé J. F. (mort depuis).“[10] Das war sein letztes Werk. Der vorherige Band brachte eine gleich komische Kritik meines Buches. Das Septemberheft enthält eine Kritik über Julium, die ich noch nicht gelesen.

In der Fraternité ist großer Streit zwischen Materialisten und Spiritualisten gewesen. Die Materialisten, mit 23 gegen 22 überstimmt, sind ausgetreten. Das hindert aber die Fraternité nicht, sehr hübsche Artikel über die verschiedenen Zivilisationsstufen und ihre Fähigkeit, sich zum Kommunismus fortzuentwickeln, zu bringen.


[1] Auf dem laufenden.

[2] Mehr oder weniger.

[3] Wörtlich: vom Ei an, das heißt von den allerersten Anfängen an.

[4] Abgesehen von jeder Art [Tages-]Politik.

[5] Weder mehr noch weniger.

[6] Arbeitsmärkte. Hier im Sinne von: Märkte von Erzeugnissen eigener Arbeit.

[7] Das ist klar.

[8] Am wertlosen Körper.

[9] In seligem Jubel.

[10] Herr Marx ist ein Schuhmacher, wie ein anderer deutscher Kommunist, Herr Weitling, ein Schneider ist. Der erstere (Marx) hat keine hohe Meinung vom französischen (!) Kommunismus, den er das Glück hatte, an Ort und Stelle zu studieren. Übrigens geht auch Herr Marx ebensowenig über abstrakte Formeln hinaus und hütet sich ... sehr, auf irgendwelche wahrhaft politische Frage einzugehen. Nach ihm wird die Befreiung des deutschen Volkes das Zeichen geben für die Befreiung des Menschengeschlechts, der Kopf dieser Befreiung werde die Philosophie und ihr Herz das Proletariat sein. Wann alles vorbereitet ist, wird der gallische Hahn die deutsche Erhebung einläuten .... Marx sagt, daß in Deutschland ein universelles (!!) Proletariat geschaffen werden muß, um den philosophischen Gedanken des Kommunismus zu verwirklichen. Gezeichnet J. F. [Seitdem verstorben.]

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18. September 1846.

Lieber Marx!

Eine Masse Sachen, die ich Dir privatim schreiben wollte, sind mir in den Geschäftsbrief hereingeraten, weil ich den zuerst schrieb. Diesmal macht es nichts, daß die anderen den Dreck mitlesen. – Die Auszüge aus Feuerbach zu machen, habe ich mich aus einem gewissen Grauen bisher nicht entschließen können. Hier in Paris kommt einem das Zeug vollends lasch [matt] vor. Ich habe das Buch aber jetzt im Hause und setze mich ehestens dran. Daß Dein Geldpech noch immer anhält, ist schändlich. Ich weiß für unsere Manuskripte keinen Verleger außer Leske, den man während der Unterhandlung über die Kritik seines Verlags in Unwissenheit halten müßte. Löwenthal nimmt’s gewiß nicht, er hat dem Bernays eine sehr gute Spekulation (Das Leben des hiesigen Alten, in zwei Bänden, den ersten gleich zu drucken und mit dem Tode des Alten sofort zu expedieren, den zweiten dann gleich folgen zu lassen) unter allerlei lausigen Vorwänden abgeschlagen. Er ist auch feig, er sagt, er könne aus Frankfurt geschaßt werden. Bernays hat Aussicht, bei Brockhaus unterzukommen, der natürlich glaubt, das Buch werde bourgeoismäßig abgefaßt. – Haben die Westfalen die Manuskripte an Daniels geschickt? – Hast Du von dem Kölner Projekt etwas Näheres gehört, wovon Heß schrieb? Du weißt. – Gottvoll ist aber vor allem der Lüningsche Kohl .... Wenn wir ihre ganze Lumperei kritisieren, so erklärt der Edle das für eine „Selbstkritik“. Es wird diesen Kerls aber bald widerfahren, was geschrieben steht: „Und wenn er keinen Hintern hat, wo will der Edle sitzen?“ Und Westfalen scheint allmählich zu merken, daß es keinen Hintern hat, oder, um mit Mose zu sprechen, keine „materielle Basis“ für seinen Kommunismus. –

Die Londoner Adresse habe ich gestern abend hier bei den Arbeitern bereits gedruckt gelesen. Schund. Adressieren sich an das „Volk“, das heißt die vorausgesetzten Proletarier in Schleswig-Holstein, wo nichts wie plattdeutsche Bauernlümmel und zünftige Straubinger herumstrolchen. Haben von den Engländern gerade den Unsinn, die totale Ignorierung aller wirklich vorliegenden Verhältnisse, Unfähigkeit, eine historische Entwicklung aufzufassen, gelernt. Statt die Frage zu beantworten, wollen sie, daß das in ihrem Sinne gar nicht dort existierende „Volk“ sie ignorieren, sich friedlich, passiv verhalten soll; sie denken nicht dran, daß die Bourgeois doch tun, was sie wollen. Mit Abzug der ziemlich überflüssigen und gar nicht mit ihren Schlußresultaten im Zusammenhang stehenden Schimpfereien auf die Bourgeois (die ebensogut durch free-trade-Phrasen ersetzt werden könnten) könnte die free-trade-press von London, die Schleswig-Holstein nicht im Zollverein sehen will, das Ding erlassen haben. –

Die Kölner Bourgeois haben einen Protest gegen die Herren Minister erlassen, der für deutsche Bürger das Mögliche ist. Der arme Berliner Kanzelredner! [Friedrich Wilhelm IV.] Mit allen Stadträten seines Reiches liegt er in den Haaren; erst die Berliner theologische Disputation, dann die Breslauer item, jetzt die Kölner Geschichte. Der Bengel gleicht übrigens auf ein Haar dem Jakob dem Ersten von England, den er sich wirklich zum Muster genommen zu haben scheint. Nächstens wird er wohl, wie dieser, auch noch Hexen verbrennen lassen.

Dem Proudhon habe ich im Geschäftsbrief [siehe Brief 8] wirklich himmelschreiendes Unrecht getan. Ich muß es hier redressieren. Ich habe nämlich geglaubt, er habe einen kleinen Unsinn, einen Unsinn innerhalb der Grenzen des Sinnes gemacht. Gestern kam die Sache nochmals und ausführlich zur Diskussion, und da erfuhr ich, daß dieser neue Unsinn wirklich ein ganz unbegrenzter Unsinn ist. Stelle Dir vor: Proletarier sollen kleine Aktien sparen. Davon wird (unter 10 000 bis 20 000 Arbeitern fängt man natürlich gar nicht an) zuerst ein oder mehrere Ateliers in einem oder mehreren Handwerken errichtet, ein Teil der Aktionäre dort beschäftigt und die Produkte 1. zum Preise des Rohmaterials plus der Arbeit an die Aktionäre (die so keinen Profit zu zahlen haben) und 2. der etwaige Überschuß zum laufenden Preise im Weltmarkt verkauft. Sowie sich das Kapital der Gesellschaft durch Neuhinzutretende oder durch neue Ersparnisse der alten Aktionäre vermehrt, wird es zur Anlage neuer Ateliers und Fabriken verwandt usf. usf., bis – alle Proletarier beschäftigt und alle im Lande befindlichen Produktivkräfte aufgekauft und dadurch die in den Händen der Bourgeois befindlichen Kapitalien die Macht verloren haben, Arbeit zu kommandieren und Profit zu bringen! So hebt man dann das Kapital auf, indem man „eine Instanz findet, wo das Kapital, das heißt das Zinswesen“ (Vergrünung des einigermaßen näher ans Tageslicht gerückten droit d’aubaine[1] von ehedem) „sozusagen verschwindet“. Du wirst in diesem von Papa Eisermann zahllose Male wiederholten, also von Grün auswendig gelernten Satze die ursprünglichen Proudhonschen Floskeln noch deutlich durchschimmern sehen. Die Leute haben nichts mehr und nichts weniger im Sinne, als einstweilen ganz Frankreich, später vielleicht auch die übrige Welt vermöge proletarischer Ersparnisse und unter Verzichtung auf den Profit und die Zinsen ihres Kapitals aufzukaufen. Ist so ein famoser Plan je erdacht worden, und ist es nicht ein viel kürzerer Weg, wenn man einmal einen tour de force[2] machen will, lieber gleich aus dem Silber–schein des Mondes Fünffrankentaler zu prägen? Und die dummen Arbeiter hier, die Deutschen meine ich, glauben daran; sie, die nicht sechs Sous in der Tasche behalten können, um am Abend ihrer Zusammenkünfte zu einem marchand de vins[3] zu gehen, wollen mit ihren Ersparnissen das ganze schöne Frankreich aufkaufen. Rothschild und Konsorten sind wahre Stümper neben diesen kolossalen Akkapareurs. Es ist, um die Schwerenot zu kriegen. Die unsinnigste Phrase hat für sie mehr Sinn als die einfachste, zum ökonomischen Argument vernutzte Tatsache. Daß man gegen solchen barbarischen Unsinn noch pauken muß, ist doch niederträchtig.

Aber man muß Geduld haben, und ich lasse die Kerls nicht laufen, bis ich den Grün aus dem Felde geschlagen und ihnen die verduselten Schädel geöffnet habe. Der einzige klare Kerl, der auch den ganzen Unsinn einsieht, ist unser J[unge], der in Brüssel war. Der Ewerbeck hat ihnen auch den Kopf voll des tollsten Zeugs gesetzt. Er ist jetzt in einer Konfusion und grenzt von Zeit zu Zeit an Wahnsinn und kann, was er gestern mit seinen eigenen Augen gesehen, Dir heute nicht wiedererzählen. Geschweige was er gehört. Wie sehr er aber unter der Fuchtel des Grün gestanden, davon nur dies: Als der Trierer Walth. vorigen Winter über die Zensur nach allen Seiten hin jammerte, stellte Grün ihn als einen Märtyrer der Zensur dar, der den edelsten und tapfersten Kampf führe usw., und exploitierte Ewerbeck und die Arbeiter dazu, daß sie eine höchst pomphafte Adresse an diesen Esel von Walth. aufsetzten und unterzeichneten und ihm Dank sagten für seinen Heldenmut im Kampfe für die Freiheit des Wortes!!!! Ewerbeck schämt sich wie ein Mops und ärgert sich wütend über sich selbst; aber der Unsinn ist geschehen, und jetzt hat man ihm und den Arbeitern die paar Worte wieder auszupauken, die er sich selbst mit saurem Schweiß in den Kopf hineinge[quält] und den Arbeitern dann mit ebenso saurem Schweiß eingebleut hat. Denn er versteht nichts, bis er’s nicht auswendig gelernt hat, und dann versteht er’s meist noch falsch. Wenn er nicht den enormen guten Willen hätte und dabei sonst so ein liebenswürdiger Kerl wäre, was er jetzt mehr als je ist, so wäre gar nicht mit ihm fertig zu werden. Es soll mich wundern, wie es mir mit ihm gerät; zuweilen macht er ganz nette Bemerkungen, gleich darauf aber wieder den größten Unsinn – so seine jetzt in Gott ruhenden deutschen Geschichtsvorträge, bei denen man sich wegen der in jedem Worte befindlichen Schnitzer und Tollheiten kaum das Lachen verbeißen konnte. Aber, wie gesagt, enormer Eifer und Eingehen auf alles, mit merkwürdiger Bereitwilligkeit, und ein unverwüstlicher guter Humor der Selbstironie. Ich mag den Kerl, trotz seines Unsinns, besser leiden als je. – Von Bernays ist nicht viel zu sagen. Ich war mehrmals draußen, er einmal hier. Kommt wahrscheinlich im Winter her, fehlt nur an Geld. Ist auch dahin gekommen, über die Parteistreitigkeiten klarere und verständigere Ansichten zu hegen; wegen seiner Meinungen über das Recht ist ihm jetzt nicht gut beizukommen, weil er mit dem Einwurf: Ökonomie, Industrie usw. sei nicht sein Fach, jedesmal abzubrechen sucht und bei den seltenen Zusammenkünften keine ordentliche Diskussion zustande kommt; ich glaube indes schon etwas Bresche geschossen zu haben, und wenn er herkommt, werde ich ihm sein Mißverständnis wohl schließlich nehmen können. – Was machen die Leute dort?

Dein E.

Query: Ist die Geschichte mit dem Tolstoi, die vollständig richtig ist, nicht den Londonern mitzuteilen? Die Deutschen könnten, falls er bei ihnen seine Rolle fortspielte, einmal ein paar Polen scheußlich kompromittieren. Wenn sich der Kerl auf Dich beriefe?

Bernays hat eine Broschüre in der Rothschildschen Polemik geschrieben; kommt in der Schweiz deutsch und in einigen Tagen hier französisch heraus.


[1] Heimfallsrecht.

[2] Kraftstück.

[3] Wein- [und Spirituosen-]Ausschänker.

10

Oktober 1846.

Lieber Marx!

Die Geschichte gegen Kr[iege] erhalten. Ist ganz gut. Kriege wird nun zwar, da Du allein unterzeichnet, den absprechenden Ton des ersten Dokumentes auf meine Privatrechnung schreiben und gegen dies zweite zu Kreuze kriechen, aber das ist mir wurst. Er kann mich in seiner Privatmalice den amerikanischen Straubingern so schwarz wie möglich schildern, wenn ihm das Pläsier macht.

Aus dem Komiteebrief wirst Du sehen, wie ich hier bei den Straubingern durchgedrungen. Ich habe sie, hol mich der Teufel, nicht geschont, ich habe ihre ärgsten Vorurteile, sie selbst als gar keine Proletarier attackiert. Aber der Grün arbeitete mir auch zu schön in die Hände.

Frankieren tut um Gottes willen nicht an mich. Wenn mich der verdammte Leske, der mir endlich wegen der dem P[üttmann] geschickten alten Drecke einen nichtsnutzigen Wechsel zuschicken ließ, den ich retournieren mußte – wenn mich Leske nicht im Stiche ließe, schickte ich Euch sogleich 25 Franken für die Komiteekasse. Einstweilen aber übernehme ich die Kosten wenigstens der Korrespondenz mit mir. Wenn ich den vorigen Brief nicht frankierte, so geschah dies, weil es zu spät war und ich ihn nur noch durch Hineinschmeißen in den Briefkasten wegbekam. Sowie der Leske mir das Geld schickt, erhaltet ihr ein Quotum.

Keiner der Straubinger kriegt die Antwort an Kriege zu sehen. Sonst wäre sie vor Grün nicht sicher. Wir müssen namentlich dem Kerl alles vom Halse halten, bis seine Bearbeitung des Proudhonschen Buches, nebst Noten von K. Grün, fertig ist. Dann ist er gefangen. Er revoziert darin vollständig eine Masse früher gesagter Geschichten und überliefert sich mit Leib und Seele dem Proudhonschen Erlösungssystem. Nachher hat es dann mit dem Exploitieren ein Ende, wenn er nicht wieder tournieren will. Ist der Weitling noch in Brüssel?

Mit den Straubingern hier denke ich durchzukommen. Die Kerle sind freilich gräßlich unwissend und durch ihre Lebenslage gar nicht präpariert. Konkurrenz unter ihnen gibt es gar nicht. Der Lohn hält sich immer auf einem und demselben Niveau, der Kampf mit dem Meister dreht sich gar nicht um Lohn, sondern um den Gesellenhochmut usw. Bei den Schneidern wirken jetzt die fertigen Kleiderläden revolutionierend. Wenn’s nur nicht so ein faules Handwerk wäre.

Der Grün hat scheußlich geschadet. Er hat bei den Kerls alles Bestimmte in bloße Duselei, Menschheitsstreben usw. verwandelt. Unter dem Scheine, den Weitlingschen und sonstigen Systemkommunismus anzugreifen, hat er ihnen den Kopf voll unbestimmter Belletristen- und Kleinbürgerphrasen gesetzt und alles andere für Systemreiterei ausgegeben. Selbst die Schreiner, die nie Weitlingianer gewesen – oder doch nur einzelne – haben eine abergläubische Gespensterfurcht vor dem „Löffelkommunismus“ und schließen sich – wenigstens vor dem durchgesetzten Beschluß – lieber der größten Duselei, friedlichen Beglückungsplänen usw. an, als diesem „Löffelkommunismus“. Es herrscht eine grenzenlose Konfusion hier vor. An Harney habe ich dieser Tage einen leisen Angriff gegen die Friedlichkeit der fraternal Democrats[1] geschickt, ihm übrigens geschrieben, daß er mit Euch in Korrespondenz bleiben soll.

Dein E.


[1] Brüderliche Demokraten. [Titel einer von G. Julian Harney geführten Chartistenverbindung internationaler Tendenz.]

11

Paris, 23. Oktober 1846.

Brief an das Brüsseler Komitee. Nr. III.

Über die hiesigen Straubingergeschichten ist wenig zu sagen. Die Hauptsache ist, daß die verschiedenen Streitpunkte, die ich bisher mit den Jungens auszufechten hatte, jetzt entschieden sind: der Hauptanhänger und Schüler Grüns, Papa Eisermann, ist herausgeschmissen, die übrigen sind in ihrem Einfluß auf die Masse vollständig gestürzt, und ich habe einen Beschluß einstimmig gegen sie durchgesetzt.

Der kurze Verlauf ist der:

Über den Proudhonschen Assoziationsplan wurde drei Abende diskutiert. Anfangs hatte ich beinahe die ganze Clique, zuletzt nur noch Eisermann und die übrigen drei Grünianer gegen mich. Die Hauptsache dabei war, die Notwendigkeit der gewaltsamen Revolution [zu beweisen] und überhaupt den Grünschen wahren Sozialismus, der in der Proudhonschen Panacee neue Lebenskräfte gefunden, als antiproletarisch, kleinbürgerlich, straubingerisch nachzuweisen.

Zuletzt wurde ich wütend über die ewige Wiederholung derselben Argumente von seiten meiner Gegner und attackierte die Straubinger geradezu, was bei den Grünianern große Entrüstung erregte, wodurch ich aber dem edlen Eisermann einen offenen Angriff auf den Kommunismus entlockte. Darauf deckelte ich ihn so rücksichtslos, daß er gar nicht wiederkam.

Jetzt knüpfte ich an die mir von Eisermann gegebene Handhabe – die Attacke gegen den Kommunismus – an, um so mehr, als Grün in einem fort intrigierte, auf den Ateliers herumlief, Sonntags die Leute zu sich zitierte usw. usw., und den Sonntag nach obiger Sitzung selbst die grenzenlose Dummheit beging, vor acht bis zehn Straubingern den Kommunismus zu attackieren. Ich erklärte also, ehe ich mich auf eine Diskussion einließe, müsse abgestimmt werden, ob wir hier qua Kommunisten zusammenkämen oder nicht. Im ersten Falle müsse Sorge getragen werden, daß Angriffe auf den Kommunismus, wie die von Eisermann, nicht mehr vorkämen, im anderen Falle, wenn sie bloß beliebige Individuen seien, die hier über dies und jenes Beliebige diskutierten, könnten sie mir gestohlen werden und würde ich nicht wiederkommen. Dies erregte großes Entsetzen bei den Grünianern, sie seien hier „für das Wohl der Menschheit“ zusammen, um sich aufzuklären, Männer des Fortschritts und nicht einseitige Systemfänger usw. usw., und solche Biedermänner könne man doch unmöglich „beliebige Menschen“ nennen. Übrigens müßten sie erst wissen, was Kommunismus eigentlich sei (sie, die sich seit Jahren Kommunisten genannt haben und bloß durch die Furcht vor Grün und Eisermann abspenstig wurden, nachdem diese sich unter dem Vorwand des Kommunismus bei ihnen eingeschlichen hatten!). Ich ließ mich natürlich nicht durch ihre liebevolle Bitte fangen, ihnen, den Unwissenden, in zwei bis drei Worten zu sagen, was Kommunismus sei. Ich gab ihnen eine höchst simple Definition, die gerade so weit ging wie die vorliegenden strittigen Punkte, die die Friedlichkeit, die Zartheit und Rücksicht gegen die Bourgeois respektive das Straubingertum und endlich die Proudhonsche Aktiengesellschaft nebst beibehaltenem individuellen Besitz, und was sich daran knüpft, durch Behauptung der Gütergemeinschaft ausschloß, und im übrigen nichts enthielt, was Anlaß zu Abschweifungen und Umgehung der vorgeschlagenen Abstimmung geben könnte. Ich definierte also die Absichten der Kommunisten dahin: 1. die Interessen der Proletarier im Gegensatz zu denen der Bourgeois durchzusetzen; 2. dies durch Aufhebung des Privateigentums und Ersetzung desselben durch die Gütergemeinschaft zu tun; 3. kein anderes Mittel zur Durchführung dieser Absichten anzuerkennen als die gewaltsame, demokratische Revolution. Hierüber zwei Abende diskutiert. Am zweiten ging der beste der drei Grünianer, die Stimmung der Majorität merkend, vollständig zu mir über. Die anderen beiden widersprachen sich fortwährend einer dem anderen, ohne es zu merken. Mehrere Grünianer, die noch nie gesprochen, taten auf einmal das Maul auf und erklärten sich ganz entschieden für mich. Bisher hatte dies nur Junge getan. Einige dieser homines novi[1] sprachen, obwohl zitternd vor Todesangst, stecken zu bleiben, ganz nett und scheinen überhaupt ganz gesunden Verstand zu haben. Kurz, als es zur Abstimmung kam, wurde die Versammlung für eine kommunistische im Sinne der obigen Definition erklärt, von 13 Stimmen gegen die beiden der zwei treu gebliebenen Grünianer, von denen einer auch nachträglich erklärt hat, daß er die größte Begierde habe, sich zu bekehren.

Hiermit ist endlich einmal Tabula rasa gemacht und man kann jetzt anfangen, etwas aus den Kerls zu machen, soweit dies geht. Grün, der sich aus seiner Geldgeschichte leicht herausreißen konnte, weil die Hauptgläubiger eben selbige Grünianer waren, seine Hauptanhänger, ist jetzt bei der Majorität und einem Teile seiner Anhänger selbst sehr herunter und trotz aller Intrigen und Experimente (zum Beispiel in der Mütze auf die Barriereversammlungen gehen usw. usw.) mit seiner Proudhonschen Sozietät glänzend durchgefallen. Wäre ich nicht da gewesen, so hätte sich unser Freund Ewerbeck allerdings tête baissée[2] dahinein gegeben.

Was der Grün für ein schönes Stratagem hatte! An der Intelligenz seiner Kerls verzweifelnd, repetiert er ihnen seine Geschichten so oft vor, bis sie sie auswendig können. Nach jeder Sitzung – es war natürlich nichts leichter, als so eine Opposition zum Schweigen zu bringen – lief die ganze geschlagene Bande zu Grün, erzählten, was ich gesagt hatte – natürlich alles entstellt –, und ließen sich wieder wappnen. Wenn sie dann das Maul auftaten und zwei Worte gesagt, so wußte man jedesmal den ganzen Satz vorher. Natürlich nahm ich mich bei dieser Zwischenträgerei sehr in acht, den Leuten irgend etwas Allgemeines zu sagen, was Herrn Grün zu neuen Ausschmückungen seines wahren Sozialismus dienen könnte; dennoch aber hat er neulich in der Kölner mit diversen Entstellungen bei Gelegenheit der Genfer Revolution Sachen exploitiert, die ich den Straubingern sagte, während er ihnen hier das Gegenteil einpaukte. Er treibt jetzt Nationalökonomie, der Brave.

Das Buch von Proudhon werdet Ihr angezeigt gesehen haben. Ich werde es dieser Tage bekommen, es kostet 15 Franken, man kann es nicht kaufen, das ist zu teuer.

Das obige Publikum, vor dem die Geschichte aufgeführt worden, besteht aus zirka zwanzig Schreinern, die sonst nur auf der Barriere noch mit allerlei Volks sich versammeln, außer einem Sängerklub keine geschlossene Verbindung, sonst aber teilweise Rudera [Reste] des Bundes der Gerechtigkeit sind. Könnte man sich öffentlich versammeln, so würden wir bald über hundert Kerls aus den Schreinern allein haben. Von den Schneidern kenne ich nur einige, die auch in die Schreinerversammlungen kommen. Von Schmieden und Gerbern ist in ganz Paris nichts zu erfahren. Kein Mensch weiß was von ihnen.

Kriege hat dieser Tage seinen Bericht als Mann der Gerechtigkeit an die „Halle“ (Zentralverwaltung) abgestattet. Natürlich habe ich das Sendschreiben gelesen, da dies aber Eidesverletzung war, worauf Todesstrafe, Dolch, Strang und Gift stehen, so müßt Ihr das nirgends hinschreiben. Der Brief beweist, gerade wie seine Replik auf unseren Angriff, daß dieser Angriff ihm sehr genützt hat und er sich jetzt doch mehr um die Dinge dieser Welt kümmert. Er gab eine lange Erzählung ihrer Schwierigkeiten. Der erste Abschnitt dieser amerikanischen Straubingergeschichte enthielt ihr Pech – offenbar stand Kriege an der Spitze und betrieb die Geldgeschichten vom Standpunkt des weltumfassenden Herzens aus. Der „Tribun“ wurde verschenkt, nicht verkauft, Liebesgaben bildeten den Fonds, kurz, man wollte Kapitel 3 bis 6 der Apostelgeschichte wieder aufführen, Ananias und Sapphira fehlten auch nicht, und zum Schlusse fand man sich voller Schulden. Die zweite Periode, wo Kriege zum bloßen „Registrator“ wird und andere Kerle an die Verwaltung der Geldgeschäfte getreten zu sein scheinen, die des Aufkommens. Statt an die volle Brust der Menschen zu appellieren, wurde jetzt an ihre tanzlustigen Beine und überhaupt an die unkommunistischen Seiten appelliert, und man fand zu seinem Erstaunen, daß durch Bälle, Landpartien usw. das nötige Geld vollständig aufzubringen sei, und daß auch die Schlechtigkeit der Menschen für den Kommunismus exploitiert werden könne. Jetzt seien sie vollständig pekuniär auf dem Strumpf. Unter den „Hindernissen“, die sie zu überwinden hatten, zählte der tapfere Tecklenburger auch die allseitigen Verleumdungen und Verdächtigungen auf, die sie, unter anderem „zuletzt noch von den ‚kommunistischen‘ Philosophen in Brüssel“, zu erdulden hätten. Im übrigen schwatzt er einiges triviale Zeug gegen die Kolonien, empfiehlt ihnen (das heißt seinen entschiedensten Feinden) den „Bruder Weitling“, hält sich aber im ganzen ziemlich irdisch, wenn auch etwas gesalbt, und nur von Zeit zu Zeit so etwas Gestöhn von Brüderlichkeit usw.

Habt Ihr dort die Réforme? Wenn Ihr sie nicht habt, schreibt es mir, ich werde Euch dann berichten, wenn was Besonderes drin steht. Seit vier Tagen reitet sie auf dem National herum wegen seines refus, einer Petition, die wegen Wahlreform hier zirkuliert, seine unbedingte Adhäsion zu geben. Dies geschehe, behauptet sie, aus bloßer Hinneigung für [zu] Thiers. Vor einiger Zeit zirkulierte sie, Bastide und Thomas seien vom National ausgetreten, Marrast sei allein geblieben, und dieser habe mit Thiers Allianz gemacht. Der National widerrief. Veränderungen in seiner Redaktion sind allerdings vorgegangen, Genaueres weiß ich nicht; daß er seit einem Jahre besonders günstig für Thiers ist, ist bekannt; die Réforme setzt ihm nun auseinander, wie sehr er sich durch diese Hinneigung in Blamagen verritten hat. Übrigens hat der National, aus bloßer Opposition gegen die Réforme, in der letzten Zeit einige Dummheiten gemacht, so die von der Réforme zuerst erzählte portugiesische Konterrevolution aus bloßer Malice geleugnet, bis er nicht mehr konnte usw. Die Réforme plagt sich jetzt, eine ebenso brillante Polemik zu führen wie der National, aber es geht nicht. –

Nachdem ich bis hierher geschrieben, ging ich noch zu den Straubingern, wo sich folgendes herausstellte. Der Grün, zu ohnmächtig, mir irgendwie Schaden anzutun, läßt mich jetzt auf der Barriere denunzieren. Der Eisermann attackiert in der öffentlichen und von Mouchards besuchten Barriereversammlung den Kommunismus, wo ihm natürlich keiner antworten kann, ohne sich der Gefahr des Geschaßtwerdens auszusetzen. Der Junge hat ihm sehr wütend geantwortet, ist aber von uns gestern verwarnt. Darauf hat der Eisermann den Junge für das Sprachrohr eines Dritten erklärt (der natürlich ich bin), und der plötzlich wie eine Bombe unter die Leute gefahren sei, und er wisse wohl, wie da die Leute zu den Barrierediskussionen eingepaukt würden usw. usw. Kurz, er schwatzte da Dinge aus, die einer vollständigen Denunziation bei der Polizei gleichkommen, denn der Wirt, bei dem die Geschichte sich zutrug, sagte noch vor vier Wochen: il y a toujours des mouchards parmi vous[3], und der Polizeikommissar war zu jener Zeit auch einmal da. Den Junge griff er geradezu als „Revolutionär“ an. Herr Grün war während der ganzen Zeit gegenwärtig und paukte dem Eisermann ein, was er zu sagen habe. Diese Gemeinheit übersteigt doch alles. Der Grün ist mir, wie ich die Sachen kenne, vollständig verantwortlich für alles, was der Eisermann sagt. Dagegen ist nun platterdings nichts zu machen. Der Schafskopf Eisermann kann auf der Barriere nicht attackiert werden, weil man da die Wochenversammlung nochmals denunzieren würde, der Grün ist zu feig, in eigenem Namen selbst etwas zu tun. Das einzige, was man tun kann, ist, auf der Barriere die Leute erklären zu lassen, über Kommunismus diskutierten sie nicht, weil das die ganze Versammlung bei der Polizei gefährden könne.

Schreibt endlich einmal.

Euer E.


[1] Neulinge.

[2] Mit gesenktem Kopf.

[3] Ihr habt stets unter euch Spitzel.

12

[Undatiert.] 23 Rue de Lille, Faubourg St. Germain, [Sommer 1846.]

Lieber Marx!

Ich habe mich endlich nach langem Widerstreben darangemacht, das Zeug von Feuerbach durchzulesen, und finde, daß wir in unserer Kritik darauf nicht eingehen können. Weshalb, wirst Du sehen, nachdem ich Dir den Hauptinhalt mitgeteilt.

Das Wesen der Religion, Epigonen, 1. Band, Seite 117 bis 178. – „Das Abhängigkeitsgefühl des Menschen ist der Grund der Religion“, Seite 117. Da der Mensch zuerst von der Natur abhängig, so „ist die Natur der erste ursprüngliche Gegenstand der Religion“, Seite 118. („Natur ist ein allgemeines Wort zur Bezeichnung der Wesen, Dinge usw. usw., die der Mensch von sich und seinen Produkten unterscheidet.“)

Die ersten religiösen Äußerungen sind Feste, in denen Naturprozesse, Wechsel der Jahreszeiten usw. usw. dargestellt. Die speziellen Naturverhältnisse und Produkte, in deren Umgebung ein Stamm oder Volk lebt, gehen in deren Religion über. – Der Mensch wurde in seiner Entwicklung von anderen Wesen unterstützt, die aber nicht Wesen höherer Art, Engel waren, sondern Wesen niederer Art, Tiere. Daher Tierkultus (folgt eine Apologie der Heiden gegen die Angriffe der Juden und Christen, trivial). Die Natur bleibt fortwährend, auch bei den Christen, der verborgene Hintergrund der Religion. Die den Unterschied Gottes vom Menschen begründenden Eigenschaften sind Eigenschaften der Natur (ursprünglich, der Grundlage nach). So Allmacht, Ewigkeit, Universalität usw. usw. Der wirkliche Inhalt Gottes ist nur die Natur; das heißt insofern Gott nur als Urheber, nicht als politischer und moralischer Gesetzgeber vorgestellt wird. – Polemik gegen die Schöpfung der Natur durch ein verständiges Wesen, gegen die Schöpfung aus Nichts usw. – meist „vermenschlichter“, das heißt in gemütliches, „Bürgerherzen“ ergreifendes Deutsch übersetzter materialismus vulgaris[1]. – Die Natur in der Naturreligion ist nicht Gegenstand als Natur, sondern „als persönliches, lebendiges, empfindendes Wesen ... als Gemütswesen, das ist subjektives, menschliches Wesen“, Seite 138. Daher betet man sie an, sucht sie durch menschliche Beweggründe usw. usw. zu bestimmen. Dies kommt hauptsächlich daher, daß die Natur veränderlich ist. „Das Gefühl der Abhängigkeit von der Natur in Verbindung mit der Vorstellung der Natur als eines willkürlich tätigen, persönlichen Wesens ist der Grund des Opfers, des wesentlichsten Aktes der Naturreligion,“ Seite 140. Da aber der Zweck des Opfers ein „selbstsüchtiger“ ist, so ist der Mensch doch das Endziel der Religion, die Gottheit des Menschen ihr Endzweck. – Folgen triviale Glossen und feierliche Auseinandersetzungen darüber, daß rohes Volk, das noch Naturreligion hat, auch Dinge zu Göttern macht, die ihm unangenehm sind, Pest, Fieber usw. „So wie der Mensch aus einem nur physikalischen Wesen ein politisches, überhaupt von der Natur sich unterscheidendes und sich auf sich selbst konzentrierendes Wesen (!!!) wird, so wird auch sein Gott zu einem politischen, von der Natur unterschiedenen Wesen. „Daher“ kommt „der Mensch zur Unterscheidung seines Wesens von der Natur und folglich zu einem von der Natur unterschiedenen Gott zunächst nur durch seine Vereinigung mit anderen Menschen zu einem Gemeinwesen, wo ihm von der Natur unterschiedene, nur in Gedanken oder in der Vorstellung existierende Mächte (!!!) die Macht des Gesetzes, der Meinung, der Ehre, der Tugend Gegenstand seines Abhängigkeitsgefühls ... wird.“ (Dieser scheußlich stilisierte Satz steht Seite 149.) Die Naturmacht, die Macht über Leben und Tod, wird herabgesetzt zu einem Attribut und Werkzeug der politischen und moralischen Macht. Intermezzo Seite 151 über Orientalen-Konservative und Okzidentalen-Progressisten. „Im Orient vergißt der Mensch nicht über den Menschen die Natur .... Der König selbst ist ihm nicht als ein irdisches, sondern als ein himmlisches, göttliches Wesen Gegenstand. Neben einem Gotte aber verschwindet der Mensch, erst wo die Erde sich entgöttert ... erst da haben die Menschen Raum und Platz für sich.“ (Schöne Erklärung, weshalb die Orientalen stabil. Wegen der vielen Götzenbilder, die den Raum wegnehmen.) Der Orientale verhält sich zum Okzidentalen wie der Landmann zum Städter, jener ist abhängig von der Natur, dieser vom Menschen usw. usw., „nur die Städter machen darum Geschichte“ (hier der einzige leise, aber etwas übelriechende Anhauch von Materialismus). „Nur wer die Macht der Natur der Macht der Meinung, sein Leben seinem Namen, seine Existenz im Leibe seiner Existenz im Munde und Sinne der Nachwelt aufzuopfern vermag, nur der ist fähig zu geschichtlichen Taten.“ Voilà.[2] Alles, was nicht Natur ist, ist Vorstellung, Meinung, Flause. Daher ist auch „nur die menschliche ‚Eitelkeit‘ das Prinzip der Geschichte“! – Seite 152: „Sowie der Mensch zum Bewußtsein kommt, daß ... Laster und Torheit Unglück usw. usw., Tugend und Weisheit dagegen ... Glück zur Folge haben, folglich die das Schicksal der Menschen bestimmenden Mächte Verstand und Wille sind ... so ist ihm auch die Natur ein von Verstand und Wille abhängiges Wesen.“ (Übergang zum Monotheismus – Feuerbach teilt das obige illusorische „Bewußtsein“ von der Macht des Verstandes und Willens.) Mit der Herrschaft von Verstand und Willen über die Welt kommt dann der Supernaturalismus, die Schöpfung aus Nichts, und der Monotheismus, der noch speziell aus der „Einheit des menschlichen Bewußtseins“ erklärt wird. Daß der Eine Gott ohne den Einen König nie zustande gekommen wäre, die Einheit des die vielen Naturerscheinungen kontrollierenden, die widerstreitenden Naturkräfte zusammenhaltenden Gottes nur das Abbild des Einen, die widerstreitenden, in ihren Interessen kollidierenden Individuen scheinbar oder wirklich zusammenhaltenden orientalischen Despoten ist, hat Feuerbach für überflüssig gehalten zu sagen. – Langer Kohl gegen die Teleologie, Kopie der alten Materialisten. Dabei begeht Feuerbach denselben Schnitzer gegenüber der wirklichen Welt, den er den Theologen vorwirft, gegen die Natur zu begehen. Er reißt schlechte Witze darüber, daß die Theologen behaupten, ohne Gott müsse sich die Natur in Anarchie auflösen (das heißt ohne den Glauben an Gott fiele sie in Fetzen), Gottes Wille, Verstand, Meinung sei das Band der Welt; und er selbst glaubt ja, die Meinung, die Furcht vor der öffentlichen Meinung, vor Gesetzen und anderen Ideen hielte jetzt die Welt zusammen. – Bei einem Argument gegen die Teleologie tritt Feuerbach ganz als laudator temporis praesentis[3] auf. Die enorme Sterblichkeit der Kinder in den ersten Lebensjahren kommt daher, weil „die Natur bei ihrem Reichtum ohne Bedenken Tausende der einzelnen Glieder aufopfert; es ist eine Folge natürlicher Ursachen, daß ... zum Beispiel im ersten Jahre ein Kind von drei bis vier, im fünften eins von fünfundzwanzig usw. usw. stirbt“.

Mit Ausnahme der wenigen, hier spezifizierten Sätze ist nichts zu bemerken. Über die geschichtliche Entwicklung der verschiedenen Religionen erfährt man nichts. Höchstens werden Beispiele aus ihnen zu[ge-]geben, um die obigen Trivialitäten zu beweisen. Die Hauptmasse des Artikels besteht aus Polemik gegen Gott und die Christen, ganz in der Weise, wie er’s bisher gemacht, nur daß jetzt, wo er sich erschöpft hat, trotz aller Wiederholungen des alten Kohls die Abhängigkeit von den Materialisten viel frecher hervortritt. Wenn man über die Trivialitäten über Naturreligion, Polytheismus, Monotheismus etwas sagen wollte, müßte man die wirkliche Entwicklung dieser Religionsformen dagegenstellen, wozu man sie erst studieren müßte. Das geht uns aber für unsere Arbeit ebensowenig an, wie seine Erklärung des Christentums. Für Feuerbachs positiv-philosophischen Standpunkt gibt der Aufsatz nichts Neues. Die paar zu kritisierenden Sätze, die ich oben exzerpiert habe, bestätigen nur, was wir schon gesagt haben. Sieh doch, wenn Dich Feuerbach weiter interessiert, daß Du von Kießling direkt oder indirekt den ersten Band seiner gesammelten Werke einmal in die Finger bekommst, da hat er noch eine Art Vorwort geschrieben, worin noch was sein könnte. Ich habe Auszüge gesehen, wo Feuerbach von „Übeln des Kopfes“ und, „Übeln des Magens“ spricht, so eine schwache Art Apologie, warum er nicht sich um wirkliche Interessen bekümmert. Gerade wie er mir vor anderthalb Jahren schrieb. –

Eben erhalte ich Deinen Brief, der wegen meines Wohnungswechsels ein paar Tage in der alten Wohnung liegen blieb. Die Versuche mit den Schweizer Buchhändlern werde ich machen. Ich glaube aber schwerlich, daß ich unterkomme. Die Kerls haben alle kein Geld, um fünfzig Bogen zu drucken. Ich bin der Ansicht, daß wir nichts gedruckt kriegen, wenn wir die Sachen nicht trennen und die Bände einzeln unterzubringen suchen. Zuerst die philosophische Geschichte, die pressiert am meisten, und dann das andere. Fünfzig Bogen auf einmal ist so gefährlich groß, daß viele Buchhändler es schon deswegen nicht nehmen, weil sie es nicht können. Da war ja auch noch der Bremer Küttmann oder wie er hieß, den uns Moses und Weitling abspenstig machten; er wollte verbietenswürdige Bücher drucken, aber nicht viel bezahlen; wir können uns mit diesem Manuskript an ihn wenden, ganz gut. Was meinst Du, wenn man die Geschichte teilte, und dem einen den ersten, dem anderen den zweiten Band anböte? Der Vogler weiß die Adresse des Küttmann in Bremen. Der List ist so gut wie fertig.

Die Geschichten im Volkstribunen habe ich gesehen, vor ungefähr drei Wochen. Mir ist so was lächerlich Dummes noch nicht vorgekommen. Die Infamie des Bruder Weitling erreicht ihre Spitze in diesem Briefe an Kriege. Was übrigens das Detail angeht, so ist es mir nicht mehr erinnerlich genug, um darüber etwas sagen zu können. Ich bin aber ebenfalls der Meinung, daß man sowohl auf Krieges wie der Straubinger Proklamation repliziert, sie mit der Nase draufstößt, wie sie leugnen gesagt zu haben, was wir ihnen vorwerfen, während sie zugleich dieselben geleugneten Dummheiten wieder in ihrer Antwort proklamieren, und daß namentlich der Kriege mit seinem hochmoralischen Pathos und seiner Entrüstung über unseren Spott gehörig was aufs Dach kriegt. Da die Nummern eben jetzt unter den hiesigen Straubingern zirkulieren, so kann ich sie mir nicht verschaffen, ohne vier bis fünf Tage warten zu müssen.

Die hiesigen Straubinger bellen fürchterlich gegen mich. Namentlich drei bis vier „gebildete“ Arbeiter, die Ewerbeck und Grün in die Geheimnisse des wahren Menschentums eingeweiht. Aber ich bin vermöge einiger Geduld und etwas Terrorismus durchgedrungen, die große Menge geht mit mir. Der Grün hat sich vom Konnex losgesagt, und diese „Gebildeten“ hatten große Lust, mitzugehen. Da habe ich gerade durchgehauen, den alten Eisermann so eingeschüchtert, daß er nicht mehr kommt, und den Komm[unismus] oder Nicht-Komm[unismus] kontradiktorisch diskutieren lassen. Heute abend wird abgestimmt, ob die Versammlung kommunistisch ist oder, wie die Gebildeten sagen, „für das Wohl der Menschheit“. Die Majorität ist mir sicher. Ich habe erklärt, wenn sie nicht Komm[unisten] wären, könnten sie mir gestohlen werden, da käme ich nicht mehr. Heute abend werden die Schüler Grüns definitiv gestürzt, und dann werde ich ganz aus dem Rohen anzufangen haben. – Von den Forderungen, die diese jebildeten Straubinger an mich machten, hast Du gar keine Vorstellung. „Milde“, „Sanftmut“, „warme Brüderlichkeit“. Ich habe sie aber gehörig gerüffelt, jeden Abend brachte ich ihre ganze Opposition von fünf, sechs, sieben Kerls (denn im Anfang hatte ich die ganze Butike gegen mich) zum Schweigen. Nächstens mehr über die Historie, die allerlei Lichter auf Herrn Grün wirft.

Proudhon soll in vierzehn Tagen nach hier kommen. Das wird schön werden.

Hier ist so was im Werke von einer Zeitschrift. Das Zigarrenmännlein Mäurer behauptet, Geld dazu bekommen zu können. Ich glaube dem Kerl aber nicht, bis das Geld da ist. Wird was daraus, so ist schon alles so eingerichtet, daß das Ding uns ganz in die Hände kommt. Mäurer, dem ostensiblen Redakteur, habe ich das Recht gelassen, seinen eigenen Unsinn drin zu drucken, das ging nicht anders. Alles übrige geht durch meine Hände, ich habe absolutes Veto. Was ich schreibe, natürlich pseudonym oder anonym. Jedenfalls wird das Ding, wenn es zustande kommt, weder dem Heß, noch dem Grün, noch sonst einer wüsten Richtung in die Hände geraten. Es wäre ganz gut, um etwas zu fegen. Sprich aber niemanden davon, ehe es zustande ist, es muß sich noch diese Woche entscheiden.

Lebe wohl und schreibe bald.

E.


[1] Vulgärer [das heißt oberflächlicher] Materialismus.

[2] So steht’s hier.

[3] Lobredner der Gegenwart.

13

Anschrift von Engels an einen Brief von F. Cöl. Bernays an Marx.

2. November 1846.

Lieber Marx!

Wo bleibt denn der lange versprochene weitläufige Brief? Schicke doch dem Bernays das Manuskript, er braucht nur das, was Du hast, das Gedruckte hat er noch. Nach Amerika hat er nichts geschickt, was dort gedruckt ist, ist es ohne sein Willen und Wissen. Es sind aber viele Exemplare gedruckt worden, von denen Leske nach allen Weltgegenden verschenkt haben kann. Wir werden dem Dings nachspüren. Vielleicht durch Grün oder Börnstein. Nach der Schweiz habe ich wegen des Manuskriptes geschrieben, aber es scheint, er läßt mich ohne Antwort. Außer diesem bleibt nur noch Jenny, mit dem habe ich einen Witz gemacht und wünsche nicht an ihn zu schreiben. Schlage mir in Dein Nächstes ein paar Zeilen für ihn bei, ich will’s abschicken, aber es ist nur pro forma, er nimmt’s gewiß nicht. Der erste, an den ich schrieb, ist der Verleger einer kleinen Broschüre von Bernays, aber wenn er auch akzeptiert, so ist er doch bankrott, à ce qu’écrit Püttmann. Voilà.[1] Ich verzwe[ifle] an der Schweiz. Guter Rat ist teuer. Wir werden in [der] jetzigen Schwulität gewiß keine drei Bände zusammen los werden; höchstens zwei Bände bei zwei ganz verschiedenen Verlegern. Schreibe hierüber auch. 23 Rue de Lille.

Dein E.

Erst jetzt las ich, was der Kleine da oben über seine Flucht aus der Einsamkeit geschrieben. Es ist gut, daß wir ihn hier haben, er wird allmählich wieder fidel. Grüße die janze Butik.


[1] Wie Püttmann schreibt. So steht’s.

14

[Fragment. Undatiert, vor 1848, wahrscheinlich Sommer 1846.]

... 7. Sollten sie die Paragraphen wegen Dividendenteilung in Paragraphen wegen Schadenteilung verwandeln, denn wenn alles das nicht wäre, so machen sie schon wegen des famosen Prinzips bankrott, den Schaden ganz zu tragen, aber den Profit zu teilen. Sie müßten also doppelt so gute Geschäfte machen wie jeder andere Buchhändler, um sich zu halten – es ist aber ein Faktum, daß alle bisherigen ausschließlich oder nur vorzugsweise mit verbotenen Schriften handelnden Buchhändler – Fröbel, Wigand, Leske – sich auf die Dauer ruiniert haben: 1. durch Konfiskation, 2. durch Ausschließung von Märkten, die plus minus doch immer stattfindet, 3. durch Bemogelung von seiten der Kommissionäre und Sortimentshändler, 4. durch Polizeidrohungen, Prozesse usw., 5. durch die Konkurrenz der Buchhändler, die nur von Zeit zu Zeit etwas Anrüchiges drucken lassen, bei denen die Polizei also seltener einspricht, und die dabei doch mehr Chance haben, Manuskripte zu bekommen, welche ziehen, während jenen stereotypen der Schund und die nicht ziehenden Bücher bleiben. Der buchhändlerische Kampf mit der Polizei kann nur mit Profit geführt werden, wenn viele Verleger sich daran beteiligen, es ist essentiellement[1] ein Guerillakrieg, und man verdient nur, wenn man selten so etwas riskiert. Der Markt ist nicht groß genug, um eine spécialité[2] aus dem Artikel zu machen.

Es ist übrigens wurst, ob die Gesellschaft sich ruiniert, sie ruiniert sich doch, mag sie’s anfangen wie sie will; aber bei der Garantie ruiniert sie sich zu rasch, das gibt ein hitziges Fieber mit drei Krisen, von denen die dritte gewiß tödlich ist. Für die zu erwartende Zufuhr von Manuskript, die nicht übergroß sein wird, wäre eine gelinde Schwindsucht passender. Es ist nur schlimm, daß ihr Kapital zu sehr angegriffen wird, wenn sie selbst druckt. Sie müßte so viel haben, daß sie zirka anderthalb Jahre drucken könnte. Denn gesetzt, das Kapital sei gleich 3000 Taler, das sie im ersten Jahre verwendet: die Ostermesseabrechnung bringt ihr, bei erträglichen Geschäften, zirka zwei Drittel, also 2000 Taler mindestens. Sie muß also noch wenigstens 1000 Taler fürs zweite Jahr über jene 3000 Taler haben. So bleibt stets zirka ein Drittel bis ein Viertel des Kapitals engagiert, in Krebsen, schlechten Zahlern usw. Vielleicht ließe sich dies unter Vorwand von allmählich abzahlbarem Vorschuß extra von den Aktionären aufbringen. Es ist übrigens nötig, sich vorher mit einem Buchhändler zu benehmen, um genau zu wissen, wieviel vom angelegten Kapital am Ende des ersten Jahres stecken bleibt, oder in wieviel Zeit man sein Gesamtkapital einmal umschlagen kann. Ich weiß das so genau nicht, ich habe aber Gründe, zu glauben, daß ich in den obigen Rechnungen eher zuwenig als zuviel stets engagiertes Kapital angenommen.

Der Herr Gerant mit seinen 20 Prozent vom Gewinn wird reich werden. Wenn in den Reservefonds auch 10 Prozent vom etwaigen Schaden kommen, so gibt das ein hübsches Minus.

Was die Garantie für die Schriftsteller für Folgen hat, davon will ich gar nicht sprechen. Ich bin der Meinung, daß man sie abschlagen muß, wenn sie für größere Werke offeriert wird. Einmal die Gesellschaft auf dieser Basis etabliert, können wir keinem anderen Buchhändler mehr was antragen, ohne daß er glaubt, die Gesellschaft habe es refüsiert. Davon abgesehen, daß dieselben Gründe, aus denen wir sie den Westfalen abschlugen, auch hier existieren. Weder unsere Ehre noch unser Interesse raten uns, darauf einzugehen.

Im einzelnen: Sieben im Tendenzkomitee sind zuviel. Drei, höchstens fünf sind genug. Man bekommt sonst Esel hinein oder gar Intriganten. Das Tendenzkomitee muß doch plus minus in Brüssel wohnen. Wo ist da bei sieben Mitgliedern eine Wahl möglich? Ist auch gar kein Grund, daß so viele sein sollen. Wir werden doch die Arbeit tun müssen, und ich bin dabei für mein Teil, was sollen uns also all die Beisitzer? Übrigens, wenn es den Gutachten des Tendenzkomitees geht wie denen der Provinzlandtage, wie dann? Es wird eine Heidenarbeit werden, all diese schriftlichen Gutachten, indessen daß wir uns dem entziehen, daran ist kein Gedanke. Wie gesagt, ich bin dabei für mein Teil. – Query?[3] Wenn die Bourgeois einen wahrhaft-sozialistischen Aufsichtsrat ernennen, der unsere Gutachten outrepassiert,[4] wie dann?


[1] Wesentlich.

[2] Spezialität.

[3] Frage.

[4] Überschreitet, das heißt über [die Gutachten] hinweggeht.

15

[Undatiertes Fragment, Jahreswende 1846/47.]

Lieber Marx!

Mein neulicher kurzer Brief an Gigot hatte folgende Gründe. Bei der Untersuchung über die Unruhen im Faubourg St. Antoine im Oktober wurden auch eine Masse verhafteter Deutscher inquiriert, der ganze zweite Schub bestand aus Straubingern. Einige dieser, jetzt über die Grenze spedierter Schafsköpfe müssen großen Unsinn über den Ewerbeck und über mich ausgesagt haben; in fact, es war bei der Lumpigkeit der Straubinger gar nichts anderes zu erwarten, als daß sie Heidenangst bekamen und verrieten, was sie wußten und mehr. Dazu kam, daß die Straubinger meiner Bekanntschaft, so geheimnisvoll sie mit ihren eigenen Lumpereien sind, über meine Zusammenkünfte mit ihnen schändlich Lärm geschlagen hatten. So sind diese Jungens. An der Barriere war vom edlen Eisermann, wie ich Euch wohl schon schrieb, ein kompletter avis aux mouchards[1] gegen mich losgelassen worden. J[ung]e beging auch einige grobe Unklugheiten; er hat etwas die Großmannsucht, er will auf Kosten der französischen Regierung nach Calais und London spediert werden. Genug, Monsieur Delessert schickte mir und E[werbeck], dem längst Verdächtigen und unter einem bloß suspendierten Ausweisungsbefehl Stehenden, Mouchards über Mouchards auf den Hals, denen es gelang, uns bis an den marchand de vins[2] zu verfolgen, wo wir zuweilen mit den Faubourger Bären zusammenkamen. Damit war bewiesen, daß wir die Chefs einer gefährlichen Clique seien, und bald daraus erfuhr ich, daß Monsieur Delessert bei Monsieur Tanneguy Duchâtel um einen Ausweisungsbefehl gegen mich und Ewerbeck eingekommen sei, und daß in dieser Sache ein famoser Aktenstoß auf der Präfektur liege. Natürlich hatte ich keine Lust, mich wegen Straubingers schaffen zu lassen. Ich hatte dergleichen Geschichten schon kommen sehen, als ich merkte, mit welcher Nonchalance die Straubinger in der ganzen Welt herumposaunten und überall diskutierten, wer recht habe, Grün oder ich. Ich war den Kram leid, zu bessern waren die Jungens doch nicht, nicht einmal gerade heraus kamen sie in der Diskussion, gerade wie die Londoner, und meinen Hauptzweck, den Triumph über Grün hatte ich erreicht. Die Gelegenheit war sehr schön, die Straubinger mit Ehren loszuwerden, so ärgerlich die Geschichte sonst auch war. Ich ließ ihnen also erklären, jetzt könne ich nicht mehr bei ihnen schulmeistern, im übrigen sollten sie sich in acht nehmen. Ewerbeck entschloß sich gleich zu einer Reise und scheint auch gleich abgegangen zu sein, wenigstens habe ich ihn nicht mehr gesehen. Wohin er ist, weiß ich auch nicht.

Nach dem Kleinen (Bernays) hatte sich die Polizei auch umgesehen, aber der war wegen allerlei Abenteuer (es ist merkwürdig, was der für tolle Affären hat, so wie er den Fuß in die zivilisierte Welt setzt) wieder in sein altes Lokal abgezogen. Wann er wieder nach Paris kommt, weiß ich nicht, keinesfalls aber zieht er in das Quartier, wohin er ziehen wollte; die Dir deshalb gegebene Adresse taugt also nichts. Sein Manuskript hat er glücklich erhalten. Inzwischen bin ich der edlen Polizei dankbar dafür, daß sie mich aus der Straubingerei gerissen und mir die Genüsse dieses Lebens in Erinnerung gebracht hat. Wenn die verdächtigen Individuen, die mich seit vierzehn Tagen verfolgen, wirklich Mouchards sind, wie ich es von einigen sicher weiß, so hat die Präfektur in der letzten Zeit viel Entreebilletts für die bals[3] Montesquieu, Valentino, Prado usw. usw. ausgegeben. Ich verdanke Herrn Delessert ganz hübsche Grisettenbekanntschaften und viel Pläsier, car j’ai voulu profiter des journées et des nuits qui pouvaient être mes derniers à Paris. Enfin,[4] da man mich sonst bis jetzt in Ruhe gelassen hat, scheint alles sich gelegt zu haben. Adressiert aber in Zukunft alle Briefe an Monsieur A. F. Körner, artiste-peintre,[5] 29 Rue neuve Bréda, Paris. Drinnen ein Kuvert mit meinen Initialen so, daß es nicht durchscheint. – –

Eben erhalte ich Antwort von dem Schweizer Verleger. Der Brief, der inliegend erfolgt, beweist mir erst recht, daß ihm nicht zu trauen. So freundschaftlich akzeptiert kein ordinärer Verleger, nachdem er Wochen hat warten lassen. Wir können jetzt sehen, was der Bremer schreibt, und dann auch noch immer tun, was wir wollen. Da ist auch noch der Kerl in Bellevue bei Konstanz, vielleicht ist mit dem was aufzustellen; wenn der Bremer nicht will, kann ich’s bei dem nochmal versuchen. Inzwischen will ich mich nochmal nach der Herisau erkundigen – hätten wir nur einen ordentlichen Kerl in der Schweiz, dem man das Manuskript mit Order, es nur gegen bar Geld auszuliefern, schicken könnte. Aber da ist nur der durstige Kindervater Pütt[mann]!

Als unschuldiges Nebenvergnügen habe ich in der letzten schlechten Zeit außer den Mädeln noch einigen Umgang mit Dänemark und dem übrigen Norden getrieben. Das ist Dir eine Sauerei. Lieber der kleinste Deutsche als der größte Däne! So ein Klimax von Moralitäts-, Zunft- und Ständemisere existiert nirgends mehr. Der Däne hält Deutschland für ein Land, wohin man geht, um „sich Maitressen zu halten und sein Vermögen mit ihnen durchzubringen“ (imedens at han reiste i Tydskland, harde han en Maitresse, som fortärede ham den bedste del af hans médler,[6] heißt es in einem dänischen Schulbuch!) – er nennt den Deutschen einen tydsk windbeutel und hält sich für den echten Repräsentanten des germanischen Wesens, der Schwede verachtet wieder den Dänen als „verdeutscht“ und ausgeartet, schwatzhaft und verweichlicht, der Norweger sieht auf den verfranzösierten Schweden und seinen Adel herab und freut sich, daß bei ihm in Norwegen noch gerade dieselbe stupide Bauernwirtschaft herrscht, wie zur Zeit des edlen Kanut, und dafür wird er wieder vom Isländer en canaille behandelt, der noch ganz dieselbe Sprache spricht, wie die schmierigen Wikinger von Anno 900, Tran säuft, in einer Erdhütte wohnt und in jeder Atmosphäre kaputt geht, die nicht nach faulen Fischen riecht. Ich bin mehrere Male in Versuchung gewesen, stolz darauf zu werden, daß ich wenigstens kein Däne oder gar Isländer, sondern nur ein Deutscher bin. Der Redakteur des avanciertesten schwedischen Blattes, des Aftonblad, ist hier zweimal in Paris gewesen, um über die Organisierung der Arbeit ins klare zu kommen, hat sich jahrelang den Bon Sens und die Démocratie pacifique gehalten, mit Louis Blanc und Considérant feierlich unterhalten, aber er hat’s nicht kapieren können und ist so klug zurückgekommen, wie er wegging. Jetzt paukt er nach wie vor hier die freie Konkurrenz, oder, wie das auf schwedisch heißt, Nahrungsfreiheit oder auch sjelfförsörjningsfrihet, Selbstversorgungsfreiheit (das ist doch noch schöner als Gewerbefreiheit). Natürlich, die sitzen noch im Zunftdreck bis über die Ohren, und auf den Reichstagen sind gerade die Bürger die wütendsten Konservativen. Im ganzen Lande nur zwei ordentliche Städte à 80 000 und 40 000 Einwohner, respektive die dritte, Norrköping, hat nur 12 000, alles übrige so 1000, 2000, 3000. Alle Poststationen wohnt ein Mensch. In Dänemark ist’s kaum besser, da haben sie nur eine einzige Stadt, wo die gottvollsten Zunftprozesse vorfallen, toller als in Basel oder Bremen, und wo man nicht ohne Einlaßkarte auf die Promenade gehen darf. Das einzige, wozu diese Länder gut sind, ist, daß man an ihnen sehen kann, was die Deutschen tun würden, wenn sie Preßfreiheit hätten, nämlich wie die Dänen wirklich getan haben, sogleich eine „Gesellschaft für den wahren Gebrauch der freien Presse“ stiften und christliche, wohlmeinende Kalender drucken lassen. Das schwedische Aftonblad ist so zahm wie die Kölner Zeitung, hält sich aber für „demokratisch im wahren Sinne des Wortes“. Dafür haben die Schweden die Romane von Fröken[7] Bremer und die Dänen Herrn Etatsraad Öhlenschläger, Commandör af Dannebrogsordenen.[8] Auch gibt es schrecklich viel Hegelianer dort, und die Sprache, in der jedes dritte Wort aus dem Deutschen gestohlen ist, paßt famos für die Spekulation.

Ein Bericht ist seit lange angefangen und folgt dieser Tage. Schreibe mir, ob Ihr Proudhons Buch habt. Wenn Du von dem Proudhonschen Buche, welches schlecht ist, für Dein Buch profitieren willst, so will ich Dir meine sehr ausführlichen Exzerpte schicken. Es ist nicht die 15 Franken wert, die es kostet.

[Fr. Engels.]


[1] Benachrichtigung der Spitzel.

[2] Weinausschänker.

[3] Bälle, beziehungsweise Ballokale.

[4] Denn ich wollte die Tage und Nächte ausnutzen, die meine letzten in Paris sein konnten. Schließlich ...

[5] Kunstmaler.

[6] Während er in Deutschland reiste, hielt er sich eine Maitresse, die den größten Teil seiner Mittel verzehrte.

[7] Fräulein.

[8] Kommandant des Danebrogsorden.

1847

16

Freitag, 15. Januar 1847.

Lieber Marx!

Ich hätte Dir schon eher geschrieben, wenn nicht Bernays mich bis jetzt hätte sitzen lassen. Der verfluchte Börnstein, bei dem ich mich nämlich unter anderem auch wegen Deines Herkommens erkundigte, war nie zu treffen, und so übertrug ich die Sache dem Bernays, der mir schon Montag einen Brief für Dich in die Stadt bringen wollte. Statt dessen erhalte ich gestern abend spät den inliegenden Wisch, den der faule Kerl vorgestern abend in Sarcelles gesudelt, und die darin enthaltenen Aufklärungen sind wahrhaftig nicht derart, daß sie ein fünf- bis sechstägiges Studium erfordert hätten. Aber so ist der Kerl. Ich werde übrigens den Börnstein selbst sprechen, denn mir genügt diese Aufklärung keineswegs und, aufrichtig gesagt, ich glaube keinem Menschen weniger aufs Wort als dem Bernays. Der Mensch brüllt mir seit nunmehr sechs Monaten die Ohren voll, Du könntest jeden Tag mit Sack und Pack kommen, und wenn’s zum Klappen kommt, macht er eine lange Historie von einem Paß. Als ob Du einen Paß brauchtest! An der Grenze fragt kein Mensch danach, auch Moses ist, ohne gefragt zu werden, hergekommen, ebensogut wie ich, und wenn Du bei mir wohnst, so möchte ich doch wissen, wer danach fragen sollte. Höchstens ein belgischer Passeport pour L’Intérieur[1] zur etwaigen Legitimierung, oder das bekannte Sendschreiben Herrn Leopolds: Cabinet du Roi[2] – das ist für alle Fälle hinreichend. Heine ist ganz derselben Meinung, und sowie ich den Börnstein attrappieren kann, werde ich ihn deshalb befragen.

Der Bernays hatte auch die Geschichte mit dem Tolstoi ausspekuliert oder sich vielmehr von Börnstein aufbinden lassen, denn der Börnstein bindet ihm auf, was er will.

Wegen Deines Herkommens also werde ich den Börnstein nochmals fragen; Heine, wie gesagt, behauptet, Du könntest dreist kommen. Oder willst Du zur französischen Ge[sandtschaft] gehen und Dir auf Grund Deines preußischen Auswanderungsscheines einen Paß fordern?

Es war mir sehr lieb, daß Du mir Mosen ankündigtest. Der Edle kam zu mir, traf mich nicht, ich schrieb ihm, er solle mir ein Rendezvous geben. Gestern fand solches statt. Der Mann hat sich sehr verändert. Jugendliche Locken umwallen sein Haupt, ein zierliches Bärtchen gibt dem scharfen Kinn einige Grazie, eine jungfräuliche Röte überflog seine Wangen, aber la grandeur déchue se peignait dans ses beaux yeux,[3] und eine befremdliche Bescheidenheit war über ihn gekommen. Ich habe mir hier in Paris einen sehr unverschämten Ton angewöhnt, denn Klimpern gehört zum Handwerk, und man richtet mit selbigem manches bei Frauenzimmern aus. Aber dies genotzüchtigte Exterieur des ehemals so welterschütternden Überfliegers Heß hätte mich fast entwaffnet. Die Heldentaten der wahren Sozialisten, seiner Jünger (wovon unten) und sein eigener unveränderter Kern gaben mir aber wieder Mut. Genug, er ist von mir so kalt und spöttisch behandelt worden, daß er keine Lust haben wird wiederzukommen.

Der Bremer [Buchhändler] ist jedenfalls dem Schweizer vorzuziehen. Ich kann dem Schweizer nicht schreiben, 1. weil ich seine Adresse vergessen habe, 2. weil ich dem Kerl kein niedrigeres Honorar pro Bogen vor[schlagen] will, als Du dem Bremer vorschlägst. [Lücke] ... also Deine Vorschläge für den Bremer und zugleich die Adresse des Kerls. Er hat dem Bernays seine schlechte Rothschild-Broschüre gut bezahlt, aber den Pütt[mann] geprellt: für ihn gedruckt, aber unter dem Vorwand, seine Fonds engagiert zu haben, die Zahlung des Honorars ins Unendliche hinausgeschoben.

Sehr schön, daß Du französisch gegen Proudhon schreibst. Die Broschüre ist hoffentlich schon fertig geschrieben bei Ankunft dieses. Daß Du meinetwegen aus unserer Publikation antizipieren kannst, was Du willst, versteht sich von selbst. Daß Pr[oudhon]s Assoziation auf Brays Plan herausläuft, glaube ich ebenfalls. Ich hatte den guten Bray ganz vergessen.

Du hast vielleicht in der Trierschen Zeitung von der Neuen Leipziger Soz[ialistischen] Zeitschrift gelesen, betitelt „Veilchen“, Blätter für die harmlose moderne Kritik!! worin Herr Semmig als Sarastro brüllt: In diesen heiligen Hallen kennt man die Rache nicht, in diesen heiligen Mauern darf kein Verräter lauern, dann wandelt er an Freu-eu-eu-eundeshand, vergnügt und froh ins bessere Land – aber er hat leider keinen Baß dazu, wie weiland Reichel. Sarastro-Semmig opfert hier den drei Gottheiten: 1. Heß – 2. Stirner – 3. Ruge – alles in einem At[em]. Erstere beide haben die Tiefen der Wissenschaft ... [Lücke]. Dies Blättchen oder Veilchen ist das Tollste, was ich je gelesen habe. Eine solche stille und zugleich unverschämte Verrücktheit ist nur in Sachsen möglich. Könnten wir doch das Kapitel über den wahren Sozialismus noch einmal machen, jetzt, wo sie sich nach allen Seiten entwickelt haben, wo sich die westfälische Schule, die sächsische Schule, die Berliner Schule usw. usw. nebst den einsamen Sternen Püttmann usw. besonders konstituiert haben. Man könnte sie nach den Sternbildern des Himmels einteilen. Püttmann der große und Semmig der kleine Bär oder Püttmann der Stier, und die Plejaden seine acht Kinder. Hörner verdient er, wenn er sie nicht hat, ohnehin. Grün, der Wassermann usw. Apropos Grün. Ich werde den Artikel über Grüns Goethe umarbeiten, auf einen halben bis drei Viertel Bogen reduzieren und ihn für unsere Publikation zurechtmachen, wenn’s Dir recht ist, worüber Du mir bald schreiben sollst. Das Buch ist zu charakteristisch. Grün preist alle Philistereien Goethes als menschlich, er macht den Frankfurter und Beamten Goethe zum „wahren Menschen“, während er alles Kolossale und Geniale übergeht oder gar bespuckt. Dergestalt, daß dies Buch den glänzendsten Beweis liefert, daß der Mensch = der deutsche Kleinbürger. Dies hatte ich nur angedeutet, könnte es aber ausführen und den Rest des Artikels ziemlich streichen, da er für unser Ding nicht paßt. Was meinst Du?

Dein Engels.


[1] Inlandspaß.

[2] Kabinett des Königs.

[3] Die gefallene Größe malte sich in seinen schönen Augen.

17

Dienstag, 9. März 1847.

Lieber Marx!

Das inliegende Broschürli wurde mir heute morgen von Junge überbracht; Ewerbeck habe es vor einigen Tagen zu ihnen gebracht. Ich sah mir das Ding an und erklärte, es sei von Mosi, und setzte dem Junge dies Punkt für Punkt auseinander. Heute abend sah ich Ewerbeck, er gestand, es gebracht zu haben, und nachdem ich das Ding gehörig heruntergerissen, kommt heraus, daß er selbst, Ewerbeck, der Verfasser des sauberen Machwerkes ist. Er hat es, wie er behauptet, in den ersten Monaten meiner Anwesenheit hier verfaßt. Der erste Rausch, in den ihn die von mir mitgeteilten Neuigkeiten versetzten, hat ihn dazu begeistert. So sind diese Jungens. Während er den Heß auslachte, der sich mit fremden Federn schmückt, die ihm nicht stehen, und den Straubingern verbot, dem Grün zuzustecken, was ich ihnen vortrug, damit der es nicht ebenso mache, setzt er sich hin und treibt es – in der besten Absicht der Welt, wie immer – um kein Haar besser. Moses und Grün hätten die Sachen nicht mehr verhunzt als dieser volkstümliche ...... Doktor. Ich habe ihn natürlich erst etwas verhöhnt und ihm schließlich verboten, je wieder solches Zeug zu laxieren. Aber das sitzt dem Volke in den Knochen. Die vorige Woche setze ich mich hin und schreibe aus Unsinn eine anonym herauszugebende Broschüre über die Lola Montez. Samstag las ich ihm einiges daraus vor, und heute abend erzählt er mir mit gewöhnlicher Bonhommie, daß ihn dies zu einer ähnlichen Produktion inspiriert habe, die er bereits den nächsten Tag über denselben Gegenstand gemacht und dem Mäurer für seine Inkognitozeitschrift (sie erscheint wirklich ganz im geheimen und nur für die Redaktion unter Zensur von Madame Mäurer, die bereits ein Gedicht von Heine gestrichen) eingehändigt. Er teile mir dies jetzt schon mit, um seine Ehrlichkeit zu salvieren und um kein Plagiat zu begehen! Dies neue Meisterstück dieses erpichten und verpichten Schriftstellers wird natürlich eine Übersetzung meines Witzes in solenn-überschwenglichen Stilum sein. Dies letztere Probestück kurzen Gedärmes ist zwar im übrigen wurst, zeigt aber doch, wie dringend nötig es ist, daß entweder Dein Buch oder unsere Manuskripte so rasch wie möglich erscheinen. Die Kerle tragen sich alle mit dem Kummer, daß so famose Ideen dem Volke solange verborgen bleiben, und wissen am Ende kein anderes Mittel, sich diesen Stein vom Herzen zu wälzen, als daß sie selbst so viel davon aus ihrem Darme pressen, als sie passablement verdaut zu haben meinen. Lasse den Bremer also nicht fahren. Wenn er nicht antwortet, schreibe nochmals. Akzeptiere das möglichst Geringe, im Notfall. Diese Manuskripte verlieren mit jedem Monat, den sie auf Lager zubringen, 5 bis 10 Franken pro Bogen an exchangeable value.[1] Noch ein paar Monate, la diète prussienne en discutera, la querelle bien entamée à Berlin,[2] und der Bauer und Stirner sind nicht mehr zu 10 Franken pro Bogen verkäuflich. Bei einer solchen Gelegenheitsschrift kommt man allmählich auf einen Punkt, wo hohes Honorar als Forderung des schriftstellerischen point d’honneur[3] ganz beiseite gesetzt werden muß.

Die Konstitutionsbroschüre bekommst Du baldmöglichst. Ich werde sie auf einzelne Blätter schreiben, damit Du einlegen und weglassen kannst. Wenn Aussicht da ist, daß Vogler einiges zahlt, so frage ihn, ob er den Lola-Montez-Witz – zirka anderthalb bis zwei Bogen – nehmen will, brauchst aber nicht zu sagen, daß das Ding von mir herrührt. Antworte mir umgehend darüber, sonst versuche ich in Bellevue. Du wirst in Débats oder Constitutionnel gelesen haben, daß Schufterle Schlepfer in Herisau vom großen Rat wegen württembergischer Klagen außerstande gesetzt ist, weiter revolutionäres Zeug zu drucken, er selbst hat es in Briefen hierher bestätigt und sich alle Zusendungen verbeten. Also Grund mehr, an dem Bremer zu halten. Ist es gar nichts mit dem, so bleibt nur die „Verlagsbuchhandlung“ in Bellevue bei Konstanz. Au reste, wenn das Unterbringen unserer Manuskripte mit dem Unterbringen Deines Buches kollidiert, so foutiere [schleudere] in Teufels Namen die Manuskripte in eine Ecke, denn es ist viel wichtiger, daß Dein Buch erscheint. Wir beide beißen doch bei unseren Arbeiten darin nicht viel heraus.

Du hast vielleicht in der gestrigen (Montags) Kölner Zeitung einen biedermännischen Artikel über Martin du Nords Skandalgeschichte gelesen. Dieser Artikel ist von Bernays – er macht von Zeit zu Zeit die Börnsteinsche Korrespondenz.

Die hiesige Polizei ist jetzt sehr bösartig. Es scheint, sie wollen mit aller Gewalt eine Emeute oder eine massenhafte Konspiration gelegentlich der Hungersnot herausbeißen. Erst streuen sie allerlei Druckschriften aus und heften placats incendiaires[4] an, und jetzt haben sie gar Brandstiftungsmaschinen gemacht und ausgestreut, die aber nicht angesteckt waren, damit der Épicier die ganze Größe der teuflischen Bosheit erkennen könne. Dazu haben sie die schöne Geschichte mit den communistes matérialistes[5] angefangen, eine Masse Kerls verhaftet, von denen A den B, B den C, C den D kennt usw., und nun auf Grund dieser Bekanntschaft und einiger Zeugenbehauptungen die ganze Masse unter sich meist unbekannte Kerle in eine „Bande“ verwandelt. Der Prozeß dieser „Bande“ wird bald vorkommen, und wenn zu diesem neuen System die alte complicité morale[6] hinzukommt, so kann man jedes beliebige Individuum mit der größten Leichtigkeit verurteilen. Cela sent son Hébert.[7] Auf diese Art ist nichts leichter, als auch den père[8] Cabet ohne weiteres zu verdonnern.

Komme doch, wenn es irgend möglich, im April einmal hierher. Bis zum 7. April ziehe ich aus – ich weiß noch nicht, wohin –, und habe um dieselbe Zeit auch einiges Geld. Wir könnten dann einige Zeit höchst fidel zusammen verkneipen. Da die Polizei jetzt allerdings eklig ist (außer dem Sachsen, von dem ich schrieb, war auch mein alter Gegner Eisermann geschaßt, beide sind hier geblieben, vergleiche K. Grün in der Kölner Zeitung), so ist es allerdings am besten, daß man den Rat des Börnstein befolgt. Versuche beim französischen Gesandten, auf Deine Auswanderung einen Paß zu kriegen; wenn das nicht geht, dann wollen wir sehen, was hier auszurichten ist – es gibt wohl noch einen konservativen Deputierten, der sich durch die sechste Hand rühren läßt. Du mußt platterdings mal wieder aus dem ennuyanten Brüssel weg und nach Paris, und das Verlangen, etwas mit Dir zu kneipen, ist auch meinerseits sehr groß. Entweder mauvais sujet[9] oder Schulmeister, das ist alles, was man hier sein kann; mauvais sujet unter liederlichen Stricken, und cela vous va fort mal quand vous n’avez pas d’argent,[10] oder Schulmeister von Ewerbeck, Bernays und Konsorten. Oder sich von den Chefs der französischen Radikalen weise Ratschläge geben lassen, die man nachher noch gegen die anderen Esel verteidigen muß, damit sie nicht gar zu stolz in ihrer schwammigen Deutschheit sich brüsten. Hätte ich 5000 Franken Renten, ich täte nichts als arbeiten und mich mit den Weibern amüsieren. Wenn die Französinnen nicht wären, wäre das Leben überhaupt nicht der Mühe wert.

Hast Du Louis Blancs [Geschichte der französischen] Revolution gesehen? Ein tolles Gemisch richtiger Ahnungen und grenzenloser Verrücktheiten. Ich habe erst die Hälfte des ersten Bandes in Sarcelles gelesen. Ça fait un drôle d’effet.[11] Kaum hat er einen durch eine nette Anschauung überrascht, so poltert er einem gleich den furchtbarsten Wahnsinn über den Kopf. Aber der Louis Blanc hat eine ganz gute Nase und ist auf gar keiner üblen Spur, trotz allem Wahnsinn. Er bringt es aber doch nicht weiter, als er jetzt schon ist – „ein Zauber bleit ihn nieder“, die Ideologie.

Kennst Du Ach. de Vaulabelle, Chute de l’Empire, Histoire des deux Restaurations?,[12] im vorigen Jahre erschienen, Republikaner vom National und in der Art der Geschichtschreibung der alten Schule – vor Thierry, Mignet usw. – angehörend. Grenzenloser Mangel an Einsicht in die ordinärsten Verhältnisse – selbst der Capefigue in seinen „Cent Jours[13] ist darin unendlich besser –, aber interessant wegen der bourbonischen und alliierten Schmutzereien, die er alle zusammenzählt, und wegen ziemlich genauer Darstellung und Kritik der facta[14], solange seine nationalen und politischen Interessen ihn nicht stören. Im ganzen jedoch langweilig geschrieben, eben wegen Mangel alles Überblicks. Der National ist ein schlechter Historiker, und Vaulabelle soll Marrasts amicus[15] sein.

Moses ist ganz verschollen. Bei den „Ouvriers[16], mit denen ich nicht umgehe, verspricht er Vorlesungen zu halten, gibt sich für Grüns Gegner und meinen Intimus aus! Gott weiß und Moses desgleichen, daß ich ihn bei unserer zweiten und letzten Entrevue am Passage Vivienne mit offenem Maule stehen ließ – – –. Seitdem ist er mir nur noch am mardi gras[17] begegnet, wo er sein lebensmüdes Ich durch den fürchterlichsten Regen und die ödeste Langeweile nach der Börse zu schleifte. Wir erkannten uns nicht einmal.

Den Brief an Bakunin werde ich besorgen, sobald ich seiner Adresse sicher bin – bis jetzt ist es noch chanceux.[18]

Apropos, schreibe doch an den Ewerbeck wegen des Broschürlis und verhöhne ihn etwas, er hält demütigst ambas posaderas[19] dar und wünscht Hiebe drauf zu besehen – Du kennst das.

Also schreibe bald und besorge das, daß Du herkommst.

Dein F. E.


[1] Marktwert.

[2] Die Diskussion im [vereinigten] preußischen Landtag beginnt, der Streit in Berlin gehörig im Gange ....

[3] Ehrensache.

[4] Brandplakate.

[5] Materialistische Kommunisten. (Gruppe extrem radikaler Kommunisten.)

[6] Moralische Mitschuld.

[7] Das riecht ganz nach Hébert.

[8] Vater [beziehungsweise der Alte].

[9] Liederliches Subjekt.

[10] Das steht euch sehr schlecht, wenn ihr kein Geld habt.

[11] Das macht einen komischen Eindruck.

[12] [Der] Sturz des Kaiserreichs, [die] Geschichte zweier Restaurationen.

[13] Die hundert Tage. [Baptiste Honoré Capefigue war ein politisierender Historiker und Romandichter.]

[14] Tatsachen.

[15] Freund.

[16] Arbeiter [beziehungsweise Handwerker].

[17] Fastnacht.

[18] Vom Zufall abhängig.

[19] Beide Hinterbacken.

18

15. Mai 1847.

Lieber Engels!

Du weißt, daß Vogler seit Anfang Mai in Aachen arretiert ist. Das hat für einstweilen den Druck der von Dir hergeschickten Broschüre unmöglich gemacht. Das erste Drittel derselben hat mir sehr gut gefallen. An den zwei anderen muß jedenfalls geändert werden. Mehr speziell das nächstemal über diesen Punkt.

Einlege ich den Abdruck Deiner Karikatur. Ich hatte sie der Brüsseler Zeitung zugeschickt.

Was den wirklich ekelhaften Artikel des Grün und Konsorten in der Trierschen Zeitung angeht, so ist es zwar jetzt zu spät; ursprünglich aber hättest Du gut getan, in zwei Zeilen eine Gegenerklärung in demselben Schundblatt zu erlassen.

Nach London kann ich nicht. Die Geldmittel gestatten es nicht. Wolff[1] werden wir aber hoffentlich hinbringen. Und dann wird’s genügen, daß ihr beide da seid.

Ich kann Dir nicht mehr schreiben. Vor ungefähr zwölf Tagen ließ mir der Breyer zu Ader, aber statt an dem linken, am rechten Arm. Da ich fortarbeitete, als sei nichts vorgefallen, eiterte die Wunde, statt zu vernarben. Die Sache hätte gefährlich werden und mir den Arm kosten können. Jetzt ist’s so gut wie geheilt. Aber der Arm noch schwach. Darf nicht angestrengt werden.

Dein Marx.


[1] Wilhelm Wolff, auch „Lupus“, „Kasematten“- oder „Parlaments-Wolff“ genannt.

19

[Aus Brüssel.] Dienstag, 28. September 1847.

Lieber Marx!

Es ist hier dieser Tage eine höchst kuriose Geschichte vorgekommen. Sämtliche mit uns und unserem Auftreten unzufriedenen Elemente unter den hiesigen Deutschen haben nämlich eine Koalition gebildet, um Dich, mich und überhaupt die Kommunisten zu stürzen und dem Arbeiterverein eine Konkurrenz zu machen. Bornstedt ist im höchsten Grade malkontent; die von Otterberg ausgegangene, von Sandkuhl überbrachte und bestärkte, von Crüger und Moras benutzte Redensart, wir benutzten ihn, Bornstedt, bloß, hat ihn gegen uns alle wütend gemacht; Moras und Crüger, die da herumjammern, sie würden von uns von oben herab behandelt, haben ihn noch mehr aufgehetzt. Seiler ist ärgerlich wegen der ihm widerfahrenen unverzeihlichen Vernachlässigung bei Gründung des Arbeitervereins und wegen des guten Fortganges des Vereins, der allen seinen Prophezeiungen widerspricht. Heilberg sucht für die ihm zuteil gewordenen und noch tagtäglich werdenden Grobheiten eine eklatante, wenn auch unblutige Rache. Bornstedt schäumt ebenfalls, daß er sich vermittels der geschenkten Bücher und Karten nicht die Stellung eines einflußreichen Demokraten, die Ehrenmitgliedschaft und Aufstellung seiner Büste im Verein erkaufen konnte, sondern daß im Gegenteil sein Setzer morgen abend über ihn wie über einen ganz gewöhnlichen Menschen abstimmen lassen wird. Es ärgert ihn auch, daß er, der aristokratische homme d’esprit[1], bei den Arbeitern viel weniger Gelegenheit findet, sich zu mokieren, als er sich versprochen hatte. Dann ist Moras ärgerlich, daß er die Brüsseler Zeitung nicht für Heinzen gewonnen. Enfin[2], alle diese heterogenen Elemente vereinigten sich zu einem Coup, der uns sämtlich zu einer sekundären Rolle gegenüber Imbert und den belgischen Demokraten herabdrücken und eine viel großartigere, universellere Gesellschaft ins Leben rufen sollte als unseren lumpigen Arbeiterverein. Sämtliche Herren brannten danach, auch einmal in irgend etwas die Initiative zu haben, und die feigen Canaillen hatten dazu den Moment Deiner Abwesenheit für ausgezeichnet passend gefunden. Sie hatten sich aber schändlich verrechnet.

Sie beschlossen also ganz im stillen, ein kosmopolitisch-demokratisches Souper zu arrangieren und dort ganz unvorbereitet eine Gesellschaft à la fraternal Democrats[3] nebst Arbeitermeetings usw. usw. zu proponieren. Sie bildeten eine Art Komitee, wozu sie pro forma den ihnen ganz unschädlichen Imbert zuzogen. Nach allerlei vagen Gerüchten erfuhr ich erst Sonntag abend im Verein von Bornstedt etwas Positives darüber, und Montag war schon das Essen. Details waren aus Bornstedt nicht herauszuziehen, außer daß Jottrand, General Mellinet, Adolf Bartels, Kats usw. usw. hinkommen würden, Polen, Italiener usw. Obwohl ich von der ganzen Koalition nichts ahnte (erst Montag morgen erfuhr ich, daß Bornstedt etwas pikiert sei und Moras und Crüger jammerten und intrigierten; von Seiler und Heilberg ahnte ich nichts), so kam mir die Sache doch verdächtig vor. Hingehen mußte man aber wegen der Belgier und um in dem kleinen Brüssel nichts Demokratisches geschehen zu lassen, wobei wir nicht beteiligt seien. Aber für eine Partei mußte gesorgt werden. Wallau und ich brachten also die Sache vor, unterstützten sie stark, und gleich fanden sich an die dreißig, die hingehen wollten. Am Montag morgen sagte mir Lupus, außer dem président d’honneur[4], dem alten Mellinet, und dem wirklichen Präsident Jottrand müßten sie zwei Vizepräsidenten haben, von denen einer Imbert, der andere ein Deutscher, womöglich ein Arbeiter. Wallau sei leider unmöglich, weil er kein französisch spreche. So habe ihm Bornstedt gesagt. Er, Lupus, habe geantwortet, dann müsse ich es werden. Ich sagte dem Lupus nun, er solle es sein, aber er wollte absolut nicht. Ich wollte es auch nicht, weil ich so schrecklich jung aussehe, aber am Ende dachte ich, es sei doch für alle Vorkommenheiten am besten, wenn ich es akzeptierte.

Wir kommen abends hin. Bornstedt tat sehr unwissend, als ob noch nichts arrangiert, bloß die Beamten (toujours à l’exception de l’Allemagne[5]) und einige inskribierte Redner, von denen ich außer Crüger und Moras keinen Namen erfahren konnte; er drückte sich jeden Augenblick wegen Arrangierung des Lokals, lief zu diesem und jenem, mogelte, intrigierte, fuchsschwänzelte aus Leibeskräften. Ich sah indes noch kein Symptom von besonderer Intrige, das stellte sich erst später heraus. Wir waren im Estaminet Liégeois, Place du Palais de justice. Als es zur Beamtenwahl kam, schlug Bornstedt gegen alle Absprache Wallau vor. Dieser ließ sich durch Wolff (Lupus) ablehnen und mich vorschlagen, was auch mit Glanz durchging. Hiermit war die ganze Intrige auseinandergefallen und vereitelt. Jetzt verloren sie mehr oder weniger die Besinnung und verrieten sich. Nach Imbert, der die martyrs de la liberté[6] leben ließ, brachte ich einen französischen Toast au souvenir de la Révolution de 1792[7] und nachträgliches anniversaire du 1er Vendémiaire an I de la République[8] aus. Nach mir hielt Crüger eine lächerliche Rede, in der er stecken blieb und sein Manuskript hervorziehen mußte. Dann Moras, der eine Pauke ablas, in der es sich fast nur von seiner Wenigkeit handelte. Beide deutsch. Ihre Toaste waren so konfus, daß ich sie gar nicht mehr weiß. Dann Pellerin flämisch, Advokat Spilthoorn von Gent französisch au peuple anglais,[9] dann zu meinem größten Erstaunen die buckelige Spinne Heilberg mit einer langen schulmeisterlichen abgeschmackten französischen Rede, worin er erstens sich als Redakteur des Atelier Démocratique in die Brust warf; zweitens erklärte, Er, Maximus Heilberg, verfolge seit mehreren Monaten – mais cela doit se dire en français: L’association des ouvriers belges, voilà le but que Je poursuis depuis quelques mois (c. à d. depuis le moment où J’ai daigné prendre connaissance du dernier chapitre de la Misère de la philosophie).[10] Also Er und nicht Kats und die anderen Belgier. „Nous entrerons dans la carrière quand nos aînés n’y seront plus[11] usw. usw. Er wird das vollbringen, was Kats und Jottrand nicht konnten; drittens vorschlug, eine fraternelle democracy[12] zu stiften und die Meetings zu reorganisieren; viertens das erwählte Bureau mit der Organisation beider zu beauftragen. – Also welche Konfusion! Erstens die kosmopolitische Geschichte mit belgischen Meetings über belgische Angelegenheiten zusammenzuwerfen, und zweitens diesen Vorschlag, statt ihn ganz fallen zu lassen, weil ihnen doch alles verbrockt, dem bestehenden Bureau zu übertragen! Und wenn er dachte, ich ginge weg, mußte er nicht wissen, daß gar nicht daran zu denken war, irgend jemand anders ins Bureau zu bringen als Dich? Aber der Schafskopf hatte seine Rede mal fertig geschrieben, und seine Eitelkeit erlaubte ihm nicht, etwas fallen zu lassen, wobei er die Initiative in irgend etwas ergreifen konnte. Die Geschichte ging natürlich durch, und bei dem zwar sehr factice [äußerlich] gewordenen, aber doch lauten Enthusiasmus war nicht daran zu denken, den konfusen Vorschlag besser zu arrangieren. Dann sprach A. Bartels (Jules war nicht da), und dann verlangte Wallau das Wort. Wie groß aber war mein Erstaunen, als plötzlich Bornstedt vorsprang und mit großem Eifer das Wort für Seiler als früher schon eingeschriebenen Redner verlangte. Seiler erhielt es und hielt eine unendliche lange, schwatzhafte, alberne, lächerlich abgeschmackte, wirklich blamable Rede (französisch), worin er von den pouvoirs législatif, administratif et exécutif[13] schauderhaften Unsinn sprach, den Demokraten allerhand weise Ratschläge gab (wie auch Heilberg, der von Instruktion und question de l’enseignement[14] die wunderbarsten Dinge gefaselt), worin Seiler ferner sich en grand homme[15] posierte, von demokratischen Gesellschaften sprach, auxquelles j’ai participé et que j’ai peut-être même dirigées (littéralement)[16] und schließlich auch richtig sein edles Bureau mit den dernières nouvelles arrivées de Paris[17] usw. hereinbrachte. Kurz, es war scheußlich. Nachher sprachen noch mehrere, ein schwyzer Esel, Pellerin, Kats (sehr gut) usw. usw., und um 10 Uhr schloß Jottrand (der sich zu Tode schämte für die Deutschen) die Sitzung. Plötzlich reklamierte Heilberg Schweigen und annoncierte: die Rede von Weerth auf dem free trade[18] Kongreß erscheine morgen in dem Supplement des Atelier, qui se vendra séparément!!![19] Auch hat der Zalewski noch etwas gegreint sur l’union de cette malheureuse Pologne et de cette grande, noble et poétique Allemagne – enfin,[20] alle gingen sehr ruhig, aber sehr malkontent nach Hause.

Donnerstag, 30. September. Seit obiges geschrieben, ist allerlei Neues vorgefallen und mancherlei entschieden. Am Dienstag morgen, wo mir die ganze Intrige klar war, lief ich herum und konterkarrierte; noch in der Nacht um 2 Uhr lief ich zu Lupus aufs Bureau: ob Bornstedt nicht im Arbeiterverein auszuballottieren sei? Mittwoch überall herumgelaufen, aber alle meinten, wir setzten es nicht durch. Ich kam Mittwoch abend in den Verein, Bornstedt war schon da, er war zweideutig; endlich brachte Thomis die neue Zeitung, mein Artikel gegen Heinzen, den ich Montag schon zu ihm und, als er (mittags 2 Uhr) nicht da war, in die Druckerei gebracht, stand nicht drin. Ich frug ihn, er sagte, es sei kein Platz gewesen. Ich erinnerte an das, was Du mit ihm abgesprochen. Er leugnete das; ich wartete, bis Wallau da war, der mir sagte, Platz genug sei dagewesen, aber am Dienstag habe Bornstedt den Artikel aus der Druckerei holen lassen und nicht wieder geschickt. Ich ging zu Bornstedt und erzählte ihm das sehr grob. Er suchte sich herauszulügen. Ich kam wieder auf die Absprache, die er, bis auf ganz allgemeines Geschwätz, wieder leugnete. Ich sagte ihm einige Grobheiten – Crüger, Gigot, Imbert usw. usw. saßen dabei – und frug: Wollen Sie den Artikel am Sonntag geben, oui ou non?[21] – Darüber müssen wir erst sprechen. – Ich spreche mit Ihnen darüber gar nicht. Damit ließ ich ihn sitzen. Die Sitzung begann. Bornstedt stützte seinen Kopf auf seinen Ellenbogen und sah mich mit merkwürdiger Siegesgewißheit an. Ich sah ihn wieder an und wartete. Auf trat Herr Thomis, der, wie Du weißt, das Wort verlangt hatte. Er zog eine geschriebene Rede aus der Tasche und las eine Reihe der sonderbarsten Ausfälle gegen unser Scheingefecht ab. Eine Zeitlang ging das fort, aber als cela ne finissait pas,[22] entstand allgemeines Murren, eine Masse verlangten das Wort, und Wallau rief Thomis zur Ordnung. Dieser, Thomis, las dann sechs verrückte Worte über die Frage und trat ab. Dann trat Heß auf und verteidigte uns ganz gut. Dann Junge. Dann der Pariser Wolff[23], der zwar dreimal stecken blieb, aber sehr applaudiert wurde. Dann noch mehrere. Wolff hatte verraten, daß wir bloß pro forma opponiert. Ich mußte also auftreten. Ich sprach – à la grande déconfiture de Bornstedt,[24] der geglaubt hatte, ich wäre zu sehr mit persönlichem Krakeel beschäftigt – ich sprach also über die revolutionäre Seite des Schutzsystems, den pp. Thomis natürlich gänzlich ignorierend, und schlug eine neue Frage vor. Angenommen. – Pause. – Bornstedt, durch meine Heftigkeit ihm gegenüber, durch Thomis’ gänzliches Abfallen (il y avait du Bornstedt dans son discours[25]) und durch die Heftigkeit, mit der ich schließlich noch gesprochen, sehr erschüttert, Bornstedt kam zu mir: Aber liebes Kind, Sie sind aber schrecklich leidenschaftlich usw. Kurz, ich sollte den Artikel unterschreiben. – Nein. – Dann sollten wir uns wenigstens über eine kurze Redaktionseinleitung verständigen. – Bien, à demain à onze heure au Café Suisse.[26] – Dann kam die Aufnahme von Bornstedt, Crüger und Wolff. Heß stand zuerst auf und richtete zwei Fragen an Bornstedt wegen der Montagsversammlung. Bornstedt log sich heraus, und Heß war schwach genug, sich für satisfait zu erklären. Junge packte Bornstedt persönlich, wegen seines Auftretens in der Gesellschaft und weil er den Sandkuhl unter falschem Namen eingeführt. Fischer trat sehr energisch gegen Bornstedt auf, ohne alle Verabredung, aber sehr gut. So noch mehrere. Kurz, der siegestrunkene Herr v. Bornstedt mußte förmlich zwischen den Arbeitern Spießruten laufen. Er wurde schändlich mißhandelt und war so geschlagen – er, der natürlich durch seine Büchergeschenke komplett eingekauft zu sein glaubte –, daß er nur ausweichend schwach, konzedierend antworten konnte – trotzdem daß Wallau fanatisch für ihn war, miserabel präsidierte und ihn jeden Augenblick die Redner unterbrechen ließ. Noch stand alles zweifelhaft, als Wallau die Vorgeschlagenen abtreten ließ und zur Abstimmung brachte. Crüger, von mir als höchst unschuldiger Mensch vorgeschlagen, der der Gesellschaft nicht schaden kann, und von Wolff purement et simplement[27] unterstützt, ging durch. Bei Bornstedt trat Wallau in einer langen heftigen Rede für ihn auf. Jetzt trat ich auf, setzte die ganze Intrige, soweit die Gesellschaft dabei beteiligt war, auseinander, vernichtete die Evasionen [Ausflüchte] des Bornstedt eine durch die andere und erklärte schließlich: Der Bornstedt hat gegen uns intrigiert, uns Konkurrenz machen wollen, aber wir haben gesiegt, und darum können wir ihn jetzt in der Gesellschaft zulassen. Während der Rede – es war die beste, die ich je gehalten – wurde ich sehr häufig durch Applaus unterbrochen, namentlich als ich sagte: diese Herren glaubten noch, alles gewonnen zu haben, weil ich, ihr Vizepräsident, weggehe, aber sie dachten nicht daran, daß einer unter uns ist, dem der Platz von Rechts wegen gebührt, einer, der allein die deutschen Demokraten hier in Brüssel vertreten kann, und das ist Marx – da wurde fürchterlich applaudiert. Genug, nach mir sprach keiner mehr, und so wurde dem Bornstedt nicht die Ehre angetan, ihn herauszuschmeißen. Er stand vor der Tür und hörte alles an. Ich hätte es lieber gesagt, wo er noch im Saale gegenwärtig war, mais il n’y avait pas moyen,[28] weil ich mich für den letzten Coup aufsparen mußte und Wallau die Diskussion abbrach. Aber er, wie Wolff und Crüger, hat jedes Wort gehört. Ihm gegenüber wurde Wolff fast glänzend adoptiert. – Genug, in der gestrigen Sitzung hat Bornstedt, Crüger usw. einen solchen Schimpf erlitten, daß sie honorigerweise gar nicht in die Gesellschaft kommen können und für lange Zeit genug haben. Aber sie werden doch kommen; der unverschämte Bornstedt ist durch unsere noch größere Frechheit, durch das gänzliche Fehlschlagen aller seiner Kalkulationen, durch unsere Leidenschaftlichkeit so caduc [hinfällig] geworden, daß er nichts mehr kann als in Brüssel herumlaufen und seine Schande überall herumjammern, le dernier degré de l’abaissement.[29] Er kam wütend in den Saal zurück, aber ohnmächtig, und als ich nun von der Gesellschaft Abschied nahm und mit allen nur möglichen Ehren entlassen wurde, ging er schäumend weg. Während der Diskussion über ihn war Bürgers gegenwärtig, der seit vorgestern abend hier ist. – Unsere Arbeiter haben sich bei der ganzen Sache ganz famos benommen; die geschenkten 26 Bücher und 27 Landkarten wurden mit keinem Worte erwähnt, Bornstedt wurde von ihnen mit der größten Kälte und Rücksichtslosigkeit behandelt, und als ich sprach und zur Konklusion kam, hatte ich es in meiner Hand, ihn mit enormer Majorität durchfallen zu lassen. Das gibt selbst Wallau zu. Aber wir haben ihn schlimmer behandelt, wir haben ihn mit Schimpf und Schande aufgenommen.

Auf die Gesellschaft hat die Sache einen ausgezeichneten Eindruck gemacht; zum erstenmal haben sie eine Rolle gespielt, ein Meeting, trotz aller Intrigen, beherrscht, und einen Kerl, der sich ihnen gegenüber eine Position machen wollte, in seine Schranken zurückgewiesen. Nur einige Kommis usw. usw. sind malkontent, die Masse ist enthusiastisch für uns. Sie haben gefühlt, was sie sind, wenn sie assoziiert sind.

Heute morgen ging ich aufs Café Suisse, und wer nicht kam, war Bornstedt. Aber Weerth und Seiler begegneten mir, sie hatten den Bornstedt eben gesprochen, und Seiler war die Unterwürfigkeit und Insinuation selbst. Ich ließ ihn natürlich links liegen. Die gestrige Sitzung war übrigens so dramatisch, sie arrangierte und steigerte sich so famos, daß der Pariser Wolff aus reinem ästhetischen Gefühl darüber momentan zum Parteimann geworden ist. Heute war ich auch bei A. Bartels und erklärte ihm, daß die deutsche Gesellschaft für nichts verantwortlich sei, was am Montag vorgefallen, daß Crüger, Bornstedt, Moras, Seiler, Heilberg usw. usw. nicht einmal Mitglieder waren, und daß die ganze à l’insu[30] der deutschen Gesellschaft veranstaltete Geschichte vielmehr die Errichtung einer Konkurrenz gegen sie bezweckte. Ein Brief gleichen Inhaltes, von allen Komiteemitgliedern unterzeichnet, geht morgen ebenfalls an Jottrand ab. Zu Imbert gehe ich morgen mit Lupus. Ferner habe ich folgendes an Jottrand wegen der durch meine Abreise leer werdenden Stelle im Organisationskomitee der Brüsseler fraternal Democrats[31] geschrieben:

Monsieur! Obligé de quitter Bruxelles pour quelque mois, je me trouve dans l’impossibilité de remplir les fonctions dont la réunion du 27 de ce mois a bien voulu m’investir. – Je vous prie donc d’appeler un démocrate allemand résident à Bruxelles à assister aux travaux de la commission chargée d’organiser une société démocratique universelle. – Je me permettrai de vous proposer celui parmi les démocrates allemands des Bruxelles, que la réunion, s’il avait pu y assister, aurait nommé à la charge qu’en son absence on m’a fait l’honneur de me conférer. Je parle de Mr. Marx qui dans mon intime conviction a le droit le plus fondé de représenter à la commission la démocratie allemande. Ce ne serait donc pas Mr. Marx qui m’y remplacerait, c’était plutôt moi qui à la réunion ai remplacé Mr. Marx. Agréez etc.[32]

Ich hatte nämlich vorher schon mit Jottrand abgesprochen, daß ich ihm meine Abreise schriftlich anzeigen und Dich in die Kommission vorschlagen würde. Jottrand ist auch verreist und kommt in vierzehn Tagen wieder. Wird nichts aus der ganzen Geschichte, was ich glaube, so ist es Heilbergs Vorschlag, der durchfällt: wird was draus, so sind wir es, die die Sache zustande gebracht haben. Jedenfalls haben wir das gewonnen, daß Du und nach Dir ich als Repräsentanten der deutschen Demokraten in Brüssel anerkannt sind und sonst die ganze Intrige schrecklich in den Dreck gefallen ist.

Heute abend war Gemeindesitzung. Ich präsidierte. Mit Ausnahme Wallaus, der sich übrigens bekehren ließ und dessen gestriges Auftreten allerdings diverse Entschuldigungsgründe findet, die ich ihm auch zugute kommen ließ; mit dieser Ausnahme also war der Enthusiasmus über die Geschichte mit Bornstedt einstimmig. Die Kerls fangen an sich zu fühlen. Sie sind endlich einmal als Gesellschaft, als Macht gegenüber anderen Leuten aufgetreten, und daß alles so famos flott ging, daß sie so komplett gesiegt haben, macht sie ungeheuer stolz. Junge schwimmt im siebenten Himmel, Riedel weiß sich vor Freude nicht zu lassen, selbst der kleine Ohnemus triumphiert wie ein fighting cock.[33] Übrigens wiederhole ich, daß diese Geschichte der Gesellschaft nach innen und nach außen einen famosen Aufschwung gegeben hat und ferner geben wird. Kerle, die sonst das Maul nicht auftun, haben den Bornstedt attackiert. Und selbst die Intrige hat uns geholfen: erstens hat Bornstedt überall verbreitet, die deutsche demokratische Arbeitergesellschaft habe das Meeting gemacht, und zweitens haben wir das alles desavouiert, und durch beides ist die Gesellschaft bei den belgischen Demokraten überall ins Gespräch gekommen und gilt als eine höchst bedeutende, plus ou moins[34] mysteriöse Macht.

La démocratie allemande devient très forte à Bruxelles,[35] sagte Bartels heute morgen.

Übrigens kommst Du auch in den Brief des Komitees an Jottrand. Gigot wird zeichnen: Sekretär während der Abwesenheit von Marx.

Mach’ nun Deine Geldgeschichten so rasch wie möglich ab und komm’ wieder her. Mir brennt’s unter den Füßen; ich möchte fort und muß erst den Verlauf dieser Intrigen abwarten. Ich kann jetzt absolut nicht fort. Je eher Du also kommst, desto besser. Nur regle zuerst Deine Geldgeschichten. Ich bleibe jedenfalls so lange auf meinem Posten wie irgend möglich. Si c’est possible,[36] bis Du kommst. Aber eben deswegen ist’s wünschenswert, daß Du bald kommst.

Dein Engels.


[1] Mann von Geist.

[2] Schließlich, kurz.

[3] Nach Art der brüderlichen Demokraten [Chartistengruppe].

[4] Ehrenpräsident.

[5] Immer mit Ausnahme der Deutschen.

[6] Märtyrer der Freiheit.

[7] Auf das Andenken der Revolution von 1792.

[8] Jahrestag des 1. Vendémiaire des Jahres I der [ersten französischen] Republik.

[9] Auf das englische Volk.

[10] Aber das muß auf französisch gesagt werden: Die Assoziation der belgischen Arbeiter, das ist das Ziel, das ich seit mehreren Monaten verfolge (das heißt seit dem Augenblick, wo ich geruht habe, vom letzten Kapitel des [Marxschen] Elends der Philosophie Notiz zu nehmen).

[11] Wir werden in die vorderen Reihen treten, wenn unsere Alten nicht mehr [dort] sein werden.

[12] Brüderliche Demokratie.

[13] Gesetzgeberische, verwaltende und vollziehende Gewalten.

[14] Unterrichtsfrage.

[15] Als großer Mann.

[16] Deren Mitglied ich war und die ich vielleicht sogar geleitet habe (wörtlich).

[17] Letzten Nachrichten von Paris.

[18] Freihandels-.

[19] Die gesondert verkauft werden wird.

[20] Über das Band zwischen diesem unglücklichen Polen und diesem großen, edlen und poetischen Deutschland – kurz.

[21] Ja oder nein.

[22] Als das kein Ende nahm.

[23] Der Pariser Wolff ist Ferdinand Wolff, später Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung, gewöhnlich der „rote Wolff“ genannt, zum Unterschied von Lupus, dem „Kasematten“- oder „Parlaments-Wolff“.

[24] Zur großen Verblüffung Bornstedts.

[25] Aus seiner Rede hörte man Bornstedt heraus.

[26] Gut, morgen um 11 Uhr im Café Suisse.

[27] Schlechthin und einfach.

[28] Aber dazu fehlte die Möglichkeit.

[29] Die letzte Stufe der Demütigung.

[30] Ohne Wissen.

[31] Verbrüderte Demokraten.

[32] „Mein Herr! Genötigt, Brüssel auf einige Monate zu verlassen, sehe ich mich außerstande, die Funktionen zu erfüllen, welche die Versammlung vom 27. dieses Monats mir zu übertragen die Freundlichkeit hatte. Ich bitte Sie daher, einen in Brüssel wohnhaften deutschen Demokraten zur Teilnahme an den Arbeiten der mit der Organisierung eines internationalen demokratischen Bundes beauftragten Kommission zu berufen. Ich erlaube mir, Ihnen dafür denjenigen deutschen Demokraten Brüssels vorzuschlagen, den die Versammlung, wenn er ihr hätte beiwohnen können, zu dem Amte gewählt hätte, mit dessen Übertragung man in seiner Abwesenheit mich beehrte. Ich meine Herrn Marx, der nach meiner innersten Überzeugung den größten Anspruch darauf hat, die deutsche Demokratie in der Kommission zu vertreten. Es wäre daher nicht Herr Marx, der in ihr an meine Stelle treten würde, sondern ich war es vielmehr, der in der Versammlung Herrn Marx vertrat. Genehmigen Sie usw. usw.“

[33] Kampfhahn.

[34] Mehr oder weniger.

[35] Die deutsche Demokratie wird sehr stark in Brüssel.

[36] Wenn es möglich ist.

20

[Undatiert. Etwa 10. November 1847.]

Lieber Bartholomäus!

Ich kann Dir erst heute schreiben, weil ich erst heute den kleinen Louis Blanc – nach erschrecklichen Kämpfen mit der Portierfrau – zu sehen bekam. Das Resultat meiner langen Unterredung mit ihm ist, daß der kleine Mann zu allem bereit ist. Er war die Höflichkeit und Freundschaftlichkeit selbst und scheint nichts dringender zu wünschen, als mit uns in die engste Verbindung zu treten. Auch das französisch-nationale Protektionswesen hat er gar nicht an sich. Ich hatte ihm geschrieben, ich käme mit mandat formel[1] der Londoner, Brüsseler und Rheinischen Demokratie zu ihm, ebenso als chartist agent.[2] Er erkundigte sich genau nach allem; ich schilderte ihm den Stand unserer Partei als äußerst brillant, sprach von der Schweiz, Jacoby, den Badensern als Alliierten usw. – Du seiest der Chef: vous pouvez regarder M. Marx comme le chef de notre parti (i. e. de la fraction la plus avancée de la démocratie allemande, que je représentais vis-à-vis de lui) et son récent livre contre M. Proudhon comme notre programme.[3] Dies nahm er sich sehr ad notam. Dann versprach er mir schließlich, sich über Dein Buch in der Réforme zu prononcieren [äußern]. Er erzählte mir eine Masse Zeugs über das mouvement souterrain,[4] das jetzt bei den Arbeitern vor sich gehe; die Arbeiter hätten seine organisation du travail[5] in 3000 Exemplaren wohlfeil gedruckt und nach vierzehn Tagen sei eine neue Auflage von 3000 Exemplaren nötig geworden – er sagte, die Arbeiter seien revolutionärer als je, aber hätten gelernt ihre Zeit abwarten, keine Emeuten, nur große Schläge mit gewissem Erfolg zu machen usw. Übrigens scheint er sich auch in Beziehung auf die Arbeiter das Protegieren abgewöhnt zu haben. Quand je vois des choses comme ce nouveau programme de M. de Lamartine, cela me fait rire! Pour bien juger de l’état actuel de la société française, il faut être dans une position qui vous permet de voir un peu de tout, d’aller le matin chez un ministre, l’après-dîner chez un négociant, et le soir chez un ouvrier.[6] Die kommende Revolution werde ganz anders und viel durchgreifender sein als alle früheren, und es sei reine bêtise[7], fortwährend bloß gegen Könige usw. zu brüllen. Schließlich war er sehr artig und ganz kordial. Du siehst, mit dem Mann ist all right, il a les meilleures dispositions du monde.[8] Von Dir sprach er mit großer Teilnahme; es tat ihm leid, daß Ihr etwas froidement[9] voneinander gegangen seid usw. Eine besondere Vorliebe hat er noch immer für eine in Paris herauszugebende deutsche und französische Revue. Vielleicht später zu benutzen. – Über Ruge, nach dem er frug, setzte ich ihm einen Floh ins Ohr; il s’est fait le panégyriste de la Diète prussienne, et cela même après que la diète s’était séparée sans résultat. – Donc il a fait un pas en arrière?[10] Jawohl. – Mit père Flocon bin ich ebenfalls im besten Zuge. Bei diesem bin ich erst als Engländer aufgetreten und frug im Namen Harneys, warum er den Star so ignoriere. Ja, sagte er, es täte ihm leid, er spräche gar zu gern davon, nur sei kein Mensch auf der Redaktion, der englisch verstehe! Ich bot mich an, ihm wöchentlich einen Artikel zu machen, akzeptiert de grand coeur.[11] Als ich ihm sagte, ich sei Korrespondent des Star, wurde er ganz gerührt. Wenn das so fortgeht, so haben wir in vier Wochen diese ganze Richtung gewonnen. Flocon will von mir einen Aufsatz über den Chartismus für Privatgebrauch haben, er weiß nicht die blasseste Laus davon. Ich werde gleich zu ihm gehen und ihn weiter in unsere Netze verstricken. Ich werde ihm sagen, das Atelier mache mir Avancen (was wahr ist, ich gehe noch heute abend hin), und ich werde sie ausschlagen, wenn er sich anständig benehme. Das wird sein biederes Herz rühren. – Bin ich erst hier etwas weiter und im französisch Schreiben etwas geübter, so geht’s auf die Revue Indépendante los.

Ich vergaß ganz, den Louis Blanc zu fragen, warum er Deinen Artikel vom Kongreß nicht aufgenommen. Ich werde ihm das nächstens vorrücken, wenn er zu mir kommt. Übrigens zweifle ich, ob er Dein Buch überhaupt erhalten hat. Er wußte sich dessen heute gar nicht zu besinnen. Auch vor meiner Abreise sprach er sehr unbestimmt davon. Ich erfahre das in ein paar Tagen. Hat er’s nicht, so gebe ich ihm mein Exemplar. –

Denke Dir, der kleine Bernays, der hier herumläuft und den „Märtyrer“ spielt, den von aller Welt Verratenen, „der aller Welt geholfen hat, mit Geld oder gutem Rat“ (littéralement[12]), diese Bestie hat a horse and gig,[13] ein Schimmelchen und ein Kabriolett! Natürlich Börnstein hat’s, aber das ist wurst. Derselbe Kerl, der heute sich als gedrückten, geldlosen Märtyrer hinstellt, renommiert morgen damit, daß er der einzige sei, der Geld zu verdienen wisse. Er hat 21 Bogen! über die Affäre Praslin gekaut, die in der Schweiz erscheinen. Der Kern der Sache ist der, daß nicht la duchesse, sondern le duc[14] der Märtyrer ist!! Auf seine Renommagen mit dem Märtyrtum habe ich ihm durch eine Mahnung wegen alter, mir schuldiger 60 Franken antworten lassen. Er wird vollständig Industrieller und prahlt damit. Übrigens ist er wahnsinnig. – Ewerbeck selbst schäumt wider ihn. – Cabet habe ich noch nicht gesehen. Er freut sich, wie es scheint, daß er wegkommt. Er merkt, daß die Sachen hier anfangen bröcklig und mürb zu werden. Flocon will losschlagen, Louis Blanc nicht; das ist ganz richtig, obwohl Louis Blanc auch in allerlei Geschichten trempiert [mitmacht] und sich im voraus freut über die plötzliche Aufschüttelung der Bourgeoisie aus ihrer Sicherheit bei der plötzlich hereinbrechenden Revolution. – –

Ich bin bei père Flocon gewesen. Der brave Mann war die Kordialität selbst, und meine biedermännische Ehrlichkeit, mit der ich ihm meine Geschichte mit dem Atelier erzählte, trieb ihm fast die Tränen in die Augen. Ich kam vom Atelier auf den National zu sprechen: Lorsque à Bruxelles nous discutions la question à quelle fraction de la démocratie française on s’adresserait, nous étions unanimement d’accord que dès le premier abord on se mettrait en rapport avec la Réforme; car à l’étranger il existe de fortes et de bien fondées préventions contre le National. D’abord les préjugés nationaux de cette feuille empêchent tout rapprochement – „oui oui, c’est vrai“, sagte Flocon, „et ceci était même la raison pour laquelle la Réforme fut fondée; nous avons déclaré dès le premier jour que nous ne voulons pas de conquêtes“ – et puis, fuhr ich fort, si je peux en croire mes prédécesseurs, car moi je n’ai jamais été au National, ces messieurs se donnent toujours l’air de vouloir protéger les étrangers, ce qui au reste est parfaitement d’accord avec leurs préjugés nationaux; et nous autres, nous n’avons pas besoin de leur protection, nous ne voulons pas de protecteurs, nous voulons des alliés. – „Ah oui, mais c’est tout à fait différent avec nous, nous n’y pensons pas.“ – C’est vrai, aussi n’ai-je qu’à me louer des procédés de Messieurs de la Réforme.[15] Aber wie das geholfen hat, daß ich dem kleinen Blanc unsere Geschichten ins Gedächtnis zurückgerufen. Deine Kongreßrede hatte er, à ce qu’il paraît,[16] ganz verschmissen gehabt; heute hat er sie gleich hervorgesucht und an Flocon geschickt mit einem sehr dringenden Billett, sie gleich abzudrucken. Ich explizierte dem Flocon das Ding; der Mensch begriff das cur, quomodo, quando[17] nicht, weil der Blanc sie ihm ohne alle weitere Erklärung geschickt. Flocon bedauerte sehr, daß die Sache schon so alt geworden sei; er sei parfaitement d’accord[18] damit, aber jetzt sei es zu spät. Doch wolle er sehen, ob er’s nicht in einem Artikel unterbringen könne. Er wolle sein möglichstes tun.

Der Artikel über Lamartines fromme Wünsche in der Réforme ist von Louis Blanc, wie Du gesehen haben wirst. Er ist nicht übel, in jeder Beziehung tausendmal besser als der ewige Flocon. Er würde den Lamartine gewiß sehr derb angreifen, wenn er nicht jetzt gerade sein Konkurrent wäre.

Du siehst, die Leute sind so gut disponiert, wie man nur wünschen kann. Ich stehe mit ihnen schon jetzt zehnmal besser, als Ewerbeck je mit ihnen stand. Diesem werde ich jetzt gänzlich verbieten, zu schreiben für die Réforme. Er mag sich an den National schmeißen und dort Venedey und Komp. Konkurrenz machen; da ist er unschädlich und bekommt doch nichts gedruckt.

Nachher war ich noch auf dem Atelier. Ich habe eine Berichtigung wegen eines Artikels der vorigen Nummer über englische Arbeiter hingebracht, die auch hereinkommt. Die Leute waren sehr artig; ich erzählte ihnen un tas d’anecdotes[19] über englische Arbeiter usw. Sie forderten mich dringend auf, mitzuarbeiten, was ich aber nur im Notfall tun werde. Denke Dir, der rédacteur en chef meinte, es wäre wohl gut, wenn die englischen Arbeiter eine Adresse an die französischen erließen, sie auffordernd, der libre-échange-Bewegung[20] entgegenzutreten und den travail national[21] aufzustecken! Quel héroïque dévouement![22] Damit fiel er aber selbst bei seinen eigenen Leuten durch.

Übrigens habe ich den Leuten gegenüber gar keine Konzessionen zu machen brauchen. Dem Louis Blanc sagte ich, que nous étions d’accord avec eux sur toutes les questions pratiques et d’actualité, et que dans les questions purement théoriques nous marchions vers le même but; que les principes énoncées dans son premier volume s’accordaient sous beaucoup de rapports avec les nôtres, et que pour le reste il en trouverait de plus amples développements dans ton livre. Quant à la question religieuse, nous la considérions comme tout-à-fait subordonnée, comme une question qui jamais ne devrait former le prétexte d’une querelle entre les hommes du même parti.[23] Bei alledem sei eine freundschaftliche Diskussion der theoretischen Fragen ganz gut möglich und sogar wünschenswert, womit er parfaitement d’accord[24] war.

Der Lupus hatte mit seiner Vermutung, ich würde die Direktion sehr bald treffen, ganz recht. Kaum drei Tage hier, laufe ich auf dem Boulevard des Italiens dem Seiler in die Arme. Ihr werdet längst wissen, daß er komplett durchgebrannt ist und nicht daran denkt, zurückzukommen. Er läuft bei allerlei französischen Korrespondenzbureaus herum und sucht unterzukommen. Ich habe ihn seitdem stets verfehlt und weiß nicht, wie seine Affären stehen. Mischt er sich bei der Réforme ein, so wird man ihn desavouieren müssen.

Sage doch dem verfluchten Bornstedt, was das heißen soll, daß er mir seine Zeitung nicht schickt. Ich kann nicht immer bei den Straubingern herumlaufen danach. Wenn er vorgibt, meine Adresse nicht zu wissen, gib sie ihm, 5 Rue Neuve Saint-Martin. Ich schicke ihm einige Artikel, sobald es irgend möglich. –

Bei den Straubingern höllische Konfusion. In den letzten Tagen vor meiner Ankunft waren die letzten Grünianer herausgeworfen, eine ganze Gemeinde, von denen aber die Hälfte wiederkommen wird. Wir sind jetzt nur 30 Mann stark. Ich habe gleich eine Propagandagemeinde eingerichtet und laufe fürchterlich herum und pauke. In den Kreis bin ich gleich gewählt und habe die Korrespondenz bekommen. An 20 bis 30 Kandidaten zur Aufnahme sind vorgeschlagen. Wir werden bald wieder stärker sein. Dem Mosi habe ich, ganz unter uns, einen höllischen Streich gespielt. Er hatte richtig ein gottvoll verbessertes Glaubensbekenntnis durchgesetzt. Vorigen Freitag nun nahm ich dies im Kreise vor, Frage für Frage, und war noch nicht an der Hälfte angekommen, als die Leute sich für satisfaits[25] erklärten. Ohne alle Opposition ließ ich mich beauftragen, ein neues zu entwerfen, was nun nächsten Freitag im Kreis wird diskutiert und hinter dem Rücken der Ge[...]n nach London geschickt werden. Das darf aber natürlich kein ..... Teufel merken, sonst werden wir alle abgesetzt, und es gibt einen Mordskandal. Der Born wird bei Euch in Brüssel eintreffen, er geht nach London. Vielleicht ist er schon vor diesem Briefe da. Er reist, verwegen genug, den Rhein herunter durch Preußen; wenn sie ihn nur nicht abfassen. Pauke ihn noch etwas ein, wenn er hinkommt, der Kerl ist von allen für unsere Sachen am zugänglichsten und wird auch in London gute Dienste leisten, wenn er noch etwas präpariert wird.

Ach, mein Gott, da hätte ich ja bald ganz die Drecklawine vergessen, die der große Heinzen von den Höhen der Alpen über mich losgelassen hat. Es ist ein wahres Glück, daß das in einer Nummer dicht hintereinander steht; kein Mensch arbeitet sich durch, ich selbst habe mehrere Male pausieren müssen. Solch ein Rindvieh! Habe ich erst behauptet, er könnte nicht schreiben, so muß ich jetzt hinzufügen, daß er auch nicht lesen kann, und in den vier Spezies scheint er auch nicht fest zu sein. Der Esel sollte doch den Brief von F. O’Connor im letzten Star an die radikalen Blätter lesen, der anfängt: You ruffians und schließt you ruffians,[26] da kann er sehen, was er für ein elender Stümper im Schimpfen ist. Nun, Du wirst diesem gemeinen dummen Rüpel gehörig aufs Dach steigen. Es ist sehr gut, daß Du ganz kurz antworten wirst. Ich könnte auf so einen Angriff gar nicht antworten, das ginge absolut nicht – höchstens durch Ohrfeigen.

Dienstag. Mein Artikel steht in der Réforme. Sonderbarerweise hat Flocon keine Silbe daran verändert, was mich sehr wundert.

Bei père[27] Heine bin ich noch nicht gewesen. Du kannst leicht denken, daß ich mit all diesen Geschichten höllisch viel zu tun habe und furchtbar laufen und schreiben muß. – Nach Elberfeld habe ich geschrieben wegen der free trade[28] – Schutzzollgeschichte und erwarte täglich Antwort. Schreibe bald wieder. Grüße Deine Frau und Kinder.

Dein Engels.

Lies doch ja den Artikel O’Connors im letzten Star gegen die sechs radikalen Blätter, es ist ein Meisterstück genialer Schimpferei, oft besser als Cobbett und an Shakespeare grenzend.

Quelle mouche a donc piqué ce pauvre Moses qu’il ne cesse pas d’exposer dans le journal ses fantaisies sur les suites d’une révolution du prolétariat?[29]


[1] Formgerechtes Mandat.

[2] Agent der Chartisten.

[3] Sie können Herrn Marx als den Chef unserer Partei (das heißt des vorgeschrittensten Flügels der deutschen Demokratie, den ich ihm gegenüber vertrete) und sein kürzlich erschienenes Buch gegen Herrn Proudhon als unser Programm betrachten.

[4] Unterirdische Bewegung.

[5] Organisation der Arbeit.

[6] Wenn ich Dinge sehe, wie dieses neue Programm des Herrn de Lamartine, macht es mich lachen! Um den gegenwärtigen Zustand gut beurteilen zu können, muß man in einer Lage sein, die einem erlaubt, etwas von allem zu sehen, des Morgens zu einem Minister, des Nachmittags zu einem Geschäftsmann, des Abends zu einem Arbeiter zu gehen.

[7] Dummheit.

[8] Alles in Ordnung, er hat die besten Dispositionen von der Welt.

[9] Kühl.

[10] Er hat sich zum Lobredner des [vereinigten] preußischen Landtags gemacht, und das sogar, nachdem der Landtag resultatlos auseinandergegangen ist. – Er hat also einen Schritt nach rückwärts gemacht?

[11] Aus vollem Herzen.

[12] Wörtlich.

[13] Ein Pferd und ein Kabriolett.

[14] Die Herzogin, [sondern] der Herzog.

[15] Als wir in Brüssel die Frage diskutierten, an welche Fraktion der französischen Demokratie sich zu wenden, kamen wir einmütig überein, gleich zuerst mit der Réforme in Verbindung zu treten; denn im Ausland bestehen starke und wohlbegründete Abneigungen gegen den National. Zunächst verhindern die nationalen Vorurteile jede Annäherung. – Ja, ja, das ist wahr, sagte Flocon, und das war gerade der Grund, weshalb die Réforme gegründet wurde; wir haben vom ersten Tage an erklärt, daß wir keine Eroberungen wollen – und dann, fuhr ich fort, wenn ich meinen Vorgängern glauben darf, denn ich bin niemals selbst beim National gewesen, geben sich diese Herren stets die Miene, die Ausländer begönnern zu wollen, was übrigens vollständig ihren nationalen Vorurteilen entspricht; wir aber brauchen ihre Begönnerung nicht, wir wollen keine Beschützer, wir wollen Verbündete. – Ganz recht, aber mit uns ist es ganz etwas anderes, wir denken nicht daran. – Das stimmt, ich kann mich über das Verhalten der Herren von der Réforme nur lobend aussprechen.

[16] Wie es scheint.

[17] Warum, wie, wann.

[18] Durchaus einverstanden.

[19] Einen Haufen Anekdoten.

[20] Freihandelsbewegung.

[21] Nationale Arbeit.

[22] Welche heroische Hingabe.

[23] Daß wir mit ihnen über alle praktischen und Tagesfragen einverstanden seien und in den rein theoretischen Fragen demselben Ziele zustrebten; daß die in seinem ersten Bande verkündeten Grundsätze in vielen Punkten mit den unseren übereinstimmten, und daß er für den Rest umfassendere Entwicklungen in Deinem Buch finden würde. Was die Frage der Religion anbetrifft, so betrachteten wir sie als durchaus untergeordnet, als eine Frage, die niemals zwischen Leuten ein und derselben Partei den Vorwand zu einem Streite bieten dürfe.

[24] Völlig einverstanden.

[25] Befriedigt.

[26] Ihr Wegelagerer!

[27] Vater.

[28] Freihandel.

[29] Welche Fliege hat denn diesen armen Moses [Heß] gestochen, daß er nicht aufhört, im Blatt [die Brüsseler deutsche Zeitung] seine Phantasien über die Folgen einer Revolution des Proletariats zum besten zu geben?

21

15. November 1847.

Lieber Marx!

Gestern erfahre ich plötzlich und endlich, nachdem ich den pp. Reinhardt mehrere Male wegen Deines Buches zu Frank geschickt, daß Frank im Anfang mehrere Freiexemplare an Franzosen geschickt, überall 15 Sous Kosten gefordert und überall die Exemplare zurückbekommen [hat]. Darauf habe er sowohl die zurückbekommenen wie die anderen, noch gar nicht abgeschickten ruhig bei sich liegen lassen, und sie erst jetzt, vor ein paar Tagen, an die Adressaten geschickt, ohne 15 Sous zu verlangen. Die Conspiration de silence[1] war also von seiten des Herrn Frank! Ich lief gleich zu Louis Blanc, den ich ein paar Tage vorher wieder nicht getroffen, weil er en garde[2] war (le petit bonhomme en bonnet à poil[3]); diesmal traf ich ihn, und das Exemplar war noch nicht angekommen! Mein eigenes Exemplar habe ich endlich zurück, das kann im Notfall helfen. Heute, Sonntag, ist nichts zu machen. Dem Reinhardt habe ich morgen Rendezvous gegeben, er soll gleich mit mir zu Frank, was schon früher geschehen sollte, aber nur durch Nachlässigkeit dieses Reinhardt nicht geschehen. Er muß mich bei dem Frank introduzieren, weil ich sonst gar keine Legitimation bei dem Kerl habe. Ich werde mir das Exemplar für Louis Blanc geben lassen und es gleich hinbringen. Der Louis Blanc sagte mir gestern, Flocon habe gegen Deinen libre échange[4] Artikel einzuwenden gehabt qu’il était un peu confus!!!![5] Ich sprach natürlich dagegen. „Oh,“ sagte der Kleine, „ce n’est pas moi qui ai trouvé cela, tout au contraire, l’article m’a beaucoup plu, et en effet, je ne sais pas ce que M. Flocon ... mais enfin (mit etwas zweideutiger Grimasse für Flocon) c’est ce qu’il a m’a dit.“[6] Überhaupt ist die Redaktion der Réforme tout ce qu’il y a de plus[7] schlecht komponiert. Die Artikel über die englische Krisis und alle ökonomischen Sachen en général[8] werden von einem unglücklichen würdigen penny-a-liner[9] fabriziert, der seine Studien bei den Börsenartikeln eines Korrespondenzbureaus gemacht zu haben scheint und alles mit den Augen eines Pariser Kommis dritten Ranges bei einem Bankier vierten Ranges ansieht und mit der Unfehlbarkeit so eines „empiric[10], wie die Engländer sagen, aburteilt. Flocon versteht nichts davon. C’est tout au plus un homme de bonne volonté.[11]

Montag. Den verfluchten Reinhardt habe ich nicht getroffen. Ich gehe heute abend noch einmal hin. Bis morgen muß ich diese ganze Geschichte ins reine gebracht haben, mag’s gehen wie’s will. Wenn ich Dir nicht gleich wieder schreibe, ist alles in Ordnung. Gestern abend war Deputiertenwahl. Nach einer höchst konfusen Sitzung wurde ich [für den Kommunistenkongreß in London] mit zwei Drittel gewählt. Ich hatte diesmal gar nicht intrigiert, war auch wenig Gelegenheit dazu. Die Opposition war bloß scheinbar: ein Arbeiter wurde zum Schein vorgeschlagen, aber die ihn vorschlugen, stimmten für mich. – Das Geld kommt zusammen. Schreibe nun, ob Du und Tedesco hingehst. Wenn das nicht möglich wäre, so kann ich doch nicht allein sein und kongressieren, das wäre ja Unsinn. Könnt ihr beide nicht, so fällt die Geschichte ins Wasser und muß ein paar Monate aufgeschoben werden. Schreibe also in diesem Fall nach London, daß noch zur rechten Zeit dies überall hin angezeigt wird.

Flocon hatte dem Louis Blanc auch gesagt, man werde an Deinem Artikel, um ihn aufzunehmen, eine Kleinigkeit ändern müssen, eben um ihn „klarer“ zu machen. Louis Blanc hat mich, den Flocon de sa part[12] an den Artikel nochmals zu erinnern; unter diesen Umständen aber halte ich es für viel besser, die Sache fallen zu lassen. Flocon den Artikel klarer machen, das fehlte noch! Aber was soll man da machen! Ich werde den Flocon tun lassen, was er will, ihm wenig zusprechen und mich hauptsächlich mit dem Louis Blanc einlassen, der ist doch der Vernünftigste von allen. Beim National ist vollends nichts zu machen, der wird täglich bornierter und alliiert sich mehr und mehr mit Barrot und Thiers, witness the Lille Banquet[13].

Der Seiler wird Dir geschrieben haben, Dein Buch ginge sehr schlecht hier. Das ist nicht wahr. Der Frank hat dem Reinhardt gesagt, er sei mit dem Verkauf ziemlich gut zufrieden. Trotz seines abgeschmackten Benehmens hat er, glaube ich, zirka 40 Exemplare abgesetzt. Nächstens Genaueres darüber. Der Seiler behauptet – er war neulich bei mir, wo er sehr kühle anlief, auch nicht wieder kam –, er habe Bett, Mobiliar und Papier dort [in Brüssel] gelassen, hinreichend, um Wolff und Heilberg zu decken. Sieh, si cela est,[14] daß der Lupus dabei wenigstens nicht noch von Heilberg bemogelt wird. Aber das werden auch Renommagen sein.

Rothschild hat bei dem neuen Anlehen 10 Millionen Franken verdient – 4 Prozent netto.

Auf meiner Reise nach London werde ich nicht über Brüssel kommen, die Gelder sind zu knapp. Wir werden uns in Ostende Rendezvous geben müssen – am 27. (Samstag), abends, und Sonntag herüberfahren, damit wir Montag anfangen können. Vielleicht ist Montag den 29. Polen anniversaire,[15] irgend etwas fraternally[16] Demokratisches los, wo wir dann werden hin müssen. Das wäre ganz gut. Du hältst in London eine französische Rede, die setzen wir dann in die Réforme. Die Deutschen müssen absolut etwas tun, um bei den Franzosen auftreten zu können. Eine einzige Rede wird mehr helfen als zehn Artikel und hundert Besuche.

Du wirst im Northern Star, 2. Oktober, die Aufforderung Harneys und der fraternals[17] zu einem demokratischen Kongreß gelesen haben. Unterstütze das. Ich werde es bei den Franzosen unterstützen. Man kann ihn womöglich nächstes Jahr in London abzuhalten versuchen, vielleicht gleichzeitig mit dem unsrigen. Kommt’s zustande, so wird das auf die Franzosen einen sehr heilsamen Effekt ausüben und sie etwas demütigen. Kommt’s nicht zusammen, so scheitert’s an den Franzosen, und sie werden wenigstens gezwungen, sich zu erklären. Wenn’s in Brüssel ginge, wär’s noch besser; in London könnte Feargus [O’Connor] doch einigen Unsinn anrichten.

Sonst nichts Neues. Gib Inliegendes an Bornstedt und schreibe mir bald, ob Du nach London gehst.

Dein E.

Schreibe an die Adresse des Malers, wenn Du sie noch hast. Es ist besser.

Heine läßt grüßen. Ist äußerst schwach und etwas matt. Wer hat Deinen Artikel eigentlich an Louis Blanc geschickt? Er sagt, es hätte unter dem Brief ein wildfremder Name gestanden. Das war auch wohl der Grund, warum er die Geschichte liegen ließ.


[1] Totschweigeverschwörung.

[2] Auf Posten.

[3] Das kleine Männchen mit der Bärenmütze.

[4] Freihandel.

[5] Daß er etwas konfus sei.

[6] Nicht ich habe es gefunden, ganz im Gegenteil, der Artikel hat mir sehr gefallen, und ich weiß wirklich nicht, was ... aber schließlich (mit usw.) das hatte er mir gesagt.

[7] Im höchsten Grade.

[8] Im allgemeinen.

[9] Zeilenreißer [Journalisten, die nach der Zeile bezahlt werden].

[10] Empiriker [Mensch, der sich an die platte Erfahrung hält].

[11] Er ist bestenfalls ein Mensch, der den guten Willen hat.

[12] Von ihm aus.

[13] Wie das [Wahlreform-]Bankett von Lille beweist.

[14] Wenn dies der Fall.

[15] Jahrestag.

[16] Brüderlich.

[17] Brüderliche [Demokraten].

22

24. November 1847.

Lieber Marx!

Erst heute abend hat sich’s entschieden, daß ich komme. Also Samstag abend in Ostende, Hotel de la Couronne, gleich der Eisenbahnstation gegenüber am Bassin, and Sunday Morning across the water[1]. Wenn Ihr mit dem Zuge kommt, der zwischen 4 und 5 fährt, werdet Ihr ungefähr zu gleicher Zeit mit mir ankommen.

Sollte Sonntags wider Erwarten kein Postdampfschiff nach Dover fahren, so schreibe mir’s umgehend. Das heißt, da Du diesen Brief Donnerstag morgen bekommst, mußt Du Dich gleich erkundigen und, falls zu schreiben ist, den Brief noch denselben Abend – ich glaube vor 5 Uhr – auf die große Post besorgen. Hast Du also an dem Rendezvous etwas zu ändern, so ist noch Zeit. Habe ich Freitag morgen keinen Brief, so rechne ich darauf, Dich und Tedesco Samstag abend in der Couronne zu treffen. Es bleibt uns dann Zeit genug, uns zu besprechen; dieser Kongreß muß entscheidend sein, as this time we shall have it all our own way[2].

Ich habe schon lange absolut nicht begreifen können, warum Du dem Moses seinen Klatsch nicht untersagt hast. Hier richtet mir das eine Teufelskonfusion und die langwierigsten Gegenreden bei den Arbeitern an. Ganze Kreissitzungen sind darüber verloren gegangen, und in den Gemeinden ist nicht einmal gegen diesen „flauen“ Kohl durchzugreifen möglich, namentlich vor der Wahl war daran nicht zu denken.

Den Louis Blanc denke ich morgen noch zu treffen. Wo nicht, sehe ich ihn übermorgen jedenfalls. Kann ich nicht schon am Fuße etwas mitteilen, so hörst Du das Weitere Samstag.

Übrigens hatte der Reinhardt mir dummes Zeug gesagt über die Anzahl der verkauften Exemplare – nicht 37, sondern 96 waren heute vor acht Tagen verkauft. An demselben Tage noch habe ich dem Louis Blanc Dein Buch selbst hingebracht. Alle Exemplare waren besorgt, nur Lamartine (nicht hier), Louis Blanc und Vidal nicht, dessen Adresse nicht zu finden. Ich hab’s auf die Presse bringen lassen. – Übrigens ist die Besorgung bei dem Frank wirklich schauderhaft gewesen.

Sorge wenigstens, daß Moses während unserer Abwesenheit keinen Unsinn macht! Also au revoir![3]

Dein E.

Dienstag abends. Überlege Dir doch das Glaubensbekenntnis etwas. Ich glaube, wir tun am besten, wir lassen die Katechismusform weg und titulieren das Ding: Kommunistisches Manifest. Da darin mehr oder weniger Geschichte erzählt werden muß, paßt die bisherige Form gar nicht. Ich bringe das hiesige mit, das ich gemacht habe, es ist einfach erzählend, aber miserabel redigiert, in fürchterlicher Eile. Ich fange an: Was ist der Kommunismus? und dann gleich das Proletariat – Entstehungsgeschichte, Unterschied von früheren Arbeitern, Entwicklung des Gegensatzes des Proletariats und der Bourgeoisie, Krisen, Folgerungen. Dazwischen allerlei Nebensachen und schließlich die Parteipolitik der Kommunisten, soweit sie vors Publikum gehört. Das hiesige ist noch nicht ganz zur Bestätigung vorgelegt, aber ich denke, bis auf einige ganz kleine Kleinigkeiten, es so durchzusetzen, daß wenigstens nichts gegen unsere Ansichten drin steht.

Mittwoch morgen. Soeben erhalte ich Deinen in obigem beantworteten Brief. Bei Louis Blanc war ich. Mit dem habe ich merkwürdiges Pech – il est en voyage; il reviendra peut-être aujourd’hui.[4] Morgen und nötigenfalls übermorgen gehe ich wieder hin. – Freitag abend kann ich noch nicht in Ostende sein, weil das Geld erst bis Freitag zusammenkommt.

Dein Vetter Philipps war heute morgen bei mir.

Der Born wird die Rede ganz gut machen, wenn Du ihn etwas einpaukst. Es ist gut, daß die Deutschen durch einen Arbeiter repräsentiert sind. Aber dem Lupus muß die übertriebene Bescheidenheit absolut ausgetrieben werden. Der brave Kerl ist einer der Wenigen, die man in den Vordergrund poussieren muß. Weerth um Gottes willen nicht als Repräsentanten! Einer, der immer zu faul war, bis ihn der Kongreß-succès d’un jour[5] hineinlancierte! Und der obendrein noch an independent member[6] sein will. Il faut le retenir dans sa sphère.[7]


[1] Und Sonntag morgen [geht es] übers Wasser.

[2] Da wir es diesmals ganz nach unserem Willen haben werden.

[3] Auf Wiedersehen.

[4] Er ist auf Reisen, er wird vielleicht heute zurückkommen.

[5] Erfolg eines Tages.

[6] Ein unabhängiges Mitglied.

[7] Man muß ihn in seiner Sphäre zurückhalten.

23

Paris, Freitag abend, 26. November 1847.

Lieber Marx!

Endlich bin ich des Louis Blanc habhaft geworden und zugleich des Grundes, weshalb ich ihn nie fassen konnte. Écoute plutôt – ce petit grand Seigneur littéraire ne reçoit que les jeudis! et encore l’après-midi seulement.[1] Was er mir nie zu wissen getan hatte, weder direkt noch durch seinen Portier. Natürlich waren eine Masse Esel bei ihm, unter anderen Ramon de la Sagra, der mir eine Broschüre gab, welche beifolgt. Ich habe sie noch nicht gelesen. Schließlich konnte ich indes noch ein paar Minuten mit ihm über unsere Angelegenheit sprechen. Er gestand zögernd, er habe noch nicht die Zeit gehabt, Dein Buch zu lesen .... Je l’ai feuilleté et j’ai vu que M. Proudhon y est assez vivement attaqué .... Eh bien, frug ich, alors serez vous en mesure de faire l’article pour la Réforme que vous m’aviez promis? – Un article, ah, mon Dieu, non, je suis si obsédé par mes éditeurs – mais voilà ce qu’il faut faire: faites l’article vous-même et je le ferai passer à la Réforme.[2] Das wurde denn abgemacht. Au fond[3] verlierst Du nichts dabei. Wenigstens werd’ ich unsere Ansichten richtiger darstellen, als er es getan haben würde. Ich werde sie direkt mit den seinigen in Parallele stellen – das ist alles, was durchzubringen ist, die Konklusion gegen die Réforme kann man natürlich nicht in der Réforme selbst ziehen. Ich mache ihn gleich.

Warum hast Du dem Bornstedt nicht gesagt, er soll nicht an die Réforme wegen Deiner Geschichte schreiben? Mein Artikel war fertig, als dem Bornstedt seiner in der Réforme zugleich mit den Chartistengeschichten erschien, aus deren Abdruck ich gewartet hatte, um ihn hinzubringen. Er war bedeutend länger als die kurze Notiz, wo noch dazu Dein Name entstellt [ist]. Ich hab’s dem Flocon gesagt, er soll den Druckfehler ändern, gestern hat er’s nicht getan, und heute habe ich die Réforme nicht gesehen. Das macht auch wenig. Wenn Deine [Freihandels-]Rede erscheint, schicke mir gleich vier bis fünf Exemplare für die Réforme, Louis Blanc, de la Sagra (für die Démocratie pacifique), usw. usw. Ich kann jetzt einen längeren Artikel daraus machen, da die Notiz so schimpflich kurz.

Was den Louis Blanc angeht, so verdient der gezüchtigt zu werden. Schreibe eine Kritik seiner Revolution für die Deutsche Brüsseler Zeitung und weise ihm praktisch nach, wie sehr wir über ihm stehen; freundschaftlich in der Form, aber unsere Superiorität entschieden festhaltend im Inhalt. On lui fera parvenir cela.[4] Man muß dem kleinen Sultan etwas bange machen. Die theoretische Seite ist leider Gottes einstweilen unsere einzige force[5], aber das gilt bei diesen Lanzenbrethern von der science sociale[6], von der loi de la production suffisante[7] usw. viel. Gottvoll mit ihrem Jagen nach dieser unbekannten loi sind die Kerls. Sie wollen ein Gesetz finden, womit sie die Produktion verzehnfachen. Sie suchen, wie der Fuhrmann der Fabel, den Herkules, der ihnen den sozialen Karren aus dem Dreck holen soll. Der Herkules liegt in ihren eigenen Armen. Die loi de la production suffisante[8] besteht darin, daß man suffisamment[9] produziert. Können sie das nicht, [Lücke] ... hilft ihnen kein Zauberspruch. Die breveté ...[10] [Lücke] den Erfinder tun mehr für die production suffisante als der ganze Louis Blanc mit seinem tiefsinnigen, überfliegenden Trachten nach la science[11].

Dem Bernays hatte ich auf sein Letztes einen sehr ironischen Brief geschrieben und bedauert, daß seine Unparteilichkeit mir den letzten Trost raube, den, eine verkannte schöne Seele zu sein – à la Praslin. Mit schmerzlichem Blick nach oben schickt er mir dies Billet zurück und bemerkt, hiermit habe unsere Korrespondenz ihr Ende erreicht. Sela.

Sonst nichts Neues. Schreibe bald.

Dein E.


[1] Höre nur – dieser kleine große Herr empfängt nur Donnerstags, und auch dann nur am Nachmittag.

[2] „Ich habe es durchblättert und habe gesehen, daß Herr Proudhon da ziemlich scharf angegriffen wird.“ ... Nun wohl, frug ich, werden Sie also in der Lage sein, den Artikel für die Réforme zu schreiben, den Sie mir versprochen hatten? – Einen Artikel? Ach, mein Gott, ich werde so von meinen Verlegern belagert – aber halt, das ist zu machen: schreiben Sie den Artikel selbst, und ich werde ihn in die Réforme bringen.

[3] Im Grunde.

[4] Man wird ihm das zukommen lassen.

[5] Stärke.

[6] Sozialwissenschaft.

[7] [und]

[8] Gesetz der ausreichenden Produktion.

[9] Ausreichend.

[10] Patent.

[11] Wissenschaft.

1848

24

Paris, 14. Januar 1848.

Lieber Marx!

Wenn ich Dir nicht geschrieben habe, so lag das daran, daß ich bis heute den verfluchten Louis Blanc noch immer nicht zu fassen kriegen konnte. Décidément il y met de la mauvaise volonté.[1] Aber ich packe ihn doch – ich gehe alle Tage hin oder laure ihm im Café auf. Mit père[2] Flocon dagegen ist was zu machen. Er ist entzückt über die Manier, wie die Brüsseler Zeitung und der Northern Star die Réforme gegen den National verteidigt haben. Selbst die blâme[3] gegen Louis Blanc und Ledru-Rollin haben ihn nicht irre gemacht; ebensowenig meine Erklärung, wir hätten uns jetzt in London entschieden, öffentlich als Kommunisten aufzutreten. Er machte natürlich schöne Sachen geltend: Vous tendez au despotisme, vous tuerez la révolution en France, nous avons onze millions de petits paysans qui sont en même temps les propriétaires les plus enragés etc. etc.,[4] obwohl er auch auf die Bauern schimpfte, aber enfin, dit-il, nos principes sont trop rapprochés les uns des autres pour que nous ne devions pas marcher ensemble; quant à nous nous vous appuierons autant que sera dans notre pouvior etc.[5]


Heine ist am Kaputtgehen. Vor vierzehn Tagen war ich bei ihm, da lag er im Bett und hatte einen Nervenanfall gehabt, gestern war er auf, aber höchst elend. Er kann kaum drei Schritte mehr gehen, er schleicht, an den Mauern sich stützend, vom Fauteuil bis ans Bett und vice versa.[6] Dazu Lärm in seinem Hause, der ihn verrückt macht, Schreinern, Hämmern usw. Geistig ist er auch etwas ermattet. Heinzen wollte zu ihm, wurde aber nicht vorgelassen.

Bei Herwegh war ich auch gestern. Hat nebst Familie die Grippe und viel Besuch von alten Weibern. Er sagte mir, daß der zweite Band von Louis Blanc ganz verdunkelt werde durch den enormen Sukzeß von Michelets zweitem Band. Ich habe beide noch nicht gelesen, weil ich wegen Geldmangel mich nicht im Lesekabinett abonnieren konnte. Übrigens ist der Micheletsche Sukzeß nur durch seine Suspension und seine Bürgerlichkeit zu erklären.

Mit dem B[und] geht’s hier miserabel. Solche Schlafmützigkeit und kleinliche Eifersucht der Kerls untereinander ist mir nie vorgekommen. Die Weitlingerei und Proudhonisterei sind wirklich der kompletteste Ausdruck der Lebensverhältnisse dieser Esel, und daher ist nichts zu machen. Die einen sind echte Straubinger, alternde Knoten, die anderen angehende Kleinbürger. Eine Klasse, die davon lebt, daß sie wie Irländer den Franzosen den Lohn drückt, ist total unbrauchbar. Ich mache jetzt noch einen letzten Versuch, si cela ne réussit pas, je me retire de cette espèce de propagande[7]. Hoffentlich kommen die Londoner Papiere bald und werden die Geschichte wieder etwas beleben; ich werde dann den Moment benutzen. Da die Kerle bis jetzt gar kein Resultat des Kongresses sehen, werden sie natürlich vollends schlapp. Ich bin mit einigen neuen Arbeitern, die mir Stumpf und Neubeck zugeführt, in Verbindung, es ist aber nicht zu sagen, was daraus zu machen ist.

Sage dem Bornstedt: 1. Er soll mit seinen Abonnements bei den hiesigen Arbeitern nicht mit so geschäftsmäßiger Strenge auftreten, sonst verliert er sie alle; 2. der Agent, den ihm der Moses verschafft, ist ein lamentierender Schlappschwanz und sehr eitel, aber der einzige, der sich noch damit befassen will und kann, er soll ihn also nicht froissieren [abstoßen], der Kerl hat sich auch geplagt, aber er kann kein Geld zusetzen, was er übrigens schon getan hat. Er muß aus dem Geld, das ihm einkommt, doch die Kosten decken, die ihm die Korrespondenz usw. machte; 3. wenn er einzelne Nummern herschickt, nie mehr als 10 bis 15 von einer Nummer höchstens, und zwar durch Gelegenheit. Die Pakete [Lücke] ... das Ministerium Duchâtel, wo sie mit Zeitverlust geholt werden müssen, und wo das Ministerium einen furchtbaren Portoaufschlag erhebt, um diesen Commerce zu ruinieren. So ein Paket kostet 6 bis 8 Franken, und was ist da zu machen, wenn es gefordert wird? Esselenz in Lüttich wollte einen garde de convoi[8] stellen, der das besorgte; schreib doch nach Lüttich, daß das eingerichtet wird; 4. die Nummern, die noch hier waren, sind durch Gelegenheit nach Süddeutschland geschickt. Wenn sich Gelegenheit bietet, so soll Bornstedt noch einige neue Nummern herschicken, um Propaganda in Cafés usw. zu machen. 5. Wird Bornstedt dieser Tage einen Artikel und die Geschichte über die preußischen Finanzen erhalten. Du mußt aber das wegen der Ausschüsse von 1843 nochmals durchsehen und das Nötige ändern, da es aus sehr wüster Erinnerung aufgeschrieben ist.

Wenn die Geschichte mit Mosi dahin führt, daß Du ihn in der Brüsseler Zeitung attackierst, so soll sie mich sehr freuen. Wie der Kerl noch in Brüssel bleibt, ist mir unbegreiflich. En voilà encore une occasion pour l’exiler à Verviers.[9] Das mit der Réforme soll besorgt werden.

Dein E.

Nach dem Ausbruch der Februarrevolution glaubte die belgische Regierung im Interesse der öffentlichen Ordnung Marx und Wilhelm Wolff aus Belgien ausweisen zu müssen. Bei dieser Gelegenheit wurden Marx und seine Frau widerrechtlich verhaftet und für eine Nacht ins Gefängnis gesperrt. Die Entrüstung darüber war in Brüssel sehr groß, so daß der Munizipalrat den Polizeikommissar, der die Verhaftung angeordnet hatte, absetzte. Im Briefe Nr. 25 berichtet Engels über den Verlauf der Affäre. Marx ging nach Paris, Engels von Paris nach Brüssel.


[1] Entschieden, er handelt da mit bösem Willen.

[2] Vater.

[3] Tadel.

[4] Ihr neigt zum Despotismus, ihr werdet die Revolution in Frankreich töten; wir haben elf Millionen Kleinbauern, die zugleich die fanatischsten Eigentümer sind usw. usw.

[5] Schließlich, sagt er, sind unsere Prinzipien einander zu nahe verwandt, als daß wir nicht zusammengehen sollten. Was uns anbetrifft, so werden wir euch soviel in unseren Kräften steht unterstützen.

[6] Umgekehrt, wieder zurück.

[7] Wenn das nicht glückt, ziehe ich mich von dieser Art Propaganda zurück.

[8] Zugführer (im Eisenbahndienst).

[9] Das ist noch ein Anlaß, ihn nach Verviers zu exilieren.

25

[Aus Brüssel]

13 Rue neuve, Chaussée du Louvain, 9. März 1848.

Lieber Marx!

Ich hoffe morgen einen Brief von Dir zu haben.

Hier ist alles ruhig. Sonntag abend hat Jottrand die Geschichte mit Dir und Deiner Frau in der Association Démocratique erzählt. Ich kam zu spät, um sie anzuhören, und hörte bloß noch einige wütende flämische Bemerkungen von Pellering. Auch Gigot sprach und kam darauf zurück. In die Emancipation brachte Lubliner einen Artikel deswegen. Die Advokaten hier sind wütend, Maynz will, man soll die Sache gerichtlich verfolgen und Du sollst Dich als Partie civile[1] konstituieren, wegen der Domizilverletzung usw. usw. Auch Gigot soll klagen. Es wäre sehr gut, wenn man’s täte, obwohl die Regierung hat sagen lassen, man würde den Kerl absetzen. Castiau ist gestern von Maynz mit den nötigen Akten versehen worden, um deswegen zu interpellieren, ich denke morgen oder übermorgen kommt’s vor. Die Sache hat große Sensation gemacht und sehr geholfen, den Deutschenhaß zu besänftigen.

Lupus ist vorigen Sonntag 11 Uhr morgens auf die Eisenbahn gebracht und nach Valenciennes besorgt, von wo aus er geschrieben und wo er noch sein wird. Er war vor keinem Tribunal. Man hat ihn nicht einmal zu [am] Hause vorbeigeführt, um seine Sachen zu nehmen! – Mir hat man nichts getan. Nach Redensarten, die die Kerls haben fallen lassen, scheuen sie sich, mich auszuweisen, weil sie mir damals einen Paß gegeben haben, was man gegen sie geltend machen könnte.

Die Geschichte in Köln ist unangenehm. Die drei besten Leute sitzen. Ich habe einen aktiven Teilnehmer an der Geschichte gesprochen. Sie wollten losschlagen, aber statt sich mit Waffen zu versehen, die leicht zu haben waren, gingen sie vors Rathaus, unbewaffnet, und ließen sich zernieren. Es wird behauptet, daß der größte Teil der Truppen für sie war. Die Sache war unvernünftig dumm angefangen; wenn die Berichte des Kerls richtig sind, so hätten sie ruhig losschlagen können und wären in zwei Stunden fertig gewesen. Aber schrecklich dumm war alles angelegt.

Unsere alten Freunde in Köln scheinen sich sehr zurückgehalten zu haben, obwohl sie mit beschlossen hatten loszubrechen. Der kleine D’E[ster], D[aniels], B. [?], waren einen Augenblick da, gingen aber gleich wieder fort, obwohl der kleine Dr. im Stadtrat grade nötig war.

Die Nachrichten aus Deutschland sind sonst famos. In Nassau eine vollendete Revolution, in München die Studenten, Maler und Arbeiter in voller Insurrektion, in Kassel die Revolution vor der Tür, in Berlin grenzenlose Angst und Zaudern, in ganz Westdeutschland Preßfreiheit und Nationalgarde proklamiert; vorderhand ist das genug.

Wenn doch der F. W. IV.[2] sich starrköpfig hielte! Dann ist alles gewonnen, und wir haben in ein paar Monaten die deutsche Revolution. Wenn er nur an seinen feudalen Formen hielte! Aber der Teufel weiß, was dies launige und verrückte Individuum tun wird.

In Köln ist die ganze kleine Bourgeoisie für Anschluß an die französische Republik; die 1797er Erinnerungen herrschen augenblicklich vor.

Tedesco sitzt noch immer. Ich weiß nicht, wann er vor Gericht kommen wird.

Wegen Deiner Geschichte ist ein fulminanter Artikel an den Northern Star abgegangen.

Sonntag abend in der Sitzung der demokratischen Gesellschaft merkwürdige Ruhe. Eine Petition an die Kammern beschlossen wegen sofortiger Auflösung und neuer Wahlen nach dem neuen Zensus. Die Regierung will nicht auflösen, aber sie wird müssen. Morgen abend wird die Petition angenommen und séance tenante[3] gezeichnet werden. Die Jottrand-Petition an den Bürgermeister und Stadtrat hat eine sehr höflich ablehnende Antwort erhalten.

Von der Ruhe, die hier herrscht, hast Du keinen Begriff. Gestern abend Karneval, ganz wie sonst; von der französischen Republik ist kaum noch die Rede. Die französischen Blätter erhält man in den Cafés fast ohne Schwierigkeiten und Warten. Wenn man nicht wüßte, daß sie müssen, tant bien que mal,[4] so sollte man glauben, hier sei alles aus.

Jottrand hat Sonntag – in seiner Wut über Deine Verfolgung – eine recht gute Rede gehalten; die sévices[5] des Rogier haben ihn dahin gebracht, den Klassengegensatz anzuerkennen. Er schimpfte sehr auf die großen Bourgeois und ließ sich in – allerdings ziemlich platte und illusorische, aber doch ökonomische Detail ... [Lücke], um der kleinen Bourgeoisie zu beweisen, daß ... [Lücke] wohlbezahlte und viel konsumierende Arbeiterklasse in einer Republik bessere Kunden für sie seien als ein Hof und eine wenig zahlreiche Aristokratie. Ganz à la O’Connor. – Die Zeit ist vorbei, diesen Brief auf die Post zu geben – ich schließe morgen.

Donnerstag. Nichts Neues – Deinen Artikel habe ich in der Réforme gesehen – in England ist ja auch Krawall, tant mieux.[6] Wenn Du bei Ankunft dieses noch nicht geschrieben haben solltest, so schreibe mir doch gleich. Eben kommt aus lauter Ironie meine Bagage von Paris an – kostet mich 50 Franken mit Zoll usw. Der Polizeikommissar-Adjoint, der zu Dir kam, soll schon abgesetzt sein. Die Geschichte hat hier bei den Kleinbürgern große Entrüstung gesetzt.

Adieu!

Dein Engels.


[1] Zivilkläger.

[2] Friedrich Wilhelm IV.

[3] Während der Sitzung.

[4] Wohl oder übel.

[5] Gewalttätigkeiten des [Ministers] Rogier.

[6] Um so besser.

26

Paris, 10 Rue neuve Ménilmontant (Boulevard Beaumarchais). Anfang März 1848.

Lieber Engels!

Laß Dir von Breyer die 100 Franken zahlen, die er mir hoch und teuer versprach, in einer Woche wiederzugeben, von Gigot 30, von Heß 10. Ich hoffe, daß Breyer in diesem Augenblick sein Versprechen halten wird.

Maynz wird den Wechsel bei Cassel von 114 Franken einlösen und Dir auszahlen. Diese verschiedenen Summen nimm zusammen und verbrauche sie. Auf der Réforme sprach man freundlich von Dir. Flocon ist krank, ich habe ihn noch nicht gesehen. Das von Seiler ausgebreitete Gerücht ist unter den Deutschen allgemein zirkulierend. Allard ist bis jetzt noch nicht von der Revolution beiseite geschoben. Ich rate Dir, herzukommen.

Zentralbehörde ist hier konstituiert worden, da Jones, Harney, Schapper, Bauer, Moll sich hier befinden. Man hat mich zum Präsidenten und Schapper zum Sekretär ernannt. Mitglieder sind: Wallau, Lupus, Moll, Bauer und Engels.

Jones ist gestern nach England abgereist. Harney ist krank.

Salut!

Dein K. M.

27

[Brüssel, erste Hälfte März 1848.]

Lieber Marx!

Ich werde Deine Sachen besorgen.

Schreibe ein paar Zeilen an M. Victor Faider, avocat, entweder direkt oder durch Einlage an Bloß: wodurch Du ihm dankst für die Schritte, die er in Deinem und Deiner Frau Interesse getan hat, und ihn autorisierst, fernere Schritte zu tun. Faider, der sich plötzlich als eifriger Republikaner herausgebissen hat, hat sich nämlich zu Deinem Verteidiger konstituiert und wird dem Moniteur Belge als solcher antworten und die Sache betreiben. Er hofft, Du werdest ihn nicht desavouieren, und damit er entschieden auftreten kann, ist es gut, daß er das Blättchen von Dir bekommt. Es ist besser, daß ein Belgier die Sache betreibt, als wenn Maynz es tut, und da er sich dazu angeboten hat, so wird er seine Sache auch wohl ordentlich machen.

Die Feuille de Route[1] schicke doch ja. Das Ding ist sehr wünschenswert; Maynz fragt mich alle Tage danach.

Tedesco ist frei und gleich nach Lüttich fort, ohne einen Menschen zu sehen. Esselenz war einige Tage hier, aber er hatte ihn nicht gesehen.

Hier herrscht eine Finanz-, Börsen-, Industrie- und Handelskrisis ohnegleichen. Der Commerce jammert arbeitslos auf dem Café Suisse herum, die Herren Kauwerz, Laufs und Konsorten schleichen umher wie bepißte Pudel, die Arbeiter haben Rassemblements[2] gemacht und petitioniert; große Brotnot allgemein. Bares Geld nirgends zu haben, und dabei ein emprunt forcé[3] von 60 Millionen! Sie kriegen hier die Republik durch die Börse aufgedrängt.

Lüning findet bei seiner Rückkehr hierher die Nachricht vor, daß in Preußen auf ihn gefahndet wird; er wird seine Frau herkommen lassen und nach Paris kommen. Der Dronke war vor seiner Flucht durch Willich und Konsorten in den Bund aufgenommen worden. Ich habe ihn hier einem neuen Examen unterworfen, ihm unsere Ansichten vorgetragen, und da er sich einverstanden erklärte, ihn bestätigt. Man hätte nichts anderes tun können, selbst wenn mehr oder weniger Bedenken dagewesen wären. Indes ist der Kerl sehr bescheiden, sehr jung und scheint sehr zugänglich, so daß ich glaube, daß er mit einiger Aufsicht und einigem Studium gut werden wird. Er revozierte mir gegenüber alle seine früheren Schriften. Er wohnt leider bei Moses, der ihn einstweilen also bearbeiten wird, aber das hat bekanntlich nichts zu sagen. Bei Lüning, an den er sich schrecklich angekittet hatte, bedurfte es zweier Worte, um ihn aus dem Sattel zu heben.

Moses ist übrigens freundschaftlicher denn je – den Kerl begreife einer!

Bei Cassel kann ich nichts tun, da Maynz, nicht ich, Order hat. Breyer beruft sich aus die Finanzkrisis, auf die Unmöglichkeit, seine alten Wechselschulden jetzt prolongieren zu lassen, auf die Zahlungsweigerung seiner gesamten Klientel. Er erklärt sogar, sein einziges Roß verkaufen zu wollen. Ich werde indes sehen, was zu kriegen ist, denn mit dem Geld von Maynz komme ich kaum aus, und das von Heß, der zuerst gezahlt, ist bereits den Weg alles Fleisches. Gigot ist auch in Schwulitäten. Ich werde noch heute mal zu Breyer gehen.

In den Débat social[4] kommt morgen eine ausführliche Widerlegung, mot pour mot,[5] des Moniteurs.

Dem Faider füge noch hinzu: wenn er eine spezielle Vollmacht haben müsse, so werdest Du sie ihm schicken.

Schreibe auch ein paar Zeilen an M. Bricourt, membre de la Chambre des Représentants, der sehr gut für Dich in der Kammer aufgetreten ist und den Minister auf Maynz’ Ansuchen scharf interpelliert und die Enquete wegen der Geschichte durchgesetzt hat. Er ist Repräsentant für Charleroi und nach Castiau der beste. Castiau war gerade in Paris.

Sieh den inliegenden Wisch durch und schicke ihn an die Réforme. Die hiesigen Kerls müssen fortwährend geärgert werden.

Si c’est possible,[6] so reise ich Montag ab. Aber die Geldwirtschaft kommt mir immer in die Quere.

Von England höre ich durchaus nichts, weder durch Briefe noch Stars.

In Deutschland geht die Sache wahrhaftig sehr schön; überall Emeuten, und die Preußen geben nicht nach. Tant mieux.[7] Wir werden hoffentlich nicht lange in Paris zu bleiben haben.

Daß Ihr den Bornstedt hinauswerft, ist sehr gut. Der Kerl hat sich so unzuverlässig erwiesen, daß man ihn wirklich beseitigen muß aus dem Bund. Er und Weerth sind jetzt all ... und Weerth läuft als wütender Republikaner hier herum.

Der Lamartine wird jeden T[ag] ....rlicher. Dieser Mensch wendet sich ja in allen seinen Reden nur an die Bourgeois und sucht sie zu beruhigen. Auch die Wahlproklamation der provisorischen Regierung ist ja ganz an die Bourgeois gerichtet, um sie zu reassurieren.[8] Kein Wunder, daß die Kerls dabei frech werden.

Adios, au revoir![9]

F. E.

Alle Briefe hierher unter der angegebenen Adresse; Bl[oß] wird sie en mon absence[10] an Gi[got] geben.


[1] Marschroute, beziehungsweise Zwangspaß.

[2] Aufläufe.

[3] Zwangsanleihe.

[4] Soziale Debatte. [Titel eines in Brüssel herausgegebenen sozialistischen Wochenblatts.]

[5] Wort für Wort.

[6] Wenn es möglich ist.

[7] Um so besser.

[8] Beruhigen.

[9] Auf Wiedersehen.

[10] In meiner Abwesenheit.

28

[Paris], 16. März 1848.

Lieber Engels!

Ich habe in diesen Tagen keinen Augenblick Zeit, um ausführlicher zu schreiben. Ich beschränke mich auf das Nötige.

Flocon ist sehr gut gegen Dich gesinnt.

Die hiesigen Straubinger widmen Dir alle mehr oder minder Wut.


Was meine Sachen angeht, nimm sie mit bis Valenciennes und laß sie dort plombieren. Ich werde alles frei bekommen. Was das Silber angeht, so hat es schon hier in Paris den Stempel erhalten. In Valenciennes mußt Du aber jedenfalls zu dem Manne gehen, der auf einliegender Adresse steht. Meine Frau hat ihm auf Voglers Rat die Schlüssel der Koffer (die in Brüssel sind) zugeschickt, aber ohne Begleitbrief. Diese Schlüssel mußt Du bei ihm abholen, da man uns sonst alles auf der hiesigen Douane aufbricht.

Was die Gelder angeht, so erkläre dem Cassel, er solle Dir den Wechsel herausgeben, wenn er ihn nicht zahlen will. Baillut wird ihn dann vielleicht zahlen.

Laß den Gigot abrechnen und wenigstens den Rest geben.

Was den Breyer angeht, so mußt Du noch einmal zu ihm und ihm die Gemeinheit vorstellen, die darin liegt, wenn er mein Pech benutzt, um nicht zu zahlen. Wenigstens einen Teil muß er Dir schaffen. Die Revolution hat ihn keinen Sou gekostet.

Hier wird die Bourgeoisie wieder gräßlich frech und reaktionär, mais elle verra.[1]

Bornstedt und Herwegh benehmen sich sehr töricht. Sie haben hier einen schwarzrotgoldenen Verein contre nous[2] gestiftet. Ersterer wird heute aus dem Bunde ausgestoßen.

Dein M.

Die feuille de route[3] finde ich in diesem Moment nicht und dieser Brief muß fort.

Setze Gigot ab, wenn er nicht Tätigkeit entwickelt. Der Kerl sollte in diesem Moment energisch sein. Grüße Maynz herzlich von mir, ebenso Jottrand. Letzteren Débat social habe ich empfangen. Auch einen Gruß an Vogler. Maynz und Jottrand werde ich ausführlich schreiben. Lebe wohl.

[Karl Marx.]

Die zwei Tage später ausgebrochene Märzrevolution führte Marx nach Köln, wo er sich um die Gründung einer radikal-demokratischen Zeitung bemühte, die dann den Titel Neue Rheinische Zeitung erhielt. Marx wurde hierbei von Engels, der sich in Barmen befand, aufs lebhafteste unterstützt. Siehe die Briefe 29, 30, 31.


[1] Aber sie wird sehen.

[2] Gegen uns.

[3] Zwangspaß.

29

Köln, Apostelnstr. 7, [Mitte April 1848.]

Lieber Engels!

Es ist hier schon ziemlich viel gezeichnet [Aktien für die geplante Neue Rheinische Zeitung], und wir werden wohl bald anfangen können. Jetzt ist es aber nötig, daß Du Deinem Alten gegenüber Forderungen stellst und überhaupt definitiv erklärst, was in Barmen und Elberfeld zu machen ist.

An Hecker in Elberfeld hat man von hier einen Prospekt (von Bürgers geschrieben) usw. hingeschickt.

Hast Du keine Adresse für Dronke? Dem muß sofort geschrieben werden. Antworte umgehend. Ich würde einmal da herüberkommen, sähe es nicht zu ängstlich bei Euch aus.

Dein M.

30

B[armen], 25. April 1848.

Lieber Marx!

Den Prospekt erhalte ich soeben nebst Deinem Briefe. Auf Aktien von hier ist verdammt wenig zu rechnen. Der Blank, an den ich schon früher deswegen geschrieben und der noch der Beste von allen ist, ist in Praxi ein Bourgeois geworden; die anderen noch mehr, seit sie etabliert sind und mit den Arbeitern in Kollisionen gekommen. Die Leute scheuen sich alle wie die Pest vor der Diskussion der gesellschaftlichen Fragen; das nennen sie Aufwiegelei. Ich habe die schönsten Redensarten verschwendet, alle mögliche Diplomatie aufgeboten, aber immer schwankende Antworten. Ich mache jetzt noch einen letzten Versuch, scheitert der, so ist alles am Ende. In zwei bis drei Tagen hast Du positive Nachricht, wie er ausgefallen, die Sache ist au fond[1] die, daß auch diese radikalen Bourgeois hier in uns ihre zukünftigen Hauptfeinde sehen, und daß sie uns keine Waffen in die Hand geben wollen, die wir sehr bald gegen sie selbst kehren würden.

Ans meinem Alten ist vollends nichts herauszubeißen. Für den ist schon die Kölner Zeitung ein Ausbund von Wühlerei, und statt tausend Talern schickte er uns lieber tausend Kartätschkugeln auf den Hals.

Die avanciertesten hiesigen Bourgeois finden ihre Partei zu ihrer ziemlichen Zufriedenheit durch die Kölnische Zeitung vertreten. Que veux-tu qu’on fasse, alors?[2]

Moses’ Agent, Schnaake, war vorige Woche hier, scheint auch gegen uns verleumdet zu haben.

Von Dronke habe ich keine andere Adresse als etwa die: Kaufmann Adolf Dominicus in Koblenz (sein Onkel). Sein Alter existiert in Fulda, ich glaube als Gymnasialdirektor. Das Nest ist klein. Dr. E. Dronke junior in Fulda würde ihn wohl treffen, wenn er da ist. Es ist aber abgeschmackt, daß er nicht wenigstens schreibt, wo er ist.

Von Ewerbeck hatte ich einen Brief, er fragt, ob wir einen angeblich wichtigen, nach Mainz unter bekannter Adresse abgeschickten Brief von ihm erhalten? Hast Du ihn nicht, so schreibe deswegen nach Mainz (Schullehrerkandidat Philipp Neubeck, Rentengasse, Heiliger Geist, Mainz).

Ewerbeck läßt in Paris das Manifest ins Italienische und Spanische übersetzen und will zu diesem Behuf 60 Franken eingesandt haben, die er sich zu zahlen verpflichtet. Das ist wieder so eine seiner Geschichten. Die Übersetzungen werden schön sein.

Ich bin an der englischen Übersetzung, die mehr Schwierigkeiten macht, als ich glaubte. Aber die Hälfte ist indes fertig, und bald wird das Ganze fertig sein.

Wenn ein einziges Exemplar unserer 17 Punkte[3] hier verbreitet würde, so wäre hier alles verloren für uns. Die Stimmung bei den Bourgeois ist wirklich niederträchtig. Die Arbeiter fangen an, sich etwas zu regen, noch sehr roh, aber massenhaft. Sie haben sofort Koalitionen gemacht. Das aber ist uns gerade im Wege. Der Elberfelder politische Klub erläßt Adressen an die Italiener, spricht sich für direkte Wahl aus, aber weist jede Debatte sozialer Fragen entschieden ab, obwohl unter vier Augen die Herren gestehen, diese Fragen kämen jetzt an die Tagesordnung, und dabei bemerken, wir dürften darin der Zeit nicht vorgreifen!

Adios. Laß bald Näheres hören. Ist der Brief nach Paris abgegangen, und hat er Resultate gehabt?

Dein E.


[1] Im Grunde.

[2] Was meinst Du, daß man da machen soll?

[3] Es sind die 17 Punkte gemeint, die die neue Zentralbehörde in Paris als „Forderungen der kommunistischen Partei in Deutschland“ aufgestellt hatte.

31

Barmen(?), 9. Mai 1848.

Lieber Marx!

Hierbei:

1. Die Liste der bis jetzt gezeichneten Aktien, 14 an der Zahl.
2. Eine Vollmacht für Dich.
3. Eine für D’Ester (der B. ist ein Bekannter von ihm).
4. Eine für Bürgers.

Es ließ sich nicht vermeiden, daß Bornstedt und Hecker ihre Vollmacht an persönlich Bekannte geben.

Hühnerbein wird, für sich und zwei Hiesige, selbst dort erscheinen.

Die Liste ist noch nicht geschlossen. Den Laverrière und Blank habe ich trotz xmaligem Besuch nicht getroffen. Zulauff hat den ersteren übernommen.

Zwei andere, bei denen ich nichts ausrichtete, wird Hecker bearbeiten.

Heute geht Jul. nach Ronsdorf, wo er gute Aussichten hat.

Die beiden Sorten Leute, die am meisten Schwierigkeiten machen, sind erstens die jungen républicains en gants jaunes,[1] die für ihr Vermögen fürchten und Kommunismus wittern, und zweitens die Lokalgrößen, die uns für Konkurrenten halten. Weder Nohl noch Bracht waren zu bewegen. Von den Juristen ist Bohnstedt der einzige, mit dem was zu machen. Überhaupt haben wir vergebliche Gänge genug gehabt.

Morgen gehe ich auf zwei Tage nach Engelskirchen. Laßt mich sogleich die Resultate der Aktionärversammlung wissen. Zu einer Bundesgemeinde ist ebenfalls der Anfang gemacht.

Dein Engels.

Der Brief Nr. 32 und die zwei folgenden Briefe sind an Engels in der Schweiz gerichtet. Anläßlich der Septemberunruhen (siehe Mehring, Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, 1. Band, Seite 123 bis 126) hatte die Kommandantur den Belagerungszustand über Köln verhängt und unter anderem die Neue Rheinische Zeitung suspendiert. Um den Verhaftsbefehlen zu entgehen, waren die meisten Redakteure über die Grenze gegangen. Am 12. Oktober konnte die Zeitung wieder erscheinen, nachdem sich die versprengte Redaktion allmählich wieder gesammelt hatte. Neu eingetreten war Ferdinand Freiligrath. Engels blieb vorläufig in der Schweiz, um von dort aus an der Neuen Rheinischen Zeitung mitzuarbeiten.


[1] Republikaner in gelben Handschuhen.

32

[Undatiert. November 1848.]

Lieber Engels!

Da Dein Brief erst jetzt abends ankommt, ist es keine Zeit mehr, nach Wechseln sich umzutun. Es ist selbst nicht mehr Zeit, nach meinem Hause zu gehen. Ich schicke Dir Einliegendes, was gerade vorrätig ist und zudem eine Anweisung von 50 Taler von Schulz auf einen Bürger in Genf, wo Du auch sonstige Hilfe finden kannst.

Ich habe schon vor langer Zeit an Dich und Dronke nach Paris 50 Taler und zugleich nach Brüssel an Gigot Deinen Paß geschickt.

Die Zeitung erscheint seit dem 11. September wieder, tale quale.[1] Näheres Dir darüber zu schreiben, jetzt nicht der Moment, da Eile nötig. Sobald Du irgend kannst, schreibe Korrespondenzen und längere Artikel. Ich bin jetzt, da alle außer Weerth, Naut und Freiligrath erst seit einigen Tagen eingetreten, bis über die Ohren beschäftigt, komme gar nicht zu ausführlicheren Arbeiten, und zudem tut das Parkett[2] alles, um mir Zeit zu stehlen.

Schreibe umgehend. Soll ich Deine Wäsche usw. schicken? Plasmann sofort dazu bereit. Dein Vater hat ihn übrigens bezahlt.

Übrigens hat Dein Alter an Gigot geschrieben, wo Du seiest. Er will Dir, wie er sagte, Geld schicken. Ich habe ihm Deine Adresse geschickt.

Dein K. Marx.

[Anschrift:]

P. S. Einliegenden Brief an F. Köhler am See oder Rue du Rhône dort, wollen Sie gefälligst öffnen und denselben abgeben, worauf Ihnen derselbe 250 Franken für meine Rechnung geben Tratte nach Sicht auf mich auszahlen wird. Freundschaftlichen Gruß

Louis Schulz.


[1] Unverändert.

[2] Strafkammer.

33

[Undatiert. November 1848.]

Lieber Engels!

Ich bin wahrhaft überrascht, daß Du noch kein Geld von mir erhalten hast. Ich (nicht die Expedition) habe Dir seit undenklicher Zeit 61 Taler, 11 in Papier, 50 in Wechsel, nach Genf geschickt, eingeschlagen in die angegebene Adresse. Also erkundige Dich und schreibe sogleich. Ich habe einen Postzettel und kann das Geld reklamieren.

Ich hatte ferner an Gigot 20 und später an Dronke 50 Taler für Euch geschickt, immer aus meiner Kasse, in Summa 130 Taler ungefähr.

Ich werde Dir morgen wieder einiges schicken. Aber erkundige Dich nach dem Gelde. Es war in dem Wechsel zugleich eine Empfehlung drinnen an einen Lausanner Geldphilister.

Ich bin mit dem Gelde beschränkt. 1850 Taler hatte ich von der Reise mitgebracht; 1950 bekam ich von den Polen, 100 brauchte ich noch auf der Reise, 1000 Taler habe ich der Zeitung (mit dem Dir und anderen Flüchtlingen) vorgeschossen, 500 in dieser Woche noch zu zahlen für die Maschine; bleibt 350. Und dabei habe ich noch keinen Cent von der Zeitung erhalten.

Was Eure Redakteurschaft angeht, so habe ich 1. in der ersten Nummer gleich angezeigt, daß das Komitee dasselbe bleibt, 2. den blödsinnigen reaktionären Aktionären erklärt, daß es ihnen freistünde, mich als nicht mehr zum Redaktionspersonal gehörig zu betrachten, daß es mir aber freistehe, so hohe Honorare auszuzahlen als ich will, und daß sie daher pekuniär nichts gewinnen werden.

Die große Summe für die Zeitung hätte ich rationellerweise nicht vorgeschossen, da ich drei bis vier Preßprozesse auf dem Halse haben, jeden Tag eingesperrt werden und dann nach Geld wie der Hirsch nach frischem Wasser schreien kann. Aber es galt, unter allen Umständen dies Fort zu behaupten und die politische Stellung nicht aufzugeben.

Das beste – nachdem Du die Geldangelegenheiten in Lausanne geordnet – ist, nach Bern zu gehen und Deinen angegebenen Plan auszuführen. Du kannst außerdem schreiben, worüber Du willst. Deine Briefe kommen immer zeitig genug.

Daß ich einen Augenblick Dich im Stiche hätte lassen können, ist reine Phantasie. Du verbleibst stets mein Intimus, wie ich hoffentlich der Deine.

K. Marx.

34

Köln, 29. November 1848.

Lieber Engels!

Die Zeitungen sind Dir geschickt. Wenn es nicht früher geschah, so liegt die Schuld rein an dem Esel Korff, der bei meiner Überbeschäftigung, die noch durch beständige Erscheinungsbefehle vermehrt wird, bisher meine Orders nicht ausgeführt hatte. Einstweilen bleibe in Bern. Sobald Du kommen kannst, schreibe ich Dir. Siegle Deine Briefe besser zu. Einer war aufgebrochen, wie ich in der Zeitung (natürlich Dich nicht nennend) angezeigt.

Schreibe ausführlich über Proudhon, und da Du guter Geograph bist, über die ungarische Sauce (den Völkerbienenschwarm). Vergiß mich bei Proudhon nicht, da unsere Artikel jetzt in sehr viele französische Blätter übergehen.

Schreibe auch gegen die Föderativrepublik, wozu die Schweiz beste Gelegenheit bietet.

K. Heinzen hat seinen alten Schund gegen uns veröffentlicht.

Unser Blatt bewegte sich immer auf dem Stande der Emeute, umschifft aber trotz allen Erscheinungsbefehlen den code pénal.[1] Es ist jetzt sehr en vogue.[2] Wir erlassen auch täglich Plakate. La révolution marche.[3] Schreibe fleißig.

Ich hoffe Dich bald wiederzusehen.

Dein Marx.


[1] Strafgesetzbuch [das heißt das ehemalige rheinische Strafgesetz].

[2] In Mode.

[3] Die Revolution marschiert vorwärts.

35

Bern, 28. Dezember 1848.

Lieber Marx!

Wie ist’s? Kann ich jetzt nach G[rüns] und A[nnekes] Freisprechung noch nicht bald zurück? Die preußischen Hunde müssen jetzt doch bald die Lust verlieren, sich mit den Geschworenen einzulassen. Wie gesagt, wenn genügender Grund vorhanden, daß kein Untersuchungsarrest zu befürchten, komm’ ich sofort. Nachher können sie meinetwegen mich vor 10 000 Jurys stellen, aber im Untersuchungsarrest kann man nicht rauchen, und da geh’ ich nicht hinein.

Die ganze Septembergeschichte zerfällt ja ohnehin in Nichts. Einer nach dem anderen kommt wieder. Also schreibe.

Apropos, gegen Mitte Januar wäre mir einiges Geld sehr erwünscht. Bis dahin kommt Euch ja eine Masse ein.

Dein E.

1849

36

Bern, 7. Januar 1849.

Lieber Marx!

Nachdem ich mich jetzt während mehrerer Wochen sündhaften Lebenswandels von meinen Strapazen und Aventüren erholt habe, fühle ich erstens das Bedürfnis, wieder zu arbeiten (wovon der beiliegende magyaro-slawische Artikel ein schlagender Beweis), und zweitens das Bedürfnis nach Geld. Letzteres ist das dringendste, und wenn Ihr bei Ankunft dieses mir noch nichts geschickt haben solltet, so tut es doch gleich, denn ich bin seit mehreren Tagen sans le sou,[1] und Pump ist in dieser lausigen Stadt keiner.

Wenn in dieser lausigen Schweiz nur irgend etwas vorfiele, um drüber schreiben zu können. Aber lauter Lokaldreck der lausigsten Art. Ein paar allgemeine Artikel drüber schick’ ich indes bald. Wenn ich noch lange im Ausland bleiben muß, so gehe ich nach Lugano, besonders wenn in Italien etwas losgeht, wie es den Anschein hat.

Aber ich denke immer, ich kann bald zurück. Dies faule Hocken im Ausland, wo man doch nichts Ordentliches tun kann und ganz außer der Bewegung steht, ist scheußlich unerträglich. Ich komme bald zu der Einsicht, daß es selbst im Untersuchungsarrest in Köln besser ist als in der freien Schweiz. Schreibe mir doch, ob denn gar keine Chance vorhanden, daß ich ebenso günstig behandelt werde wie Bürgers, Becker usw. usw.

Raveaux hat recht: selbst in dem oktroyierten Preußen ist man freier als in der freien Schweiz. Jeder Spießbürger ist hier zugleich Mouchard und Assommeur.[2] Davon habe ich in der Neujahrsnacht ein Exempel gesehen.

Wer Teufel hat neulich den langweiligen sittlich-religiösen Artikel aus Heidelberg über den Märzverein in die Zeitung gesetzt? Daß Henricus von Zeit zu Zeit einen Artikel aushaucht, habe ich ebenfalls mit Vergnügen bemerkt an dem Seufzer über das Ladenbergsche Zirkular, der sich durch zwei Nummern hinzieht.

Unsere Zeitung wird jetzt in der Schweiz sehr häufig zitiert; die Berner Zeitung nimmt viel und die Nationalzeitung, und dann geht das die Runde durch alle Blätter. Auch in den Schweizer französischen Blättern wird sie, nach dem National usw. usw., viel zitiert, mehr als die Kölnische.

Die Annonce werdet ihr aufgenommen haben. Beiliegend ein Abdruck der unsrigen in der Berner Zeitung. Grüße die ganze Gesellschaft.

Dein E.

Gestern zu spät zur Post. Heute also noch die Bemerkung, daß die Neue Rheinische Zeitung seit dem 5. Januar hier nicht mehr eingetroffen ist. Sieh doch nach, ob sie regelmäßig abgeschickt. Ich habe mich erkundigt, mit dem Abonnieren ist’s nichts. Ich müßte auf ein halbes Jahr abonnieren; so lange bleibe ich nicht und habe auch kein Geld. Wie gesagt, es ist wichtig, das sie herkommt, nicht bloß meinetwegen, sondern auch hauptsächlich, weil die uns günstige, von einem Kommunisten redigierte Berner Zeitung alles tut, um sie hier en vogue[3] zu bringen.


[1] Ohne einen Pfennig.

[2] Spitzel und Totschläger.

[3] In Mode.

37

Hamburg, 23. April 1849.
Adresse: Kaufmann Rohde, Bleichenbrücke.
(Unter Kuvert.)

Lieber Engels!

Dein Brief hat mich erst heute getroffen, da ich Bremen schon Mittwoch morgen verließ. In Bremen nichts. Rösing hat vor einem Jahre bankrott gemacht und lebt nur noch von den Zinsen des seiner Frau verbliebenen Kapitals. Also nichts.

Dagegen werde ich hier sicher loseisen.

Was die Unterschrift betrifft, kann Werres nicht unterzeichnen?

Was die einstweiligen Geldmittel betrifft, solange ich abwesend bin, so ist folgendes zu bemerken: Plochmann hat mir vor meiner Abreise in die Hand versprochen, jeden nötigen Vorschuß zu machen. Möglich, daß St. Naut aus Gewissenhaftigkeit keine Zuflucht zu dieser Quelle nimmt. Wenn es nötig ist, tue es selbst.

Die Zeitung ist diese Woche durch sehr mager, was mit meiner jetzigen Mission schlecht klappt.

Grüße meine Frau herzlich von mir und die anderen.

Schreibe jedenfalls umgehend und laßt den Kopf nicht sinken. Les choses marcheront.[1]

Dein K. Marx.


[1] Die Dinge werden vorwärts gehen.

38

Schreibe mir unter der Adresse: M. Ramboz, 45 Rue de Lille.

Paris, 45 Rue de Lille, 7. Juni 1849.

Lieber Engels!

Ich schreibe Dir in diesem Briefe wenig ausführlich. Erst sollst Du mir antworten, ob er unversehrt angekommen ist. Ich glaube, daß die Briefe wieder con amore[1] erbrochen werden.

Es herrscht hier eine royalistische Reaktion, schamloser als unter Guizot, bloß vergleichbar mit der nach 1815. Paris ist morne.[2] Dazu die Cholera, die außerordentlich wütet. Trotzdem stand ein kolossaler Ausbruch des Revolutionskraters nie näher bevor als jetzt zu Paris. Die Details darüber später. Ich komme mit der ganzen revolutionären Partei zusammen und werde in einigen Tagen sämtliche Revolutionsjournale zu meiner Verfügung haben.

Was die hiesigen pfälzisch-badischen Gesandten betrifft, so ist Blind, von einem wirklichen oder vermeintlichen Cholerafall erschreckt, einige Stunden von Paris aufs Land gezogen.

Quant à[3] Schütz ist folgendes zu bemerken:

Die provisorische Regierung setzt ihn in eine falsche Position, indem sie ihm keine Berichte schickt. Die Franzosen verlangen des faits,[4] und wo soll er sie hernehmen, wenn ihm kein Teufel schreibt? Es müssen ihm möglichst oft Depeschen zukommen. Es ist klar, daß er in diesem Augenblick nichts ausrichten kann. Das einzig Erreichbare ist, der pr[eußischen] Regierung Sand in die Augen zu streuen, indem man ihm möglich macht, häufig mit den Chefs der Montagnards[5] zusammenzukommen.

Daß er im übrigen wenig erfährt, versteht sich von selbst, da er nur mit einigen offiziellen Montagnards zusammenkommt. Ich werde ihn übrigens immer au courant[6] halten.

Meinerseits muß ich verlangen, daß Du mir wenigstens zweimal die Woche regelmäßig und jedesmal, so oft etwas Wichtiges vorfällt, sofort schreibst.

In dem Feuilleton der Kölnischen Zeitung über die Pfälzer Bewegung, de d[ato] Dürkheim a. d. Hardt, heißt es unter anderem: „Auf Herrn Marx, den Redakteur der Rheinischen Zeitung, ist man nicht gut zu sprechen. Derselbe soll der provisorischen Regierung erklärt haben, seine Zeit sei noch nicht gekommen, er werde sich vorläufig zurückziehen.“ Wie hängt das zusammen? Die elenden Deutschen hier, mit denen ich jedes Zusammentreffen übrigens vermeide, werden das breit durch Paris zu schlagen suchen. Ich halte es deshalb für gut, wenn Ihr in der Karlsruher oder Mannheimer Abendzeitung geradezu erzählt in einem Korrespondenzartikel, ich sei als Repräsentant des demokratischen Zentralkomitees zu Paris. Ich halte dies auch deshalb für nützlich, weil einstweilen, wo augenblicklich, unmittelbar noch kein Resultat hier zu erreichen ist, man die Preußen glauben machen muß, daß furchtbare Intrigen hier gespielt werden. Il faut faire peur aux Aristocrates.[7]

Ruge ist hier gleich Null. Was macht Dronke?

Du mußt übrigens sehen, daß Du irgendwo Geld für mich auftreibst, Du weißt, daß ich die letzten eingehenden Summen, pour faire honneur aux obligations de la Nouvelle Gazette Rhénane[8] verausgabt habe und in den jetzigen circonstances[9] kann ich weder ganz eingezogen wohnen und leben, noch weniger in Geldverlegenheiten geraten.

Wenn es Dir irgend möglich ist, so schicke mir einen französischen Artikel, worin Du die ganze ungarische Affäre resümierst.

Teile diesen Brief D’Ester mit. Grüße ihn bestens. Soll ich unter einer anderen Adresse schreiben, so gebt sie an.

M.


[1] Mit Wollust.

[2] Düster.

[3] Mit Bezug auf.

[4] Tatsachen.

[5] Führer der Bergparteiler.

[6] Auf dem laufenden.

[7] Man muß den Aristokraten Furcht einflößen.

[8] Um die Verpflichtungen der Neuen Rheinischen Zeitung einzulösen [„zu honorieren“].

[9] Umstände, Verhältnisse.

39

Vevey, Kanton de Vaud, 25. Juli 1849.

Liebe Frau Marx!

Sie sowohl wie Marx werden verwundert sein, daß ich so lange nichts habe von mir hören lassen. En voici les causes:[1] Denselben Tag, wo ich an Marx schrieb (von Kaiserslautern aus), kam die Nachricht, daß Homburg von den Preußen besetzt und somit die Kommunikation mit Paris abgeschnitten war. Ich konnte nun den Brief nicht mehr abschicken und ging zu Willich. In Kaiserslautern hatte ich mich von aller Befassung mit der soi-disant[2] Revolution ferngehalten; als aber die Preußen kamen, konnte ich der Luft nicht widerstehen, den Krieg mitzumachen. Willich war der einzige Offizier, der etwas taugte, und so ging ich zu ihm und wurde sein Adjutant. Ich war in vier Gefechten, wovon zwei ziemlich bedeutend, namentlich das bei Rastatt, und habe gefunden, daß der vielgerühmte Mut des Dreinschlagens die allerordinärste Eigenschaft ist, die man haben kann. Das Kugelpfeifen ist eine ganz geringfügige Geschichte, und während des ganzen Feldzugs habe ich trotz vieler Feigheit kein Dutzend Leute gesehen, die sich im Gefecht feig benahmen. Desto mehr aber „tapfere Dummheit“. Enfin,[3] ich bin überall glücklich durchgekommen, und au bout du compte[4] ist es gut, daß einer von der Neuen Rheinischen Zeitung dabei war, weil alles demokratische Lumpenpack in Baden und der Pfalz war und nun mit nicht getanen Heldentaten renommiert. Es würde wieder geheißen haben: die Herren der Neuen Rheinischen Zeitung seien zu feig, sich zu schlagen. Von allen den Herren Demokraten aber hat sich niemand geschlagen, außer mir und Kinkel. Letzterer hat sich bei unserem Korps als Musketier gestellt und sich ganz gut gemacht; im ersten Gefecht, das er mitmachte, bekam er den Streifschuß an den Kopf und wurde gefangen.

Nachdem unser Korps den Rückzug der badischen Armee gedeckt, gingen wir, 24 Stunden später als alle anderen, in die Schweiz und sind gestern hier in Vevey angekommen. Während des Feldzugs und des Marsches durch die Schweiz war es mir absolut unmöglich, auch nur eine Zeile zu schreiben. Jetzt aber beeile ich mich, Nachricht zu geben und um so schleuniger an Sie zu schreiben, als ich – irgendwo in Baden – gehört habe, Marx sei verhaftet in Paris. Wir bekamen nie Zeitungen zu sehen, erfuhren also nichts. Ob es wahr ist oder nicht, habe ich nie erfahren können. Sie begreifen die ängstliche Spannung, in der ich mich daher befinde; und ich bitte Sie aufs dringendste, mich von meiner Unruhe zu befreien und mir Gewißheit über Marx’ Schicksal zu verschaffen. Da ich keine Bestätigung dieses Gerüchtes von Marx’ Verhaftung gehört, so hoffe ich immer noch, daß es falsch ist. Daß aber Dronke und Schapper sitzen, daran kann ich kaum zweifeln. Genug, wenn Marx noch frei ist, so schicken Sie ihm doch diesen Brief zu, mit der Bitte, mir gleich zu schreiben. Sollte er sich in Paris nicht sicher fühlen, so ist er hier im Waadtland vollständig sicher. Die Regierung selbst nennt sich rot und partisane de la révolution permanente.[5] In Genf ist es ebenso. Dort ist Schily aus Trier, der im Mainzer Korps ein Kommando führte.

Wenn ich von Hause einiges Geld bekomme, so gehe ich wahrscheinlich nach Lausanne oder Genf und sehe, was ich anfange. Unsere Kolonne, die sich brav geschlagen hat, ennuyiert mich, und hier kann man nichts machen. Willich ist im Gefecht brav, kaltblütig, geschickt und von raschem, richtigem Überblick, außer dem Gefecht aber plus ou moins[6] langweiliger Ideologe und wahrer Sozialist. Die meisten Leute vom Korps, mit denen man sprechen kann, sind anderswohin dirigiert.

Wenn ich nur erst die Gewißheit hätte, daß Marx frei ist! Ich habe oft daran gedacht, daß ich mitten unter den preußischen Kugeln an einem weit weniger gefährlichen Posten war als die anderen in Deutschland, und namentlich Marx in Paris. Also befreien Sie mich bald von dieser Ungewißheit. Tout à vous![7]

Engels.

Adresse: F. Engels, réfugié allemand,[8] Vevey, Suisse.

(Womöglich per Kuvert bis Thionville oder Metz.)


[1] Hier die Ursachen.

[2] Sogenannt.

[3] Kurzum.

[4] Schließlich, bezw. alles in allem.

[5] Anhängerin der Revolution in Permanenz.

[6] Mehr oder weniger.

[7] Ganz der Ihre.

[8] Deutscher Flüchtling.

40

Erste Hälfte August 1849.

Lieber Engels!

Ich habe sehr viele Unruhe für Dich ausgestanden und war wirklich erfreut, gestern einen Brief von Deiner Hand zu empfangen. Ich hatte Dronke (der hier ist) an Deinen Schwager schreiben lassen, um Auskunft zu erhalten. Der wußte natürlich nichts. Meine ganze Familie ist hier. Die Regierung hat mich nach Morbihan, den Pontinischen Sümpfen der Bretagne, ausweisen wollen. Bisher habe ich die Exekution verhindert. Soll ich Dir aber näher sowohl über meine Verhältnisse hier als über die allgemeinen schreiben, so mußt Du mir eine sicherere Adresse schicken, denn hier ist’s nicht sehr geheuer.

Du hast jetzt die schönste Gelegenheit, eine Geschichte oder ein Pamphlet über die badisch-pfälzische Revolution zu schreiben. Ohne Deine Teilnahme an dem Kriege selbst hätten wir mit unseren Ansichten über diesen Ulk nicht hervortreten können. Du kannst dabei die Stellung der Neuen Rheinischen Zeitung zur Demokratischen Partei überhaupt glänzend herausbeißen. Ich bin überzeugt, daß die Sache ziehen und Dir Geld einbringen wird.

Ich habe Unterhandlungen eingeleitet, um eine politisch-ökonomische Zeit(Monats-)schrift zu Berlin zustande zu bringen, die hauptsächlich von uns beiden geschrieben werden müßte.

Lupus ist auch in der Schweiz, ich glaube in Bern. Weerth war gestern hier, er etabliert eine Agentur in Liverpool. Der rote Wolff wohnt hier bei mir. Die finanziellen Verhältnisse sind natürlich sehr zerrüttet.

Freiligrath ist nach wie vor in Köln. Wäre meine Frau nicht in einem état par trop intéressant,[1] so würde ich Paris gern, sobald es pekuniär möglich, verlassen.

Leb wohl. Grüße Weerth bestens und schreibe umgehend unter der Adresse: M. Ramboz, Rue de Lille 45.

Dein K. M.


[1] Etwas zu interessanter Zustand [das heißt hochschwanger].

41

Paris, 17. August 1849.

Lieber Engels!

Ich weiß nicht, ob Du meinen ersten Brief – Antwort auf Deinen ersten, meiner Frau zugeschickten Brief – richtig erhalten, da Deine Adresse sehr unbestimmt war. Ich hätte Dir auch auf den zweiten schon geantwortet, wenn nicht meine ganze hier anwesende Familie krank und ich so behindert gewesen wäre. Ich wiederhole Dir noch einmal, welche Angst ich und meine Frau Deinetwegen ausgestanden, und wie freudig wir überrascht waren, sichere Nachricht von Dir zu erhalten.

Aus dem Datum ersiehst Du, daß das Ministerium des Innern auf meine Reklamation mich einstweilen ungeschoren in Paris gelassen. Das Departement Morbihan, das man mir angewiesen, ist in dieser Jahreszeit tödlich – die Pontinischen Sümpfe der Bretagne. Über die Affäre vom 13. Juni Schriftliches mitzuteilen, wäre in diesem Augenblick unvorsichtig. Ich glaube nicht, ich weiß wenigstens nicht, ob das Briefgeheimnis respektiert wird.

Den allgemeinen Zustand hier kann ich Dir mit zwei Worten schildern: Dekomposition der Majorität in ihre ursprünglichen, einander feindseligen Elemente, Bonapartismus für immer kompromittiert, Malice unter den Bauern wegen der Beibehaltung der 75 Centimes, die Weinbauern wütend über die angedrohte Beibehaltung der Getränkesteuer, in der öffentlichen Meinung der Windzug schon wieder antireaktionär, in der prorogierten Kammer und im Ministerium die Reaktion ausschließlich werdend und mit der Beseitigung der Barrot-Dufaureschen Clique aus dem Kabinett beschäftigt. Sobald dies Faktum eintritt, kannst Du auf eine baldige revolutionäre Resurrektion [neue Erhebung] hoffen.

Ich weiß nicht, ob Du in der Schweiz Gelegenheit hast, die englische Bewegung zu verfolgen. Die Engländer haben sie genau bei dem Punkte wieder aufgenommen, wo sie durch die Februarrevolution unterbrochen wurde. Die Friedenspartei ist, wie Du weißt, nichts anderes als eine neue Verkleidung der Freetradepartei. Aber diesmal agiert die industrielle Bourgeoisie noch revolutionärer wie in der Anti-Cornleague-agitation. Zweierlei: 1. Die im Innern durch die Abschaffung der Korngesetze und der Navigationsakte an der Wurzel gefaßte Aristokratie soll auch in ihrer auswärtigen Politik, in ihrer europäischen Verzweigung, ruiniert werden. Umkehrung der Politik Pitts. Antirussisch-österreichisch-preußisch, mit einem Worte für Italien und Ungarn. Cobden hat förmlich mit dem Banne die Bankiers bedroht, die Rußland pumpen würden, einen wahren Feldzug gegen die russischen Finanzen eröffnet. 2. Allgemeine Stimmrechts-Agitation, um die Tenants [Pächter] ganz von dem Grundadel politisch zu trennen, den Städten absolute Majorität zu geben im Parlament, das Oberhaus zu nullifizieren. Finanzreform, um Kirche und politische Revenue des Adels abzuschneiden.

In beiden Agitationen Chartisten und Freetrader vereinigt. Harney und Palmerston scheinbar befreundet. In dem letzten in London gehaltenen Meeting O’Connor und Kolonel Thompson eine Seele.

Dieser ökonomische Feldzug gegen Feudalismus und heilige Allianz von unberechenbaren Folgen.

Ungarn famos. Aber dies lausige Preußen? Qu’en dis-tu?[1] Die blassen Canaillen werden jetzt fettgefüttert in Sachsen, Baden, der Pfalz. Wenn sie den Österreichern eine Armee zur Hilfe schicken, geschieht es so, daß sie selbst in Böhmen bleiben und sich da auffüttern lassen. Aber das elende Preußen – ich fürchte nur, daß es zu feig ist – perdu,[2] sobald es an der ungarischen Affäre, die jedenfalls in einen guerre universelle[3] aufgeht, sich beteiligt.

Meine Adresse: Monsieur Ramboz, 45 Rue de Lille.

Salut! Ch. M.


[1] Was sagst Du dazu?

[2] Verloren.

[3] Weltkrieg.

42

[Paris], 23. August 1849.

Lieber Engels!

Ich bin nach dem Departement Morbihan verwiesen, den Pontinischen Sümpfen der Bretagne. Du begreifst, daß ich auf diesen verkleideten Mordversuch nicht eingehe. Ich verlasse also Frankreich.

Nach der Schweiz gibt man mir keinen Paß, ich muß also nach London, und zwar morgen. Die Schweiz wird ohnehin bald hermetisch verschlossen sein, und die Mäuse mit einem Schlage würden gefangen sein.

Außerdem: In London habe ich positive Aussicht, ein deutsches Journal zu stiften. Ein Teil der Gelder ist mir sicher.[1]

Du also mußt sofort nach London. Zudem erheischt es Deine Sicherheit. Die Preußen würden Dich doppelt erschießen: 1. wegen Baden, 2. wegen Elberfeld. Und was sollst Du in der Schweiz, wo Du nichts tun kannst? Du hast keine Schwierigkeit, nach London zu kommen, sei es unter dem Namen Engels, sei es unter dem Namen Meyer. Sobald Du erklärst, nach England zu wollen, erhältst Du einen Zwangspaß bis London von der französischen Gesandtschaft.

Ich rechne positiv darauf. Du kannst nicht in der Schweiz bleiben.

Meine Frau bleibt einstweilen hier. Du schreibst an sie immer unter derselben Adresse: 45 Rue de Lille, M. Ramboz.

Dein K. M.


[1] Von Januar 1850 ab erschien dies Journal als Revue der Neuen Rheinischen Zeitung.

Zweiter Abschnitt
Das Londoner Exil bis zur Auflösung des Kommunistenbundes
1850 bis 1853

Vorbemerkung.

Der Herbst 1849 sah Marx und Engels in London vereint. Marx war im August 1849, unmittelbar nach seiner Ausweisung aus Paris, nach London übersiedelt, Engels, der nach Niederwerfung des badisch-pfälzischen Aufstandes sich einige Monate in der Schweiz aufgehalten hatte, kam im Herbst über Genua zur See nach England. Im Verein mit Gesinnungsgenossen reorganisierten Marx und Engels nun den Bund der Kommunisten mit der Zentralbehörde in London und bildeten ferner mit Heinrich Bauer, Karl Pfänder und August Willich ein Flüchtlingskomitee, das sich die Aufbringung von Mitteln zur Unterstützung der immer zahlreicher Englands Hauptstadt aufsuchenden Flüchtlinge zur Aufgabe stellte und nach Möglichkeit ihnen Beschäftigung zu verschaffen suchte. Es war dies eine überaus viel Zeit und Mühen in Anspruch nehmende, mit Widrigkeiten aller Art verbundene Tätigkeit. Die einlaufenden Beiträge blieben weit hinter den Erfordernissen zurück, und bei der erregten Gemütsverfassung der Flüchtlinge gab es viel Unzufriedenheit und Reibereien. Die letzteren wurden verschärft durch politische Streitigkeiten und Gegensätze. Die Zerfahrenheit des erst im Entstehen begriffenen deutschen Parteiwesens, die einen so wesentlichen Anteil an der Wiederherstellung der Fürstengewalt gehabt hatte, fand ein Widerspiel in der Flüchtlingsschaft und mußte, weil der Rahmen ein viel engerer und die Gemüter hier viel intensiver auf die Politik gerichtet waren, zu um so heftigeren Zusammenstößen führen.

Zur literarischen Vertretung ihrer Anschauungen wurde von Marx und Engels die Zeitschrift „Neue Rheinische Zeitung, politisch-ökonomische Revue“, ins Leben gerufen, die Anfang 1850 in London und Hamburg herauskam und in der sie eine Reihe überaus wertvoller Aufsätze veröffentlichten, die aber nicht hinreichenden Absatz fand, um sich halten zu können. Die mutigen, opferwilligeren Anhänger der radikalen Demokratie waren meist ruiniert oder ins Ausland getrieben, diejenigen aber, die nur von der Strömung mitgerissen worden waren oder bloß die Radikalen hatten spielen wollen, suchten nun vor allem ihre Haut zu sichern. Andere ließen sich wohl die Revue kommen, vergaßen aber das Bezahlen, und mit dem Eintreiben der Abonnementsgelder war es angesichts der brutal dazwischenfahrenden Reaktion und der noch sehr mangelhaften und teuren Posteinrichtungen schlimm bestellt. Schon nach dem vierten Hefte, das im April 1850 herauskam, hörte die Revue auf, in Monatsfolge zu erscheinen, ein im November 1850 noch veröffentlichtes Doppelheft ward ihre letzte Nummer. In ihr gaben Marx und Engels zugleich der Idee den Abschied, daß die Revolution in kürzerer Zeit von neuem ausbrechen werde. Erst wenn die mittlerweile eingetretene Geschäftsprosperität einer neuen Krise Platz gemacht habe, schrieben sie, werde die Revolution sich – dann aber auch mit Sicherheit wieder einstellen. Man wird aus den Briefen ersehen, daß immerhin selbst Marx-Engels die Periode des „plumpen Zwischenspiels“ sich kürzer vorstellten, als sie in Wirklichkeit dauern sollte, und daraus manches in ihrem damaligen Verhalten erklärt finden.

Indes hatte schon die Erkenntnis, daß der Wiederausbruch der Revolution nicht vom bloßen Willen der Revolutionspartei abhänge, im Verein mit Zwistigkeiten über taktische Fragen untergeordneter Natur, über Personenfragen und ähnliches genügt, Marx-Engels und einen kleinen Kreis von Anhängern in Gegensatz zur großen Mehrheit der Londoner Flüchtlingsschaft zu bringen. Von Anfang an hatten Marx-Engels die Idee eines die ganze Londoner Emigration umfassenden Flüchtlingskomitees von sich abgewiesen und bekämpft. Sie hatten sogar noch schroffer gegen die kleinbürgerlich-sozialistischen Radikaldemokraten als gegen die im wesentlichen nur liberalen Oppositionsleute vom Schlage der Lothar Bucher und Genossen Stellung genommen, in den ersteren gefährlichere Gegner der aufkommenden Arbeiterpartei bekämpft als in den letzteren, eine Politik, die in dem von ihnen verfaßten Rundschreiben der Zentralbehörde des Kommunistenbundes vom März 1850 näher entwickelt ist. Wenn sie dabei manche Persönlichkeiten irrig beurteilt haben und in bezug auf die Kritik politischer Reformen teilweise von Auffassungen ausgingen, die sie später selbst berichtigt haben, so waren jedoch ihre Warnungen vor den verschwommenen sozialistischen Phrasen, mit denen die Radikaldemokraten um sich warfen, grundsätzlich gewiß am Platze. Ebenso war die scharfe Kritik, die Marx-Engels im Aprilheft 1850 der Revue Neue Rheinische Zeitung an der Verteidigungsrede übten, die der im badischen Feldzug gefangen genommene Gottfried Kinkel vor dem Rastatter Kriegsgericht gehalten hatte, sachlich durchaus berechtigt. Die Rede enthielt Stellen, die ein Mann von Überzeugung niemals hätte äußern dürfen, ein Mann von festem Charakter nicht hätte äußern können. Immerhin wäre angesichts der Tatsache, daß Kinkel von Friedrich Wilhelm IV., nach der Absicht dieses rachsüchtigen Monarchen „von Gottes Gnaden“, auf lebenslänglich ins Zuchthaus gesteckt worden war, während das Kriegsgericht nur auf Festung erkannt hatte, die Kritik seiner Rede in der Form vielleicht etwas weniger heftig ausgefallen, wenn nicht Kinkel, mittlerweile der Heros des radikalisierenden Kleinbürgertums geworden, seine Jammerrede obendrein noch einem Organ dieser Richtung zur Veröffentlichung hätte übergeben lassen. Auch ist der Artikel noch in der Auffassung geschrieben, daß die Revolution in Kürze sich von neuem erheben werde, was für Kinkel ohnehin die Befreiung geheißen hätte. Er ist im Hinblick auf diese Annahme zu beurteilen.

Seine nächste Wirkung war jedoch ein Sturm der Entrüstung in den Reihen der Radikaldemokraten gegen seine Verfasser, die auch von einem Teile der Mitglieder des Kommunistenbundes und selbst von Mitgliedern der Zentralbehörde des Bundes geteilt wurde. Insbesondere scheint August Willich starken Anstoß an dem Artikel genommen zu haben, wie denn Willich, nachdem der von Karl Schurz befreite Kinkel im November 1850 nach London gekommen war, auf längere Zeit dessen Kollege in der Leitung des Komitees für die Vorbereitung der erwarteten neuen Revolution wird. Auf Willich-Kinkel und ihre Unternehmungen bezieht sich ein großer Teil des Briefwechsels zwischen Marx und Engels aus den Jahren 1850/51 und 1852, und die Sprache, die in bezug auf jene beiden dort geführt wird, kann geringschätziger kaum gedacht werden. Indes hat, was Willich anbetrifft, Marx später wiederholt Gelegenheit genommen, dessen Tüchtigkeit in seinem eigentlichen Beruf, als Militär, ausdrücklich anzuerkennen, und aus der Denkweise seines Berufs werden wir Willichs Irrtümer und Mißgriffe uns zu erklären haben. Er war der radikale Offizier des Vormärz gewesen, durch die Revolution, in der er sich mutig und als umsichtiger Truppenführer gezeigt hatte, aus seiner Sphäre geworfen, und konnte sich nun schwer in die neue politische Situation hineindenken, nur schwer begreifen, daß die Revolution die Geister in Deutschland anders zurückgelassen hatte, als sie sie in den Märztagen vorgefunden. Daß er politisch ein unkritischer Kopf war, hebt Engels schon in dem Briefe vom 29. Juli 1849 hervor, wo er sonst so freundschaftlich von ihm spricht. Er charakterisiert ihn dort als Gefühlssozialisten, der der Auffassungsweise nach in die Kategorie der sogenannten wahren Sozialisten gehöre, und so war es im Grunde fast eine innere Notwendigkeit, daß Willich bei der ersten Gelegenheit sich wieder von Marx-Engels trennen und der breiten Allerweltsdemokratie zuwenden sollte. Daß er obendrein noch etwas spießbürgerlich sentimental war, zur Anstandsdame neigte und dann doch den kleinen Menschlichkeiten seinen Tribut abstattete, wird man nachträglich nicht allzu pharisäisch beurteilen. Aber man wird darum nicht minder vergessen, daß in der eingeengten Welt, in der sich das Leben der Flüchtlinge abspielte, wo Zwischenträgerei hinüber und herüber lief, sich manches davon sehr unangenehm empfindbar machte und darin den bitteren Hohn erklärt finden, mit dem Marx in seinen Briefen an Engels den Gegensatz von Phrase und Wirklicher bei Willich schildert.

Kinkel hatte die Hauptfehler Willichs in verstärktem Maße. Er war, was man eine theatralische Natur nennt, ein Exemplar jener Gattung Menschen, die sich so lange am Klange tönender Deklamationen berauschen, bis ihnen die Deklamation zur Natur geworden ist. Damit ist dann schon von selbst gegeben, daß sie, wenn das Reden über sie kommt, gewöhnlich mehr sagen, als sie sagen wollten. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß selbst in seiner Rastatter Verteidigungsrede Kinkel so das Opfer seiner von ihm sehr hoch eingeschätzten Rhetorik geworden war. Seine ganze politische Laufbahn ist ein wiederholtes überschlagen nach der einen oder anderen Seite. Freiligrath hat das zu einer Zeit, wo er wieder mit Kinkel verkehrte, in einem Briefe an Arnold Ruge etwas malitiös, aber zutreffend mit den Worten geschildert: „Der Treffliche kann nicht anders als auf Stelzen gehen, auch wenn er schreibt. Und daher sieht man dann seine Plattfüße erst recht.“ Das war im Jahre 1866. In der Zeit, um die es sich hier handelt, ging Kinkel auf ultrarevolutionären Stelzen, ohne dabei den platten Biedermann einer kleinen deutschen Universität verleugnen zu können, der nie seine materiellen Interessen vergißt. Das mußte in noch viel höherem Maße den Spott herausfordern, noch viel mehr reizen, so daß auch Revolutionäre und Flüchtlinge, die durchaus nicht auf Marx’ Seite standen, sich schließlich von Kinkel lossagten. Mit diesen Fehlern verträgt sich natürlich recht gut eine gewisse Bonhommie, und anerkannt soll werden, daß Kinkel nach Beendigung seiner überschläge sich gewöhnlich immer wieder mit leidlichem Anstand im Lager der kämpfenden Demokratie einstellte und am Abend seines Lebens mit der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung Fühlung hielt. Es machte auf den Schreiber dieses einen etwas komischen Eindruck, hatte aber doch auch sein Versöhnendes, wenn in den schlimmsten Tagen des Sozialistengesetztes der alte gefeierte Demokrat den jungen unbekannten deutschen Sozialdemokraten in Zürich in seiner pastosen Manier auf der Straße laut anredete: „Nun, lieber Herr Bernstein, was machen unsere Genossen im Reiche?“

Eine wesentlich geschlossenere Natur als der rheinische Lyriker Kinkel war der pommerische Philosoph Arnold Ruge, der im Sommer 1849 als Emigrant nach England gekommen war und in der Flüchtlingsschaft ebenfalls eine Rolle spielte. Die von ihm 1848 in Leipzig ins Leben gerufene und dann nach Berlin verlegte Reform war eine der besten demokratischen Tageszeitungen Berlins gewesen, und in der Zeit, von der dieser und die nächsten Abschnitte handeln, hat Ruge den Mächten des Tages keine Zugeständnisse gemacht. Dagegen hat er dem Kitzel nicht widerstehen können, mit Gleichgesinnten selbst eine Macht spielen zu wollen, ohne mehr hinter sich zu haben als Phantasieregimenter. Mit Ledru-Rollin, Mazzini und etlichen anderen bildete er einen „Zentralausschuß der europäischen Demokratie“, der die Welt von Zeit zu Zeit mit Revolutionsmanifesten und ähnlichen Kundgebungen beschenkte, die für kein Land mehr bloße Kuriosa waren als gerade für Deutschland. Dabei gab es jedoch zwischen ihm nebst Gesinnungsfreunden und Kinkel-Willich mit ihrem Anhang allerhand Rivalitäten und zeitweise heftige Kämpfe, die literarisch vorwiegend in der deutschen Presse der Vereinigten Staaten ausgefochten wurden. Darüber und über die Vereine der Streitenden geben die Briefe von Marx an Engels sehr ausführliche Einzelheiten, wobei indes bemerkt werden muß, daß Marx auf Grund mündlicher Berichterstattung von Parteifreunden schreibt, von denen einige nicht über den Verdacht erhaben sind, gelegentlich stark aufgetragen zu haben.

Nach der erfolgten Spaltung in der Zentralbehörde des Kommunistenbundes und dem Austritt von Marx-Engels und ihrem Kreis aus dem Londoner Kommunistischen Arbeiterbildungsverein zogen sich die beiden Freunde selbst vollständig von der Agitation in London zurück. Engels hatte nach dem Willen seines Vaters, der ihn möglichst weit vom heißen Boden der Londoner Emigration zu wissen wünschte, eine Stelle in Kalkutta annehmen sollen, sie aber entrüstet zurückgewiesen. Jetzt jedoch übersiedelte er nach Manchester, um dort eine kaufmännische Stelle im Bureau der Großspinnerei Ermen & Engels anzunehmen, zu deren Teilhabern sein Vater gehörte. In welcher Absicht er es tat, geht aus seinen Briefen hervor. Bei seiner fabelhaften Arbeitskraft wäre es dem ledigen, in der Blüte seiner Jahre stehenden Manne nicht schwer gefallen, sich als Schriftsteller sein Brot zu erwerben. Aber es war ihm Bedürfnis, so viel als möglich Marx beistehen zu können, dessen materielle Lage sich immer drückender gestaltete. Marx hatte sich, wie man unter anderem aus dem Briefe seiner Frau an Joseph Weydemeyer vom 20. Mai 1851 (abgedruckt in der Neuen Zeit, XXV, 2, S. 18 ff.) ersieht, durch Übernahme und Deckung der Schulden der Neuen Rheinischen Zeitung des größten Teiles des kleinen Vermögens entäußert, über das er verfügte, und saß, da die Revue Neue Rheinische Zeitung nur Arbeit kostete, aber kaum ihre Kosten einbrachte, bald mit Frau, drei unerwachsenen Kindern und der treuen Helene Demuth ohne alle Barmittel in London da. Die Möbel und fast ihr ganzes Silberzeug hatten Marx und Frau veräußert; was ihnen vom letzteren verblieben, war ins Pfandhaus gewandert und hatte lange Zeit für sie nur die Bedeutung, daß sie durch die Pflicht erneuter Zinszahlung aus das geliehene Geld an es erinnert wurden. Aus der ersten Wohnung, die sie in London genommen hatten (in Chelsea), wurden sie in brutalster Weise exmittiert; die zweite war eine Interimswohnung, dicht am Leicestersquare, und dann zieht die Familie nach Deanstreet im Sohoviertel, wo sie sich in engen Räumen behelfen muß und auch für diese oft die Miete fehlt. Die Versuche Marxens, sich durch schriftstellerische Arbeit zu ernähren, begegnen allen möglichen Schwierigkeiten. In Deutschland scheuen die Verleger ängstlich davor zurück, größere Arbeiten von Marx in Verlag zu nehmen, und diejenigen deutschen Zeitungen, die regelmäßig Korrespondenten zahlen können, sind Marx verschlossen oder werden von ihm als Blätter betrachtet, mit denen man sich nicht einläßt. Auch in den Vereinigten Staaten, wo es damals eine radikale deutsche Presse gab, die mit den Revolutionären sympathisierte, war gerade für Marx keines der größeren dieser Blätter zugängig. Es wäre zudem in den Augen von Engels eine Sünde gewesen, wenn ein Mann von der Bedeutung Marx’ sich für kleine Tagesschriftstellerei hätte abarbeiten sollen, statt in erster Reihe wissenschaftlichen Arbeiten nachzugeben. So veranlaßt er Marx, sich vor allem an die Vorarbeiten für das große ökonomische Werk zu machen, das Marx damals plante, und den unmittelbaren Broterwerb in zweite Linie zu stellen. Es ist nicht nur der Freund, der dem Freunde hilft, es ist der Parteimann, der der Partei eine erste geistige Kraft erhalten und dafür sorgen will, daß diese Kraft sich in der ihren Neigungen und den Interessen der Partei dienlichsten Weise entfalten kann. Es spricht alles dafür, daß unter solcher Begründung Engels seinem Freunde Marx seine dauernde Hilfe angeboten und Marx sich entschlossen hat, sie anzunehmen.

Er würde indes doch weniger auf sie haben zurückgreifen müssen, wenn ihn nicht unter anderem immer wieder sehr bösartige Haut-, Darm- und Lebererkrankungen heimgesucht hätten, die meist wochenlang ihn ganz oder halb invalide machten. Ungemein viel Zeit nehmen ihm im Jahre 1852 die Verhaftung der Kölner und anderer Mitglieder des Kommunistischen Bundes und der gegen die Verhafteten eingeleitete Umsturzprozeß fort. In den Bemühungen, für die Angeklagten Entlastungsmaterial herbeizuschaffen, sieht er sich oft von Parteigenossen, die mehr Zeit und weniger zu sorgen haben als er, nur ungenügend unterstützt, was ihm gelegentlich recht bittere Reflexionen entlockt. Marx war eben nicht, wie die Kinder im Märchen, ausschließlich von Engeln umschwebt, sondern hatte Parteifreunde von recht verschiedenem Temperament und Charakter um sich; die einen, darunter namentlich Wilhelm Wolff, tüchtig und zuverlässig – echtes Gold mit nur wenig Schlacken –, andere aber wenig gefestete Naturen, die ihm mehr zu schaffen machten, als sie etwa sein Leben erleichterten. Marx hat zum Beispiel dem jung verstorbenen Konrad Schramm im „Herr Vogt“ ein rühmendes Andenken als dem „Percy Heißsporn“ der Partei gesetzt. Aber in der ersten Zeit seines Londoner Exils hat ihm dieser Hitzkopf durch leichtfertiges Handeln viel Ärger bereitet und nutzlose Arbeit verursacht. Ähnlich Ernst Dronke und der Philologe Wilhelm Pieper.

Auch der Verkehr mit den nahestehenden Chartistenführern Julian Harney und Ernest Jones brachte allerhand Unangenehmes mit sich, viel Arbeit und wenig Entschädigung. Meistens waren die beiden recht schlecht aufeinander zu sprechen und griffen sich zeitweise sogar öffentlich auf das feindseligste an, und dann war es auch mit ihrem politischen Verhalten nicht immer nach Wunsch bestellt. Wir werden Harney in Phrasen machen sehen, wie keiner der von Marx-Engels bekämpften „wahren Sozialisten“ sie verschwommener formuliert hätte, und Jones – unzweifelhaft der Bedeutendere der beiden – sehr geneigt, Kompromisse irgendwelcher Art einzugehen, was sich wohl aus der schlimmen Lage des im Niedergang begriffenen englischen Chartismus erklärte, aber durchaus im Widerspruch stand mit der von Marx und Engels verfochtenen Haltung. Und dabei hatten diese noch Jones wie Harney mit Beiträgen für deren stets um Leben und Sterben ringende Blätter zu unterstützen. Auch das gehört zum Lebensbild, worüber uns nun der Meinungsaustausch unter den Freunden genauer unterrichtet.

Anfang August 1851 erhält Marx die Einladung des Charles A. Dana zur Mitarbeit an der New York Tribune und damit endlich den Ausblick auf einen auch geistig leidlich befriedigenden regelmäßigen schriftstellerischen Erwerb. Da er sich in der englischen Sprache nicht sicher fühlt, springt nun zunächst Friedrich Engels für ihn ein und teilt dann noch lange die Arbeit mit Marx. Im übrigen werden wir sehen, daß auch diese Verbindung für Marx mit allerhand Verdruß verbunden war, daß der biedere Dana mit den Korrespondenzen von Marx in der willkürlichsten Weise verfährt, sie nach Belieben verstümmelt, sie als Artikel benutzt, aber nicht als solche honoriert, sie mit Zusätzen ausstattet, die Marx’ Ansichten auf den Kopf stellen und was dergleichen Annehmlichkeiten mehr sind, die einen Schriftsteller, der auf seinen guten Namen hält, zur Verzweiflung bringen können. Immerhin war die Tribune ein Blatt, das sich neben den besten der damaligen Zeit sehen lassen konnte, und die Arbeit für sie bot Marx zu einer Zeit, wo ihm alle sonstigen Wege dazu abgeschnitten waren, die Möglichkeit, als Schriftsteller zu Zeitgenossen zu sprechen, und den Anlaß zu Studien, die im Rahmen des Gebiets seiner wissenschaftlichen Hauptbeschäftigung lagen und somit ihm auch geistige Genugtuung gewährten. Marx hat in der Tribune sehr bedeutsame Beiträge zur allgemeinen Geschichte wie zur Wirtschaftsgeschichte der neueren Zeit veröffentlicht.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs wurde die Mitarbeiterschaft an der New York Tribune für Marx nicht das, was er zuerst von ihr erwartete und mit gutem Grunde zu erwarten berechtigt war. Der Honorarsatz von 2 Pfund Sterling für den Brief oder Artikel war für einen Mann von der Bedeutung eines Marx mäßig genug, aber er wurde dadurch noch sehr wesentlich verringert, daß die Tribune Marx nicht die Beiträge oder Artikel bezahlte, die er lieferte, sondern nur diejenigen, welche die Redaktion abzudrucken für gut befand. Und da die Redaktion von dem ihr zukommenden Rechte der Sichtung im Laufe der Zeit Marx gegenüber zeitweise einen wahrhaft unanständigen Gebrauch machte, kam es vor, daß Marx manchmal knapp den dritten Teil der Artikel bezahlt erhielt, die er einsandte, und sein Honorar faktisch auf das unbedeutender Zeilenreißer herabsank. So gern die Redaktion der Tribune mit den Artikeln prahlte, die sie von Marx oder von Engels im Namen von Marx erhielt, hielt dies sie nicht ab, Marx die Bitterkeiten des taglöhnernden Schriftstellers gründlich auskosten zu lassen. Was Bezahlung nach dem Stücke heißt, hat Marx in der schlimmsten Form an sich selbst erfahren und furchtbare Wirklichkeit erhielten unter diesen Umständen immer wieder für ihn Freiligraths Worte:

Er auch ist ein Proletar,

Ihm auch heißt es: darbe, borge!

Es wäre übermenschlich gewesen, wenn diese Nöte seine Gemütsstimmung unberührt gelassen hätten.

Noch ein Wort über die Stellen in den Briefen, die sich auf den Kleinkrieg in der Londoner Flüchtlingsschaft beziehen. Manche der darin ausgedrückten Urteile geben nur den Eindruck der Stunde wieder. Gewiß lauten sie selten erbaulich, die Geschichte aller Emigrationen ist eine Geschichte des Widerspiels von Enttäuschungen und – um mit Marx zu reden – der „Narrheiten, die aus den außerordentlichen Umständen erwachsen, worin die Emigration sich plötzlich gestellt findet“. So schrieb Marx 1860 im Herr Vogt. Und bei den scharfen Titeln, mit denen er in den Briefen die Gegner in der Emigration bedenkt, bei der bitteren Kritik, die er an ihrem Verhalten übt, darf der Leser nicht vergessen, daß Marx, so wenig er geneigt war, sich mit Kinkel, Ruge, Willich usw. wieder zusammenzutun, doch an der Stelle, wo er jenen Satz schrieb, hinzufügte, daß ein Vergleich der Geschichte der 1848er deutschen Emigration mit der gleichzeitigen Geschichte der Regierungen und der bürgerlichen Gesellschaft als die glänzendste Verherrlichung der Emigration wirken würde.

Es wird von diesem Abschnitt an Abstand davon genommen, den Briefen Erläuterungen in bezug auf Einzelheiten vorauszuschicken, es würden ihrer zu viele werden. Vielmehr wird bei den Lesern allgemeine Kenntnis der Geschichte der 1848er Revolution und der deutschen Sozialdemokratie vorausgesetzt. Informierende kurze Noten über Personen und Dinge, die weniger bekannt geworden sind, findet der Leser im Register. Doch sind auch sie auf das Nötigste beschränkt geblieben, was um so eher geschehen konnte, als die Briefe meist einander ergänzen und so in ihrem Fortgang zur Genüge erkennen lassen, um was es sich jedesmal handelt. Eine Kommentierung der Briefe, die mehr geben wollte, müßte sich zu einer ganzen Geschichte der theoretischen und unmittelbar praktischen Kämpfe auswachsen, deren Mittelpunkt Marx-Engels bildeten. Das aber gehört nicht in den Rahmen dieser Ausgabe. Noch weniger konnte es Sache der Herausgeber sein, den überaus interessanten wissenschaftlichen Inhalt der Briefe, die oft viele Seiten füllenden Auseinandersetzungen über Fragen der Ökonomie, Geschichte, Naturwissenschaft usw. mit anderen als orientierenden Noten zu begleiten. Wie die jeweiligen Äußerungen über Personen, sind auch diese sachlichen Ausführungen nie schlechthin als Endurteile ihrer Verfasser zu verstehen, sondern oft nur Merkmale ihrer geistigen Entwicklung, Skizzen und Entwürfe aus der Werkstatt ihres Schaffens.

Die Briefe dieses Abschnitts beginnen mit zwei Schreiben von Marx an Engels aus dem November 1850, die den Leser gleich in die Atmosphäre einführen, die in dieser Epoche auf Marx und den Seinen lastet. Sie handeln vom plötzlichen Tode eines Söhnchens, der die Familie schwer trifft und den Marx und Frau – sicher nicht mit Unrecht – auf die bürgerliche Notlage zurückführen, in der das Londoner Exil sie sieht. Die Bezeichnung „Pulververschwörer Föxchen“ bezieht sich darauf, daß der Knabe den Vornamen Guido mit dem Verschwörer Fawkes gemein hatte, der im Jahre 1605 das englische Parlament in die Luft zu sprengen unternahm. Von den Gesinnungsgenossen in London steht keiner der Familie so nahe wie der soeben nach Manchester übersiedelte Engels, auch sind sie, wenn nicht von Hause aus Proletarier, doch in der Lage von solchen, Not und schwere Kämpfe ums Dasein überall, selbst bei den englischen Gesinnungsfreunden. George Julian Harney ist von einer Verurteilung wegen Umgehung des Zeitungsstempels bedroht, die sein Wochenblatt, den Roten Republikaner – Red Republican – dem Tode widmen und ihn auf unberechenbare Jahre ins Gefängnis bringen kann. Der Prozeß der treugebliebenen Arbeiter Heinrich Bauer und Karl Pfänder, von dem Marx schreibt, scheint finanzielle Auseinandersetzungen mit der Fraktion Willich-Schapper zur Grundlage gehabt haben. Wir sind noch mitten in den Kämpfen der zwei ehemaligen Flügel des Kommunistenbundes miteinander. Es sind seit dem vollzogenen Bruch nur erst wenige Wochen verstrichen, die gegenseitige Erbitterung beherrscht die Geister noch in voller Stärke. Dazu Taktlosigkeiten des jungen Konrad Schramm, der eben erst das Duell mit Willich gehabt hat und doch, wie aus dem nun folgenden Antwortbrief von Engels hervorgeht, im gegnerischen Lager Beziehungen unterhält. Nach diesem Brief zu schließen, gehörte ein Bruder Schramms der Gegenpartei an. Ein anderer Umgang Schramms, der Marx verdroß, war der mit dem Literat Sebastian Seiler, dem wir vor 1848 abwechselnd in Paris und Brüssel begegnet waren. Der Bamberger, an den Marx sich gelegentlich wegen Diskontierung von Wechseln wendet, war Finanzagent des famosen Ex-Herzogs Karl von Braunschweig, dem, ähnlich wie es gewissen Mitgliedern der Schwarzbrüderzunft ergeht, aus der Art, wie er sich bei seiner Verjagung aus Braunschweig die Krondiamanten „gerettet“ hatte, der Beiname Diamanten-Karl erwachsen war. Bamberger war indes nicht der Mann, für sich aus dem Herzog viel Geld herauszuschlagen; für einen Finanzmensch großen Stils war er zu stark von des Gedankens Blässe angekränkelt. In Artikeln des Marx feindlichen Literatentums der 50er und 60er Jahre stößt man unter anderem auch auf die Verdächtigung, daß Marx dem Diamanten-Karl politische Dienste geleistet und Bamberger den Vermittler dabei gemacht habe. Wenn es noch nötig wäre, so würden diese Briefe zeigen, wie sehr diese Verdächtigung selbst der scheinbaren Unterlage entbehrte.

Ein besonderes Interesse darf der Brief von Marx an Engels beanspruchen, der das Datum des 2. September 1853 trägt. Er reinigt Marx von einem Verdacht, der wiederholt und auch in jüngster Zeit wieder gegen ihn ausgestreut worden ist. Anhänger und Verehrer Michael Bakunins beschuldigen Marx, Bakunin gegenüber unehrliches Spiel getrieben zu haben, als er ihm im Jahre 1864 erklärte, an der im vorgenannten Brief behandelten Verdächtigung Bakunins als Regierungsagent durchaus unbeteiligt gewesen zu sein. Der Brief beweist, daß Marx in der Tat jener Anschuldigung durchaus fern stand. Wir erfahren ferner aus ihm, daß die im Jahre 1848 von der Neuen Rheinischen Zeitung gebrachte Meldung, Georges Sand habe Briefe, welche bewiesen, daß Bakunin Agent der russischen Regierung geworden sei, der Zeitung, außer von der Korrespondenz Havas, von Hermann Ewerbeck zur Veröffentlichung übersandt worden war, der zwar deutscher Sozialist, aber kein Mitglied des Kreises der engeren Freunde von Marx war. Spätere Briefe, so namentlich der Brief von Engels an Marx vom 27. November 1861 über Bakunins Flucht und der von Marx an Engels vom 4. November 1864 über des ersteren Zusammentreffen mit Bakunin, beweisen überzeugend, daß die beiden Freunde diesem bis zu der Zeit durchaus wohlgesinnt gegenüberstanden, wo Bakunin in der Internationale als Gegner des Londoner Generalrats auftrat. Den Urheber der Beschuldigung, von der der Brief vom 2. September 1853 handelt, nennt Marx im Brief an Engels vom 22. April 1854 „einen sehr stupiden Urquhartiten“. Der Mann hieß auch Marx, aber nicht Karl sondern Franz oder vielmehr Francis, denn er war Engländer, der mit Karl Marx nichts als den Familiennamen gemein hatte. Näheres über ihn findet man in N. Rjasanoffs Aufsatz Marx als Verleumder (Neue Zeit, XXIX, 1, S. 278 ff.).

Alles weitere aus den Briefen selbst. Wie im ersten Abschnitt, wechseln auch weiterhin Briefe von Marx an Engels und solche von Engels an Marx immer wieder der Zeitfolge nach einander ab. Einige dem Briefwechsel beigelegte Briefe von Frau Marx an Engels und von Engels an Frau Marx werden selbstverständlich wie Briefe von oder an Marx behandelt.

1850 bis 1853

1850

43

London, 19. November 1850.

Lieber Engels!

Ich schreibe Dir nur zwei Zeilen. Heute morgen um 10 Uhr ist unser kleiner Pulververschwörer Föxchen gestorben. Plötzlich, durch einen der Krämpfe, die er oft gehabt hatte. Einige Minuten vorher lachte und schäkerte er noch. Die Sache kam ganz unverhofft. Du kannst Dir denken, wie es hier aussieht. Durch Deine Abwesenheit sind wir gerade in diesem Moment sehr vereinsamt.

In meinem nächsten Briefe werde ich Dir einiges über Harney schreiben, woraus Du sehen wirst, in welcher fatalen Lage er sich befindet.

Dein K. Marx.

Wenn Du gerade in der Stimmung bist, schreibe einige Zeilen an meine Frau. Sie ist ganz außer sich.

44

London, 23. November 1850.

Lieber Engels!

Dein Brief hat meiner Frau sehr wohlgetan. Sie befindet sich in einer wirklich gefährlichen Aufgeregtheit und Angegriffenheit. Sie hatte das Kind selbst gestillt und unter den schwierigsten Verhältnissen mit den größten Opfern sich seine Existenz erkauft. Dazu der Gedanke, daß das arme Kind ein Opfer der bürgerlichen Misere gewesen ist. – – –

Jones hat mir die eigentliche Lage Harneys auseinandergesetzt. Er ist sous le coup de la justice.[1] Sein Blatt mußte dem ganzen Inhalt nach gestempelt sein. Die Regierung wartet nur eine große Verbreitung ab, um ihn zu fassen. Der Prozeß gegen Dickens ist bloß als Präzedenz gegen ihn eingeleitet. Wird er dann gefaßt, so kann er außer der eigentlichen Strafe zwanzig Jahre sitzen für die Unmöglichkeit, die security[2] aufzubringen.

Dein K. M.


[1] Unter dem Henkerbeil der Gerichte.

[2] Kaution.

45

[Manchester], 25. November 1850.

Lieber Marx!

Ich schreibe Dir heute, bloß um Dir anzuzeigen, daß es mir leider heute noch unmöglich ist, Dir die in meinem Letzten auf heute versprochenen 2 Pfund Sterling zu schicken. Ermen ist auf ein paar Tage verreist, und da kein Prokurist beim Bankier beglaubigt ist, so können wir keine Anweisungen ausstellen und müssen uns mit den paar kleinen Einzahlungen begnügen, die gelegentlich einkommen. Es sind im ganzen nur zirka 4 Pfund in der Kasse, und Du begreifst daher, daß ich etwas warten muß. Sobald Ermen zurückkommt, werde ich Dir das Geld sogleich schicken. Die erste Anweisung ist hoffentlich richtig eingegangen.

Die Geschichte mit Harney ist allerdings höchst fatal. Wenn sie ihn einmal fassen wollen, hilft auch das Namenändern des Blattes nichts. Ganz aufgeben kann er’s auch nicht, und wenn dies Blatt unter die Kategorie der Stempelpflichtigen fällt, so weiß ich nicht, wie es überhaupt möglich ist, ein ungestempeltes politisches Wochenblatt herauszugeben. Allerdings täte er besser, seinen Labour Record[1] von der achten Seite wegzulassen, das ist News [Nachricht] und unzweifelhaft stempelpflichtig. Aber nach dem, was Du schreibst, scheint auch der Inhalt seiner räsonnierenden Artikel, in Jones Meinung, dem Stempel zu verfallen. Und da hört alles auf.

Hoffentlich geht es Deiner Frau besser. Grüße sie und Deine ganze Familie herzlich von Deinem

F. E.

Im Lauf der Woche werde ich Deiner Frau eine Sendung von Cotton thread[2] zugehen lassen, von der ich hoffe, daß sie ihr gefallen wird.


[1] Chronik der Arbeiterbewegung.

[2] Baumwollnähgarn.

46

69 Deanstreet, Soho, London, 2. Dezember 1850.

Lieber Engels!

Ich war einige Tage ernstlich unwohl und so erhältst Du diesen Brief nebst Anzeige von dem Empfang der beiden Post Office Ordres später, als mein Wunsch war. Dem Seiler habe ich die 71/2 Schilling zukommen lassen. Was die [Nummern der] Indépendance betrifft, so schulden wir beide ihm einstweilen nichts, da er, zu gelegener Zeit, sich von seinem Wirte hat herauswerfen lassen und ihm als Kompensation für die 10 Pfund, die er ihm schuldet, nichts hinterlassen hat als die unbezahlte Indépendance, für 18 Pence Mobiliareigentum und zwei oder drei Bücher, die er von mir und anderen geborgt hat. Er besitzt wirklich in a high degree[1] das Talent, auf amerikanische Weise den Überschuß seiner Ausgaben über seine Einnahmen zu liquidieren.

Von unserer Revue habe ich noch nichts gesehen und gehört. Ich stehe mit Köln in Unterhandlung wegen Herausgabe der Quartalschrift.

Teils aus Unwohlsein, teils aus Absicht komme ich in den Pulteney stores mit den anderen nur noch an den offiziellen Tagen zusammen. Da die Herren so viel debattiert haben, ob diese Gesellschaft ennuyant ist oder nicht, überlasse ich es natürlich ihnen selbst, über die Komforts ihrer Unterhaltung sich wechselseitig zu verständigen. Mich aber mache ich rar. Wir haben beide die Erfahrung gemacht, daß man bei diesen Leuten in demselben Maße im Werte sinkt, als man sich ihnen liberal zuführt. Zudem bin ich sie müde und will meine Zeit möglichst produktiv ausnutzen. Freund Schramm, der seit mehreren Wochen den Malkontenten spielte und sich endlich überzeugt hat, wie man durchaus nicht geneigt ist, dem natürlichen Laufe seiner Gemütsstimmungen Hindernisse in den Weg zu legen, eignet sich nach und nach den mit dem Model-Lodging-house[2] verträglichen Humor wieder an.

Unterdessen haben die großen Männer der Great Windmillstreet[3] einen Triumph erlebt, wie folgt [wir geben das von Marx im französischen Texte mitgeteilte Manifest gleich in Übersetzung. D. H.]:

„An die Demokraten aller Nationen. Bürger! Verbannte Flüchtlinge in England und schon allein dadurch besser placiert, um die politischen Bewegungen des Festlandes zu beurteilen, haben wir alle Kombinationen der koalierten Mächte verfolgen und tätig überwachen können, die sich auf eine neue Besetzung Frankreichs rüsten, wo (sehr scheene!) die Kosaken des Nordens von ihren Mitverschworenen erwartet werden, um (noch einmal: erwartet, um) in seinem eigenen Heim (die Geburtsstätte von Barthélemy und Pottier) den Vulkan der Weltrevolution auszulöschen. Die Könige und die Aristokraten Europas haben begriffen, daß es Zeit sei, Dämme aufzuführen, um die Volksflut (hieße besser die Volksversumpfung) aufzuhalten, welche ihre wankenden Throne zu verschlingen droht. – Zahlreiche, in Rußland, in Österreich, in Preußen, in Bayern, in Hannover, in Württemberg, in Sachsen, kurz in allen Staaten Deutschlands aufgebotene Truppen sind bereits vereinigt. (Truppen ... sind bereits vereinigt!) In Italien bedrohen 130 000 Mann die schweizerische Grenze. Der Vorarlberg ist von 80 000 Mann besetzt. Der Oberrhein ist mit 80 000 Mann, Württemberger, Badenser und Preußen, besetzt, der Main von 80 000 Bayern und Österreichern bewacht. Während 370 000 Mann die von uns bezeichneten Punkte besetzt halten, hat Preußen 200 000 Soldaten mobil gemacht, die es bereit hält (sic!), gegen die Grenzen Belgiens und Frankreichs geworfen zu werden; Holland und Belgien werden durch die Koalitionen gezwungen, die Einmarschierungsbewegung mit einer 150 000 Mann starken Armee zu unterstützen. In Böhmen stehen 150 000 Mann bereit und warten nur auf Order, um sich mit der Mainarmee zu vereinigen, die dann 230 000 Mann stark sein würde. Um Wien herum sind 80 000 Mann konzentriert. 300 000 Russen lagern in Polen und 80 000 in der Umgebung St. Petersburgs. Diese Armeen bilden zusammen eine Heeresmacht von einer Million dreimalhunderttausend Kämpfern, die nur auf das Signal zum Angriff warten. Hinter jenen Truppen halten sich ferner bereit 180 000 Österreicher, 200 000 Preußen, 100 000 von den Kleinstaaten Deutschlands gestellte Mannschaften und 120 000 Russen, welche Armeen zusammen eine Reservetruppe bilden von 700 000 Mann, ohne die unzählbaren (sic!) Horden von Barbaren, welche der moskowitische Attila hervorbrechen lassen würde, um sie wie einst (!) auf die europäische Zivilisation zu werfen. Deutsche Blätter (wird nämlich in einer Note ein ... Satz aus der Neuen Deutschen Zeitung zitiert, um Lüning günstig zu stimmen) und unsere eigenen Ermittlungen lassen uns die geheimen Pläne der Mächte erkennen, deren Bevollmächtigte am vergangenen 25. Oktober in Warschau versammelt waren. Es wurde in der (!) Konferenz beschlossen, daß ein Scheinkrieg (Teufel, was für Diplomatie!) zwischen Preußen und Österreich als ein Vorwand dienen solle für die Bewegung der Soldaten, die der Wille des Zaren in blinde Werkzeuge und wilde Meuchelmörder gegen die Verteidiger der Freiheit verwandelt. (Bravo!) Im Angesicht dieser Tatsache ist kein Zweifel mehr möglich: man organisiert in diesem Augenblick die schon begonnene (!!) Niedermetzelung aller Republikaner. Die Tage des Juni 1848 mit ihren blutigen Hinrichtungen und den auf diese folgenden Ächtungen – die Verwüstung und Knechtung Ungarns durch Österreich –, die Auslieferung Italiens an den Papst und die Jesuiten nach der Erdrosselung der römischen Republik durch die Soldaten der französischen Regierung haben die Wut unserer Feinde nicht stillen können. Sie träumen von der Knechtung aller Völker, die für den Triumph der allgemeinen Freiheit kämpfen. Wenn die Demokratie nicht acht gibt, werden Polen, Ungarn, Deutschland, Italien und Frankreich bald wiederum dem Wüten der wilden Soldateska des Nikolas preisgegeben sein, der den Barbaren, um sie zum Kampfe anzustacheln, die Verwüstung und Ausplünderung Europas verspricht. – Gegenüber dieser Gefahr, die uns bedroht, auf, auf! ... französische, deutsche, italienische, polnische und ungarische Republikaner, erheben wir uns aus dieser Erstarrung (Pot Schapper und Willich!), die unsere Kräfte entnervt und unseren Unterdrücker den Sieg leicht macht. Auf! ... Lassen wir auf die Tage der Ruhe und jetzigen Schmach die Tage der Mühen und des Ruhmes folgen, die uns der heilige Krieg für die Freiheit vorbereitet! Wenn Ihr die Gefahren prüft, die wir Euch anzeigen, so werdet Ihr wie wir begreifen, daß es Wahnsinn wäre, länger den Angriff des gemeinsamen Feindes abzuwarten; wir müssen alles vorbereiten und der Gefahr, die uns umgibt, zuvorkommen. (Kommt einmal einer Gefahr zuvor, die Euch umgibt!) Bürger, Sozialdemokraten, unser Heil liegt nur bei uns selbst, wir dürfen nur auf unsere eigenen Kräfte rechnen, und aus den Beispielen der Vergangenheit belehrt, müssen wir uns gegen die Verrätereien im voraus waffnen. Vermeiden wir, vermeiden wir insbesondere die Falle, die uns von den Schlangen (!) der Diplomatie gestellt wird. Die Schüler der Metternich und Talleyrand sinnen in diesem Moment darauf, die Fackel der Revolution dadurch auszulöschen, daß sie Frankreich durch die Invasion, die sie vorbereiten, zu einem nationalen Kriege bewegen, in welchem die Völker zum Vorteil der Feinde ihrer Befreiung einander die Kehlen abschneiden würden! Nein, Bürger! Kein Nationalkrieg mehr! Die Schlagbäume, welche die Despoten zwischen den Nationen, die sie unter sich geteilt, errichtet hatten, werden fortan für uns niedergerissen sein, und die in eins verschmolzenen Völker haben nur noch eine Fahne, auf welche wir mit dem fruchtbaren Blut unserer Märtyrer geschrieben haben: ‚Universelle demokratische und soziale Republik!‘ Für ihre Vereine: Die Mitglieder des Komitees der geächteten französischen Sozialdemokraten in London: Adam (Combreur), Barthélemy (Emml), Caperon (Paulin), Favon, Gouté, Thierry, Vidil (Jules). Die Delegierten der ständigen Kommission der Sektion der polnischen Demokratie in London: Sawaszkiewicz, Waßkowski. Die Mitglieder des sozialdemokratischen Komitees deutscher Flüchtlinge und des Deutschen Arbeitervereins: Dietz (Oswald), Gebert (A.), Mayer (Adolf), Schärttner (A.), Schapper (Karl), Willich (August). Die Delegierten des Ungarischen Demokratischen Vereins in London: Molihary, Simonyi. London, den 16. November 1850.“

Als ich das Manifest [Ledru-]Rollin, Mazzini, Ruge usw. an die Deutschen gelesen hatte, worin man sie auffordert, das Bardiet zu singen, [und] sie erinnert, daß ihre Vorfahren „Franken“ hießen, und worin der König von Preußen schon abgemacht hatte, sich von Österreich klopfen zu lassen, glaubte ich, etwas Dümmeres sei unmöglich. Mais non![4] Kommt das Manifest Ganon Caperon Gouté, wie die Patrie es nennt, der dii minorum gentium,[5] mit demselben Inhalt, wie sie richtig bemerkt, aber ohne Chic, ohne Stil, mit den armseligsten Rednerblumen von serpents[6] und sicaires[7] und égorgements![8] Die Indépendance erzählt, indem sie einige Sätze aus diesem Meisterwerk mitteilt, es sei von den soldats les plus obscurs de la Démocratie[9] abgefaßt, und diese armen Teufel hätten es ihrem Korrespondenten in London zugeschickt, obgleich sie konservativ sei. So sehr sehnten sie sich nach dem Drucke. Sie nennt zur Strafe keinen Namen, wie die Patrie nur die obigen drei nennt. Zur Erfüllung der Mission geben sie von hier einem Straubinger (selbiges Subjekt hat die klägliche Geschichte gestern dem Pfänder erzählt) 50 Exemplare nach Frankreich mit. Kurz vor Boulogne schmeißt er 49 Stück ins Meer, in Boulogne wird Bruder Straubinger wegen mangelnden Passes zurückgeschickt nach London und erzählt, „daß er jetzt nach Boston gehe“.

Lebe wohl und schreibe umgehend

Deinem K. M.

Apropos. Schreibe doch einmal dem würdigen Dronke, daß er in Bundesangelegenheiten antwortet und nicht nur im Falle von Tretbriefen schreibt. Die Herren Kölner haben noch nichts hören lassen. Weydemeyer nennt „Haude“, der sein ganzes Fell in Deutschland eingebüßt hat und wieder hier ist, einen „sonst wackeren Burschen“.

Du mußt ernsthaft nachdenken, worüber Du schreiben willst. England geht nicht, da schon zwei Themata darüber, vielleicht drei mit Eccarius. Über Frankreich ist auch nicht viel zu sagen. Könntest Du nicht vielleicht, an Mazzinis neueste Sachen anknüpfend, die biederen Italiener samt ihrer Revolution einmal packen? (Sein „Republik und Monarchie usw.“ nebst seiner „Religion, der Papst usw.“)

[Anschrift von Frau Marx.]

Lieber Engels!

Ihre freundliche Teilnahme an dem Schicksal, das uns in dem Verlust unseres kleinen Lieblings, meines armen kleinen Schmerzenskindes, so schwer getroffen, hat mir sehr wohlgetan, um so mehr, als ich mich in den letzten schmerzlichen Tagen recht bitter über unseren Freund S[chramm] zu beklagen hatte. Mein Mann und wir alle haben Sie sehr vermißt und uns oft nach Ihnen gesehnt. Dennoch freue ich mich sehr, daß Sie hier fort und auf dem besten Wege sind, ein großer Cotton-lord[10] zu werden. Keilen Sie sich nur recht fest ein zwischen die zwei feindlichen Brüder; dieser Kampf bringt Sie notwendig Ihrem verehrten Herrn Papa gegenüber in die Position der Unentbehrlichkeit, und ich sehe Sie schon im Geiste als Frederic Engels junior und Associé des Senior figurieren. Das Beste dabei ist, daß Sie trotz Cottontrade[11] und alledem der alte Fritze bleiben und sich, um mit den drei Erzdemokraten Friedrich Wilhelm [dem Vierten], Kinkel und Mazzini zu reden, „der heiligen Sache der Freiheit“ nicht entfremden werden .... Gestern abend waren wir in der ersten Vorlesung von Ernest Jones über die päpstliche Geschichte. Sein Vortrag war wunderschön und für die Engländer avanciert; für uns Deutsche, die wir durch Hegel, Feuerbach usw. Spießruten gelaufen sind, nicht ganz à la hauteur.[12] Der arme Harney war lebensgefährlich krank an einem Geschwür an der Luftröhre. Er darf noch nicht sprechen. Ein englischer Arzt hat zweimal geschnitten und die wehe Stelle nicht getroffen. Sein Red [Republican][13] ist umgewandelt in den Friend of the People.[14] Doch nun für heute genug. Die Kinder plaudern sehr viel vom Onkel Angels, und der kleine Till singt ganz famos nach Ihrer verehrten Instruktion, lieber Herr Engels, das Lied vom „Knotenpelz und von dem flotten Besen“.

Weihnachten sehen wir Sie hoffentlich.

Ihre Jenny Marx.


[1] In hohem Grade.

[2] Wörtlich: Muster-Logierhaus, tatsächlich Name erbärmlicher Mietkasernen.

[3] In der Great Windmillstreet (Straße in London) befand sich der öffentliche, damals zu Willich-Schapper haltende kommunistische Arbeiterverein.

[4] Aber nein!

[5] Götter der niederen Gattung.

[6] Schlangen.

[7] Meuchelmörder.

[8] Kehlabschneidereien.

[9] Unbedeutendsten Soldaten der Demokratie.

[10] Baumwollbaron.

[11] Baumwollhandel.

[12] Auf der Höhe.

[13] Roter [Republikaner].

[14] Volksfreund.

47

Manchester, 17. Dezember 1850.

Lieber Marx!

Ich bin die letzte Zeit ausnahmsweise sehr beschäftigt gewesen und habe andere Störungen gehabt, die mich aus meinem gewöhnlichen Lebenssystem herausrissen und mich am Schreiben verhinderten. Daher meine späte Antwort.

Das Manifest Ganon Caperon Gouté ist wirklich ein Meisterstück nach Inhalt und Form. Die crânerie[1] hat ihren vollendeten Ausdruck erreicht, und Monsieur Barthélemy hat der Welt endlich einmal ein Exempel davon gegeben, ce que c’est que de parler carrément.[2] Die militärische Aufstellung des homme de marbre[3] ist ebenso heiter: der bonhomme[4] hat die meisten Corps der österreichischen Armee zweimal gezählt, wie die oberflächlichste reference[5] zu den Zeitungen beweist. Übrigens geht die Unverschämtheit doch zu weit, nach all den Blamagen seit 1848 und bei der gegenwärtigen gemütlichen Stimmung aller Nationen, obenan der crapauds, von einer marée populaire zu sprechen, qui menace d’engloutir des trônes.[6] Die Versammlung von Namen, die darunter steht, ist freilich die schönste feature[7] des Ganzen. Solch ein europäischer Kongreß ist noch nie gesehen worden. Ledru-Rollin, Mazzini und Komp. erhalten ordentlich eine gewisse Wichtigkeit durch diese Kinderei. Übrigens möchte ich wissen, worin sich der Waschlappen Sawaßkiewicz, der darunter steht, von dem Polacken des Ledru-Rollin, Darasz, unterscheidet, und inwiefern die beiden Ungarn, die darunter stehen, dem Mazzini vorzuziehen sind. Schapper und Ruge stehen sich freilich ziemlich gleich, und falls nicht Dietz ein schweres Gewicht zugunsten des neuen europäischen Komitees in die Wagschale legt, so werden die Herren die Konkurrenz mit ihrem Original schwerlich bestehen können.

Neulich war ich bei John Watts, der Kerl scheint gut zu mogeln, er hat jetzt einen viel größeren shop [Laden] in Deansgate, etwas höher hinauf. Er ist vollständiger radikaler Spießbürger geworden, kümmert sich um nichts als das educational movement,[8] schwärmt für moral force[9] und hat Herrn Proudhon zu seinem Herrn und Meister akzeptiert. Er hat die Contradictions économiques[10] und anderes Zeug übersetzt und viel Geld daran verloren, da die englischen Arbeiter noch nicht „Erziehung“ genug haben, um diese famosen Sachen zu verstehen. Er erzählte mir verschiedene Exempel, aus denen hervorgeht, daß er sehr gut versteht, seinen Schneidercommerce vermittels Affichierung seines bürgerlichen Liberalismus zu poussieren. In den Educational Committees[11] sitzt er mit seinen ehemaligen wütenden Gegnern, den Dissenterpfaffen, brüderlich zusammen und läßt sich von Zeit zu Zeit Banknoten von ihnen geben for the very able address he delivered on that evening.[12] Der Kerl scheint mir in dieser Metamorphose allen Witz verloren zu haben; ich bin seitdem noch nicht wieder bei ihm gewesen. Für Leute, die derartige Wandlungen in die bürgerliche Solidität durchmachen, ist natürlich Proudhon hierzulande ein gefundenes Fressen; scheinbar am weitesten gehend, weiter als Owen, ist er doch fully respectable.[13]

Ich habe nichts dagegen, über Herrn Mazzini und die italienische Geschichte zu schreiben. Mir fehlen nur außer dem Ding im Red [Republican] alle Mazzinischen Schriften. Vor Weihnacht komme ich indes doch zu nichts, da ich in acht Tagen doch in London bin. Ich werde mir dann das Nötige mitnehmen. Vielleicht fällt uns bis dahin auch sonst noch was ein.

Deiner Frau meinen besten Dank für ihre freundlichen Zeilen. Mit dem Cotton-lord ist’s so arg nicht, mein Herr Alter scheint gar nicht so geneigt zu sein, mich länger hier zu halten, als absolut nötig ist. Cependant nous verrons.[14] An Dronke ist geschrieben.

Grüße Deine Frau und Kinder.

Dein F. E.


[1] Prahlerei.

[2] Was gradeheraus reden heißt.

[3] Mann von Marmor beziehungsweise Erz.

[4] Guter Mann [im Sinne von Faselhans].

[5] Das Nachschlagen beziehungsweise Nachlesen.

[6] Crapauds = Kröten, hier: die französischen Schreier. Marée populaire = Flutwelle der Volksmasse. Qui menace etc. = die die Throne zu verschlingen droht.

[7] Eigenschaft, Charakterzug.

[8] Unterrichtsbewegung.

[9] Moralische Gewalt.

[10] Ökonomische Widersprüche [Titel von Proudhons erstem größeren Werk].

[11] Komitees für das Unterrichtswesen.

[12] Für den sehr tüchtigen Vortrag, den er an jenem Abend gehalten.

[13] Durchaus respektabel.

[14] Indes werden wir sehen.

1851

48

6. Januar 1851.

Lieber Engels!

Du wirst mich sehr verpflichten, s’il est possible,[1] das Geld umgehend zu schicken. Meine Wirtin ist very poor;[2] sie ist jetzt die zweite Woche nicht bezahlt und tritt mit schrecklicher Energie.

Gestern in der Kreissitzung erschien Wolff; nicht aber Liebknecht und Schramm. Die neuen Statuten angenommen, habe ich das Ding aufs Unbestimmte vertagt.

Dein K. M.

Unsere Revue wird wahrscheinlich in der Schweiz neu erscheinen. Arbeite also something,[3] damit ich das Manuskript im Notfall ready[4] habe.


[1] Wenn es möglich ist.

[2] Sehr arm.

[3] Etwas.

[4] Fertig.

49

London, 7. Januar 1851.

Lieber Engels!

Ich schreibe Dir heute, um Dir eine questiuncula theoretica[1] vorzulegen, natürlich naturae politico-economicae.[2]

Du weißt, um ab ovo[3] zu beginnen, daß nach der Ricardoschen Theorie der Rente sie nichts anderes ist, als der Unterschied zwischen den Produktionskosten und dem Preise des Bodenproduktes, oder wie er das auch ausdrückt, der Unterschied des Preises, wozu das schlechteste Land verkaufen muß, um seine Kosten herauszubringen (immer den Profit und Zinsen des Pächters eingerechnet in die Kosten), und wozu das beste Land verkaufen kann. Das Steigen der Rente beweist nach ihm, wie er selbst seine Theorie auslegt:

1. Es wird zu immer schlechteren Erdarten Zuflucht genommen, oder dasselbe Quantum Kapital, sukzessive auf denselben Boden angewandt, bringt nicht dasselbe Produkt. Mit einem Worte: die Erde verschlechtert sich in demselben Maße, als die Bevölkerung ihr mehr abverlangen muß. Sie wird relativ unfruchtbarer. Worin dann Malthus den realen Boden seiner Populationstheorie gefunden hat und worin seine Schüler jetzt ihren letzten Notanker suchen.

2. Die Rente kann nur steigen, wenn der Getreidepreis steigt (wenigstens ökonomisch legal); sie muß fallen, wenn er fällt.

3. Wenn das Rental eines ganzen Landes steigt, so ist dies nur erklärlich dadurch, daß eine sehr große Masse relativ schlechteren Bodens in Bebauung gesetzt worden ist.

Diesen drei Propositions[4] widerspricht nun überall die Geschichte.

1. Kein Zweifel, daß immer schlechtere Erdarten in Bebauung gesetzt werden mit dem Fortschritt der Zivilisation. Aber ebensowenig Zweifel, daß diese schlechteren Erdarten relativ gut sind gegen die früher guten, infolge des Fortschritts der Wissenschaft und Industrie.

2. Seit 1815 ist der Getreidepreis von 90 auf 50 Schilling gefallen und darunter – vor der Abschaffung der Korngesetze, unregelmäßig aber beständig. Die Rente ist beständig gestiegen. So in England. Mutatis mutandis überall auf dem Kontinent.

3. In allen Ländern finden wir, wie schon Petty bemerkte, daß, wenn der Preis des Getreides abnahm, das Gesamtrental des Landes stieg.

Die Hauptsache bei alledem bleibt, das Gesetz der Rente mit dem Fortschritt der Fruchtbarkeit der Agrikultur im allgemeinen auszugleichen, wodurch einmal die historischen Tatsachen allein erklärt werden können, andererseits die Malthussche Verschlechterungstheorie nicht nur der Hände, sondern auch der Erde allein beseitigt wird.

Ich glaube, daß die Sache einfach zu erklären ist wie folgt.

Gesetzt, in einem gegebenen Zustand der Agrikultur sei der Preis des Quarter Weizens 7 Schilling und ein Acre Land der besten Qualität, das eine Rente von 10 Schilling zahlt, produziere 20 Bushel.[5] Der Ertrag des Acre also = 20 × 7 oder = 140 Schilling. Die Produktionskosten betragen in diesem Falle 130 Schilling. 130 Schilling ist also der Preis des Produktes des schlechtesten in Bebauung gesetzten Landes.

Gesetzt, es trete nun eine allgemeine Verbesserung der Agrikultur ein. Setzen wir diese voraus, so nehmen wir an, gleichzeitig, daß Wissenschaft, Industrie und Bevölkerung im Zunehmen begriffen sind. Eine durch Verbesserung allgemein vermehrte Fruchtbarkeit des Bodens setzt diese Bedingungen voraus, im Unterschied der bloß vom Zufall einer günstigen Jahreszeit hervorgebrachten Fruchtbarkeit.

Der Weizenpreis falle von 7 auf 5 Schilling per Quarter. Das beste Land, Nr. 1, das früher 20 Bushel hervorbrachte, bringe nun 30 Bushel hervor. Bringt also jetzt ein, statt 20 × 7 oder 140 Schilling, 30 × 5 oder 150 Schilling. Das heißt eine Rente von 20 Schilling statt früher von 10. Der schlechteste Boden, der keine Rente trägt, muß produzieren 26 Bushel, denn nach unserer obigen Annahme ist der notwendige Preis desselben 130 Schilling und 26 × 5 = 130. Ist die Verbesserung nicht so allgemein, das heißt der allgemeine Fortschritt der Wissenschaft, der mit dem Gesamtfortschritt der Gesellschaft, Population usw. Hand in Hand geht, daß der schlechteste Boden, der in Bebauung gesetzt werden muß, 26 Bushel hervorbringen kann, so kann der Getreidepreis nicht auf 5 Schilling per Quarter fallen.

Die 20 Schilling Rente drücken nach wie vor den Unterschied zwischen den Produktionskosten und dem Getreidepreis auf dem besten Boden oder zwischen den Produktionskosten des schlechtesten und denen des besten Bodens aus. Relativ bleibt das eine Land immer ebenso unfruchtbar gegen das andere wie vorher. Aber die allgemeine Fruchtbarkeit hat sich gehoben.

Vorausgesetzt wird nur, daß, wenn der Getreidepreis von 7 auf 5 Schilling fällt, die Konsumtion in demselben Maße zunimmt, [das heißt] die Nachfrage, oder daß die Produktivität nicht die Nachfrage übersteigt, die zu dem Preise von 5 Schilling erwartet werden kann. So sehr diese Voraussetzung falsch wäre, wenn der Preis von 7 auf 5 Schilling gefallen wäre durch einen ausnahmsweise üppigen Herbst, so notwendig ist sie bei einer graduellen und durch die Produzenten selbst bewirkten Steigerung der Fruchtbarkeit. In allen Fällen handelt es sich hier nur um die ökonomische Möglichkeit dieser Hypothese.

Es folgt hieraus:

1. Die Rente kann steigen, obgleich der Preis des Bodenproduktes fällt, und doch bleibt Ricardos Gesetz richtig.

2. Das Gesetz der Rente, wie Ricardo es in einfachster These, abgesehen von seiner Ausführung, hinstellt, setzt nicht die abnehmende Fruchtbarkeit des Bodens voraus, sondern nur, trotz der mit der Entwicklung der Gesellschaft allgemein zunehmenden Fruchtbarkeit des Bodens, verschiedene Fruchtbarkeit der Ländereien oder verschiedenes Resultat des sukzessiv auf demselben Boden angewandten Kapitals.

3. Je allgemeiner die Verbesserung des Bodens ist, desto mehr Sorten von Ländereien wird sie umfassen, und das Rental des ganzen Landes kann steigen, obgleich der Getreidepreis im allgemeinen sinkt. Gesetzt zum Beispiel das obige Beispiel, so kommt es nur darauf an, wie groß die Anzahl der Ländereien ist, die mehr als 26 Bushel zu 5 Schilling produzieren, ohne gerade deren 30 produzieren zu müssen, das heißt um wie mannigfaltiger die Qualität des Landes ist, das zwischen dem besten und dem schlechtesten liegt. Es geht dies die ratio[6] der Rente des besten Landes nichts an. Es geht überhaupt die ratio der Rente nicht direkt an.

Du weißt, daß der Hauptwitz bei der Rente der ist, daß sie erzeugt ist durch die Ausgleichung des Preises für die Resultate verschiedener Produktionskosten, daß aber dies Gesetz des Marktpreises nichts als ein Gesetz der bürgerlichen Konkurrenz ist. Indessen bliebe, selbst nach Abschaffung der bürgerlichen Produktion, der Haken, daß die Erde relativ unfruchtbarer würde, daß mit derselben Arbeit weniger sukzessiv geschaffen würde, obgleich nicht mehr, wie im bürgerlichen Regime, der beste Boden so teures Produkt lieferte wie der schlechteste. Dieses Bedenken fiele mit dem Obigen fort.

Ich bitte Dich um Deine Ansicht über die Sache.

Weil ich Dich mit dieser Sauce gelangweilt, schicke ich Dir zur Erheiterung folgendes Pack Briefe von Dr. Magnus Groß (doppelt großer Groß! Allergrößter Groß!) aus Cincinnati. Du wirst finden, daß, wenn Monsieur Groß nicht grand,[7] er jedenfalls gros[8] ist. Tellering II. in nuce.[9] Gleichen sich doch alle Koblenzer. Schicke mir die Sache zurück, und wenn Du willst und Zeit und Lust hast, mit einer Zeile für Dronke.

Dein K. M.


[1] Kleine theoretische Frage.

[2] Politisch-ökonomischer Natur.

[3] Vom Ei an.

[4] Sätze.

[5] Buschel = englischer Scheffel, der 36,3 Liter faßt.

[6] Hier: Höhe, Satz.

[7] Groß.

[8] Ungeschlacht [unübersetzbares Wortspiel in bezug auf den Namen Groß].

[9] In der Nußschale [das heißt: zusammengefaßt].

50

Manchester, 8. Januar 1851.

Lieber Marx!

Inliegend Post Office Ordre[1] für ein Pfund, die Particulars wie früher. Mein Käufer – unser Kommis – scheint in der letzten Zeit viel ausgegeben zu haben und nicht zu viel Geld auf einmal von der Firma nehmen zu wollen. Er will nicht recht eingehen – ich presse ihn nicht zu viel, cela se conçoit.[2] Ich selbst bin durch unsere Londoner Reiseexpensen sehr stark in Auslagen geraten, sonst würde ich Dir mit Vergnügen den ganzen Betrag schicken; so muß ich mich für heute darauf beschränken, die Pflicht eines gewöhnlichen Warenempfängers zu erfüllen und Dir ein Halb des Wertes auf Abschlag zuschicken. Die andere Hälfte erfolgt spätestens in den ersten Tagen des Februar, vielleicht früher, sobald nämlich ein Brief der Firma an meinen Alten, der die an mich gemachten Zahlungen enthält, abgegangen sein wird.

[Ernest] Jones war hier und trat seinen Feinden in public meeting[3] in ihrem eigenen Lokal entgegen. Leach und Donovan opponierten ihm. Die Debatte war nicht ganz, was ich erwartete. Kleine Kriegslisten auf beiden Seiten, viel chronique scandaleuse,[4] die über manche Londoner Annehmlichkeiten tröstete. Auf Jones’ Seite die Überlegenheit des deklamatorischen Talents. Leach dagegen enorm impertubabel, aber stellenweise greulich absurd. Donovan eine kommune intrigierende Lokalgröße. Jones war übrigens durch die Neue Rheinische Zeitung und meine Anwesenheit gezwungen, sich als red republican[5] und Anhänger der Nationalisation of landed property[6] zu erklären, wogegen Leach als vollständiger Vertreter der cooperative societies[7] auftrat, und zwar auch insofern sie die politische Agitation repudiieren.[8] Diese Gesellschaften scheinen übrigens jetzt in Lancashire sehr zahlreich zu sein, und Jones und seine Freunde fürchten, daß sie bei irgend einer Allianz zwischen ihnen und den Chartisten das Chartist Movement in ihre Hände bekommen würden. Dieser Umstand erklärt manche der Konzessionen, die Harney ihnen zu machen für gut hielt.

Der Erfolg von Jones’ Auftreten hier war alles, was zu erwarten stand; er schlug als Punkt der Entscheidung zwischen ihm und dem Manchester Chartist Council die Frage der Anerkennung der Exekutive in London vor. Die Stimmen waren gleich geteilt, obwohl Leach und Komp. zirka drei Stunden Zeit gehabt hatten, ihre Leute ins Meeting zu bringen und eine gehörige Masse gekommen war. Am Anfang, wo die Gesellschaft eine rein zufällige war (Leach hatte kalkuliert, daß Jones nicht vor 9 Uhr da sein könne, er war aber schon um 8 da, was Leach ihm sehr übelnahm), wurde Jones enthusiastisch empfangen.

Jones in Gesellschaft von Chartisten, die er gewinnen oder sich mehr attachieren will, ist keineswegs so naiv, als wenn er unter uns ist. He is very wide awake.[9] Vielleicht etwas zu sehr – unsereins wenigstens „merkt die Absicht“.

Von Harneys Freunden hier ist der eine ein langweiliger Schotte mit unendlichen Gefühlen und daher endlosen Reden, der zweite ein kleiner, resoluter und auffahrender Bursche, über dessen intellektuelle Kapazitäten ich noch nicht im klaren bin; ein dritter, von dem Harney mir nicht sprach, Robertson, scheint mir bei weitem der Verständigste zu sein. Ich werde sehen, daß ich mit den Kerls einen kleinen Klub oder regelmäßige Zusammenkunft organisiere und mit ihnen das Manifest diskutiere. Harney und Jones haben hier eine Masse Freunde, und O’Connor eine Masse versteckter Feinde, aber ehe er nicht einen Akt großartiger öffentlicher Blamage begangen hat, wird er – offiziell – hier nicht zu stürzen sein. Jones sprach übrigens von ihm und Reynolds im Meeting mit möglichst wenig Respekt.

Eine gute Nachricht, die mich betrifft, teilte mir mein Schwager dieser Tage mit: mein proponierter amerikanischer Associé war in London, und nach einer Unterhaltung zwischen beiden stellte sich heraus, daß ich nicht der Mann bin, der in seinem Geschäft brauchbar ist. Amerika ist also auf unbestimmte Zeit vertagt, da sich jetzt ohne meine Einwilligung kein neues Projekt formieren kann.

Grüße Deine Frau und Kinder bestens.

Dein F. E.


[1] Postanweisung [deren Betrag sich der Empfänger der Anweisung von der Post abholen mußte und nur gegen Nennung des Auftraggebers erhielt. Hierauf bezieht sich das Wort Particulars = Einzelheiten].

[2] Das ist zu verstehen.

[3] Öffentliche Versammlung.

[4] Skandalchronik, Klatsch.

[5] Roter Republikaner.

[6] Des Bodeneigentums.

[7] [Konsum-]Genossenschaft.

[8] Von sich abweisen.

[9] Er paßt sehr auf [kennt sich sehr aus].

51

22. Januar 1851.

Lieber Engels!

Du bist taciturne comme la mort.[1]

Ich habe noch keine Nachricht, weder von Schabelitz, der die Fortsetzung unserer Revue übernehmen wollte, noch von Becker, der die Herausgabe meiner Aufsätze besorgen wollte. Bei Herrn Schuberth haben alle meine Schritte bisher nichts genützt. Wenn Haupt einen Advokaten finden kann, der die Sache übernimmt, so wird er prozessualisch gegen ihn verfahren.

Was macht Mary und Lizzy? Und vor allem, was machst Du? Harney war einen Abend hier bei mir mit Pieper, Eccarius usw. und sehr fidel, bis seine „teure Gattin“ ihn halb gewaltsam, halb zog sie ihn, halb sank er hin, von hier wegbrachte.

Dein K. M.


[1] Schweigsam wie der Tod.

52

Mittwoch abend, 29. Januar [1851].

Lieber Marx!

Dein Schweigen und Dein Verwundern über mein Schweigen wird mir allerdings plötzlich erklärlich, nachdem meine alte Hexe von Hauswirtin mir heute, after some sharp cross examination,[1] aus einem Haufen Bücher in meinem Zimmer Deinen Brief vom 7. ds. herausgesucht hat, wo er seit dem 8. Januar ruhig schlummerte. Ich war nämlich die Nacht nicht zu Hause gewesen, und die Person hatte den Brief einfach auf die Bücher gelegt; nachher beim Aufräumen legte sie in der Eile ein anderes Buch obendrauf, und da dieser Haufen Bücher die ganze Zeit unangerührt blieb, so hätte ohne Deine Anzeige der Brief dort bis zum jüngsten Tage schlummern können. Hätte ich in diesem Monat statt Physiologie Russisch getrieben, so wäre das nicht vorgekommen.

Jedenfalls ist Deine neue Geschichte mit der Grundrente vollständig richtig. Die mit der Bevölkerung immer steigende Unfruchtbarkeit des Bodens bei Ricardo hat mir nie einleuchten wollen, und auch für seinen immer steigenden Getreidepreis habe ich nie die Belege finden können, aber bei meiner bekannten Trägheit en fait de théorie[2] habe ich mich bei dem inneren Knurren meines besseren Ich beruhigt und bin der Sache nie auf den Grund gegangen. Es ist außer Zweifel, daß Deine Lösung die richtige ist, und Du hast Dir so einen neuen Titel auf den Titel des Ökonomen der Grundrente erworben. Gäbe es noch Recht und Gerechtigkeit auf Erden, so würde die Gesamtgrundrente wenigstens für ein Jahr jetzt Dir gehören, und das wäre noch das wenigste, worauf Du Anspruch machen könntest.

Es hat mir nie in den Kopf gewollt, daß Ricardo in seinem einfachen Satz die Grundrente als Differenz der Produktivität der verschiedenen Bodengattungen hinstellt und im Beweis dieses Satzes 1. kein anderes Moment kennt als die Hereinbringung stets schlechterer Erdarten, 2. die Fortschritte der Agrikultur vollständig ignoriert und 3. die Hereinbringung der schlechteren Erdarten schließlich fast ganz fallen läßt und dafür stets mit der Behauptung operiert, daß das Kapital, das sukzessive auf ein bestimmtes Feld verwandt wird, immer weniger zur Vermehrung des Ertrags beitrage. So einleuchtend der zu beweisende Satz war, so fremd waren die im Beweis angeführten Motive diesem selben Satze, und Du wirst Dich erinnern, daß ich schon in den Deutsch-französischen Jahrbüchern gegenüber der Theorie der steigenden Unfruchtbarkeit auf die Fortschritte der wissenschaftlichen Agrikultur provozierte – natürlich sehr crude[3] und ohne alle zusammenhängende Durchführung. Du hast jetzt die Sache ins Reine gebracht, und das ist ein Grund mehr, weshalb Du eilen solltest mit der Vollendung und Publizierung der Ökonomie. Wenn man einen Artikel von Dir über die Grundrente überhaupt in eine englische Review bringen könnte, das würde enormes Aufsehen machen. Denk darüber nach, je me charge de la traduction.[4]

Inliegend Herr Groß-Groß zurück. Ich werde Dir nächstens ein paar Zeilen für den süßen Dronke schicken, heute abend bin ich zu schläfrig, noch weitere Arbeiten zu übernehmen. Eine schöne Bande Lumpaci, Groß, Wilhelmi und der Fortschrittspamphletär von Cincinnati! Die Kerle müssen wirklich glauben, man pfiffe physisch, moralisch und intellektuell auf dem letzten Loch, um einem solche Zumutungen zu machen. C’est amusant, cependant,[5] und ich habe redlich gelacht über diese hinterwäldlerischen Gesellschaftsretter und ihre Anerbietungen, mit Honorar für Dronke. Das „spitz und gesalzen“ des Dr. Siegfried Weiß ist outdone[6] durch das „Rot, pikant, sarkastisch und mehrseitig“ des „Adonis einer längst vergessenen Schönen“. Que Dieu le bénisse![7]

Die hiesige O’Connor-Konferenz ist auf reinen Humbug hinausgelaufen. Sie besteht, die angebliche Repräsentation des gesamten englischen Chartismus, aus acht Mann, die vier Städte repräsentieren: Manchester, Bradford, Warrington und Sowerby. Davon sind Warrington und Bradford in der Opposition und mit der Exekutive einverstanden. Mantle, der Warrington repräsentiert, treibt den größten Spott mit der Majorität, eröffnete die proceedings[8] mit der Motion, daß die Konferenz, seeing their utter insignificance and contemptibility,[9] beschließen solle, sofort nach Hause zu gehen, und wird ihnen morgen ein Vertrauensvotum für die Exekutive, also für Harney und Jones, abnötigen, für das O’Connor auch stimmen muß. Bei der Frage: ob man sich den financial reformers anschließen solle, stimmten 3 für und 2 gegen, 3 enthielten sich, unter ihnen O’Connor, den Mantle durch freches Auftreten leider intimidiert hatte; der Kerl hätte sonst dafür gestimmt und sich kolossal und unrettbar blamiert. Die Majorität der Konferenz sind O’Connor, Leach, Mac Grath, Clark und ein gewisser Hurst. Herr Thomas Clark brachte bei einem für O’Connor am Montag gegebenen Diner folgenden Toast aus. The queen: her rights and no more; the people: their rights and no less.[10] Mantle, ein petillanter,[11] undiplomatischer Hitzkopf verhinderte auch hier O’Connor, für den Toast aufzustehen und ihn zu trinken.

Der Brief an Weerth ist fort und wird in ein paar Tagen in seinen Händen sein müssen, wenn er nicht gar zu tief in Marokko sitzt.

„Ohne Mehreres für heute.“

Dein F. E.


[1] Nach etlichem scharfen Kreuzverhör.

[2] In bezug auf die Theorie.

[3] Roh, unbearbeitet.

[4] Ich nehme das Übersetzen auf mich.

[5] Es ist jedoch erheiternd.

[6] Übertroffen.

[7] Gott segne ihn.

[8] Verhandlungen.

[9] Da sie ihre äußerste Unbedeutendheit und Verächtlichkeit ersieht.

[10] Die Königin: ihre Rechte und nicht mehr; das Volk: seine Rechte und nicht weniger.

[11] Übersprudelnder.

53

3. Februar 1851.

Lieber Engels!

Studierst Du Physiologie an der Mary oder anderswo?

Einstweilen hat mir meine neue Rententheorie nur das brave Bewußtsein eingebracht, wonach jeder Biedermann notwendig strebt. Indes bin ich jedenfalls zufrieden, daß Du damit zufrieden bist. Das umgekehrte Verhältnis der Fruchtbarkeit der Erde zu der menschlichen Fruchtbarkeit mußte einen Familienvater wie mich tief affizieren, um so mehr, da mon mariage est plus productif que mon industrie.[1]

Jetzt lege ich Dir nur eine Illustration zur Currencytheorie[2] vor, deren Studium bei mir von Hegelianern als Studium des „Andersseins“, des „Fremden“, kurz des „Heiligen“ charakterisiert werden dürfte.

Die Theorie des Herrn Loyd und tutti frutti[3] von Ricardo an besteht in folgendem:

Gesetzt, wir hätten eine rein metallische Currency. Wäre sie zu voll hier, so würden die Preise steigen, also der Export von Waren abnehmen. Ihr Import vom Ausland hierhin würde zunehmen. Die Imports über die Exports würden so steigen. Also ungünstige Handelsbilanz. Ungünstiger Wechselkurs. Klingende Münze würde ausgeführt werden, die Currency würde sich zusammenziehen, die Preise der Ware würden fallen, die Imports abnehmen, Geld wieder herfließen, kurz, die Situation in das alte Gleichgewicht kommen.

Beim umgekehrten Falle ebenso, mutatis mutandis.[4]

Moral davon: Da das Papiergeld die Bewegungen der metallischen Currency[5] nachahmen muß, da hier eine künstliche Regulation an die Stelle dessen treten muß, was im anderen Falle natürliches Gesetz ist, muß die Bank of England ihre Papier-[Noten-]Ausgaben vermehren, wenn das Bullion[6] einströmt (zum Beispiel durch Ankauf von government securities,[7] Exchequer bills[8] usw.), und vermindern, wenn das Bullion abnimmt, durch Verminderung ihrer Diskontos oder Verkauf von Regierungspapieren. Ich behaupte nun, daß die Bank umgekehrt handeln muß, ihre Diskonten vermehren, wenn das Bullion abnimmt, und sie ihren gewöhnlichen Gang gehen muß, wenn es zunimmt. Unter Strafe, die Handelskrise, die im Anzug ist, unnötig zu intensieren. Indes darüber une autre fois.[9]

Was ich hier auseinandersetzen will, geht auf die Elementargrundlagen der Sache. Ich behaupte nämlich: Auch unter einer rein metallischen Currency hat das Quantum derselben, ihre Extension und Kontraktion nichts zu tun mit dem Aus- und Einfluß der edlen Metalle, mit der günstigen oder ungünstigen Handelsbilanz, mit dem günstigen oder ungünstigen Wechselkurs, außer in äußersten Fällen, die praktisch nie eintreten, aber theoretisch bestimmbar sind. Tooke stellt dieselbe Behauptung auf; ich habe aber keinen Beweis gefunden in seiner History of Prices für 1843 bis 1847.

Du siehst, die Sache ist wichtig. Erstens wird die ganze Zirkulationstheorie in ihrer Grundlage geleugnet. Zweitens wird gezeigt, wie der Verlauf von Krisen, so sehr das Kreditsystem eine Bedingung desselben ist, mit der Currency nur insofern zu schaffen hat, als verrückte Einmischungen der Staatsgewalt in ihre Regelung die vorhandene Krise erschweren können, wie 1847.

Bei der folgenden Illustration zu bemerken, daß hier angenommen [ist]: Der Einfluß von Bullion hängt zusammen mit flottem Geschäft, noch nicht hohen, sondern steigenden Preisen, Überfluß von Kapital, Überschuß der Exports über die Imports. Der Ausfluß von Gold vice versa,[10] mutatis mutandis.[11] Nun, diese Voraussetzung haben die Leute, gegen die die Polemik gerichtet ist. Sie können nichts dagegen sagen. In der Wirklichkeit können 1001 Fälle eintreten, wo Gold ausfließt, obgleich in dem Lande, das es ausführt, die Preise der übrigen Waren weit niedriger stehen als in denen, wohin es Gold führt. Zum Beispiel dies der Fall für England 1809 bis 1811 und 1812 usw. Indes die allgemeine Voraussetzung erstens in abstracto richtig, zweitens von den Currencykerls angenommen. Also hier einstweilen nicht zu debattieren.

Vorausgesetzt also, es herrsche rein metallische Currency in England. Damit aber nicht vorausgesetzt, daß das Kreditsystem aufgehört hat. Die Bank von England würde sich vielmehr in eine Depositen- und Leihbank zugleich verwandeln. Nur würden ihre Ausleihen bloß in barem Gelde bestehen. Wollte man diese Voraussetzung nicht, so würde, was hier als Depositen der Bank of England erscheint, als hoards[12] der Privaten erscheinen, und was als Ausleihe derselben, als Ausleihe der Privaten. Was hier also von den Deposits der Bank of England gesagt wird, [ist] nur Eine Abkürzung, um den Prozeß nicht zersplittert, sondern auf Einen focus[13] zusammengefaßt darzustellen.

Fall I. Influx[14] von Bullion. Hier die Sache sehr einfach. Viel unbeschäftigtes Kapital, also Zunehmen der Deposita. Um sie zu verwenden, würde die Bank ihren Zinsfuß herabsetzen. Also Ausdehnung des Geschäftes im Lande. Die Zirkulation würde nur steigen, wenn das Geschäft so stiege, um vermehrte Currency zu seiner Führung nötig zu machen. Sonst würde die überflüssig ausgegebene Currency wieder in die Bank zurückströmen durch den Verfall der Wechsel usw. als Deposits usw. Die Currency wirkt hier also nicht als Ursache. Ihre Vermehrung schließlich Folge des größeren in Aktion gesetzten Kapitals, nicht umgekehrt. (In dem angegebenen Falle würde also die nächste Folge Wachsen der Deposits, das heißt des unbeschäftigten Kapitals sein, nicht der Zirkulation.)

Fall II. Hier fängt eigentlich die Sache an. Export von Bullion wird vorausgesetzt. Anfang einer Periode der pressure.[15] Wechselkurs ungünstig. Dabei mache schlechte Ernte usw. (oder auch Verteuerung der Rohmaterialien der Industrie) beständig größere Wareneinfuhr nötig. Gesetzt, die Rechnung der Bank of England stehe beim Beginn einer solchen Periode wie folgt:

a. Kapital 14 500 000 £ Government securities 10 000 000 £
Rest [Reserven] 3 500 000 £ Bills of Exchange 12 000 000 £
Deposits 12 000 000 £ Bullion or coin 8 000 000 £
  ——————   ——————
  30 000 000 £   30 000 000 £

Die Bank schuldet, da unter der Voraussetzung keine Noten existieren, nur die 12 Millionen Deposits. Nach ihrem Prinzip (die Deposits in Zirkulationsbanken [... unlesbar], nur den dritten Teil ihrer Zahlungsverpflichtungen in bar liegen haben zu müssen) ist ihr Bullion von 8 Millionen um die Hälfte zu groß. Um mehr Gewinn zu machen, setzt sie den Zinsfuß herab und steigert ihre discounts[16] zum Beispiel um 4 Millionen, die für Korn usw. ausgeführt werden. Die Rechnung der Bank steht dann so:

b. Kapital 14 500 000 £ Government securities 10 000 000 £
Rest 3 500 000 £ Bills of Exchange 16 000 000 £
Deposits 12 000 000 £ Bullion or coin 4 000 000 £
  ——————   ——————
  30 000 000 £   30 000 000 £

Aus dieser figure[17] folgt:

Die Kaufleute agieren zuerst auf die Bullionreserve der Bank, sobald sie Gold ausführen müssen. Dieses exportierte Gold vermindert ihre Reserve (die der Bank), ohne im mindesten auf die Currency zu wirken. Ob die 4 Millionen in ihren Kellern oder in einem Schiffe nach Hamburg liegen, ist dasselbe für die Currency. Es zeigt sich endlich, daß ein bedeutender drain von Bullion,[18] hier von 4 Millionen Pfund Sterling, stattfinden kann, der nicht im geringsten weder die Currency noch das Geschäft des Landes im allgemeinen affiziert. Nämlich während der ganzen Periode, wo die Bullionreserve, die zu groß gegen die Liabilities[19] war, nur auf ihre due proportion[20] zu denselben reduziert wird.

c. Nehmen wir aber an, daß die Umstände, die den drain[21] der 4 Millionen nötig gemacht, fortdauern: Kornmangel, Steigen des Preises der Rohbaumwolle usw. Die Bank wird besorgt für ihre Sicherheit. Sie erhöht den Zinsfuß und limitiert ihre discounts.[22] Daher pressure[23] in der Handelswelt. Wie wirkt diese pressure? Es wird auf die Deposits der Bank gezogen, ihr Bullion sinkt verhältnismäßig. Sinken die Deposits auf 9 Millionen, das heißt vermindern sie sich um 3 Millionen, so müßten dann 3 abgehen von der Bullionreserve der Bank. Diese würde also fallen (4 Millionen bis 3 Millionen) auf 1 Million gegen Deposits von 9 Millionen, Verhältnis, das gefährlich für die Bank würde. Will sie also ihre Bullionreserve auf dem dritten Teil der Deposits halten, so wird sie ihre discounts um 2 Millionen verringern.

Die Rechnung wird dann so stehen:

Kapital 14 500 000 £ Government securities 10 000 000 £
Rest 3 500 000 £ Bills under discount 14 000 000 £
Deposits 9 000 000 £ Bullion or coin 3 000 000 £
  ——————   ——————
  27 000 000 £   27 000 000 £

Folgt hieraus: Sobald der drain so groß wird, daß die Bullionreserve ihre due proportion gegen die Deposits erreicht hat, erhöht die Bank den Zinsfuß und vermindert die discounts. Aber dann beginnt die Wirkung auf die Deposits, und infolge ihrer Verminderung vermindert sich die Reserve von Bullion, aber in größerem Verhältnis der Diskont von Bills.[24] Die Currency wird nicht im geringsten affiziert. Ein Teil der entzogenen Bullion und Deposits füllt das Vakuum,[25] das die Kontraktion der Bankakkomodation[26] in der inländischen Zirkulation erzeugt, ein anderer wandert ins Ausland.

d. Gesetzt der Import von Korn usw. dauere fort, die Deposits sänken auf 4 500 000, so würde die Bank, um die nötige Reserve gegen ihre Liabilities zu behalten, ihre discounts um 3 Millionen noch reduzieren, und die Rechnung stünde wie folgt:

Kapital 14 500 000 £ Government securities 10 000 000 £
Rest 3 500 000 £ Bills under discount 11 000 000 £
Deposits 4 500 000 £ Bullion or coin 1 500 000 £
  ——————   ——————
  22 500 000 £   22 500 000 £

Die Bank hätte unter der Voraussetzung ihre discounts von 16 auf 11 Millionen, also um 5 Millionen reduziert. Der nötige Bedarf der Zirkulation ersetzt durch weggenommene Deposits. Aber gleichzeitig Mangel an Kapital, hoher Preis der Rohmaterialien, Abnahme der Nachfrage, also des Geschäftes, also schließlich der Zirkulation, der nötigen Currency. Der überflüssige Teil derselben würde als Bullion ins Ausland zur Zahlung des Imports geschickt. Die Currency wird zuletzt berührt, und sie würde erst über ihre notwendige Quantität hinaus vermindert, wenn die Bullionreserve vermindert [ist] über das notwendigste Verhältnis zu den Deposits hinaus.

Zu dem Obigen noch zu bemerken:

1. Statt ihre discounts zu vermindern, könnte die Bank ihre public securities verklopfen, was unter der Voraussetzung unprofitlich wäre. Indes Resultat dasselbe. Statt ihre eigene Reserve und discounts würde sie die von Privatpersonen, die ihr Geld in public securities stecken, vermindern.

2. Ich habe hier einen drain auf die Bank von 6 500 000 Pfund vorausgesetzt. 1839 fand einer von 9 bis 10 Millionen Pfund statt.

3. Der vorausgesetzte Prozeß bei einer rein metallic currency[27] kann wie beim Papier zum Schlusse mit der Kasse [?] fortgehen, wie dies zweimal in Hamburg im achtzehnten Jahrhundert geschehen.

Schreibe bald.

Dein K. M.


[1] Meine Ehe produktiver ist wie meine Erwerbstätigkeit.

[2] Theorie der Währung [beziehungsweise des Geldsystems].

[3] Allesamt.

[4] Nach Abänderung des zu Ändernden; das heißt gemäß den veränderten Bedingungen.

[5] Metallischen Umlaufsmittel.

[6] Barren Geldmetall.

[7] Vom Staate verbürgte Papiere.

[8] Schatzscheine.

[9] Ein anderes Mal.

[10] Ebenso umgekehrt.

[11] Gemäß den veränderten Bedingungen.

[12] Ersparnisse, Schatzansammlungen.

[13] Brennpunkt.

[14] Einstrom, Zufluß.

[15] Druck, Depression.

[16] Diskonten, Ankauf von Wechseln.

[17] Zahlenbild.

[18] Abzug von Geldmetall.

[19] Zahlungsverpflichtungen.

[20] Richtiges Verhältnis.

[21] Abfluß, Abzug.

[22] Beschränkt ihre Wechselankäufe.

[23] Gedrückte Lage.

[24] Wechsel.

[25] Leere.

[26] Zusammenschrumpfen der Ausgleichmittel der Banken.

[27] Metallische Währung.

54

Manchester, 5. Februar 1851.

Lieber Marx!

Inliegend das restierende eine Pfund von dem Atlas, das ich Dir leider nicht früher schicken konnte.

Sage Harney, wenn Du ihn siehst, daß er Ende der Woche von mir mindestens die erste Hälfte einer Reihe von Artikeln über Continental Democracy[1] bekommt – die Artikel so eingeteilt, daß jeder einzelne nicht mehr als 2 bis 21/2 Kolumnen in seinem Friend of the People ausmacht. Ich werden unter dem obigen Vorwand die gesamte offizielle Demokratie beim Kragen nehmen und sie dem englischen Proletariat dadurch verdächtigen, daß ich sie, inklusive Mazzini, Ledru-Rollin usw., mit den financial Reformers[2] auf dieselbe Stufe stelle. Das europäische Komitee wird catch it nicely.[3] Die Herren werden einzeln durchgenommen werden, Mazzinis Schriften, Ledru-Rollins famose Heldentaten vom Februar bis Juni 1848, Herrn Ruge natürlich nicht zu vergessen. Den Italienern, Polen und Ungarn werde ich deutlich genug sagen, daß sie in allen modernen Fragen den Mund zu halten haben. Das Ding mit dem Humbug, den Harney mit den Bettelbriefen der Mazzini und Konsorten treibt, wird zu arg, und da er sonst nicht zu bessern ist, so werde ich genötigt sein, die Albernheit dieser Kerls in seinem eigenen Blatt aufzudecken und den englischen Chartisten die Mysterien der kontinentalen Demokratie zu enthüllen. Ein ausführlicher polemischer Artikel hilft bei Harney immer mehr als alles Debattieren. Leider habe ich hier verflucht wenig Material.

Ich habe jetzt hier Sarraus jeune, Lafayette et la révolution de Juillet.[4] Wüßte ich noch ein paar andere Quellen aufzutreiben, so könnte ich für unsere Revue einen Artikel über die Julirevolution nebst Fortsetzung bis zur Februarrevolution machen und dabei die Histoire des dix ans[5] einer freundschaftlichen Kritik unterwerfen. Diese Dix ans[6] stehen noch immer von den Weitergehenden unangegriffen da und bilden in Deutschland wie in Frankreich ein sehr bedeutendes Bildungselement in der ganzen revolutionären Partei. Ich glaube, es könnte gar nicht schaden, den Einfluß dieses Buches auf die gebührenden Grenzen zurückzuführen; bis jetzt ist es unattackierte Autorität.

Herr Russell, der feige Patron, hat sich wieder einmal glänzend blamiert. Erst speit er Feuer und Flammen gegen die papal aggression.[7] Dann sieht er, daß die Manchester men[8] sich absolut nicht in die Schmiere mischen wollen und accouchiert nun mit seiner heroischen Maßregel, den katholischen Bischöfen das Tragen englischer Titel verbieten zu wollen. Und dann die schöne Andeutung, die er durch Herrn Peto machen läßt, es sei zwar sehr wünschenswert gewesen, in dieser Session schon das Stimmrecht auszudehnen, aber da die Law-Reform diesmal vorkomme, so müsse man das Stimmrecht bis nächstes Jahr verschieben. Echte Whig-Musterlogik. Übrigens sind die membres[9] sehr krittlig und unsicher, die Wahlen rücken heran, sie müssen liberale oder protektionistische flourishes[10] machen, und wenn die Exhibition nicht gerade in die belebteste Zeit der sessionalen grande politique[11] fiele, so könnte es dem kleinen Männchen schlecht gehen. Und auch so – qui sait?[12]

Das tägliche politische Brot wird überhaupt immer trockener. Die schöne Position, in der sich la belle France[13] jetzt wohlgefällt, ist auch erbaulich. Es läßt sich übrigens nicht leugnen, daß die Herren Burggrafen mehr und mehr aufhören, die Repräsentanten der Bourgeoisfraktionen zu sein, oder besser, daß die Bourgeois sich von ihren alten legitimistischen und orleanistischen Chefs mehr und mehr trennen. Erstens die bedeutende Minorität für Baroche in der Sitzung, wo die Koalition ihn stürzte, und die auch aus sehr vielen Nichtbonapartisten, ehemaligen Orleanisten usw. bestand; dann die offenbare Stimmung der konservativen Bourgeoisie en masse,[14] die weit günstiger für den Napoleon ist wie früher. Die Masse dieser Kerls will jetzt unbedingt weder orleanistische noch legitimistische Restaurations-Intrigen; les solutions les embêtent,[15] und was sie wollen, ist der Schlendrian der präsidentiellen Gegenwart. Die Kerls sind weder royalistisch, noch republikanisch, noch imperialistisch, sondern präsidentiell; das schönste aber dabei ist, daß diese süße Unbestimmtheit nur möglich ist bei der Masse selbst, und daß jeder, der sich als offizieller Repräsentant dieser Richtung geltend machen wollte, doch binnen sechs Monaten wieder aus der Neutralität und in eine bestimmte royalistische oder imperialistische Fraktion getrieben würde. Übrigens habe ich hier von französischen Blättern nur die Débats und den Charivari, der einem indes hier wieder leider Gottes witzig vorzukommen anfängt, grâce à l’esprit exquis du peuple dans ces parages.[16]

Von einem stupiden ungarischen Flüchtling, der mir hier dieser Tage zwischen die Beine lief, hörte ich, daß diese edle Sorte wieder von Mordkonspirationen und Emeuten bei Gelegenheit der great Exhibition[17] faselt. Mir schien es fast, als vernähme ich aus diesem Gepolter die heroische Stimmung der Stürmer von London, Willich und Barthélemy. Man entrinnt übrigens den Geistern nicht: neulich redet mich ein Kerl auf der Straße an, und siehe, es war ein Greatwindmillstreet-Flüchtling, der in Liverpool eine Stelle hat. „Und nähme ich Flügel der Morgenröte und flöge ans äußerste Meer“, so würde ich der Bande nicht entrinnen.

Die hiesigen Freetrader benutzen die Prosperität oder Halbprosperität, um das Proletariat zu kaufen, und John Watts ist der Makler dabei. Du kennst den neuen Cobdenschen Plan: eine National Free School Association, um eine Bill durchzusetzen, wodurch die townships[18] bevollmächtigt werden sollen, sich Lokalsteuern aufzulegen zur Errichtung von Schulen. Das Ding wird famos poussiert. In Salford ist außerdem schon eine Free Library und ein Museum eingerichtet – Leihbibliothek und Lesezimmer gratis. In Manchester ist die Hall of Science – und hier war Watts, wie der Herr Mayor von Manchester gnädigst anerkannte, wirklich der Makler – von einem Komitee aus dem Ertrag öffentlicher Sammlungen (zirka 7000 Pfund Sterling sind zusammen) aufgekauft und wird ebenfalls in eine Free Library verwandelt. Ende Juli soll die Geschichte – mit 14 000 Bänden to begin with[19] – eröffnet werden. Alle Meetings und Versammlungen zu diesem Zwecke erschallen vom Lobe der Arbeiter, und speziell von dem des braven, bescheidenen, nützlichen Watts, der mit dem Bischof von Manchester jetzt auf dem besten Fuße steht. Ich freue mich schon auf den Ausbruch der Entrüstung über den Undank der Arbeiter, der beim ersten shock[20] von allen Seiten losplatzen wird.

Mein Herr Alter hat mir dieser Tage einen angenehmen Brief geschrieben, worin er den Wunsch ausspricht, daß ich auf unbestimmte Zeit, das heißt solange der Tuck mit den Ermens dauert (und das kann bis 1854 sein), hier bleibe. Mir natürlich sehr angenehm, s’il me paie bien mon ennui.[21] Ich lasse mir das natürlich nicht merken, bringe dem „Geschäft“ dies „Opfer“ und erkläre mich bereit, „die Entwicklung der Verhältnisse hier vorderhand abzuwarten“. Nächsten Sommer kommt er her, und ich werde ihm dann mich so unentbehrlich zu machen suchen, daß er auf alles eingehen muß.

Grüße Deine Frau und Kinder herzlich.

Dein F. E.

Particulars bei der Post Office Ordre[22] wie früher.


[1] Die festländische Demokratie.

[2] Finanzreformer. [So nannten sich die radikalen Freihändler, die neben den Schutzzöllen auch die meisten Finanzzölle abschaffen und durch Steuern auf Bodenwerte, Erbschaften usw. ersetzen wollten.]

[3] Es schön abbekommen.

[4] Lafayette und die Julirevolution.

[5] Geschichte der zehn Jahre. [Louis Blancs Buch über die Julirevolution und die ersten Regierungsjahre Louis Philipps.]

[6] Zehn Jahre.

[7] Angriffe des Papstes.

[8] Männer, Leute.

[9] [Parlaments-]Mitglieder.

[10] Fahnenschwenken, Aufputzerei.

[11] Hohe Politik.

[12] Wer weiß?

[13] Das schöne Frankreich.

[14] In der Masse.

[15] Die Lösungen sind ihnen unbequem.

[16] Dank dem feinen Geiste des Volkes in diesem Landstrich.

[17] Große Ausstellung.

[18] Städteverwaltungen.

[19] Zum Anfang.

[20] Stoß, Auflehnung.

[21] Wenn er mir meine Langeweile gut bezahlt.

[22] Einzelheiten bei der Postanweisung.

55

10. Februar 1851.

Lieber Engels!

Als Du schriebst, es sei bald Zeit, den Louis Blanc anzugreifen, warst Du mindestens ein clairvoyant.[1]

Nun horche auf folgende Geschichtserzählung:

Vor einigen Tagen, ungefähr einer Woche, begegnet mir Landolphe, und ich merkte an der verlegenen Art, worin er mich und meine Frau grüßte, daß etwas „faul“ war im Zustand unseres ami chevaleresque, unseres Bayard von der Montagne. Eh bien![2] Landolphe und Louis Blanc haben sich mit dem Komitee Willich-Schapper vereint, aus dem Herr Adam ausgetreten ist! Und vierzehn Tage vorher schimpfte Landolphe noch weidlich über Barthélemy und erzählte ich ihm die Affäre der Herren Willich und Schapper. Qu’en dis-tu?[3] Mit keinem Worte haben die Biedermänner mich vorher unterrichtet.

Du stellst Dir leicht vor, wie Willich und Schapper in ihrer Vorstellung gewachsen sind und wie sie uns geschlagen wähnen!

Aber wir werden sie anders schlagen. Wir sind auf dem kürzesten Wege, den Unteroffizier und Zimmermann Willich verrückt, literaliter[4] verrückt zu machen.

Du erinnerst Dich des Briefes, den Schramm im Namen von Becker [in Köln] an Willich schrieb, worin er ihm die Militärdiktatur anbot, die Presse abschaffte und leichte Schlagschatten auf Schappers Moralität warf.

Eh bien! Willich ist in die Falle gegangen. Er hat Becker bombardiert mit Briefen, er hat auch schon einen Emissär zur Absendung bereit, hat sich ganz schon das herrische Wesen eines Cromwell II. angeeignet, ist auffahrend geworden, duldet keinen Widerspruch mehr und hat dem Becker den Auftrag gegeben, eine Revolution in Köln zu machen, wonach er sich bereit erklärt, die oberste Leitung zu übernehmen. Ich werde von Becker in einigen Tagen die Briefe von Willich erhalten und dann die Minen springen lassen.

Hier ganzer Schwarm von neuem demokratischen Gesindel, aus Brüssel vertriebene Franzosen, Heise aus Kassel, Oppenheim aus Brüssel, Günther aus Frankfurt usw. Von letzteren jedoch habe ich glücklicherweise keinen gesehen.

Du hast doch meinen letzten Brief erhalten?

Dein K. M.


[1] Hellseher.

[2] Ritterlicher Freund ... Bayard der Bergpartei. Wohlan.

[3] Was sagst Du dazu?

[4] Wörtlich.

56

[Ohne Monats- und Jahresangabe.] Mittwoch [undatiert].

Lieber Marx!

Ich finde eben Deinen Brief zu Hause und benutze gleich die heutige Post, Dir anzuzeigen, daß ich es Ende dieser oder spätestens Anfang nächster Woche möglich machen werde, Dir die 1 Pfund 10 Schilling für Landolphe zu schicken, damit diese jetzt nicht länger fortzuziehende Geschichte aus der Welt kommt. Notre ami[1] Landolphe hat sich abermals als ein altes Weib bewiesen, und die alberne Zwergseitelkeit des superklugen Louis Blanc entwickelt sich in einer Weise, die den erhabenen Knirps wirklich zum reinen Narren stempelt. C’est bien.[2] Man sieht mehr und mehr ein, daß die Emigration ein Institut ist, worin jeder notwendig ein Narr, ein Esel und ein gemeiner Schurke wird, der sich nicht ganz von ihr zurückzieht und dem die Stellung des unabhängigen Schriftstellers, der auch nach der sogenannten revolutionären Partei den Teufel fragt, nicht genügt. Es ist eine reine school of scandal and of meanness,[3] worin der letzte Esel zum ersten Vaterlandsretter wird.

Harney kriegt heute drei Artikel, einleitungsweise, etwas weitläufig, hier und da mit einer gelinden Andeutung besäet. Was bei der Sache fatal ist, ist dies, daß man für die englischen Proletarier und das Publikum Harneys schwerlich den Ledru-Rollin und Komp. angreifen kann, ohne sich mit der Clique Willich-Barth[élemy] wenigstens zum Teil zu identifizieren. Es wird nichts übrigbleiben, als dieser Clique schließlich einige besondere Artikel zu widmen. Diese ersten drei Artikel enthalten noch nichts, sie sind mehr geschrieben um Harneys willen, to put him in the right track,[4] als zu irgend einem anderen Zwecke.

Die Geschichte mit Willich ist impayable.[5] Sorge nur, daß Du die Briefe erhältst. Ich möchte die sittliche Entrüstung sehen, wenn die Bombe platzt. Ihr scheint seit einiger Zeit wieder gute Kundschafter in der G. W. [Great Windmillstreet] zu haben, cela ne fait pas de mal[6] und verschafft wenigstens Erheiterung. Ich gestehe, ich hätte den Kerl kaum für so dumm gehalten. Er wird übrigens jetzt erst recht in hellen Flammen sein, seit die preußischen Ministerialblätter den Krieg gegen die Schweiz in Aussicht stellen, und die Gardereserven, wie ihnen auf der Parade mitgeteilt, gerade deswegen unter den Waffen erhalten werden. Die Regierungen der heiligen Allianz arbeiten wirklich diesen phantastischen Eseln in unverantwortlicher Weise in die Hände, und wenn Palmerston nicht wäre, so könnte die nächste „Emanzipation der allgemeinen Dummheit“ wirklich sechs Monate zu früh zur Welt kommen.

Deine neueste ökonomische Entdeckung unterliegt gegenwärtig meiner ernstlichsten Erwägung. Ich habe heute keine Zeit, mich weiter darauf einzulassen, die Sache scheint mir aber ganz richtig zu sein. Aber mit Zahlen ist nicht zu spaßen, und deshalb überlege ich das Ding genau.

Quelle bête que ce Louis Napoléon![7] Verkauft seine Wahlgesetzzweifel an die Versammlung und sich selbst an Montalembert für 1 800 000 Franken, die er schließlich doch nicht kriegt. Mit so einem Abenteurer ist doch gar nichts anzufangen. Läßt er sich vier Wochen von gescheiten Intriganten dirigieren, so muß er ganz gewiß in der fünften Woche alles Durchgesetzte auf die albernste Weise wieder zuschanden machen. Aut Caesar aut Clichy![8]

Neulich stifteten wir hier eine neue Chartist Locality.[9] Diese Engländer sind innerhalb der demokratischen Formen viel gewissenloser als wir redlichen timiden Deutschen. Unser waren dreizehn, und es wurde sogleich beschlossen, einen council[10] zu wählen aus dreizehn Mitgliedern, nämlich den Anwesenden. Darauf schlug jeder einen der Anwesenden vor, und da ich natürlich dankte, jemand an meiner Stelle einen Abwesenden, und in weniger als fünf Minuten hatten sich die privaten Gentlemen in einen council verwandelt, und doch war jeder gewählt, und dies ergötzliche proceeding passed off very seriously and as a matter of course.[11] Was aus der Geschichte wird, werde ich nächstens sehen. Für heute prosit

Dein F. E.


[1] Unser Freund.

[2] Das ist gut.

[3] Schule des Klatsches und der Niedertracht.

[4] Um ihn auf die rechte Fährte zu bringen.

[5] Unbezahlbar.

[6] Das schadet nichts.

[7] Was für ein [dummes] Tier, dieser Louis Napoleon.

[8] Entweder Cäsar [das heißt Kaiser] oder [ins Schuldgefängnis zu] Clichy.

[9] Chartistischer Ortsverein.

[10] Rat, Vorstand.

[11] Prozedur verlief in vollem Ernst und als eine selbstverständliche Geschichte.

57

11. Februar 1851.

Lieber Engels!

Iterum Crispinus![1]

Soeben erfahre ich, daß heute abend ein Meeting stattfand in Tottenham Court Road für den Tod Bems. Auf der Tribüne saßen Präsident Schapper usw., Louis Blanc und die übrigen Mitglieder des neuen Völkerbundkomitees. Unter den vordersten Reihen des Auditoriums saß Harney mit Frau. Das Hauptgros desselben bildete die Great Windmillstreet. Schapper hielt mit Beifall, in englischer Sprache, seine unvermeidliche Rede: war to the knife![2] Louis Blanc sprach nicht besser. Vive la guerre![3] Tausenau auch zugegen, sprach über Bem. Harney hielt eine lange und, wie man sagt, gute Pauke, worin er schließlich Blanqui, Barbès und zu guter Letzt Louis Blanc als den sozialistischen Messias leben ließ.

Qu’en dis-tu?[4]

Wenn Du in einem Meeting, präsidiert von Th. Clark Esq., aufträtest und durch Deine Gegenwart und Deine Rede das Gewicht des Meetings eigentlich erst machtest, würde Freund Harney das für loyal halten?

Es genügt also nicht, daß er in seinem Friend of the People den Ruge poussiert, er muß indirekt auch noch die Schapper-Willich poussieren.

Er hatte mich vorigen Sonntag rufen lassen. Der Zweck war, Jones zu Annahme des Titels „Friend of the People“ zu bewegen. Ich bin nicht gegangen. Er mag sich zu diesem Zwecke an Louis Blanc, Landolphe, Schapper oder Willich wenden. Ich bin fatigué[5] von diesem öffentlichen Weihrauch, womit Harney nicht müde wird les petits grands hommes[6] einzuräuchern.

Abgesehen von diesem Inzidenz, daß auch Du Brute (Harney), wenn nicht Partei gegen uns nimmst, wenigstens den Unparteiischen spielst, während Engels für Dich in Manchester wirkt, Eccarius an Deinem Blatt schreibt, und ich gelegentlich den Jones für Dich bearbeite – abgesehen davon, gefällt mir sehr die öffentliche, authentische Isolation, worin wir zwei, Du [Engels] und ich, uns jetzt befinden. Sie entspricht ganz unserer Stellung und unseren Prinzipien. Das System wechselseitiger Konzessionen, aus Anstand geduldeter Halbheiten, und die Pflicht, vor dem Publikum seinen Teil Lächerlichkeit in der Partei mit all diesen Eseln [auf sich] zu nehmen, das hat jetzt aufgehört. Nun, auch auf diese Zeilen bitte ich Dich bald zu antworten. Ich komme hier fast nur mit Pieper zusammen und lebe ganz zurückgezogen. Du begreifst also, wie ich Dich um so mehr hier vermisse und das Bedürfnis habe, mich mit Dir auszusprechen.

Dein K. M.


[1] Krispin aufs neue.

[2] Kampf bis aufs Messer.

[3] Es lebe der Krieg.

[4] Was sagst Du dazu.

[5] Müde, satt.

[6] Kleinen Großhanse.

58

Donnerstag, 13. Februar 1851.

Lieber Marx!

Ich erwartete diese Geschichte wegen Harney ziemlich sicher. Ich fand die Anzeige des Bem-Meetings im Friend of the People, worin es hieß, daß sich die Deutschen, Franzosen, Polen und Ungarn, sowie die fraternal Democrats[1] dabei beteiligen würden, und daß die W(indmill)street und Komp. sein mußte, war klar. Ich vergaß, Dich früher auf diese Annonce aufmerksam zu machen. Es ist mir heute nicht möglich, etwas Weiteres in der Sache zu tun. Morgen aber schreibe ich einen Brief an Harney, der ihm anzeigt, daß er das Manuskript, das ich ihm geschickt habe, nicht drucken soll, da ich es nicht fortsetzen werde, und worin ich ihm zu gleicher Zeit die ganze Geschichte ausführlich auseinandersetze. Wenn dieser Brief nicht hilft, so muß man die ganze Sauce fallen lassen, bis Herr Harney von selbst wiederkommt, was sehr bald geschehen wird. Ich vermute sehr stark, daß er in kurzem herkommen wird, wo ich ihn gehörig zwischen nehmen werde. Er soll endlich merken, daß man auch mit ihm Ernst macht. Jedenfalls, um Zeit und doppeltes Schreiben zu ersparen, werde ich Dir den Brief schicken, und wenn Du ihn gelesen hast, laß ihn ihm so rasch wie möglich zukommen.

Persönlich ärgert mich diese Albernheit und Taktlosigkeit von Harney mehr als irgend etwas anderes. Au fond[2] kommt auch darauf nichts an.

Wir haben jetzt endlich wieder einmal – seit langer Zeit zum erstenmal – Gelegenheit, zu zeigen, daß wir keine Popularität, keinen support[3] von irgend einer Partei irgend welches Landes brauchen, und daß unsere Position von dergleichen Lumpereien total unabhängig ist. Wir sind von jetzt an nur noch für uns selbst verantwortlich, und wenn der Moment kommt, wo die Herren uns nötig haben, sind wir in der Lage, unsere eigenen Bedingungen diktieren zu können. Bis dahin haben wir wenigstens Ruhe. Freilich auch eine gewisse Einsamkeit – mon Dieu,[4] die habe ich hier in Manchester seit drei Monaten bereits genossen und mich daran gewöhnt, und dazu als reiner Junggeselle, was jedenfalls hier sehr langweilig ist. Wir können uns übrigens im Grunde nicht einmal sehr beklagen, daß die petits grands hommes[5] uns scheuen; haben wir nicht seit soundso viel Jahren getan, als wären Krethi und Plethi unsere Partei, wo wir gar keine Partei hatten, und wo die Leute, die wir als zu unserer Partei gehörig rechneten, wenigstens offiziell, auch nicht die Anfangsgründe unserer Sachen verstanden? Wie passen Leute wie wir, die offizielle Stellungen fliehen wie die Pest, in eine „Partei“? Was soll uns, die wir auf die Popularität spucken, die wir an uns selbst irre werden, wenn wir populär zu werden anfangen, eine „Partei“? Wahrhaftig, es ist kein Verlust, wenn wir nicht mehr für den „richtigen und adäquaten Ausdruck“ der Bornierten gelten, mit denen uns die letzten Jahre zusammengeworfen hatten.

Eine Revolution ist ein reines Naturphänomen, das mehr nach physikalischen Gesetzen geleitet wird, als nach den Regeln, die in ordinären Zeiten die Entwicklung der Gesellschaft bestimmen. Oder vielmehr, diese Regeln nehmen in der Revolution einen viel physikalischeren Charakter an, die materielle Gewalt der Notwendigkeit tritt heftiger hervor. Und sowie man als der Repräsentant einer Partei auftritt, wird man in diesen Strudel der unaufhaltsamen Naturnotwendigkeit hineingerissen. Bloß dadurch, daß man sich independent hält, indem man der Sache nach revolutionärer ist als die anderen, kann man wenigstens eine Zeitlang seine Selbständigkeit gegenüber diesem Strudel behalten, schließlich wird man freilich auch hineingerissen.

Diese Stellung können und müssen wir bei der nächsten Geschichte einnehmen. Nicht nur keine offizielle Staatsstellung, auch solange wie möglich keine offizielle Parteistellung, kein Sitz in Komitees usw., keine Verantwortlichkeit für Esel, unbarmherzige Kritik für alle, und dazu jene Heiterkeit, die sämtliche Konspirationen von Schafsköpfen uns doch nicht nehmen werden. Und das können wir. Wir können der Sache nach immer revolutionärer sein als die Phrasenmacher, weil wir etwas gelernt haben und sie nicht, weil wir wissen, was wir wollen und sie nicht, und because, after what we have seen for the last three years, we shall take it a great deal more coolly than any one who has an interest in the business.[6]

Die Hauptsache für den Moment ist: die Möglichkeit, unsere Sachen zum Druck zu bringen; entweder in einer Vierteljahrsschrift, wo wir direkt attackieren und uns den Personen gegenüber unsere Position sichern; oder in dicken Büchern, wo wir dasselbe tun, ohne nötig zu haben, irgend eine dieser Spinnen auch nur zu erwähnen. Mir ist beides recht; auf die Dauer und bei der zunehmenden Reaktion scheint mir die Möglichkeit für ersteres abzunehmen und letzteres mehr und mehr unsere Ressource zu werden, worauf wir uns werfen müssen. Was wird aus allem Klatsch und Tratsch, den der gesamte Emigrationspöbel auf Deine Rechnung machen kann, wenn Du mit der Ökonomie darauf antwortest?

Morgen den Brief für Harney. En attendant salut.[7]

Dein F. E.


[1] Brüderliche Demokraten.

[2] Im Grunde.

[3] Unterstützung.

[4] Mein Gott.

[5] Die kleinen großen Leute [beziehungsweise Gernegroße].

[6] Weil wir nach dem, was wir in den letzten drei Jahren gesehen haben, die Sache viel kühler hinnehmen werden als irgend jemand, der bei der Geschichte persönlich interessiert ist.

[7] Inzwischen Gruß.

59

London, 23. Februar 1851.

Lieber Engels!

Du hast seit einer Woche keine Nachricht von mir erhalten, einmal weil ich die Dokumente von Köln erwartete und sie Dir mitteilen wollte, dann weil ich nähere Details über unseren „Exfriend“ abwarten mußte. Die ersteren sind noch nicht gekommen. Über letzteren bin ich jetzt näher instruiert.

Harney hat Deinen Brief richtig erhalten.


Nun zu unserem Dear [Harney]!

Er hat sich keineswegs begnügt, am Meeting der Leute teilzunehmen. Nein. Er hat ihr Bankett vom 24. Februar, was ohne ihn vollständig in den Sumpf gefallen wäre, zu einem Londoner Ereignis gemacht. Es sind schon tausend Karten verkauft zu dem Bankett, das in der City stattfindet. Harney hat den größten Teil der Karten vertrieben, wie Jones mir vorgestern sagte. O’Connor, Reynolds, Hunderte von Chartisten nehmen teil. Harney hat sie zusammengetrieben. Er ist den ganzen Tag en route,[1] um die Orders von Louis Blanc auszuführen, wie Jones mir ebenfalls sagte.

Er hat sogar eine kleine Perfidie gegen Jones begangen, indem er ihn das Manifest von Louis Blanc und Komp. übersetzen ließ und ihn dann fragte, ob er etwas dagegen habe, daß er als Übersetzer genannt werde? Es war dies am Mittwoch. Er hatte also schon Deinen Brief, von dem er kein Wort gegen Jones fallen ließ. Jones sah in seiner Frage also bloß einen Appell an seine eigene „sozialistische“ Gesinnung – und sagte natürlich, er habe nichts dagegen.

Jones erklärte mir, auf meine Erörterungen hin werde er wahrscheinlich, er könne es nicht gewiß sagen, sich von dem Bankett enthalten. Was seine Entscheidung schwankend machte, ist sehr rationell. Kommt er nicht, so verliert er an Popularität, da, dank dem Dear, dies Bankett zu einer Chartistenangelegenheit geworden ist. Er fürchtet zugleich, Reynolds möge hinter seinem Rücken intrigieren.

Jones mißbilligt das Betragen des Dear, den ich nicht „wiedergesehen“. Er suchte es damit zu entschuldigen, daß die Chartisten, wenn sie an keinem der beiden Banketts teilnehmen, der politischen Apathie oder Antipathie gegen die ausländischen Revolutionäre beschuldigt würden. Ich habe ihm geantwortet: so hätte[n] Harney usw. ein Chartistenmeeting zur Feier des unvermeidlichen 24. Februar abhalten sollen, statt sich zum Piedestal für einen Zwerg zu machen und für ein Halbdutzend Kamele, einen Zwerg, der den Harney nie anders als „brave garçon[2] tituliert, und der, wenn morgen eine Bewegung in London ausbricht, nach einem Jahre oder nach zwanzig Jahren aktenstücklich beweisen wird, daß er diese pauvres Anglais dans la route du progrès[3] geworfen hat, und dies [?] liegt zwischen 1688 und dem 24. Februar 1851, wo Louis Blanc ganz London ebenso nach sich rufen hörte, wie damals die 50 000 Arbeiter im Hofe der Réforme, der nicht 50 Mann faßt. Und wieviel falsche Tränen wird er zu Papier bringen über dies noch nie dagewesene Ereignis!

Harney hat sich in diese Geschichte hereingeritten einmal aus dem Bewunderungstrieb für offizielle große Männer, den wir schon früher oft verlacht haben. Dann liebt er die theatralischen Effektstücke. Er ist unbedingt gefallsüchtig, ich will nicht sagen vaniteux.[4] Er ist selbst unstreitig tief von der Phrase beherrscht und entwickelt sehr reichhaltige pathetische Gase. Steht tiefer im demokratischen Dreck, als er Wort haben will. Er hat einen doppelten spirit[5], einen, den ihm Friedrich Engels gemacht hat, und einen, der ihm leibeigen ist. Der erstere ist eine Art Zwangsjacke für ihn. Der letztere ist er selbst in puris naturalibus.[6]

Was diesem Meeting noch besonderes Gewicht gibt, ist die Aufregung, die in London herrscht infolge Abtritts des little Johnny[7] und des avènement von Stanley-d’Israeli.[8]

Die Frenchmen[9] fürchten nichts mehr als eine allgemeine Amnestie. Sie würde sämtlichen hiesigen Bretterhelden den Nimbus rauben.

A. Ruge hat versucht, mit Struve, Kinkel, Schramm, Bucher usw. einen „Volksfreund“ oder, wie unser Gustav [Struve] wollte, einen „Deutschen Zuschauer“ zustande zu bringen. In den Sumpf gefallen. Teils wollten die anderen das Protektorat Winkelrieds [Ruges] nicht, teils, wie der „gemütliche“ Kinkel, verlangten sie bare Zahlung, ce qui ne fait pas le compte de Mr. Ruge.[10]

K. Heinzen ist Chefredakteur der bankrotten New Yorker Schnellpost und hat eine schaurige Polemik mit Weitling eröffnet.

Du wirst sehr wohltun, einmal und bald an den Nathan [Roten] Becker in New York zu schreiben und ihn sur l’état actuel des choses[11] zu unterrichten.

Einliegend ein Brief von Dronke. Schicke ihn mir umgehend zurück; wenn Du selbst dazu schreiben willst, tant mieux.[12]

Durch Deine Sendung hast Du mir einen großen Dienst getan.

Einiges über die französische Literatur von 1830 bis 1848 in meinem nächsten Briefe.

Schreibe mir auch, ob meine Rechnung richtig ist.

Dein K. M.

Übrigens muß man jetzt – denn der Dear wird wiederzukommen suchen, sobald er die Haupt- und Staatsaktion hinter sich hat – ihn sehr vornehm traktieren und ihn fühlen lassen, daß er „verloren“ hat.

Apropos. Harney hat sich in eine Chartistendeputation nach der Churchstreet wählen lassen, wo er zuerst sein Entree machen wird, um dann nach der City zu gehen, wo er sich häuslich niederlassen wird. Daß er übrigens die Sache nicht aus Naivität getan, geht schon daraus hervor, daß er alles hinter meinem Rücken mit dem „bel“ homme betrieb und Dir ebenfalls nichts mitgeteilt [hat].


[1] Unterwegs.

[2] Braver Junge.

[3] In die Bahn des Fortschritts.

[4] Eingebildet.

[5] Geist.

[6] In reiner Nacktheit.

[7] Kleiner John [Russell].

[8] Aufrücken von Stanley-d’Israeli.

[9] Franzosen.

[10] Was nicht in die Rechnung des Herrn Ruge paßt.

[11] Gegenwärtiger Stand der Dinge.

[12] Um so besser.

60

28 Deanstreet, Soho, 24. Februar 1851.

Lieber Engels!

Es ist jetzt ein Uhr nachts. Vor einer Stunde ungefähr stürzt Pieper hier herein, ohne Hut, zerzaust, zerrissen. Die Sache verhält sich wie folgt.

Heute abend fand das Meeting oder Bankett in der City statt. Willich präsidierte. Jones war seinem Versprechen gemäß nicht hingegangen. Unser Dear trug ein rotes Bändchen. Anwesend an 700 Mann, 150 Franzosen ungefähr, 250 Deutsche, 200 Chartisten und der Rest Polen und Ungarn. Blanc las die ihm von seinen Gebrüdern [?] aus Paris zugekommenen Adressen ab. Willich eine aus La Chaux de Fonds. Aus Deutschland hatten sie keine. Außerdem wurde eine Adresse von Polen aus Paris verlesen.

Die Reden sollen spottschlecht gewesen sein, überhaupt trotz aller fraternité der Tau der Langeweile auf den Gesichtern und an den Zungen geklebt haben.

Schramm und Pieper hatten Karten gelöst, um sich den Ulk anzusehen. Sie wurden von vornherein molestiert. Schramm ging zu einem der Ordnungshalter, dem braven chevaleresken Landolphe, und ersuchte ihn, ihnen für ihr Geld wenigstens Ruhe zu verschaffen. Der Brave erwiderte, es sei nicht der Ort, hier auf Auseinandersetzungen einzugehen.

By and by[1] dauerte es den Great Windmillstreetern zu lange. Sie riefen: „spy, spy“,[2] [unlesbar] und nun wurden Schramm und Pieper aus dem Saale herausgeprügelt, ihre Hüte zerrissen und vor dem Saale im Hofe mit Füßen getreten, gestampft, geohrfeigt, beinahe in Stücke zerrissen, Haarbüschel ihnen ausgerissen usw. Barthélemy kommt hinzu und sagt von Schramm: C’est un infâme! Il faut l’écraser.[3] Schramm erwidert: Vous êtes un forçat libéré.[4]

An der Keilerei nahmen an 200 Subjekte teil, Deutsche, Franzosen und die Herren fraternals nicht minder „tapfer“ gegen zwei Unbewaffnete.

Post festum läßt sich der Dear [Harney] sehen, und statt energisch aufzutreten, wie es sich gebührte, stottert er, daß er die Leute kennt und will sich auf lange Expositionen einlassen. Natürlich schönes Mittel in solchem Moment.

Die beiden haben sich löwenmütig verteidigt.

Die Windmiller schrien: Der hat unserer Kasse 19 Schilling gestohlen.

Soviel für heute. Qu’en dis-tu, mon cher?[5] Wenn morgen eine Revolution in London ausbricht, werden Willich-Barthélemy unfehlbar zur Herrschaft kommen.

Dein K. M.


[1] Nach und nach, mit der Zeit.

[2] Spion, Spion.

[3] Das ist ein Schandbube, man muß ihn zertreten.

[4] Sie sind ein entlassener Sträfling.

[5] Was sagst Du dazu, mein Lieber.

61

[Ohne Jahresangabe.] Dienstag, 25. Februar [1851].

Lieber Marx!

Gestern vor acht Tagen schickte ich Dir einen Brief für Harney und habe seitdem keine Antwort von Dir, was mich einigermaßen in Verlegenheit setzen könnte, wenn ein Brief von Harney, der jeden Tag ankommen kann, rasche Beantwortung erfordern sollte, oder wenn die Unterhandlungen der hiesigen neuen Chartistenclique, wegen eines Besuchs Harneys hier, zum Ziele führten und er mir eines schönen Morgens auf die Kneipe gerückt käme. Ich hoffe, daß Du alles richtig erhalten hast und daß es nicht Unwohlsein ist, was Dich vom Schreiben abhält. Vielleicht sagt Dir der Brief nicht zu oder die Manier, mit der ich ohne weitere Beratung mit Dir sofort auf eigene Faust handelte. Aber gerade deswegen schickte ich ihn Dir ja, und hattest Du etwas auszusetzen, so war nichts einfacher, als dem Harney einfach sagen zu lassen, er solle vorderhand meinen Artikel nicht drucken lassen, und mir den Brief zurückzuschicken nebst Glossen, which you know would have had all due attention.[1]

Jedenfalls bin ich Dir noch seit längerer Zeit die Antwort auf die Currency-Geschichte[2] schuldig. Die Sache selbst ist meiner Ansicht nach ganz richtig und wird sehr dazu beitragen, die verrückte Zirkulationstheorie auf einfache und klare fundamental facts[3] zu reduzieren. Über die Ausführung in Deinem Brief finde ich nur folgendes zu bemerken:

1. Gesetzt, im Anfang der period of pressure[4] stände die Rechnung der Bank of England, wie Du sagst, 12 000 000 Pfund Deposits[5] und 8 Millionen Bullion oder Coin.[6] Um die überflüssigen 4 Millionen Bullion loszuwerden, läßt Du sie den Diskontosatz herabsetzen. Ich glaube, daß sie das nicht zu tun brauchte, und soviel ich mich erinnere, ist die Herabsetzung des Diskontosatzes im Anfang der pressure bisher nie vorgekommen. Meiner Ansicht nach würde die pressure sofort auf die Deposits wirken und sehr bald nicht nur das Gleichgewicht zwischen Bullion und Deposits herstellen, sondern die Bank zwingen, den Diskontosatz zu erhöhen, damit das Bullion nicht unter ein Drittel der Deposits sinkt. In demselben Maße, wie die pressure zunimmt, stockt auch die Zirkulation des Kapitals, der Umsatz der Waren. Die einmal trassierten[7] Wechsel verfallen aber und wollen bezahlt sein. Daher muß das Reservekapital – die Deposits – in Bewegung gesetzt werden – Du verstehst, nicht qua Currency, sondern qua Kapital, und so wird der einfache Drain of Bullion[8] nebst der pressure von selbst hinreichen, die Bank von ihrem überflüssigen Bullion zu befreien. Dazu ist nicht nötig, daß die Bank ihren Zinsfuß unter Verhältnissen herabsetzt, die den allgemeinen Zinsfuß im ganzen Lande gleichzeitig steigern.

2. In einer Periode der wachsenden pressure würde, wie ich glaube, die Bank in demselben Maße das Verhältnis des Bullion zu den Deposits steigern müssen (um nicht in Verlegenheit zu kommen), in welchem die pressure zunimmt. Die vier überzähligen Millionen würden ihr ein gefundenes Fressen sein, und sie würde sie so langsam ausgeben wie nur möglich. Bei steigender pressure würde, unter Deinen Voraussetzungen, ein Verhältnis des Bullion zu den Deposits wie 2/5 : 1, 1/2 : 1 und selbst 3/5 : 1 durchaus nicht übertrieben sein, und um so leichter durchzuführen, als mit der Abnahme der Deposits auch die Bullionreserve absolut abnehmen, wenn auch relativ zunehmen würde. Der run[9] auf die Bank ist hier ebenso möglich wie beim Papiergeld und kann durch ganz gewöhnliche Handelsverhältnisse herbeigeführt werden, ohne daß der Kredit der Bank erschüttert wäre.

3. „Die Currency wird zuletzt berührt,“ sagst Du. Deine eigenen Voraussetzungen, daß sie infolge des stockenden Geschäftes berührt wird und dann natürlich weniger Currency nötig ist, führen zu dem Schlusse, daß die Currency sich gleichzeitig mit der Aktivität des Commerces vermindert und ein Teil derselben überflüssig wird in dem Maße, wie die pressure steigt. Fühlbar wird sie freilich erst am Ende, bei hoher pressure, vermindert; aber im ganzen geht doch dieser Prozeß vom Beginn der pressure an vor sich, wenn er sich auch nicht tatsächlich im einzelnen nachweisen läßt. Aber insofern, als dies superseding[10] eines Teiles der Currency Folge der übrigen kommerziellen Verhältnisse, der von der Currency unabhängigen pressure ist, und alle anderen Waren und Handelsverhältnisse vor ihr davon betroffen werden, und ebenfalls insofern diese Abnahme bei der Currency zuletzt praktisch fühlbar wird, insofern wird sie allerdings zuletzt von der Krise berührt.

Diese Glossen, wie Du siehst, beschränken sich rein auf Deinen modus illustrandi;[11] die Sache selbst ist vollständig in Ordnung.

Dein F. E.


[1] Denen, wie Du weißt, alle gebührende Beachtung zuteil geworden wäre.

[2] Currency = Umlaufsmittel, Geldwährung.

[3] Grundlegende Tatsachen.

[4] Periode des [Geschäfts-]Drucks.

[5] Einlagen, Einzahlungen.

[6] Bullion = ungemünztes Geldmetall, Coin = Metallgeld.

[7] Gezogenen.

[8] Abfluß von Geldmetall.

[9] Ansturm.

[10] Verdrängung.

[11] Art der Veranschaulichung.

62

Mittwoch, 26. Februar 1851.

Lieber Marx!

Dein Brief vom 23., gestempelt 25., kam mir heute morgen zu. Adressiere in Zukunft immer an mich, care of Messrs. Ermen & Engels, Manchester. Die Briefe kommen mir sicherer zu und rascher, da ich oft unregelmäßig nach Hause komme und die Postbeamten ohnehin zuweilen die nach meiner Wohnung adressierten Briefe mir ins Comptoir zuschicken, wo ich jedenfalls einmal per Tag bin. Benutze womöglich die erste Londoner Abendpost – bis 6 von Charing Croß, oder bis 1/26 in den kleinen Bureaus, die Briefe sind dann sicher den nächsten Morgen um 10 Uhr auf dem Comptoir.

Den Brief von Dronke hast Du vergessen beizuschließen. Schicke ihn mir bald, ich möchte ihm schreiben, speziell um die Korrespondenz mit Lupus wieder anzuknüpfen, von dem ich gar nicht mehr weiß, wo er ist, da ich auf alle meine Briefe keine Antwort erhalte. Wenn Du vorziehen solltest, das Porto für auswärtige Briefe sowie die Frankatur nicht zu tragen, so schicke sie mir zu oder lasse sie an mich adressieren, ich werde es der Firma zuschieben.

Der Constitutionnel sagt, D’Ester sei aus der Schweiz ausgewiesen und habe sie bereits verlassen – en sais-tu quelque chose?[1]

Dein Atlas ist gerettet. Ich habe mich schließlich geweigert, ihn zu verkaufen, und behalte ihn einstweilen hier, da ich ihn sehr brauche, ich lese jetzt die Geschichte des Consulats und Empire in französischen und englischen Historikern, speziell militärisch. Das Beste, was ich bis jetzt in dieser line[2] gefunden habe, ist W. P. Napiers (jetzt General) History of the war in the Peninsula.[3] Der Kerl hat seine Marotten wie alle Napiers, aber daneben enorm viel common sense[4] und, was mehr ist, einen sehr richtigen Blick in Beurteilung des militärischen und administrativen Genies Napoleons. Ein Franzose wäre rein inkapabel, so ein Buch zu schreiben. Der Thiers steht, was historische Zuverlässigkeit und selbst richtige Beurteilung angeht, nicht die Laus höher als der elende Tory Southey, poet laureate[5] selig, der auch eine Schimpf- und Rodomontiergeschichte des spanischen Kriegs geschrieben hat. Napier streicht nur seinen Obergeneral Wellington zu sehr heraus, doch bin ich noch nicht weit genug in der Darstellung avanciert, um definitiv darüber urteilen zu können.

Die Mitteilungen über die citoyens[6] Louis Blanc und Harney werde ich mir ad notam nehmen. Von letzterem habe ich noch nichts gehört. Er muß es übrigens jedenfalls zu fühlen bekommen, wenn er sich wieder meldet. Was den kleinen Blanc angeht, so könnte es nicht schaden, wenn wir bei nächster Gelegenheit einmal seine œuvres complètes[7] vornähmen – Du die Organisation du travail und die Histoire de la Révolution,[8] ich die Dix ans, sauf à critiquer ensemble l’Association du travail mise en pratique après Février, et les „Pages d’histoire“.[9] Ostern komme ich nach London, und da ließe sich schon einiges machen. Die Sachen selbst wären in belgischem Nachdruck hier wohlfeil zu haben. Da mir mein Manöver mit meinem Alten vollständig gelungen ist, wenigstens bis jetzt, so kann ich mich hier definitiv häuslich niederlassen und werde mir ohnehin von Brüssel meine Bücher kommen lassen. Wenn Du Dir vielleicht von Köln einiges kommen zu lassen hast, so lasse mich’s wissen, ich schreibe dieser Tage an Daniels wegen meiner Sachen, und wir können es dann in einem Paket machen lassen. NB. Alles, nur keine englischen, auf dem Kontinent nachgedruckten Bücher. Die Entwicklung der Geschichte mit meinem Alten und das neue Manöver, das ich anspinnen mußte, einerseits, um meine Unentbehrlichkeit hier zu verlängern, und zweitens, um mich vor zu großer Überbeschäftigung auf dem Comptoir zu schützen, erzähle ich Dir mündlich, in sechs Wochen ist ohnehin Ostern, und die Sache ist umständlich. So viel ist gewiß, daß mein Alter mir das alles schon in bar bezahlen soll, besonders wenn er erst hier gewesen ist und ich ihn noch mehr hereingeritten habe. Die Schwierigkeit ist die: eine offizielle Stellung als Repräsentant meines Alten den Ermens gegenüber zu bekommen und doch innerhalb der hiesigen Firma keine offizielle Stellung mit Verpflichtung zum Arbeiten und mit Salär von der Firma zu haben. Ich hoffe es aber durchzuführen, meine Geschäftsbriefe haben meinen Alten enchantiert,[10] und er rechnet mir mein Hierbleiben als ein großes Opfer an. Ceci me vaut, ou me vaudra sous peu, £ 5 additionnelles par mois, sauf additions futures.[11]

Dein F. E.

Vergiß nicht, mir zur Ergötzung in meiner Einsamkeit die Kölner Witze zu schicken, sobald Du sie hast und gelesen hast.


[1] Weißt Du etwas darüber?

[2] Richtung, Gebiet.

[3] Geschichte des Krieges auf der Halbinsel [Spanien und Portugal].

[4] Gesunden Menschenverstand.

[5] Preisgekrönter Dichter [Hofdichter].

[6] Bürger.

[7] Sämtliche Werke.

[8] „Organisation der Arbeit“ und „Geschichte der [großen französischen] Revolution“.

[9] [Geschichte der] „Zehn Jahre“, neben gemeinschaftlicher Kritik der [Art, wie die] „Organisation der Arbeit“ nach dem Februar [1848] in die Praxis übersetzt wurde, und der [Schrift] „Seiten aus der Geschichte“.

[10] Entzückt.

[11] Das bedeutet für mich oder wird in kurzem für mich bedeuten fünf Pfund Zulage den Monat, vorbehaltlich späterer Zulagen.

63

26. Februar 1851.

Lieber Engels!

Ich habe Dir in den Briefen von Pieper und Schramm die Tatsachen von den Beteiligten selbst erzählen lassen. Du wirst Dir so am besten ein eigenes Urteil bilden. Unbegreifliche lâcheté[1] von seiten der 200 fraternal murderers, die ihren revolutionären Tatendrang an zwei einzelnen auslassen, unbegreifliche lâcheté des Dear, des Landolphe, des Louis Blanc usw., ruhig zuzusehen und ihre fraternellen Phrasen zu memorieren.

Eins noch aus der Unterredung Schramms mit Harney: Harney hob hervor, daß Schapper ein „langjähriger Bekannter“ von ihm sei und, während wir in Brüssel gewesen, in sehr intimem Verhältnis mit ihm gestanden.

Apropos. Den ganzen Rapport über das Meeting hatten die Herren Louis Blanc und Konsorten schon den Tag vorher an ein Pariser Blatt abgeschickt.

Die gerichtliche Prozedur würde Louis Blanc ruinieren. Du denkst Dir, welches Fressen für die Times, namentlich da Barthélemy, der galérien, der meurtrier[2] usw., als Angeklagter und provocateur à l’assassinat[3] erscheinen würde. Barthélemy sagte nämlich mitten in der Keilszene, auf Schramm zeigend: „C’est un infâme, il faut l’écraser.[4] – Das Gerichtliche hat nur den schlimmen Effekt: Harneys und Jones’ projektiertes Blatt ist Klatsch, Harney und die Fraternals sind Klatsch, die Times wird jubilieren, Pieper wird seine Stelle verlieren (er ist nobel genug, nichts danach zu fragen) und Schramm usw. werden schließlich doch die gesamten Chartisten auf den Hals brechen. Que faire?[5] Ich werde morgen mit Jones darüber sprechen. Freund Harney scheint sich mit Schapper darauf zu verlassen, daß die Sache ruhig vorübergeht. Er hat es daher nicht der Mühe wert gehalten, die nötigen steps[6] uns gegenüber zu tun und die nötigen Konzessionen zu machen. Der Esel erschwert so die Situation. Ungerochen kann man diesen Dreck doch nicht vorübergehen lassen.

Wenn Harney Dir schreibt, nimm Dich nur vor einem in acht. Du hast in Deinem Brief zu sehr verweilt auf der theoretischen Kritik Ledru-Rollins und Louis Blancs. Harney macht jetzt, als verlangten wir, daß er unsere queue[7] bilden solle. Es ist ihm vor allem vorzuhalten:

1. daß es sich ganz allein handelt um sein Verhältnis zu Schapper und Willich, indem er unseren direkten persönlichen hundskommunen Feinden sich als Anhang konstituiert hat und, so viel Gewicht er hat, für sie gegen uns in die Wagschale vor Deutschland geworfen. Und hatte er nicht mit uns schriftlich die Verbindung mit Vidil, mit Barthélemy und mit Willich abgebrochen? Und wie konnte er sie aufnehmen ohne uns, hinter unserem Rücken und wider unseren Willen! Wenn das fair ist, so begreife ich es nicht.

2. Er hat uns verleugnet, indem er nach dem Vorfall mit Schramm und Pieper nicht sofort öffentlich in dem Meeting eine Revanche gab und dann sich sofort zurückzog. Statt dessen tut er bei seinen Freunden alles, um die Sache irrelevant darzustellen.

Einliegend den Brief von Dronke. Du wirst ihm ausführlich die ganze Schmiere, das Neueste eingeschlossen, schreiben. Ich habe eine Masse nach Köln, Hamburg usw. zu schreiben.

Wenn heute der Brief nicht frankiert ist, mußt Du entschuldigen. Es ist zu spät, nach stamps[8] auszugehen, und es ist notwendig, daß der Brief noch heute abend auf die Post kommt.

Dein K. Marx.


[1] Feigheit.

[2] Der Galeerensträfling, der Mörder.

[3] Aufreizer zum Mord.

[4] Das ist ein Schandbube, man muß ihn zertreten.

[5] Was ist zu tun?

[6] Schritte.

[7] Schwanz, Anhang.

[8] Briefmarken.

64

[Undatiert, jedenfalls 26. Februar 1851.]

Lieber Marx!

Soeben finde ich Deinen zweiten Brief vor. Ich habe sofort einen zweiten an Harney geschrieben; wenn Du ihn billigst, laß ihn ihm gleich zukommen. Diese Schweinerei ist zu arg, und er muß es fühlen. Wenn er sich mit den anderen assoziiert, tant pis pour lui, I care the devil.[1]

Nachts 1 Uhr. Mittwoch.

Dein F. E.

Ich habe keine stamps,[2] und da ich den Brief jetzt noch zur Post trage, kann ich ihn nicht mehr frankieren.


[1] Um so schlimmer für ihn, ich frage den Teufel nach ihm.

[2] Briefmarken.

65

Donnerstag, 27. Februar 1851.

Lieber Marx!

Gestern abend 12 Uhr, als ich nach Hause kam und Deinen Brief mit der Erzählung der Infamie gegen Schramm und Pieper vorfand, schickte ich Dir sofort einen Brief für Harney. Du wirst diesem Brief, der unsicheren Handschrift, der pathetischen Entrüstung, dem polternden und stolpernden Gedankengang und der nicht sehr großen Harmonie des Ganzen angesehen haben, daß er unter dem Einfluß einiger Gläser starken Rumpunsches abgefaßt war, die ich den Abend ausnahmsweise zu mir genommen hatte, und ihn daher nicht abgeschickt haben. In fact,[1] ich war so wütend, daß ich nicht hätte zu Bett gehen können, ohne ihn abzuschicken, und so rannte ich, mehr um mich selbst zu beruhigen, als in der Absicht, dem Harney meine Meinung schleunigst zukommen zu lassen, noch um 1 Uhr auf die Post. Du wirst den Brief heute gegen Mittag bekommen haben, und da heute vor Abend keine Post ist, so war es mir unmöglich, einen zweiten Brief vor dem gegenwärtigen abzuschicken. Ich schließe Dir nun einen verbesserten Brief an Harney bei, den Du ihm zustellen willst, wenn Du, wie ich hoffe, den ersten noch nicht spediert hast.

Briefe adressiere mir zukünftig wie folgt:

1. Alle Briefe, die Du vor 6 Uhr abends auf das Charing Croß Office, oder vor 1/26 auf die Nebenbureaus besorgst, aufs Kontor (Ermen & Engels). Ich habe sie dann morgens um 10.

2. Alle Briefe, die Du nach 6 Uhr abends noch aufgibst, nach Great Duciestreet. Ich habe sie dann nächsten Abend um 6 Uhr, während ich sie auf dem Comptoir erst den [über]nächsten Morgen haben würde.

Hühnerb[ein] schrieb mir dieser Tage. Mirbach ist glücklich durchgebrannt und geht von Paris [mit] seiner Frau nach Athen.

Dein F. E.


[1] In der Tat.

66

Freitag 28. Februar 1851.

Lieber Marx!

Heute morgen erst kam Dein Brief von vorgestern an. Hätte ich diese Details alle schon gestern gehabt, ich hätte dem dear[1] Harney noch ganz anders geschrieben. Aber er wird mir schon kommen, und da werd’ ich’s ihm geben.

Eine gerichtliche Verfolgung dieser Geschichte ernstlich einzuleiten, könnte, glaube ich, nicht viel nutzen. Abgesehen von Harney und Jones und den Chartisten, würde die Geschichte auf gegenseitige Rekriminationen und Anschuldigungen hinauslaufen. Mit Hilfe des ersten besten Advokaten würden die anderen den Schramm und Pieper die unverschämtesten Fragen vorlegen lassen, zum Beispiel, ob Schramm nicht Kassengelder der Great W[indmillstreet] gestohlen usw. usw., die hinreichen würden, um allen Effekt zu verderben, so energisch sie auch zurückgewiesen würden. Die Gegenzeugen würden schwören, Schramm habe das und das gesagt, sie würden auf einige Great Windmillszenen Schramms zurückkommen und diese ins Kolossale übertreiben, um Schramm als einen disturber of public meetings[2] darzustellen usw., und der magistrate,[3] zu glücklich, die demagogues[4] sich gegenseitig als Schufte traktieren zu sehen, würde alles zulassen, was auf beide Parteien kompromittierenden Schein werfen könnte. – – –

Und dann wäre die sichere Folge eines solchen Skandals die Einführung einer neuen Fremdenbill, zum Schutz der honetten Reaktionäre, die vom Kontinent für die Exhibition kommen.

Gerade Postzeit. Adieu!

Dein F. E.


[1] Lieben, teuren.

[2] Störer öffentlicher Versammlungen.

[3] Polizeirichter.

[4] Demagogen, Volksaufwiegler.

67

Samstag, 1. März 1851.

Lieber Engels!

Du mußt ganz absonderliche Postgäule besitzen, da alle meine Briefe zu spät kommen. – – –

Deine sämtlichen Befürchtungen wegen Skandal richtig. Aber man wird einen scharfen Advokaten auch seinerseits haben. Etwas mehr oder weniger Verruf kann dem Schramm ganz gleichgültig sein. Läßt er aber die Sache auf sich beruhen, jetzt, nachdem die Franzosen der Churchstreet sich darin eingemischt, so ist er perdu,[1] wenn er nicht entweder seine öffentliche Satisfaktion von den Chartisten erhält oder wenn er die Sache nicht vor Gericht bringt. Eins von beidem.

Jones, wie ich Dir geschrieben, war nicht auf dem Meeting vom Montag. Ich hatte mit ihm eine Zusammenkunft in meinem Hause verabredet, stürzte aber schon Dienstag hin, traf ihn nicht, ließ ihm ein Billett zurück, doch ja Mittwoch zu kommen. Kam nicht. Ging Donnerstag hin. Wurde abgewiesen. Ließ ein Billett zurück, worin ich ihn einlud. Kam nicht. Donnerstag abend schrieb ich ihm einen ausführlichen Brief, worin ruhig, einfach, klar der ganze Skandal von Anfang an entwickelt, ihm die eklige Folge in der Perspektive gezeigt, öffentliche Satisfaktion verlangt und er schließlich aufgefordert wird, mich zu besuchen zur Besprechung. Kömmt nicht, obgleich er in der Stadt war, auch kein Antwortschreiben von ihm. Jones ist also offenbar von dem kleinen schottischen Intriganten bearbeitet, der fürchtet, ihn mit mir zusammenzulassen. Du siehst also: von seiten der Chartisten keine Aussicht auf öffentliche Satisfaktion. Bleibt nur die gerichtliche Prozedur. Adviendra que pourra.[2] Unangenehm nur, weil Pieper seine Stelle dabei verliert und wir vielleicht plus ou moins[3] den chartistischen Mob auf den Hals bekommen.

Es ist nur noch Ein Mittel, die Sache zu arrangieren, ohne es zum äußersten Skandal zu treiben, und das ist, wenn Du unmittelbar, aber ohne Verzug, herkömmst. Du könntest bei mir absteigen, da ich jetzt zwei Zimmer zugemietet. Anderes Mittel, erkläre ich Dir definitiv, gibt es nicht. Briefe verwirren, verschleppen, richten nichts aus.

Dein K. M.


[1] Verloren.

[2] Möge kommen, was da kann.

[3] Mehr oder weniger.

68

8. März 1851.

Lieber Engels!

Heute nur ein paar matter of fact[1] Zeilen.

Du hast gesehen, die Times hat die Sauce nicht aufgenommen. Mais ça ne nous regarde plus.[2]

Harney hatte schon vorgestern morgen an Schramm geschrieben. Der Bummler ging um 9 Uhr morgens aus und kam um 1 Uhr abends nach Hause. So fand er den Brief erst gestern.

Harney nimmt seine Erklärung auf. Hat ein genügendes Vorwort dazu geschrieben. Schreibt dem „dear Schramm“ und erinnert ihn, daß er nun auch seine Verpflichtung halte und sich nicht an das police court[3] wende – dieses Dokument vis-a-vis den Franzosen.

Gestern brachte die Patrie (heute der Constitutionnel) eine Erklärung der Herren Blanc, Barthélemy, Schapper, Willich und des ganzen übrigen Komitees, worin die Herren sagen, Blanqui habe den Toast an kein Mitglied des Komitees geschickt. Die Patrie bemerkt dazu: sie habe das nicht aufnehmen wollen, ohne vorher Erkundigungen einzuziehen. Und da habe ihr denn Herr Antoine – Blanquis Schwager – folgendes zugeschickt: Der Toast sei dem mitunterzeichneten Barthélemy zugesandt und der Empfang desselben von ihm bescheinigt worden. Du begreifst, welches Wehrufen in diesem Lager herrscht!

Mais ce n’est pas tout.[4]

Wolff schickte also gestern morgen Wdloff [?] mit einem Originalengländer zu Landolphe. Der Kerl hat sich als dekonzertierter[5] Grec[6] benommen, erst geheult, deklamiert, phrasiert, jouiert,[7] mit Armen und Beinen auseinandergeschlagen und fiel dann zurück in seines Nichts durchbohrendes Gefühl der Feigheit. Wird heute abend vor den elenden Crapauds[8] der Churchstreet protokolliert werden.

Dein K. M.

Ich habe von Becker Willichs Briefe erhalten. Du bekommst sie Dienstag.


[1] Tatsächlichkeit.

[2] Aber das kümmert uns nicht mehr.

[3] Polizeigericht.

[4] Aber das ist nicht alles.

[5] Außer Fassung gebrachter.

[6] Falschspieler.

[7] Gespielt.

[8] Kröten, Gesindel.

69

Montag, 10. März 1851.

Lieber Marx!

Heute morgen kommt einliegender Brief von Weerth an, den ich Dir gleich schicke. Die Geschichte zwischen Schramm und Harney ist also jetzt gesettled [erledigt]. Wenn Du den Bummler dafür kriegen kannst, laß ihn jetzt dem Harney eine Kopie der Übersetzung des Blanqui-Toasts zuschicken, cela fera son effet.[1] Es wird überhaupt gut sein, wenn er, der ja jetzt mit Harney wieder auf dem besten Fuß steht, die Verbindung mit ihm aufrecht erhält. Harney hat immer ein Blatt. Eine Kopie des Artikels, der an die Times geschickt war, könnte ebenfalls an Blanqui nach Belleisle geschickt werden. Schramm sollte in dieser Angelegenheit nicht zu nachlässig sein – er deckt sich dadurch den Rücken nach verschiedenen Seiten hin. Morgen Geld.

Dein F. E.

Barthélemy ist schön blamiert – das ist ein Trost.

Laß Schramm die ganze Historie dem Harney schriftlich mitteilen. Dann haben wir given notice,[2] und das ist immer ein Punkt, der später von Gewicht sein kann.


[1] Das wird seine Wirkung haben.

[2] Kündigung [Warnung] gegeben.

70

17. März 1851.

Lieber Marx!

Ich habe einen höchst ennuyanten Anfall von Grippe gehabt, der mich zu allem Vernünftigen und Unvernünftigen unfähig machte, daher mein Schweigen. Ich konnte Dir bloß die Post Office Ordre vorige Woche schicken – Du wirst sie erhalten haben. Die 5 Schilling gehören Lenchen, die gerade abwesend war, als ich mein Exit aus Deinem Hause machte. Wenn es irgend angeht, schicke ich Dir diese oder spätestens nächste Woche die 2 Pfund für Hipphipphurra [Harney], Schramm kann sie ihm hinbringen. Da ich bisher auch von Dir – seit ich Dir Weerths Brief schickte – nichts zu sehen bekommen habe, so weiß ich natürlich von nichts weiter und warte auch noch immer auf die edlen Willichschen Briefe. Den Friend of the People mit Schramms Erklärung habe ich nicht gesehen, dies Ding kommt hier sehr unregelmäßig an; laß mir doch von Schramm ein Exemplar sous bande[1] zuschicken, er wird sich gewiß leicht eins verschaffen können, wenn er keines disponibel haben sollte. Daß der Landolphe sich schließlich als ein Poltron herausgestellt hat, ist sehr angenehm zu erfahren, auf den berühmten Brief von ihm warte ich noch immer.

Ich ärgere mich hier scheußlich über die dummen Einrichtungen, die mir ein regelmäßiges und geordnetes Ochsen fast ganz unmöglich machen. An die eine Bibliothek kann ich nicht kommen, die andere, öffentliche, enthält die Sachen, die mich jetzt zunächst interessieren, nur sporadisch, und die Stunden konvenieren mir nicht; so daß mir nichts bleibt als das elende Athenäum, wo man nie etwas bekommen kann und wo die Bibliothek sich in der scheußlichsten Unordnung befindet. Dem Napier laufe ich zum Beispiel wieder vergeblich nach, und es dauert immer 2 bis 3 Wochen, bis man einen folgenden Band auftreiben kann. Aus Verzweiflung habe ich mir Ciceros Briefe genommen und studiere darin das règne de Louis Philippe[2] und die Korruption des Direktoriums. Eine höchst heitere chronique scandaleuse.[3] Der Cicero ist wirklich unbezahlbar; Professor Krug und Sebastian Seiler in einer Person. Eine gemeinere Canaille wie diesen Kerl haben die Reihen der Biedermänner seit Anbeginn der Welt nicht aufzuweisen. Ich werde mir dies anmutige Büchlein gehörig exzerpieren. Ohne Mehreres für heute.

Dein F. Engels.


[1] Unter Kreuzband.

[2] Regierung Louis Philipps.

[3] Skandalchronik.

71

London, 17. März 1851.

Lieber Engels!

Ich habe eine Woche nicht geschrieben. Einmal hatte ich selbst die Grippe zur Wahlverwandtschaft, und dann criblé de petites misères,[1] die alle in dieser verhängnisvollen Woche zum Ausbruch kommen.

Einliegend erhältst Du die heiteren Briefe des Ritters von Willich.

In dem Heinzenschen Schimpfblatt steht eine angebliche Korrespondenz aus Paris, hier in London fabriziert, worin, wie es sich von selbst versteht, erstens wir beide angegriffen werden, dann Rudolph Schramm, der Deputierte, „weil er ohne Anstand das Geld seiner Frau verzehrt“, und die „Halbmenschen Tausenau, Julius und Bucher“; schließlich, und sehr bitter, der große Kinkel. Heinzen verzeiht ihm die Konkurrenz im Bettel nie und nimmermehr. Gelobt wird nur der große Ruge und Struve. Ruge läßt in diesem Brief aus Paris schreiben, daß er von Brighton nach London eine eintägige Ausflucht gemacht hatte. Dieser Klatschartikel ist dadurch entstanden, daß Heinzen Klatsch aus einem Privatbrief von Ruge und einem Privatbrief von Bamberger, also ganz entgegenstehende Anschuldigungen, zusammengeworfen und ediert hat.

Bei dem großen Bankett, wo Ruge als der „unendliche Dumme“ auftrat – Wolff und Liebknecht waren Ohrenzeugen –, fand sich kein Berliner oder Frankfurter Deputierter ein. Sie wollen keine Hegemonie Ruge-Struve. Die Clique R. Schramm, Graf Reichenbach (der Frankfurter, nicht der Bart der Partei) und Oppenheim, Bucher, endlich Julius auf eigene Faust, intrigieren alle wieder gegen die Dummheitsgötter. Natürlich aus erhabenen Gründen. Je vous dis, de la merde, la merde tout pure, toute cette canaille là.[2]

Kinkel, der die Infamien gegen uns drucken läßt, sprach in seiner rotsaffianledernen Weise auf dem Bankett ein Wort der wehmütigen Versöhnung „von dem einfachen Verfassungskämpfer an bis zum roten Republikaner“. Alle die Esel, während sie für Republik, und Kinkel sogar gelegentlich für rote Republik ächzten, krochen der englischen Konstitution servilstens in den Hintern, ein Widerspruch, worauf sie sogar das unschuldige Morning Chronicle als Mangel an Logik aufmerksam zu machen geruhte.

Von Landolphe nichts weiter. Er trägt das Bewußtsein des enthüllten Grec gelassen als „homme d’honneur[3] mit sich herum.

Die Blanqui-Komödie war noch nicht beendet. Der ancien capitaine[4] Vidil schickte eine Erklärung in die Patrie, worin er erzählt, sein Ehrgefühl und Wahrheitsinstinkt dringen ihm die Erklärung ab, daß Louis Blanc, alle anderen und er selbst gelogen haben in der ursprünglichen Erklärung; das Komitee habe aus 13, nicht aus 6 Personen bestanden. Ihnen allen sei der Toast Blanqui vorgelegt, von ihnen allen sei er diskutiert worden. Er habe sich unter den Sechs befunden [die für Verlesung des Toastes gestimmt hatten]. Der noble Barthélemy, der diesen Brief nicht gelesen, schickt einige Tage später ebenfalls eine Erklärung an die Patrie, er habe den Toast erhalten, den anderen nicht mitgeteilt, konstituiert sich so als dreifachen Lügner. Die Patrie, indem sie diesen Brief mitteilt und am Schlusse erklärt, sie werde nichts mehr von diesen Eseln aufnehmen, macht folgende Vorbemerkung:

[Marx hat das nun folgende Stück im „Ritter vom edelmütigen Bewußtsein“ selbst wie folgt übersetzt]: „Wir haben uns oft gefragt, und die Frage ist schwer zu beantworten, was bei den Demagogen größer sei, ihre Ruhmredigkeit oder ihre Dummheit. Ein vierter Brief von London vermehrt noch unsere Verlegenheit. Da sind ihrer, wir wissen nicht wie viele arme Teufel in einem solchen Grade gemartert von der Wut, zu schreiben und ihren Namen in den reaktionären Blättern genannt zu sehen, daß sie selbst vor einer grenzenlosen Beschämung und Selbstherabsetzung nicht zurückschrecken. Was liegt ihnen am Gelächter und der Indignation des Publikums – das Journal des Débats, die Assemblée Nationale, die Patrie werden ihre Stilübungen abdrucken; um dies Glück zu erreichen, ist der kosmopolitischen Demokratie kein Preis zu hoch .... Im Namen der literarischen Commiseration [Mitleid] nehmen wir daher den folgenden Brief des Bürgers Barthélemy auf; er ist ein neuer und wir hoffen der letzte Beweis für die Echtheit des nur zu berühmten Toastes Blanquis, den sie erst alle geleugnet und für dessen Beteuerung sie sich jetzt untereinander in die Haare geraten.“

Ist das nicht superb?

Ich habe Deine Post Office Ordre erhalten. Wenn Du solche Zinsen in Deinem Commerce zahlst, müssen entweder Deine Profite oder Deine Verluste enorm sein.

Vergiß nicht an Dronke zu schreiben. Gabler ist tot. Also eingelegt an Th. Schuster ist Frankfurt.

Dein K. Marx.


[1] Bis über die Ohren von kleinlichen Nöten überhäuft.

[2] Ich sage [Euch] Dir, Dreck, absoluter Dreck, dieses ganze Canaillentum.

[3] Ehrenmann.

[4] Hauptmann außer Diensten.

72

Mittwoch, 19. März 1851.

Lieber Marx!

Die Geschichte mit dem Toast Blanqui entwickelt sich wirklich über die Maßen schön. Die Erklärung Vidils ist gegenüber Louis Blanc unbezahlbar – der Kerl vor Frankreich und England als gemeiner Lügner hingestellt. Der Barthélemy hat sich wunderbar hineingeritten. – Eine Stelle Deines Briefes verstehe ich nicht. Vidil erklärt, das Komitee habe aus 13, nicht aus 6 Personen bestanden ... er habe sich „unter den sechs befunden“. Wer sind die sechs? Die Unterzeichner der ersten Erklärung oder etwa die Fraktion, die für Vorbringung des Toastes Blanqui stimmte?

Der Klatsch unter den Deutschen ist auch angenehm. Ich sah den Report des Banketts in der Daily News – da das Ding respektabel war, so hat sich diesmal ja auch Mazzini nicht geniert, hinzugehen. „Der General Haug in the chair!“[1] Dieser Kerl verspricht eine Karikatur des Generals Dubourg von 1830 zu werden. Nach der Annonce in der Times zu urteilen, ist Göhringers Golden Star Tavern jetzt sehr respektabel. Da ich doch den Klatsch all zusammen haben muß, so wäre es nicht übel, einmal eine Patrouille dort rekognoszieren zu lassen – il s’en trouvera bien un qui voudra mettre son nez dans cette merde là, même au risque d’être mis à la porte.[2]

Last – but not least[3] haben die Willichiana sehr zur Erheiterung meines heutigen Frühstücks beigetragen. Dieser Schafskopf! Wie der den Schr[amm]schen Brief als Antwort auf seinen ersten ansehen konnte, ist mir wirklich kaum begreiflich. Aber die Chance der Militärdiktatur in der Rheinprovinz ohne Presse, die ihn schikanieren könnte, sapristi,[4] das mußte diesem vernagelten Rindvieh den Kopf natürlich verdrehen. Neiner capitaine d’armes[5] und Feldwebel! Die soziale Revolution vermittels der Pauperverpflegung der Familien der Landwehr, die Statistik reduziert auf ein Register der „Vorräte, Viehe, Transportmittel und Mannschaften“! Dieser Revolutionsplan schlägt den früheren, mit 5000 Mann Deutschland zu erobern, gänzlich platt. Wenn der Landwehr das nicht einleuchtet, so müßte man ja an der Menschheit verzweifeln. „Ich würde einige Männer mitbringen, andere berufen“ – weißt Du, was der Kerl vorhatte? „Der Bürger Karl Marx ist berufen, binnen 48 Stunden in Köln sich zu stellen und die Leitung des Finanzwesens und der gesellschaftlichen Reformen unter Aufsicht und Kontrolle des Bürgers Gebert zu übernehmen. Ungehorsam gegen diesen Befehl und jede Widersetzlichkeit oder Räsonieren, sowie unziemliche Witze werden mit dem Tode bestraft. Der Bürger Marx wird zur Bewachung einen Unteroffizier und sechs Mann erhalten.“ – Und wie spricht der Kerl von N. N.! „Nous ne voulons plus de jouisseurs![6] Also selbst der spartanische pot half and half[7] und die Widerstandslosigkeit bei Frauen gelten dem Feldwebel schon für Sybaritismus.

Aber worauf antwortet Willich in dem dritten, jubelnden, siegesgewissen, nur am Geld hapernden Brief? Hat ihm Schramm einen zweiten geschickt oder hatte Becker auf Willichs zweiten Brief geantwortet? Explique moi cela[8] und sage, ob Du die Sachen jetzt zurückhaben mußt; ich behielte sie gerne einstweilen noch hier, um gelegentlich die nötigen Notizen zu machen.

Die Eisenbahnspekulation wird wieder brillant – seit dem 1. Januar die Aktien meist 40 Prozent gestiegen, und die schlechtesten am meisten. Ça promet![9]

Dein F. Engels.


[1] Auf dem [Präsidenten-]Sitz.

[2] Es wird sich wohl jemand bereit finden, seine Nase in jenen Dreck zu stecken, selbst auf die Gefahr, vor die Tür gesetzt zu werden.

[3] Schließlich, aber nicht zum wenigsten.

[4] Potztausend.

[5] Kammerunteroffizier.

[6] Wir wollen keine Genußmenschen mehr haben.

[7] Maß halb [Ale] und halb [Porter].

[8] Erkläre mir das.

[9] Das verspricht!

73

22. März 1851.

Lieber Engels!

Ich habe Dir durch Pieper oben das famose Aktenstück abschreiben lassen. Unter dem Vorwand, die Mazzinische Anleihe garantiert zu haben, verlangt Ruge Geld, um es in „öffentliche Meinung“ umzusetzen. Unter den „Preußen“ hier, Bucher, Elsner, Zimmermann usw., herrscht große Entrüstung über dieses „starke Provisorium“.

Was die „sechs“ angeht, die Dir solchen trouble[1] machten, so waren diese sechs Landolphe und Blanc, Willich und Schapper, Barthélemy und Vidil, kurz die sechs Matadore; Ungarn, Polen usw. nicht zugezogener Mob figurierten nicht.

In dem dritten Brief antwortet Willich auf nichts als seinen eigenen Gedankensprecher. N’a reçu ni lettre ni rien de la part des Becker et des Schramm.[2] – – –

Der eigentliche contriver [Macher] des deutschen Centraldodge[3] ist der unermüdliche, lederartige Hühneraugenoperateur und Grasfresser Struve. Der Kerl treibt nur sein altes Handwerk, mit Kranioskopie, Moral und dergleichen Allotriis die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Marktschreier, noch dazu mit einer heiseren Kehlkopfstimme. Er hat während der letzten 25 Jahre ein „demokratisches Staatslexikon“ geschrieben und eine „demokratische Weltgeschichte“, beides nichts als das eine der ins Struvesche übersetzte Welcker-Rotteck, das andere der demokratisch paraphrasierte Rotteck. Und Ruge ist so tief gesunken, daß er am Druck dieses Blödsinns in Deutschland nur durch eine mitleidige Polizei aufgehalten worden ist.

Dein K. Marx.

Jones war vor ein paar Tagen bei mir und gratuliert sich namentlich nach den neuesten Enthüllungen, daß ich ihn vor der Teilnahme an dem Bankett gerettet habe.


[1] Beschwerden.

[2] Hat von den Becker und Schramm weder Brief noch sonst etwas erhalten.

[3] Zentralschwindel [das Zentralkomitee der deutschen Flüchtlinge ist gemeint].

74

28 Deanstreet, Soho, 31. März 1851.

Lieber Engels!

Während Du Kriegsgeschichte treibst, führe ich einen kleinen Krieg, in dem ich by and by[1] zu unterliegen drohe, und woraus weder Napoleon noch selbst Willich – der kommunistische Cromwell – einen Ausweg gefunden haben würden.

Du weißt, daß ich am 23. März 31 Pfund 10 Schilling an den alten Bamberger und am 16. 10 Pfund an den Juden Stiebel zu zahlen hatte, alles auf kursierende Wechsel. Ich hatte erst bei meiner Schwiegermutter durch Jenny direkt anfragen lassen. Die Antwort darauf war, daß Edgar mit dem Rest von Jennys Geld wieder nach Mexiko expediert worden ist und ich keinen Centime herausbekommen konnte.

Dem Stiebel zahlte ich am 16. März seine 10 Pfund durch Hilfe von Pieper.

Dem alten Bamberger gegenüber blieb mir nichts übrig, als ihm zwei Wechsel auszustellen, einen auf ihn für London, vier Wochen nach dem 24. März, den anderen auf drei Wochen nach Trier auf meine Mutter, um den ersten zu decken. Sie erklärt mir positivement, daß sie jeden von mir auf sie gezogenen Wechsel protestiert.

So habe ich also für den 21. April das Äußerste von dem wütend gewordenen alten Simon Bamberger zu gewärtigen.

Gleichzeitig ist meine Frau niedergekommen am 28. März. Die Entbindung war leicht, dagegen liegt sie jetzt sehr krank da, mehr aus bürgerlichen als physischen Gründen. Dabei habe ich verbalement[2] keinen Farthing[3] im Hause, um so mehr Rechnungen dagegen von dem kleinen commerce, Metzger, Bäcker und so fort.

Du wirst zugeben, daß diese Gesamtsauce passablement angenehm ist und daß ich bis an die Wirbelspitze meines Schädels im kleinbürgerlichen Dreck stecke. Und dabei hat man noch die Arbeiter exploitiert![4] Und strebt nach der Diktatur! Quelle horreur.[5]

Mais ce n’est pas tout.[6] Der Fabrikant, der mir in Brüssel Geld lieh von Trier aus, tritt mich und verlangt es zurück, weil seine Eisenhütte schlecht gehe. Tant pis pour lui.[7] Dem kann ich nicht gerecht werden.

Aber endlich, um der Sache eine tragikomische Spitze zu geben, kommt noch ein Mystère[8] hinzu, das ich Dir jetzt en très peu de mots[9] enthüllen werde. Doch eben werde ich gestört und muß zu meiner Frau zur Krankenleistung. Also das andere, worin Du auch eine Rolle spielst, das nächste Mal.

Dein K. M.

Apropos. Wie berechnen Kaufleute, Fabrikanten usw. den Teil ihres Einkommens, den sie selbst verzehren? Wird dieses Geld auch vom banker geholt oder wie wird es damit gehalten? Darüber erbitte ich Antwort.


[1] Mit der Zeit.

[2] Wörtlich.

[3] Heller.

[4] Ausgebeutet.

[5] Wie scheußlich.

[6] Aber das ist nicht alles.

[7] Um so schlimmer für ihn.

[8] Geheimnisvolle Sache.

[9] In sehr wenig Worten.

75

2. April 1851.

Lieber Engels!

Du erhältst einliegend die Adresse des Briefes, den ich heute von Dir empfangen habe, zurück. Sollte Pitt Ermen Deinen Brief erbrochen haben? Du mußt diese Sache éclaircir.[1]

Dein Post Office Ordre kam mir sehr gelegen. Und diesmal hat die Geschwindigkeit das Kapital verzehnfacht, wie die Eisenbahnrevenuen des Signore Proudhon.

Du kannst Dir denken, daß ich nicht müßig bin. Und mit den avances,[2] die Du machst, hoffe ich das Fehlende aus verschiedenen Weltgegenden zusammenzubringen.

Über das Mystère[3] schreibe ich Dir nicht, da ich, coûte que coûte[4] Ende April jedenfalls zu Dir komme. Ich muß auf acht Tage hier heraus.

Das schlimmste ist, daß ich jetzt plötzlich in meinen Bibliothekstudien gehemmt bin. Ich bin so weit, daß ich in fünf Wochen mit der ganzen ökonomischen Plackerei fertig bin. Et cela fait,[5] werde ich zu Hause die Ökonomie ausarbeiten und im Museum mich auf eine andere Wissenschaft werfen. Ça commence à m’ennuyer. Au fond[6] hat diese Wissenschaft seit Adam Smith und David Ricardo keine Fortschritte mehr gemacht, so viel auch in einzelnen Untersuchungen, oft supradelikaten, geschehen ist.

Antworte mir auf die Frage, die ich Dir in meinem letzten Briefe gestellt.

Da Du jetzt Kriegswissenschaft treibst, könntest Du nicht die ungarischen Feldzüge, mit Hilfe der Neuen Rheinischen Zeitung, des blue book[7] von Palmerston usw. die Sache von neuem bearbeiten? Ça serait très utile.[8] In kürzerer oder längerer Zeit werde ich zwei Bände zu 60 Bogen herausgeben, und da wäre das famos am Platze.

Meine Frau ist leider sehr angegriffen.

Einliegend ein Brief von Daniels, dem ich ausführlich über seine Physiologie geschrieben. Jedenfalls schreibe mir, was Du davon meinst.

Dein K. M.


[1] Aufklären.

[2] Vorschüsse.

[3] Geheimnisvolle Sache.

[4] Koste es, was es wolle.

[5] Dies gemacht.

[6] Das fängt mich an zu langweilen. Im Grunde ...

[7] Blaubuch.

[8] Das würde sehr nützlich sein.

76

[Ohne Jahresangabe.] 3. April [1851].

Lieber Marx!

Die Geschichte mit meinem geöffneten Briefe ist sehr sonderbar. Auf dem Kontor kann er nur von unserem Kommis geöffnet worden sein, und dem traue ich die Courage dazu nicht zu; außerdem könnte er es nur während der Abwesenheit des alten Hill getan haben, und ich glaube nicht, daß der einen Moment das Kontor verließ. Von den Ermens war keiner in der Stadt. Die Sache ist natürlich nicht zu ergründen, da eine bedeutende Chance vorhanden ist – vu[1] die Interpellationen im Parlament wegen der Flüchtlinge –, daß es auf der Post selbst geschehen. Daß ich dem Kommis, der mehr in Ermen Brothers’ als in Ermen and Engels’ Diensten steht, in der letzten Zeit etwas verdächtig geworden bin, fiel mir schon früher auf; aber von da bis zum Brieferbrechen il y a loin encore.[2] Jedenfalls werde ich dem Ding in Zukunft vorzubeugen wissen. Wenn der Narr den Brief auch gelesen hätte, so läge daran nicht einmal viel; denn wollte der Kerl jemals, zum Beispiel wenn mein Alter herkäme, von der Information Gebrauch machen, so wäre er so kompromittiert, daß er sofort geschaßt würde. Indes, wie gesagt, ich traue ihm die Courage nicht zu.

Was die Frage angeht, die Du in Deinem vorletzten Briefe stellst, so ist sie nicht ganz klar. Indes wird, denke ich, folgendes genügen.

Der Kaufmann als Firma, als Profitmacher, und derselbe Kaufmann als Konsument sind im Commerce zwei ganz verschiedene Personen, die sich feindlich gegenüberstehen. Der Kaufmann als Firma heißt Kapitalkonto, respektive Gewinn- und Verlustkonto. Der Kaufmann als Fresser, Säufer, Wohner und Kindermacher heißt Haushaltungsunkostenkonto. Kapitalkonto debitiert[3] also dem Haushaltungsunkostenkonto jeden Centime, der aus der kommerziellen in die Privattasche wandert, und da Haushaltungsunkostenkonto nur ein Debet, aber kein Kredit hat, also einer der schlechtesten Schuldner der Firma ist, so ist am Ende des Jahres die ganze Debetsumme von Haushaltungsunkostenkonto purer Verlust und wird vom Profit abgeschrieben. Bei der Bilanz und der Berechnung des Profits-Prozent wird indes gewöhnlich die Summe, die für die Haushaltung verbraucht wird, als noch vorhanden, als Teil des Profits angesehen; zum Beispiel bei 100 000 Taler Kapital sind 10 000 Taler verdient, aber 5000 verjubelt worden, so rechnet man, 10 Prozent Profit gemacht zu haben, und nachdem alles richtig gebucht worden, figuriert Kapitalkonto im nächsten Jahre mit einem Debet von 105 000 Taler. Die Prozedur selbst ist etwas verwickelter, als ich sie hier darstelle, indem Kapitalkonto und Haushaltungsunkostenkonto selten oder nur beim Jahresabschluß in Berührung kommen, und Haushaltungsunkostenkonto gewöhnlich als Debitor von Kassakonto figuriert, das den Makler macht, aber es kommt schließlich auf dies hinaus.

Bei mehreren Associés ist die Sache sehr einfach. Zum Beispiel A hat 50 000 Taler im Geschäft und B ebenfalls 50 000; sie machen 10 000 Taler Profit und verbrauchen jeder 2500 Taler. Die Kontos stellen sich also am Ende des Jahres bei einfacher Buchhaltung ohne die imaginären Kontos:

A Kredit bei A & B – Kapitaleinschuß 50 000 Taler
A Kredit bei A & B – Profitanteil 5 000 -
  ——————-
  55 000 Taler
Debet bei A & B – für Bar 2 500 -
  ——————-
A Kredit für nächstes Jahr 52 500 Taler

Ebenso B. Dabei rechnet das Geschäft aber immer, 10 Prozent Profit gemacht zu haben. In einem Worte: die Kaufleute bei der Berechnung der Profitprozente ignorieren die Existenzkosten der Associés, dagegen bei Berechnung der Kapitalvermehrung durch den Profit bringen sie sie in Anschlag.

Über die ungarische Kampagne – oder noch besser, wenn’s ginge, über sämtliche Kampagnen von 1848/50 zu schreiben, wäre mir schon recht, wenn nur die Quellen alle beizuschaffen wären. Die Neue Rheinische Zeitung könnte mir zu nichts dienen als zur Vergleichung der österreichischen Bulletins, und wie lückenhaft die sind, weißt Du. Ich müßte wenigstens zehn bis zwölf Werke über diese Kampagne allein haben, und selbst dann fehlte mir noch die Hauptsache: der Kossuthsche Közlöny (Moniteur). Bei nichts blamiert man sich so leicht wie bei der Kriegsgeschichte, wenn man räsonieren will, ohne die sämtlichen Data über Stärke, Verproviantierung und Munitionierung usw. zu haben. Alles das geht für eine Zeitung, wo alle Blätter gleich schlecht unterrichtet sind und wo es darauf ankommt, aus den paar Daten, die man hat, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Aber um post festum sagen zu können in allen entscheidenden Fällen: hier hätte so und so gehandelt werden müssen, und hier wurde richtig gehandelt, obwohl der Erfolg dagegen zu sprechen scheint; dazu sind, glaube ich, die Materialien für den ungarischen Krieg noch nicht genug vor dem Publikum. Zum Beispiel wer schafft mir die Etats der österreichischen und ungarischen Armeen und der verschiedenen Korps am Vorabend jeder Schlacht und jeder wichtigen Bewegung? Kossuths und Görgeys Memoiren müßten erst heraus sein, und die von Dembinski vorgelegten Schlacht- und Kampagnenpläne in authentischer Gestalt vorliegen. Indes selbst mit dem existierenden Material ließe sich schon manches aufklären und vielleicht ein ganz interessanter Artikel machen. So viel ist jetzt schon klar: die ungarische Insurrektion, wie die polnische von 1830, wie das russische Reich 1812, ist Anfang 1849 nur gerettet worden durch den Winter. Ungarn, Polen und Rußland sind die einzigen Länder Europas, wo eine Invasion im Winter unmöglich ist. Es ist aber schon immer fatal, wenn eine Insurrektion nur durch den Dreck gerettet wird, der sie in unergründlicher Tiefe umgibt. Wäre die Geschichte zwischen Österreich und Ungarn im Mai statt im Dezember zum Eklat gekommen, so wäre nie eine ungarische Armee organisiert worden und der ganze Quark endigte wie Baden, ni plus ni moins.[4] Je mehr ich Krieg ochse, desto stärker wird meine Verachtung gegen den Heldenmut – eine abgeschmackte Phrase dieser Heldenmut, die ein ordentlicher Soldat nie in den Mund nimmt. Napoleon, wo er keine Proklamationen und Tiraden macht, sondern coolly[5] spricht, spricht nie von glorieux, courage indomptable[6] usw., sondern sagt höchstens: il s’est bien battu.[7]

Wenn übrigens im nächsten Jahre eine Revolution in Frankreich ausbricht, so ist gar kein Zweifel, daß die heilige Allianz wenigstens bis vor Paris kommt. Und bei den merkwürdigen Kenntnissen und der raren Energie unserer französischen Revolutionäre ist noch sehr die Frage, ob die Forts und die Enceinte[8] von Paris auch nur bewaffnet und approviantiert sind. Sind aber zwei Forts genommen, zum Beispiel Saint Denis und das nächste nach Osten zu, so ist Paris und die Revolution jusqu’à nouvel ordre[9] im Sumpf. Ich werde Dir das nächstens einmal genau militärisch auseinandersetzen und zugleich die einzige Maßregel, die dagegen getroffen werden kann, um wenigstens die Invasion zu schwächen: die Okkupation der belgischen Festungen durch die Franzosen und der rheinischen durch einen sehr zweifelhaften insurrektionellen coup de main.[10]

Folgender Spaß zur Charakteristik des preußischen Kamaschenrittertums und zur Erklärung der späteren Niederlage bei Jena usw. wird Dich erfreuen. Die scheinbar kühnen, au fond[11] aber überaus sicheren Coups[12] Napoleons in der Kampagne von Marengo brachten den preußischen General Bülow, aus der Schule des alten Fritz, Vater oder Onkel [Bruder] des späteren Bülow von 1813, zu folgender Einsicht: 1. ein Kriegssystem basiert auf das Absurde aufzustellen, damit man den Gegner stets durch neue Verrücktheiten „in Verlegenheit setze“, und 2. anstatt des Bajonetts der Infanterie Lanzen zu geben wie im Dreißigjährigen Kriege! Um Napoleon zu schlagen, das Pulver abzuschaffen, qu’en dis-tu?[13]

Daß Du trotz alledem Ende des Monats herkommst, freut mich sehr. Du mußt mir aber bei der Gelegenheit das vollständige Exemplar der Neuen Rheinischen Zeitung mitbringen – ich werde daraus über sämtliche deutschen demokratischen Esel und desgleichen über französische Dossiers[14] anlegen, eine Arbeit, die jedenfalls geschehen muß, ehe wir wieder in irgend einen Dreck hineingeschleudert werden. Es wäre gut, wenn zu diesem Zwecke der würdige Liebknecht, qui est assez bon pour cela,[15] aufs Museum ginge und dort die Abstimmungen der Berliner, Frankfurter und Wiener Versammlungen, die gewiß dort sind (in den stenographischen Berichten), nachläse und für die gesamten Linken exzerpierte.[16]

Du weißt, ich habe den Schluß von Daniels nicht gelesen. Daß sich der Kerl auf die „Begriffe“ als das Vermittelnde zwischen den Menschen usw. steift, ist erklärlich; Du wirst das einem über Physiologie Schreibenden nicht ausreden. Er rettet sich immer schließlich mit dem Argument, daß jede faktische Tatsache, die auf die Menschen einwirkt, Begriffe in ihnen provoziert, und daß die Reaktion gegen diese Tatsache also zwar in zweiter Instanz eine Folge der Tatsache, in erster aber eine Folge der Begriffe ist. Gegen diese formelle Logik ist freilich nichts zu sagen, und es kommt dabei ganz auf die Art seiner Darstellung im Manuskript an, die ich nicht kenne. Ich meine, es wäre am besten, ihm zu schreiben, er wisse jetzt, welchen Mißdeutungen diese und jene Partien ausgesetzt seien, und solle sie also so ändern, daß die „wahre“ Ansicht deutlich hervortrete. Das ist alles, was Du tun kannst, oder Du müßtest das Manuskript selbst umschreiben an den fraglichen Stellen, was doch auch nicht geht.

Laß mich wissen, wie es Deiner Frau geht, und grüße sie herzlich von mir.

Ich bin froh, daß Du mit der Ökonomie endlich fertig bist. Das Ding zog sich wirklich zu sehr in die Länge, und solange Du noch ein für wichtig gehaltenes Buch ungelesen vor Dir hast, so lange kommst Du doch nicht zum Schreiben.

Wie sieht’s mit einem Verleger für Deine beabsichtigten zwei Bände in 60 Bogen aus? Wenn das all right wäre, so könnte man den Kerl schon dazu kriegen, daß er die nötigen Sachen für den ungarischen Artikel – ich würde sie schon angeben – beischaffte, au besoin gegen spätere Verrechnung beim Honorar. Notwendig wäre dann noch eine sehr gute Spezialkarte von Ungarn und Siebenbürgen, womöglich Schlachtpläne, die, soviel ich weiß, in den bisherigen Werken nicht enthalten sind – und die Karte allein könnte auf zirka 15 bis 20 Taler zu stehen kommen. Ich würde diese durch Weydemeyer aussuchen lassen. Apropos, hast Du seine Adresse? Ich möchte ihn wegen der militärischen ABC-Bücher über Organisation und Taktik befragen, gerade diesen Dreck kann ich hier nicht bekommen. Den Decker, der noch bei Dir ist, muß ich auch haben.

Dein F. E.


[1] Siehe.

[2] Ist es noch weit.

[3] Belastet, schreibt auf die Schuldenseite.

[4] Weder mehr noch weniger.

[5] Kühl.

[6] Glorreich, unbändigem Mut.

[7] Er hat sich gut geschlagen.

[8] Befestigungsmauer.

[9] Bis neue Verhältnisse eintreten.

[10] Handstreich.

[11] Im Grunde.

[12] Überraschungsstreiche.

[13] Was sagst Du dazu?

[14] Personalakten.

[15] Der dafür gut genug ist.

[16] Auszöge.

77

11. April 1851.

Lieber Marx!

Ich dachte, ich wäre heute abend endlich mit meiner großartigen strategischen Abhandlung fertig geworden. Teils abgehalten, teils zum Nachschlagen über Details genötigt, teils weil das Ding länger wird, als ich dachte, werde ich es schwerlich heute abend spät fertig bekommen. Es ist übrigens total unfit[1] zum Drucke, nur für private Information und eine Art Übung für mich.

Über den Wellington fange ich allmählich auch an, klar zu werden. Eigensinniger, zäher, obstinater Engländer, mit dem vollen Bonsens[2] und dem vollen Talent der Ressourcenbenutzung seiner Nation; langsam in seinen Überlegungen, vorsichtig, trotz des kolossalsten Glückes nie auf einen glücklichen Zufall rechnend; er würde ein Genie sein, wenn nicht der Common sense incapable[3] wäre, sich bis zum Genie emporzugipfeln. Alle seine Sachen sind musterhaft, keine einzige meisterhaft. Ein General wie er ist für die englische Armee, in der jeder Soldat, jeder Unterleutnant ein kleiner Wellington in seiner Sphäre ist, wie geschaffen. Und er kennt seine Armee, ihre eigensinnige defensive doggedness,[4] die jeder Engländer vom Boxring[5] mitbringt, und die sie in den Stand setzt, nach achtstündiger angestrengter Defensive, die jede andere Armee zusammenbrechen würde, noch eine imposante Attacke zu machen, in der die ermangelnde Lebhaftigkeit durch die Gleichförmigkeit und Stetigkeit aufgewogen wird. Die Defensive von Waterloo, bis die Preußen kamen, hätte keine Armee ohne einen Kern von 35 000 Engländern ausgehalten.

Übrigens hatte Wellington im spanischen Kriege mehr Einsicht in die napoleonische Kriegskunst als die Nationen, denen Napoleon die Überlegenheit dieser Kriegskunst auf den Rücken schrieb. Während die Österreicher rein konfus wurden, und die Preußen, weil ihr Verstand n’y voyait que du feu,[6] den Blödsinn und die Genialität für identisch erklärten, wußte Wellington sich ganz geschickt zu benehmen und sich vor den Schnitzern zu hüten, die die Österreicher und Preußen machten. Er machte keine napoleonischen Manöver nach, aber er machte es den Franzosen unendlich schwer, ihre Manöver bei ihm zu applizieren. Er machte keinen einzigen Fehler, wenn er nicht aus politischen Rücksichten mußte; dafür habe ich aber auch noch nicht das geringste entdeckt, wo er nur einen Funken von Genie bewies. Napier selbst weist ihm Gelegenheiten nach, wo er geniale Coups von entscheidender Wirkung tun konnte und nicht daran dachte. Er hat – soweit meine Erfahrung geht – nie eine solche Gelegenheit zu benutzen verstanden. Er ist groß in seiner Art, nämlich so groß, wie man es sein kann, ohne aufzuhören, mittelmäßig zu sein. Er hat alle Eigenschaften des Soldaten, sie sind alle gleichmäßig und merkwürdig harmonisch ausgebildet; aber eben diese Harmonie verhindert jede einzelne dieser Eigenschaften an wirklich genialer Entfaltung. Tel soldat, tel politique.[7] Sein politischer Busenfreund Peel ist gewissermaßen sein Abklatsch. Beide repräsentieren den Toryism, der bon sens[8] genug hat, mit Anstand eine Position nach der anderen aufzugeben und sich in die Bourgeoisie aufzulösen. Es ist der Rückzug nach Torres Vedras. Voilà Wellington.

Dein F. E.


[1] Ungeeignet.

[2] Nüchternheit.

[3] Gesunde Menschenverstand unfähig [wäre].

[4] Hartnäckigkeit, störrische Ausdauer.

[5] Platz, wo geboxt wird.

[6] Bei ihr nur das Feuer sah.

[7] Wie der Soldat, so die Politik.

[8] Gesunder Verstand.

78

15. April 1851.

Lieber Engels!

Du hast keinen Brief erhalten und erhältst auch jetzt nur diese Zeilen, weil ich from day to day[1] Deinen Brief – den angekündigten – abwarte. Einliegend ein Brief von Lupus. Ich habe ihm schon geschrieben vor vier Tagen, aber nicht geantwortet auf die an Dich gestellten Fragen.

Ein Brief von einem mir unbekannten Fischer aus Amerika. Ich habe einstweilen Liebknecht an ihn schreiben lassen.

Einen Brief von Rothacker schicke ich Dir das nächste Mal. Auch der Esel ist Redakteur in Amerika. Aus seinem Briefe geht so viel hervor, daß vom äußersten far West[2] bis zum Osten überall gegen uns geheult, geschimpft und geschrieben wird. Weitling brachte in seinem Blättchen einen Artikel aus Paris (angeblich, in Wahrheit von Willich) gegen mich und Dich. Andererseits hat Schnauffer den großen Willich angegriffen.

Schapper hat eine Konstitution für England ausgearbeitet, da sie in derselben Windmill, nach reiflicher Überlegung und weitläufiger Diskussion, beschlossen haben, England habe keine geschriebene Konstitution und müsse daher eine erhalten. Und Schapper-Gebert werden ihm diese Konstitution geben. Geschrieben ist sie schon.

Der Schimmelpfennig ist in Deutschland herumgereist und hat da überall sehr gegen uns intrigiert, im gemeinsamen Interesse von Willich-Schapper, Ruge-Kinkel, Becker-Sigel. Besonders an den Sitzen der Kinkelbegeisterung und ganz speziell in Westfalen, Osnabrück, Bielefeld usw., wo die Kerls uns nie grün waren, ist der Klatsch unendlich.

Dein K. M.


[1] Tag für Tag.

[2] Fernen Westen.

79

1. Mai 1851.

Lieber Marx!

In ein paar Tagen, längstens acht, erhältst Du weitere 5 Pfund, ich würde sie Dir schon heute schicken, hätte ich nicht soeben 10 Pfund auf einem Brett auszahlen müssen.

Ich habe seit ein paar Tagen den Brief von Lupus und den von Dronke vergeblich gesucht. Du mußt sie beide mitgenommen haben. Wenn Du sie findest, schicke sie mir umgehend, ich schreibe dann gleich. Auch den Brief von Fischer aus New Orleans finde ich nicht.

Ne nous plaignons pas trop de la mauvaise queue.[1] Ich habe gerade Savarys Memoiren zu Hause. Napoleon hatte die seinige – und welche! Dieser Savary ist ein famoses Exemplar davon. Etwas Mittelmäßigeres als diesen Kerl gibt es nicht. Wenn gewisse Leute glauben up to the mark[2] zu sein und nicht einmal das Kommunistische Manifest verstehen, so bildet sich dieser Savary ein, Napoleon in der Tasche zu haben, einer der wenigen Auserwählten zu sein, die die ganze Größe des Kerls begreifen, und dabei hat er nicht einen einzigen Feldzugs- oder Schlachtplan begriffen. Als er diese Memoiren schrieb, war kaum eine einzige ordentliche Darstellung dieser Kampagnen geschrieben, er hätte also, da das Ding apologetisch sowohl für Napoleon wie für ihn selbst ist, gewiß nicht unterlassen, sein Bestes in dieser Beziehung zu tun; statt dessen überall nur ein paar allgemeine Phrasen und unzusammenhängende verworrene Details eines untergeordneten Augenzeugen. Von Austerlitz weiß der Kerl zum Beispiel nur, daß der Feind in einem Flankenmarsch überrascht und in so viel Stücke zersplittert wurde, wie französische Kolonnen anrückten – wörtliche Kopie aus Napoleons Bulletin. Wie das aber geschah, davon weiß er nichts. Im übrigen enorm viel Klatsch aus der Kaiserzeit und dem Konsulat; ein wahrer Mustercrapaud, renommierend, verlogen, servil, und sich mit wahrer Wollust in der edlen Tätigkeit des Polizisten ergehend, sowohl was den Genuß der Autorität bei Verhaftungen als was die Freude am Mouchardieren angeht; dabei brauchbar zu allerhand Allotriis und Intrigen, aber doch überall so mittelmäßig, diensteifrig und beschränkten Horizonts, daß er überall kurzgehalten und mit positiven Orders versehen werden mußte. Enfin, durchaus kein repräsentables Subjekt, au fond nicht besser und nicht schlechter, nicht brauchbarer und nicht kompromittierlicher als gewisse amici, und doch machte Napoleon mit der Zeit eine passable Maschine, einen Herzog von Rovigo und einen Hofmann aus ihm, der ihn beim Kaiser von Rußland nicht blamierte. Aber freilich, solche Kerls muß man sich kaufen können, und dazu gehört vor allem Geld und Macht.

Übrigens hat der edle Thiers den Savary, dessen Memoiren doch in Frankreich bekannt genug waren, mit einer Unverschämtheit abgeschrieben, die der der englischen Ökonomie im Plagiieren nichts nachgibt, und das nicht bloß im Klatsch; auch in Sachen über Verwaltung usw. ist hier und da Herr Savary Hauptquelle. – – –

Den Krawall unter dem Stadtrat in Köln wegen der Rede des Beigeordneten Schenk an den Pr[inz] von Pr[eußen] wirst Du gelesen haben, sowie die unverschämte Rede dieses letzteren. „Die Presse ist schlecht, die Kölnische Presse muß sich bessern!“ Ce pauvre Brüggemann – er benutzt natürlich die Gelegenheit zu einer Seichbeutelei, wie man sie unter der Zensur zu schreiben bescheidenst und wohlmeinendst sich die große Freiheit nahm. Dafür ist aber jetzt auch „unser Stupp“ Bürgermeister und der größte Mann in Köln, und Dein Schwager [Minister v. Westphalen] konfisziert Bücher mit lobenswertem Eifer. Ich fürchte nur, er wird nächstens en Brutus prussobureaucrate[3] sich auch an Deinen Sachen vergreifen, und das wird die Honorarzahlungen unangenehm stoppen können. Der andere Schwager dieses Edlen, der pp. Florencourt, ist ja, wie deutsche Blätter melden, tambour battant et mèche allumée[4] in den Schoß der katholischen Kirche übergegangen. Deine Familie ist doch wenigstens interessant, in der meinigen muß ich allein die affenteuerlichen Geschichten machen.

Wie geht es in Deinem Hause? Grüße Deine Frau und Kinder und schreibe bald.

Dein F. E.

Soeben finde ich die Briefe von Lupus und Fischer – den von Dronke kann ich aber nicht finden. An Lupus schreibe ich noch heute. Wenn Du nach Köln schreibst, wäre es gut, wenn Du sie wegen des Reisegeldes trätest – Du kennst ja die Kölner.


[1] Beschweren wir uns nicht zu sehr über schlechtes Gefolge.

[2] Auf der Höhe.

[3] Als preußisch-bureaukratischer Brutus.

[4] Mit klingendem Spiel und brennender Lunte.

80

3. Mai 1851.

Lieber Engels!

Lupus hat von Köln, wie er mir selbst schreibt, einen englischen Paß und Reisegeld für sich und Dronke erhalten. Dronke hat den Kölnern auch einen Aufsatz über die italienische Revolution zugeschickt.

Mais ce qu’il y a de drôle,[1] Dronkens Unterschrift steht positiv – abgedruckt in Louis Blanc – unter der Adresse an das damalige Komitee zur Feier der Februarrevolution. Nous lui demanderons des éclaircissements sur ce fait étrange. Dans le meilleur cas, ce n’est pas un trait d’esprit de la part de ce gnome.[2]

Becker hat seine Setzerei und Druckerei nach Verviers verlegt, und es scheint nicht, daß die Regierungsverfolgungen ihm Schaden tun. Ein Heft von meinem Zeugs ist hierher gelangt, aber nur ein Exemplar.

Das hiesige zentraldemokratische deutsche Komitee hat sich hier aufgelöst zur selben Zeit, wo der große Karl Heinzen ihm „militärischen Gehorsam“ ankündigt. Der süße Kinkel, wegen seinen dramatischen Vorlesungen für respektable Cityleute – 12 Vorlesungen für 1 Guinea: der Süße schickt diese Billetts durch ein Komitee (worin Oppenheim von Berlin) an Gott und die Welt, hat ungefähr 300 Hörer – darf sich natürlich nicht kompromittieren und hat sich zurückgezogen. Ebenso Haugh sich überworfen. Ruge, dessen Finanzen sehr zerrüttet scheinen, hatte vor, sich eine Daguerreotypanstalt zu kaufen und als Daguerreotypist das Land zu durchziehen.

Weerth schreibt mir heute im höchsten Maße malkontent: die langen Nasen und das Rauchfleisch ennuyieren ihn. Außerdem, sagt er, drohe ihm „eine glänzende Lage“ – Heirat? Aber er sei zu alt, um Philister zu werden. Du kennst unseren Freund Weerth. Er ennuyiert sich rasch, und am schnellsten, wenn er sich bürgerlich behaglich findet. Sein Freund Campe sagte ihm, verdrießlich auf die Makulatur zeigend: „Alles zieht, aber nichts schlägt durch!“ Und das sei der allgemeine Zustand in Deutschland.

Hier wimmelt’s von people aller Art. Ich glaube nicht, daß es mich belästigen wird in any way.[3] Denn was von den Industriellen liberal, radikal oder auch nur neugierig ist, das wird mit großer Aufmerksamkeit eingefangen bei Göhringer oder von der Kinkelclique und dann gleich mit Skandal über uns beide gefüttert. Tant mieux pour nous![4]

Die ganze Woche ist die Bibliothek geschlossen gewesen. Von dem roten Narren erfährt man nichts mehr.

Daniels schreibt mir, daß sie nirgends besser repräsentiert sind, als in Berlin, und dort zwei „Talente“ und „Gentlemen“ zur Disposition haben, die sehr tätig seien. – Das Foucaultsche Experiment mit dem Pendel wird hier im polytechnischen Institut gezeigt.

Den gesagten Brief an Daniels werde ich morgen besorgen. Schramm hat es mirabile dictu zu einem season ticket[5] gebracht.

Heinzen hat in seinem Schmutzblatt auch wieder mit seinem „native[6] Dreck geworfen, der malheureux.[7] Der Kerl ist so dumm, daß Schramm für Geld unter dem Namen „Müller“ bei ihm korrespondiert und lauter unpassende Allotria, wie den Blanquitoast usw., in seinen Zeitungskram einschmuggelt.

Willich begegnete vor einigen Tagen dem Bamberger, den er früher einmal gesehen hatte. Kam auf ihn zu. Drückte ihm die Hand [und sagte]: „Ich war drei Wochen sehr krank. Konnte das Haus nicht verlassen. Die Revolution marschiert famos. Namentlich hier in London sind wir sehr tätig. Zwei neue Filialvereine gestiftet. Schapper wirkt ungeheuer.“

Ein andermal mehr. Nächste Woche werde ich mich auf der Bibliothek ernsthaft für Deine Quellen zu Louis Blanc umsehen.

Dein K. Marx.

Meine Frau läßt bestens grüßen. Sie war wütend, daß der N. uns so zudringlich gleich auf den Hals kam.

Übrigens schenkst Du der Post immer einen Stamp. One will do.[8]


[1] Aber, was komisch anmutet.

[2] Wir werden ihn um Aufklärungen über diesen sonderbaren Umstand ersuchen. Im besten Fall ist es kein Geniestück von seiten dieses Knirpses.

[3] In irgendeiner Weise.

[4] Um so besser für uns.

[5] Wunderbarerweise ... Halbjahrs-Fahrschein [in diesem Falle wahrscheinlich eine Dauerkarte für die Weltausstellung].

[6] Angeboren, auch Eingeborener [Anspielung auf Heinzens Deutschtümelei].

[7] Unglückselige.

[8] Briefmarke. Eine genügt.

81

5. Mai 1851.

Lieber Engels!

Ich schicke Dir hier nachfolgend eine Kopie des Artikels über die Anwendung der Elektrizität auf die Agrikultur, wörtlich englisch. Du bist so gut und schreibst mir umgehend, 1. was Du von der Sache hältst. 2. Erkläre mir die Geschichte, da ich nicht ganz klug daraus werde, in plain German.[1]

„Ein Feld wird in längliche Vierecke, je 76 Yards[2] lang und 40 Yards breit geteilt, die deshalb jedes einen Acre[3] umfassen. Das Umstehende ist der Plan eines solchen Vierecks.

An jedem der Punkte A, B, C und D, werden Pflöcke in die Erde getrieben. Die Außenlinien stellen starke Eisendrähte vor, die von Pflock zu Pflock gehen, an jedem Pflock befestigt, und so miteinander verbunden sind, daß sie ein Viereck von Draht bilden, das 3 Zoll unter die Oberfläche eingesenkt ist. An den Punkten E und F sind 15 Fuß hohe Stangen angebracht. Ein Draht ist mit dem unter der Oberfläche sich befindenden Querdraht beim Punkt E verbunden, die Stange entlang bis nach oben, und dann durch die Mitte des Vierecks bis zur Spitze der Stange bei F gezogen, von wo er diese entlang nach dem Querdraht unter der Oberfläche gezogen und bei dem genannten Punkt befestigt wird. Wir müssen hierbei bemerken, daß das Viereck so gerichtet sein muß, daß es von Norden nach Süden läuft, so daß der Draht, der von E nach F geht, einen rechten Winkel mit dem Äquator bildet. Es ist wohlbekannt, daß eine beträchtliche Menge von Elektrizität in der Atmosphäre erzeugt wird und mit der Bewegung der Erde beständig von Osten nach Westen geht. Diese Elektrizität wird von dem Draht angezogen, von E zu F gespannt auf die Drähte übertragen, die von den Punkten A, B, C und D das Viereck unter der Oberfläche des Bodens bilden .... Jede Menge von Elektrizität, die gebraucht wird, kann dadurch erzeugt werden, daß man unter dem Boden bei dem Punkt G einen Sack Holzkohlen und an dem Punkt H Platten von Zink befestigt und diese beiden so durch einen Draht verbindet, der ähnlich wie der bei E und F über zwei Stangen geht und den F Längsdraht kreuzt, der von den letztgenannten Punkten ausgeht. Die Kosten, zu welchen diese Einrichtung hergestellt werden kann, werden auf ein Pfund für den Acre berechnet, und man hat berechnet, daß sie 10 bis 15 Jahre dauert, wenn die Drähte sorgfältig aufgehoben und jedes Jahr wieder an ihre Stelle gesetzt werden.

Die Stangen werden aus Hartholz gemacht. In dem Maße, wie die Fläche ausgedehnt wird, vermindern sich die Kosten. Die Art, wie das Stück Land angelegt wird, ist die folgende. Mit einem Seemannskompaß und abgemessenen Längen Bindfaden messe man die Plätze aus für die Holznadeln, an welche der eingegrabene Draht befestigt wird, indem er durch schmale Schließhaken läuft. Es muß darauf geachtet werden, daß der eingegrabene Draht die Längsseite entlang richtig mittels des Kompasses von Norden nach Süden und die Breitseite entlang richtig von Osten nach Westen gelegt wird. Dieser Draht muß zwischen zwei und drei Zoll tief in die Erde gesenkt werden. Die Linien des eingegrabenen Drahtes sind dann fertig. Der hochliegende Draht muß an beiden Enden mit dem eingegrabenen Draht verbunden sein. Eine Holznadel mit einem Schließhaken muß daher eingetrieben werden und die beiden Stangen – die eine von 14, die andere von 15 Fuß – müssen mittels des Kompasses richtig nach Norden und Süden eingestellt, der Draht über sie gezogen und je an den Holzstäben befestigt werden, jedoch gleicherweise an diesen Punkten den eingegrabenen Draht berühren. Der obengespannte Draht muß auch fest angezogen werden, sonst wird der Wind ihn zerreißen.“

Dies die Geschichte.

Die deutschen Zentralmänner haben sich zum xtenmal vereinigt, und so erscheint eine Annonce von General Haugh, die wieder für den 10. Mai die Erscheinung seines „Kosmos“ ankündigt, unter Mitarbeit der Herren Ruge, Kinkel, Ronge usw. Das wird schön werden.

Eben bringt Tupman [Pieper] einen Brief von Miquel, woraus hervorgeht, daß die deutschen Demokraten – auch einige Kommunisten – an der Spitze das Bremer Schundblatt von Ruge, unermüdlich in ihren Verleumdungen gegen mich sind, und derartiges frißt natürlich bei dem deutschen Philister und Straubinger reißend um sich. Die Kerls müssen doch eine Heidenangst vor mir haben, daß sie jetzt schon alle Mittel aufbieten, um mir den Aufenthalt in Deutschland unmöglich zu machen.

Dein K. M.

Jones hielt gestern eine wirklich famose Vorlesung gegen das cooperative movement,[4] worin er de front[5] sein eigenes Publikum attackierte. Er sagte mir, daß aus dem Blatt mit Harney wohl nichts werden wird, da mit dessen Frau kein Geschäft abzuschließen ist. Er wird einstweilen auf seine Faust ein Magazin herausgeben.


[1] Verständlichem Deutsch.

[2] Englisches Längenmaß = 91,4 Zentimeter.

[3] Acker beziehungsweise Morgen.

[4] Genossenschaftsbewegung.

[5] Ins Gesicht.

82

[Undatiert. Jedenfalls Anfang Mai 1851.]

Lieber Marx!

Morgen oder übermorgen erhältst Du die Post Office Ordre. Unser Buchhalter hat heute wieder kein Cash.[1]

Seit wann gebrauchst Du zu Deinen Briefen das inliegende schöne Siegel – oder ist was damit passiert?

Il paraît donc,[2] daß die ganze Neue Rheinische Zeitung diesen Sommer in London zusammensitzen wird, moins[3] vielleicht Freiligrath und den Honorarius Bürgers. Daß Lupus definitiv kommt, freut mich sehr. Ich weiß übrigens positiv, daß die Geschichte mit den Alien-Offices[4] an der Grenze hier jetzt noch weit weniger streng ist als früher und daß daher der ganze Skandal wegen des Verbots, Flüchtlinge hierher zu schicken, der purste Humbug ist.

Die Unterschrift des Alrauns [Dronke] zu der Genfer Adresse ist höchst sonderbar – eine bévue inconcevable[5] –, neuer Beweis, daß man a sharp look-out after these young men[6] haben muß und daß sie kurz gehalten werden müssen. Es kann nur eine bévue sein, die Briefe des Kerlchens waren übereifrig, und vielleicht hat er geglaubt, einen famosen Geniestreich zu machen. Man muß ihn scharf inquirieren, rüffeln und ihm empfehlen: surtout pas de zèle![7]

Nächstens werde ich Dir eine ökonomische Abhandlung von Wellington aus dem Jahre 1811 mitteilen, über free trade und Monopol im Kolonialhandel. Das Ding ist kurios, und da es die spanischen Kolonien betrifft und nicht die englischen, so kann er den freetrader spielen, obwohl er gleich im Anfang mit einem aristokratisch-militärischen Fanatismus über die Kaufleute schimpft. Er dachte nicht, daß er diese Prinzipien nachher auf die englischen Kolonien anwenden helfen müßte. Aber das ist der Witz. Dafür, daß der alte Irländer unverdienterweise Napoleon besiegte, hat er später vor Cobden erliegen müssen und en économie politique[8] durch das kaudinische Joch des free trade passieren. Die Weltgeschichte gibt doch zu sehr vielen angenehmen Betrachtungen Anlaß!

Die Auflösung der Londoner demokratischen provisorischen Regierung für Deutschland hat mich mit Kummer erfüllt. So eine schöne Gelegenheit für die Esel, sich vor dem öffentlichen Gelächter zu erhalten, findet sich sobald nicht wieder. Dafür eröffnet der große Franz Raveaux in der Kölnischen Zeitung wieder seine Klüngelpolemik mit Herrn Paul Franck und anderen Tröpfen. Er ist wieder reif, in irgend ein Nationalnarrenhaus gewählt zu werden und zu sagen: „Meine Herren, hück hat die Stadt Köllen ener jroßer Dag erlebt!“

Ich bin übrigens moralisch überzeugt, daß der Willich und Komp. über einen großartigen Plan zur Revolutionierung Englands während der Exhibition brüten, obwohl es ebenso sicher ist, daß sie keinen Finger rühren werden. Wird nichts Vereinzeltes bleiben!

Die zweite Marke auf meinen Briefen ist für späte Aufgabe. Ich kann für diesen Stamp anderthalb Stunden nach Schluß der gewöhnlichen Post den Brief noch mit demselben Zuge fortbekommen. Übrigens zahlt dies die Firma.

Dein F. E.


[1] Bargeld.

[2] Es scheint also.

[3] Außer.

[4] Ausländerbureaus.

[5] Unbegreiflicher Schnitzer.

[6] Ein scharfes Auge auf diese Jünglinge [haben].

[7] Insbesondere keinen Übereifer.

[8] In der Volkswirtschaftspolitik.

83

Freitag, 9. Mai 1851.

Lieber Marx!

Ich schickte Dir gestern zwei Briefe, den einen ohne anderen Inhalt als eine Post Office Ordre, den anderen durch Pieper. Du hast beide hoffentlich erhalten.

Die elektrische Geschichte ist einfach, was die Konstruktion anbetrifft. An den vier Ecken A B C und D – ich setze voraus, daß Du die Zeichnung dort hast – werden Pflöcke in die Erde geschlagen und ein starker Draht drei Zoll unter der Erdoberfläche von einem dieser Pflöcke zum anderen gezogen, so daß er unter der Erde das ganze Feld umspannt. Bei E und F, Norden und Süden, werden zwei Pfähle in die Erde geschlagen, deren Spitzen fünfzehn Fuß über der Erde ebenfalls durch einen Draht verbunden werden. Die beiden Enden des Drahtes laufen am Pfahl hinab und werden unter der Erde mit dem verdeckten Draht A B C D verbunden. Ebenso ein Querdraht von G bis H auf zwei Pfählen, der in der Mitte den Draht E F kreuzt. Was der Sack Holzkohle und die Zinkplatten sollen, ist mir nicht ganz klar, da ich die elektrische Beschaffenheit der Holzkohle vergessen habe – ich vermute, durch diese Holzkohle bei G und den Zink bei H, die beide ebenfalls vergraben und mit dem großen vergrabenen Draht in Verbindung stehen, will der Kerl die Elektrizität polarisieren, einen positiven (Zink) und negativen (Kohle) Pol herstellen.

Der Rest bezieht sich auf technische Geschichten, Isolierung der Drähte usw.

Da Du mir weiter nichts schreibst, so vermute ich, daß sich die Geschichte auf irgend ein Experiment bezieht, ich glaube, Du sprachst mir davon, daß im Economist oder so etwas davon gestanden hat. Mir ist der Erfolg der Sache etwas zweifelhaft, doch mag was damit zu machen sein, wenn man das Ding ausdehnt und verbessert. Es fragt sich nur 1. wieviel Elektrizität sich in der Weise aus der Luft abfassen läßt, und 2. wie diese Elektrizität auf Wachstum und Keimen der Pflanzen wirkt. Laß mich jedenfalls wissen, ob das Experiment schon gemacht ist und mit welchem Erfolg, und wo der Bericht darüber steht.

Zwei Haken hat die Sache jedenfalls:

1. Will der Kerl den Draht, der die Elektrizität abfassen soll, genau Nord und Süd gelegt haben, und schreibt doch den Farmers vor, ihn nach dem Kompaß zu legen. Von der Deklination des Kompasses, die hier in England zirka 20 bis 23 Grad beträgt, spricht er gar nicht, und er müßte jedenfalls sagen, ob er sie in Anschlag gebracht hat. Die Farmers wissen jedenfalls von Deklination nichts und würden den Draht nach der Magnetnadel legen, wo er dann nicht von Nord nach Süd, sondern von Nord-Nord-West nach Süd-Süd-Ost zeigen würde.

2. Wenn die Elektrizität eine befördernde Wirkung auf das Keimen und Wachsen der Pflanzen hat, so wird sie im Frühjahr die Pflanzen zu früh keimen machen und sie Nachtfrösten usw. aussetzen. Dies müßte jedenfalls sich zeigen und dem wäre nur abzuhelfen, indem man während des Winters die Kommunikation der schwebenden und der vergrabenen Drähte unterbräche. Auch davon spricht der Mann nicht. Entweder aber ist die so abgefaßte Elektrizität ohne alle befördernde Wirkung oder sie hat die des Zufrühtreibens. Auch das muß aufgeklärt werden.

Die Sache läßt sich übrigens nicht beurteilen, bis sie probiert ist und Resultate da sind, und deswegen sage mir, wo ich das Weitere über diesen Gegenstand finden kann.

Ich danke dem Schöpfer in der Höhe, daß die Zentralesel sich wiedergefunden haben, und selbst ihren Kosmos gönne ich ihnen. Wir werden doch bald wieder ein Organ haben, soweit wir’s brauchen, und wo wir alle Angriffe zurückweisen können, ohne daß es scheint, als ginge dies von uns aus. Das ist ein Vorzug der beabsichtigten Kölner Monatsschrift vor unserer Revue.

Daß die Schimpfereien in Deutschland nicht weniger Fortgang finden als in Amerika und London, ist nicht anders zu erwarten. Du hast jetzt die stolze Position, von zwei Welten zugleich attackiert zu werden, was dem Napoleon nie passiert ist. Übrigens sind unsere Freunde in Deutschland Esel. Daß sie von bloßen Schimpfereien keine Notiz nehmen, als alle Vierteljahr zwei Worte über den Stand dieses sauberen Trade zu geben, ist ganz in Ordnung. Aber wenn es zu Verleumdungen kommt, wenn sich der demokratische Philister nicht mehr mit der einfachen Überzeugung begnügt, daß man das schwärzeste Ungeheuer ist, sondern wenn er anfängt, mit erlogenen und entstellten Tatsachen um sich zu werfen, dann wäre es wahrhaftig nicht zu viel, wenn einem die Herren das Dokument einschickten, damit man seine Maßregeln treffen kann. Aber der Deutsche glaubt genug getan zu haben, wenn er dergleichen Unsinn simplement nicht glaubt. Laß den Pieper deswegen an M[iquel] schreiben. Es ist nicht einmal nötig, daß man gleich antwortet, sondern wenn man des Zeugs ein paar Dutzend Stück hat, kann man einmal tüchtig losfahren und die Wanzen d’un seul coup de pied[1] ekrasieren. Was das angeht, daß sie uns den Aufenthalt in Deutschland unmöglich machen wollen – laissons-leur ce plaisir![2] Sie können die Neue Rheinische Zeitung, das Manifest und tutte quante nicht aus der Geschichte herausstreichen, und all ihr Heulen hilft ihnen nichts. Die einzigen Leute, die uns in Deutschland gefährlich werden könnten, wären Meuchelmörder, und seit der Gottschalk tot ist, hat keiner in Deutschland die Courage, uns dergleichen Leute auf den Hals zu schicken. Et puis,[3] haben wir uns nicht auch 1848 in Köln unsere Stellung erst erwerben müssen, und lieben wird uns der demokratische rote oder selbst kommunistische Mob doch nie.

Ich freue mich, daß Du Ruhe hast bis jetzt vor den Ausstellungsleuten. Ich kriege sie schon auf den Hals. Gestern waren zwei Kaufleute aus Lecco hier, der eine ein alter Bekannter von 1841. Die Österreicher wirtschaften schön in der Lombardei. Nach all den Kontributionen, wiederholten Zwangsanleihen, dreimal im Jahre immer wieder eingeforderten Steuern, kommt endlich Regelmäßigkeit hinein. Die mittleren Kaufleute in Lecco müssen 10 000 bis 24 000 Zwanziger (350 bis 700 Pfund) jährlich zahlen – an direkten regelmäßigen Steuern, alles hard cash.[4] Da mit dem nächsten Jahre die österreichischen Banknoten dort auch eingeführt werden sollen, will die Regierung vorher alles Metallgeld herausziehen. Dabei wird der hohe Adel – i gran ricchi[5] – und die Bauern verhältnismäßig sehr geschontil medio liberale,[6] die liberale Mittelklasse der Städte muß alles zahlen. Du siehst die Politik der Kerls. Daß bei diesem Drucke – in Lecco haben sie eine Erklärung unterzeichnet und an die Regierung geschickt, daß sie nicht mehr zahlen; daß man sie pfänden solle, daß sie aber, wenn dies System nicht aufhöre, alle auswandern würden, und mehrere sind bereits gepfändet –, daß dabei die Kerls auf Mazzini warten und erklären, es müsse losgehen, weil sie es nicht länger aushalten könnten, perché rovinati siamo e rovinati saremo in ogni caso[7] – das begreift sich. Dies erklärt manches in der Wut der Italiener, loszuschlagen. Diese Kerls hier sind alle Republikaner, und zwar lauter angesehene Bourgeois – der eine ist der erste Kaufmann in Lecco und zahlt selbst 2000 Zwanziger monatlich Steuern. Er wollte platterdings wissen, wann es losgehe, sie hatten es unter sich in Lecco – dem einzigen Orte, wo ich populär bin – ausgemacht, daß ich das aufs Haar wissen müßte.

Morgen den Wellington, an dem mich diese Kerls gehindert haben.

Dein F. E.

Dieser Brief ist mit Siegellack und unserem Firmasiegel E. & E. gesiegelt. Du wirst also sehen, ob er erbrochen.


[1] Mit einem einzigen Fußtritt.

[2] Lassen wir ihnen das Vergnügen.

[3] Und dann.

[4] Bares (Hart-)Geld.

[5] Die sehr Reichen.

[6] Die liberale Mittelschicht.

[7] Weil wir auf jeden Fall ruiniert sind und sein werden.

84

London, 16. Mai 1851.

Lieber Engels!

Deinen Brief, der vorgestern ankam, erhielt ich zu spät, um ihn noch zu beantworten. Ich war nämlich schon auf dem Museum, ehe der postman erschien, und kehrte erst um 7 Uhr abends nach Hause zurück. Gestern aber konnte ich Dir mit dem besten Willen nicht schreiben, da ich solche Unterleibsschwierigkeiten hatte, daß mir fast der Kopf sprang, wie dem Freiligrathschen Neger die Trommel.

Die vorige Konfusion kommt einfach daher, daß ich einem der beiden Bummler sofort auf Deinen ersten Brief ein Schreiben an Dich zur Besorgung an Dich auf die Post gab. Er hatte es verbummelt, und die paar Zeilen befanden sich noch gestern in seinem Portefeuille.

Was die electricity angeht, so findet sich die Notiz darüber in dem Economist von 1845. Er enthält übrigens nichts, als was ich Dir mitgeteilt, mit der Erzählung, daß der Versuch mit dem größten Erfolg in Schottland gemacht. Er nennt sogar den Farmer.

Freiligrath kommt in diesen Tagen her.

Nun zu den Postgeschichten. Ich glaube, die Post ist unschuldig. Wenigstens bin ich allein für die schlechte Form der Siegel verantwortlich. Das einzige, was mir ganz alienum est,[1] ist das: Manchester.

Hast Du gesehen in der Kölnischen Zeitung, wie Kinkel durch seine Frau jede Teilnahme an dem Manifest des starken „Provisorium“ ableugnet? Und wie er „eine schwere Krankheit“ sich an den Hals lügt, um das Interesse des deutschen Philisters zu steigern?

Durch die Intervention meines würdigen Schwager-Ministers ist wieder der Druck meiner Sachen, wie der Revue, ins Stocken geraten. Es scheint, daß Becker auf Schwierigkeiten in Verviers gestoßen ist.

In Frankreich scheint Cavaignac reißend um sich zu greifen. Seine Wahl wäre die rationelle Lösung, würde aber die Revolution um Jahre aufschieben. Der Kongreß von Nikolaus, Friedrich Wilhelm und Habsburg hat ungefähr dieselbe Bedeutung wie der von General Haugh, Ruge und Ronge. Die Einkommensteuer war übrigens für den Augenblick das Klügste, was die Preußen tun konnten. –

Was sagst Du von der portugiesischen Revolution?

Herr A. Goegg ist hier, wurde von Willich und Komp. sofort abgefangen und hielt Vorlesungen in der Windmill. Glückauf!

Maintenant, mon cher, lebe wohl. Von jetzt an wird die Korrespondenz wieder ordentlich ins Gleis kommen.

Dein K. M.


[1] Fremdartig ist.

85

Manchester, Montag, 19. Mai 1851.

Lieber Marx!

Ich bin froh, daß mit den Briefen nichts vorgefallen ist, es ist immer besser so. Der hiesige Postmeister hat mir ebenfalls eine hinreichende Erklärung für den zu spät gekommenen Brief gegeben. Schreibe in Zukunft auf der Adresse die Straße und Nummer über der Stadt, so daß Manchester ganz unten steht, die Postschreiber sind daran gewöhnt und haben, weil die Straße unten stand, in dem einen Brief das „Manchester“ übersehen und ihn als Londoner Stadtbrief nach London zurückgeschickt.

Das Neueste ist, daß Du vollständig enfonciert [vernichtet] bist. Du glaubst, die richtige Theorie der Grundrente entdeckt zu haben. Du glaubst, der erste zu sein, der die Ricardosche Theorie umwirft. Malheureux que tu es,[1] Du bist überflügelt, vernichtet, geschlagen, assommiert. Die ganze Grundlage Deines monumentum aere perennius[2] ist zusammengebrochen. Höre: Herr Rodbertus hat soeben den dritten Band seiner „Sozialen Briefe an v. Kirchmann“ veröffentlicht – 18 Bogen. Dieser Band enthält eine „vollständige Widerlegung der Ricardoschen Lehre von der Grundrente und die Darlegung einer neuen Rententheorie“. Leipziger Illustrierte Zeitung von voriger Woche. Jetzt hast Du Dein Fett.

Die Bemühungen des großen Kinkel, aus der unrespektablen Gesellschaft, genannt europäisches Komitee, herauszukommen, ohne Gestank zu hinterlassen, sind sehr heiter. Du wirst im Samstags-Ind [unlesbar] gesehen haben, daß einige Heuldemokraten bei Elberfeld eine Versammlung und kleine riots[3] zustande gebracht haben und dabei diese Proklamation verteilt. Das ist zustande gebracht durch deutschkatholische Verbindungen von Ronge. Weder Kinkel noch sonst jemand vom Chor hätte dort etwas ausgerichtet.

Die Geschichte mit Cavaignac ist in jeder Beziehung fatal; wenn Girardin von ihm sagt, daß er die meiste Chance hat, so muß es wahr sein. Außerdem sehen die Kerle immer mehr ein, daß die Revision unmöglich ist – auf legale Weise. Und die illegale ist ein Staatsstreich, und wer zuerst Staatsstreiche anfängt, der wird ekrasiert, sagt das Débats. Napoleon fängt an, horriblement[4] verschlossen zu werden. Changarnier ist vernichtet, vollständig pensioniert, die Fusion führt zu nichts unmittelbar Praktischem, so hübsch sie ist, il n’y a que Cavaignac.[5] Ob der Kerl die Revolution aufschöbe, wäre am Ende so gefährlich nicht; einige Jahre resoluter industrieller Entwicklung, die Überdauerung einer Krise und einer neuen Prosperitätsperiode könnte durchaus nicht schaden, besonders wenn sie von bürgerlichen Reformen in Frankreich usw. begleitet wäre. Aber Cavaignac und die bürgerliche Reform, das ist in Frankreich die Zollreform und die englische Allianz, und bei erster Gelegenheit der Krieg gegen die heilige Allianz, mit Englands Hilfe, mit gehöriger Zeit zu Rüstungen, mit einer lang vorbereiteten Invasion gegen Deutschland, und das könnte uns die Rheingrenze kosten, die ohnehin das beste Mittel ist, den Crapaudsozialismus mit einer Abschlagszahlung von Gloire zur Ruhe zu bringen.

Das Débats ist übrigens so herunter, daß es nur noch in der Aufrechterhaltung des neuen Wahlgesetzes die Rettung der Gesellschaft sieht.

Das Frankfurter Journal läßt sich aus Köln schreiben, den Flüchtlingen in London gehe es jetzt leidlich, mit Ausnahme derer in der Kaserne, unter denen auch Willich sei. Die Augsburger Allgemeine Zeitung glaubt wirklich, die Fremdenbill sei noch in Kraft, und sieht die Flüchtlinge – diese ewigen Juden des neunzehnten Jahrhunderts – mit der blassen Furcht vor dieser Bill in London zitternd herumschleichen.

Von der portugiesischen Revolution sage ich gar nichts. Bemerkenswert ist bloß, daß Saldanha als rein persönlicher Insurgent, als ôte-toi de là, Costa Cabral, que je m’y mette,[6] absolut nichts ausrichtete, daß aber von dem Moment, wo er gezwungen war, sich an die liberalen Bürger von Oporto anzuschließen und in der Person des José Passos einen allmächtigen Repräsentanten dieser bürgerlichen Gewalt bei sich aufzunehmen, daß da die ganze Armee ihm zufiel. Die Stellung, die Passos erhält, und die nächste Entwicklung wird zeigen, ob Saldanha und die Königin die Bürger nicht gleich wieder zu prellen suchen. Lissabon ist nichts, Oporto ist das Zentrum der konstitutionellen Bürger, der Manchesterschule von Portugal.

Sei froh, daß Herr Goegg nicht zu Dir gekommen ist. Le diable emporte toutes ces médiocrités gonflées.[7]

Dein F. E.


[1] Unglücklicher, der Du bist.

[2] Denkmal dauernder als Erz.

[3] Aufruhrszenen.

[4] Schauerlich.

[5] Es ist nur Cavaignac da.

[6] Steh’ auf da, Costa Cabral, damit ich mich dorthin setze.

[7] Der Teufel hole alle diese aufgeblasenen Mittelmäßigkeiten.

86

London, 21. Mai 1851.

Lieber Engels!

Freiligrath ist hier und läßt Dich grüßen. Er ist hier, um sich nach einer Stelle umzusehen. Wenn er keine findet, will er nach Amerika.

Er hat ganz gute Nachrichten aus Deutschland mitgebracht. Die Kölner sind sehr tätig. Ihre Agenten reisen seit September. Sie haben in Berlin zwei ganz gute Repräsentanten, und da die Demokraten beständig in Köln sich Rats erholen kommen, so paralysieren sie die anderen Herren beständig. So waren die Braunschweiger drauf und dran, dem Schimmelpfennig 2000 Taler für das Londoner Komitee (Soziales) zu geben. Vorher aber schickte sie Dr. Lucius nach Köln, und so fiel die Sache ins Wasser.

Kinkel ist sehr diskreditiert in der Rheinprovinz, speziell in Bonn. Das dortige Komitee hatte der Johanna 200 Pfund geschickt. Aber schon nach zwei Wochen verlangte sie Fortsetzung. Das mißfiel sehr den Spießbürgern.

Die Kölner werden in einigen Wochen einen kommunistischen Kongreß abhalten.

Sigel, der Obergeneral, ist hier und in die Windmillstreet eingetreten.

Auch eine Nummer des Kosmos ist erschienen von General Haugh. Enthält Reklamen für Willich, Kinkel und Göhringer. Die verschiedenen Banden fallen immer mehr zusammen. Ich habe eine aufgedunsenere und selbstgefälligere Abgeschmacktheit weder gesehen noch gehört.

Das Ganze ist belletristisch-quartaner-idiotisch geschrieben und mit einer selbstgefälligen Dummheit, die ihresgleichen in den Annalen der Weltgeschichte sucht. Dazu mit einem Mangel an allem Talent, der unerhört ist. Doch ich muß suchen, Dir ein Exemplar von diesem Bettel aufzutreiben.

Die Wanze Meyen läuft hier sehr geschäftig umher und teilt jedem, der es hören will, das Geheimnis mit, daß Marx und Engels allen Anhang und allen Einfluß in Deutschland verloren haben. Fürchterlicher Meyen!

Um Dir übrigens ein Beispiel von der schamlosen Zudringlichkeit dieser Patrone, von ihrem schäbigen Bettlertum zu geben:

Vorigen Sonntag war ich in Johnstreet, wo der alte Owen an seinem 80. Geburtstag eine Vorlesung hielt. Trotz seiner fixen Ideen war der Alte ironisch und liebenswürdig. Einer der Trabanten des Kosmos, nachdem der alte Herr geendet hatte, drängt sich an ihn heran und drückt ihm den Kosmos in die Hand mit der Erklärung, das Blatt enthalte seine Prinzipien. Und der Alte empfiehlt es wirklich dem Publikum. C’est par trop drôle![1]

Ich konnte den Abend übrigens nicht vermeiden, wieder mit Harney zu sprechen, der halb angerissen und sehr zuschauerlich auf mich zukam und sich nach Dir erkundigte.

Willichs Bettelgeschäfte gehen ganz gut. Er hat, als die schleswig-holsteinischen Flüchtlinge herkamen, über 200 Pfund von den citymerchants[2] „für diese“ erbettelt.

Girardin sagt zwar, Cavaignac sei jetzt der einzig ernsthafte Kandidat der parti de l’ordre,[3] der Bourgeoismasse. Er selbst aber greift ihn und Changarnier wütend an, und seine Polemik erinnert wieder an die besten Zeiten seines Kampfes gegen den National. Dieser Kerl macht größere Agitation in Frankreich, als die ganze Bande der Montagnards und Roten zusammengenommen. Bonaparte scheint hors de question.[4] Indes, wenn die royalistische Majorität der Nationalversammlung die Konstitution wieder verletzt und mit einfacher Majorität die Revision der Verfassung beschließt, wird sie doch am Ende gezwungen sein – da sie dann allen legalen Halt verliert –, mit Bonaparte als dem Inhaber der exekutiven Gewalt einen Kompromiß abzuschließen. Es könnte in diesem Falle vielleicht zu ernstlichen Kollisionen kommen, da Cavaignac schwerlich die Gelegenheit sich noch einmal vor dem Maule wegfischen lassen wird.

Bald wird die ganze Neue Rheinische Zeitung hier sein. Ich wundere mich über das Ausbleiben von Lupus. Wenn ihm nur kein Pech arriviert ist.

Ich sitze jetzt immer von morgens 10 bis abends 7 auf der Bibliothek und verspare die Industrieausstellung bis auf Deine Ankunft.

Hast Du die falsche und echte Epistel Mazzinis im Débats gelesen?

Dein K. M.

Musch [Marx’ Sohn Edgar] grüßt den „Friedrich Engels“.

Apropos. Willich und Schimmelpfennig haben an „ihre Brüder in der preußischen Armee“ den unvermeidlichen Aufruf erlassen.


[1] Das ist schon zu komisch.

[2] Kaufleute der [Londoner] City.

[3] Ordnungspartei.

[4] Außer Frage.

87

Manchester, 23. Mai 1851.

Lieber Marx!

Ich habe mit Vergnügen aus den Blättern ersehen, daß die Neue Rheinische Zeitung in Deiner Person auch auf dem Soyerschen Allerweltspreß-Symposium vertreten war. Mögen Dir die homards à la Washington[1] und der champagne frappé[2] geschmeckt haben. Wie aber Mr. Soyer Deine Adresse aufgefunden hat, ist mir ein Geheimnis.

Weißt Du, was aus dem versoffenen Laroche aus der Great Windmillstreet geworden ist? Derselbe ist, wie deutsche Blätter melden, abgefangen und in Berlin zum Tode verurteilt worden. Es stellt sich heraus, daß dieser angebliche ehemalige preußische Husarenleutnant niemand anders ist als der Schuhmacher August Friedrich Gottlieb Lehmann aus Treibel bei Sohrau in der oberschlesischen Wasserpolackei, Wehrmann ersten Aufgebots, durch Urteil vom 23. März 1842 wegen Desertation in Friedenszeit, Fälschung und unerlaubten Schuldenmachens zu den militärischen Ehrenstrafen und sechzehnmonatiger Einstellung in eine Strafsektion verurteilt. Ein neuer Beitrag zur Aufklärung über unsere Revolutionshelden.

Daß die großen Krieger, Willich, Schimmelpfennig und Sigel, sich mehr und mehr zusammenfinden, ist ganz gut. Dies Soldatenpack hat einen unbegreiflich schmutzigen Esprit de corps.[3] Sie hassen sich untereinander à mort,[4] beneiden sich gegenseitig wie Schuljungen die kleinste Auszeichnung, aber gegen Leute vom „Zivil“ sind sie alle einig. Akkurat, nur in zwerghaft karikiertem Maßstab, wie in den ersten französischen Armeen von 1792/93. Die Windmillstreet-Gesellschaft sehen sie alle für ein Bataillon an, das fix und fertig und geschlossen herübermarschieren wird; es ist das einzig übrige, seit die in der Schweiz gesprengt und fortexpediert sind. Kein Wunder, daß sie sich alle an dieses edle Korps anhängen. Es ist sehr gut, daß man schon jetzt auf diesen Offizierkorpsgeist aus der alten Kaserne und von der Offizierstafel her aufmerksam gemacht wird, und daß man schon jetzt sieht, wie diese Cliquenwirtschaft unter dem emigrierten Offiziersmaterial ebensosehr herrscht wie im herrlichen Kriegsheer. Wir wollen diesen Herren seinerzeit schon zeigen, was „das Zivil“ zu bedeuten hat. Aber dergleichen Geschichten zeigen mir, daß ich gar nichts Besseres tun kann, als meine militärischen Studien fortzusetzen, damit wenigstens Einer vom „Zivil“ ihnen theoretisch die Stange halten kann. Jedenfalls will ich’s dahin bringen, daß solche Tröpfe mich nicht niederschwatzen sollen. Daß sie übrigens um 2000 Taler geprellt worden sind, ist sehr erfreulich. Die Nachrichten aus Köln sind sehr angenehm, die Leute dort mögen sich nur in acht nehmen.

Daß Girardin den Cavaignac nicht unterstützt, ging schon aus den englischen Blättern hervor. Aber daß er das Faktum konstatiert, daß Cavaignacs Chancen so flott stehen, reicht hin, um die Situation zu charakterisieren. Wenn die Chance sich realisieren sollte, von der Du sprichst, daß die Majorität und Bonaparte einen Vertrag schlössen und die illegale Revision durchzuführen suchten, so geht’s schief, glaube ich. Das setzen sie nie durch, solange Thiers, Changarnier und das Débats nebst ihren respektiven Schwänzen dagegen sind. Die Chance für Cavaignac wäre zu schön; und in diesem Falle, glaube ich, könnte er auf die Armee rechnen.

Gibt es Krawall im nächsten Jahre, so ist Deutschland in einer verfluchten Lage. Frankreich, Italien und Polen sind bei seiner Zerstücklung interessiert. Mazzini hat sogar, wie Du gesehen hast, den Tschechen Rehabilitierung versprochen. Außer Ungarn hätte Deutschland nur einen möglichen Bundesgenossen, Rußland – vorausgesetzt, daß dort eine Bauernrevolution durchgeführt worden ist. Sonst kriegen wir eine guerre à mort[5] mit unseren edlen Freunden nach allen vier Winden hin, und es ist sehr fraglich, wie diese Geschichte enden wird.

Je mehr ich über die Geschichte nachdenke, je klarer wird es mir, daß die Polen eine nation fondue[6] sind, die nur so lange als Mittel zu brauchen sind, bis Rußland selbst in die agrarische Revolution hineingerissen ist. Von dem Moment an hat Polen absolut keine raison d’être[7] mehr. Die Polen haben nie etwas anderes in der Geschichte getan, als tapfere krakeelsüchtige Dummheit gespielt. Auch nicht ein einziger Moment ist anzugeben, wo Polen, selbst nur gegen Rußland, den Fortschritt mit Erfolg repräsentierte oder irgend etwas von historischer Bedeutung tat. Rußland dagegen ist wirklich progressiv gegen den Osten. Die russische Herrschaft mit all ihrer Gemeinheit, all ihrem slawischen Schmutz ist zivilisierend für das Schwarze und Kaspische Meer und Zentralasien, für Baschkiren und Tataren, und Rußland hat viel mehr Bildungselemente und besonders industrielle Elemente aufgenommen, als das seiner ganzen Natur nach chevaleresk-bärenhäuternde Polen. Schon daß der russische Adel fabriziert, schachert, prellt, sich korrumpieren läßt und alle möglichen christlichen und jüdischen Geschäfte macht, vom Kaiser und Fürst Demidoff bis herab zum lausigsten Bojaren vierzehnter Klasse, der nur blagarodno (wohlgeboren) ist, schon das ist ein Vorzug. Polen hat nie fremde Elemente nationalisieren können. Die Deutschen der Städte sind und bleiben Deutsche. Wie Rußland Deutsche und Juden zu russifizieren versteht, davon ist jeder Deutschrusse aus zweiter Generation ein sprechendes Exempel. Selbst die Juden bekommen dort slawische Backenknochen.

Von der „Unsterblichkeit“ Polens liefern Napoleons Kriege 1807 und 1812 schlagende Exempel. Unsterblich war bei den Polen bloß ihre Krakeelerei ohne allen Gegenstand. Dazu kommt, daß der größte Teil von Polen, das sogenannte Westrußland, das heißt Bjelostock, Grodno, Wilna, Smolensk, Minsk, Mohilew, Volhynien und Podolien, sich mit geringen Ausnahmen seit 1772 ruhig hat von den Russen beherrschen lassen, ils n’ont pas bougé,[8] mit Ausnahme von ein paar Bürgern und Edelleuten hier und da. Ein Viertel von Polen spricht Litauisch, ein Viertel Ruthenisch, ein kleiner Teil Halbrussisch und der eigentliche polnische Teil ist zu voll einem Drittel germanisiert.

Glücklicherweise haben wir in der Neuen Rheinischen Zeitung keine positiven Verpflichtungen gegen die Polen übernommen, als die unvermeidliche der Wiederherstellung mit suitabler Grenze – und auch die noch unter der Bedingung der agrarischen Revolution. Ich bin sicher, daß diese Revolution in Rußland eher vollständig zustande kommt als in Polen, wegen des Nationalcharakters und wegen der entwickelteren Bourgeoiselemente in Rußland. Was ist Warschau und Krakau gegen Petersburg, Moskau, Odessa usw. usw.!

Resultat: Den Polen im Westen abnehmen, was man kann, ihre Festungen unter dem Vorwand des Schutzes mit Deutschen okkupieren, besonders Posen, sie wirtschaften lassen, sie ins Feuer schicken, ihr Land ausfressen, sie mit der Aussicht auf Riga und Odessa abspeisen, und im Falle die Russen in Bewegung zu bringen sind, sich mit diesen alliieren und die Polen zwingen, nachzugeben. Jeder Zoll, den wir an der Grenze von Memel bis Krakau den Polen nachgeben, ruiniert diese ohnehin schon miserabel schwache Grenze militärisch vollständig und legt die ganze Ostseeküste bis nach Stettin bloß.

Ich bin übrigens überzeugt, daß bei dem nächsten Krawall die ganze polnische Insurrektion sich auf Posener und galizische Adlige nebst einigen Zuläufern aus dem Königreich beschränken wird, und daß die Prätensionen dieser Ritter, wenn sie nicht von Franzosen, Italienern, Skandinaviern usw. usw. unterstützt und durch tschechoslawische Krawalle verstärkt werden, an der Erbärmlichkeit ihrer Leistungen scheitern werden. Eine Nation, die 20 000 bis 30 000 Mann höchstens stellt, hat nicht mitzusprechen. Und viel mehr stellt Polen gewiß nicht.

Grüße Freiligrath, wenn Du ihn siehst, und Deine Familie, den Bürger Musch nicht zu vergessen. Ich komme zirka acht Tage später nach London, als ich dachte; die Geschichte hängt von vielen kleinen Lumpereien ab.

Dein F. E.


[1] Hummern à la Washington.

[2] Champagner in Eis.

[3] Korpsgeist.

[4] Auf den Tod.

[5] Krieg auf Tod und Leben.

[6] Aufgelöste Nation.

[7] Existenzberechtigung.

[8] Sie haben nicht gemuckt.

88

28. Mai 1851.

Lieber Engels!

Das Nichtantworten von Daniels (dem ich übrigens morgen wieder einen Brief zukommen lasse, wenn ich nicht noch heute einen erhalte) hat sehr verdrießliche Gründe. Nothjung ist in Leipzig am Bahnhof verhaftet worden. Was man an Papieren gefunden hat, weiß ich natürlich nicht. Darauf wurden (oder auch gleichzeitig, ich weiß das nicht) Becker und Röser in Köln verhaftet und gehaussucht (ebenso letzteres bei Bürgers. Dieser ist in Berlin, steckbrieflich verfolgt und wird wohl bald hier eintreffen).

Diese Maßregeln der Polizei gegen die Emissäre usw. verdanken wir ganz und gar dem elenden Geschrei der Esel in London. Diese Blasebälge wissen, daß sie weder konspirieren, noch einen wirklichen Zweck verfolgen, noch eine Organisation in Deutschland hinter sich haben. Sie wollen nichts als gefährlich scheinen und die Zeitungstretmühle in Rotation setzen. So hindern und gefährden die Canaillen die wirkliche Bewegung und setzen die Polizei auf das Qui vive.[1] Hat je eine solche Partei existiert, deren eingestandener Zweck die reine Renommisterei ist?

Freiligrath ist instinktmäßig zur rechten Zeit abgereist, um nicht gefaßt zu werden. Kaum hier, so wurden ihm Schlingen von allen Emigrationscliquen, philanthropischen Kinkelfreunden, ästhetelnden Howitts usf. gelegt, um ihn für die Koterie einzufangen. Er hat allen solchen Versuchen sehr grob geantwortet, daß er zur Rheinischen Zeitung gehöre und mit der kosmopolitischen Brühe nichts zu tun habe und nur mit dem „Dr. Marx und seinen intimsten Freunden“ verkehre.

Vorher noch un mot[2] über den Zustand in Frankreich.

Ich überzeuge mich de plus en plus,[3] daß trotz alledem und alledem die Chancen Napoleons von allen Kandidaten einstweilen noch die besten sind. Man wird en principe[4] die Revision beschließen, aber en pratique[5] sich mit der Revision des auf den Präsidenten bezüglichen Artikels besch[schränken]. Sollte die Minorität zu viel Lärm machen, so faßt man einen einfachen Majoritätsbeschluß, wodurch man die Auflösung der Nationalversammlung und die Einberufung einer neuen beschließt, die dann unter auspiciis Faucheri,[6] des Telegraphen und des Gesetzes vom 31. Mai vor sich gehen wird. Die Bürger würden Cavaignac vorziehen; aber die Gefahr, mit dem status quo durch eine radikale Neuwahl zu brechen, ist ihnen zu bedenklich. Schon jetzt haben eine Masse Fabrikanten ihre hands[7] gezwungen, Petitionen für Revision der Verfassung und Verlängerung der Präsidentengewalt zu unterhauen. En tout cas[8] muß die Sache sich bald entscheiden, und nous verrons![9]

Der Kosmos hat also mit Glanz Fiasko gemacht.

Vale faveque![10]

Dein K. M.


[1] Wer da!

[2] Ein Wort.

[3] Mehr und mehr.

[4] Im Prinzip.

[5] In der Wirklichkeit.

[6] Unter der Leitung [des Ministers] Faucher.

[7] Arbeiter.

[8] Auf jeden Fall.

[9] Wir werden sehen.

[10] Lebewohl und bleibe mir gut.

89

Dienstag [undatiert], Ende Mai 1851.

Lieber Marx!

Am Samstag komme ich nach London, wenn nichts dazwischen kommt.

Meine Befürchtungen wegen der Kölner haben sich, scheint es, nur zu rasch realisiert; die Verhaftung des roten Becker und Rösers wegen Hochverrat und Versuch zum Umsturz der Verfassung, sowie der Versuch zur Verhaftung des stillen Heinrich [Bürgers] sind offenbar nicht ohne Beziehung auf die B[undes]geschichte. Glücklicherweise hat man, wie das Frankfurter Journal sagt, absolut keine Papiere bei den Verhafteten gefunden – ob bei B[ürgers], wird nicht gesagt. Heinrich wird nun wohl auch zur Komplettierung der Neuen Rheinischen Zeitung nach London kommen. Die Geschichte kann unangenehm werden, wenn die Kerle sich dumm benommen haben.

Dein F. E.

90

16. Juni 1851.

Lieber Engels!

Bei Daniels ist Haussuchung und er verhaftet worden. Ich glaube nicht, daß man irgend etwas bei ihm gefunden hat.

Heute morgen erhielt ich einen Brief, offenbar von Daniels’ Handschrift aber ohne Namensunterschrift, worin man mir das obige Faktum mitteilt und mich zugleich auffordert, alle Briefe beiseite zu bringen, da man aus sicherer (im Original so) Quelle wisse, daß auch hier in England Haussuchungen stattfinden würden.

Ob das gesetzlich möglich ist, weiß ich nicht. Jedenfalls werde ich alles beiseite bringen. Auch Du wirst gut tun, wenn Du sämtliche Briefe – die irrelevanten verbrennst und die anderen, die irgend data und dergleichen enthalten, bei der Mary oder eurem Kommis versiegelt placierst.

Bei dem Jacoby hat man wahrscheinlich eine Empfehlung von Daniels gefunden.

Ich habe heute gleichzeitig durch einen Kaufmann einen Brief von Weydemeyer erhalten, der sich bei Frankfurt versteckt hält. Ich lege Dir diesen Brief bei. Weißt Du vielleicht die exakte Zahl, die Weydemeyer wissen will, zwischen dem Verhältnis des inneren und auswärtigen Handels Englands? Die Sache hat sich in der letzten Zeit bedeutend verändert. Salut!

Dein K. Marx.

91

27. Juni 1851.

Lieber Marx!

Es ist sehr bonasse[1] von der braven sächsischen Polizei, daß sie uns allerhöchst selbst von dem unterrichtet, was wir bisher nicht wußten oder erfahren konnten. Bürgers’ didaktisch-würdevolles Rundschreiben mit dem bekannten clair-obscur[2] des Räsonnements muß ihnen viel fruchtloses Kopfzerbrechen gekostet haben; sie haben auch gerade nur die unrechten Stellen groß drucken lassen. Heiter nimmt es sich aus, daß die großen Windmiller jetzt vor der ganzen Welt herausgeschmissen aus der eigenen Partei dastehen, der große Willich gepaart mit Haude, Gebert und anderem unbekannten Pack, einem gewissen „Schopper“ (von „Schoppen“ abgeleitet), dessen seltene Verdienste so wenig bekannt sind, daß selbst in Köln sein Name nicht einmal richtig gedruckt wird! So far all right.[3] Aber der erste Artikel der Statuten ist schlimm für die Verhafteten: „Alle Mittel der revolutionären Tätigkeit“, oder wie es dort heißt. Das führt die Sache aus dem Gebiet der bloßen verbotenen Verbindung heraus auf das des Hochverrats. Übrigens, nach einer Andeutung der Kölnischen Zeitung zu schließen, scheint meine Vermutung richtig zu sein, daß man vorhat, die ganze Gesellschaft vor den für diese grandiose Gelegenheit eigens ins Leben zu rufenden Berliner Staatsgerichtshof zu stellen.

Ein gutes Zeichen für die Stimmung der Bourgeois ist, daß die Regierung mit ihrem Versuch, die große Dresdener Entdeckung als Schreckschuß zu exploitieren, so komplett durchgefallen ist. Der Bürger fürchtet sich so wenig mehr vor dem roten Gespenst, daß er vom großen Kommunistenkomplott nichts hören will und schon fürchtet, daß das Haussuchungssystem nächstens auch auf ihn ausgedehnt werde.

Kein einziges Blatt will anbeißen, und die Verzweiflungsexperimente der Regierung, bei Turnvereinen, freien Gemeinden und demokratisierenden Schneidermeistern weitere Umtriebe zu entdecken, beweisen einerseits, wie sehr sie sich über die Gleichgültigkeit der Bürger ärgert und die Neugier derselben zu kitzeln sucht, und andererseits, zu wie wenig weiteren Entdeckungen die Statuten und das Rundschreiben geführt haben. Bei Miquel scheint auch fruchtlos gehaussucht zu sein.

Qu’y a-t-il de nouveau à Londres?[4]

Dein F. E.


[1] Gutmütig.

[2] Halbdunkel.

[3] Somit [ist] alles in Ordnung.

[4] Was gibt es Neues in London?

92

[Undatiert. Etwa zwischen 6. bis 10. Juli 1851.]

Lieber Marx!

Nachdem ich meinen Alten hier acht Tage herumgeschleift, habe ich ihn glücklich wieder fortexpediert und kann Dir heute endlich inliegend Post Office Ordre für 5 Pfund schicken. Im ganzen kann ich mit dem Resultat meiner Entrevue mit dem Alten zufrieden sein. Er hat mich auf wenigstens drei Jahre hier nötig, und Verpflichtungen für die Dauer, nicht einmal auf die drei Jahre, habe ich keine eingegangen, sind auch weiter nicht verlangt worden; weder in Beziehung auf Schriftstellerei noch auf Hierbleiben im Falle einer Revolution.

An diese scheint er gar nicht zu denken, so sicher ist das Volk jetzt! Dagegen habe ich mir Repräsentations- und Tafelgelder gleich im Anfang ausgemacht – zirka 200 Pfund jährlich, was auch ohne große Schwierigkeiten bewilligt wurde. Mit einem solchen Salär geht die Sache schon, und wenn es bis zur nächsten Bilanz ruhig bleibt und das hiesige Geschäft gut geht, wird er noch ganz anders bluten müssen – ich komme schon in diesem Jahre weit über die 200 Pfund. Dabei hat er mich in seine ganzen Geschäftsverhältnisse sowohl hier wie drüben blicken lassen, und da er sehr gute Geschäfte gemacht und seit 1834 sein Vermögen mehr als verdoppelt hat, so versteht es sich, daß ich mich nicht mehr geniere, als nötig ist.

Der Alte ist übrigens auch verschlagen genug. Sein Plan, der aber nur sehr langsam und schwierig durchzuführen und wegen der Tuckereien mit den Ermens schwerlich je durchgeht, ist der, den Peter Ermen nach Liverpool ziehen zu lassen, was dieser selbst wünscht, und mir dann die ganze Leitung des hiesigen Kontors – wo G. Ermen dann die Fabrik führen würde – in die Hände zu spielen. Damit wäre ich dann gebunden. Natürlich erklärte ich, daß mir das doch über die Kräfte ginge, und spielte den Bescheidenen. Wäre mein Alter indes noch ein paar Tage hier geblieben, wir wären uns in die Haare geraten.

Ceci entre nous.[1]

Die Kölner Zeitung ist seit Anfang Juli hier nicht mehr zu sehen, wahrscheinlich wegen vergessener Abonnementserneuerung. Ich weiß also nicht, ob weiter noch etwas vorgefallen ist. Wenn Du Neues weißt, so lasse mich es ja wissen. Ich werde endlich wieder anfangen können, ordentlich zu arbeiten, da die Exhibitionsstörungen jetzt so ziemlich vorüber sind und der Athenäumskatalog endlich fertig ist. Auch habe ich vor, bald aufs Land zu ziehen, damit ich ganz ungestört bin. Da ich binnen eines Jahres meinen Alten nicht wieder herbekomme, kann ich mich ganz nach Konvenienz einrichten und die Repräsentationsgelder zum großen Teile anders verwenden.

Grüße Deine Frau und schreibe bald

Deinem F. E.


[1] Dies unter uns.

93

28 Deanstreet, Soho, 13. Juli 1851.

Lieber Engels!

Ich habe meinen Brief von Tag zu Tag aufgeschoben, um Dir vollständig die Dokumente zu geben, die unten mitgeteilt werden. Da die Vollständigkeit aber erst in einigen Tagen möglich wird, schreibe ich heute, um nicht noch länger Dich auf Antwort warten zu lassen.

D’Abord.[1] Scheint mir aus Deinem Briefe hervorzugehen, daß Du während der Anwesenheit des Alten in Manchester nicht erfahren hast, daß ein zweites Aktenstück in der Kölnischen Zeitung abgedruckt war, unter der Überschrift „Der Bund der Kommunisten“. Es war dies die von uns beiden verfaßte Ansprache an den Bund – au fond[2] nichts als ein Kriegsplan gegen die Demokratie. Nach einer Seite hin war die Veröffentlichung desselben gut, im Gegensatz zu dem der Form nach plus ou moins[3] absurden und dem Inhalt nach wenig tröstlichen Aktenstück des Bürgers. Andererseits erschweren einige Stellen die Situation der jetzt Gefangenen.

Wie ich durch Louis Schüler [oder Schöler] aus Köln erfahre, schreibt Bürgers sehr trübselig aus Dresden. Dagegen glaubt man in Köln allgemein an die Freisprechung von Daniels, gegen den nichts vorliegt und für den die ganze Heulerei in der heiligen Stadt heult. Sie hält ihn natürlich für unfähig solcher „Narreteien“.

Miquel hat aus Göttingen geschrieben. Mehrmalige Haussuchung bei ihm. Man fand nichts. Ist nicht eingesperrt worden. Es sind von Göttingen aus fünf neue Emissäre – Gentlemen – nach Berlin usw. ausgegangen. Die Judenverfolgung erhöht natürlich den Eifer und das Interesse.

Das drolligste ist, daß die alberne Augsburger Allgemeine Zeitung das von uns verfaßte Aktenstück zu einem Kinde der Herren Mazzini-Ruge macht, sich ein über das andere Mal an die Brust schlägt und ihre Begriffserschütterung über das Ungeheure nicht besser zu formulieren weiß, als indem sie verschiedentlich Wahnsinn! schreit. Wahnsinn! Wahnsinn!

Die Triersche Zeitung hat sich natürlich – id est Karl Grün – aufs hohe Pferd gesetzt und aus dem ersten Aktenstück die materielle, aus dem zweiten jedoch die „geistige“ Ohnmacht der Partei bewiesen. Die lichtfreundlichen und am weitestgehenden „anarchischen“ Phrasen fehlen natürlich nicht. Alles von oben machen! Polizeistaat! Andersdenkende förmlich in Bann tun und ausschließen. Mon Dieu! Da hört am Ende alles auf!

Nun zu den hiesigen Stürmen, die in einem Regentropfen sich zu ereignen gewohnt sind.

Erstens. Vater Willich ist aus der Kaserne – deren Auflösung, wie es scheint, beschlossen war – ausgekniffen und in tiefen Krakeel mit den meisten seiner Leibgarde geraten.

Zweitens. Der große Fickler arrivierte hier. Lupus war einige Tage vor seiner Ankunft in England mit ihm in Straßburg zusammengewesen. Liebknecht ist seit alter Zeit mit ihm vertraut. Beide begaben sich also zu ihm am 5. Juli. Er schwatzte sehr freundlich, sprach von der Notwendigkeit der Aussöhnung der Parteien usw. Da kam auch der Amand Goegg hinzu. Er nannte Willich einen „bloßen Phantasten“, Schapper ein „ekelhaftes Subjekt“ – nachdem er den Kerl einigemal in der Windmill poltern gehört, habe er sich von ihm getrennt und sei nicht mehr in die Herberge gegangen. Fickler und Goegg zogen beide besonders stark über den großen Kinkel los, der hier nun den glücklichen Parvenü spielt und sich daher den Ärger der anderen großen Männer zugezogen hat. Ruge wurde dagegen als eine Art von lumen[4] betrachtet.

Fickler fragte nach meiner Adresse, und Lupus und Liebknecht entfernten sich, düpiert von den nach „Eintracht“ ringenden Biedermännern.

Einige Tage nachher schickte mir Freiligrath folgenden Brief zu, der ihm zugegangen war:

4 Brunswickplace, North Brighton, 4. Juli 1851.

Lieber Freiligrath!

Wir projektieren eine Art Klub und Verein, der das Privatwesen aufhebt und niemand von der revolutionären sozialdemokratischen Partei ausschließt, als den, der exklusiv sein will oder der sich durch Charakter und Antezedentien selbst unmöglich gemacht hat.

Fickler, Goegg, Sigel, Ronge, Ruge betreiben die Sache, und ich habe es übernommen, Dich zu unterrichten und Dich einzuladen, wenn Du Dich, wie ich vermute, interessierst, an einem Meeting zu dem Zwecke am 14. Juli (Montag 8 Tage) 11 Uhr morgens in Ficklers Wohnung, 26 Yorkbuildings, die einen Teil von New Road bilden, unterhalb Bakerstreet, teilzunehmen. Wir haben etwa 24 Leute eingeladen, die wir als zuverlässig und treugeblieben kennen. Mehr wissen wir für den Augenblick nicht.

Ich hätte Dich gern gesprochen. Wenn wir reussieren mit dem Projekt, so wird dergleichen sofort in allen Fällen möglich. Wenn Du auch nicht in London bleibst, sollst Du doch hinkommen.

Mit Gruß und mit Händedruck

Dein A. Ruge.

Qu’en dis-tu?[5]

Freiligrath hat nun den großen Fehler begangen, seine Antwort erst gestern, 12. Juli, abzuschicken, so daß Ruge ihn [sie] nicht einmal vor seiner Abreise aus Brighton nach London erhalten wird. Überhaupt nahm Freiligrath die Sache etwas zu pomadig. Mais enfin, chacun a sa manière d’agir.[6] Lupus, dem ich den Brief mitteilte, schrieb sofort an Fickler:

3 Broadstreet, Golden Square, 10. Juli 1851.

Bürger Fickler!

Am 5. dieses Monats war ich mit Liebknecht bei Ihnen auf Besuch. Aus der Art und Weise, wie Sie sich gegen uns aussprachen, konnte ich durchaus nicht schließen, daß schon tags zuvor nachstehender Brief an Freiligrath abgesandt worden war. (Folgt obenstehender Brief.) Hätte ich am 5. dieses Monats entfernt ahnen können, daß Sie mit A. Ruge, diesem albern-schamlosen Lumpenhunde, in derartiger Verbindung stehen, ich würde Ihre Wohnung gewiß nicht betreten haben.

Da Sie nun aber, wie ich aus vorstehendem ersah, mit einem Menschen zusammengehen, „der sich durch Charakter und Antezedentien“ (zum Beispiel durch sein feiges Davonlaufen aus Berlin usw.) für jede wahrhaft revolutionäre Partei „selbst unmöglich gemacht hat“ und der bereits von der ganzen kommunistischen Partei in Deutschland in Verruf getan ist: so soll durch diese Zeilen konstatiert werden, daß ich mit Leuten, die sich so intim in der Sphäre eines Individuums wie Ruge bewegen, nichts zu schaffen haben will und kann.

W. Wolff.

P. S. Sie können von diesen Zeilen einen beliebigen Gebrauch machen. Ich für meinen Teil werde sie meinen Parteigenossen zur Kenntnis bringen.

Der Obige.

Lupus erhielt darauf folgende Antwort:

11. Juli 1851.

Lieber Bürger Wolff!

Mein Ahnungsvermögen ist in der Tat so schwach, daß es mich auch nicht entfernt den Verlust Ihres Wohlwollens und Ihres Besuchs befürchten ließ, wenn ich mit dem „Lumpenhund“ Ruge im Umgang mich befinde. Ja, ich wußte nicht einmal, daß ich in solcher Hinsicht schon unter der Vormundschaft einer Parteiabteilung und unter der Polizeiherrschaft der Männer der Zukunft stehe. Dieser Stumpfsinnigkeit, sowie der Erfahrung, welche ich in zwanzigjährigem politischen Wirken dahin machte: daß es nicht eine politische Partei gebe, die vermeiden könne, mit Lumpenhunden zusammenzuwirken, verdanke ich den Entschluß, jedem befähigten Manne die Hand zu bieten, der gemeinsam mit mir die revolutionäre Bahn wandeln will; – ob derselbe bloß halbwegs zum Ziele gehe, welches ich mir vorgesteckt; – ob er mich bis dahin begleite oder ob er darüber hinausschreite.

Politische wie religiöse Achtserklärungen sind Anachronismen, selbst wenn sie vom Kaiser und Papst ausgehen; um wieviel lächerlicher erscheinen dieselben, wenn die Königlein und Päpstlein einer Partei sie ausschleudern, welche nach offenkundig gewordenen Bekenntnissen so zerfahren ist wie die Ihrige, und welche heute aus ihrer eigenen Mitte diejenigen zu „Lumpenhunden“ umformt, welchen sie gestern noch fast göttliche Ehre erwiesen!

Auf meinem Lebensweg habe ich ungleich mehr „Lumpenhunde“ als ehrliche Leute gefunden und bin von den ersteren ungleich weniger betrogen worden als von den letzteren. Deshalb verliere ich keine Zeit mit Sonderung dieser Sorten und sehe hauptsächlich auf Befähigung, deren man in der verschiedensten Weise bedarf.

Wollen Sie daher mit Marx und Liebknecht – um deren Verständigung ich Sie bitte – an dem erwähnten „Meeting“ teilnehmen, so lade ich Sie dazu mit dem Bemerken ein: daß es sich lediglich um eine Vorberatung handelt und die Hauptunannehmlichkeit für Sie wie für die Hälfte der Gesellschaft überhaupt darin bestehen dürfte, für die unedleren Körperteile der Sitze zu entbehren, was aber wesentlich zur Beschleunigung der Beratung beitragen wird.

Mit freundlichem Gruß

Ihr Fickler usw.

Das komischste an der ganzen Sache ist und bleibt die unendliche Anstrengung des Ruge und seiner Clique, sich mit stets neuen Kombinationen dem Publikum aufzudrängen. Geht es nicht als Abcdef, so geht es sicher als Fedcba. Rechne einmal aus, wieviel Variationen und Permutationen der Art noch möglich sind. Hat es je eine ohnmächtig lächerlich-anspruchsvollere Clique gegeben?

Dein K. M.

Apropos, die 5 Pfund erhalten. Sie kommen wie ein deus ex machina, denn die circumstances[7] sind „öklich“ und schwer zu sehen, wie herauszukommen. Schreibe direkt an den Klose (6 Upper Ruppertstreet, near Princeßstreet, Soho), da der Tropf sonst glaubt, sein an Dich gerichteter Brief, Du erinnerst Dich wegen der 10 Pfund, sei nicht an Dich gelangt.


[1] Erstens.

[2] Im Grunde.

[3] Mehr oder weniger.

[4] Licht.

[5] Was sagst Du dazu?

[6] Aber schließlich handelt jeder auf seine Weise.

[7] Umstände.

94

Manchester, 17. Juli 1851.

Lieber Marx!

Dem Klose wird heute noch geschrieben – es ist gut, daß Du seine Adresse beigefügt, da ich sie nicht hatte. – Daß Du arg in der Klemme bist, glaube ich gern, und um so ärgerlicher ist es mir, daß ich bis Anfang nächsten Monats über keinen Centime mehr zu disponieren habe. Wenn Du bis dahin nicht warten kannst, wäre es nicht einzurichten, daß Weerth Dir bis dahin einiges pumpte? Ich kann am 1. August 5 Pfund und am 1. September wieder 5 Pfund zurückzahlen, und das ist so sicher wie bar Geld.

Die Zeitungsabonnements sind hier endlich wieder in Ordnung, und so habe ich denn endlich unser altes Aktenstück in der Kölnischen Zeitung zu Gesicht bekommen. Die Augsburger erzählt übrigens in einem sonst anscheinend gut unterrichteten Artikel Dresden, man habe den Nothjung endlich durch schikanöse Verhöre breitgeschlagen, und dieser habe die umfassendsten Geständnisse gemacht. Ich halte es allerdings für leicht möglich, daß geschickte Inquirenten ihn bald in die Enge treiben und in die tollsten Widersprüche verwickeln können. Ein preußischer Beamter soll hingegangen sein, um noch mehr aus ihm herauszuquetschen. Der König von Hannover soll sich geweigert haben, die Verfolgungen in seinen Staaten zu betreiben, wenigstens in der cruden[1] Weise, wie dies in Preußen, Hamburg usw. geschieht. Der Brief Miquels scheint dies zu bestätigen. Daß Martens in Hamburg verhaftet ist, weißt Du. Die Dummheit der Preußen geht übrigens aus nichts mehr hervor als aus der Haussuchung bei „Karl am Rhein“, den man ebenfalls im Verdacht hatte, im komm[unistischen] Bund zu sein, und bei dem man nur Briefe von Raveaux fand!

Das alte Aktenstück kann nur durch die eine Stelle über die „Exzesse“ den Verhafteten schädlich sein, alle übrigen Stellen gehen gegen die Demokraten, und würden nur in dem Fall ihre Position erschweren, wenn sie vor eine halbdemokr[atische] Jury kämen; wie es aber den Anschein hat, wird man sie vor eine exquisite Spezial- oder Bundesjury stellen, wenn man sie überhaupt davor stellt. Und selbst diese Sachen waren schon in dem Bürgersschen Dokument, das gleich anfangs gefaßt war, großenteils wieder verarbeitet. Dagegen ist es in jeder anderen Beziehung von enormem Vorteil, daß das Ding publiziert und durch alle Blätter gegangen ist. Die einzelnen stillen Cliquen von angehenden Kommunisten, die man gar nicht kennt und die nach den bisherigen Erfahrungen in allen Teilen Deutschlands sitzen müssen, werden daran einen famosen Halt bekommen, und selbst dem Artikel der Augsburger sieht man an, daß das Ding sie ganz anders affiziert hat als die ersten Entdeckungen. Ihre Zusammenstellung des Inhaltes zeigt, daß sie den „Wahnsinn“ nur zu gut verstanden hat – en effet il n’y avait pas moyen de s’y méprendre.[2]

Dabei galoppiert die feudale Reaktion so toll und blindlings darauf los, daß der ganze Schreckschuß bei der Bourgeoisie nicht den mindesten Effekt macht. Es ist zu heiter, zu sehen, wie die Kölnische Zeitung jetzt täglich das il faut passer par la mer rouge[3] predigt und alle Fehler der Konstitutionellen von 1848 eingesteht. Aber freilich, wenn man einen Kleist-Retzow zum Oberpräsidenten nach Koblenz bekommt, und wenn die unverschämte Kreuzzeitung in ihren platten Possen und Knittelversen immer injuriöser wird, was soll da die gebildete und gesetzliche konstitutionelle Opposition anfangen! Es ist schade, daß wir die Kreuzzeitung nicht hier haben. Ich sehe allerlei Auszüge draus. Von dieser hundsordinären, gassenbubenhaften, stinkenddummpreußischen Manier, mit der das Blättchen jetzt über die anständigen, wohlhabenden und respektablen konstitutionellen Größen herfällt, hat man keine Vorstellung. Wenn man Kerlen wie Beckerath und Konsorten noch ein bißchen Taktgefühl und Widerstandsfähigkeit zutrauen könnte, sie müßten die Mißhandlungen und Schimpfereien eines Père Duchesne in Rheinschürgermanier und die ganze terreur rouge[4] einer Behandlung vorziehen, wie sie sie jetzt von den Junkern und der Kreuzzeitung täglich zu genießen haben.

„Und weiter sprach der Esel:

Da ist auch der Gemeinderat von Wesel.

Wenn ich nicht wär ein Eselein,

So möchte ich wohl Gemeinderat von Wesel sein“ –

In solchen witzigen Reimen bepißt die Kreuzzeitung jetzt der Reihe nach sämtliche konstitutionelle Koryphäen, und die Kerle lassen sich das ruhig gefallen. Es ist aber den Hunden recht, die die besten Artikel der Neuen Rheinischen Zeitung als „gemeine Schimpfereien“ verschrien, daß sie jetzt auf ihren eigenen feigen Buckel den Unterschied angefuchtelt bekommen. Sie werden sich zurücksehnen nach den hiergegen unendlich attischen Verhöhnungen der Neuen Rheinischen Zeitung.

Aus der Geschichte mit Fickler werde ich nicht recht klug. Warum lief Lupus auch gleich zu Fickler hin und ließ nicht erst den Liebknecht sondieren, puisque celui-ci n’aurait compromis que lui-même?[5] Es sieht aus, als habe man Fickler keilen wollen. Und dann, nachdem er dagewesen, war der Brief von Lupus zu sackgrob. Entweder war der Fickler überhaupt nicht der Mühe wert, oder – nachdem in der Unterhaltung selbst von Fickler und Goegg Ruge als eine Art Lumen schon hingestellt war, reichte es hin, daß man mit ihm abbrach, ohne gerade ganz grob mit ihm zu brechen. Es war ein gemeiner Streich von Fickler, c’est clair.[6] Indes mußte man nicht dergleichen von süddeutschen Biedermännern von vornherein als möglich voraussetzen? Und er hatte ja aus seinem Respekt vor Ruge kein Geheimnis gemacht. Die Zudringlichkeit des Ruge ist freilich namenlos. Aber gerade diese ewig neuen Variationen sind Beweis genug, daß keine auch nur im geringsten ziehen will, und daß das „comité allemand“,[7] an das Mazzini seine Römerbriefe schreibt, noch immer nur im Kopfe von Ruge existiert.

Sorge ja dafür, daß Weerth hierherkommt, und schreibe bald wieder.

Dein F. E.


[1] Roh, ungeschlacht.

[2] Wirklich, es war gar nicht möglich, es nicht zu verstehen.

[3] Es muß durch das rote Meer gegangen werden.

[4] Rote Schrecken.

[5] Da der nur sich allein bloßgestellt hätte.

[6] Das ist klar.

[7] Deutsches Komitee.

95

[Undatiert.] 28 Deanstreet, Soho, [Mitte] Juli 1851.

Lieber Engels!

Sei so gut und gib den einliegenden Brief an Schulz sofort auf die Post in Manchester.

Du erhältst einliegend den Brief Freiligraths an Ruge, den ich zurückzuschicken bitte, und den Brief von Bermbach an mich. Auch einen Brief von Miquel.

Ein gewisser „Ulmer“, Schuster, war bei den letzten Haussuchungen aus Köln entflohen. Er gab einem Straubinger bei „Schärttner“ einen Brief an seine Verwandten mit. Dieser Straubinger wurde sofort mit den Briefen an der holländischen Grenze abgefaßt. Kompromittiert sind dadurch nur die Leute, die ihn befreit haben. So gut ist die Polizei im Schärttnerschen Lokal organisiert.

Weydemeyer hat sich über die Grenze gemacht. Wir erwarten ihn hier.

Die elenden Heinzen-Ruge lassen sich allerlei dummen Klatsch über die Kölner Vorfälle, angeblich aus Deutschland, schreiben. Der ganze falsche Inhalt zeigt, daß sie ihre eigenen Korrespondenten sind.

Laß bald von Dir hören.

Dein K. M.

P. S. Es fällt mir eben ein, daß es besser ist, wenn Du selbst den Brief an Bermbach schickst. Nämlich auswendig: Louis Schulz, 2 Schildergasse, Köln. Inwendig den verschlossenen Brief an Bermbach. Du richtest es natürlich so ein, daß man keine inwendige Adresse sieht, und machst den Brief kaufmännisch zu.

96

[Undatiert. Offenbar zweite Hälfte Juli 1851.]

Lieber Marx!

Inliegend die Dokumente zurück. Der Brief von Miquel gefällt mir. Der Kerl denkt wenigstens und würde gewiß sehr gut werden, wenn er einige Zeit ins Ausland käme. Seine Befürchtungen wegen der nachteiligen Einwirkung unseres jetzt publizierten Aktenstücks auf die Demokraten sind für seine Gegend gewiß sehr richtig; diese niedersächsische, naturwüchsige Mittelbauerndemokratie, der die Kölnische Zeitung neulich in den Hintern kroch und ihr die Allianz anbot, ist aber auch danach und steht weit unter der spießbürgerlichen Demokratie der größeren Städte, von der sie doch beherrscht wird. Und diese kleinbürgerliche Normaldemokratie, obwohl schwer pikiert offenbar durch dies Aktenstück, ist selbst viel zu geklemmt und gedrückt, als daß sie nicht, mit der großen Bourgeoisie, viel eher auf die Notwendigkeit des passer par la mer rouge[1] käme. Die Kerle werden sich mehr und mehr in die Notwendigkeit einer momentanen terroristischen Herrschaft des Proletariats ergeben – das kann ja doch nicht von langer Dauer sein, denn der positive Inhalt des Aktenstücks ist ja so unsinnig, daß von permanenter Herrschaft solcher Leute und endlicher Durchführung solcher Prinzipien keine Rede sein kann! Dagegen der hannoverische große und Mittelbauer, der nichts hat als seinen Boden, dessen Haus, Hof und Scheune usw. usw. bei dem vorauszusehenden Ruin aller Assekuranzkompanien allen Gefahren ausgesetzt sind, der ohnehin seit Ernst August alle Süßigkeiten des gesetzlichen Widerstandes durchgekostet hat – dieser deutsche sturdy yeoman[2] wird sich hüten, eher als er muß ins rote Meer zu gehen.

Nach Beckers Brief wäre Haupt der Verräter – was ich nicht glauben kann. Die Geschichte müßte übrigens jedenfalls ergründet werden. Verdächtig kann allerdings scheinen, daß, soviel ich weiß, Haupt noch auf freien Füßen ist. An eine Reise nach Hamburg von Göttingen oder Köln aus wird nicht zu denken sein. Was und wann man aus den Prozeßakten oder Verhandlungen darüber für Aufklärung erhält, ist nicht zu sagen. S’il y a trahison,[3] darf man es nicht vergessen, und ein Exempel bei passender Gelegenheit wäre sehr gut.

Ich hoffe, Daniels wird bald freigelassen, après tout c’est la seule tête politique, qu’il y ait dans Cologne,[4] und er würde trotz aller polizeilichen Überwachung doch imstande sein, die Geschichte im rechten Geleise zu erhalten.

Um noch einmal auf den Effekt unseres Aktenstücks auf die Demokraten zurückzukommen: Miquel sollte doch bedenken, daß wir die Herren fortwährend und ununterbrochen in Schriften verfolgt haben, die mehr oder weniger doch Parteimanifeste waren. Woher also nun das Geschrei über ein Programm, das bloß das schon längst Gedruckte in sehr ruhiger und besonders ganz unpersönlicher Weise resümiert? Hatten uns unsere kontinentalen Jünger denn verleugnet, hatten sie sich tiefer, als die Parteipolitik und Parteiehre zuließen, mit den Demokraten eingelassen? Wenn die Demokraten eben aus Gegensatzlosigkeit so revolutionär schrien, wer machte sie gegensatzlos, doch nicht wir, sondern höchstens die deutschen Kommunisten in Deutschland. Da scheint allerdings der Haken zu liegen. Jeder irgendwie intelligente Demokrat mußte von vornherein wissen, was er von unserer Partei zu erwarten hatte – das Aktenstück konnte ihm nicht viel Neues bringen. Alliierten sie sich pro tempore mit den Kommunisten, so waren sie über Bedingung und Dauer der Allianz vollständig instruiert, und es kann bloß hannoverischen Mittelbauern und Advokaten eingefallen sein zu glauben, die Kommunisten hätten sich seit 1850 von den Prinzipien und der Politik der Neuen Rheinischen Zeitung bekehrt. Waldeck und Jacoby haben sich das gewiß nie träumen lassen. In jedem Falle werden alle derartigen Veröffentlichungen auf die Dauer weder gegen „die Natur der Dinge“ noch gegen „den Begriff des Verhältnisses“, um mit Stirner zu sprechen, etwas ausrichten, und die demokratische Schreierei und Wühlhuberei wird bald wieder in voller Blüte stehen und mit den Kommunisten Hand in Hand gehen. Und daß uns die Kerle den lendemain[5] der Bewegung doch schlechte Streiche spielen werden, wissen wir längst und wird durch keine Diplomatie verhindert.

Dagegen, daß sich überall, wie ich voraussetzte, kleine kommunistische Cliquen auf Grundlage des Manifestes bilden, hat mich sehr gefreut. Das fehlte uns gerade bei der Schwachheit des bisherigen Generalstabs. Die Soldaten finden sich von selbst, wenn die Verhältnisse so weit sind, aber die Aussicht auf einen Generalstab, der nicht aus Straubingerelementen besteht und größere Auswahl zuläßt als der bisherige von 25 Mann, die irgendwelche Bildung besitzen, ist sehr angenehm. Gut wäre eine allgemeine Empfehlung, überall unter den Kommis Propaganda zu machen. Für den Fall, daß man eine Verwaltung organisieren müßte, sind die Kerls unentbehrlich – sie sind ans Schanzen und an übersichtliche Buchführung gewöhnt, und der Commerce ist die einzig praktische Schule für brauchbare Bureauschreiber. Unsere Juristen usw. taugen dazu nicht. Kommis für die Buchführung und Komptabilität, talentvolle Studierte für Redaktion von Depeschen, Briefen, Aktenstücken, voilà ce qu’il faut.[6] Mit 6 Kommis organisiere ich einen Verwaltungzweig tausendmal einfacher, übersichtlicher und praktischer als mit 60 Regierungsräten und Kameralisten. Diese letzteren können ja nicht einmal leserlich schreiben und versauen einem alle Bücher, so daß kein Teufel draus klug wird. Da man doch mehr und mehr gezwungen wird, auf diese Eventualität sich einzurichten, so wäre die Sache nicht ohne Wichtigkeit. Ohnehin sind diese Kommis an anhaltende mechanische Tätigkeit gewöhnt, weniger anspruchsvoll, leichter vom Bummeln abzubekommen und bei Unbrauchbarkeit leichter zu beseitigen.

Der Brief nach Köln ist fort – sehr schön besorgt; wenn der nicht richtig ankommt, weiß ich’s nicht. Sonst ist die Adresse von Schulz nicht sehr empfehlenswert – Ex-Cogerant!


[1] Das rote Meer passieren.

[2] Handfester Freisasse.

[3] Wenn Verrat vorliegt.

[4] Schließlich ist er der einzige politische Kopf in Köln.

[5] Der folgende Tag.

[6] Das ist’s, was wir brauchen.

97

30. Juli 1851.

Lieber Marx!

Ich wundere mich, seit vierzehn Tagen nichts von Dir gehört zu haben.

Unsere Voraussetzung in der letzten Revue wegen der enormen Ausdehnung der ozeanischen Dampfschiffahrt hat sich schon jetzt bestätigt. Abgesehen von einzelnen kleinen Linien gehen jetzt schon zwei höchst wichtige neue große Linien: 1. die Schraubenschiffe von Liverpool nach Philadelphia, alle vierzehn Tage vier Schiffe auf der Linie; 2. die Dampfer zwischen Liverpool, Rio de Janeiro und Valparaiso usw. usw., alle sieben Wochen vier Schiffe auf der Linie. Dazu kommen in ein bis zwei Monaten die regelmäßigen Überlandfahrten nach Kalifornien – New York, nach San Juan, von dort per Steamer nach dem Nicaraguasee, über Land nach Leon, von da direkt nach San Franzisko – in Gang, die Reise nach Kalifornien wenigstens acht Tage abgekürzt.

Nächsten Monat kommt ein Zug in Gang zwischen London und Aberdeen, 550 englische Meilen oder 8 Breitegrade, in einem Tage.

Von Leeds nach London und zurück fährt man jetzt für 5 Schillinge auf einer, für 4 Schillinge und 6 Pence auf einer anderen Eisenbahn. Nächsten Samstag sollen auch hier die Fahrten herabgesetzt werden. Wenn sie ebenso niedrig kommen, gehe ich wenigstens alle vierzehn Tage einmal nach London.

Wenn in den nächsten sechs Wochen nichts Besonderes passiert, so wird die Baumwollernte dieses Jahr 3 000 000 Ballen oder 1200 Millionen Pfund bis 1350 Millionen Pfund stark. Jamais on n’a vu la plante aussi florissante.[1] Dazu Symptome eines abnehmenden Geschäftes: Ostindien ist überladen und schreit nach Stoppage der Einfuhr in Baumwollwaren, der hiesige Markt für Garn und Gewebe noch immer derangiert durch die schwankenden Baumwollpreise – wenn der Crash[2] im Markt mit einer solchen Riesenernte zusammentrifft, so wird er heiter. Peter Ermen macht schon jetzt in die Hosen, wenn er daran denkt, und der kleine Laubfrosch ist ein ganz gutes Barometer.

Voilà ein industrielles Potpourri für heute.

Dein F. E.


[1] Nie hat man die Pflanze so blühen gesehen.

[2] Krach.

98

28 Soho, Deanstreet, 31. Juli 1851.

Lieber Engels!

Soeben bekomme ich Deinen Brief, der sehr angenehme Aussichten zur Handelskrise eröffnet.

Ich habe seit ungefähr 14 Tagen nichts geschrieben, weil ich die Zeit, die ich nicht auf der Bibliothek zubringe, wie ein Hund gehetzt war, und so trotz des besten Willens immer wieder vom Schreiben abkam.

Nachdem mich die beiden Bamberger, Vater und Sohn, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat hingezogen mit dem Versprechen, mir einen Wechsel zu diskontieren, nachdem ich endlich zu diesem Zwecke verflossenen Montag mir die beiden Bursche bestellt und schon die stamped paper[1] mitgebracht, eröffnet mir der Junge, daß der Alte, der auch da war, nicht könne usw. – – –

Übrigens glaubst Du mir ohne weitere Beteuerung, daß ich meiner Situation verdammt müde bin. Ich habe nach Amerika geschrieben, ob es möglich ist, von hier aus eine Korrespondenz zusammen mit Lupus für ein paar Dutzend Journale zu machen, denn es ist impossible,[2] so fortzuleben.

Was die Unterhandlungen mit Ebner in Frankfurt angeht, so schreibt er, daß Cotta wahrscheinlich meine Ökonomie – deren Plan ich hingeschickt – nehmen wird, und daß, wenn nicht, er einen anderen Buchhändler auftreiben wird. Ich wäre längst auf der Bibliothek fertig. Aber die Unterbrechungen und Störungen sind zu groß, und zu Haus, wo alles unterm Belagerungszustand steht und Tränenbäche mich ganze Nächte lang ennuyieren[3] und wütend machen, kann ich natürlich nicht viel tun. Meine Frau tut mir leid. Auf sie fällt der Hauptdruck, und au fond[4] hat sie recht. Il faut que l’industrie soit plus productive que le mariage.[5] Trotz alledem erinnerst Du Dich, daß ich von Natur très peu endurant[6] bin und sogar quelque peu dur,[7] so daß von Zeit zu Zeit mein Gleichmut verloren geht.

Julius ist vor einer Woche ungefähr begraben worden. Ich war bei der Bestattung zugegen. Der edle Kinkel hielt eine Jammerpredigt über das Grab. Julius war der einzige in der Emigration, der studierte und mehr und mehr vom Idealismus auf unser Gebiet herübertrat.

Der edle Dulon befindet sich hier.

Heinzen und Ruge fahren fort, in der New Yorker Schnellpost gegen die Kommunisten und uns speziell zu poltern. Das Zeug ist aber so kreuzdumm, daß es unmöglich ist, anders darauf einzugehen, als bei gelegener Zeit einmal aus Ruges Machwerken das Komischste zusammenzustellen und den Deutschen zu offenbaren, von wem sie jetzt, malgré eux[8] regiert werden.

Hast Du vielleicht die neueste Schrift von Proudhon gelesen?

Weydemeyer hat mir von Frankfurt geschrieben. Karstens [Leßner] sitzt in Mainz. Er hatte einen vergeblichen Fluchtversuch gemacht.

Vale faveque.

Dein K. M.

Du wirst übrigens sehr wohltun, wenn Du womöglich mit Namensunterschrift einen Aufsatz für Jones machst. Er geht fort in seinem Blatte, er lernt. Ce n’est pas un Harney.[9] Die Notes to the People[10] kommen daher auf, während der Friend of the People kaputt geht.


[1] Gestempeltes Papier.

[2] Unmöglich.

[3] Langweilen, quälen.

[4] Im Grunde.

[5] Die Erwerbstätigkeit muß wirklich produktiver sein als die Ehe.

[6] Sehr wenig geduldig.

[7] Ein wenig hart.

[8] Ohne es zu wollen.

[9] Der ist kein Harney.

[10] Notizen für das Volk [Titel einer damals von Ernest Jones herausgegebenen Wochenschrift].

99

Undatiert. [Anfang August] 1851.

Lieber Marx!

Inliegend die zweite Hälfte der Fünfpfundnote.

Weydemeyer will also nach Amerika und sehen, daß er die New Yorker Arbeiterzeitung, die Fenner v. Fenneberg jetzt hat, in seine Hände bekommt. Kann er sich in New York halten, so ist er uns dort jedenfalls nützlicher als in London, wo der embarras[1] nur vermehrt würde. Ein solider Bursche wie er hat uns in New York gerade gefehlt, und am Ende ist New York auch nicht aus der Welt, und bei Weydemeyer ist man sicher, daß er le cas échéant[2] doch gleich bei der Hand ist.

Der Plan mit der lithographischen Korrespondenz ist ganz gut. Nur müßt Ihr das Dings ganz geheim halten – der kleine Bamberger und andere, einmal die Idee gegeben, würden Euch sofort das Prävenire spielen. Ich würde an Deiner Stelle das Ding, sobald die ersten Einrichtungen getroffen, in den deutsch-amerikanischen Blättern annoncieren lassen, und zwar selbst als Direktor mich unterzeichnen, um das Ding ziehen zu machen. Geht das Ding so auf Deine Verantwortlichkeit und glaubst Du, daß es irgendwie nützlich sei, mich als Mitarbeiter zu nennen, so steht Dir das natürlich frei. Willst Du Deinen Namen indes aus dem Geschäfte heraushalten, wofür ich die Notwendigkeit durchaus nicht einsehe, car enfin,[3] warum solltest Du nicht auch das Recht haben, eine industrielle Firma zu bilden und die Neue Rheinische Zeitung lithographiert fortzusetzen – so müßte Lupus die Firma bilden. Weydemeyer könnte Euch in New York hierfür vom größten Nutzen sein, besonders bei Eintreibung der Gelder, was die Hauptsache ist. Ich bin überzeugt, das Ding wird enorm ziehen, und die vielen amerikanischen Korrespondenten in London usw. werden es sehr bald fühlen.

Was ist das für eine neue Schrift von Proudhon, von der Du sprichst?

Ich werde dem Jones einen Artikel mit meiner Unterschrift machen, ich wollte nur, Jones schickte mir ein möglichst vollständiges Exemplar seiner „Notes“, das hier nicht aufzutreiben ist. Wie ist seine Adresse, ich habe sie vergessen.

Auch von Amerika lauten die Berichte über das Baumwollwarengeschäft schlecht. Die Märkte sind overstocked,[4] und die Yankees selbst fabrizieren für den jetzigen Stand des Marktes zu viel.

Schreibe bald wieder, ich ennuyiere mich hier tödlich.

Dein F. E.

NB. Halte Deine Papiere nur immer gut aus dem Hause, ich werde seit einiger Zeit hier sehr scharf beobachtet und kann keinen Schritt tun, ohne zwei bis drei Informers [Spitzel] an den Fersen zu haben. Herr Bunsen wird die Gelegenheit nicht haben unbenutzt passieren lassen, um der englischen Regierung neue und wichtige Aufschlüsse über unsere Gefährlichkeit zu geben.


[1] Verlegenheit.

[2] Im Bedarfsfall.

[3] Denn schließlich.

[4] Überfüllt.

100

28 Deanstreet, Soho, 8. August 1851.

Lieber Engels!

Du entschuldigst, daß ich nicht früher geschrieben und Dir gleichzeitig den Empfang der 5 Pfund angezeigt. Die pressure from without[1] war diese Woche so stark, daß ich nicht zum Schreiben kam. Vor dem Herauswerfen aus dem Hause habe ich mich einstweilen durch Zeichnung einer Bill [Wechsel] an den Landlord gesichert.

Die New Yorker Tribune hat mich und Freiligrath gegen Honorar zum Mitarbeiten aufgefordert. Sie ist das verbreitetste Journal in Nordamerika. Wenn es Dir möglich ist, mir einen englisch geschriebenen Artikel über die deutschen Verhältnisse bis Freitag morgen (15. August) zu liefern, so wäre das ein famoser Anfang.

Der rote Wolff ist wieder „Irländer“ geworden.

Nun zur Idée générale de la Révolution au XIX siècle par P. J. Proudhon.[2] Als ich Dir das erste Mal über das Buch schrieb, hatte ich bloß Auszüge – oft noch verfälscht – daraus gelesen. Jetzt kann ich Dir das σχελετὸν[3] schicken. Vorläufig. Das Buch enthält gut geschriebene Ausfälle gegen Rousseau, Robespierre, Montagne usw. Die Macht des wahren Verlaufs, um mit dem unsterblichen Ruge zu reden, produziert sich wie folgt:

I. Étude. Die Reaktion hat die Revolution erst zur Entwicklung gebracht.

II. Étude. Y-a-t-il raison suffisante de la Révolution au XIX siècle?[4] Die Revolution von 1789 hat das alte Regime gestürzt. Sie hat aber vergessen, die neue Gesellschaft oder die Gesellschaft neu zu machen. Sie dachte nur an die politique, statt an die économie politique.[5] Gegenwärtig herrscht „Anarchie des forces économiques“,[6] daher „Tendance de la société à la misère“.[7] Dies zeigt sich in der Teilung der Arbeit, Maschinerie, Konkurrenz, Kreditwesen. Wachstum von Pauperismus und Verbrechen. Ferner: der Staat [l’état] ist immer mehr grand,[8] mit allen Attributen des Absoluten versehen worden, immer gewachsen an Selbständigkeit und Macht. Wachsen der Staatsschuld. Der Staat verteidigt den Reichtum gegen das Elend. Korruption. Der Staat unterjocht die Gesellschaft. Es existiert Notwendigkeit für eine neue Revolution. Die Aufgabe der Revolution besteht darin, à changer, à redresser la mauvaise tendance de la société.[9] An die Gesellschaft selbst darf man nicht rühren. Von reconstitution arbitraire[10] kann bei ihr nicht die Rede sein.

III. Étude. Du Principe d’Association. Die Assoziation ist ein dogme, aber keine force économique.[11] Die Assoziation ist nichts Organisches und Produktives wie die Teilung der Arbeit, Handel, Austausch usw. Man muß die Assoziation nicht verwechseln mit der force collective. La force collective est un acte impersonnel, l’association un engagement volontaire. L’association est de sa nature stérile, nuisible même, car elle est une entrave à la liberté du travailleur.[12] Man hat dem contrat de société eine Kraft zugeschrieben, die nur der Teilung der Arbeit, dem Austausch, der force collective gehört. Wenn man Assoziationen stiftet, um große Werke auszuführen, so verdankt man diese nicht dem Prinzip der Assoziation, sondern ihren Mitteln. Man unterwirft sich der Assoziation nur, wenn man une indemnité suffisante[13] darin findet. Nur für den associé faible oder paresseux ist die association productive d’utilité.[14] Sie ist solidarité, responsabilité commune[15] Dritten gegenüber. Die Assoziation ist überhaupt nur anwendbar dans des conditions spéciales, dépendantes de ses moyens.[16] L’association, formée en vue du lien de famille et de la loi du dévouement, et en dehors de toute considération économique extérieure – l’association pour elle même, est un acte de pure religion, un lien surnaturel, sans valeur positive, un mythe.[17] Man muß die Assoziation nicht verwechseln mit den rapports nouveaux que se propose de développer la réciprocité entre les producteurs et les consommateurs. L’association met de niveau les contractants, subordonne leur liberté au devoir social, les dépersonnalise.[18]

IV. Étude. Du Principe d’Autorité. Die idée gouvernementale naquit des moeurs de famille et de l’expérience domestique.[19] Die Demokratie ist der dernier terme der évolution gouvernementale.[20] Der Idee des gouvernement stellt sich die des contrat entgegen. Das wahre revolutionäre Motto ist: plus de gouvernement! Die autorité absolue[21] ist bald gezwungen, sich selbst zu negieren und zu beschränken in den lois und institutions.[22] Unzählig, wie die Interessen, nun die Gesetzgebung, die sie äußerlich bestimmt. Sie verläuft sich in die schlechte Unendlichkeit. Das Gesetz eine Fessel, die man mir von außen aufdrängt. Konstitutionelle Monarchie. Zwitterunsinn. Suffrage universel.[23] Die intuition divinatoire de la multitude[24] ist Unsinn. Qu’ai je besoin de mandataires, pas plus que de représentants![25] Wahl, vote,[26] selbst einstimmig, entscheiden nichts. Nach dem suffrage universel wäre Bonaparte der wahre Mann usw. La démocratie pure ou le gouvernement direct[27] – Erfindung von Rittinghausen, Considérant, Ledru-Rollin – aboutit à l’impossible et à l’absurde.[28] In dieser auf die Spitze getriebenen Staatsidee tritt ihr nonsense[29] hervor.

V. Étude. Liquidation sociale. 1. Banque nationale.[30] Die Liquidation der Bank von Frankreich wird dekretiert. Sie wird nicht zur Staatsbank erklärt, nein zum „établissement d’utilité publique“.[31] Der Zins wird reduziert auf 1/2 oder 1/4 Prozent.

2. Staatsschuld. Durch die erste Maßregel ist den capitaux particuliers die industrie de l’escompte[32] genommen, sie strömen auf die Börse, der Staat zahlt nur mehr 1/2 oder 1/4 Prozent, und damit hört das Interesse am Interesse auf. Statt Zins zahlt der Staat annuités,[33] das heißt er zahlt in jährlichen Quoten das ihm gepumpte Kapital zurück. Oder mit anderen Worten Dekret, daß die Zinsen, die der Staat für die Schuld zahlt, ihnen gerechnet werden als déduction du principal, à titre d’annuités.[34]

3. Dettes hypothécaires. Obligations simples.Les intérêts de toutes créances, hypothécaires, chirographaires, actions de commandite, sont fixes à 1/4 oder 1/2 Prozent. Les remboursements ne pourront être exigés que par annuités. L’annuité pour toutes les sommes au-dessous de 2000 frcs. sera de 10 pour-cent; pour les sommes au-dessous de 2000, 5 pour-cent. Pour faciliter le remboursement des créances et suppléer à la fonction des anciens prêteurs, une division des Bureaux de la banque nationale d’escompte deviendra Banque foncière: le maximum de ses avances sera, par année, de 500 millions.[35]

4. Propriété immobilière: Bâtiments.[36] Dekret: „Tout payement fait à titre de loyer sera porté en à compte de la propriété, celle-ci estimée au vingtuple du prix de location. Tout acquittement de terme vaudra au locataire part proportionnelle et indivise dans la maison par lui habitée, et dans la totalité des constructions exploitées à loyer et servant à la demeure des citoyens. La propriété ainsi remboursée passera à fur et au mesure au droit de l’administration communale, qui, par le fait du remboursement, pendra hypothèque et privilège du premier ordre, au nom de la masse des locataires, et leur garantira à tous, à perpétuité, le domicile, au prix de revient de bâtiment. Les communes pourront traiter de gré à gré avec les propriétaires, pour la liquidation et le remboursement immédiat des propriétés louées. Dans ce cas, et afin de faire jouir la génération présente de la réduction des prix de loyer, les dites communes pourront opérer immédiatement une diminution sur le loyer des maisons pour lesquelles elles auront traité, de manière que l’amortissement en soit opéré seulement en trente ans. Pour les réparations, l’agencement et l’entretien des édifices, comme pour les constructions nouvelles, les communes traiteront avec les Compagnie maçonnes ou associations d’ouvriers en bâtiment, d’après les principes et les règles du nouveau contrat social. Les propriétaires, occupant seuls leurs propres maisons, en conserveront la propriété aussi longtemps qu’ils le jugeront utile à leurs intérêts.[37]

5. Propriété foncière. „Tout payement de redevance pour l’exploitation d’un immeuble acquerra au fermier une part de propriété dans l’immeuble, et lui vaudra hypothèque. La propriété, intégralement remboursée, relèvera immédiatement de la commune, laquelle succédera à l’ancien propriétaire et partagera avec le fermier la nue propriété et le produit net. Les communes pourront traiter de gré à gré avec les propriétaires qui le désireront, pour le rachat des restes et le remboursement immédiat des propriétés. Dans ce cas il sera pourvu, à la diligence des communes, à l’installation des cultivateurs et à la délimitation des possessions, en ayant soin de compenser autant que possible l’étendue superficiaire avec la qualité du fonds, et de proportionner la redevance au produit. Aussitôt que la propriété foncière aura été intégralement remboursée, toutes les communes de la république devront s’entendre pour égaliser entre elles les différences de qualité des terrains, ainsi que les accidents de la culture. La part de redevance à laquelle elles ont droit sur les fractions de leurs territoires respectifs, servira à cette compensation et assurance générale. A partir de la même époque, les ouvriers propriétaires qui, faisant valoir par eux même leurs propriétés, auront conservé leur titre, seront assimilés aux nouveaux, soumis à la même redevance et investis des mêmes droits, de manière que le hasard des localités et des successions ne favorise personne, et que les conditions de culture soient pour tous égales. L’impôt foncier sera aboli. La police agricole est dévolue aux conseils municipaux.[38]

VI. Étude. Organisation des forces économiques. 1. Crédit.[39] Die oben angeführte banque nationale mit ihren Suktursalen. Entziehung nach und nach von Gold und Silber aus der Zirkulation. Substitution von Papier. Quant au crédit personnel, c’est dans les compagnies ouvrières et les sociétés agricoles et industrielles qu’il doit trouver son exercice.[40]

2. Propriété. Lies in dem oben zitierten „propriété foncière“.[41] Unter den obigen Bedingungen kann man, sans la moindre inquiétude, permettre au propriétaire de vendre, transmettre, aliéner, faire circuler à volonté la propriété. Avec les facilités du remboursement par annuités, la valeur de l’immeuble peut être indéfiniment partagée, échangée, subir toutes les mutations imaginables, sans que l’immeuble soit entamé jamais. Le travail agricole repousse la forme sociétaire.[42]

3. Division du travail, forces collectives, machines. Compagnies ouvrières. Toute industrie, exploitation ou entreprise, qui par sa nature exige l’emploi combiné d’un grand nombre d’ouvriers de spécialités différentes, est destinée à devenir le foyer d’une société ou compagnie de travailleurs. Mais là où le produit peut s’obtenir sans un concours de facultés spéciales, par l’action d’un individu ou d’une famille, il n’y a pas lieu à l’association.[43] Also keine associations in den kleinen Ateliers, beim Handwerk, Schusterei, Schneiderei usw., Marchands usw. Assoziation in der großen Industrie. Hier also die compagnies ouvrières. Tout individu employé dans l’association a un droit indivis dans la propriété de la compagnie; il a le droit d’en remplir successivement toutes les fonctions; son éducation, son instruction et son apprentissage doivent être dirigés de telle sorte, qu’en lui faisant supporter sa part des corvées répugnantes et pénibles, ils lui fassent parcourir une série de travaux et de connaissances, et lui assurent, à l’époque de la maturité, une aptitude encyclopédique et un revenu suffisant; les fonctions sont électives et les règlements soumis à l’adoption des associés; le salaire est proportionné à la nature de la fonction, à l’importance du talent, à l’étendue de la responsabilité; tout associé participe aux bénéfices comme aux charges de la compagnie, dans la proportion de ses services; chacun est libre de quitter à volonté l’association, de faire régler son compte et liquider ses droits, et réciproquement la compagnie maîtresse de s’adjoindre toujours de nouveaux membres.[44] Dies die Lösung des deux problèmes: Celui de la force collective, et celui de la division du travail.[45] ... In der Übergangsperiode sind die Fabrikanten usw. die Leiter dieser Ateliers.

4. Constitution de la valeur: organisation du bon marché.[46] Abzuhelfen der cherté du marchandise[47] und dem arbitraire du prix.[48] Der juste prix représente avec exactitude: a) le montant des frais de production, d’après la moyenne officielle des libres producteurs; b) le salaire du commerçant, ou l’indemnité de l’avantage dont le vendeur se prive en se dessaisissant de la chose.[49] Um den Marchand hierzu zu bewegen, muß ihm nun Garantie gegeben werden. Sie kann exister de plusieurs manières: soit que les consommateurs qui veulent jouir du juste prix, et qui sont en même temps producteurs, s’obligent à leur tour envers le marchand à lui livrer à des conditions égales leurs propres produits, comme cela se pratique entre les différentes associations ouvrières parisiennes; soit que les dits consommateurs se contentent d’assurer au débitant une prime ou bien encore une vente assez considérable pour lui assurer un revenu.[50] Zum Beispiel der Staat, au nom des intérêts que provisoirement il représente, les départements et communes, au nom de leurs habitants respectifs, voulant assurer à tous le juste prix et la bonne qualité des produits et services, offrent de garantir aux entrepreneurs qui offriront les conditions les plus avantageuses, soit un intérêt pour les capitaux et le matériel engagé dans leurs entreprises, soit un traitement fixe, soit, s’il y a lieu, une masse suffisante de commandes. Les soumissionnaires s’obligeront, en retour, à fournir les produits et services pour lesquels ils s’engagent, à toute réquisition des consommateurs. Toute latitude réservée, du reste, à la concurrence. Ils devront indiquer les éléments de leurs prix, le mode des livraisons, la durée de leurs engagements, leurs moyens d’exécution. Les soumissions déposées, sans cachet, dans les délais prescrits, seront ensuite ouvertes et publiées, huit jours, quinze jours, un mois, trois mois, selon l’importance des traités, avant l’adjudication. A l’expiration de chaque engagement il sera procédé à de nouvelles enchères.[51]

5. Commerce extérieur.[52] Sobald der Zins sinkt, muß man abaisser les tarifs,[53] und wenn er unterdrückt ist oder auf 1/4 bis 1/2 Prozent steht, die Douanen abschaffen.

VII. Étude. Dissolution du gouvernement dans l’organisme économique. La société sans l’autorité. Élimination des cultes, Justice, Administration, Police, Instruction publique, Guerre, Marine etc.,[54] alles mit respektiven Stirnerschen Phrasen.

Schreibe mir ausführlicher, was Du von diesem Rezept denkst.

Salut! Dein K. M.


[1] Druck von außen, das heißt die äußeren Umstände.

[2] „Allgemeine Idee der Revolution im neunzehnten Jahrhundert“ von P. J. Proudhon.

[3] Gerippe.

[4] II. Studie. Gibt es einen hinreichenden Grund für die Revolution im neunzehnten Jahrhundert?

[5] Politische Ökonomie, Volkswirtschaft.

[6] Anarchie der ökonomischen Kräfte.

[7] Tendenz der Gesellschaft zur Verelendung.

[8] Groß.

[9] Die schlechte Tendenz der Gesellschaft ändern, ins Rechte setzen.

[10] Willkürliche Umgestaltung.

[11] Ökonomische Kraft [oder Potenz].

[12] Kollektivkraft. Die Kollektivkraft ist eine unpersönliche Äußerung, die Assoziation eine freiwillige Bindung. Die Assoziation ist ihrer Natur nach unfruchtbar, ja schädlich, denn sie ist eine Beeinträchtigung der Freiheit des Arbeiters.

[13] Eine genügende Entschädigung.

[14] [Dem] schwachen oder faulen Teilhaber ist die Assoziation nutzbringend.

[15] Gemeinsame Solidarität und Verantwortlichkeit.

[16] Unter besonderen Bedingungen, die von ihren Mitteln abhängen.

[17] Die in Hinblick auf das Familienband und das Gesetz der Aufopferung, außerhalb jeder wirtschaftlichen Erwägung gegründete Assoziation – die um ihrer selbst willen [gegründete] Assoziation ist eine rein religiöse Schöpfung, ein übernatürliches Band ohne positiven Wert, eine Mythe.

[18] Neue Beziehungen, welche die Gegenseitigkeit zwischen den Produzenten und den Konsumenten zu entwickeln vorhat. Die Assoziation nivelliert die Vertragschließenden, sie ordnet deren Freiheit der sozialen Verpflichtung auf und beraubt sie ihrer Persönlichkeit.

[19] IV. Studie über das Autoritätsprinzip. Die Idee der Regierung entstammt den Gewohnheiten des Familienlebens und den Erfahrungen des Haushalts.

[20] Das letzte Wort der Entwicklung der Regierung.

[21] Keine Regierung mehr! [Die] absolute Gewalt.

[22] Gesetze und Einrichtungen.

[23] Allgemeines Stimmrecht.

[24] Prophetische Eingebung der Menge.

[25] Was habe ich Mandatgeber nötig? [ich brauche sie] ebensowenig wie Vertreter.

[26] Abstimmung.

[27] Die reine Demokratie oder die direkte Regierung.

[28] Läuft auf Unmöglichkeit und Widersinn hinaus.

[29] Wahnsinn.

[30] V. Studie. Die Liquidation der Gesellschaft. 1. Die Nationalbank.

[31] Gemeinnütziges Institut.

[32] Den Einzelkapitalen [das] Gewerbe des Diskontierens ...

[33] Annuitäten, Jahresabzahlungen.

[34] Abzug vom Hauptbetrag als Jahreszahlungen.

[35] Hypothekenschulden. Einfache Schulden. „Die Zinsen aller hypothekarischen, schlechthin handschriftlichen Schuldscheine und Kommanditanteile werden auf 1/4 oder 1/2 Prozent festgesetzt. Abzahlungen können nur in Gestalt von regelmäßigen Jahresraten gefordert werden. Die Jahresabzahlung für alle Summen unter 2000 Franken wird 10 Prozent, für alle Summen über 2000 Franken 5 Prozent sein. Um die Abzahlung der Schuldscheine zu erleichtern und die Funktion der einstigen Geldverleiher zu ersetzen, wird eine Abteilung der Bureaus der nationalen Diskontobank Bodenkreditbank: das Maximum ihrer Vorschüsse wird jährlich 500 Millionen betragen.“

[36] Unbewegliches Eigentum: Gebäude.

[37] „Jede als Miete geleistete Zahlung wird in Abschlagszahlung auf das betreffende Eigentum abgeändert, welches auf das Zwanzigfache des Mietpreises abgeschätzt wird. Jede Terminzahlung hat für den Mieter die Geltung eines proportionellen, unteilbaren Anteils an dem von ihm bewohnten Hause und der Gesamtheit der zu Vermietungszwecken benutzten und dem Wohnbedürfnis der Staatsbürger dienenden Gebäude. Das auf diese Weise abgezahlte Eigentum wird im entsprechenden Maße als Gerechtsame der kommunalen Verwaltung übertragen, die auf Grund der Abzahlung im Namen der Masse der Mieter Hypothek und erstes Vorrecht nimmt und ihnen allen für immer die Wohnung zum Kostenpreis des Gebäudes garantiert. Die Gemeinden können nach Belieben mit den Eigentümern behufs sofortiger Liquidation und Zurückzahlung der vermieteten Besitzungen verhandeln. In diesem Fall und um der gegenwärtigen Generation die Herabsetzung der Mietpreise zuteil werden zu lassen, können die betreffenden Gemeinden eine sofortige Herabsetzung der Miete der Häuser, in bezug auf die sie abgeschlossen haben, in der Weise eintreten lassen, daß die Tilgung erst in 30 Jahren abläuft. Für die Reparaturen, den Betrieb und die Unterhaltung der Gebäude, sowie für die Errichtung neuer Gebäude werden die Gemeinden mit den Maurergesellschaften oder Bauarbeitergenossenschaften gemäß den Prinzipien und Regeln des neuen sozialen Vertrags verhandeln. Die Eigentümer, die ihre Häuser selbst bewohnen, behalten das Eigentum so lange, wie sie das in ihrem Interesse betrachten.“

[38] Bodeneigentum. „Jede Bezahlung von Bodenzins für die Ausnutzung eines Grundstücks erwirbt dem Pächter einen Eigentumsanteil am Grundstück und bedeutet für ihn eine Hypothek. Das völlig abgezahlte Bodeneigentum untersteht sofort der Gemeinde, die an die Stelle des vormaligen Eigentümers tritt und mit dem Pächter das formale Eigentumsrecht und den Reinertrag teilt. Die Gemeinden können nach Bedarf und Belieben mit den Eigentümern, welche dies wünschen, für den Rückkauf der Reststücke und die sofortige Abzahlung der Grundstücke verhandeln. In diesem Falle wird auf Antrag der Gemeinden für die Ansiedlung von Landbauern und die Abgrenzung gesorgt werden, wobei man sehen wird, soviel als möglich einen Ausgleich zwischen Umfang und Güte der Grundstücke zu treffen und die Bodenzinsgebühr dem Ertrag anzupassen. Sobald das Grundeigentum vollständig abgezahlt sein wird, werden sich alle Gemeinden der Republik zu dem Zweck ins Einvernehmen setzen, alle Verschiedenheiten in der Güte der Bodenstücke sowie die Zufälle der Bodenbewirtung untereinander auszugleichen. Der Teil des Bodenzinses, auf den sie von den Stücken, die auf ihrem Gebiet liegen, Anspruch haben, wird für diesen Ausgleich und die allgemeine Versicherung benutzt werden. Von diesem Zeitpunkt an werden die landbesitzenden Arbeiter, die infolge eigener Bewirtung ihrer Grundstücke ihren Eigentumstitel bewahrt haben, den neuen [Bedingungen] angepaßt, demselben Bodenzins unterworfen und mit denselben Rechten ausgestattet werden, so daß der Zufall der Lokalität und der Erbschaften niemand begünstigt und die Wirtschaftsbedingungen für alle gleich sind. Die Grundsteuer wird abgeschafft, die Politik der Bodenbewirtung ist auf die Gemeinderäte übergegangen.“

[39] VI. Studie. Organisation der ökonomischen Kräfte. 1. Kredit.

[40] Was den Personalkredit anbetrifft, so wird er in den Arbeiterkompanien und den landwirtschaftlichen und gewerblichen Gesellschaften seinen Betrieb finden.

[41] „Bodeneigentum.“

[42] Ohne die geringste Befürchtung den Eigentümern erlauben, ihr Eigentum nach Belieben zu verkaufen, zu übertragen, zu veräußern, in Umlauf zu setzen. Dank den Erleichterungen der Abzahlung in Annuitäten kann der Wert von Immobilien endlos geteilt und ausgetauscht sowie allen denkbaren Formveränderungen unterzogen werden, ohne daß vom Gegenstand selbst etwas abgeteilt wird. Die landwirtschaftliche Arbeit widerstrebt der Form der Sozietät.

[43] Arbeitsteilung, Kollektivkräfte, Maschinen. Arbeiterkompanien. Jede Industrie, Unternehmung oder Bewirtung, die von Natur die vereinte Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitern verschiedener Spezialitäten erfordert, ist dazu bestimmt, die Stätte einer Arbeitergesellschaft oder Kompanie zu werden. Dort aber, wo das Produkt ohne das Zusammenwirken verschiedener Spezialitäten, durch die Tätigkeit eines Individuums oder einer Familie erzielt werden kann, hat die Assoziation keine Stätte.

[44] Arbeiterkompanien. Jedes in einer Assoziation beschäftigte Individuum hat ein unteilbares Recht am Eigentum der Kompanie; es hat das Recht, nacheinander alle Ämter derselben zu versehen; seine Erziehung, sein Unterricht und seine Anlernung müssen so gestaltet werden, daß sie es seinen Anteil an den widerwärtigen und schweren Frondiensten leisten lassen, es eine Reihe von Arbeiten und Kenntnissen erlernen machen und ihm zur Zeit der Reife eine enzyklopädische Fähigkeit und ein ausreichendes Einkommen sichern; die Ämter unterliegen Wahlen und die [Dienst- usw.] Ordnungen sind der Annahme durch die Genossenschafter unterstellt; der Lohn wird im Verhältnis gesetzt zur Natur des Amtes, zur Wichtigkeit der Begabung und zur Größe der Verantwortung; jeder Genossenschafter wird an den Gewinsten und den Lasten der Kompanie im Verhältnis seiner Dienstleistung beteiligt; jedem steht es frei, seine Rechnung abzuschließen und seine Ansprüche zu liquidieren, und die Kompanie ihrerseits hat das Recht, zu jeder Zeit neue Mitglieder aufzunehmen.

[45] Zwei Probleme: das der Kollektivkraft und das der Arbeitsteilung.

[46] Konstituierung [Feststellung] des Wertes: Organisation des billigen Marktes.

[47] Verteuerung der Waren.

[48] Willkürliche Bestimmung des Preises.

[49] Der gerechte Preis stellt mit Genauigkeit dar: a. den Betrag der Produktionskosten gemäß dem amtlich ermittelten Durchschnitt der freien Produzenten; b. den Lohn des Händlers oder die Entschädigung für den Vorteil, dessen sich der Verkäufer durch die Fortgabe des betreffenden Artikels beraubt.

[50] Auf verschiedene Weise bestehen: sei es, daß die Konsumenten, die den gerechten Preis genießen wollen und zugleich Produzenten sind, sich ihrerseits gegenüber dem Händler verpflichten, ihm ihre Produkte zu den gleichen Bedingungen zu liefern, wie das die verschiedenen Pariser Arbeitergenossenschaften üben; sei es, daß die betreffenden Konsumenten sich damit begnügen, dem Verschleißer eine Prämie oder noch besser einen Absatz zu verbürgen, der groß genug ist, ihm ein Einkommen zu sichern.

[51] Im Namen der Interessenten, die er vorläufig vertritt, die Departements und Gemeinden im Namen ihrer betreffenden Einwohner erklären sich, um allen den gerechten Preis und die gute Qualität der Produkte und Dienste zu sichern, bereit, den Unternehmern, welche die vorteilhaftesten Bedingungen bieten, entweder einen Zins für die in ihren Unternehmungen verwendeten Kapitale und Materialien, oder ein festes Gehalt, oder, wo dies angeht, eine genügende Menge von Aufträgen zu verbürgen. Die Bewerber wiederum machen sich anheischig, die Produkte und Dienste, zu denen sie sich verpflichten, nach allen Anforderungen der Konsumenten zu liefern. Übrigens bleibt der Konkurrenz alle Bewegungsfreiheit vorbehalten. Sie müssen die Grundbestandteile ihrer Preise, die Art der Ablieferung, die Dauer ihrer Verpflichtungen, ihre Mittel der Ausführung angeben. Die Angebote werden unversiegelt innerhalb der vorgeschriebenen Fristen eingereicht, dann je nach der Wichtigkeit des Kontraktes acht Tage, vierzehn Tage, einen Monat, drei Monate vor der Zusprechung geöffnet und veröffentlicht. Nach Ablauf jedes Vertrags wird zu neuen Ausschreibungen geschritten.

[52] Außenhandel.

[53] Die Zölle herabsetzen.

[54] VII. Studie. Auflösung der Regierung in die ökonomische Organisation. Die Gesellschaft ohne Autorität. Es werden ausgemerzt die Kulte, die Justiz, die Administration, die Polizei, der öffentliche Unterricht, der Krieg, die Marine usw.

101

[Undatiert. Etwa 10. August 1851.]

Lieber Marx!

Die Schnellpost hat mich sehr ergötzt. Seit langer Zeit hatte ich keine so perfekte Salbaderei gelesen wie „A. Ruge an K. Heinzen“. Ich hätte nicht geglaubt, daß selbst zwei Esel wie Ruge und Heinzen aus dem dreijährigen Revolutionsstrudel so ganz unverändert und mit allen alten Phrasen, lächerlichen Manieren, Wendungen usw. usw. behaftet, auftauchen könnten wie diese zwei. Es ist der Clown der Kunstreitergesellschaft, der nach den halsbrechendsten Sprüngen aufs neue seinen Diener macht und sagt: here we are again![1] und dann die ganze alte Leier seiner altbekannten Schnurren mit der größten Unbarmherzigkeit abermals ableiert. Ich sehe den literarischen Laxiermichel Ruge leibhaftig vor mir, wie er ernsthaft erklärt, daß „die gründliche Antwort auf die Tyrannei, die Anarchie und den Hochverrat ... eben der Geniestreich ist, auf den es ankommt“, und dann diesen Geniestreich selbst vollzieht, indem er entdeckt, daß der moderne Klassenkampf die secessio plebis[2] ist, woran sich ungezwungen anknüpfen jener römische Schulmeister, dessen Namen ich vergessen, seine Fabel vom Magen und den Händen und andere dergleichen anmutige Tertianer- und Konrektorenerinnerungen mehr. Impayable[3] ist der Kerl, wo er einmal auf die „Verhältnisse“ zu sprechen kommt und dann gleich begütigend hinzusetzt: „Du weißt, ... daß ich unter den Verhältnissen nichts anderes verstehe als die Gedanken, welche jetzt die Köpfe der Menschen beherrschen!“ Die lahmen Versuche, geistreich-maliziöse Anspielungen zu machen, scheitern vollständig. Der Kerl ist so geschickt, daß jeder merkt, er hat malice auf jemand, aber auf wen und weshalb, und das sonstige Wie und Warum, das kriegt keiner heraus. Wenn der große Ruge als reiner Hanswurst sich herauswickelt, so ist der große Heinzen nicht weniger brillant in seiner in Permanenz erklärten Rüpelhaftigkeit. Die Manier, mit der der Kerl in seiner Note seinen alten Blödsinn über Kommunismus am 23. Juli 1851 dem Publikum mit genau denselben Worten wieder aufzudrängen sucht, wie im Sommer 1847 in der Deutschen Brüsseler Zeitung, ist von einer namenlosen Unverschämtheit.

Et pourtant[4] – die Kerle sind gezwungen, die Überlegenheit unserer Sachen durch ihre fortwährende Beschäftigung mit ihnen und noch mehr durch den Einfluß anzuerkennen, den diese Sachen trotz aller Hartnäckigkeit und Wut unbemerkt auf sie ausüben. Wo ist eine Phrase in der ganzen Sudelei, die nicht ein Plagiat, eine mißverstandene Entstellung unserer Sachen, eine durch sie hervorgerufene Anregung enthält!

Über den Londoner Ausgleichungsversuch hat Herr Meyen oder Herr Faucher in die halboffizielle Manteuffelsche Lithographierte Korrespondenz in Berlin einen albernen Artikel setzen lassen – bloß wir zwei hielten noch zusammen usw., die anderen seien alle einig und gegen uns. Von Freiligrath oder Wolff ist keine Rede. Der große Willich scheint sich nach der Auflösung der Armee der Zukunft wieder veranlaßt zu sehen, sich bei den großen Männern aller Parteien „als Charakter“ Anerkennung zu verschaffen – er soll ja bei ihren Versammlungen gewesen sein. A quoi tous ces coups de désespoir ont-ils abouti?[5] Und ist der große Sigel bei Dir gewesen?

Die Herren haben, wie ein von Julius mir zuadressierter deutscher Sozialtiftler aus Dessau mich eben versichert, dort verbreitet, Du schriebst in die Neue Preußische Zeitung, nach eigenem Geständnis; Du habest das Herrn Louis Drucker (!) selbst gesagt. En voilà une bonne![6]

Was den Proudhon angeht, so scheint der Mann ja Fortschritte zu machen. Die Phasen, durch die sich sein Unsinn entwickelt, nehmen jedenfalls erträglichere Gestalt an, und Herr Louis Blanc mag sich an diesen „hérésies[7] die Zähne ausbeißen. Au bout du compte[8] kommt also Herr Proudhon jetzt auch dahin, daß der wahre Sinn des Eigentumsrechtes in der verkleideten Konfiskation alles Eigentums durch einen mehr oder weniger verkleideten Staat besteht und daß der wahre Sinn der Abschaffung des Staates die verstärkte Staatszentralisation ist. Oder was sind toutes les communes de la république qui s’entendent pour égaliser entre elles les différences de qualité des terrains ainsi que les accidents de la culture,[9] mit ihren notwendigen Zubehören und Konsequenzen anders?

Wenn ich morgen Zeit habe, weiteres über diesen Sonderling. Den Artikel für Freitag kann ich diese Woche unmöglich liefern. Schreibe mir aber, und bald, in welcher Art er sein soll – ob ein einzelner beliebiger Artikel, oder ob Du eine Reihe haben willst, und zweitens, wie das Zeugs zu halten ist, denn ich kenne die politics der New York Tribune durchaus nicht näher, als daß sie amerikanische Whigs sind. Und was Du sonst noch in dieser Beziehung mir mitteilen kannst, um mir auf die Beine zu helfen.

Dein F. E.


[1] Da sind wir wieder.

[2] Auszug der Plebejer.

[3] Unbezahlbar.

[4] Und doch.

[5] Was haben alle die Verzweiflungsstreiche ausgerichtet?

[6] Das ist mal eine gute [Geschichte], das heißt etwas Heiteres.

[7] Ketzereien.

[8] Am Ende des Dinges.

[9] Alle Gemeinden der Republik, die sich zu dem Zweck ins Einvernehmen setzen, alle Verschiedenheiten in der Güte der Bodenstücke, sowie die Zufälle der Bodenbewirtung untereinander auszugleichen.

102

[Undatiert. Etwa den 11. August 1851.]

Lieber Marx!

Gestern in meinen Glossen über Proudhon gestört, fahre ich heute fort. Ich abstrahiere einstweilen von den vielen Lücken des Rezepts, zum Beispiel, wie man nicht sieht, in welcher Weise die Fabriken aus den Händen der Fabrikanten in die der compagnies ouvrières[1] übergehen sollen, da zwar der Zins und die Grundrente, aber nicht der Profit abgeschafft wird (die Konkurrenz bleibt ja bestehen); ferner, was aus den großen Grundbesitzen werden soll, die ihr Land durch Lohnarbeiter exploitieren lassen, und andere dergleichen Mängel. Um über das Ganze als theoretisches ensemble[2] urteilen zu können, müßte man das Buch selbst haben. Ich kann also nur insofern eine Meinung aussprechen als ich die einzelnen Maßregeln in ihrer Praktikabilität, le cas échéant[3] betrachte und zugleich untersuche, inwiefern sie zur Zentralisation der gesamten Produktivkräfte geeignet sind. Und auch hierzu müßte man eigentlich das Buch selbst haben, um alle développements[4] zu sehen.

Daß Herr Proudhon endlich zur Einsicht der Notwendigkeit der mehr oder minder versteckten Konfiskation gekommen ist, ist, wie schon gesagt, ein Fortschritt. Es fragt sich nun, ob sein Konfiskationsvorwand praktikabel ist; denn wie bei allen diesen bornierten Kerls, die sich selbst vorlügen, dergleichen Gewaltmaßregeln seien keine Konfiskation, ist eben dieser Vorwand der pivot[5] des Ganzen. „Der Zins wird auf 1/2 oder 1/4 Prozent erniedrigt.“ Wie, davon sagen Deine Auszüge bloß, daß der Staat oder die unter der Hand und unter anderem Namen mit dem Staate verschmolzene Bank 500 Millionen Franken jährlich auf Hypotheken zu diesem Zins auspumpen soll. Ich schließe zudem, daß diese Herabsetzung graduell geschehen soll. Ist der Zins einmal so niedrig, so wäre die jährliche Abtragung aller Schulden usw. mit 5 bis 10 Prozent per annum[6] natürlich leicht. Aber den Weg, um dahin zu kommen, gibt Herr Proudhon nicht an. Hierbei fällt mir unsere neuliche Debatte über Herabsetzung des Zinsfußes durch Deinen Plan ein, eine ausschließlich privilegierte Nationalbank mit Monopol der Papiercurrency[7] und Ausschluß des Goldes und Silbers von der Zirkulation zu etablieren. Ich glaube, daß jeder Versuch, den Zinsfuß rasch und stetig herunterzudrücken, scheitern muß an der in jeder Revolution und Geschäftsstockung steigernden Notwendigkeit des Wuchers, des Kreditgebens an momentan geklemmte, in Verlegenheit schwebende, also momentan unsolide Leute. Wenn auch der Teil des Zinsfußes, der für wirkliche Remuneration des Leihens gilt, durch Masse von Kapital zu drücken ist, so bleibt der Teil, der die Assekuranz der Rückzahlung repräsentiert, und der gerade in der Krisis enorm steigt. In jeder Revolution sind die Kaufleute der Regierung dankbar, die ihnen, nicht zu 1/4 oder 1/2 Prozent, sondern zu 5 Prozent pumpt. Vergleiche 1848, Darlehenskassen usw. Der Staat und jede große zentralisierte Staatsbank kann aber, solange sie ihre Zweigbanken nicht bis in die kleinsten Nester organisiert und ihren Beamten lange kommerzielle Praxis gegeben hat, nur dem großen Commerce pumpen – sie pumpte sonst ins Blaue hinein. Und der kleine Commerce kann seine Waren ihr nicht verpfänden wie der große. Donc,[8] erstes Resultat jeder Herabsetzung des Zinses für die Regierungsvorschüsse = Vergrößerung des Profits der großen commerçants[9] und allgemeine Hebung dieser Klasse.

Der kleine Commerce würde nach wie vor gezwungen sein, sich an Zwischenhändler zu wenden, denen die Regierung zu 1/2 Prozent vorschösse, damit sie zu 5 bis 10 Prozent wieder ausleihen könnten. Das ist unvermeidlich – der kleine Commerce bietet keine Garantie, kann kein Pfand stellen. Also auch nach dieser Seite Hebung der großen Bourgeoisie – indirekte Herstellung einer großen Wucherklasse, Bankiers auf untergeordneter Stufe.

Die ganze ewige Dringerei der Sozialisten und Proudhons auf Herabsetzung des Zinses ist meiner Ansicht nach ein verklärter frommer Bourgeois- und Kleinbürgerwunsch. Solange Zins und Profit in umgekehrtem Verhältnis stehen, so lange kann sie nur zur Steigerung des Profits führen. Und solange es unsolide, garantielose und gerade deswegen erst recht geldbedürftige Leute gibt, so lange kann die Staatspumperei die Privatpumperei nicht aufheben, also nicht den Zinsfuß herabsetzen für alle Transaktionen. Der Staat, der zu 1/2 Prozent pumpt, würde gerade so dastehen gegenüber dem Wucherer, den er mit Geld versorgt, wie die französische Regierung von 1795, die 500 Millionen Steuern in Assignaten einnahm und sie für 3 Millionen wieder ausgab und, bloß um ihren „Kredit“, der schon klatsch war, zu erhalten, die Assignaten[10] in den Steuerzahlungen für voll, für das 200fache ihres direkten Wertes annahm – wie diese Regierung gegenüber den Güterspekulanten und agioteurs[11] von damals.

Proudhon ist zu naiv. Der crédit personnel trouve oder doit trouver son exercice dans les compagnies ouvrières.[12] Das heißt das Dilemma entweder der Direktion und schließlich Administration und Reglementierung dieser Kompanien durch den Staat, was Proudhon doch nicht will, oder die Organisation des famosesten Assoziationsschwindels, des Schwindels von 1825 und 1845, reproduziert auf der Stufe des Lumpenproletariats und Kleinbürgertums. – Die allmähliche Herabsetzung des Zinsfußes durch kommerzielle und Zwangsmaßregeln so zur Hauptsache machen zu wollen, daß durch Verwandlung der Zinszahlung in Rückzahlung alle Schulden usw. liquidiert und alles reelle Vermögen in Händen des Staates oder der Kommunen zentralisiert wird, scheint mir vollständig impraktikabel 1. aus den angeführten Gründen; 2. weil es viel zu lange dauert; 3. weil das einzige Resultat, bei fortdauerndem Kredit des Staatspapiers, die Verschuldung des Landes an Ausländer werden müßte, da alles rückgezahlte Geld ins Ausland wandern würde; 4. weil es, selbst die Möglichkeit der Sache im Prinzip zugegeben, Unsinn wäre, zu glauben, Frankreich, la République, könne dies gegen England und Amerika durchführen; 5. weil der auswärtige Krieg und die pressure of the moment[13] im allgemeinen dergleichen systematische langsame, auf 20 bis 30 Jahre verteilte Maßregeln und vollends Geldzahlungen rein unsinnig macht.

Praktisch scheint mir die Geschichte nur die Bedeutung zu haben, daß man in einem gewissen Moment der revolutionären Entwicklung mit Hilfe einer Monopol-Staatsbank allerdings dahin kommen kann, zu dekretieren: Artikel 1: der Zins ist aufgehoben oder auf 1/4 Prozent beschränkt; Artikel 2: die Zinsraten werden wie bisher fortbezahlt und gelten als Rückzahlung; Artikel 3: der Staat hat das Recht, alle Immobilien usw. zum kuranten Taxwert zu kaufen und mit 5 Prozent in 20 Jahren abzuzahlen. Dergleichen kann vielleicht als direkter letzter Vorläufer der unverhohlenen Konfiskation einmal brauchbar werden; aber das [es] ist reine Spekulation, darüber zu grübeln, wann, wie und wo.

Jedenfalls ist dies Proudhonsche Buch, wie es scheint, viel irdischer als seine früheren – auch die constitution de la valeur[14] nimmt eine fleischlichere Gestalt an: die des juste prix des boutiquiers.[15] Quatre francs, Monsieur, c’est le plus juste prix![16] Was die Aufhebung der Douane und die des Zinses miteinander zu tun haben, ist nicht klar. Daß Proudhon seit 1847 den Übergang von Hegel zu Stirner so vollständig gemacht hat, ist auch ein Fortschritt. Sage noch, daß er die deutsche Philosophie nicht versteht, wenn er sie bis auf die letzte Verfaulungsphase an seinem Kadaver durchmacht!

Schreibe bald und sage, was Du von Obigem hältst.

Dein F. E.


[1] Arbeiterkompanien.

[2] Zusammengehöriges.

[3] Den Fall gegeben.

[4] Entwicklungen.

[5] Angelpunkt.

[6] Für das Jahr.

[7] Papiergeld.

[8] Somit.

[9] Händler, Geschäftsleute.

[10] Staatspapiergeld, Kassenscheine.

[11] Geldhändler, Geldspekulanten.

[12] Der persönliche Kredit soll seinen Betrieb in den Arbeiterkompanien finden.

[13] Druck der Augenblicksumstände.

[14] Konstituierung des Wertes.

[15] Reelle Preis der Kleinkaufleute.

[16] Vier Franken, mein Herr, das ist der reellste Preis.

103

28 Deanstreet, Soho, 14. August 1851.

Lieber Engels!

Ich schicke Dir in ein oder zwei Tagen den Proudhon selbst, den Du mir aber, sobald gelesen, zurückschickst. Ich will nämlich – von wegen des Geldes – zwei bis drei Bogen über das Buch drucken lassen. Du teilst mir deswegen Deine Ansicht ausführlicher mit, als Du sonst im Raschschreiben pflegst.

Der Proudhonsche Witz – und das Ganze ist vor allem eine Polemik gegen den Kommunismus, so viel er auch davon stiehlt und so sehr er ihm in Cabet-Blancscher Verklärung erscheint – resümiert sich meiner Ansicht nach auf folgendes Räsonnement:

Der eigentliche Feind, der zu bekämpfen, ist das Kapital. Die rein ökonomische Affirmation des Kapitals ist der Zins. Der sogenannte Profit ist nichts anderes als eine besondere Form des Salärs. Den Zins heben wir auf, indem wir ihn in eine annuité, das ist jährliche Abschlagszahlung des Kapitals verwandeln. So wird der Arbeiterklasse – lies industriellen Klasse – auf immer das Prä gesichert und die eigentliche Kapitalistenklasse zu einer stets verschwindenden Existenz verurteilt. Die verschiedenen Formen des Zinses sind Geldzins, Mietzins, Pachtzins. So wird die bürgerliche Gesellschaft beibehalten, gerechtfertigt und nur ihrer mauvaise tendance[1] beraubt.

Die liquidation sociale[2] ist bloß das Mittel, um die „gesunde“ bürgerliche Gesellschaft von vorn anfangen zu können. Rasch oder langsam, peu nous importe.[3] Über die Widersprüche, Unentschiedenheiten, Unklarheiten dieser Liquidation selbst will ich erst Dein Urteil hören. Aber der wahrhaft heilende Balsam der von vorn angefangenen Gesellschaft besteht in der Abschaffung des Zinses, das heißt in der perennierenden Verwandlung des Zinses in eine annuité. Dies, nicht als Mittel, sondern als ökonomisches Gesetz der reformierten bürgerlichen Gesellschaft aufgestellt, resultiert natürlich zweierlei:

1. Verwandlung der kleinen nichtindustriellen in industrielle Kapitalisten. 2. Verewigung der großen Kapitalistenklasse, denn au fond, wenn man die Sache im Durchschnitt nimmt, zahlt die Gesellschaft im großen und ganzen – den industriellen Profit abgerechnet – nie etwas anderes als die annuité. Wäre das Gegenteil wahr, so würde die Zins-von-Zinsenrechnung des Dr. Price eine Realität sein und der ganze Globus nicht hinreichen, das kleinste von Christo herrührende Kapital zu verzinsen. In der Tat aber ist mit Sicherheit zu behaupten, daß das zum Beispiel in England – also dem ruhigstbürgerlichen Lande – seit 50 oder 100 Jahren, sei es in Grund und Boden oder sonst angelegte Kapital sich – wenigstens dem Preise nach, worauf es hier ankommt – noch nie verzinst hat. Man nehme zum Beispiel die höchste Schätzung des Nationalreichtums von England, zum Beispiel 5 Milliarden. Also England produziert jährlich 500 Millionen. Der ganze Reichtum Englands also nur = die jährliche Arbeit Englands multipliziert mit 10. Also nicht nur, daß das Kapital sich nicht verzinst, es reproduziert sich nicht einmal, dem Werte nach. Und aus dem einfachen Gesetz. Der Wert [wird] ursprünglich bestimmt durch die ursprünglichen Produktionskosten, der Arbeitszeit nach, die ursprünglich nötig war, um die Sache herzustellen. Aber einmal produziert, wird der Preis des Produktes bestimmt durch die Kosten, die nötig sind, um es zu reproduzieren. Und die Kosten der Reproduktion sinken beständig und [um] so rascher, je industrieller das Zeitalter. Also Gesetz der fortwährenden Entwertung des Kapitalwertes selbst, wodurch das sonst ins Absurde führende Gesetz der Renten und des Zinses gecheckt [gehemmt] wird. Es ist das auch die Erklärung des von Dir aufgestellten Satzes, daß keine Fabrik ihre Produktionskosten deckt. Proudhon kann die Gesellschaft also nicht neu gestalten durch die Einführung eines Gesetzes, das sie au fond jetzt ohne seinen Rat befolgt.

Das Mittel, womit Proudhon alles bewirkt, ist die Bank. Il y a ici un qui pro quo.[4] Das Bankgeschäft ist in zwei Teile aufzulösen: 1. Die Versilberung des Kapitals. Hier gebe ich bloß Geld für Kapital, und das kann allerdings zu den bloßen Produktionskosten geschehen, also zu 1/2 oder 1/4 Prozent. 2. Vorschießen von Kapital in der Form von Geld, und hier wird sich der Zins nach der Quantität des Kapitals richten. Was der Kredit hier tun kann, ist nur, vorhandenen, aber unproduktiven Reichtum durch Konzentration usw. usw. in wirkliches aktives Kapital zu verwandeln. Proudhon hält Nummer 2 für so leicht wie Nummer 1, und er wird, au bout du compte,[5] finden, daß, indem er eine illusorische Masse von Kapital in der Form von Geld anweist, er nur im besten Fall den Zins des Kapitals reduziert hat, um seinen Preis in demselben Verhältnis zu erhöhen. Womit nichts gewonnen ist als der Mißkredit seines Papiers.

Den Zusammenhang der Douane mit dem Zins überlasse ich Dir im Original zu genießen. Die Sache war zu köstlich, um sie durch Verstümmlung zu verderben. Herr Proudhon erklärt sich weder genau, wie es mit dem Anteil der Kommune an Häusern und Land sich verhält – und gerade das hätte er den Kommunisten gegenüber tun müssen –, noch wie die Arbeiter in den Besitz der Fabriken kommen. Jedenfalls will er „des compagnies ouvrières puissantes“,[6] hat aber doch solche Angst vor diesen industriellen „Zünften“, daß er, zwar nicht dem Staate, wohl aber der société das Recht vorbehält, sie aufzulösen. Als echter Franzose beschränkt er die Assoziation auf die Fabrik, weil er weder einen Moses and son kennt, noch a midlothian farmer.[7] Der französische Bauer, der französische Schuster, Schneider, merchant[8] erscheinen ihm als des données éternelles et qu’il faut accepter.[9] Je mehr ich aber den Dreck treibe, um so mehr überzeuge ich mich, daß die Reform der Agrikultur, also auch der darauf basierten Eigentumssauerei, das Alpha und Omega der kommenden Umwälzung ist. Ohne das behält Vater Malthus recht.

Dem Louis Blanc usw. gegenüber ist die Schrift kostbar, namentlich durch die frechen Ergießungen über Rousseau, Robespierre, Gott, die fraternité und ähnlichen Salbader.

Was nun die New York Tribune betrifft, so mußt Du mir jetzt, wo ich mit der Ökonomie die Hände voll habe, helfen. Schreibe eine Reihe von Artikeln über Germanien, von 1848 an. Geistreich und ungeniert. Die Herren sind sehr frech im ausländischen Departement.

In ein paar Tagen schicke ich Dir zwei Bände Römisches. Nämlich „Économie Politique des Romains. Par Dureau de Lavalle.“[10] Ich habe das Buch (grundgelehrt) von Paris kommen lassen. Es werden Dir da Lichter aufgehen auch über den ökonomischen Hinterhalt der römischen Kriegsführung, der nichts anderes war als das – Cadaster. Wie schicke ich Dir die Sache am wohlfeilsten? Die zwei Bände sind dick. Den Artikel der Lith. Korr. mußt Du schießen oder in Abschrift zu erhalten suchen. Sobald Weydemeyer da ist, muß man die Esel Spießruten laufen lassen in New York. Dazu gehören alle Aktenstücke. Faucher ist Korrespondent der Neuen Preußischen Zeitung. Sigel hat sich noch nicht sehen lassen. Willich ist natürlich Mitglied der Verbrüderung der Emigration. Freitag hatten sie ihre erste Generalversammlung. Wir hatten einen Kundschafter da. Die Sitzung wurde eröffnet mit Verlesung (durch General Haugh) des Artikels gegen uns in der Lith. Korr. Denn um uns leben, weben und sind sie. Dann noch allerlei mißliebige Katzbalgereiverträge beschlossen. Meldete sich für Preußen Herr Meyen, für England Oppenheim, für Frankreich Ruge, Kinkel für Amerika – und die Zukunft. Ich freue mich übrigens sehr, Dein Urteil über das Gesamtliche (?) zu hören.

[Karl Marx.]


[1] Schlechte Tendenz.

[2] Liquidation der Gesellschaft.

[3] Verschlägt uns nichts.

[4] Es liegt da eine Verwechslung vor.

[5] Am Schlusse der Rechnung.

[6] Machtvolle Arbeitergesellschaften.

[7] Moses & Sohn [eine große Firma der Herrenkonfektion in London]. Midlothian-Pächter [Midlothian, eine Grafschaft in Südschottland, zeichnet sich durch hochentwickelte Landwirtschaft aus, die meist von wohlhabenden Pächtern betrieben ward].

[8] Kaufmann.

[9] Auf ewig gegebene Dinge, die man hinnehmen muß.

[10] Volkswirtschaft der Römer, von Dureau de Lavalle.

104

Manchester, 21. August 1851.

Lieber Marx!

Du erhältst hierbei einen beliebigen Artikel. Verschiedene Umstände haben konspiriert, das Ding schlecht zu machen. Erstens war ich seit Samstag zur Abwechslung einmal unwohl. Dann fehlte alles Material – reine Ärmelschüttelei und Aushelferei mit dem bloßen Gedächtnis. Dann die kurze Zeit und Arbeit auf Bestellung, fast totale Unkenntnis des Blattes und seines Leserkreises, also kein ordentlicher Plan möglich. Endlich die Unmöglichkeit, das Manuskript der ganzen Reihe zum Vergleichen zusammenzuhalten, also Notwendigkeit eines plus ou moins pedantisch-systematischen Anfangs, um Wiederholungen in den folgenden Artikeln zu vermeiden. Alles das, und meine ohnehin ganz aus der Übung gekommene Schreiberei dazu, haben das Ding sehr trocken gemacht, und wenn es sich durch etwas empfiehlt, so ist es durch kulanteres Englisch, das ich der Gewohnheit, seit acht Monaten fast nur Englisch zu sprechen und zu lesen, verdanke. Enfin, tu en feras ce que tu voudras.[1]

Den Proudhon habe ich zur Hälfte durch und finde Deine Ansicht vollkommen bestätigt. Sein Appell an die Bourgeoisie, sein Zurückgehen auf Saint-Simon und hundert andere Geschichten, schon im kritischen Teil, bestätigen, daß er die industrielle Klasse, Bourgeoisie und Proletariat, als eigentlich identisch und nur durch die Nichtvollendung der Revolution in Gegensatz gebracht ansieht. Die pseudo-philosophische Geschichtskonstruktion liegt ganz klar auf der Hand: vor der Revolution industrielle Klasse im Ansichsein, 1789 bis 1848 im Gegensatz, Negation; Proudhonsche Synthese to wind up the whole with a flourish.[2] Mir kommt das Ganze als ein letzter Versuch vor, die Bourgeoisie theoretisch zu halten; unsere Prämissen über entscheidende historische Initiative der materiellen Produktion, Klassenkampf usw. usw. größtenteils adoptiert, meist verdreht und hierauf das Experiment gegründet, vermittels pseudo-hegelscher Eskamotage das Proletariat scheinbar in die Bourgeoisie zurückzunehmen. Den synthetischen Teil habe ich noch nicht gelesen. In den Angriffen gegen Louis Blanc, Robespierre, Rousseau sind hier und da nette Sachen, aber im ganzen kann man nichts Prätentiös-Flacheres lesen als seine Kritik der Politik, zum Beispiel bei der Demokratie, wo er, wie die Neue Preußische Zeitung und die ganze alte historische Schule, mit der Kopfzahl herankommt, und wo er sich nicht schämt, mit kleinen praktischen Bedenken, die eines Schuljungen würdig sind, Systeme aufzubauen. Und welche große Idee, daß pouvoir und liberté[3] unvereinbare Gegensätze sind, und daß keine Regierungsform ihm einen genügenden moralischen Grund angeben kann, weswegen er ihr gehorchen sollte! Par dieu, wozu brauchte man denn ein pouvoir?

Übrigens bin ich überzeugt, daß Herr Ewerbeck ihm seine Übersetzung des Manifestes und vielleicht auch unter der Hand Übersetzungen aus Deinen Artikeln in der Revue hat zukommen lassen. Eine Anzahl Pointen sind unbedingt daraus gestohlen – zum Beispiel, daß das Gouvernement nichts ist als die Macht einer Klasse zur Niederhaltung der anderen und mit dem Verschwinden des Klassengegensatzes ebenfalls verschwindet. Dann viele Pointen über die französische Bewegung seit 1848. Ich glaube nicht, daß er das alles in Deinem Buche gegen ihn gefunden hat.

Ich schreibe dieser Tage ausführlicher über das Ding, sowie ich das Ganze gelesen habe. Inzwischen erwarte ich dieser Tage Weerth hier, der wie gewöhnlich auf einmal in Bradford auftaucht, und ich werde deshalb vielleicht genötigt sein, den Proudhon zwei oder drei Tage länger hier zu behalten.

Sage Lupus, daß ich mit Watts gesprochen habe und dieser sich alle Mühe geben wird, und mit aller Aussicht auf Erfolg, ihm hier eine Stelle zu verschaffen. Watts glaubt, daß seine Qualität als Exreichstagsmann hier vollständig hinreicht. Er kennt die ganze Sorte von Schulmeistern und Pfaffen der liberalen Couleur, und wenn er sich einmal in Bewegung setzt, wird er gewiß etwas ausrichten können. Ich werde ihn deshalb warm halten; sowie ich aber weiteres höre, werde ich es ihn wissen lassen. Übrigens ist der Watts trotz alledem doch noch ebenso erträglich als die übrige Sorte von Philistern. Da der Mann als Engländer, Sozialist, Doktor und Familienvater lebt, so muß man ihm zugute halten, daß er seit sieben Jahren Teetotaler ist und sogar Gelüste verspürt, Struvescher Grasfresser zu werden. Es ist schlimm, aber es ist ein Faktum, hier in Manchester ist durchschnittlich der ordinäre Spießbürger der umgänglichste Mensch; er säuft, er reißt Zoten, er ist Rebblkaner (wie Martens) und man kann über ihn lachen.

Was hörst Du Neues aus Deutschland? In Hamburg sind drei entlassen, einer neu verhaftet. Die Geständnisse des Schneidergesellen Nothjung laufen also darauf hinaus, daß er Emissär einer propagandistischen geheimen Verbindung sei – quelle découverte![4]

Dein F. E.


[1] Kurz, Du wirst daraus machen, was Du willst.

[2] Um das Ganze mit einem Hallo abzuschließen.

[3] [Regierungs-]Gewalt und Freiheit.

[4] Welche Entdeckung!

105

28 Deanstreet, 25. August 1851.

Lieber Engels!

D’abord mes remerciements pour ton article.[1] Trotz allem Bösen, was Du ihm nachgesagt hast, war er famos und ist unverändert nach New York gesegelt. Du hast ganz den Ton für die Tribune getroffen. Sobald wir ihre erste Nummer erhalten, schicke ich sie Dir zu, und von da an regelmäßig.

Maintenant habe ich eine ganze Ladung Emigrationsmist an Dich zu spedieren – und wenn Du einen Farmer in der Umgegend kennst, der den Guano dieser sauberen Vögel zum Dünger braucht, so kannst Du ein Geschäft machen.

Also, wie Dir schon bekannt, am Freitag, 8 August, fand die erste offizielle Versammlung der verbrüderten Emigration statt, worin besonders leuchteten: Der „Damm“, der präsidierte, Schurz Sekretär, Goegg, zwei Sigel, Fickler, Tausenau, Frank (der Österreicher-Biedermann), Willich, Borkheim, Schimmelpfennig, Johannes Ronge, Meyen, Graf Reichenbach, Oppenheim, Bauer-Stolp, der Hanebuch [Hamburger] Lüders, Haugh, A. Ruge, Techow, Schmolze (bayerischer Leutnant), Petzler, Böhler, Gehrke, Schärttner, Göhringer usw., Kinkel und Strodtmann natürlich nicht zu vergessen. Also die Hauptcliquen: 1. Ruge-Fickler, 2. Kinkel, 3. Tausenau. Die anderen independenten literarischen Bummler und Vereinbarer dazwischen. Der eigentliche Knotenpunkt, um den es sich bei dieser großen Haupt- und Staatsaktion handelte, war folgender: Ruge-Fickler-Tausenau-Goegg-Sigel-Haugh usw. wollten die Erwählung eines offiziellen Komitees teils zur Denunziation der Missetaten der Reaktion, teils zur Repräsentation der Emigration, teils zur „Aktion“-Agitation Deutschland gegenüber. Der dumme Ruge hatte dabei noch den Haken, daß er Ledru-Mazzini gegenüber als bevollmächtigt anerkannt [würde] und außer seinem Namen nun auch wirklich das Korpus der deutschen Flüchtlingschaft als Armee ihnen zu Gebot stellen könne. Herr Kinkel (mit ihm, außer Retter Schurz mit seinem Biographen, besonders Willich, Techow, Schmolze, Schimmelpfennig) dagegen wollte kein öffentliches Institut dieser Art, um den Ruge nicht mehr oder minder den Mazzini-Ledru gegenüber anerkennen zu müssen. Von vornherein war die Clique Ruge-Fickler entrüstet, als sie den Versammlungssaal über die Gebühr voll sah. Man war in geheimer Sitzung überein gekommen, nur die Notabilitäten zu berufen. Die Clique Kinkel aber hatte le menu peuple[2] mitgebracht, um sich die Stimmenzahl zu sichern.

Die Sitzung wurde öffentlich mit dem Vorlesen des Schmierartikels der Lith. Korr. durch General Haugh, der gleichzeitig erklärte, es müßten Spione in der Gesellschaft sein, das Aktenstück könne mißbraucht werden usw. Willich unterstützte dies mit damals noch ungebrochenem Pathos und forderte die Verbrecher auf, sich lieber zu nennen. Erhob sich darauf Bauer-Stolp (den ich übrigens für einen regulären Spion halte), er begreife Willichs tugendhaftes Entsetzen nicht, da er in der ersten vorbereitenden Sitzung Herrn Schindler als Redakteur der Lith. Korr. ohne Widerspruch eingeführt habe. Dieser Inzident erledigt, stellte Tausenau unter vielem pathetisch-gemütlichen Ächzen und Krächzen, er glaubte sich vor einem Wiener Publikum zu befinden, seinen Antrag auf die Kommissionsernennung. Herr Meyen antwortete ihm, daß er keine Taten wolle, aber freiwillige Verträge. (?) Melden sich abgekarteterweise sofort Kinkel für Amerika und seine Zukunft, Oppenheim für England, Schurz für Frankreich, Meyen für Preußen. Tausenaus Antrag fällt mit Glanz durch, und er erklärt gerührt, daß er trotz seines Durchfalls seinen gerechten Zorn auf dem Altar des Vaterlandes opfern und im Schoße der Verbrüderten bleiben werde. Aber sofort nahm die Clique Fickler-Ruge die drohende und gereizte Haltung geprellter schöner Seelen an.

Am Schlusse der Sitzung kommt Kinkel auf Schabelitz zu (der hier durchaus als unser Agent tätig war und als ein sehr nützlicher Agent, da er das Vertrauen sämtlicher Biedermänner besaß), erklärte ihn für einen braven Demokraten, erklärt die Basler National-Zeitung für ein ausgezeichnetes demokratisches Blatt und erkundigt sich unter anderem nach den Finanzen desselben. Schabelitz: Schlecht. Kinkel: Aber tun die Arbeiter denn nichts? Schabelitz: Alles, was wir von ihnen verlangen, sie lesen das Blatt. Kinkel: Die Arbeiter müßten mehr tun. Sie unterstützen auch uns nicht, wie sie sollten. Und Sie wissen, wir tun doch so viel für die Arbeiter. Wir tun alles, um sie zu „respektablen“, Sie verstehen mich wohl, um sie zu „ehrbaren Bürgern“ zu machen. En voilà une bonne.[3]

Die Sitzung der Vereinbarer vom 15. war wenig besucht und, wie die Engländer sagen, indifferent.

Unterdessen hatten sich große Dinge ereignet – am 17. – und der wahre Verlauf der Sache verlief sich, wie unser großer Arnold Ruge sagen würde, wie folgt:

Herr Kinkel berief Willich, Techow, Goegg, Sigel und noch einige zu sich und erklärte ihnen, daß er „160 Pfund durch Fischer aus New Orleans erhalten habe und beauftragt sei, diese Gelder zu verwenden unter Zuziehung der obenbenannten Männer und des Herrn Friedrich Engels“. Statt des letzteren hatte er Fickler eingeladen, der aber erklärt hatte, er habe mit den „Lumpen“ nichts zu schaffen. Herr Kinkel war gezwungen, den Brief vorzuzeigen, und da zeigte sich denn, daß diese Gelder sich schon seit drei Wochen anonym und inkognito in seiner Wohnung befanden, unschlüssig, ob sie ihr großes Herz der profanen Welt erschließen sollten oder nicht. Obgleich Kinkel mit Engelszungen sprach, so half das nicht. Es fand eine Separatsitzung der Clique Fickler-Ruge-Tausenau statt. Die Süddeutschen hatten nämlich unter der Hand gefunden, daß Arnold Ruge ein Narr ist. – Ruge in tiefem Grimme über die verlorenen 160 Pfund eröffnete nun den Freunden, daß vor mehr als zwölf Monaten Willich-Kinkel den Schimmelpfennig zu Mazzini geschickt, ihn als Emissär vorgestellt und [Mazzini] zu einer Agitationsreise nach Deutschland um Geld angegangen hatten. Mazzini gab ihm 1 000 Franken bar und 5 000 Franken in seinen italienischen Scheinen unter der Bedingung, nach zwölf Monaten ihm die 1 000 Franken und zwei Fünftel der untergebrachten italienischen Scheine zurückzuerstatten. Davon reiste Schimmelpfennig durch Frankreich und Deutschland. Die zwölf Monate waren vergangen, aber Kinkel-Schimmelpfennig, die 1 000 Franken und die italienischen Scheine ließen nichts mehr von sich hören. Jetzt, nachdem das Geld aus New Orleans angekommen, hatte Kinkel seine Abgesandten an Mazzini wieder geschickt, nicht um zu zahlen, sondern um zu renommieren und in eine Allianz mit ihm zu treten. Mazzini war zu delikat, sie an ihre Schuld zu mahnen, erklärte ihnen aber, er habe seine Verbindungen in Deutschland, könne daher keine neuen eingehen. Die Herren hatten sich auch, erzählte Arnold Ruge weiter, zu Ledru-Rollin begeben. Hier aber war Ruge zuvorgekommen, und da Ledru-Rollin sich schon als Präsidenten der französischen Republik betrachtet und entschlossen ist, sofort den Krieg nach außen zu führen, ihm Sigel als Obergeneral der deutschen Revolutionsarmee vorgestellt, mit dem Ledru-Rollin sich dann auch in strategische Gespräche eingelassen. Hier fuhr also Kinkel-Willich abermals ab. Nach diesen Enthüllungen Ruges lag also die Verworfenheit der Clique Kinkel-Willich offen vor den Augen der betörten schönen Seelen. Nun mußte eine Tat vollbracht werden, und welche andere Taten kennt Ruge als neue Kombinationen und Permutationen seines verschimmelten alten Zentralkomitees? Es wurde also die Bildung eines Agitationsklubs beschlossen, der kein diskutierender, sondern „wesentlich arbeitender“ sein, nicht words, sondern works liefern und vor allem die Gesinnungsgenossen auffordern solle, Geldbeiträge zu liefern. Zusammensetzung: Fickler, Tausenau, Frank, Goegg, Sigel, Hordle, J. Ronge, Haugh, Ruge. Du erkennst sofort die Reformation Ruge-Ronge-Haugh. Aber bei näherer Ansicht zeigt sich, daß der wesentliche Bestandteil des Klubs 1. die westsüddeutschen Biedermänner Fickler, Goegg, Sigel, Hordle, 2. die ostsüddeutschen Tausenau, Haugh und Frank sind, daß der Klub also wesentlich als süddeutscher sich den „Preußen“ gegenüber gebildet hat und Ruge nur die Nabelschnur ist, die die Verbindung mit dem europäischen Zentralkomitee aufrecht erhält. Auch nennen sie jetzt die anderen Vereine schlechtweg „die Preußen“. Dieser Agitationsklub ernannte Tausenau zu seiner Exekutivgewalt und gleichzeitig zu seinem Minister des Auswärtigen. Es war das also eine vollständige Absetzung des Zentral-Ruge. Um ihm aber diese Pille zu versüßen, wurde ihm als Douceur gegeben die Anerkennung, daß man seine Stellung beim Zentralkomitee anerkennt, seine bisherige Tätigkeit und seine Vertretung des teutschen Volkes im Sinne des teutschen Volkes. Dieses testimonium paupertatis wirst Du gedruckt gelesen haben in der in fast allen englischen Blättern gebrachten Notiz, worin der Agitationsverein seine Geburt dem europäischen Publikum allerergebenst anzeigt und um gute Kundschaft bittet. Selbst dieses Douceur wurde dem unglücklichen Ruge verbittert, indem die Bauer-Fickler die unerträgliche conditio sine qua non[4] stellten, daß Ruge aufhöre, „sein dummes Zeug in die Welt zu schreiben“.

Ehe ich weiter erzähle, muß ich bemerken, daß in dem gesamtdemokratischen Verein wir ohne Wissen der anderen durch einen zu unserem Bunde aus Köln geflüchteten Arbeiter namens Ulmer vertreten sind, ein Mensch, der bei uns sehr ruhig und schweigsam ist und von dem wir nie geglaubt hätten, daß er die Gesamtdemokratie im Schach halten würde. Aber indignatio facit poetam,[5] und derselbe stille Ulmer hat, wie er mir sagte, das „Genie“, daß er leicht wütend wird, am ganzen Körper zittert und dann wie ein Berserker losfährt. Trotz seiner schmächtigen Schneiderfigur hat er zudem als bester Turner von Mainz ein bedeutendes Bewußtsein physischer Kraft und Gesundheit. Außerdem den Kommunistenstolz der Unfehlbarkeit.

Am 22. August fand also die dritte Sitzung statt. Versammlung sehr zahlreich, da großer Skandal von wegen des hochverräterischen Agitationsvereins zu erwarten stand. Präsident: Meyen. Auch zugegen: Rudolf Schramm und Bucher. Die Clique Kinkel stellte den Antrag auf Bildung eines Flüchtlingskomitees. Nämlich Herr Kinkel will doch nicht als öffentlicher Mann von der Bühne treten. Er will auch nicht sich bei den ästhetisch-liberalen Bürgern Englands kompromittieren. Ein Flüchtlingskomitee ist politisch-philanthropisch, stellt außerdem Geldmittel zur Verfügung, vereinigt also alle wünschenswerten Bedingungen. Dagegen wurde von einem gewissen Hollinger und von Ulmer der Antrag gestellt, das Flüchtlingskomitee in einer allgemeinen Generalversammlung der Flüchtlinge zu wählen, worauf die Kinkelclique immer hinwies auf die Gefahr des Skandals, den die Leute hinter dem Rücken der Versammlung (nämlich wir Anonymi) machen würden. Aber sie hatten auch Feinde vor sich. Von dem Agitationsklub waren nur zugegen Goegg, Sigel und sein Bruder. Goegg wurde in das Flüchtlingskomitee gewählt; das gab eine Gelegenheit, 1. den Austritt Tausenaus zu erklären, 2. die Erklärung des Agitationsvereins abzulesen, 3. schließlich nach Verlauf der Debatte ihren Gesamtaustritt anzuzeigen. Großer Sturm. Techow und [Rudolf] Schramm hunzten den Arnold Ruge schrecklich ab. Es wurde überhaupt sehr geschimpft. Goegg antwortete den anderen überlegen, griff den zweideutigen Kinkel bitter an, der nur seine Trabanten antworten ließ, sich als Großmogul den Bart strich und durch den stets um ihn wedelnden Schurz Zettel schrieb, die er, wie die Vereinbarer in Berlin, unter seinen Getreuen zirkulieren ließ und nach der Zirkulation sein Schlußvotum niederschrieb. Nur als Goegg sagte, daß der Agitationsverein seine Erklärung in den englischen Blättern publizieren werde, antwortete Kinkel majestätisch, daß er jetzt schon die ganze amerikanische Presse beherrsche, und daß schon die Anstalten getroffen seien, in kürzester Frist auch die französische Presse seiner Herrschaft zu unterwerfen. –

Außer diesem skandalschwangeren Thema liefen noch andere durch, die im Schoße der verbrüderten Demokraten selbst den gewaltigsten Sturm anregten, so daß es zu Faustdrohungen kam, furchtbares Toben und Geschrei, bis um 2 Uhr Mitternacht der Wirt durch Auslöschen der Lampen die Vereinbarungslustigen in undurchdringliche Nacht versenkte. Die zwei Pivots des Skandals [Rudolf] Schramm und Ulmer. Schramm nämlich in seiner Diatribe gegen Ruge machte gleichzeitig seinem Grimm gegen die Kommunisten Luft, was vielen Anklang fand, griff den Willich aufs gehässigste an und erklärte die Arbeiter für feig. Ulmer antwortete hierauf; verlangte aber seinerseits mit Hollinger – Freund von Sigel – Berufung einer allgemeinen Flüchtlingsversammlung zur Wahl eines Unterstützungskomitees. Er schuldigte Willich usw. direkt der Verschwelgung und Verschwendung der Flüchtlingsgelder an. Unaussprechlicher Tumult. Oswald Dietz springt vor, erklärt, er sei Kassierer des Flüchtlingskomitees der Great Windmillstreet und verlangt Widerruf. Ulmer erklärte, wenn die Herren es verlangten, werde er Beweise beibringen. Er widerrufe nichts. Willich in seiner bekannten Manier sucht ihn zu beschwichtigen und ladet ihn zu einer Privatauseinandersetzung auf seinem Zimmer ein. Aber Cato Ulmer bleibt unerschütterlich und sprach nicht ohne Anhang. Nebenbei bemerkt, hatte Schimmelpfennig, hinter Ulmer sitzend, während der Rede Goeggs fortwährend gegrunzt und Lärm gemacht, als auf einmal Ulmer von seinem „Genie“ ergriffen wird, sich mit ausgestreckter Faust umwendet und dem Schramm zubrüllt: „Wenn Sie, elender Pfennigfuchser, nicht endlich das Maul halten, schmeiße ich Sie zum Fenster hinaus.“ Schramm wurde blaß wie Kreide, aber mit seiner preußischen Offizierscourage zu Rate gehend, entfernte er sich in den äußersten Winkel.

Willich war während dieser denkwürdigen Farce zu verschiedenen Malen und von allen Seiten, Goegg, Schramm, Hollinger, Ulmer usw., so derb gepackt worden, daß er sechsmal erklärte, er müsse austreten, wenn man seine würdige Persönlichkeit nicht außer Spiel ließe.

Nun aber neues Element des Skandals, von uns eigens zubereitet. Nämlich die Herren, die „höheren Flüchtlinge“, wie sie sich nennen, hatten die „niedrige Emigration“ ganz außer acht gelassen. – – –

Dieser „niederen Emigration“ haben nun Rumpf und Ulmer erklärt, nächsten Freitag kämen ihre Interessen vor in dem allgemeinen Emigrationsverein. Sie werden sich sämtlich, mit Knüppeln bewaffnet, dahin begeben, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Ich habe sie nun durch Ulmer wissen lassen, Kinkel habe 160 Pfund für sie erhalten, die er wochenlang verheimlicht [hat], und die er nun mit Willich zu teilen gedenke. Sie würden überhaupt – et c’est vrai[6] – nur als Firma benutzt, um die Finanzen dieser Staatsmänner auf den Strumpf zu bringen. Ulmer wird der Redner sein, und da Schramm usw. nichts von dieser Auslandssendung wissen, wird der Skandal erbaulich werden von allen Seiten.

Du darfst erst einen – später aber notwendigen – Brief an Kinkel schreiben, sobald ich Dir über die Freitagsitzung berichtet. Was Du aber gleich tun mußt, ist, an Fischer nach New Orleans zu schreiben, ihm den ganzen Dreck klarzumachen und ihn wissen zu lassen, daß er nur noch unter der Firma „Freiligrath“, die ganz populär ist, Geld sammelt. Unsere Partei braucht es notwendig. Sie ist die einzig aktive, die einzig direkt mit Bundestag und Gott und Teufel im Kampfe stehende, und es fehlt uns alles Geld zur Agitation. Andererseits muß Geld geschaffen werden für unsere Eingekerkerten, die zum großen Teil durchaus ohne Mittel sind. Diese zwei Gesichtspunkte scheinen mir leicht dem Mann klar zu machen. Wenn er kann, soll er übrigens die Sammlung geheim machen, du unsere Wirksamkeit nur gestört wird durch jeden Zeitungsklatsch.

Vale faveque.[7]

Dein K. Marx.

Bemerken muß ich noch, daß der orthodoxe Stier Schapper durchaus nicht mit „Ungläubigen“ sich einläßt, vielmehr Willich erklärt hat, sie könnten ihm eher den Kopf einreißen, als daß er zu „den Hunden“ gehe.

Wenn manchmal jetzt meine Briefe um ein paar Tage ausbleiben, geschieht es, um vollständiger zu berichten.


[1] Voran meinen Dank für Deinen Artikel.

[2] Das gemischte [gewöhnliche] Volk.

[3] Das ist mal eine gute [Idee].

[4] Unerläßliche Bedingung.

[5] Die Empörung macht den Dichter.

[6] Und das ist wahr.

[7] Lebe wohl und bleibe mir gut.

106

[?] August 1851.

Lieber Engels!

Du liest zuerst wohl den Proudhon, da ich den zurück haben muß. Den Dureau habe ich ausgezogen, soweit ich ihn brauche. –

Apropos. Schreibe doch endlich an den Fischer in New Orleans. (Liebknecht ist jetzt sein stehender Korrespondent.) Es ist dies um so wichtiger, als gerade aus New Orleans die Kinkels, Ruges usw. Subsidien zu ziehen gedenken. Vergiß also nicht an den Mann zu schreiben, der sich in einem Brief an Liebknecht über Dein Schweigen beklagt.

Dein K. M.

107

[Undatiert. Ersichtlich vom 26. oder 27. August 1851.]

Lieber Marx!

Die homerischen Kämpfe der großen Männer im Streben nach Einheit haben mich wunderlich erheitert. Welche Iliade!

An Fischer ist geschrieben. Es ist aber doch positiv, daß ich in dem Brief an Kinkel mit genannt bin, damit ich mich bei Fischer nicht blamiere? Die Idee mit Freiligrath ist famos, das hat gewiß Deine Frau erfunden. Den F[ischer] aufzufordern, direkt für unsere Parteizwecke Geld aufzutreiben, geht durchaus nicht; kommt aber noch etwas – was ich nach diesen Erfahrungen der Amerikaner bezweifle –, so denke ich, wird mein Brief hinreichen, es in Freiligraths Hände zu spielen, et cela suffit.[1]

Über Proudhon morgen oder übermorgen. Weerths Anwesenheit und dann diese Schmiere, verbunden mit Kontorlasten, haben mich verhindert, das Ding ernsthaft anzufassen. Jedenfalls ist die Scharlatanerie großartig drin. Der zweite Teil, von der Liquidation an, ist bewundernswert durch die Verschmelzung der Girardinschen Reklame und der Stirnerschen Renommage. Dazu ist manches grammatisch und logisch reiner Gallimathias, von dem er selbst weiß, daß es absolut keinen Sinn hat. Dieser zweite Teil ist wirklich gar nicht ernsthaft zu behandeln, man kann’s beim besten Willen nicht.

Für die Tribune habe ich natürlich auch nichts machen können – nächste Woche Fortsetzung. Eiligst

Dein F. E.


[1] Und das genügt.

108

28 Deanstreet, 31. August 1851.

Lieber Engels!

Man verrechnet sich immer, wenn man auf entscheidende Krisen unter den demokratischen Herren rechnet. Ein Skandal, wie der vor vierzehn Tagen, erheischt mehrwöchentliche Erholung für diese performers.[1] Und so kam es denn gestern, Freitag den 29., zu nichts Bedeutendem.

D’abord.[2] Am Montag, den 25. August, wie ich Dir schon mitgeteilt, drohten Willich und Schapper mit ihrem Abtritt aus dem Flüchtlingskomitee der Great Windmill. Am folgenden Dienstag traten sie wirklich in offizieller Sitzung ab und löste sich das Komitee überhaupt in Wohlgefallen auf. Bei dieser Gelegenheit kam es zu bitteren Worten. Willich moralisierte und sittenpredigte, worauf ihm seine Laster entgegengehalten wurden. Der Hauptanklagepunkt gegen ihn aber war der, daß diesmal, wie schon bei einer früheren Gelegenheit, wo Rechenschaft abgelegt werden sollte über die Zwanzige von Pfunden, die in die Bürstenmacherei gesteckt sind, dafür gesorgt worden, daß Herr Lüssel (?), verantwortlicher Garant derselben, durchgebrannt war.

Freitag hatte sich General Sigel in der allgemeinen Sitzung der Vereinbarungslustigen eingefunden. Er hatte auf das Erscheinen der „niedrigen Emigration“ gerechnet, für die er einige gewaltige Lanzen mit Willich brach, der seiner Entrüstung über die sittenlose, früher von ihm uns gegenüber apotheosierte Lumpenherde freien Lauf ließ. Wer aber nicht erschien, war das Lumpenproletariat. Diejenigen, die sich vor den Türen des Areopag eingefunden, waren zu wenig zahlreich, um auf Erfolg rechnen zu können, und zogen sich deshalb zurück. Du weißt, daß es feige Patrone sind.

Lupus, der, aus alter Freundschaft zur Gräfin Reichenbach und ihrem ebenfalls hier anwesenden Bruder, von Zeit zu Zeit das Haus des Reichenbach frequentiert, fand gestern daselbst Herrn Techow, den er von der Schweiz her kannte. Kurz nachher erschien Willich in eigener Person und in Gesellschaft des tiefsinnigen Eduard Meyen. Lupus ging fort, als diese Größen Platz griffen.

Voilà tout ce que j’ai à rapporter pour le moment.[3] Mit den 160 amerikanischen Pfunden hat Kinkel teils direkt, teils durch seine Anhänger den „Respektablen“ und den „hommes d’état[4] eine gewaltige Meinung von seiner Macht und seinen Verbindungen beizubringen gewußt. Der edle Willich aber hat durch Auflösung des Windmillkomitees das solideste Band zerrissen, das ihn mit der „Canaille“ verklitterte. Maintenant,[5] was Dich anbetrifft, so ist es positiv, daß Fischer Dich ausdrücklich genannt unter den Paten der 160 Pfund. General Sigel und Goegg teilten das angeblich au secret[6] ihrem Freund Schabelitz mit, in der Tat aber, wie ich glaube, um es Dir zukommen zu lassen. Nach meiner Ansicht hast Du nichts zu tun, als Herrn Kinkel zu schreiben, Du habest aus New Orleans die Nachricht über die Geldsendung und Deine Mitzurateziehung bei Verwendung desselben erhalten. Du fragtest ihn simplement, was mit dem Gelde geschehen oder beabsichtigt sei. Die Adresse Kinkels ist: Dr. phil. (so schreibt er sich auf seinen Visitenkarten) Kinkel, 1 Henstridge Villas, St. Johns Wood. Ich werde Dir zum Spaß einmal eine solche Visitenkarte zuschicken, die ganz Inhalt und Form einer Londoner Reklame für Heilung von Krähenaugen and so forth[7] hat.

Damit ich das große Ereignis nicht vergesse. In der Nummer vom 13. August kündet der unglückliche Heinzen an, daß Otto seine Kapitalien zurückgezogen und so er allein mit seinem geistigen Kapital zurückgeblieben, womit in dem industriellen Amerika ein Blatt nicht erscheinen könne. Er schreibt also eine Elegie über den Fall Hektors vor der Zeit. Und in derselben Nummer fordern Hoff und Kapp zu Aktienzeichnungen für eine neue Zeitung auf, die an die Stelle der Schnellpost treten solle. Und wie das Schicksal wunderliche Nücken hat, macht gleichzeitig die Staatszeitung dem edlen Heinzen – unter Enthüllung vieler seiner Geldgemeinheiten – einen Prozeß wegen Verleumdung, der ihn, wie er vorhersieht, in ein „Sittenverbesserungshaus“ bringen wird. Le pauvre Heinzen! Auch ist dieser große Mann jetzt moralisch entrüstet über Amerika und die „gemütsarmen Yankees“ und die „Deutsch-Amerikaner“, die ihnen nachschlagen, statt an der „Humanisierung der Gesellschaft“ zu arbeiten und für die großen politisch-sozialen Enthüllungen Arnold Ruges sich zu begeistern ...

Du hast sicher schon längst aus den Journalen ersehen, daß Girardin sich mit Ledru-Rollin liiert. Der glaubte auch schon der künftige französische Großmogul zu sein. Nun hat sich aber ein Gegenkomitee Lammenais-Michel (de Bourges)-Schölcher gebildet, das die „Vereinigten Staaten von Europa“ durch die romanischen Völker – Franzosen, Spanier, Italiener – bewirken will, woran sich dann die Deutschen usw. anzukristallisieren haben. – Also, die Spanier (!) sollen uns zivilisieren! Mon Dieu, das übertrifft nach den Karl Heinzen, der die Feuerbach und Arnold Ruge unter die Yankee zur „Humanisierung“ einführen will. Der „Proscrit“ von Ledru-Rollin attackierte bitter das rivalisierende Komitee. Sie antworteten ihm mit gleicher Münze. Was aber noch bitterer für den Großmogul in partibus[8] ist: In Paris fand ein Konklave der ganzen Presse statt. Der Proscrit war auch durch einen Deputierten vertreten. Zweck: Einigung über einen gemeinschaftlichen Präsidenten. Der Proscrit fiel mit seinen Anträgen durch, und es wurde rein herausgesagt, die Herren in London hätten gut schwatzen, aus Frankreich selbst müsse das Erforderliche für Frankreich geschehen, Ledru-Rollin schneide sich sehr, wenn er sich für „die wichtige Person“ halte, wofür ihn Mazzini ausgibt.

Übrigens trennte sich der Konklave unter Skandal und ohne Resultat. Die einheitssüchtige Demokratie gleicht sich überall wie ein Ei dem anderen.

Addio!

Dein K. M.


[1] Theaterspieler.

[2] Erstens.

[3] Das ist alles, was ich im Augenblick zu berichten habe.

[4] Staatsmänner.

[5] Jetzt.

[6] Vertraulich.

[7] Und so weiter.

[8] In den Landesteilen [der Ungläubigen], das heißt ohne tatsächliche Macht.

109

Montag, 1. September 1851.

Lieber Marx!

Du mußt mich abermals entschuldigen.

Erstens habe ich mit dem Proudhon noch weiter nichts anfangen können, weil ich seit vier Tagen mit den scheußlichsten Zahnschmerzen geplagt gewesen bin, die mich total unfähig machten, irgend etwas zu tun. Dazu kommt nun noch heute abend mein Bruder (den Du kennst) von London und wird mich, ich weiß nicht wie lange, am Arbeiten verhindern. Que le diable emporte l’exposition![1]

Zweitens kann ich Dir die für heute versprochenen 5 Pfund erst morgen schicken, da absolut kein Geld in der Geschäftskasse ist und ich sie also erst morgen bekommen kann.

Der Triumphartikel der Lithographierten Korrespondenz über die endlich erreichte Einheit der honetten Emigration ist ja bereits durch ein neues Lamento und Ausfälle der „Preußen“ gegen die „Süddeutschen“ und den „Pommer“ Ruge in derselben Lithographierten Korrespondenz widerrufen. Sic transit gloria – die Freude hat nicht lange gedauert. Es ist gut, daß wir in jedem der neuen zwei Vereine so viel Freunde haben, daß keiner von beiden uns behelligen wird.

Die Failliten haben in Liverpool und London ja schon angefangen, und der Economist trotz seiner Beweise, daß der Trade des Landes äußerst gesund, das heißt, daß das meiste Surpluskapital in der soliden Produktion angelegt ist, muß doch gestehen, daß Ostindien wieder überführt ist und im ostindischen Handel die alten Konsignations- und Vorschußgeschichten mit unveränderlicher Regelmäßigkeit wieder eingerissen sind. Nächste Woche will er uns lehren, wie man das Konsignationsgeschäft auf soliden Grundlagen betreiben kann – ich bin begierig darauf. Inzwischen verdienen die Spinner und Weber hier enorm – die meisten sind bis Neujahr engagiert, und auf dem Lande wird allgemein wenigstens bis 8 Uhr abends, also 12 bis 121/2 Stunden, gearbeitet, oft länger. Aus Baumwolle zu 33/4 bis 41/2 Pence pro Pfund spinnen sie Garn zu 7 bis 8 Pence das Pfund; die Spinnkosten bei diesen groben Nummern kaum 11/2 bis 2 Pence das Pfund, also bei einer wöchentlichen Produktion von 12 Millionen Pfund (bei 600 000 000 Pfund Einfuhr roher Baumwolle) verdient die Gesamtmasse der Spinner, wenn die groben Nummern als Norm gelten, in England wöchentlich 75 000 Pfund Sterling, jährlich 33/4 Millionen Pfund netto. Dasselbe ist richtig, wenn statt Nr. 6 bis 12 die Durchschnittsnummern des Garnes, 18 bis 24, angenommen werden, und manche, die bei guten Maschinen schlechtere Baumwolle anwenden können, verdienen am Pfund Garn nicht 11/2 Pence, sondern 21/2 Pence. Alles das datiert vom April und Mai, vom Fall der Baumwollpreise, und wer verhältnismäßig am meisten Twist kauft, sind die Deutschen. Wenn der Tanz losbricht – und dieser Trade dauert gewiß nicht länger als bis in den März – und zu gleicher Zeit in Frankreich ein Ulk losgeht, so werden die Deutschen es schön fühlen mit all dem unverkäuflichen Garn auf dem Hals, und das Land wird auch so gut präpariert werden.

Weihen wir eine stille Träne den Manen Brüggemanns! Unverdienteres Unglück hat wohl nie einen Biedermann getroffen – sit illi terra levis.[2]

Dein F. E.


[1] Der Teufel hole die Ausstellung!

[2] Möge ihm die Erde leicht sein.

110

Montag, 8. September 1851.

Lieber Marx!

Morgen geht mein Bruder fort, und ich werde dann endlich wieder zur Ruhe kommen. Ich bin die ganze Zeit über keinen Augenblick allein gewesen, und es war mir rein unmöglich, Dir die Banknote früher zu schicken als Samstag, und zwar beide Stücke mit derselben Post, da Sonntags nur eine delivery[1] ist. Da hierbei Gefahr der Entwendung ist, so gebe ich Dir particulars[2] der Note – sie war numeriert E 01780, und datiert Leeds, 15. Juli 1850. Sollte sie Dir also nicht zugekommen sein, so gehe gleich auf die Bank und stop payment,[3] was noch frühzeitig genug sein wird. Es war eine Fünfpfundnote.

Freitag abend erhalte ich plötzlich einen Brief von meinem Alten, worin er mir erklärt, ich verbrauche viel zu viel Geld und müsse mit 150 Pfund auskommen. Ich werde mir diese lächerliche Zumutung natürlich nicht gefallen lassen, um so weniger, als sie mit der Drohung begleitet ist, nötigenfalls die Ermens anzuweisen, mir nicht mehr als diese Summe auszuzahlen.

Ich denke mit Hilfe meines Bruders und meiner Alten die Sache in Ordnung zu bringen, werde mich aber doch zunächst etwas einschränken müssen, da ich Summa Summarum hier schon 230 Pfund vermöbelt habe und bis zum November, wo ich ein Jahr hier bin, diese Summe nicht zu sehr steigern darf. Jedenfalls ist dieser neue Trick wieder sehr unangenehm und ärgert mich bedeutend, namentlich die unnoble Manier, die mein Alter dabei anschlägt. Es ist richtig, er verdient hier dies Jahr lange nicht so viel wie das vorige, aber das liegt einzig in dem schlechten Management seiner Associés, über die ich keine Kontrolle habe.

Was ist das für ein neuer Tuck in Paris? Diesmal scheint die Clique Hippopotamus ins Pech geraten zu sein; was ich von den deutschen verhafteten Namen kenne, sind lauter alte Weitlingianer aus der Epoche von 1847 und früher. Es scheinen da mehrere Mogeleien durcheinander zu laufen. Der schwäbische Heiland scheint sich auch unter den Glücklichen zu befinden. Tant mieux pour lui.[4] Was Du erfährst, teile mir mit.

Wie deutsche Blätter melden, sollen die Kölner nicht vor die nächsten – Oktober – Assisen kommen.

Morgen oder übermorgen mehr.

Dein F. E.


[1] Auslieferung.

[2] Einzelheiten.

[3] Verhindere die Auszahlung.

[4] Um so besser für ihn.

111

Donnerstag, 11. September 1851.

Lieber Marx!

Ich hatte gehofft, Dir heute einen Artikel für Amerika fertig machen zu können. Da fehlen mir noch zirka drei bis vier Seiten daran. Ich muß also auf die morgige Post verzichten, wenn ich aber nicht irre, geht Mittwoch ein Collins Steamer, und damit kann der Artikel gehen und dann Freitag der dritte nachfolgen. Ich werde mich danach erkundigen. Ich halte in the present moment[1] dies amerikanische Geschäft, das ja positiv Geld einbringt, für pressanter als den Proudhon, von dem ich nicht weiß, ob er es ebenso sicher und rasch einbringt, daher habe ich dies zuerst vorgenommen. Solltest Du anderer Meinung sein, so schreibe.

Meinen Brief von Montag wirst Du erhalten haben.

En attendant tes nouvelles.[2]

Dein F. E.


[1] Im gegenwärtigen Augenblick.

[2] Deinen Nachrichten entgegensehend.

112

28 Deanstreet, Soho, Samstag, 13. September 1851.

Lieber Engels!

Du hast doch meinen Brief während der Anwesenheit Deines Bruders erhalten? Ich frage, da Du ihn nicht erwähnst, nicht wegen seines Inhaltes. Er enthielt nur Klatsch, obgleich es gut ist, daß auch dieser archiviert wird. Aber in fremde Hände möchte ich ihn doch nicht geraten wissen.

Deine verschiedenen Briefe, eingeschlossen der fünfpfundige, sind hier richtig angekommen.

Kinkel macht jetzt seine Rundreise durch Nordengland. War er noch nicht in Manchester?

Nach dem in meinem letzten Schreiben Erwähnten hat sich wenig hier zugetragen. Gestern (Freitag) vor acht Tagen erklärte Graf Reichenbach seinen Austritt aus dem allgemeinen Flüchtlingsverband. Auch Du, Brutus? Sigel usw., die noch nicht definitiv ausgetreten waren, sind es jetzt. Willich aber macht einen Feldzug gegen das „Lumpenproletariat“ unter den Flüchtlingen. Über die gestern abend gehaltene Sitzung habe ich noch keinen Bericht erhalten.

Auch das italienische Komitee hat sich gespalten. Eine bedeutende Minorität ist ausgetreten. Mazzini erzählt mit Kummer dies Ereignis in der Voix du Peuple. Hauptanlässe sollen sein: D’Abord Dio. Ils ne veulent pas du dieu. Ensuite, et c’est plus grave, ils reprochent à Maître Mazzini de travailler dans l’intérêt autrichien en prêchant l’insurrection, das heißt en la précipitant. Enfin: Insistent sur un appel direct aux intérêts matériels des paysans italiens, ce qui ne peut se faire sans attaquer de l’autre côté les intérêts matériels des bourgeois et de la noblesse libérale, qui forme la grande phalange mazzinienne.[1] Diese letztere Sache ist durchaus wichtig. Wenn Mazzini oder wer sonst an die Spitze der italienischen Agitation sich stellt, diesmal nicht franchement und immédiatement die Bauern aus métayers[2] in freie Grundeigentümer verwandelt – die Lage der italienischen Bauern ist scheußlich, ich habe die Schandwirtschaft jetzt gründlich durchgeochst –, so wird die österreichische Regierung im Falle der Revolution zu galizischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen. Schon hat sie im Lloyd gedroht mit „gänzlicher Umwandlung des Besitzstandes“ und „Vernichtung des unruhigen Adels“. Wenn dem Mazzini noch nicht die Augen aufgehen, so ist er ein Rind. Allerdings kommen die Agitationsinteressen hinein. Wo die 10 Millionen Franken hernehmen, wenn er die Bourgeois vor den Kopf stößt? Wie den Adel in seinen Diensten behalten, wenn ihm ankündigen, daß es sich zunächst um seine Expropriation handelt? Das sind Schwierigkeiten für solchen Demagogen aus der alten Schule.

Unter den Verhafteten in Paris befindet sich leider auch Schramm. Vorgestern kam ein Brief von dem Schlingel an Liebknecht, und wir haben die erfreuliche Aussicht, dies fahrige Subjekt wieder unter uns zu sehen. Er soll sich aber wundern, ce Monsieur là![3] Du wirst mich sehr verpflichten, wenn Du mir bis Dienstag morgen den Aufsatz für Dana schickst. Anbei Brief von Dronke. Übrigens, wenn man ihm schreibt, muß es unter seiner direkten Adresse geschehen. Die von Schuster ist durchaus unsicher. Ich schicke Dir in ein paar Tagen ein Billett für ihn und dann schreibst Du auch noch einiges hinzu und expedierst die Sache an den Knirps.

[Ohne Unterschrift.]


[1] Erstens Gott. Sie wollen nichts von Gott wissen. Dann, und das ist wichtiger, werfen sie Meister Mazzini vor, er arbeite dadurch im Interesse Österreichs, daß er den Aufstand predigt, das heißt dadurch, daß er ihn überstürzt. Schließlich bestehen sie auf direkten Appell an die materiellen Interessen der italienischen Bauern, was nicht möglich ist, ohne auf der anderen Seite die materiellen Interessen der Bourgeois und des liberalen Adels anzugreifen, aus denen die große mazzinistische Phalanx besteht.

[2] Rundheraus und sofort die Bauern aus Halbpächtern ....

[3] Dieser Herr.

113

Freitag, 19. September 1851.

Lieber Marx!

Ich wurde gestern in der höchsten Eile noch mit dem Artikel fertig – tel quel,[1] oft unterbrochen, seit drei Wochen, und zuletzt in der Eile noch den Rest zusammengeschmiert. Tu en feras ce que tu pourras.[2] In jedem Falle wirst Du ihn heute mit der ersten Post erhalten haben.

Der einzige Brief, der seit der Ankunft meines Bruders hier ankam, war Deiner vom 31. August, den ich am 2. September erhielt, worin Du die Heinzenschen Stellen mitteiltest (aus der Schnellpost über Veredlung des Yankeetums).

Meine Faulheit erklärt sich:

1. aus einer Geschäftsreise nach Bradford,

2. aus der Abreise unseres Kommis nach London, von wo er erst Montag zurückkommt,

3. aus der plötzlichen Entlassung unseres Warehouseman[3] und Gehilfen, so daß ich jetzt alle Hände voll zu tun habe.

Morgen oder Montag gebe ich mich an den dritten amerikanischen Artikel, der positiv zum nächsten Steamer in Deinen Händen ist – wenn Mittwoch einer geht, bis Dienstag, sonst bis Freitag. Morgen mehr, das Kontor wird zugeschlossen und Gas haben wir noch keines, so daß ich dies fast im Dunkeln schreibe.

Dein F. E.

Das Dokument Willich in den Débats ist wunderschön!


[1] So wie er gerade ist.

[2] Du wirst daraus machen, was Du willst.

[3] Lagerverwalter.

114

Manchester, 23. September 1851.

Lieber Marx!

Endlich denke ich wieder so weit zu sein, daß ich nach allen fatalen Störungen wieder regelmäßig ans Arbeiten komme. Der Artikel Nr. 3 für Amerika wird heute abend fertig gemacht und Dir gleich zugeschickt, und dann werde ich den Proudhon direkt vornehmen.

Von Kinkels Rundreise habe ich weiter noch nichts vernommen. Die Spaltung unter den Italienern ist wunderschön. Es ist vortrefflich, daß dem geriebenen Schwärmer Mazzini endlich die materiellen Interessen auch einmal in die Quere kommen, und das in seinem eigenen Lande. Dazu ist die italienische Revolution gut gewesen, daß sie die entschlossensten Klassen auch dort in die Bewegung gerissen hat, und daß sich jetzt der altmazzinistischen Emigration gegenüber eine neue radikalere Partei bildet und Herrn Mazzini allmählich verdrängt. Auch nach Zeitungsberichten scheint il Mazzinismo selbst bei Leuten, die weder konstitutionell noch reaktionär sind, in Verruf zu kommen, und die Reste piemontesischer Preßfreiheit von diesen zu Angriffen gegen Mazzini, deren portée[1] die Regierung nicht begreift, benutzt zu werden. Im übrigen überragt sonst die italienische Revolution die deutsche bei weitem an Ideenarmut und Phrasenreichtum. Es ist ein Glück, daß das Land, wo es statt Proletariern fast nur Lazzaroni gibt, wenigstens métayers[2] besitzt. Auch die anderen Gründe der italienischen Dissidenten sind erfreulich, und schließlich ist es sehr schön, daß die einzige bisher wenigstens ungespaltene Emigration jetzt auch sich in den Haaren liegt.

Der Bericht des Kleinen [Dronke] hat mir viel Spaß gemacht. Wichtigtuender Klatsch, ein Duell, ein in Hamburg einzukassierendes Stück Geld, piemontesische Pläne – dodge, dodge und aber dodge! Man begreift bei dem Männchen nie zweierlei Dinge, erstens was er treibt, und zweitens wovon er lebt. Inliegend erfolgt der Brief zurück, schicke mir die Antwort und ich werde sie ihm portofrei befördern. Seine direkte Adresse ist notiert – die von Schuster wäre sehr schön, seit er gehaussucht worden! – –

Die australische Goldsuppe wird hoffentlich die Handelskrise nicht aufhalten. Jedenfalls kreiert sie momentan einen neuen, großenteils fiktiven Markt und treibt die Wolle in die Höhe, da die Schafherden vernachlässigt werden. Sonst ist die Geschichte famos. Der Steam um die Welt wird in sechs Monaten in vollem Gange sein, und unsere Prophezeiungen über die Suprematie des Stillen Ozeans realisieren sich noch rascher, als wir erwarten konnten. Bei dieser Gelegenheit werden auch die Engländer herausfliegen und die Vereinigten Staaten der deportierten Mörder, Hausbrecher, Notzüchter und Taschendiebe der Welt ein erstaunliches Exempel geben von dem, was ein Staat von unverhohlenen Schuften für Wunder verrichten kann. They will beat California hollow.[3] Während in Kalifornien doch noch die Schufte gelyncht werden, wird man in Australien die honnêtes gens[4] lynchen, und Carlyle wird seine aristocracy of rogues[5] in voller Glorie etabliert sehen.

Die vielen Beteuerungen der Blätter bei Gelegenheit der letzten Failliten und der unter anderem in Liverpool herrschenden Depression, daß trotzdem der Trade des Landes niemals gesunder gewesen sei, sind sehr verdächtig. Positiv ist, daß Ostindien overstocked[6] ist und seit Monaten dort mit Verlust verkauft wird. Wohin die Massen Zeug gehen, die jetzt hier in Manchester und Gegend fabriziert werden, ist mir nicht klar; es muß viel, sehr viel Spekulation dabei sein, da, sobald die Baumwolle im Juli den niedrigsten Punkt erreicht hatte und die Spinner sich mit rohem Material zu versehen anfingen, sofort alle Spinner und Weber auf lange Zeit in Kontrakt genommen wurden von hiesigen Kommissionshäusern, die lange nicht auf alle die Ware Bestellung hatten, die sie beim Fabrikanten bestellten. Bei den ostindischen Häusern ist offenbar das alte Vorschußsystem wieder in vollem Zuge, bei ein paar ist es schon ans Tageslicht gekommen, bei anderen wird’s früher oder später einen heiteren Crash geben. Da die Fabrikanten hier auf Mord und Brand arbeiten, und seit 1847 die hiesige Produktionskraft, besonders 5 bis 20 Meilen um Manchester, sich wenigstens um 30 Prozent vermehrt hat (sie war 1842 30 000, 1845 40 000, jetzt gewiß 50 000 bis 60 000 Pferdekraft für Lancashire), so braucht dies flotte Arbeiten nur noch bis März oder April fortzugehen, und wir haben eine Überproduktion, die Dir Freude machen wird ....

Die Russen beziehen in diesem Moment fast kein Pfund Twist mehr von England, sehr wenig fertige Baumwollwaren, sehr viel rohe Baumwolle – 2000 bis 3000 Ballen pro Woche, und trotzdem daß der Zoll von 70 auf 50 pro Pfund für Garn herabgesetzt ist, entstehen noch täglich neue Spinnereien. Nikolas scheint endlich Angst vor dieser Industrie zu bekommen und will den Zoll noch mehr heruntersetzen. Da aber all sein reicher Adel und alle Bourgeois in diesem Geschäft interessiert sind, so kann diese Geschichte ernstlich werden, wenn er darauf besteht.

Dein F. E.


[1] Tragweite.

[2] Halbpächter.

[3] Sie werden Kalifornien gründlich schlagen.

[4] Anständigen Leute.

[5] Aristokratie der Gauner.

[6] Überladen.

115

28 Deanstreet, 23. September 1851.

Lieber Engels!

Mit dem Pariser Dokument, das ist sehr dumm. Die Deutsche Zeitung, Kölnische und Augsburger, schieben’s uns, wie sich von diesen kritiklosen Hunden erwarten läßt, in den Hals. Andererseits verbreitet der elende Willich et Co., wir hätten das Zeug in Paris durch Bekannte von uns denunzieren lassen. Qu’en dis-tu?[1]

K. Schramm ist auch eingesteckt. Habeat sibi.[2] Das nächste Mal – nach Einziehung noch einiger Nachrichten – schreibe ich Dir weiter über den hiesigen Sumpf. Für heute wirst Du regaliert mit folgendem Resümee eines mehrspaltigen Manifestes des Bürgers Techow in der New Yorker Staatszeitung, benamset: „Umrisse des kommenden Krieges. London, 3. August.“ (Schlecht, doktrinär geschrieben, allerlei Reminiszenzen aus unserer Revue und scheinbar verständig entwickelt, aber Inhalt platt, keine Bewegung in der Form, nichts Schlagendes.) Ich schenke Dir, was Techow zunächst über die Revolution von 1849 rezitiert. Er zieht sich daraus zunächst folgende allgemeine Nutzanwendungen:

1. Gegen die Gewalt gibt es keinen anderen Widerstand als die Gewalt.

2. Die Revolution kann nur dann siegen, wenn sie allgemein wird, das heißt wenn sie in den großen Zentren der Bewegung zündet ([unlesbar] Pfalz, Baden) und wenn sie ferner nicht der Ausdruck einer einzelnen Oppositionsfraktion ist. (Beispiel: Juni-Insurrektion von 1848.)

3. Die Nationalkämpfe können zu keiner Entscheidung führen, weil sie vereinzeln.

4. Die Barrikadenkämpfe haben keine andere Bedeutung, als den Widerstand einer Bevölkerung zu signalisieren, diesem Widerstand gegenüber die Gewalt der Regierungen, das heißt die Gesinnungen der Truppen auf die Probe zu stellen. Wie diese Probe auch ausfallen möge, Organisation für den Krieg, Aufstellung disziplinierter Armeen bleibt immer die erste und wichtigste Maßregel der Revolution. Denn nur durch diese ist die Offensive möglich, und nur in der Offensive liegt der Sieg.

5. Konstituierende Landesversammlungen sind nicht imstande, für den Krieg zu organisieren. Sie verlieren ihre Zeit stets an Fragen der inneren Politik, für deren Lösung die Zeit erst nach dem Siege gekommen ist.

6. Um für den Krieg organisieren zu können, muß die Revolution Raum und Zeit gewinnen. Sie muß daher politisch angreifen, das heißt soviel wie möglich Länderstrecken in ihren Bereich ziehen, weil sie militärisch im Anfang stets auf die Defensive beschränkt ist.

7. Die Organisation für den Krieg kann in dem republikanischen Lager so gut wie in dem royalistischen nur basiert sein auf Zwang. Mit politischer Begeisterung und mit phantastisch aufgeputzten Freischaren ist gegen Disziplin und gut geführte Soldaten noch nie eine offene Feldschlacht gewonnen worden. Die militärische Begeisterung stellt sich erst nach einer Reihe von Erfolgen ein. – Für diese Erfolge gibt es im Anfang keine bessere Grundlage als eiserne Strenge der Disziplin. Mehr noch als in der inneren Organisation des Landes können demokratische Grundsätze in den Armeen erst nach dem Siege der Revolution zur Anwendung kommen.

8. Der kommende Krieg ist seiner Natur nach ein Vernichtungskrieg – Völker oder Fürsten. Folgt daraus die Anerkennung der politischen und militärischen Solidarität aller Völker, das heißt der Intervention.

9. Das Gebiet der kommenden Revolution liegt räumlich in denselben Grenzen wie das der besiegten: Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, Polen.

Folgt aus allem: Die Frage der kommenden Revolution ist gleichbedeutend mit der eines europäischen Krieges. Gegenstand des Krieges: Ob Europa kosakisch oder republikanisch. Schauplatz des Krieges – die alten: Oberitalien und Deutschland. Herr Techow zählt nun auf: 1. Die Streitkräfte der Konterrevolution; 2. die Streitkräfte der Revolution.

I. Streitkräfte der Konterrevolution.

1. Rußland. Gesetzt, es könne seine Streitkraft auf 300 000 bringen, das wäre sehr viel. In welcher Zeit und wie stark kann es dann am Rhein und in Italien erscheinen? Im besten Falle in zwei Monaten. Mindestens ein Drittel Abgang für Kranke und Besatzung der Etappenstraßen. Bleiben 200 000 Mann, die in zwei Monaten nach Ausbruch der Bewegung auf den entscheidenden Punkten des Kriegsschauplatzes erscheinen.

2. Österreich. Berechnet den Stand seiner Armee auf 600 000 Mann. Brauchte 1848 und 49 in Italien 150 000 Mann. Diese Zahl verlangt Radetzky auch jetzt in Friedenszeiten. In Ungarn braucht es jetzt im Frieden 200 000 Mann. Im letzten Kriege reichten 200 000 Mann nicht aus. Ein Drittel dieser Armee besteht aus Ungarn und Italienern, die abfallen werden. Im besten Falle, wenn der Aufstand in Ungarn und Italien nicht gleichzeitig ausbricht, kann es – durch allerlei Barrikadenkämpfe aufgehalten – in 6 Wochen mit 50 000 Mann am Rhein erscheinen.

3. Preußen. Zählt 500 000 Mann, inklusive der Ersatzbataillone und der Landwehr des ersten Aufgebots, die nicht mit ins Feld rücken. Für die Operation im Felde 300 000 Mann: Halb Linie, halb Landwehr. Mobilisierung: 14 Tage bis 3 Wochen. Das Offizierkorps in der preußischen Armee aristokratisch, die Unteroffiziere bureaukratisch, die Masse „durchaus demokratisch“. Fernere Chance hat die Revolution in der Mobilisierung der Landwehr. Desorganisation des preußischen Heeres durch die Revolution, deren der König nur unter Schutz der russischen Armee so weit Herr wird, um mit den Russen die Trümmer seines Heeres gegen die Rebellen zu führen. Rheinprovinz, Westfalen, Sachsen für ihn verloren, so die wichtigsten Festungslinien und mindestens ein Drittel seiner Armee. Ein Drittel braucht er gegen die Aufstände in Berlin, Breslau, Provinz Posen und Westpreußen. Bleiben höchstens 100 000, die nicht früher als die Russen selbst auf dem Kampfplatz erscheinen können.

4. Die deutsche Bundesarmee. Das badische, schleswig-holsteinsche, das kurhessische und die pfälzischen Regimenter gehören der Revolution. Nur Trümmer der deutschen Bundesarmee werden, dem Flehen der Fürsten folgend, die Heere der Reaktion verstärken. Ohne militärische Bedeutung.

5. Italien. Die einzige militärische Macht von Italien, das sardinische Heer, gehört der Revolution.

Also Summa Summarum:

Kriegsschauplatz in Deutschland: 150 000 Russen    
  100 000 Preußen    
  50 000 Österreicher 300 000 Mann
Kriegsschauplatz in Italien: 150 000 Österreicher    
  50 000 Russen 200 000 Mann
      ——————-
    Fazit: 500 000 Mann

II. Streitkräfte der Revolution.

1. Frankreich. 500 000 Mann schon in dem ersten Moment der Revolution zur Verfügung. Davon 200 000 am Rhein, 100 000 in Italien (Ober-) sichern der Revolution in Italien und Deutschland Raum und Zeit zu ihrer Organisation.

2. Preußen. 50 000 } nämlich die Hälfte der abgefallenen Armee organisiert.
3. Österreich. 100 000

4. Kleine deutsche Armee: 100 000.

Macht dann folgende Rechnung:

Aktive französische Armee 300 000 Mann
Deutsches Revolutionsheer 150 000 -
Italien und Ungarn 200 000 -
  ——————-
  650 000 Mann

Also: Revolution führt 650 000 Mann gegen 500 000 Mann des Absolutismus.

Er schließt damit:

„Welche nationalen, welche prinzipiellen Verschiedenheiten die große Partei der Revolution immerhin spalten mögen – wir alle haben gelernt, daß zur Bekämpfung dieser verschiedenen Ansichten untereinander die Stunde erst nach dem Siege gekommen ist“ usw.

Was meinst Du von dieser Berechnung?

Techow setzt voraus, daß die Desorganisation auf Seite der regulären Armee und die Organisation auf Seite der revolutionären Streitkräfte sich befinden wird. Das bildet die Basis seiner Rechnung. Doch Du wirst besser über diese Statistik urteilen können als ich.

Was aber die eigentlich politische Tendenz dieses Aufsatzes ist, die in der Ausführung noch klarer durchblickt, so ist sie die: Es bricht gar keine Revolution aus, das heißt kein Parteikampf, kein Bürgerkrieg, kein Klassenzwist, bis nach Beendigung des Krieges und dem Sturze Rußlands. Um aber diese Armee für den Krieg zu organisieren, da bedarf es der Gewalt. Und woher soll die Gewalt kommen? Vom General Cavaignac oder einem ähnlichen militärischen Diktator in Frankreich, der seine Generale in Deutschland und Oberitalien hat. Voilà la solution,[3] die nicht sehr weit von Willichs Ideen abliegt. Der Weltkrieg, das heißt, im Sinne des revolutionären preußischen Leutnants, die Herrschaft wenigstens provisorisch des Militärs über das Zivil. Wie aber ein General quelconque,[4] und stände der alte Napoleon selbst aus dem Grabe, nicht nur die Mittel, sondern auch diesen Einfluß erhalten soll, ohne vorhergehende und gleichzeitige innere Kämpfe, ohne die verdammte „innere Politik“, darüber schweigt das Orakel. Wenigstens der fromme Wunsch des künftigen Weltkrieglers, der seinen angemessenen politischen Ausdruck exakt findet in den klassenlosen Politikern und Demokraten als solchen, ist rein herausgesagt.

Lebe wohl!

Dein K. M.

Soeben habe ich Deinen Brief erhalten, was ich hier noch anzeige.

NB. Du weißt doch, daß der Stechan oder Steckhahn in Hannover verhaftet war und, ehe er in unsere Verbindung trat, mit dem Komitee Schapper usw. in Korrespondenz stand. Nun sind zwei Briefe, die er an den Sekretär Dietz dieses Komitees schrieb und die dieser erhalten hatte, jetzt befindlich auf dem Bureau des Polizeiinspektors in Hannover. Ulmer war nun von uns beauftragt, Herrn Dietz und Komp. darüber zu interpellieren nächsten Freitag in der öffentlichen Sitzung des Flüchtlings- oder Emigrationsvereins. Wir haben wieder Konterorder gegeben. Stechan ist durchgebrannt. Also auf dem Wege nach London oder schon hier. Und wer bürgt uns dafür, daß Stechan nicht zu unseren Feinden geht, statt zu uns?

Deine Handelsnachrichten haben mich äußerst interessiert.

Was den K. Schramm angeht, so hatte er von mir ein kurzes Legitimationsschreiben, eingetragen in seine Brieftasche. Diese Zeilen könnten zum Uriasbrief an ihm geworden sein.

Addio!


[1] Was sagst Du dazu?

[2] Gehab’ es ihm wohl.

[3] Dies die Lösung.

[4] Irgendwelcher, xbeliebiger.

116

25. September 1851.

Lieber Marx!

Dein Brief ist eingetroffen. Über Techows Gelehrsamkeit morgen. Kinkels Bettelbrief nach New Orleans ist sehr reizend, leider habe ich ihn auch bloß französisch zu Gesicht bekommen. Herr Stechan muß auch jetzt in London sein, es ist sehr recht, daß Du den Kerl laufen läßt, wenn er sich nicht meldet, und wartest, was geschieht, ehe Du jemand seine Partei nehmen läßt. Unter den in Paris Freigelassenen, von denen die heutigen Blätter sprachen, wird sich wohl auch Herr Konrad Schramm befinden. Die Dummheit der deutschen Zeitungen, uns das alberne W[illich]sche Aktenstück in die Schuhe zu schieben, hat mich ebenfalls sehr geärgert. Es wird sich indes sehr bald herausstellen, daß wir mit dieser elenden Schmiere nichts zu tun haben. Par dieu, nous en avons assez sur les bras[1] mit den Aktenstücken anderer Leute, nach Stil und Gehalt. Inliegend Artikel Nr. 3 für New York, jedenfalls etwas weniger Schund als Nr. 2. Nr. 4. wird bald in Angriff genommen.

Du könntest mir von Zeit zu Zeit amerikanische Blätter sous bande[2] zuschicken, man sieht den Dreck stellenweise ganz gern einmal in natura. Ich werde Dir ad hoc[3] nächstens wieder ein Lot Stamps[4] schicken.

Adieu!

Dein F. E.


[1] Bei Gott, wir haben genug auf uns.

[2] Unter Kreuzband.

[3] Zu diesem Zweck.

[4] Anzahl Briefmarken.

117

[Undatiert. Wahrscheinlich 26. September 1851.]

Lieber Marx!

Was die Techowsche Kriegsgeschichte angeht, so ist sie auch militärisch ungeheuer flach und stellenweise direkt falsch. Abgesehen von den tiefen Wahrheiten, daß gegen die Gewalt nur die Gewalt hilft, von den abgeschmackten Entdeckungen, daß die Revolution nur dann siegen kann, wenn sie allgemein ist (also wörtlich, wenn sie gar keinen Widerstand findet, und dem Sinne nach, wenn sie eine Bourgeoisrevolution ist), abgesehen von der wohlmeinenden Absicht, die fatale „innere Politik“, die eigentliche Revolution also, durch einen bis jetzt, trotz Cavaignac und Willich, noch nicht entdeckten Militärdiktator zu erdrücken, und abgesehen von dieser sehr bezeichnenden politischen Formulierung der Ansicht dieser Herren über die Revolution, ist militärisch zu bemerken:

Die eiserne Disziplin, die allein den Sieg verschaffen kann, ist genau die Kehrseite der „Vertagung der inneren Politik“ und der Militärdiktatur. Wo soll diese Disziplin herkommen? Die Herren sollten doch in Baden und der Pfalz einige Erfahrungen gemacht haben. Es ist eine evidente Tatsache, daß die Desorganisation der Armeen und die gänzliche Lösung der Disziplin sowohl Bedingung wie Resultat jeder bisher siegreichen Revolution war. Frankreich brauchte von 1789 bis 1792, um nur eine Armee von zirka 60 000 bis 80 000 Mann – die Dumouriezsche – wieder zu organisieren, und selbst die zerfiel wieder, und es gab sozusagen keine organisierte Armee in Frankreich bis Ende 1793. Ungarn brauchte von März 1848 bis Mitte 1849, ehe es eine ordentlich organisierte Armee hatte. Und wer brachte in der ersten französischen Revolution die Disziplin in die Armee? Nicht die Generäle, die erst nach einigen Siegen in einer Revolution, bei improvisierten Armeen Einfluß und Autorität bekommen, sondern die terreur[1] der inneren Politik, der Zivilgewalt.

Streitkräfte der Koalition: 1. Rußland. Die Annahme von 300 000 Mann Effektivtruppen, von denen 200 000 unter Gewehr auf dem Kriegsschauplatz, ist hoch. Passe encore.[2] Aber in zwei Monaten können sie weder am Rhein (allenfalls die Avantgarde am Niederrhein, bei Köln) noch in Oberitalien sein. Um gleichzeitig agieren zu können, sich mit Preußen, Österreich usw. gehörig zu dislozieren, gehen drei Monate hin – eine russische Armee marschiert nicht über 2 bis 21/2 deutsche Meilen den Tag und ruht jeden dritten [Tag]. Es dauerte fast zwei Monate, bis sie in Ungarn auf dem Kriegsschauplatz erschienen.

2. Preußen. Mobilisierung: mindestens vier bis sechs Wochen. Die Spekulationen auf Abfallen, Aufstände usw. sehr riskiert. Kann im besten Falle doch 150 000 Mann, im schlechtesten aber vielleicht nicht 50 000 disponibel machen. Da mit ein Drittel und ein Viertel zu rechnen, ist reiner Humbug, es kommt alles auf Zufälligkeiten an.

3. Österreich. Ebenso chanceux,[3] noch vertuckter. Wahrscheinlichkeitsrechnung à la Techow hier außer aller Möglichkeit. Im besten Falle stellt es, wie Techow angibt, vielleicht 200 000 Mann gegen Frankreich, im schlechtesten kommt es nicht dazu, einen Mann zu detachieren, und kann den Franzosen vielleicht 100 000 höchstens bei Triest entgegenstellen.

4. Bundesarmee – die bayerische geht gewiß zu zwei Dritteln gegen die Revolution, und hier und da auch noch ein Stück. Mit drei Monat Zeit läßt sich allenfalls ein Korps von 30 000 bis 50 000 Mann daraus bilden, und gegen Revolutionssoldaten sind sie im Anfang gut genug.

5. Dänemark stellt gleich 40 000 bis 50 000 Mann gute Soldaten ins Feld, und wie 1813 werden die Schweden und auch die Norweger mit müssen auf den großen Kreuzzug. Techow denkt daran nicht, auch nicht an Belgien und Holland.

Streitkräfte der Revolution. 1. Frankreich. Hat 430 000 Mann unter den Waffen. Davon 100 000 in Algier. 90 000 nicht présent sous les armes[4] – ein Viertel des Restes. Bleiben 240 000 – von denen in vier bis sechs Wochen, trotz der jetzt bedeutend vervollständigten Eisenbahnen, nicht über 100 000 Mann an der belgisch-deutschen und 80 000 Mann an der savoyisch-piemontesischen Grenze erscheinen können. Sardinien wird diesmal versuchen, wie Belgien 1848, den Fels im Meere zu spielen; ob daher das piemontesische Heer, ohnehin voll sardinischer bigotter Bauernjungen – wenigstens in seiner jetzigen Gestalt mit aristokratischen Offizieren –, der Revolution so sicher ist, als Techow sich einbildet, ist sehr die Frage. Viktor Emanuel hat sich Leopold zum Muster genommen, c’est dangereux[5].

2. Preußen –? 3. Österreich –? das heißt, was regelmäßige, organisierte Soldaten angeht. Was Freischaren angeht, so werden sich ihrer Legion melden, natürlich zu nichts zu brauchen. Wenn in den ersten Monaten aus den abgefallenen Truppen 50 000 bis 60 000 brauchbare Soldaten zu machen sind, so ist das viel. Wo sollen in so kurzer Zeit die Offiziere herkommen?

Nach alledem ist es wahrscheinlicher, da gerade das, was Napoleon die rasche Formierung riesiger Armeen möglich machte, gute Kaders nämlich, in jeder Revolution notwendig fehlen (selbst in Frankreich), daß die Revolution, wenn sie im nächsten Jahre zustande kommt, vor der Hand entweder auf der Defensive bleiben oder sich auf hohle Proklamation von Paris aus und sehr ungenügende, blamable und schädliche Risquons-tout[6]-Expeditionen in größerem Maßstabe beschränken muß. Es sei denn, daß die Rheinfestungen im ersten Sturm übergehen und daß das piemontesische Heer dem Aufruf des Bürgers Techow folgt; oder daß die Desorganisation der preußischen und österreichischen Truppen sofort Berlin und Wien zu Zentren erhält, und dadurch Rußland auf die Defensive versetzt; oder daß sonst Geschichten passieren, die sich nicht vorhersehen lassen. Und darauf à la Techow zu spekulieren und wahrscheinlichkeitszurechnen ist müßig und willkürlich, wie ich das in meinen eigenen Experimenten hinlänglich gesehen habe. Es läßt sich da bloß sagen, daß von der Rheinprovinz enorm viel abhängt.

[Unterschrift fehlt.]


[1] Schrecken.

[2] Mag noch hingehen.

[3] Ungewiß.

[4] Unter den Waffen anwesend.

[5] Das ist gefährlich.

[6] Der Name eines Fleckens in Belgien. [Setzen wir alles aufs Spiel.]

118

28 Deanstreet, 13. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Weydemeyer ist am 29. September von Havre nach New York abgesegelt. Er traf daselbst Reich, der auch über See ging nach den Atlanticis. Reich war mit Schramm verhaftet worden und berichtet, daß die Polizei bei Schramm eine Kopie des Protokolls fand, worin sich die Verhandlungen befinden, die sein Duell mit Willich veranlaßten, das Protokoll desselben Abends, wo er Willich insultierte und aus der Sitzung lief. Die Sache ist von seiner Hand geschrieben und ohne Unterschrift. Die Polizei fand so heraus, daß er Schramm heißt und nicht „Bamberger“, auf dessen Paß er sich in Paris aufhielt. Andererseits hat das Protokoll zur Verwirrung des Herrn Stadthauptmann Weiß und Kompanie beigetragen, indem unsere Namen so in den Dreck verwickelt worden. Da Schramm einmal diese Dummheit begangen, ist es wenigstens erfreulich, daß der Ehrenmann direkt dafür gezüchtigt wird.

Kinkel hat also die von Amerika gesandten 160 Pfund dazu verwandt, um mit seinem Retter Schurz persönlich nach Amerika kollektieren zu gehen. Ob er gerade in diesem Augenblick der pressure on the american money-market[1] zur rechten Zeit kommt, scheint zweifelhaft. Er wählte den Moment so, daß er vor Kossuth eintraf, und schmeichelt sich, letzteren bei irgend einer Gelegenheit im Lande der Zukunft öffentlich zu umarmen und in allen Zeitungen drucken zu lassen: Kossuth und Kinkel!

Herr Heinzen hat, durch seine Sklavenemanzipationsheulereien unterstützt, eine neue Aktiengesellschaft in New York zustande gebracht und führt sein Blatt unter etwas verändertem Titel fort.

Stechan – traue keinem Straubinger nicht – befindet sich seit mehreren Wochen hier im Gefolge von Willich-Schapper. Während das Faktum besteht, daß seine an den Dietz geschriebenen Briefe zu Hannover auf der Polizei liegen, schreibt Stechan eine Korrespondenz in die Norddeutsche Zeitung, worin er meldet, Herrn Dietz sei das Pult erbrochen (quelle bêtise![2]) und so die Briefe entwendet worden. Der Spion sei, wie jetzt konstatiert, der seit langem im Dienste der Polizei befindliche Haupt aus Hamburg. Welch Glück, daß ich vor einigen Wochen jeden öffentlichen Schritt in der Angelegenheit Dietz-Stechan verhindert habe. Was den Haupt betrifft, so habe ich nichts mehr von ihm gehört und sinne vergebens auf ein Mittel, einen Brief in seine Hände zu spedieren, denn Haupt muß sich erklären. Mit Weerth habe ich’s schon einmal versucht, aber die Hausleute Haupts haben ihn immer abgewiesen unter dem Vorwand, er sei abwesend. Que penses-tu de[3] Haupt? Ich bin überzeugt, daß er weder Spion ist, noch jemals Spion war.

Edgar Bauer soll auch hier sein. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Vor einer Woche traf Blind hier mit Gattin (Madam Cohen) ein zum Besuch der Exhibition, ist vergangenen Sonntag wieder abgereist. Ich habe ihn seit Montag nicht wiedergesehen, und zwar durch folgenden abgeschmackten Vorfall, der Dir beweist, wie sehr der Unglückliche unter dem Pantoffel steht. Heute erhielt ich einen Stadtbrief, worin er mir seine Abreise anzeigt. Am vergangenen Montag nämlich war er bei mir mit Gattin. Außerdem anwesend Freiligrath, roter Wolff (der sich nebenbei bemerkt ganz stille wieder herangeschlichen und zudem noch mit einem englischen Blaustrumpf verheiratet hat), Liebknecht und der unglückliche Pieper. Die Frau ist eine lebhafte Jüdin, und wir lachten und schwatzten ganz lustiglich, als der Vater aller Lügen die Sprache auf Religion brachte. Sie renommierte mit Atheismus, Feuerbach usw. Ich griff Feuerbach nun an, aber natürlich sehr manierlich und freundlichst. Im Anfang schien mir die Jüdin Spaß an der Diskussion zu haben, und das war natürlich der einzige Grund, warum ich mich auf dieses mir ennuyante Thema einließ. Dazwischen orakelte mein doktrinär-naseweises Echo, Herr Pieper, allerdings gerade nicht sehr taktvoll. Plötzlich sehe ich, daß die Frau in Tränen schwimmt. Blind wirft mir melancholisch vorwurfsvolle Blicke zu, sie bricht auf – und ward nicht mehr gesehen, ni lui non plus.[4] Solch Abenteuer habe ich in meiner langen Praxis noch nicht erlebt.

Pieper ist abgesegelt nach dem Hause Rothschild nach Frankfurt a. M. Er hat sich die sehr unangenehme Manier angewöhnt, wenn ich mit jemandem diskutiere, sich in sehr albern schulmeisterlichem Tone einzumischen.

Der Ehren-Göhringer hat mir eine summons [Zahlungsforderung] auf den 22. dieses Monats geschickt wegen der alten Forderung. Gleichzeitig ist der große Mann nach Southampton gereist, um Kossuth zu empfangen. Es scheint, daß ich die Empfangsfeierlichkeiten zahlen soll.

Ich habe aus Paris zwei Briefe erhalten, einen von Ewerbeck und einen von Sassonoff. Herr Ewerbeck gibt ein unsterbliches Werk heraus: L’Allemagne et les Allemands.[5] Erstreckt sich von Arminius dem Cherusker (so schreibt er mir wörtlich) bis auf das Jahr des Herrn 1850. Er verlangt von mir biographisch-literarhistorische Notizen über die drei Männer: Friedrich Engels, Karl Marx und Bruno Bauer. Die Schmiererei hat schon begonnen mit dem Drucke. Que faire![6] Ich fürchte, wenn man dem Kerl gar nicht antwortet, bringt er den größten Unsinn über uns in die Welt. Schreibe mir, was Du davon denkst.

An Sassonoffs Brief ist jedenfalls das Interessanteste das Datum „Paris“. Wie kommt Sassonoff in diesem diffizilen Augenblick nach Paris? Ich werde ihn um Aufschluß über dies mystère bitten. Er räsoniert seinerseits sehr über Dronke, der ein fainéant [Nichtstuer] sei und sich von einigen Bourgeois „enjôler[7] lasse. Er habe die Hälfte des Manifestes übersetzt. Dronke habe sich zur Übersetzung der anderen Hälfte verpflichtet. Durch seine gewöhnliche Nachlässigkeit und Faulheit sei aus dem Ganzen nichts geworden. Letztere Sache sieht unserem Dronke allerdings ähnlich, wie ein Ei dem anderen. Nachdem Herr Campe meine Anerbietung zu der Broschüre gegen Proudhon, Herr Cotta und später Löwenthal die (durch Ebner in Frankfurt vermittelte) wegen meiner Ökonomie ausgeschlagen, scheint sich endlich für letztere eine Aussicht zu eröffnen. In einer Woche werde ich wissen, ob sie sich realisiert. Es ist ein Buchhändler in Dessau, auch durch Ebner vermittelt. Dieser Ebner ist ein Freund von Freiligrath.

Von der Tribune habe ich noch keinen Brief erhalten, sie auch noch nicht zu Gesicht bekommen, zweifle aber nicht, daß die Sache ihren Fortgang hat. Jedenfalls muß sich das in einigen Tagen aufklären.

Du mußt mir übrigens endlich Deine vues[8] über Proudhon, wenn noch so kurz, mitteilen. Sie interessieren mich um so mehr, als ich jetzt in der Ausarbeitung der Ökonomie begriffen bin. Ich habe übrigens in der letzten Zeit auf der Bibliothek, die ich fortbesuche, hauptsächlich Technologie, die Geschichte derselben, und Agronomie geochst, um wenigstens eine Art Anschauung von dem Zeug zu bekommen.

Qu’est ce que fait la crise commerciale?[9] Der Economist enthält Tröstungen, Beteuerungen und Ansprachen, die den Krisen regelmäßig vorausgehen. Man fühlt indessen seine Furcht, während er den anderen die Furcht auszuschwatzen sucht. Wenn Dir folgendes Buch in die Hände fällt: Johnston, Notes on North America, zwei Bände, 1851, so wirst Du allerlei interessante Notizen darin finden. Dieser Johnston ist nämlich der englische Liebig. Ein Atlas für physische Geographie von „Johnson“, nicht mit dem obigen zu verwechseln, ist vielleicht in einer der Buchbibliotheken Manchesters zu haben. Er enthält die Zusammenstellung sämtlicher neueren und älteren Forschungen in diesem Gebiet. Kostet 10 Guineen. Also nicht für Private berechnet. Von dem dear Harney verlautet nichts. Er scheint noch immer in Schottland zu hausen.

Die Engländer geben zu, daß die Amerikaner den Preis in der Industrieausstellung davongetragen und sie in allem besiegt haben. 1. Gutta-percha. Neuer Stoff und neue Produktionen. 2. Waffen. Revolver. 3. Maschinen. Mäh-, Säe- und Nähmaschinen. 4. Daguerreotyps zum erstenmal im großen angewandt. 5. Schiffahrt mit ihrer Jacht. Endlich, um zu zeigen, daß sie auch Luxusartikel liefern können, haben sie einen kolossalen Klumpen kalifornisches Golderz ausgestellt und daneben ein goldenes Service von Virgingold.

Salut.

Dein K. M.


[1] Druck auf den amerikanischen Geldmarkt.

[2] Welche Dummheit.

[3] Was hältst Du von [Haupt]?

[4] Ebensowenig er.

[5] Deutschland und die Deutschen.

[6] Was tun?

[7] Beschwatzen.

[8] Ansichten.

[9] Was macht die Geschäftskrisis?

119

Mittwoch, 15. Oktober 1851.

Lieber Marx!

Inliegend Post Office Ordre für 2 Pfund. Partikulars wie früher. Die Geschichte mit Göhringer ist sehr fatal, Du wirst zahlen müssen. Die Gentlemen vom Country machen kurzen Prozeß, und die Handschrift ist auch da. Ich würde an Deiner Stelle so rasch wie möglich das Geld nebst Summonskosten auftreiben und dem Kerl zuschicken, il n’y a rien à faire,[1] und in den Gerichtshof zu gehen und sich verdonnern lassen, macht nur noch mehr Kosten und ist nicht zu angenehm. Wieviel beträgt die Summe, und was kannst Du auftreiben? Schreibe mir möglichst genau darüber, ich tue gewiß mein möglichstes, um Dir die brokers [Gerichtsvollzieher] aus dem Hause zu halten, so knapp ich jetzt selbst bin.

Was den Haupt angeht, so werde ich ihn nicht eher für einen Spion halten, als bis ich Beweise davon in der Hand habe. Der Kerl mag im Cachot Bevuen [Fehler] gemacht haben, und verdächtig ist allerdings die Geschichte mit Daniels, der auf seine Denunziation hin verhaftet sein soll. Aber dies Knotengeschwätz aus der Windmillstreet ist um so alberner, als es zu gleicher Zeit mit der Erbrechung des Dietzschen Pultes laut wird.

Die Geschichte mit Blind und Gattin ist allerdings noch nie dagewesen. Tränen zu vergießen und durchzubrennen, weil Monsieur Pieper den Feuerbach schlecht macht? C’est fort.[2]

Gebrauchst Du das Wort „verheiratet“ vom roten Wolff im englischen, solid bürgerlichen Sinne? Ich muß es fast glauben, da Du es unterstreichst. Das wäre doch über alle Bäume erhaben. Mr. Wolff bon époux, peut-être même bon père de famille![3]

Ich glaube, Du tust am besten, den Ewerbeck mit einigen mageren Notizen abzuspeisen und ihn passablen Humors zu halten, es kann zu nichts nützen, daß der Kerl in Frankreich gar zu großen Blödsinn über uns verbreitet. Der Mensch hat übrigens eine Zähigkeit in seinen Experimenten ein großer Mann zu werden, die unbegreiflich ist, da sie sogar seinen Geiz überwindet, denn das neue „Unsterbliche“ geht doch unzweifelhaft wieder auf eigene Kosten, mit Aussicht auf Absatz von 50 Exemplaren.

Von Sassonoff lasse mich weiteres hören, wenn Du von ihm hörst. Dies Abenteuer ist pikant, und Mr. Sassonoff wird äußerst verdächtig.

Ich bin gerade dran, mir aus Proudhon die nötigen Zusammenstellungen zu machen. Warte bis Ende dieser Woche, und Du erhältst ihn mit Glossen zurück. Die Rechnungen des Kerls sind wieder kapital. Wo eine Zahl ist, da ist auch ein Schnitzer.

Wie es hier mit der Krise gehen wird, ist noch nicht zu sagen. Vorige Woche ist nichts gemacht worden wegen der Königin. Diese Woche auch noch nicht viel. Der Markt hat aber eine downward tendency[4] bei noch festen Preisen des Rohmaterials. In einigen Wochen wird beides bedeutend heruntergehen, und wahrscheinlich, nach der jetzigen Aussicht, das Industrieprodukt verhältnismäßig mehr als das Rohmaterial, der Spinner, Weber, Drucker also wird mit geringerem Nutzen arbeiten müssen. Das ist schon sehr verdächtig. Aber der amerikanische Markt droht auszugehen, aus Deutschland sind die Berichte nicht übermäßig günstig, und wenn das so fortgeht mit dem Absterben der Märkte, so können wir den Anfang des Endes in ein paar Wochen erleben. In Amerika ist schwer zu sagen, ob die pressure und die Bankrotte (zusammen 16 Millionen Dollar Passiva) schon wirklicher Anfang sind oder bloße Sturmvögel. Jedenfalls sind hier schon sehr bedeutende Sturmvögel in Gang. Der iron trade[5] ist ganz paralysiert, und zwei der ihn besonders mit Geld versehenden Banken – die in Newport – sind kaputt; außer den neulichen failures[6] in London und Liverpool jetzt ein Talgspekulant in Glasgow, und an der Londoner Stockexchange Herr Thomas Alsopp, Freund von O’Connor und Harney. Ich habe heute die Berichte aus den Woll-, Seiden- und Metallwarendistrikten nicht gesehen, cela ne sera pas trop brillant non plus.[7] Jedenfalls sind die Anzeichen jetzt gar nicht mehr zu verkennen und die Aussicht, ja fast die Gewißheit vorhanden, daß die kontinentalen Krämpfe des nächsten Frühjahrs mit einer ganz hübschen Krise zusammenfallen. Selbst Australien scheint wenig tun zu können, das Goldfinden ist seit Kalifornien alt und die Welt darüber blasiert. Es fängt an, ein regular trade[8] zu werden, und die umliegenden Märkte sind selbst so überführt, daß sie, ohne ihrem eigenen glut[9] besonderen Abbruch zu tun, unter den 150 000 Neusüdwalesern einen extra glut zustande bringen können. –

Dein F. E.

Jones schickt mir ein Zirkular zu, er müsse noch 600 Subskribenten haben oder kaputt gehen, mais quo puis-je faire?[10]


[1] Es ist nichts zu machen.

[2] Das ist stark.

[3] Guter Ehemann, vielleicht sogar guter Familienvater.

[4] Tendenz nach unten.

[5] Eisengeschäft.

[6] Bankrotte, Zahlungseinstellungen.

[7] Das wird auch nicht allzu glänzend sein.

[8] Regelrechtes Gewerbe.

[9] Überfüllung.

[10] Aber was kann ich tun?

120

28 Deanstreet, Soho, 19. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von Dronke, worin dieser – von wegen Ausweisung angeblich – seine Ankunft in London für den 23. oder 24. dieses Monats ankündigt. Die Existenzfrage wird ihm hier näher denn je auf den Leib rücken.

Eine noch fatalere Nachricht ist die: Ich führte seit letzter Zeit die Korrespondenz mit Köln so, daß die Briefe an mich durch den Eisenbahnkonduktor Schmidt nach Lüttich besorgt, ich andererseits, unter einem Kuvert, ihm einen Brief nach Lüttich durch eine dritte Person zuschickte. Dieser Schmidt ist nun verhaftet worden, dann freigegeben, aber die Untersuchung dauert fort. In dieser Sache scheint direkter Verrat im Spiele zu sein. Der Verabredung gemäß müßte Pieper übrigens längst Nachricht aus Köln, wo Rothschilds sich einen Tag aufhielten, und aus Frankfurt geschickt haben. Statt dessen ersehe ich aus einem Briefe Ebners (aus Frankfurt) an Freiligrath, daß er, obgleich schon acht Tage in Frankfurt, noch nicht bei Ebner war, dem er einen Brief von mir zu überbringen hatte. Unser großes Pech ist, daß unsere Agenten höchst nachlässig die Sache immer betreiben, und stets als Nebensache. Die anderen sind unstreitig besser bedient. – –

Was nun den Ewerbeck betrifft, so mußt Du mir wenigstens bis zum Jahre 1845 die Dich betreffenden Notizen in etwelchen Zeilen niederschreiben.

Die plötzliche Schwenkung des Herrn Louis Bonaparte, welche Konsequenzen sie auch haben mag, ist ein Meisterstreich Girardins. Du weißt, daß dieser Herr sich in London mit Ledru-Rollin verbunden hatte, und sein Blatt wurde eine Zeitlang auch wirklich so dumm, wie es von einem Verbündeten Ledru-Rollins und Mazzinis zu erwarten steht. Unerwartet machte er den Zug mit dem suffrage universel,[1] wozu er mittels seiner Artikel, des Dr. Veron und persönlicher entrevues[2] den Bonaparte bestimmt hat. Die royalistische Konspiration ist so gebrochen. Die Wut des sonst so diplomatischen Journal des Débats beweist dies am klarsten. Alles stand unter einer Decke, Faucher, Carlier, Changarnier und selbst die edlen Berryer und Broglie, die scheinbar sich mit Bonaparte ralliiert hatten. Jedenfalls ist jetzt die „Revolution“ – in dem Sinne des Losgehens – eskamotiert. Mit dem suffrage universel ist nicht daran zu denken. Herr Girardin aber liebt die revolutionäre Inszenesetzung nicht. Er hat die Royalisten und die Revolutionäre von Fach gleichmäßig düpiert, und es ist sogar noch die Frage, ob er den Louis Bonaparte nicht auch absichtlich düpiert. Denn der suffrage universel wieder eingesetzt, wer bürgt dem Bonaparte für die Revision, und die Revision erreicht, wer bürgt ihm dafür, daß sie in seinem Sinne ausfallen wird? Dennoch, bei der naturwüchsigen Dummheit der französischen Bauern fragt es sich, ob der Élu du suffrage universel[3] als Restaurateur dieses suffrage nicht wieder gewählt wird aus Dankbarkeit, namentlich wenn er by and by[4] liberale Minister ernennt und durch geschickte Pamphlets alles Unheil auf die konspirierenden Royalisten schiebt, die ihn gefangen gehalten während drei Jahren. Es wird von seiner Geschicklichkeit abhängen. Bonaparte weiß jetzt jedenfalls, daß ihm von der parti de l’ordre kein Weizen blüht.

Eines der komischsten Intermezzos in diesem Intrigenspiel ist die melancholische Gebarung des National und des Siècle, die beide bekanntlich seit geraumer Zeit für den suffrage universel geheult haben. Jetzt, wo Frankreich in Gefahr steht, es wieder geschenkt zu erhalten, vermögen sie ihr Ressentiment [Verdruß] nicht zu verbergen. Wie nämlich die Royalisten mit dem suffrage restreint[5] auf Changarniers, hatten sie mit demselben auf Cavaignacs Wahl gerechnet. Girardin sagt ihnen geradezu, er wisse, daß sie unter dem republikanischen Abscheu vor der Revision – die dem Bonaparte Aussicht auf Wiederwahl eröffne – nur ihren Haß gegen das suffrage universel verbergen, das ihren Cavaignac und ihre ganze Koterie unmöglich mache. Der arme National s’était déjà consolé du départ du suffrage universel.[6]

Soviel ist sicher. Mit diesem Coup ist die Emeute für den Mai 1852 vereitelt. Höchstens könnte sie jetzt früher ausbrechen, wenn eine von den herrschenden Koterien einen coup d’état[7] versuchte.

Dein K. M.


[1] Allgemeines Stimmrecht.

[2] Zusammenkünfte.

[3] Erwählte des allgemeinen Stimmrechts.

[4] Nach und nach.

[5] Beschränktes [Zensus-]Stimmrecht.

[6] Hatte sich bereits über den Hingang des allgemeinen Stimmrechts getröstet.

[7] Staatsstreich.

121

25. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Du hast doch meinen Brief vom vorigen Montag erhalten? Bei Deiner großen Exaktheit im Schreiben beunruhigt mich Dein Stillschweigen.

Von Pieper habe ich bis auf diesen Moment noch nichts gehört. Wenn ihm nichts passiert ist, ist er unverzeihlich leichtsinnig. Dronke ist noch nicht angekommen. Von Köln nichts gehört.

Einliegend ein Brief von Fischer, der als rechter demokratischer Philister schreibt. Einstweilen, il faut le laisser faire,[1] da nichts mehr zu ändern ist. Wenn er nur keine Dummheiten dem Kinkel gegenüber begeht. Sein Brief scheint darauf hinzudeuten.

Also, wie wir jetzt erfahren, Kinkel hatte es folgendermaßen angelegt. Von den 160 Pfund wurde Schurz auf geheime Mission geschickt nach Belgien, Frankreich und der Schweiz. Er hat dort sämtliche großen Männer, bis auf die Reichsversammler (den late[2] Raveaux nicht ausgenommen), den Kinkel bevollmächtigen und sie zugleich die auf die künftige deutsche Republik zu kontrahierende Schuld garantieren lassen. Die große Masse ist jetzt also vereinigt, und E. Meyen konnte in der New Yorker Staatszeitung das große Geheimnis promulgieren, daß jetzt der Sinn der künftigen Bewegung in Deutschland aufgefunden sei, nämlich das Prinzip des Volkstums. So dumm, wie dieser Mensch jetzt schreibt, schrieb er selbst in seinen blühendsten Zeiten nicht. Die Kerls sind geistig völlig bankrott. Addio!

Dein K. M.


[1] Muß man ihn gewähren lassen.

[2] Verflossen, weiland.

122

Nach dem 26. Oktober 1851.

Lieber Marx!

Wenn ich Dir nicht gleich auf Deinen Brief vom 19. antwortete, so geschah es, weil ich Weerth in einigen Tagen hier erwartete und wegen Haupt die Sachen abmachen wollte; und weil ich den Proudhon ebenfalls abschließen wollte. Letzteres wird heute und morgen abend geschehen, und Weerth war Samstag und Sonntag hier, er wird noch einige Zeit in Bradford bleiben, kann also selbst keinen Brief hinnehmen und weigerte sich auch eventuell es zu tun, da die Verhältnisse in Deutschland jetzt so brillant seien, daß man ohne weiteres bei der geringsten Veranlassung abgefaßt werde und er keine Lust hat, in diese Bundesgeschichte irgendwie verwickelt zu werden. Dies ist ihm au fond[1] nicht übelzunehmen. Er will mir indes einen Brief sicher an H[aupt] besorgen und verlangt nur, daß er ganz aus der Sache herausgelassen werde. Außerdem erzählte er, daß er dem H[aupt] in der letzten Zeit mehrmals begegnet und auf ihn zugegangen sei, daß dieser ihm aber jedesmal mit großer Verlegenheit plötzlich ausgewichen und durchgebrannt sei. Möglich wäre es, daß H[aupt] von seiner Familie usw. im Cachot etwas breitgeschlagen wäre und einige Geständnisse gemacht hätte, die ihm jetzt schwer auf dem Herzen liegen. Sonst meint Weerth auch, daß diese anderen Willich-Stechanschen Geschichten reine Verleumdungen seien, da H[aupt] gar keinen Grund haben könne, sich zu verkaufen.

Der Fischersche Brief ist allerdings das Dümmste, was mir seit langer Zeit vorgekommen ist. Ich erwartete aber so etwas und glaube auch, daß es bei seinen Geldversprechungen sein Bewenden haben wird. Es ist von demokratischen Eseln nicht zu verlangen, daß sie uns Geld schicken sollen, wenn ihre eigenen Leute persönlich bei ihnen betteln, und das Höchste, wozu sie zu kriegen sind, ist, wie Fischer selbst sagt, daß sie uns eine Stimme in der Verwendung der Gelder geben wollen, wenn wir uns dazu verstehen wollen, mit dergleichen Pack in einem Konklave zu sitzen und noch dazu in einer Minorität. Der Pumpplan à la Mazzini mit Reichsgarantie (das Deutsche Reich garantiert die Republik!) ist gar so übel nicht und hat jedenfalls die Gesamttätigkeit sämtlicher Musterbettler zu seiner Erzeugung nötig gehabt. Seitdem diese Erfindung zustande gebracht, wird unserer Partei nichts übrig bleiben, als sich vom demokratischen Geldmarkt völlig zurückzuziehen. This impudence beats us hollow.[2] Die Gelder, die wir überhaupt von den Demokraten für politische Zwecke erhalten haben, sind uns ohnehin bloß per abusum[3] zugekommen, und seit die großen Männer selbst als joint stock company[4] am Markt erschienen sind, hört diese Illusion vollständig auf. Alle unsere Aufforderungen würden uns bloß refus[5] und Blamagen zuziehen, es sei denn, daß es Weydemeyer gelingt, in New York etwas auszurichten, und auch das würde bloß unter den Arbeitern sein.

Weerth wird Dir dieser Tage schreiben. Er ist sehr unschlüssig, was er anfangen soll. Er hat famose Offerten, aber sie konvenieren ihm alle nicht recht.

Herr Kossuth ist wie der Apostel Paulus, alles für alle. In Marseille schreit er Vive la République, in Southampton God save the Queen. Welche merkwürdige, hyperkonstitutionelle Moderation paradiert der Kerl jetzt. Es ist aber den Herren Pettie und der Clique Harney recht, daß er ihr Bankett gar nicht besuchen will. Selbst Herr Mazzini würde sehr kühl empfangen werden – wenigstens von dem Publikum. Wieder einer, in dem man sich nicht getäuscht hat. Wie lange wird es übrigens dauern, wenn es nächstes Jahr keine secousses[6] geben sollte, so sinkt Herr Kossuth auch auf die Mazzinische ordinäre Brülldemagogie herab.

Morgen oder übermorgen den Proudhon. Ich werde Fischer womöglich die Revue schicken, habe aber nur vom letzten Heft mehrere Exemplare. Kannst Du mir Nr. 1 bis 4 noch verschaffen?

Dein F. E.


[1] Im Grunde.

[2] Diese Unverschämtheit schlägt uns aus dem Felde.

[3] Mißbräuchlicherweise.

[4] Aktiengesellschaft.

[5] Zurückweisungen.

[6] Erschütterungen.

123

26. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Weerth wird morgen früh, also gleichzeitig mit diesem Wisch, unter der Adresse Steinthal einen Brief von mir vorfinden, darin ein anderer an Schneider II liegt, den Ihr sofort besorgen müßt. Die Sache ist von der äußersten Wichtigkeit und keinen Augenblick aufzuschieben. Ich ersuche Euch daher, nicht an Euer gewöhnliches Tagewerk zu gehen, bis Ihr die Sache gelesen und expediert habt.

Dein K. M.

124

24. November 1851.

Lieber Frederic!

Du begreifst, daß ich bei sehr brouilliertem [mißlichem] Familienwesen erst jetzt einige Zeilen an Dich richte.

Du erinnerst Dich, daß der Pieper in seinem letzten Briefe schrieb, der Kontrakt über meinen Anti-Proudhon sei dem Abschluß nahe. Aus seinem einliegenden Briefe wirst Du ersehen, daß dieses Manuskript gar nicht mehr erwähnt wird. Das ist dieselbe Weise, worin unsere lieben Getreuen mich seit sechs Monaten hinhalten. Andererseits hat Ebner mir geschrieben, Löwenthal wolle den Versuch mit einem Bande machen, erwähnte aber nicht, daß ich mit der „Geschichte der Ökonomie“ anfangen solle. Dies wäre ein Umwerfen meines ganzen Planes. Ferner schrieb Ebner, daß Löwenthal nur „niedrig“ zahlen könne. Dies lasse ich mir gefallen, wenn er das herausgibt, was ich zunächst herausgeben will. Zwingt er mich aber, meinen ganzen Plan zu verderben, so muß er mir auch so zahlen, als wenn ich direkt in seinem Auftrag schriebe. Indes, ich lasse einstweilen den Ebner gewähren. Er hat mir mitgeteilt, daß er nicht abschließen wird ohne meine Genehmigung. Qu’en penses-tu?[1] – –

Eccarius’ Bruder ist hier angekommen. Er und sämtliche übrige in Hamburg inhaftierte Straubinger sind mit einem Laufpaß freigegeben worden. Daß Haupt ursprünglich nicht die Absicht hatte, zu verraten, geht aus folgendem hervor: Bürgers Brief an ihn fiel in die Hände seines Alten, der ihn darüber zur Rede stellte und ihn der Polizei ausliefern wollte. Letzteres verhinderte er, zerriß ihn und brachte nachher die Stücke Eccarius usw., um sie erst zusammenzusetzen und zu lesen und dann in deren Gegenwart zu verbrennen. Dieses Faktum ist wichtig. Der Familiendruck hat den unglücklichen Kerl ruiniert.

Vor einigen Tagen las ich in der Bibliothek Herrn Proudhons Elukubrationen über die gratuité du crédit[2] gegen Bastiat. Dies übertrifft an Charlatanerie, Poltronnerie, Tapagerie und Schwäche alles, was der Mann geleistet hat. Exempli gratia:[3] Die Franzosen glauben, im Durchschnitt 5 bis 6 Prozent Zinsen zu zahlen. Sie zahlen 100 Prozent. Comment donc?[4] Nämlich so. Die Zinsen auf die hypothekar- und chirographische Staats- usw. Schuld beträgt 1600 Millionen. Nun existiert aber in Frankreich nur eine Milliarde Kapital in Gold und Silber. Also q. e. d.[5] Anderes Beispiel: Als die Banque de France errichtet wurde, betrug ihr Kapital 90 Millionen. Damals, auf diese Summe, gestattete ihr das Gesetz, 5 Prozent zu nehmen. Sie operiert jetzt (Depositen usw. eingerechnet) auf ein Kapital von 450 bis 460 Millionen, wovon drei Viertel nicht ihr, sondern dem public gehören. Wenn also die Bank (90 zu 450 = 1 : 5) statt 5 nur 1 Prozent nimmt, so erhält sie den legitimen Profit. Und weil die Banque de France im Notfall (2) mit 1 Prozent sich begnügen könnte (das heißt die Aktionäre), darum kann der Zinsfuß für Frankreich auf 1 Prozent herabgesetzt werden. Und 1 Prozent c’est la presque gratuité du crédit.[6]

Dabei solltest Du sehen, wie der Kerl dem Bastiat gegenüber mit der dialectique hégelienne[7] renommiert.

Ich habe hier Deine Kritik noch einmal durchgelesen. Es ist schade, qu’il n’y a pas moyen,[8] sie drucken zu lassen. Wenn ich noch meinen Senf hinzugetan, könnte sie sonst unter unserem Doppelnamen erscheinen, vorausgesetzt, daß dies Deiner Handelsfirma kein Ärgernis gäbe.

Kossuth reiste, wie Du weißt, am 20. ab, aber, was Du noch nicht weißt, begleitet von Lola Montez und caballero[9] Göhringer.

Dein K. M.


[1] Was denkst Du darüber?

[2] Unentgeltlichkeit des Kredits.

[3] Zum Beispiel.

[4] Wie also?

[5] Quod erat demonstrandum – was zu beweisen war.

[6] Das ist beinahe die Unentgeltlichkeit des Kredits.

[7] Hegelschen Dialektik.

[8] Daß es kein Mittel gibt.

[9] Ritter, Kavalier.

125

27. November 1851.

Lieber Marx!

Meine paar Zeilen von vorgestern wirst Du erhalten haben. Wenn Weerth das Nötige nicht gleich auftreiben kann, so will ich sehen, daß ich übermorgen oder spätestens Montag die Sache ins reine bringe. Im Notfall wirst Du jedenfalls die Geschichte bis Dienstag hinhalten können.

Inliegend den Brief von Meister Pieper zurück. Der Heine scheint ihm sehr gelegen zu kommen, um die anstandsgemäßen vier Seiten voll zu machen. Ich hoffe, Du wirst ihm wegen des Proudhon einen zur Tatkraft anspornenden Brief geschrieben haben, denn wenn er erst wieder hier ist, so hörst und siehst Du vom Manuskript für die erste Zeit kein Wort mehr. Wegen Löwenthal widersprechen sich Pieper und Ebner sehr, jedenfalls ist aber dem letzteren mehr zu trauen. Ich glaube, was das Anfangen mit der Geschichte der Ökonomie betrifft, wovon Pieper spricht, daß wenn Löwenthal dies wirklich vor hat, Ebner ihm am besten Schwierigkeit macht; es ginge nicht, Deinen ganzen Plan umzuwerfen, Du habest schon angefangen, die Kritik auszuarbeiten usw. Sollte es aber nicht anders gehen, so müßte Löwenthal eben sich für zwei Bände verpflichten, und Du würdest diesen Raum auch nötig haben, teils wegen des zu antizipierenden Kritischen, teils um die Geschichte bei dem am Ende doch keinenfalls für Londoner Kostenpreise berechneten Honorar für Dich einigermaßen rentabel zu machen. Dann kämen als dritter Band die Sozialisten und als vierter die Kritik – ce qu’il en resterait[1] – und das vielberühmte „Positive“, das, was Du „eigentlich“ willst. Die Sache hat in dieser Form ihre Schwierigkeiten, aber sie hat den Vorzug, daß man das vielverlangte Geheimnis erst ganz am Schlusse sagt, und erst nachdem die Neugier des Bürgers durch drei Bände hindurch in Atem gehalten wird, ihm enthüllt, daß man keine Morrisonpillen fabriziert. Für Leute von einigem Verstand werden die Andeutungen der ersten Bände, der Anti-Proudhon, das Manifest genügen, um sie auf die richtige Fährte zu leiten; der Kauf- und Lesemob wird sich für die Geschichte usw. nicht mehr interessieren, wenn er das große Mysterium schon im ersten Bande enthüllt bekommen hat; er hat, wie Hegel in der Phänomenologie sagt, „Die Vorrede“ gelesen, und da steht ja das Allgemeine drin.

Du tust gewiß am besten, mit Anstand, aber bei irgend akzeptablen Bedingungen jedenfalls mit Löwenthal abzuschließen und das Eisen zu schmieden, weil es warm ist.

Die Hauptsache ist, daß Du erst wieder mit einem dicken Buche vor dem Publikum debütierst, und am besten mit dem unverfänglichsten, der Historie. Die mittelmäßigen und lausigen Literaten Deutschlands wissen sehr gut, daß sie ruiniert wären, wenn sie nicht zwei- bis dreimal des Jahres mit irgend einem Schund vor dem Publikum erschienen. Ihre Zähigkeit hilft ihnen durch; obwohl ihre Bücher wenig oder nur mittelmäßig ziehen, glauben schließlich doch die Buchhändler, sie müßten große Männer sein, weil sie in jedem Meßkatalog ein paarmal vorkommen. Dann ist es auch platterdings nötig, daß der Bann gebrochen wird, der durch Deine lange Abwesenheit vom deutschen Büchermarkt und durch die spätere Angstmichelei der Buchhändler entstanden ist. Ist einmal erst ein oder zwei Bände lehrreicher, gelehrter, gründlicher und zugleich interessanter Sachen von Dir erschienen, alors c’est tout autre chose,[2] und Du pfeifst den Buchhändlern was, wenn sie niedrig bieten.

Es kommt noch das dazu, daß Du diese Geschichte nur in London machen kannst, während Du Sozialisten und Kritik überall machen kannst. Es wäre also gut, wenn Du die Gelegenheit jetzt noch benutztest, ehe die Crapauds irgend einen Blödsinn machen und uns wieder auf das theatrum mundi[3] versetzen.

Die New Yorker Schnellpost kommt morgen. – –

Je mehr ich mir die Sache überlege, desto praktischer erscheint mir das Anfangen mit dem Historischen. Sois donc un peu commerçant, cette fois![4]

Was meine Proudhon-Glossen angeht, so sind sie zu unbedeutend, als daß damit viel anzufangen wäre. Es würde wieder gehen wie bei der Kritischen Kritik, wo ich auch ein paar Bogen schrieb, weil auf eine Broschüre gerechnet wurde, und Du ein gründliches Buch von zwanzig Bogen daraus machtest, worin meine Wenigkeit sich sehr komisch ausnahm. Du würdest doch wieder so viel dazu tun, daß mein Anteil, ohnehin nicht der Rede wert, ganz vor Deiner schweren Artillerie verschwände. Sonst hätte ich nichts dagegen, als daß Deine Historie mit Löwenthal viel wichtiger und dringender ist.

Dein F. E.


[1] Soviel davon übrig bleibt.

[2] Dann ist’s eine ganz andere Sache.

[3] Weltbühne.

[4] Sei doch diesmal ein wenig Geschäftsmann.

126

28 Deanstreet, Soho, 1. Dezember 1851.

Lieber Engels!

Ich lege Dir hier ein: 1. Auszug des Briefes von Cluß (aus Washington) an Wolff; 2. Brief von Pieper aus Brüssel.

Ad Nr. 1 hat Lupus vergessen, zwei Data noch auszuziehen, die Dir nicht uninteressant sein werden. Erstens: Der Artikel „Revolution und Konterrevolution in Deutschland“ ist deutsch in der New Yorker Abendzeitung erschienen, in verschiedene Blätter übergegangen und hat Furore gemacht. Cluß schreibt nicht, ob dies Übersetzung aus der Tribune ist oder nicht. Ich habe deswegen direkt an Dana geschrieben. Zweitens: Herr Wiß, das Hauptinstrument Kinkels, hat öffentlich erklärt, daß er „ökonomisch“ unsere Ansichten teile. Du siehst, wie sie operieren.

Was Herrn Tupman [Pieper] betrifft, so erwähnt er weder unseren Brief aus Manchester, noch einen späteren Brief, den ich ihm von hier aus durch meine Frau schreiben ließ.

Was aber nun die Kölner betrifft, so ist es System der gemeinen Emigrationsschweine, die ihre Rüssel in der ganzen Preßkloake haben, gegen diese Sache la conspiration du silence[1] zu beobachten, um nur ja ihrer eigenen Wichtigkeit keinen Abbruch zu tun. Dem muß jetzt entgegengewirkt werden. Ich habe Briefe heute nach Paris geschickt gegen die preußische Justiz, um die Sache in die dortige Presse zu bringen. Lupus hat die Artikel für Amerika und Schweiz übernommen. Maintenant[2] mußt Du mir eine englische Geschichte schmieden, nebst einem Privatbrief an den Editor[3] der Times, wohin die Sache versuchsweise geschickt werden muß. Wenn die Times, die jetzt ihre Popularität wieder aufzufrischen sucht und sich sicher geschmeichelt findet, wenn sie als einzig einflußreiches Journal auf dem Kontinent behandelt wird, die ohnehin preußenfeindlich ist, wenn die Times sich der Sache annähme, könnte man nach Deutschland hin wirken. Hervorzuheben wäre die Lage des Justizwesens überhaupt in Preußen.

Gelingt dieser Versuch nicht, der auf keinen Fall schadet, so schreibst Du von Manchester direkt an den Sun. Erhält er die Sache vor der Times, so würde diese sie auf keinen Fall mehr annehmen. –

E. Jones hat Kossuth – mit Benutzung meines Briefes – sans miséricorde[4] angegriffen. „I tell him, that the revolutions of Europe mean the crusade of labour against capital, and I tell him they are not to be cut down to the intellectual and social standard of an obscure semibarbarous people, like the Magyars, still standing in the halfcivilisation of the 16th century, who actually presume to dictate to the great enlightenment of Germany and France, and to gain a false won cheer from the gullibility of England.[5]

Apropos. Ich hätte bald ein Wichtiges in der Chronique scandaleuse vergessen. Stechan, Hirsch, Gümpel usw., kurz, die aus Deutschland gekommenen Arbeiter haben sich bei mir ansagen lassen. Ich werde sie heute empfangen. Sie haben sich schon bedeutend mit Schapper und Willich überworfen. Stechan hat offen den Dietz als Spion denunziert vor dem Arbeiterverein, und obgleich einige Stimmen schrien, er sei Agent von Marx, dennoch die Niedersetzung einer Kommission bewirkt, worin aber die Freunde und Protektoren des Dietz-Schapper und Willich die Hauptrolle spielen. Durch diese Leute werde ich jedenfalls neue Krisen in der elenden ... Herberge hervorrufen.

Gleichzeitig zeige ich Dir den Empfang der drei Pfund an.

Salut.

Dein K. M.


[1] Die Verschwörung des Totschweigens.

[2] Jetzt.

[3] Schriftleiter.

[4] Erbarmungslos.

[5] „Ich erkläre ihm, daß die europäischen Revolutionen den Kreuzzug der Arbeit gegen das Kapital bedeuten, und ich erkläre ihm, daß sie nicht auf das geistige und soziale Niveau eines obskuren, halbbarbarischen Volkes, wie die Magyaren, heruntergedrückt werden können, die noch in der Halbzivilisation des sechzehnten Jahrhunderts stecken und sich tatsächlich einbilden, [sie könnten] die große Erleuchtung Deutschlands und Frankreichs kommandieren und der Leichtgläubigkeit Englands ein erschwindeltes Hoch ablocken.“

127

3. Dezember 1851.

[Engels an Marx, ohne Überschrift.]

Représentants de la France, délibérez en paix![1] Und wo sollten die Herren ruhiger deliberieren können als in der Kaserne d’Orsay, gehütet von einem Bataillon chasseurs de Vincennes![2]

Die Geschichte Frankreichs ist in das Stadium der vollendetsten Komik eingetreten. Kann man sich etwas Heitereres denken als diese mitten im Frieden mit malkontenten Soldaten vom unbedeutendsten Menschen der ganzen Welt ohne allen Widerstand, soweit man bis jetzt urteilen kann, durchgeführte Travestie des 18. Brumaire. Und wie schön alle die alten Esel abgefangen sind! Der schlauste Fuchs von ganz Frankreich, der alte Thiers, der geriebenste Advokat des Barreaus, Herr Dupin, gefangen in der Falle, die ihnen der notorischste Ochs des Jahrhunderts gestellt hat, gefangen ebenso leicht wie die stiere republikanische Tugend des Herrn Cavaignac und wie der Maulheld Changarnier! Und um das Tableau zu vollenden, ein Rumpfparlament mit Odilon Barrot als „Löwe von Kalbe“, und dieser selbe Odilon verlangt, angesichts solchen Verfassungsbruchs verhaftet zu werden, und kann es nicht dahin bringen, daß man ihn nach Vincennes schleppt! Die ganze Sache ist expreß für den roten Wolff erfunden worden; der allein kann von jetzt an die Geschichte von Frankreich schreiben. Ist jemals in der Welt ein Coup mit alberneren Proklamationen gemacht worden als dieser? Und der lächerliche napoleonische Apparat, der Jahrestag der Krönung und von Austerlitz, die Provokation auf die konsularische Verfassung usw. – daß so etwas auch nur für einen Tag gelingen konnte, degradiert die Herren Franzosen doch wahrhaftig auf ein Niveau der Kinderei, das ohnegleichen ist.

Wunderschön ist das Abfassen der großen Ordnungsmäuler, des kleinen Thiers ganz vorzüglich, und des tapferen Changarnier. Wunderschön ist die Rumpfparlamentssitzung im 10. Arrondissement mit Herrn Berryer, der zum Fenster hinausschreit: Vive la République, bis endlich das ganze Lot [Pack, Haufen] abgefaßt und zwischen Soldaten in einen Kasernenhof gesperrt wird. Und dann der dumme Napoleon, der sofort aufpackt, um in die Tuilerien zu ziehen. Hätte man sich ein ganzes Jahr lang geplagt, man hätte keine schönere Komödie erfinden können.

Und am Abend, als der dumme Napoleon sich endlich in das langersehnte Bett in den Tuilerien geworfen hatte, da muß der Schafskopf erst recht nicht gewußt haben, woran er ist. Le consulat sans le premier consul![3] Keine Schwierigkeiten im Innern größer als überhaupt seit drei Jahren, keine außergewöhnliche Finanzklemme, selbst nicht einmal in seinem eigenen Beutel, keine Koalition an den Grenzen, kein Sankt Bernhard zu passieren, kein Marengo zu gewinnen! Es ist wirklich zum Verzweifeln. Und nun nicht einmal eine Nationalversammlung mehr, die die großen Pläne des Verkannten vereitelt; nein, für heute wenigstens ist der Esel so frei, so ungebunden, so absolut wie der Alte am Abend des 18. Brumaire, so vollständig ungeniert, daß er gar nicht umhin kann, den Esel nach allen Richtungen hin herauszukehren. Schreckliche Perspektive der Gegensatzlosigkeit!

Mais le peuple, le peuple! – Le peuple se fiche pas mal de toute cette boutique,[4] freut sich seines oktroyierten Stimmrechtes wie ein Kind und wird es wahrscheinlich auch gebrauchen wie ein Kind. Was kann aus diesen lächerlichen Wahlen von Sonntag über acht Tage hervorgehen, wenn es überhaupt dazu kommt! Keine Presse, keine Meetings, Belagerungszustand die Hülle und Fülle und dazu Befehl, binnen vierzehn Tagen einen Deputierten zu stellen.

Was soll aber aus dem ganzen Kram werden? „Stellen wir uns auf den welthistorischen Standpunkt“, so bietet sich uns ein famoses Thema zur Deklamation dar. So zum Beispiel – es muß sich zeigen, ob das Prätorianerregiment der römischen Kaiserzeit, das einen durchaus militärisch organisierten, ausgedehnten Staat, ein entvölkertes Italien und die Abwesenheit eines modernen Proletariats zur Voraussetzung hatte, möglich ist in einem geographisch konzentrierten, dicht bevölkerten Land wie Frankreich, das ein zahlreiches industrielles Proletariat hat. Oder: Louis Napoleon hat keine eigene Partei; er hat die Orleanisten und Legitimisten mit Füßen getreten, er muß jetzt eine Wendung nach links machen. Eine Wendung nach links impliziert eine Amnestie, eine Amnestie impliziert eine Kollision usw. Oder aber: Das allgemeine Stimmrecht ist die Grundlage der Macht von Louis Napoleon, er kann es nicht angreifen, und das allgemeine Stimmrecht ist jetzt mit einem Louis Napoleon unverträglich. Und andere dergleichen spekulative Themata, die sich famos ausspinnen ließen. Nach dem aber, was wir gestern gesehen haben, ist auf den peuple gar nichts zu geben, und es scheint wirklich, als ob der alte Hegel in seinem Grabe die Geschichte als Weltgeist leitete und mit der größten Gewissenhaftigkeit alles sich zweimal abspinnen ließe, einmal als große Tragödie und das zweite Mal als lausige Farce, Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, Barthélemy für Saint-Just, Flocon für Carnot, und das Mondkalb mit dem ersten besten Dutzend schuldenbeladener Leutnants für den kleinen Korporal und seine Tafelrunde von Marschällen. Beim 18. Brumaire also wären wir schon angekommen.

Kindisch dumm hat sich das Pariser Volk benommen. Cela ne nous regarde pas; que le président et l’assemblée s’entre-tuent, peu nous importe![5] Aber daß die Armee sich anmaßt, Frankreich eine Regierung, und noch dazu welche, zu oktroyieren, das geht es doch wohl an, und der Mob wird sich wundern, was das für ein allgemeines, „freies“ Stimmrecht ist, das sie nun „seit 1804 zum erstenmal“ ausüben sollen!

Wie weit der offenbar über die Menschheit sehr verdrießliche Weltgeist diese Farce noch fortführen wird, ob wir binnen einem Jahre Konsulat, Empire, Restauration usw. vorüberspazieren sehen werden, ob die napoleonische Dynastie auch erst in den Straßen von Paris geklopft werden muß, ehe sie in Frankreich unmöglich wird, das soll der Teufel wissen. Mir kommt es aber vor, als ob das Ding eine merkwürdig verrückte Wendung nähme, und als ob die Crapauds einer wunderlichen Erniedrigung entgegengingen.

Gesetzt auch, der Louis Napoleon konsolidiere sich momentan, so kann doch solch dummes Zeug nicht dauern, selbst bei der tiefsten möglichen Versunkenheit der Franzosen. Aber was dann? Es sieht verflucht wenig rot aus, das ist ziemlich klar, und wenn Herr Louis Blanc und Ledru-Rollin gestern mittag ihre Bagage packten, so mögen sie heute nur wieder auspacken. La voix tonnante du peuple ne les rappelle pas encore.[6]

Hier und in Liverpool hat die Geschichte den Commerce plötzlich gestoppt, aber in Liverpool sind sie heute schon frisch wieder am Spekulieren. Und die französischen Fonds sind nur 2 Prozent gefallen.

Unter diesen Umständen wird mit den Versuchen, für die Kölner in der englischen Presse aufzutreten, natürlich gewartet werden müssen.

Wegen der Artikel für die Tribune, die offenbar darin erschienen sind, schreibe englisch an den Editor der Tribune. Dana ist vielleicht abwesend, und ein business letter[7] wird gewiß beantwortet. Tell him that he must distinctly state per next returning steamer what has become of these papers, and in case they have been made use of, he is requested to send by the same opportunity copies of the Tribune containing them, as no copy has been kept here and without having the articles already sent, again before our eyes, we cannot, after such a lapse of time, undertake to go on with the following number of the series.[8]

Der Effekt der französischen Nachrichten auf den europäischen Emigrationsmob muß heiter gewesen sein. Ich möchte das angesehen haben.

En attendant tes nouvelles[9]

Dein F. E.


[1] Vertreter Frankreichs, beratet in Ruhe.

[2] Schützen von Vincennes.

[3] Das Konsulat ohne den ersten Konsul.

[4] Aber das Volk, das Volk! – Das Volk stellt sich zu diesem ganzen Kram sehr gleichgültig.

[5] Das geht uns nichts an; ob der Präsident und die [National-]Versammlung einander umbringen, kümmert uns wenig.

[6] Die donnernde Stimme des Volkes ruft sie noch nicht zurück.

[7] Geschäftsbrief.

[8] Erkläre ihm, daß er mit dem nächsten zurückkehrenden Dampfboot genau angeben muß, was aus diesen Manuskripten geworden ist, und daß er, falls sie Verwendung gefunden haben, ersucht wird, mit derselben Gelegenheit die Nummern der Tribune, die sie enthalten, Dir zu übersenden, da hier keine Abschrift zurückbehalten wurde und wir, ohne die schon gesandten Artikel wieder vor uns, es nach so langer Zwischenzeit nicht unternehmen können, mit den weiteren Nummern der Serie fortzufahren.

[9] Deinen Nachrichten entgegensehend.

128

28 Deanstreet, Soho, 9. Dezember 1851.

Dear Frederic!

Ich habe Dich auf Antwort warten lassen, quite bewildered[1] von diesen tragikomischen Ereignissen in Paris. Ich konnte nicht wie Willich sagen: Sonderbar, man hat uns keinen Avis von Paris gegeben! Auch nicht, wie Schapper, mit dem Bierpott mich in Permanenz bei Schärttner erklären. Zur Rettung des Vaterlandes schlief Schapper mit einigen Trabanten, unter dem Vorgeben zu wachen, zwei Nächte bei Schärttner. Diese Herren, wie Löwe von Kalbe und Komp., hatten ihre malles[2] gepackt, aber da die Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist, beschlossen sie erst hinüberzustiefeln, sobald die Sache sich „entschieden“ habe.

Hast Du Louis Blancs Miserere gelesen? Den anderen Tag protestierte Bernard le Clubiste dagegen, dies Lamento mitunterzeichnet zu haben.

Einliegend erhältst Du einen Brief von Reinhardt aus Paris.

Pieper ist wieder hier, sehr von sich selbst entzückt. Er tritt von Rothschild aus, fährt aber fort, dort im Hause deutsche Stunde zu geben.

Maintenant, was soll ich Dir über die Situation schreiben? So viel ist klar, das Proletariat hat seine Kräfte geschont. Bonaparte hat einstweilen gesiegt, weil er während der Nacht das öffentliche Stimmrecht in geheimes verwandelte. Mit der, trotz aller posthumen Erklärungen von d’Argout, der Bank entwendeten Million Pfund Sterling hat er die Armee gekauft. Wird ihm der Coup noch einmal gelingen, wenn die Wahl gegen ihn ausfällt? Wird die Majorität überhaupt wählen? Die Orleans sind nach Frankreich abgereist. Es ist schwer, ja unmöglich, ein Prognostikon zu stellen in einem Drama, dessen Heros Crapulinski ist. Jedenfalls scheint mir die Situation eher verbessert als verschlechtert durch den coup d’état.[3] Mit Bonaparte ist leichter fertig zu werden, als es mit der Nationalversammlung und ihren Generälen möglich gewesen wäre. Und die Diktatur der Nationalversammlung stand vor der Tür.

Kostbar ist die Enttäuschung von Techow und Komp., die ohne weiteres in der französischen Armee les apôtres de la trinité démocratique, de la liberté, de l’égalité, de la fraternité sahen. Les pauvres hommes![4] Und die Herren Mazzini und Ledru-Rollin können sich nun auch ruhig schlafen legen. Die Katastrophe war der downfall[5] der Emigration. Es hat sich gezeigt, daß sie pour rien[6] in der Revolution ist. Die Herren hatten nämlich beschlossen, die Weltgeschichte zu suspendieren bis nach Kossuths Rückkehr. Apropos. Die Pennysubskription für letzteren hat exakt in London 100 d., sage Pence, abgeworfen.

Salut!

Dein K. M.

Apropos. Habe ich Dir nicht einen französisch geschriebenen Brief Piepers an mich zugeschickt? Ist dies der Fall, so schicke ihn mir umgehend zurück.


[1] Ganz benommen.

[2] Koffer.

[3] Staatsstreich.

[4] Die Apostel der demokratischen Dreieinigkeit, der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ..., die armen Teufel!

[5] Sturz.

[6] Ohne Bedeutung.

129

Manchester, 10. Dezember 1851.

Lieber Marx!

Was machen die großen Männer in dieser eventful crisis?[1] Man sagt, Louis Blanc sei in Frankreich arretiert, das wird leider aber nicht wahr sein, nous connaissons notre petit bonhomme.[2] Übrigens seit aus der Pariser Insurrektion nichts geworden ist, bin ich froh, daß der erste Sturm vorüber ist. Tout blasé qu’on est,[3] wird man bei solchen Gelegenheiten doch immer einigermaßen vom alten politischen Fieber gepackt und ist doch immer einigermaßen selbst beim Ausgang einer solchen Geschichte interessiert. Jetzt kann ich wenigstens wieder Menschenrassen studieren, mit deren Untersuchung ich mich beim Ausbruch dieses großen Coups beschäftigte.

Trotz alledem will übrigens weder hier noch in Liverpool die Confiance wiederkehren, und bloß P. Ermen ist ebenso übermütig und napoleonsgläubig, wie er vor vier Tagen dejected und chapfallen[4] war. Die hiesigen Bourgeois sind im ganzen doch zu gescheit, um an eine mehr als ephemere Existenz dieser napoleonischen Farce zu glauben. Aber was soll aus all dem Dreck werden? Gewählt wird der Napoleon, das ist keine Frage, die Bourgeoisie hat keine Wahl, und wer will die Stimmzettel verifizieren? Additionsfehler zugunsten des Abenteurers sind gar zu verlockend, und die ganze Gemeinheit der französischen besitzenden Klasse, die servile Unterwürfigkeit nach dem kleinsten Sukzeß, die Kriecherei vor einem pouvoir quelconque[5] sind diesmal glänzender als je ans Licht getreten. Aber wie will der Esel regieren? Er bekommt weniger Stimmen als 1848, c’est clair,[6] vielleicht 3 à 31/2 Millionen im ganzen; das ist schon eine für den Kredit gefährliche Niederlage. Jede finanzielle und Steuerreform ist unmöglich 1. aus Geldmangel, 2. weil ein militärischer Diktator sie nur bei erfolgreichen auswärtigen Kriegen, où la guerre paie la guerre,[7] durchführen kann, im Frieden aber nicht nur jedes Surplus, sondern noch viel mehr in die Taschen der Armee wandern muß, 3. weil der Napoleon zu dumm ist. Was bleibt ihm da? La guerre? Gegen wen, gegen England etwa? Oder der einfache Militärdespotismus, der im Frieden notwendig zu neuer Militärrevolution führen, die Parteien der Nationalversammlung in der Armee selbst hervorrufen muß? Es ist kein Ausweg da, die Farce muß in sich selbst zusammenbrechen. Und erst wenn eine Handelskrisis kommt!

Daß Louis Napoleon mit etwas „Großem“ schwanger geht, daran zweifle ich keinen Augenblick. Was das aber für ein Unsinn sein wird, darauf bin ich begierig. Das Développement der napoleonischen Ideen wird einen sehr hohen Flug nehmen und, an den ordinärsten Hindernissen scheiternd, platt auf den Bauch fallen. – Was bei der ganzen Transaktion ziemlich klar heraustritt, ist, daß die Roten abgedankt haben, vollständig abgedankt. Jetzt von Entschuldigungen sprechen wollen, warum sie sich nicht in Masse wehrten, wäre Unsinn. Die nächsten Monate werden lehren, ob die Erschlaffung derart in Frankreich ist, daß es mehrerer Jahre bedürfte, um den Roten ein neues Achtundvierzig möglich zu machen. Aber woher soll diese Ruhe auf der anderen Seite kommen?

Ich sehe nur zwei Auswege aus dieser Sauerei:

Entweder treten jetzt die Faktionen der Ordnungspartei, in der Armee abgespiegelt, an die Stelle der „Anarchisten“, id est richten eine solche Anarchie her, daß schließlich die Roten und Ledru-Rollin als solche Erlöser erscheinen wie jetzt Napoleon;

oder Louis Napoleon schafft die Getränkesteuer ab und läßt sich verleiten, einige bürgerliche Reformen zu machen – woher aber Geld und Macht dazu hernehmen, ist schwer zu sagen. In diesem sehr unwahrscheinlichen Falle könnte er sich halten.

Qu’en penses-tu?[8]

Dein F. E.


[1] Ereignisreiche Krisis.

[2] Wir kennen unsern kleinen Biedermann.

[3] So abgestumpft man [auch] ist.

[4] Niedergeschlagen ... bestürzt.

[5] Irgendwelche Macht.

[6] Das ist klar.

[7] Wo der Krieg den Krieg bezahlt.

[8] Was hältst Du davon?

130

Manchester, 11. Dezember 1851.

Lieber Marx!

Inliegend der Brief von Reinhardt zurück sowie der von Pieper, den ich wegen der Kölner Geschichten einstweilen zurückgehalten hatte.

An der von den Zeitungen ausposaunten großen Expedition der 700 Vagabunden nach Paris scheint nichts zu sein, und auch der kleine Louis Blanc ist nach seinem heutigen erneuerten Schmerzgeächze in der Daily News einstweilen, wenn auch angeblich nicht in London, doch in Sicherheit. Das erste Wehklagen war noch göttlich gegen das heutige. Peuple français – noble fierté – courage indomptable – éternel amour de la liberté – honneur au courage malheureux[1] – und damit macht der kleine Kerl einen demi-tour à droite[2] und predigt Vertrauen und Vereinigung des Volkes und der Bourgeoisie. Vide Proudhon: Appel à la Bourgeoisie, pagina 2.[3] Und dies Räsonnement! Wenn die Insurgenten geschlagen worden, so kommt das daher, daß sie nicht das vrai peuple[4] waren; das vrai peuple kann nicht geschlagen werden; und wenn sich das vrai peuple nicht geschlagen hat, so kommt das daher, daß es sich nicht für die Nationalversammlung schlagen wollte; es ist da freilich einzuwenden, daß das vrai peuple, einmal siegreich, selbst Diktator gewesen wäre, aber daran hat es in der Überraschung nicht denken können, und dann ist es ja so oft geprellt worden!

Das ist diese alte ordinäre Demokratenlogik, die noch bei jeder Niederlage der revolutionären Partei sich breit gemacht hat. Le fait est,[5] meiner Ansicht nach, daß wenn sich das Proletariat diesmal nicht in Masse geschlagen hat, es sich vollständig seiner eigenen Erschlaffung und Ohnmacht bewußt war und mit fatalistischer Resignation sich so lange in den erneuerten Kreislauf von Republik, Empire, Restauration und neuer Revolution ergab, bis es eben wieder durch ein paar Jahre Misere unter der Herrschaft möglichst großer Ordnung neue Kräfte gesammelt hat. Ich sage nicht, daß dies so kommen wird, aber das scheint mir die instinktive Grundanschauung gewesen zu sein, die am Dienstag und Mittwoch und nach der Herstellung der geheimen Abstimmung und der darauffolgenden Retirade der Bourgeoisie am Freitag beim Pariser Volke vorgeherrscht hat. Es ist Unsinn, zu sagen, daß dies keine Gelegenheit fürs Volk war. Wenn das Proletariat warten will, bis ihm von der Regierung seine eigene Frage gestellt wird, bis eine Kollision eintritt, die den Konflikt schärfer und bestimmter ausspricht als im Juni 1848, da kann es lange warten. Die letzte Gelegenheit, wo die Frage zwischen Proletariat und Bourgeoisie ziemlich distinkt gestellt war, war beim Wahlgesetz 1850, und da zog das Volk es vor, sich nicht zu schlagen. Das und das ewige Hinweisen auf 1852 war schon ein Beweis von Schlaffheit, der, ausgenommen im Falle einer Handelskrise, für uns hinreichte, ein ziemlich schlechtes Prognostikon auch für 1852 zu stellen. Seit der Abschaffung des allgemeinen Stimmrechtes, seit der Verdrängung des Proletariats von der offiziellen Bühne ist es doch etwas zu viel verlangt, den offiziellen Parteien zuzumuten, die Frage so zu stellen, daß sie dem Proletariat konveniert. Und wie stand denn die Frage im Februar? Damals war das Volk gerade so hors de cause[6] wie jetzt. Und es ist gar nicht zu leugnen, daß, wenn die revolutionäre Partei in einer revolutionären Entwicklung anfängt, entscheidende Wendepunkte passieren zu lassen, ohne ein Wort dreinzusprechen oder, wenn sie sich einmischt, ohne zu siegen, sie mit ziemlicher Sicherheit als für einige Zeit kaputt angesehen werden kann. Witness[7] die Insurrektionen nach dem Thermidor und nach 1830, und die Herren, die jetzt so laut sagen, daß das vrai peuple seine Gelegenheit abwarte, kommen in Gefahr, allmählich in denselben Train mit den ohnmächtigen Jakobinern von 1795 bis 1799 und den Republikanern von 1831 bis 1839 zu geraten und sich sehr zu blamieren.

Auch ist nicht zu leugnen, daß der Effekt der Herstellung der geheimen Abstimmung auf die Bourgeoisie, Kleinbürgerschaft und au bout du compte[8] auch auf viele Proletarier (das geht aus allen Berichten hervor) ein merkwürdiges Licht auf die Courage und Einsicht der Pariser wirft. Viele haben offenbar gar nicht daran gedacht, wie albern die von Louis Napoleon gestellte Frage ist, und wo denn Garantien für die richtige Registrierung der Stimmen sind; die meisten aber müssen den Humbug durchschaut und trotzdem sich vorgeschwatzt haben, jetzt sei all right,[9] bloß damit sie einen Vorwand hätten, sich nicht zu schlagen.

Nach dem Briefe von Reinhardt, nach den täglichen neuen Enthüllungen über die Infamien der Soldaten und über ihre speziellen Exzesse auf den Boulevards gegen jeden pékin quelconque,[10] Arbeiter oder Bourgeois, Roter oder Bonapartist, n’importe[11] – nach den sich häufenden Nachrichten von lokalen Insurrektionen selbst in den entlegensten Winkeln, wo kein Mensch Widerstand vermutete, nach dem Briefe des französischen Exdeputierten und Commerçant in der gestrigen Daily News scheint allerdings der Appel au peuple[12] eine unangenehme Wendung für Bonaparte nehmen zu wollen. Die Masse der Bourgeoisie in Paris scheint doch dies neue Regime mit seinen oktroyierten Transportationsgesetzen nicht sehr zu relishen.[13] Der militärische Terrorismus entwickelt sich zu schnell und zu unverschämt. Zwei Drittel von Frankreich sind in Belagerungszustand. Ich glaube, daß nach all diesem die Masse der Bourgeoisie gar nicht stimmen wird, daß die ganze Stimmposse auf nichts hinauslaufen wird, denn die Gendarmen werden an allen zweifelhaften Orten, wo die Gegner Louis Napoleons in Massen stimmen, Krakeel mit den Wählern anfangen und dann der ganze Wahlprozeß dort kassiert werden. Dann erklärt Louis Napoleon Frankreich en état d’aliénation mentale[14] und proklamiert die Armee zur einzigen Reiterin der Gesellschaft, und dann ist der Dreck vollständig klar und Louis Napoleon mitten drin. Aber eben bei dieser Wahlgeschichte könnte die Sache sehr unangenehm werden, wenn dann überhaupt noch ernsthafter Widerstand gegen eine etablierte Regierung zu erwarten wäre.

Eine Million Stimmen hat der Kerl sicher an den Beamten und Soldaten. Eine halbe Million Bonapartisten, vielleicht mehr, sind auch im Lande. Eine halbe Million, vielleicht mehr, zaghafter Bürger stimmen für ihn. Eine halbe Million dummer Bauern, eine Million Additionsfehler – das sind schon 31/2 Millionen, und mehr hatte der alte Napoleon nicht in seinem Empire, das das ganze linke Rheinufer und Belgien einschloß, also gewiß 32 Millionen Einwohner hatte. Warum sollte ihm das vorderhand nicht genügen? Und bekäme er die, mit vielleicht 1 Million gegen ihn, so würden die Bourgeois ihm bald zufallen. Aber vielleicht bekommt der die 21/2 Millionen nicht, und vielleicht, obwohl es der Ehrlichkeit der französischen Beamten viel zugemutet wäre, bringt er es nicht fertig, sich Additionsfehler bis zu 1 Million kreditieren zu lassen. Jedenfalls hängt sehr viel ab von den Maßregeln, die er gezwungen ist, inzwischen zu treffen. Übrigens, wer hindert die Beamten, ehe das Abstimmen anfängt, in die Wahlurnen ein paar hundert oui zu werfen? Il n’y a plus de presse[15] – niemand kann’s verifizieren.

Jedenfalls ist es schlimm für Crapulinski, daß die Fonds wieder am Fallen sind, und für Louis Blanc, daß er jetzt England als freies Land anerkennen muß.

In ein paar Monaten müssen die Roten wieder eine Gelegenheit bekommen, wo sie sich zeigen können, vielleicht schon bei der Abstimmung; wenn sie dann aber wieder abwarten, dann gebe ich sie auf, und dann bringen sie es auch bei der schönsten Handelskrise zu nichts als zu einer sie definitiv für ein paar Jahre beseitigenden Tracht Prügel. Was ist denn noch an dem Gesindel, wenn es verlernt, sich zu schlagen?

Ist Pieper wieder in London? Ich habe ihm einen Auftrag wegen Büchern nach Frankfurt zu geben, und weiß nicht, ob er noch in Brighton ist.

Das schlimmste ist, daß Du jetzt mit Löwenthal auf Schwierigkeiten stoßen wirst. Es wäre am besten, wenn der Kontrakt schon abgeschlossen wäre.

Liverpool Market – quiet at yesterdays prices; Manchester Market – firm. Some overtrading going on to the Levant. German buyers continue keeping out of the Market.[16]

Dein F. E.


[1] Französisches Volk – edler Stolz – ungebändigter Mut – ewige Freiheitsliebe – Ehre dem unglücklichen Mut.

[2] Halbe Wendung nach rechts.

[3] Siehe Proudhon: Appell an das Bürgertum, Seite 2.

[4] [Das] wahre Volk.

[5] Die Sache ist die.

[6] Außer Betracht.

[7] Zeuge, Beweis.

[8] Am Ende der Rechnung, schließlich.

[9] Alles in Ordnung.

[10] Beliebiger Zivilist.

[11] Gleichviel.

[12] Appell an das Volk.

[13] Schmackhaft finden.

[14] Im Zustand geistiger Verirrung.

[15] Es gibt keine Presse mehr.

[16] Börse von Liverpool – ruhig bei gestrigen Preisen; Börse von Manchester – fest. Ein Teil des Überflusses geht nach der Levante ab. Deutsche Käufer bleiben noch immer vom Markte fort.

131

16. Dezember 1851.

Lieber Marx!

Inliegend ein Brief von Weydemeyer, der mir heute mittag zukam. Die Nachrichten soweit ganz gut, Heinzens Blatt am Krepieren und Weydemeyer schon jetzt imstande, mit einer Wochenzeitung aufzutreten. Aber die Forderung, ihm bis Freitag abend einen Artikel zuzuschicken, ist etwas stark – besonders unter den jetzigen Umständen. Und doch schmachten die Leute gerade jetzt dort nach Räsonnements und Anhaltspunkten über die französische Geschichte, und wenn man etwas Eklatantes über die Situation sagen könnte, so wäre damit der Sukzeß des Unternehmens in der ersten Nummer zu machen. Aber das ist gerade der Haken, und wie gewöhnlich überlasse ich Dir wieder die Schwierigkeit, und was ich auch schreiben mag, jedenfalls ist’s nicht über den Coup de tête von Crapulinski. Du kannst ihm darüber jedenfalls einen diplomatisch „rückenfreihaltend“ epochemachenden Artikel schreiben. Was ich tue, weiß ich noch nicht, jedenfalls versuche ich irgend etwas. Den Schnapper kann ich nicht schicken, erstens ist das erste Kapitel matt, und zweitens ließ ich das Ding ganz sein, seitdem die Geschichte anfängt, komische Romane zu schreiben – eine etwas zu gefährliche Konkurrenz. Ich werde indes einige komische Szenen mehr in den Plan aufnehmen und dann das Ding wieder anfangen – das aber paßt durchaus nicht für dort, und ohnehin will Weydemeyer Sachen haben, worunter unser Name steht. Schreibe mir umgehend, was Du zu tun gedenkst, le temps passe;[1] der Samstagsteamer kann nicht vor Neujahr in New York eintreffen, und das ist schlimm, noch schlimmer ist die uns gelassene kurze Galgenfrist.

Weydemeyer soll nur seine Finger so lange aus den amerikanischen Geschichten herauslassen, bis er die Namen dort richtig schreiben kann. Es ist schade, daß er nicht erst Zeit hat, sich zu orientieren und etwas Englisch zu lernen. Die „Abolutionisten“ würden für Heinzen ein famoses Fressen sein. Was Weerth angeht, so sehe ich den morgen oder übermorgen hier und werde sehen, was er leisten kann. Nächste Woche, vielleicht schon Samstag abend, bin ich in London, und wir können dann das Weitere absprechen; inzwischen ist bloß die Frage, was für die erste Nummer zu tun ist, damit kann nicht gewartet werden, und schreibe mir also umgehend, was Du zu tun gedenkst.

Weydemeyer scheint in kommerzieller Beziehung, wie nach diesem Briefe zu schließen, allerdings nach etwas „grün“ zu sein, ich werde ihm darüber die nötigen Andeutungen geben. Er kennt sein Publikum noch gar nicht.

Lupus kann auch sich gleich in Bewegung setzen, um zu sehen, was er für die erste Nummer zustande bringt, Weydemeyer wird um Material sehr verlegen sein.

Was sagst Du zu den französischen Fonds, die gestern 101,50 Franken standen – 11/2 Prozent über Pari –, das keilt dem Louis Napoleon Stimmen die Menge, besser als alle bezahlten Zeitungslügen. Auch die Exzesse der Bauern im Süden und Zentrum helfen ihm. Ein Teil davon ist gewiß richtig und kann von dieser Barbarenrasse gar nicht anders erwartet werden. Die Kerls kümmern sich um die Regierung usw. den Teufel, aber ihr erstes ist, dem Steuereinnehmer und Notar das Haus zu demolieren und die Frau zu notzüchtigen und ihn selbst totzuschlagen, wenn sie ihn fassen. Die Sache hat an sich au fond wenig zu bedeuten und geschieht den Herren ganz recht, aber dem Napoleon jagt sie alles zu, was irgend etwas zu verlieren hat. In der Tat, die Invasion der einheimischen Barbaren, wenn sie einmal kommt, verspricht ein erheiterndes Schauspiel werden zu wollen, und wohl denen, unter deren Regierung dergleichen angenehme Geschichten vorfallen. Das Steigen der Fonds jetzt ist gewiß nicht mehr Regierungsmanöver, sondern Ausdruck der in Vertrauen auf Louis Napoleon übersetzten Angst der haute finance vor dem Lebendiggeschundenwerden, das der wahrhaftige Constitutionnel in so lebhaften Farben schildert! –

Also schreibe mir gleich wegen Weydemeyer.

Dein F. E.


[1] Die Zeit vergeht.

1852

132

6. Januar 1852.

Lieber Marx!

Hoffentlich wirst Du by this time[1] von Deinen Leiden vollkommen hergestellt sein, und ebenso hoffe ich, daß Deine Frau mir nicht länger wegen des coup d’état[2] zürnen wird, der Dich für zwei Tage in so tiefe Melancholie versenkte. Jedenfalls bitte ich, sie und Deine Kinder bestens von mir zu grüßen.

Ich werde für nächsten Freitagsteamer einen Artikel für Weydemeyer zurecht machen, und hoffe von Dir irgendeine actualité[3] für die Tribune zu erhalten, die ich sofort übersetzen werde. Bei dem Blatte hat man sich wahrhaftig nicht anzustrengen. Barnum stolziert in seinen Spalten in Lebensgröße herum, und das Englisch ist grauenhaft – sonst hat es indes auch einige gute Eigenschaften, die unsere line[4] übrigens nichts angehen. Kannst Du es mir bis Donnerstag – selbst mit der zweiten Post – herbesorgen, so hast Du die Übersetzung in London zeitig für Samstagsteamer, id est mit der zweiten, am Freitag dort ankommenden Post. Nächste Woche werden dann die Artikel über Deutschland aufgenommen und sollen rasch vollendet werden.

Die Plattheit, mit der die Österreicher den Louis Napoleon nachmachen und sofort ihre Konstitution auch abschaffen, ist doch sehr arg. Jetzt wird es einen schönen Tanz in Preußen setzen – es ist kein Zweifel, daß Preußen von Österreich verraten und verkauft ist, und wenn es nicht auch die Konstitution abschafft, sehr leicht von einer russisch-österreichisch-französischen Allianz ekrasiert [zertreten] werden kann.

1851 hat die englische Baumwollindustrie wöchentlich 32 000 Ballen konsumiert, gegen 29 000 Ballen 1850. Das ganze Surplus, und bedeutend mehr, ist nach Ostindien und China gegangen; die Überführung dieser zwei Märkte und der Home Trade[5] nähren jetzt Manchester fast allein, da nach dem Kontinent sehr wenig geht. Das kann nicht lange mehr dauern. Die Sache treibt sich hier sehr auf die Spitze, und, zum Beispiel, daß die Baumwollpreise angesichts einer unerhört großen Ernte in vollem Steigen begriffen sind, bloß in Erwartung eines noch größeren Konsums, ist doch schon bezeichnend genug.

Von Weerth hatte ich heute ein paar Zeilen aus Bradford – er erkundigt sich wegen des Hanebuch [Hamburger] Lüders, der an ihn geschrieben hat. Kannst Du mir etwas mitteilen, ob und wiefern er sich bei den dortigen Intrigen beteiligt hat, so soll’s mir angenehm sein und wird vielleicht nützlich werden. Sonst hier nichts Neues, business with us slack,[6] Nebel und Rauch die Masse.

Dein F. E.


[1] Nunmehr, jetzt.

[2] Staatsstreich.

[3] Tagesfrage.

[4] Abteilung, Fragengebiet.

[5] Inlandsgeschäft.

[6] Geschäftsgang bei uns matt.

133

[Undatiert, Anfang Januar 1852.]

Lieber Herr Engels!

Wie können Sie glauben, daß ich Ihnen wegen der kleinen Kneiperei gezürnt hätte – es tat mir sehr leid, Sie vor Ihrer Abreise nicht mehr zu sehen, wo Sie sich dann selbst am besten überzeugt hätten, daß ich nur mit meinem hohen Herrn etwas schmollte. Übrigens haben solche Extraszenen ganz heilsame Folgen; diesmal muß sich aber der père Marx bei seiner nächtlichen philosophischen Wanderung sehr stark erkältet haben, denn er wurde ernsthaft krank und liegt bis jetzt noch ruhig danieder. Vielleicht wird es ihm heute möglich werden, etwas aufzustehen und sich an die Artikel für Amerika zu machen. Ich glaube aber, daß er noch nicht so weit hergestellt ist, wie er meint. Er phantasierte während drei Nächten und war sehr schlimm. Er läßt Sie bitten, Weerth zu grüßen, ihm zu sagen, daß er recht ärgerlich über ihn wäre, daß er bei Übersendung von Reinhardts Brief aus Paris nur zwei Worte mitgeschrieben, und daß er vor allem seine Pflichten als alter Redakteur der Neuen Rheinischen erfüllen und irgendeine Ware auf Lager nach Amerika spedieren solle. Was den Hanebuch betrifft, so sagt jetzt der père Marx wörtlich was folgt:

„Stets kanonenvoll, mit seinem insinuanten Wesen gegen Damen renommierend, meinend, damit die Fußtritte von Bar-Besen[1] erhalten zu haben; von Anfang an auf das geräuschvollste auf Straßen und Gassen, Parlours, Omnibus, Halfpenny-Steamboats das englische Publikum provozierend, sich an den großen Debatten zwischen Kinkel und Ruge zu beteiligen; jeden Deutschen bei den Ohren hinschleppend nach Cranbourne Hotel, einer der wichtigtuendsten Schreier des Emigrationsklubs, also auch seinen Bärengeifer über die kleine Winkelkirche der Neuen Rheinischen Zeitung ausfatzend. Weerth soll ihm antworten, wenn er dessen Protektion verlangt, er möge suchen, in einen der sieben von Kinkel zu errichtenden Ministerien einen Posten zu finden, was ihm bei seinen großen Verdiensten um die große einige Revolutionspartei und bei seinem Einfluß auf die beiden Kinkelschen Hofschriftsteller Meyen und Oppenheim nicht schwer fallen dürfte. Überhaupt soll Weerth, wenn jetzt einer der Geister sich an ihn wendet, [ihnen] sie merken lassen, daß er auch zu der ‚kleinen unverbesserlichen Sonderkirche‘ der Neuen Rheinischen Zeitung gehört, wie Meyen nach Amerika hingeschrieben.“ So weit mein hoher Patient Knackrüge.

Gestern kam ein sehr netter Brief von Cluß aus Washington, woraus das Treiben Kinkels von neuem hervorgeht. Leider kann ich ihn hier nicht beilegen, da Freiligrath ihn gestern mitgenommen. Morgen werden wir ihn schicken. Teilen Sie ihn auch Weerth stellenweise mit.

Es wird Sie wohl auch interessieren zu hören, daß Ihr ehemaliger Chef, General Willich, von der niedrigen Flüchtlingschaft eine Tracht Prügel bezogen, da diese den Unterschied zwischen sich und den höheren Flüchtlingen nicht [hat] begreifen können und die Art der Verwaltung der großen Revolutionsgelder im Interesse der großen Männer nicht gutheißen. Aus Cluß’ Brief geht noch hervor, daß Kinkel die Mystifikation Willichs und den Brief Schramms benutzt hat, um ihre Verbindungen mit Köln in Amerika zu beweisen. Es wird bald Zeit, mit der wirklichen Geschichte hervorzurücken. Der Kinkel scheint auch in Amerika verbreitet zu haben, daß Marx’ Partei Lasterpreise aussetzt, um nicht Moralhelden zu werden. Der Musch läßt Frederic herzlich grüßen. Die Mädchen sind schon in der Schule. Sie erinnern sich vielleicht, daß Pieper dem Jungen seine hübsche Brieftasche zum Geschenk gemacht hatte. Gestern drohte er, sie ihm wieder abzunehmen und ihm an deren Stelle etwas anderes zu kaufen. Heute morgen versteckt der Junge die Tasche und sagt eben: „Mohr, jetzt habe ich sie gut versteckelt, und wenn der Pieper sie haben will, dann sage ich, ich habe sie einem armen Mann geschenkt.“ Der Filou!

Adieu!

Herzliche Grüße Jenny Marx.


[1] Schanktisch-Kellnerinnen.

134

Manchester, 14. Januar 1852.

Liebe Frau Marx!

Ich hätte Ihren angenehmen Brief längst beantwortet, wenn ich nicht durch eine Masse Geschichten daran total verhindert worden wäre – namentlich durch die Anwesenheit meines Schwagers, den ich während einer Woche zu amüsieren hatte, was hier in Manchester gewiß keine Kleinigkeit ist. An Arbeiten war während dieser Zeit natürlich nicht zu denken, und erst jetzt kann ich anfangen, mich zu besinnen, was bis nächsten Freitagsteamer geleistet werden kann. Heute oder morgen abend wird jedenfalls etwas für die Tribune fertig gemacht, und auch Vater Weydemeyer wird nicht leer ausgehen. Inzwischen höre und sehe ich von diesem nichts – hoffentlich ist bei Ihnen heute ein Brief von ihm eingesprungen, der uns die Aussichten fürs neue Jahr meldet, da die mit gestrigem Steamer eingetroffenen Briefe gerade bis zum 1. Januar gehen.

Ich hoffe, daß der pater familias sich inzwischen von seinem Straf- und Schmerzenslager erhoben haben wird, und wünsche nur, daß er über der Bibliothek nicht ganz die Tribune vergißt. Die Nachrichten über Ehren-Lüders sind Weerth sofort mitgeteilt worden, sowie das Nötige über Kinkel. –

Inliegend den Brief von Cluß zurück. Der Kerl ist ein unbezahlbarer Agent. Wenn die Geschichte mit der Willichschen Mystifikation auskommt, das wird ein heiteres Hallo setzen. Dies Faktum beweist nur, daß Kinkel in Beziehung auf uns in Amerika sehr häufig und sehr unangenehm interpelliert worden ist, und daß wir unter den dortigen Demokraten auch einen set[1] von Anhängern haben, die auf uns schwören, wie die anderen auf Kinkel oder Heinzen oder Hecker, keiner weiß warum; es werden das Anhänger sein à la Magnus Groß, Wilhelmi usw., Leute, die nur eines kurzen Zusammenseins mit uns bedürften, um über uns und sich eines Besseren aufgeklärt zu werden und in den allgemeinen Schafstall zurückzukehren, wohin sie gehören.

Der Louis Napoleon wird doch täglich amüsanter. Während noch immer nicht eine einzige jener großen Maßregeln zur Vernichtung des Pauperismus usw. das Tageslicht erblicken kann, bringt das Männchen es fertig, das ganze Philisterium der Welt durch Maßregeln aufzuhetzen, die bloß die momentane Konsolidierung seiner Autorität sichern sollen. Kein nichtfranzösisches Blatt wagt mehr für ihn aufzutreten, selbst der Sun und die Kölnische schweigen, und nur der Lumpaziuskorrespondent des Globe deponiert noch täglich seine Gemeinheiten in dem ihm dazu bewilligten Winkel. Dazu hat Louis Napoleon schon alle Welt argwöhnisch gemacht, ganz Europa hallt wider von Krieg und Kriegsgeschrei, und selbst die friedfertige Daily News muß nolens volens in den Ruf nach national defences[2] einstimmen. Der Kerl fängt nachgerade an, neben der einen, seit dem 2. Dezember zumeist hervorgetretenen Seite seines Charakters, dem gambler,[3] auch die zweite zu entwickeln, die des verrückten Prätendenten, der sich für einen prädestinierten Welterlöser hält und auf seinen Stern schwört. Und als die Zeit erfüllet war, da sandte Gott den Neffen, auf daß er erlöse alle Welt aus der Knechtschaft des Teufels und aus der Hölle des Sozialismus. Glücklicherweise kommt das Parlament bald zusammen, und das gibt immer etwas Abwechslung im politischen Humbug.

Viele Grüße an Marx und die Kleinen

von Ihrem F. Engels.


[1] Satz, Stamm.

[2] Nationale Verteidigungsmaßnahmen.

[3] Glücksspieler.

135

28 Deanstreet, Soho, 20. Januar 1852.

Lieber Engels!

Seit gestern bin ich erst wieder aufgestanden und seit heute schreibe ich erst wieder.

In Frankreich les choses vont à merveille.[1] Und ich hoffe, daß la belle France diese Schule nicht zu oberflächlich durchmachen wird, sondern eine längere Klasse bestehen muß. Krieg, einige months[2] früher oder später, scheint mir unvermeidlich. Nous avons eu le Napoléon de la paix.[3] Louis kann den Louis Philippe by no means[4] nachmachen. Et alors?[5]

Du weißt, daß die Kölner nicht vor die Assisen gestellt sind, unter dem Vorwand, die Sache sei so schwierig, daß die Untersuchung von neuem beginnen müsse.

Madier war eben hier und beweist mir de la manière la plus crapaude,[6] daß die Frenchmen zum Frühstück London nehmen und in fünf Stunden alle Küsten von England überfallen können. Man hat zu viel pitié[7] mit den armen Teufeln, um nicht zu schweigen, quand ils déraisonnent.[8]

Schreibe bald.

Dein K. M.

Was macht le commerce?


[1] Verlaufen die Dinge wundervoll.

[2] Monate.

[3] Wir haben den Friedensnapoleon gehabt.

[4] Unter keinen Umständen.

[5] Und dann?

[6] Mit den gesindelhaftesten (das heißt flachrevolutionären) Argumenten.

[7] Mitleid.

[8] Wenn sie Blödsinn schwatzen.

136

22. Januar 1852.

Lieber Marx!

Inliegend der siebente Artikel für die Tribune. Der achte usw. wird morgen abend gemacht werden, heute werde ich etwas für Weydemeyer fertig machen. Ich behalte mir für Weydemeyer zunächst England vor, da ich mich nicht entschließen kann, deutsche Zeitungen zu lesen und etwas über Deutschland zu machen. Könntest Du Lupus, der hoffentlich auch wieder flott auf den Beinen ist, nicht bewegen, etwas „aus dem Reiche“ zu liefern? – Weerth wird nächste Woche etwas für Weydemeyer schaffen, diese Woche kann er nicht. Übermorgen hoffe ich ihn hier zu sehen, und vielleicht kommt er in acht bis vierzehn Tagen nach London, da es ihm wieder vor lauter Ungeduld wie heiße Kohlen unterm Hintern brennt.

Da gestern der Pacific von New York eingesprungen ist, so könnte es sein, daß ich morgen die versprochenen Nummern von Weydemeyer erhielte – doch rechne ich nicht darauf, da er vielleicht den englischen Postdampfer abgewartet hat. Er muß übrigens weniger schicken, 50 Nummern ist zu viel und wird wahrscheinlich ein Heidengeld kosten; und wem sollten wir die alle schicken? Ich will sehen, was die Kosten sind, und im Notfall, wenn er nicht durch Paketversendungsagenturen die Sache wohlfeiler einrichten kann, so reichen 10 Exemplare vollkommen aus; denn auf Abonnenten in Europa kann er doch nicht rechnen. Vielleicht ein paar in London, sonst doch nur etwa in Hamburg. Dazu gehörte auch eine Agentur, und die würde sich nicht bezahlen. – Hoffentlich schickst Du mir jetzt auch bald einen Artikel für die Tribune zum Übersetzen.

Jones schrieb an mich und verlangt Beiträge. Ich werde mein Bestes tun und hab’s ihm versprochen. Bei alledem geht mir ein Stück freie Zeit zum Ochsen nach dem anderen fort, und das ist schlimm. Ich muß sehen, wie ich mich einrichte und das Kontor prelle. Jones schrieb von einer Gemeinheit von Harney gegen ihn, und von 15 Pfund, um die er geprellt sei, worüber Du mir Näheres sagen könntest – was ist das? Er war natürlich very busy[1] und schrieb sehr in abgebrochenen Sätzen und Ausrufungszeichen. –

Daß der brave Louis Napoleon Krieg anfangen muß, ist sonnenklar, und wenn er sich mit Rußland verständigen kann, so wird er wohl mit England anbinden. Es hätte das seine guten und seine schlimmen Seiten. Die Einbildung der Franzosen, sie könnten in fünf Stunden London und England erobern, ist sehr ungefährlich. Was sie jetzt allerdings können, sind plötzliche Piratenüberfälle mit 20 000, höchstens 30 000 Mann, die aber nirgends viel ausrichten könnten. Brighton ist die einzige ernstlich bedrohte Stadt; Southampton usw. sind mehr als durch alle Befestigungen durch ihre Lage in tiefen Buchten, die nur zur Flutzeit und nur mit lokalen Lootsen zu befahren sind, sichergestellt. Der höchste Effort, den eine französische Landung zustande bringen könnte, wäre die Zerstörung von Woolwich; aber selbst dann müßten sie sich verdammt hüten, nach London zu gehen. Für jede ernsthafte Invasion müßte der ganze Kontinent zusammen den Engländern wenigstens a years notice[2] geben, und sechs Monate reichen hin, um England in Verteidigungszustand gegen jeden Angriff zu setzen. Der gegenwärtige Alarm ist absichtlich übertrieben, und die Whigs helfen bestens dazu. Laß die Engländer ein Dutzend Linienschiffe und Steamer zurückrufen, ein zweites Dutzend von jeder Sorte, die halbfertig in den Häfen liegen, ausrüsten, 25 000 Mann mehr Truppen halten, freiwillige Jägerbataillons mit Miniéschen Büchsen organisieren und dazu etwas Miliz und etwas Exerzitium für die yeomanry,[3] und sie sind vorderhand sicher. Der Alarm ist aber sehr gut, die Regierung hatte die Geschichte wirklich famos verkommen lassen, und das wird aufhören; und dann, wenn es zu etwas kommt, sind sie so gerüstet, daß sie jeden Landungsversuch zurückweisen und sofort Revanche nehmen können.

Sonst sehe ich nur zwei Chancen für Louis Napoleon, wie er Krieg anfangen will: 1. gegen Österreich, das heißt gegen die ganze heilige Allianz, oder 2. gegen Preußen, wenn dies von Rußland und Österreich fallen gelassen wird. Indes dies letztere ist sehr zweifelhaft, und ob er mit der heiligen Allianz anbindet, fragt sich sehr. Piemont, die Schweiz und Belgien werden ihm, sei es von England, sei es von der heiligen Allianz, nicht überlassen. Die Sache wird so schön vertuckt, daß schließlich der pure Zufall entscheiden muß.

Und à l’intérieur,[4] welche famose Entwicklung! Die Mordversuche werden schon ganz alltäglich und die Maßregeln immer schöner. Flöge doch endlich der Herr de Morny, der noch etwas den Tugendhelden spielt, und konfiszierte der Edle doch das Vermögen der Orleans!

Man kann einem Gouvernement Blanqui nicht besser vorarbeiten, wie dieser Esel tut.

Dein F. E.


[1] Sehr beschäftigt.

[2] Ein Jahr Voranzeige.

[3] Landmiliz.

[4] Im Innern.

137

28 Deanstreet, 24. Januar 1852.

Lieber Frederic!

Ich schreibe nur wenige Zeilen, da eben ein Brief von Bermbach aus Köln ankommt, von dem ich wünschte, daß Du ihn noch morgen erhieltest. Es ist nun unumgänglich, daß Du erstens über die Kölnische Angelegenheit einen Brief to the editor of the Times[1] mir schickst, nebst ein paar Zeilen, die ich vorherschicke dem corpus delicti. Zweitens daß Du in Deinem eigenen Namen an die Daily News dasselbe tust, obgleich natürlich das eigentliche corpus delicti, das heißt die Insertion selbst, mit „a Prussian[2] oder dergleichen unterschrieben wird. Ich glaube, daß an die Times der „Doktor“ und an die Daily News der Manchester „Merchant“ besser tun, id est mehr Chancen der Aufnahme finden wird. Nenne die Leute bei ihren Titeln: Dr. Becker, Dr. (!) Bürgers, Dr. Daniels, Dr. Klein, Dr. Jacobi, Otto (ein in Deutschland wissenschaftlich renommierter Chemiker), Röser und Nothjung. Dieser kölnische Anklagesenat ist das nec plus ultra von Feigheit. Übrigens sind die Richter nach dem neuen Disziplinargesetz auch nicht mehr „unabsetzbar“, wenigstens nur nominell.

Dein Artikel für Dana ist famos.

Ich habe poor Weydemeyer natürlich seit Deiner Anwesenheit nur noch einen Artikel schicken können. Die Hämorrhoiden haben mich diesmal mehr angegriffen als die französische Revolution. Ich will sehen, was ich die nächste Woche fertig bringe. Auf die Bibliothek zu gehen, erlauben die hinteren Verhältnisse noch nicht. Die Konfiskation der orleanischen gestohlenen und erbettelten Güter! Abtritt Foulds! Persigny! Bravo! Ça marche.[3]

Merkwürdig ist es, wie army, navy, colonies, fortifications and the whole administration[4] verfault ist unter diesem sonderbaren aristokratischen Cliquenregime, das die englischen Bourgeois seit 1688 an der Spitze der Exekutivgewalt traditionell mitgeschleppt haben. Nach dem englischen Überheben und liberalen Geheul unter Kossuths Ägide, nach den kosmopolitisch-philanthropisch-kommerzialen Friedenshymnen während der Exhibition, kurz nach dieser Periode der bürgerlichen Selbstüberhebung, ist es erquicklich, wenn die Canaillen jetzt finden, daß nicht etwas, sondern alles im Staate Dänemark faul ist. Und dann sehen die Herren auch gar zu bequem den kontinentalen Kämpfen zu.

Salut!

Dein K. M.

Die zwei einliegenden Briefe, wenigstens den von Cluß, schicke umgehend zurück.


[1] An den Redakteur der Times.

[2] Ein Preuße.

[3] Die Sache marschiert.

[4] Heer, Flotte, Kolonien, Befestigungen und die ganze Verwaltung.

138

Manchester, 28. Januar 1852.

Lieber Marx!

Inliegend das Ding für die Times. Du schreibst dabei ganz einfach: Sir, I do believe the publication of the scandalous facts contained in the annexed letter will contribute to throw some lights upon the state of things on the Continent. – The correctness of these facts I guarantee, etc.[1] Namen und Adresse.

Meins an die Daily News geht heute abend mit der zweiten Post ab; besorgst Du die Sache also gleich, so kommen beide Briefe fast gleichzeitig in den respektiven Offices an und können in der Freitagsnummer stehen. Gib aber den Brief in Charing Croß auf; bei den Nebenoffices ist zu viel Verzug.

Die beiden Briefe von Cluß und Bermbach inliegend zurück. An Deinem Brief vom Samstag wieder das Siegel in miserablem Zustand; es erfolgt inliegend. Wie verhält es sich damit?

Ich unterzeichne in den Daily News einfach: A German Merchant.[2]

Schreibe bald

Deinem F. E.

[Auf der Rückseite steht in Englisch folgender Brief, der hier sofort in Übersetzung gegeben wird:]

„An den Redakteur der Times!

Mein Herr! Die Vernichtung der letzten Reste einer unabhängigen Presse auf dem Festland hat es zur Ehrenpflicht der englischen Presse gemacht, jeden Akt der Ungesetzlichkeit und Unterdrückung in diesem Teil Europas zur Kenntnis zu nehmen. Erlauben Sie mir daher, eine Tatsache vor die Öffentlichkeit zu bringen, die beweist, daß die Richter in Preußen durchaus auf einer Stufe stehen mit den politischen Handlangern Louis Napoleons. Sie wissen, welch wertvolles Regierungsmittel eine wohlangefertigte Verschwörung bilden kann, wenn sie im geeigneten Moment aufgetischt wird. Die preußische Regierung brauchte eine solche Verschwörung zu Anfang des vorigen Jahres, um ihr Parlament gefügig zu machen. Demgemäß wurden eine Anzahl Leute verhaftet und die Polizei in ganz Deutschland in Bewegung gesetzt. Aber es ward nichts gefunden, und schließlich wurden nur einige wenige Personen unter dem Vorwand in Köln in Haft behalten, daß sie die Führer einer weitverbreiteten revolutionären Organisation seien. Es sind dies hauptsächlich Dr. Becker und Dr. Bürgers, zwei Herren von der Presse, Dr. Daniels, Dr. Jacobi und Dr. Klein, praktizierende Ärzte, von denen zwei die herben Pflichten von Armenärzten mit Ehren erfüllt hatten, und Herr Otto, Leiter eines großen chemischen Unternehmens und in seinem Lande wegen seiner Leistungen in der Wissenschaft der Chemie wohl bekannt. Da indes kein Beweis gegen sie erbracht war, wurde ihre Freilassung jeden Tag erwartet. Während sie jedoch noch im Gefängnis waren, wurde das ‚Disziplinargesetz‘ verkündet, das die Regierung in den Stand setzt, sich vermittels eines sehr kurzen und leichten Verfahrens jedes lästigen richterlichen Beamten zu entledigen. Die Wirkung dieses Gesetzes auf das bis dahin langsam und schleppend sich hinziehende Verfahren gegen die obengenannten Herren war eine fast unmittelbare. Nicht nur wurden sie in Sonderhaft gehalten, wurde ihnen jeder selbst schriftliche Verkehr miteinander oder ihren Angehörigen [Freunden] verweigert und wurden sie der Bücher und Schreibmaterialien, Dinge, die in Preußen dem gemeinsten Verbrecher vor der Verurteilung bewilligt werden, versagt, es nahm das Gerichtsverfahren überhaupt einen völlig anderen Charakter an. Die Ratskammer (Sie wissen, wir werden in Köln nach dem Code Napoléon abgeurteilt) ward sofort bereit gefunden, zu erklären, daß Anlaß zu einer Anklage vorliege, und die Sache kam vor den Anklagesenat, ein Kollegium von Richtern, das die Funktionen einer englischen Großen Jury versieht. Aus das ohnegleichen dastehende Erkenntnis dieses Kollegiums bitte ich besonders Ihre Aufmerksamkeit lenken zu dürfen. In diesem Erkenntnis findet sich wörtlich übersetzt folgende außerordentliche Stelle: ‚In Erwägung, daß kein zuverlässiges Beweismaterial erbracht worden ist und daß daher kein Anklagefall festgestellt ist, liegt kein Grund vor, die Anklage aufrechtzuerhalten (die notwendige Folgerung ist, werden Sie annehmen, daß die Angeschuldigten in Freiheit zu setzen sind? Ganz und gar nicht), – sind sämtliche Protokolle und Urkunden dem Untersuchungsrichter zur erneuten Untersuchung zurückzugeben.‘ Das heißt also, daß nach zehnmonatiger Haft, während welcher Zeit weder der Eifer der Polizei noch der Scharfblick des Staatsanwaltes den Schatten einer Anklage zustande bringen konnten, das ganze Verfahren von Anfang an aufs neue beginnen soll, um vielleicht nach einem zweiten Jahre Untersuchungen ein drittes Mal dem Untersuchungsrichter überwiesen zu werden. Diese offenbare Verletzung des Gesetzes wird durch folgendes erklärt: Die Regierung bereitet gerade jetzt die Schaffung eines Staatsgerichtshofs vor, der aus dem servilsten Material zusammensetzt werden soll. Da ihr eine Niederlage vor den Geschworenen sicher wäre, muß die Regierung die Schlußverhandlung dieser Sache verschleppen, bis sie vor den neuen Gerichtshof kommen kann, der natürlich der Krone jede, den Verhafteten aber keinerlei Garantie bietet. Würde es nicht sehr viel ehrenvoller für die preußische Regierung sein, über die Angeklagten von vornherein durch königliches Dekret Spruch zu verhängen, wie dies Louis Napoleon getan hat? Ich bin, mein Herr, Ihr sehr ergebener Diener.

Ein Preuße.“


[1] Mein Herr! Ich hoffe, die Bekanntgabe der im beifolgenden Brief aufgeführten skandalösen Tatsachen wird etwas dazu beitragen, die gegenwärtigen Zustände auf dem Festland zu beleuchten. Für die Richtigkeit der Angaben verbürge ich mich.

[2] Ein deutscher Kaufmann.

139

Manchester, 29. Januar 1852.

Lieber Marx!

Es ist ärgerlich, daß man sich auf das Geschehen von Nichts verlassen kann, was man nicht selbst tut. Durch die Dummheit unseres Ausläufers ist mein Brief an die Daily News gestern nicht abgegangen; jetzt ist es zu spät. Ich kann ihn also nur zurückhalten, bis ich sehe, ob die morgige oder Samstags-Times den Deinigen hat. Wo nicht, geht er sofort ab. In der Zwischenzeit eine Konsideration:[1] Wäre Freiligrath nicht der wahre Mann für die Daily News? Ich könnte, wenn er dorthin schriebe, die Weekly Preß und den Sun versuchen. Wir zwei sind schon einmal bei der Daily News abgefahren.

Inliegend ein weiterer Artikel für Dana. Vielleicht läßt er sich, nach dem Ende der polnischen Geschichten, halbieren – besser indes wär’s, er bliebe zusammen. Teilst Du ihn, so kannst Du beide Hälften doch mit demselben Steamer schicken, da vor morgen über acht Tage kein weiterer Steamer ist. Ich will sehen, daß ich jetzt ziemlich rasch vorgehe, say [sage] zwei Artikel pro Woche, um das Subjekt zu Ende zu bringen. Es wird doch 15 bis 16 Artikel werden, im ganzen.

Von Weydemeyer keine Nummern erhalten, auch keinen Brief. Das wundert mich. Ich werde ihm heute abend wieder einen Artikel zurechtmachen. –

Dein F. E.


[1] Erwägung.

140

2. Februar 1852.

Lieber Marx!

Erinnerst Du Dich eines Flüchtlings Richter aus Torgau (preußisch Sachsen), Sattler und Tapezierer – der früher in London war? Dieser Mensch, den ich mich erinnere in London gesehen zu haben – groß, blond, Flüchtlingsmanieren –, kommt plötzlich hier zu mir, angeblich von Barmen zurückkehrend, wo er eine Zeitlang ohne Papiere gearbeitet haben will, und bringt Grüße von Hühnerbein usw. usw. Ich kann mich absolut nicht auf ihn besinnen, außer daß ich ihn gesehen habe. Unsere Flüchtlingsregister und Pfänders oder Rings gutes Gedächtnis werden jedenfalls etwas Näheres über ihn besagen. Ich habe eine gewisse Ahnung, daß der Kerl einer von der Willichschen Clique ist – in dem Falle schmeiße ich ihn sofort heraus.

Wegen der Geschichte der Kölner kann ich bis jetzt in der Times nichts entdecken. Ich warte nur Antwort von Dir ab, um sofort, s’il y a lieu,[1] an die Daily News zu schreiben. Der amerikanische Steamer ist herein, aber zu meiner großen Verwunderung kein Brief von Weydemeyer, auch keine Nummern, wenigstens bis jetzt. Möglich indes, daß dies auch morgen noch kommt.

Dein F. E.

Sage Pieper, ich würde ihm seine 2 Pfund dieser Tage schicken, da der neue Monat angebrochen ist.


[1] Wenn es am Platze ist.

141

28 Deanstreet, Soho, 4. Februar 1852.

Lieber Engels!

Weerth ist heute morgen nach Holland abgereist. Wohin er sich von da begeben wird? Ich weiß es nicht, und Weerth vielleicht auch nicht. Er war, wie immer, höchst zerfallen mit seinem Schicksal, und was das unsere angeht, so schien ihm nur das eine unbequem daran, daß wir in London sitzen mußten statt in Cadix, in Saragossa oder an einem anderen verwünschten spanischen Platze. Denn seit Weerth wieder in Yorkshire gelebt hat, erklärt er, daß er in Spanien seine schönste Zeit erlebt hat. Er behauptet, daß er das englische Klima nicht vertragen kann und wird das holländische daher wohl sehr komfortabel finden. Wünschen wir ihm le bon voyage und attendons,[1] ob er sein Wort halten und an Weydemeyer denken wird.

Ich hatte der Times vorigen Donnerstag, il y a donc presque une semaine,[2] den „letter to the Editor[3] zugeschickt. Es scheint, daß dieses Blatt jetzt, wo es aus der Polemik gegen Bonaparte ein Metier macht, Preußen zu schonen für nötig hält. Du mußt Dich also an die Daily News wenden. Mißlingt auch das, was ich nicht gl