The Project Gutenberg eBook of Soldan's Geschichte der Hexenprozesse. Zweiter Band

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Soldan's Geschichte der Hexenprozesse. Zweiter Band

Author: Wilhelm Gottlieb Soldan

Editor: Heinrich Heppe

Release date: April 11, 2008 [eBook #25048]
Most recently updated: January 3, 2021

Language: German

Credits: Produced by Wolfgang Menges, Constanze Hofmann, Juliet
Sutherland and the Online Distributed Proofreading Team
at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SOLDAN'S GESCHICHTE DER HEXENPROZESSE. ZWEITER BAND ***

Anmerkungen zur Transkription:

Schreibweise und Zeichensetzung des Originaltextes wurden beibehalten, nur offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.

Änderungen gegenüber dem Originaltext sind durch eine gestrichelte blaue Linie gekennzeichnet; der ursprüngliche Text erscheint beim Darüberfahren mit dem Mauszeiger.

Griechische Passagen sind mit einer gestrichelten grauen Linie gekennzeichnet; hier erscheint beim Darüberfahren eine Umschreibung in lateinischen Buchstaben.

Der Hinweis auf das Namen- und Sachregister wurde zusätzlich ins Inhaltsverzeichnis aufgenommen.

SOLDAN'S GESCHICHTE
DER
HEXENPROZESSE.

NEU BEARBEITET

VON

DR. HEINRICH HEPPE.


ZWEITER BAND.


STUTTGART.

VERLAG DER J. G. COTTA'SCHEN BUCHHANDLUNG.

1880.

Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart.

INHALT.

 Seite

Neunzehntes Kapitel: Cornelius Agrippa von Nettesheim. Johann Weier und der durch ihn angeregte Streit. Bodin. Reginald Scot. Binsfeld. Cornelius Loos. Flade. Remigius. Jakob I. Delrio u. A.

1

Zwanzigstes Kapitel: Die Hexenprozesse in der zweiten Hälfte des sechszehnten und in der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts in den geistlichen Fürstenthümern Deutschlands.

32

Einundzwanzigstes Kapitel: Die Hexenprozesse von der zweiten Hälfte des sechszehnten bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts in den weltlichen Territorien Deutschlands.

87

Zweiundzwanzigstes Kapitel: Die Hexenprozesse von der zweiten Hälfte des sechszehnten bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts ausserhalb Deutschlands.

133

Dreiundzwanzigstes Kapitel: Bekämpfung und Vertheidigung des Glaubens an Hexerei und der Hexenverfolgung während des siebenzehnten Jahrhunderts in Deutschland.

180

Vierundzwanzigstes Kapitel: Allmähliche Abnahme der Prozesse — Balthasar Bekker.

223

Fünfundzwanzigstes Kapitel: Christian Thomasius.

245

Sechsundzwanzigstes Kapitel: Hexenprozesse des achtzehnten Jahrhunderts. Aufhören der gerichtlichen Verfolgungen.

266

Siebenundzwanzigstes Kapitel: Hexerei und Hexenverfolgung im neunzehnten Jahrhundert. — Die neuesten Vertreter des Glaubens an Hexerei.

330

Achtundzwanzigstes Kapitel: Schluss.

352

Namen- und Sachregister.

403

[1]

NEUNZEHNTES KAPITEL.

Cornelius Agrippa von Nettesheim. Johann Weier und der durch ihn angeregte Streit. Bodin. Reginald Scot. Binsfeld. Cornelius Loos. Flade. Remigius. Jakob I. Delrio u. A.

Der erste kühne Held, der es wagte gegen den Dämon, welcher am Marke der Menschheit nagte, seine Stimme zu erheben, war Cornelius Agrippa von Nettesheim, Generaladvokat zu Metz[1]. In seiner Jugend hatte sich derselbe viel mit den auf die Magie bezüglichen Schriften beschäftigt, und war bald zu dem Schlusse gekommen, dass dieselbe entweder auf Betrug oder auf einer besonderen Kenntniss der Natur beruhen müsse. Aus diesen Gedanken ging seine erste Hauptschrift „de incertitudine et vanitate scientiarum“ hervor, die eine Satire auf den damaligen Zustand der Wissenschaften enthält. Von hier aus gelang es ihm auch allmählich sich zu einer von dem Aberglauben der Zeit unabhängigen Beurtheilung des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung zu erheben. Gegen beide richtete er seine Schrift „de occulta philosophia“ [2] (Paris 1531, Köln 1533). Diese Schrift jedoch sowie seine geschickte Vertheidigung einer Bäuerin, welche der Inquisitor Savin verbrennen wollte, machte ihn suspect. Man sagte ihm nach, dass er selbst mit dem Teufel im Bunde stehe und Magie treibe, und wegen der letzteren angeklagt, musste er ein Jahr lang zu Brüssel im Gefängniss schmachten. Nach seinem Tode erzählte man, er habe auf seinem Sterbebette einen schwarzen Hund aus seinem Nacken gezogen, der ein Dämon war, und habe dabei gerufen: der sei die Ursache seines Verderbens. Es lag ein furchtbarer Hass auf dem freisinnigen und muthigen Manne. Doch war sein Auftreten nicht erfolglos geblieben, indem er wenigstens Einen Schüler hinterliess, der auf den Wegen des Lehrers weiter zu gehen wagte. Es war dieses der Leibarzt des Herzogs Wilhelm von Cleve, Johann Weier[2] (in seinen lateinischen Schriften Wierus, auch Piscinarius genannt). — Zu Grave an der Maas (nicht weit von Cleve) 1515 geboren, hatte sich Weier als vierzehnjähriger Schüler in Antwerpen an Agrippa von Nettesheim angeschlossen, dem er auch 1530 nach Bonn gefolgt war, worauf er seine Studien in Paris fortgesetzt, dann 1537 in Orleans die medizinische Doktorwürde erlangt und hernach zur Erweiterung seiner Weltkenntniss Aegypten und andere Theile des Orients, sowie auch die griechischen Inseln, namentlich Kandia bereist hatte. Im Jahr 1545 in die Heimath zurückgekehrt, hatte er sich in Arnheim als Arzt niedergelassen, wo er wegen der ungewöhnlichen Vielseitigkeit seiner Bildung die besondere Aufmerksamkeit Konrad von Heresbach's auf sich zog, der 1550 seine Berufung auf die Stelle eines fürstlichen Leibarztes an dem Hofe zu Düsseldorf bewirkte. Mit grosser Freude nahm nun Weier wahr, wie sein Fürst mit den Unglücklichen, die der Zauberei angeklagt waren, weit vorsichtiger und milder verfuhr, als man anderwärts that, und nur dann zu scharfer Strafe griff, wenn er sich überzeugte, dass eigentliche Giftmischerei im Spiele war. Die Hoffnung, auch [3] andern Ländern ein wohlthätiges Licht anzünden zu können, bestimmte den wackeren Arzt im Jahr 1563 zur Herausgabe seiner fünf Bücher De praestigiis daemonum et incantationibus ac veneficiis, — eines Werkes, welches rasch (1564, 1566, 1568) eine Reihe von Auflagen, 1583 zu Basel die sechste, erlebte und welches ausserdem auch in deutscher und französischer Uebersetzung weithin Verbreitung fand[3]. Weier war nach Agrippa von Nettesheim (dessen Andenken er in dem Buche mit rührender Pietät vertheidigt,) der erste, der gegen Alles was zum Hexenwahn gehörte und gegen die ganze Tollheit, Rohheit und Niederträchtigkeit der Hexenverfolgung mit offenem Visir und mit solcher Entschiedenheit zu Felde zog, dass alle nachfolgenden Schriftsteller, die diesen Gegenstand berührten, in ihm entweder einen Bundesgenossen, oder einen Gegner ersten Rangs erkannten[4]. Zwar hat auch er über die Begriffe seiner Zeit hinsichtlich der Macht des Teufels sich nicht ganz erhoben, und es bleibt auch für ihn noch eine Magie, die durch den Beistand des bösen Geistes wirkt[5]; aber sein Verdienst ist es, dass er die grobsinnlichen Vorstellungen von den sichtbaren Erscheinungen desselben und seinem persönlichen Verkehr mit den Menschen bekämpft und Vieles aus natürlichen Gründen erklärt, was man bisher dem Teufel zugeschrieben hatte. Seine auctoritätsgläubigen [4] Zeitgenossen suchte er auf eine bessere Bahn zu lenken, indem er ihnen nachwies, wie das neuere Hexenwesen nur auf der Einbildung beruhe und derjenigen Zauberei gänzlich fremd sei, welche die Bibel und das römische Recht mit der Todesstrafe bedrohen. Dabei lag seinem literarischen Auftreten gegen die Hexenverfolgung ein ganz bestimmtes religiöses Interesse zum Grunde. Es war ihm Herzenssache, dem Reiche Gottes, dem Interesse des Glaubens zu dienen. Das wesentlichste Hinderniss des Glaubens sah er aber im Aberglauben, in welchem er eine eigentliche Epidemie seiner Zeit erkannte. Darum entwarf er 1562 bei einer grossen Jagd, die Herzog Wilhelm hielt, im Schlosse Hambach sein Buch „von den Blendwerken der Dämonen, von Zauberei und Hexerei“, das er im folgenden Jahre wie eine Brandfackel in die Nacht seiner Zeit hinauswarf[6]. Geist und Charakter des Buches, so wie der Zeit selbst, welcher es zum Heilmittel bestimmt war, werden durch Hervorhebung einzelner Stellen sich am treuesten kund geben[7].

„Als aber dieser Gräuel, — heisst es in der Zueignung an Wilhelm von Cleve, — jetzund von etwas Jahren her ein wenig gestillet, und ich derhalb gute Hoffnung gefasst hatte, es würde ohn Zweifel der liebe Gott verleihen sein Gnad und Kraft, dass er durch die Predigt der gesunden Lehr gar abgeschafft und aufgehebt würde, so sehe ich doch wohl von Tag zu Tag je länger je mehr, dass ihn der leidige Teufel wiederum viel stärker, weder (als) von je Zeiten her auf die Bahn gebracht hat und täglich bringt. — Dieweil dann zu solchem gottlosen Wesen der Mehrtheil Theologi schweigen und durch die Finger sehen; die verkehrten Meinungen von Ursprung der Krankheiten, auch gottloser abergläubischer Ableinung derselben die Medici leiden und gestatten, auch überdas die Erfahrenen der Rechten, angesehen, dass es ein alt Herkommen und [5] derhalb ein ausgesprochene Sach ist, fürüber passieren lassen, und zu dem Allem Niemand, der aus Erbarmniss zu den armen Leutlin diesen verworrenen, schädlichen Handel zu offenbaren oder zum wenigsten zu verbessern sich unterwinden wölle, gehört wird: so hat mich, Gnädiger Fürst und Herr, für nützlich und nothwendig angesehen, die Hand, wie man spricht, an Pflug zu legen, und ob ich gleich meines Vorhabens nicht in alleweg gewährt, jedoch Andern, so in Verstand und Urtheil solcher Sachen mir den Stein weit vorstossen, ein Anlass, ja (wie man pflegt zu sprechen) die Sporn, diesem Handel fleissiger nachzutrachten und ihre Meinungen auch zu fällen, zu geben.“

In der dem Werke vorgedruckten Supplik an Kaiser und Reich[8] wird mit eben so viel Bescheidenheit, als Freimüthigkeit gesagt: „Bitte demnach fürs Andere Ew. Majestäten, Durchleuchtigkeiten und Gnaden nicht weniger dann zuvor aufs Allerdemüthigste, Ew. Majestäten, Durchl. und Gnaden wöllen sich nicht irr machen lassen den alten und von vielen Jahren her eingewurzelten Wahn, sondern vielmehr, wann etwa in Ew. Majest. und Durchl. Herrschaft, Landen und Gebiet sich zuträgt, dass über solche teufelische Sachen berathschlagt, Gericht besessen und Urtheil gefällt soll werden, dass alsdann gedachtem Rath, so in diesen Büchern gezeigt, nachgesetzt und gefolgt soll werden: zuvorderst aber und am allermeisten, wann es zu thun ist um Hexen oder Unholden, mit welchen man's bisher unrichtig und verworren genug gehalten hat. Auf solche Weis zweifelt mir gar nicht, werden alle rechtgeschaffenen Christen des leidigen Satans Betrug und Täuscherei desto besser merken, und dass er so viel nicht vermöge, wie bisher dafür gehalten worden, wohl erkennen [6] können. Auch wird hinfürder desto weniger unschuldiges Blut vergossen werden, nach welchem sonst den leidigen Teufel, als der ein Mörder von Anbeginn an gewest, ohn Unterlass hüngert und dürstet. Dessgleichen wird auch gemeiner Landfried, welchem er als der Stifter alles Lärmens zum Bittersten feind, so leichtlich nicht zerstöret werden können. So werden sich auch die Regenten und Obrigkeiten für dem nagenden Wurm des Gewissens desto weniger zu fürchten haben; und wird endlichen so des Teufels Gewalt und Reich von Tag zu Tag je länger je mehr abnehmen, fallen und brechen, dagegen aber das Reich unsers Herrn Christi je länger je weiter sich ausbreiten.“

Buch II. Kap. 1. „Also ist nun gewiss und offenbar, dass vielerlei Schwarzkünstler, auch für dieselben in hebräischer, griechischer und lateinischer Zungen mancherlei Namen sind. Aber unsere Teutschen nennen den Handel kurz und geben ihnen allensammen den einzigen Titel Zäuberer. Daher kommt es auch, dass alsbald man die Hexen und Hexenmeister zu Red wird, den allernächsten die Zäuberer des ägyptischen Königs Pharaonis, deren Hanthierung aber weit ist vom Hexenwerk gewesen, anzeucht und auf die Bahn bringt. Derhalben nehm ich kein Blatt für das Maul, sondern sag's gut rund, dass alle teutschen Scribenten, welche ich noch gesehen und gelesen hab, in diesem Argument, wiewohl sie es vornen her mit herrlichen Titeln schön aufmutzen und allein auf die heilige Schrift sich berufen, hören lassen, jedoch alle sammt und sonders des rechten Zwecks verfehlt und an einen Stock gefahren sind. Und das um so viel mehr, dieweil ich sehe, dass sie den elenden, arbeitseligen Zaubervetteln, das Ungewitter und Leibsverletzungen betreffend, gar zu viel zumessen und sie hiedurch ohn alles Urtheil, Unterschied und Erbärmde dem Henker an die Hand geben und im Rauch gen Himmel schicken.“ Weier will nun unter denen, welche man bisher in eine Kategorie zusammenwarf, drei Klassen unterschieden haben:

1) „Des Teufels Eidgeschworene, die Magi infames, [7] d. i. Zäuberer und Schwarzkünstler, welche wissentlich und willentlich mit Hülf und Beistand der bösen Geister allerlei Verblendung und eitel vorschwebende Phantaseien unseren Augen entgegenwerfen, auch durch ihr Wahrsagen und Versegnen ihren Nächsten hinters Licht führen und das edel Studium der Medicin mit ihren teuflischen Betrügereien beflecken.“ Zwischen Magie und Theurgie will er keinen Unterschied gelten lassen: „es sind zwei Paar Hosen eines Tuchs.“

2) „Hexen sind Weibsbilder, mehrtheils schwache Geschirr, betagtes Alters, ihrer Sinnen auch nicht aller Dinge bei ihnen selber, in welcher arbeitseliger elenden Vetteln Phantasei und Einbildung, wann sie mit einer Melancholei beladen oder sonst etwa zaghaft sein, der Teufel sich als ganz subtiler Geist einschleicht und verkreucht, und bildet ihnen durch seine Verblendung und Täuschereien allerlei Unglück, Schaden und Verderben anderer Leut so stark ein, dass sie nicht anders meinen, dann sie haben's gethan, da sie doch der Sachen allerdings unschuldig sein.“ Anderwärts sagt er: „Lamiam heisse ich ein solches Weib, welches mit dem Teufel ein schändliches, grausames oder imaginirtes Verbündniss aus freiem Willen, oder durch des Teufels Anreizung, Zwang, Treiben, heftiges Anhalten um seine Hülf, etzliche böse Ding durch Gedanken, unheilsames Wünschen, zu begehen und zu vollbringen vermeint, als dass sie die Luft mit ungewöhnlichem Donner, Blitz oder Hagel bewegen, ungeheuer Ungewitter erwecken, die Früchte auf dem Felde verderben oder anderswohin bringen, unnatürliche Krankheiten der Menschen oder Viehe zufügen, solche wiederumb heilen und abwenden, in wenig Stund in fremde Land weit umherschweifen, mit den bösen Geistern tanzen, sich mit ihnen vermischen, die Menschen in Thiere verwandeln und sonsten tausenderlei närrische Dinge zeigen und zu Werk bringen können, wie dann die Poeten viel Lügen hiervon erdichtet und geschrieben, dem Sprichwort nach: Pictoribus atque poëtis quidlibet audendi semper fuit aequa potestas.“

3) „Veneficae, welche mit angeboten, angestrichen [8] oder an Ort und End, da es mit dem Athem angezogen mag werden, hingelegten Gift beide die Menschen und das Vieh härtiglich beschädigen und verletzen. — Zwischen den Zäuberern, Hexen und Giftbereitern, welche doch bisher in ein Zunft und Gesellschaft gerechnet, ist ein langer, breiter und dicker Unterscheid.“

Die Schwarzkünstler und Giftmischer nun will Weier mit dem Tode bestraft haben; auf die sogenannten Hexen aber seien die im Pentateuch und im römischen Recht enthaltenen Strafandrohungen mit Unrecht bezogen worden. Der Kanon Episcopi breche sogar dem ganzen Hexenglauben den Stab, indem er denselben für das Erzeugniss einer kranken Phantasie erkläre. Die Hexenbrände seien desshalb eine Ungerechtigkeit. „Die wahnwitzigen, vom bösen Geist gefatzten Mütterlinen, welchen der Dachstuhl verrückt ist, so doch keine sonderbare Missethat begangen, hat man ohn alles Erbarmen in tiefe, finstere Thürn geworfen, für Gericht gestellt, zum Tod verdammt und endlich in dem Rauch gen Himmel geschickt, aus Ursach, dass man allein auf ihr blosse Bekanntniss und Bericht aushin führe, auch nicht genugsam, was zwischen einer Unholden und einer Giftköcherin Unterschieds sei, erwäge.“ „Von der Art der Prozesse kommt es, dass solche arme, geplagte Leut viel lieber einmal im Feuer sterben wollen, denn so unmenschlicher Weise so vielmal aus einander gestreckt und unverschuldter Weise geplagt und gemartert zu werden. Noch wollen's etwan die unbarmherzigen Leute und Peiniger nicht erkennen, dass oftmals unschuldig Blut vergossen und durch die grosse Pein hingerichtet worden. Denn wenn die Armen, wie oftmals geschieht, von der schweren Tortur ihre leiblichen Kräfte verlieren und in dem Gefängniss ihr Leben enden, alsdann wollen die Richter in diesem ihre Entschuldigung fürwenden, dass sie sagen, die armen gefolterten Leute haben sich selbst im Gefängniss umbracht, seyen verzweifelt und der Teufel habe ihnen den Hals gebrochen, damit sie zu öffentlicher Straf nicht seyen geführet worden.“

Unwissende Aerzte und intriguante Kleriker sind die [9] Hauptbeförderer des Hexenglaubens[9]. „Die Münche rühmen sich der Arznei, deren sie sich aber eben wie ein Kuh Sackpfeifens verstehen. Sie überreden die unverständigen Leute, dass eine Krankheit von Zauberern komme. Hierdurch hängen sie mancher unschuldigen, gottesfürchtigen Matronen ein solch Schlötterlein an, das weder ihr, noch ihren Nachkommen der Rhein zu ewigen Zeiten nimmermehr abwäscht. Denn sie je vermeinen, der Sach sey nicht genug geschehen, wenn sie allein in Anzeigung und Entdeckung der Krankheiten Ursprung und Herkommen ein Puppen schiessen, sondern sie müssen auch die Unschuldigen verleumden und Verdacht machen, bei leichtgläubigen Leuten untödtlichen und nimmer ablöschlichen Neid und Hass anzünden, mit Zank und Hader ganze Nachbarschaften erfüllen, Freundschaften zertrennen, das Band der Blutsverwandtschaft auflösen, zu Scharmutz und Streit, also zu reden, Lärmen schlagen, Kerker und Gefängnisse zurüsten und aufs allerletzt Todschläg und Blutvergiessen auf mancherlei Weise anstiften, nicht allein der unschuldigen, falsch angegebenen und verdachten Weiber, sondern auch derer, so sich ihren mit einem Wörtlein annehmen und sie zu vertheidigen unterwinden dürfen. Dass der Sach aber in Wahrheit also sey, darf ich eigentlich, kein Blatt für das Maul genommen, bezeugen, und wenn ihnen schon der Kopf zu tausend Stücken zerspringen sollt. Denn es erfährt's und rühmt's ihr Prinzipal Beelzebub, dass diese fleischlichen, oder geistlichen sollt ich sagen, Personen, so zu seinem Fürnehmen treffliche gute Werkzeug sind, mehrertheils unter dem Deckmantel der Geistlichkeit ihren Dienst ihm treulich und unverdrossen leisten: welche entweder von Gelds oder Ehrgeiz wegen ihre eigenen und auch anderer Leute Seelen dem Teufel so schändlich auf den Schwanz binden und hieneben die uralte fast nützliche, ja nothwendige Kunst der Medicin mit solchem falschen Wahn des Verhexens in natürlichen Krankheiten beflecken und besudeln.“

[10]

Von der Art, wie zu Weier's Zeit sich manche Priester bei der Heilung von Zauberschäden benahmen, zwei Beispiele.

„Es hat einer aus dieser beschorenen Rott kürzlich ein erdichtet, erlogen Gespräch in Druck verfertigt, doch allein in deutscher Zungen (denn vielleicht das Latein um das liebe Herrlein ziemlich theuer ist gewesen): es sey nämlich vor etlich Jahren einem Weibe das Bäuchlein dermaassen aufgegangen, dass Jedermann, sie gehe schwanger, gänzlich vermeinet habe. Und dieweil sie guter Hoffnung, sie würde noch vor Fastnacht des Kinds genesen, und aber solches wider ihre Hoffnung nicht beschehen, habe sie bei ihm Rath und Hülf gesucht, da habe er ihr einen Trank eingegeben, dadurch er bei seinem geschworenen Eid zwo Kannen Kirschenstein, die zum Theil schon angefangen grünen, zum Theil aber eines Fingers lang aufgeschossen, von ihr getrieben habe. Es wird dieser Kauz die Anatomica etwan nicht wohl gestudirt haben; denn dass es eine lange, breite, dicke Lügen sey, mag ein Jeder dabei wohl leichtlich abnehmen“[10].

„Eben dieser Gaukler hat in einer berühmten Stadt in Geldern, da ich vor Zeiten Stadtarzt gewesen, ein Klosterfräulein, so mit etwas Krankheit beladen, gänzlich überredet, sie sey veruntreuet worden, es sey ihr auch durch kein ander Mittel zu helfen, es werde ihr denn das Amt der heiligen Mess auf dem Bauch gehalten. Welches als es ihm zugelassen und vergönnt, ist ihre Sache zehnfältig böser geworden, denn sie vor nahem nicht mehr denn von einer natürlichen Krankheit beschwert, hat aber nachmals nicht anders, denn als ob sie verzaubert wäre, angefangen zu wüthen, dass es ihm von der Aebtissin oder Priorin oft verwiesen und unter die Nasen gestossen worden. Aber es seyn doch diese Zoten wie lahm sie immer wollen, so hat doch dieser spöttliche Brillenreisser und Merlinschreiber seine Kunden, die ihm anhangen und ihn, vielleicht dass [11] sie mehr Geistlichkeit und Andacht, als aber ist, hinter ihm suchen (denn er Amts halben ein Pfarrherr ist) gar hoch achten.“

Das achtzehnte Kapitel des zweiten Buchs zieht gegen die unwissenden Aerzte, besonders die anmassenden Jünger des Paracelsus, zu Felde. Die Chemie aber will Weier nicht verachten.

„Darzwischen aber bin ich nicht darwider, dass es aller ungeschickter Knöpfen, die sich der Arznei unverschämt und betrüglich rühmen, einige und allgemeine Zuflucht sei, wenn sie einer Krankheit Ursach und noch viel minder mit was Mittel ihr zu begegnen sey, nicht wissen und desshalb aus ihrer Unwissenheit, wie ein Blinder von der Farben ein Urtheil fällen müssen, dass sie denn allernächsten, es sey der Mensch verzäubert oder veruntreuet, fürwenden, wöllen also mit diesem Deckmäntelein ihre Unwissenheit und Unerfahrniss in Sachen dieser theuren Kunst verstreichen und verdecken, die Händ wäschen, nach dem Sprichwort, aufstehen und von dannen gehen, nicht anderst denn wie das ungehöbelt Geschwärm der Chirurgen oder Wundärzten, ich hätte schier gesagt der Kälberärzten, auch thun, welche dem allernächsten, so sie Gangrenam, Sphacelum, Phagedenam oder andere zornige unheilsame Geschwer nicht heilen können, S. Quirino, Antonio und andern Heiligen sie zuschreiben. Welche doch Anfangs so bös nicht gewesen, sondern durch ihr Salben und Schmieren, so sie aus keinen gewissen Gründen wissen, sondern allein aus wenig ungewissen Erfahrnissen muthmassen und auf des Schleifers Lebkuchen und gerad wohl hin brauchen, erst so bös worden sind. Aber damit die Schälk nicht müssen Nachred besorgen, oder etwan, dass man mit ihnen gar für die Schmitten fahre, gewärtig seyn, wissen sie sich nit besser denn mit solcher Ausred zu beschönen und aus der Sach zu schleichen.“

Die Facta in Betreff der fremdartigen Gegenstände, die sich zuweilen im menschlichen Körper finden sollen, wie Haarknäuel, Eisenstücke, Steine, Nadeln, Sand u. dgl. im Magen und Darmkanal, leugnet Weier nicht, erklärt [12] sie aber durch diabolische Besessenheit, nicht durch Behexung.

Mit Beifall verweilt er bei dem weisen Verfahren seines Herrn, des Herzogs von Cleve, in Zaubersachen. Ein Bauer, dessen Kühen die Milch ausblieb, hatte einen Wahrsager befragt, und dieser des Maiers junge Tochter als Hexe angegeben. Das Mädchen ward ergriffen, gestand, was man wollte, und bezeichnete noch sechszehn Weiber als Mitschuldige. Als nun der Herzog um die Genehmigung weiterer Schritte angegangen wurde, befahl er, den Wahrsager zu verhaften, das Mädchen in einen guten Religionsunterricht zu geben, die sechszehn Weiber aber ungekränkt zu lassen. „Wollte Gott“ — fährt Weier fort, „dass alle Obrigkeiten diesem Exempel nachkämen, so würde nicht so viel unschuldiges Blut dem Teufel zu gefallen vergossen werden. Aber es ist fürwahr hoch zu bedauern, dass oftmals der Fürsten Räth, auch andere Fürgesetzten und Amtleute so ungeschickte Schlingel seyn (— die es nicht antrifft, verzeihen mir —), dass sie weder in dieser, noch in einigen andern zweifelhaftigen Sachen ein recht satt Urtheil fällen können, und derhalben nirgends anders wohin, denn dass es Blut koste, sehen und sich richten können.“

Das Aufsehen, welches Weier's Buch machte, war daher ungemein, seine wohlthätigen Wirkungen freilich nur von allzukurzer Dauer. Binnen vierzehn Jahren erschienen fünf Auflagen, und 1586 besorgte Fuglinus eine deutsche Uebersetzung[11]. Viele Gelehrte, besonders Aerzte, gaben einen lauten Beifall zu erkennen, der edle Cujacius schätzte das Werk[12], und Johann Brentz, Probst zu [13] Stuttgart, trat in einen Briefwechsel mit dem Verfasser, worin er bei grosser Hochachtung vor dessen humanen Bestrebungen das Ansehen der Strafgesetze dadurch zu retten suchte, dass er den Hexen, deren Unvermögen Hagel zu machen er selbst in früheren Predigten behauptet hatte, wenigstens einen strafbaren Conat beimass. Vom Pfalzgrafen Friedrich, dessen theologische Fakultät Anfangs noch scharf hinter den Hexen her gewesen war[13], rühmt Weier selbst, dass er bald der Stimme der Vernunft Gehör gegeben habe; Aehnliches sagt er von der clevischen Regierung und vom Grafen von Nieuwenar. Letzterer begnügte sich, eine geständige Angeklagte des Landes zu verweisen, hauptsächlich aus Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit. Dieses Beispiel fand bald in Worms und anderwärts Nachahmung. Nehmen wir hierzu noch, dass man auch in Württemberg um dieselbe Zeit wenigstens zu grösserer Vorsicht im Verfahren sich bequemte, eine gründlichere Generalinquisition und deutlichere Indizien verlangte und, — was als etwas Besonderes hervorgehoben wird, — zur Folterung niemals anders als auf gerichtliches Erkenntniss schritt[14]: so bleibt kein Zweifel [14] daran übrig, dass Weier's Buch dem Hexenprozesse im deutschen Reiche einen harten Stoss gegeben hat. Er selbst spricht in seinen späteren Schriften mit Befriedigung über die Erfolge seines Kampfes; Crespet klagt über die Rückwirkungen desselben auf Frankreich; das glänzendste Zeugniss aber hat ihm, ohne es zu wollen, der fanatische Bartholomäus de Spina ausgestellt. „Die Pest des Hexenwesens“, sagt der Magister sacri palatii, — „ist gegenwärtig so arg, dass neulich in einer Versammlung Satan, der, wie einige der vom Inquisitor Verhafteten ausgesagt haben, in Gestalt eines Fürsten erschien, zu den Hexen sprach: Seid alle getrost; denn es werden nicht viele Jahre vergehen, so triumphirt ihr über alle Christen, weil es mit dem Teufel vortrefflich steht durch die Bemühungen Weier's und seiner Jünger, die sich gegen die Inquisitoren mit der Behauptung aufwerfen, dass diess alles nur thörichte Einbildung sei, und so diese gottlosen Apostaten begünstigen und in ihren Ketzereien indirekt bestärken. Denn sähen sich nicht die Väter Inquisitoren gehemmt durch die Bedenklichkeiten dieser Leute, auf deren Aussprüche oft die Fürsten wie auf die Worte der Weisen horchen und der Inquisition die schuldige Hülfe entziehen, so wäre durch den glühenden Eifer besagter Inquisitoren diese Sekte bereits gänzlich ausgerottet, oder wenigstens aus dem Gebiete der Christenheit verjagt“[15].

Satan hatte diessmal auf Weier's Wirksamkeit allzu kühne Hoffnungen für die Ungestörtheit seiner Verbündeten gebaut. Der Theorie und der Praxis war von dem muthigen Arzte allzu derb auf den Fuss getreten worden, als dass sich nicht beide zum Bunde gegen ihn hätten die Hand reichen sollen. Kaum hatte man sich daher von der ersten Ueberraschung etwas erholt, so eröffneten Gesetzgeber, Richter und Gelehrte aus den vier akademischen Fakultäten gegen ihn einen dreissigjährigen Krieg, in welchem nur wenige, obwohl achtungswerthe, Bundesgenossen ihm zur Seite standen, und an dessen Ende das [15] von ihm vertheidigte Gebiet der Vernunft ein erobertes Land war, in welchem die Barbarei für mehr als ein ganzes Jahrhundert ihr blutiges Panier aufpflanzen durfte.

Zuerst begannen ein angeblicher Fürst della Scala und der pseudonyme Leo Suavius (eigentlich Johannes Campanus), ein französischer Paracelsist, das Geplänkel; Weier schrieb gegen sie eine Apologie[16] und wies sie mit siegender Derbheit zurück. Dann trat die schon oben erwähnte kursächsische Kriminalordnung hervor (1572) und verkündete mit Ueberbietung der Carolina folgende Strafbestimmung: „So jemands in Vergessung seines christlichen Glaubens mit dem Teufel ein Verbündniss aufrichtet, umgehet, oder zu schaffen hat, dass dieselbige Person, ob sie gleich mit Zauberey niemands Schaden zugefüget, mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet und gestraft werden soll.“ Man sieht, wie in dem protestantischen Lande der Fürst als summus episcopus auch das geistliche Moment vertrat, während die Carolina vom Umgang mit dem Teufel schweigt und nur eine äussere Rechtsverletzung mit dem Scheiterhaufen bedroht. In den Motiven zu dieser Kriminalordnung wird Weier vornehm abgefertigt; er sei Arzt, nicht Jurist.

Zunächst trat dann eine theologische Auctorität für den Hexenglauben und die Hexenverfolgung in die Schranken, indem der berühmte Lambert Danäus — der eigentliche Vater der reformirten Moraltheologie, als selbstständiger theologischen Disciplin — 1575 zu Köln seinen Dialog De veneficis, quos olim sortilegos, nunc autem vulgo sortiarios vocant, herausgab, worin die im Hexenhammer vorgeschriebene Auffassung und Verfolgung der Hexerei (z. B. auch das Abscheeren der Haare vor der Tortur) vom theologischen Standpunkte aus vollständig gerechtfertigt ward. Des heidelberger Arztes Thomas Erastus Buch de lamiis et strigibus (1577), in dialogischer Form, [16] angefüllt mit dem seit dem Malleus längst Gewohnten und ohne polemische Taktik, machte jedoch mehr eine Demonstration, als einen wirklichen Angriff[17].

Zwei oder drei Jahre später trat der in Frankreich hoch gefeierte Philosoph Jean Bodin (1530, †1596), Heinrich's III. Günstling, und bereits durch seine staatsphilosophischen Träumereien bekannt, mit seinem Traité de la démonomanie des sorciers (Paris, 1580, 4o.) hervor[18]. Bodin hatte bei einigen Hexenprozessen als Richter den Vorsitz geführt und mit unglaublichem Eifer sich in die auf Zauberei und Hexenwesen bezügliche Literatur vertieft. Dadurch war es ihm klar geworden, dass im Volksglauben aller Völker und aller Zeiten die Realität des Hexenwesens verbürgt sei. Er wusste auch über zahllose Hexenprozesse und über die Motive der Verurtheilung einer Legion von Hexen zu berichten, wesshalb in seinen Augen das Auftreten Weier's nichts anderes als eine auf der lächerlichsten Selbstüberschätzung beruhende Missachtung einer jedem vernünftigen Menschen von selbst einleuchtenden Auctorität und zugleich Gottlosigkeit war. Nicht zwecklos ist das Buch dem Präsidenten des seit langer Zeit besonneneren pariser Parlaments in äusserst schmeichelnden Ausdrücken gewidmet. Ueberall ist man dem Verfasser zu lau, obgleich er anerkennt, dass unter Heinrich weit mehr zur Vertilgung der Hexen geschehe, als unter der vorigen Regierung. Er fordert die Richter auf, aus eigenem Antriebe einzuschreiten und nicht erst die Schritte des königlichen Prokurators abzuwarten; ja er will nach Mailänder Sitte Kasten mit Deckelspalten in den Kirchen [17] eingeführt wissen, um die Denunciationen zu erleichtern. Er zählt fünfzehn einzelne Verbrechen auf, aus welchen die Zauberei sich zusammensetze, und beweist daraus eine fünfzehnfache Todeswürdigkeit. Dem Werke hängte Bodin eine ausführliche Widerlegung Weier's an, um, wie er sagt, die durch diesen angegriffene Ehre Gottes zu schirmen. Diese Vertheidigung nun beruht, ausser der Wiederholung der alten Fabeln und der Berufung auf die Ergebnisse der neueren Praxis, hauptsächlich auf der boshaften Taktik, Weier mit dem Doktor Edelin auf gleiche Stufe zu stellen und zu insinuiren, dass er des verdächtigen Agrippa Schüler war. Ohne Zweifel hätte es der französische Philosoph gerne gesehen, wenn sein Gegner auch Edelin's Ausgang genommen hätte[19]. Bodin ist indessen eine Auctorität geworden, und selbst im Auslande hat man sich oft auf ihn bezogen[20].

Wenige Jahre nach Bodin begegnet uns der deutsche, protestantische Philosoph Wilhelm Adolph Scribonius, Professor zu Marburg, als Parteigänger in dem grossen Kampfe. Seine zufällige Anwesenheit zu Lemgo, als man gerade mit einem Weibe die kalte Wasserprobe vornahm, veranlasste es, dass die Herren vom Rathe, selbst noch [18] ungewiss über die Rechtmässigkeit des Geschehenen, den damals viel geltenden Gelehrten um ein nachträgliches Gutachten baten. Dieser entwarf in Folge dessen im Jahr 1583 gegen Weier's Einwendungen ein so seichtes Sendschreiben zur Rechtfertigung des Hexenbades[21] und verwickelte sich in eine so unhaltbare Deduktion über die spezifische Schwere der Dämonen und ihrer Gehülfen, dass er sich alsbald von einigen in der Physik festeren Aerzten nachdrücklichst befehdet sah und dass selbst bei manchen erklärten Hexenverfolgern jene Probe in Misskredit brachte[22].

Einen wuchtigen Schlag führte damals in England ein Laie, Reginald Skot, der als Privatmann zu Smeeth lebte und 1599 starb, durch Veröffentlichung seiner Schrift Discovery of witchcraft aus[23]. Skot deckte in seinem Buche den Trug des Hexenglaubens mit einer Kühnheit auf, die vor ihm noch kein Schriftsteller gewagt hatte. Unerschrockenen Muthes legte er es in beredtester Sprache dar, mit welcher Grausamkeit die Geständnisse erpresst und mit welcher Lüderlichkeit die Indizien beschafft würden. Er zeigte, dass die Gaukeleien, welche man dem Teufel und den Hexen zuschreibe, nichts als Absurditäten und Gemeinheiten wären, die auf gar nichts beruhten. Dabei legte Skot nicht nur an den gesunden Menschenverstand, sondern auch (sehr geschickt) an das protestantische Bewusstsein seiner Landsleute Berufung ein, um ihnen [19] ein von der katholischen Inquisition aufgestelltes Verfolgungssystem gehässig erscheinen zu lassen.

Was die Hexenfeinde des strikten Glaubens am meisten verdross, war, dass sie in ihrem eigenen Lager eine Spaltung entstehen sahen. Denn Viele, die an der Befähigung der Hexen zum Schadenstiften und an der Strafbarkeit derselben im Allgemeinen festhielten, wollten doch wenigstens den Luftflug, den Sabbath und den Concubitus nicht mehr als wirklich gelten lassen. Der gelehrte Frankfurter Jurist Joh. Fichard gestand in seinen „Consilien“ (z. B. Tom. II. Cons. 113 vom Jahr 1564), dass er die nächtlichen Teufelstänze und Mahle und die Vermischung des Teufels mit Frauen für nichts Anderes als für Träumereien und Täuschungen halte, wegen deren man nicht auf Feuertodesstrafe erkennen dürfe (wobei er freilich im Uebrigen ganz vom Hexenglauben befangen erschien, und auf den Feuertod erkannte, wenn Hexen gestanden, dass sie durch Erregung von Gewittern oder in anderer Weise Schaden verursacht hätten). — Noch entschiedener als Fichard trat der mecklenburgische Jurist Joh. Georg Godelmann auf[24]. In Vorlesungen, die er im Jahr 1584 in Rostock über die Carolina gehalten hatte, und die er später erweitert unter dem Titel herausgab: Tractatus de magis veneficis et lamiis deque his recte cognoscendis et puniendis, sagt er unter Anderem (Lib. III. cap. 11): „Die Hexen gestehen entweder Mögliches, nämlich dass sie Menschen und Vieh durch ihre magische Kunst und Zauberei getödtet haben, und wenn sich dieses so erfindet, so sind sie nach Art. 109 der Carolina zu verbrennen; oder sie gestehen Unmögliches, z. B. dass sie durch einen engen Schornstein in die Luft geflogen seien, in Thiere sich verwandelt, mit dem Teufel sich vermischt haben, und dann sind sie nicht zu strafen, sondern vielmehr mit Gottes Wort besser zu unterrichten; oder endlich gestehen sie einen Vertrag mit dem Teufel, in welchem Falle sie mit einer ausserordentlichen Strafe, z. B. Staupenschlag, [20] Verbannung oder Geldstrafe (wenn sie reuig sind,) belegt werden können. — Diese Strafe soll ihrem Leichtsinn gelten, weil sie den teuflischen Einflüsterungen nicht standhaft genug widerstanden, ja sogar denselben zustimmten.“ — In einem anderen, dem Lib. III. jenes Werkes vorgedruckten Gutachten von 1587 sagt Godelmann: „Was das Reiten und Fahren der Hexen auf Böcken, Besen, Gabeln nach dem Blocksberg oder Heuberg zum Wohlleben und zum Tanz, desgleichen auch die fleischlichen Vermischungen, so die bösen Geister mit solchen Weibern vollbringen sollen, anbelangt, achte ich nach meiner Einfalt dafür, dass es ein lauter Teufelsgespinst, Trügerei und Phantasie ist. Dergleichen Phantasie ist auch, dass Etliche glauben, dass die Hexen und Zauberer in Katzen, Hunde und Wölfe können verwandelt werden. Denn dass solche Veränderung unmöglich sei, ist bereits in einem alten Concilio, so zu Ancyra gehalten (Kanon Episcopi!), geschlossen worden. — Endlich wird auch den Hexen vorgeworfen, dass sie böse Wetter machen können, so doch Wettermachen Gottes und keines Menschen Werk ist. — Derentwegen kann kein Richter Jemanden auf solche Punkte peinigen, viel weniger tödten, weil derselbigen mit keinem Wort in der Peinlichen Halsgerichtsordnung gedacht wird.“

In demselben Sinne veröffentlichte damals Augustin Lercheimerus 1585 zu Heidelberg ein „Bedenken von der Zauberey“, welches 1593 auch zu Basel, 1597 zu Speier neu edirt ward. Lercheimer sagt: „Die Hexen werden in ihrem Sinn betrogen in Buhlschaft mit dem Satan. Ist kein natürlich Werk, noch wahre natürliche Lust dabei, wie sie selbst bekennen. — Denn was kann ein Geist und ein Leib miteinander schaffen? — Und dass es zu mehrmalen eine Fantasey und eine Einbildung sei, zeigen die Hexen damit an, dass sie bekennen, sie seien vom Geiste beschlafen, da sie bei ihrem Manne im Bette gelegen und er habs nicht empfunden.“ — Selbst der strenge Ketzerrichter Hard. a Dassell (Verf. des oben erwähnten Responsum von 1597,) war der Meinung, dass sehr oft die [21] Aussagen von Frauen über ihre Hexenfahrten, ihre Buhlerei mit dem Teufel etc. auf Einbildung und Träumerei beruhten.

Inzwischen begann in Frankreich eine Denkweise durchzubrechen, welche sich vor Allem dadurch kennzeichnete, dass sie von jeder Auctorität und Tradition unabhängig, principiell Alles, was nur auf dieser Grundlage ruhte, in Zweifel zog. Der „Philosoph“, der mit dieser Anschauungsweise zuerst (1588) hervortrat, war der originelle Michel de Montaigne, ein Gelehrter, der seinen Ruhm weit weniger der Tiefe seines Geistes als der Kühnheit seiner Skepsis verdankt. Seiner Meinung nach war von dem, was man über die Hexen und deren Treiben sagte, gar nichts verbürgt; vielmehr sei anzunehmen, dass es theilweise mit ganz natürlichen Dingen zugehe, theilweise auf Sinnentäuschung, beziehungsweise auf Lüge beruhe. Er meint, es sei weit wahrscheinlicher, dass unsere Sinne uns täuschen, als dass ein altes Weib auf einem Besenstiel im Schornstein hinauffahre; und es müsse weit weniger befremden, wenn Zungen lügen, als wenn Hexen die angeblichen Thaten ausführten. Darum möge man den Weibern, wenn sie ihre Nachtfahrten u. dgl. eingestehen wollten, lieber Niesswurz als Schierling zuerkennen. C'est mettre, sagt er, ses conjectures à bien haut prix, que d'en faire cuire un homme tout vif!

Was nun Montaigne in der Form eines Zweifels ausgesprochen, das wurde von dem gleichzeitigen Skeptiker, dem Grossvikar Pierre Charron zu Paris (†1603) geradezu geleugnet und bekämpft, und es begann jetzt in Frankreich eine Weltanschauung herrschend zu werden, die alles Wunderbare mit Widerwillen betrachtete, die Alles aus einem natürlichen Zusammenhange erfassen wollte, und daher in dem Hexenglauben nichts anderes als Wahn und Trug erkannte.

Um gegen solche Freigeistereien wenigstens die Hauptbasis des Hexenprozesses, die Glaubwürdigkeit der Bekenntnisse, zu retten, schrieb der trierische Suffraganbischof Peter Binsfeld 1589 seinen Traktat de confessionibus [22] maleficorum et sagarum und gab denselben zwei Jahre darauf, besonders zum Gebrauch der baierischen Gerichte, wo er Beifall gefunden hatte, neu bearbeitet heraus[25]. Die Realität des Pactums wird darin gegen Weier aus der Versuchungsgeschichte Jesu dargethan; die Auctorität des Kanons Episcopi aber, als einer von ganz andern Dingen redenden Stelle, abgewiesen. Kirchenväter, Scholastiker und die Bekenntnisse der damals im Trierischen stark verfolgten Hexen liefern die Beweise für die Wahrheit eben dieser Bekenntnisse. Binsfeld's Schrift hat in der Praxis Ansehen erlangt, er selbst aber den traurigen Ruhm, an dem Sturze zweier Ehrenmänner, die dem blutigen Treiben entgegentraten, mitgewirkt zu haben.

Cornelius Callidius Loos (Loseus), um 1546 zu Gouda in Holland geboren (in seinen Schriften sich auch Cornelius Callidius und Finius nennend), Canonicus in seiner Vaterstadt, war zwar ein erklärter Gegner des Protestantismus, der ihn bei Einführung der Reformation von seiner Stelle vertrieben hatte, aber einer der wenigen Aufgeklärten des Jahrhunderts, die in der ganzen Hexerei und ihren Wirkungen nur Trug und Einbildung und in der Hexenverfolgung eine „neue Alchymie“ erkannten, nach welcher man „aus Menschenblut Gold und Silber mache“[26]. Im Trierischen, wohin er sich geflüchtet, fand er unter [23] dem schwachen Johann VI. alle Gräuel des Hexenprozesses vor. Schon früher durch einige gelehrte Streitschriften bekannt, schien er gerade der Mann zu sein, von dem man eine siegende Widerlegung Weiers erwarten durfte. Als er jedoch nach einiger Zeit eine Schrift, de vera et falsa magia betitelt, zu Köln in Druck geben wollte, fand es sich, dass er darin die Unwissenheit, Tyrannei und Habsucht der Hexenverfolger aufs Rücksichtsloseste gezüchtigt hatte. Das Manuscript ward confiscirt, er selbst auf Befehl des päpstlichen Nuntius im Kloster St. Maximin bei Trier eingekerkert und zum schimpflichsten Widerruf gezwungen, den er am 15. März 1592 vor dem Generalvikar der Diözese Trier, Peter Binsfeld, und dem Abt des Klosters ablesen und unterzeichnen musste. Die Anführung einiger Artikel dieses (sechszehn Artikel umfassenden) Widerrufs wird den Geist seines Wirkens und die Grösse der ihm angethanen Schmach darthun[27].

Art. I. Erstens widerrufe, verdamme, verwerfe und missbillige ich, was ich oft schriftlich und mündlich vor vielen Personen behauptet und als den Hauptgrundsatz meines Traktats aufgestellt habe, dass nur Einbildung, leerer Aberglaube und Erdichtung sei, was man von der körperlichen Ausfahrt der Hexen schreibt; sowohl weil diess ganz und gar nach ketzerischer Bosheit riecht, als auch weil diese Meinung mit dem Aufruhr Hand in Hand geht und darum nach dem Verbrechen der beleidigten Majestät schmeckt.

Art. II. Denn (was ich zweitens widerrufe) ich habe durch heimlich an gewisse Personen abgesandte Briefe gegen die Obrigkeit hartnäckig und ohne haltbaren Grund ausgesprengt, dass die Hexenfahrt unwahr und eingebildet sei, mit der weiteren Behauptung, dass die armen Weiber durch die Bitterkeit der Tortur gezwungen werden, zu gestehen, was sie niemals gethan haben, dass durch hartherzige Schlächterei unschuldiges Blut vergossen und dass [24] mittelst einer neuen Alchymie aus Menschenblut Gold und Silber hervorgelockt werde.

Art. III. Durch dieses und Aehnliches, theils durch Privatunterredungen, theils durch verschiedene Briefe an beide Obrigkeiten, habe ich die Oberen und Richter bei den Untergebenen der Tyrannei beschuldigt.

Art. IV. Und folglich, da der hochwürdigste und durchlauchtigste Erzbischof und Kurfürst von Trier nicht nur gestattet, dass in seiner Diözese die Zauberer und Hexen zur verdienten Strafe gezogen werden, sondern auch eine Verordnung wegen des Verfahrens und der Gerichtskosten in Hexensachen erlassen hat, habe ich in unüberlegter Verwegenheit besagten Kurfürsten stillschweigend der Tyrannei bezichtigt.

Art. V. Ausserdem widerrufe und verdamme ich folgende meine Sätze: dass es keine Zauberer gebe, die Gott absagen, dem Teufel einen Kult erweisen, mit Hülfe desselben Wetter machen und Aehnliches ausführen, sondern dass diess alles Träume seien.“ U. s. w.

Am Schlusse dieser vor Binsfeld protokollirten Palinodie erkannte sich Loos, wenn er rückfällig werden sollte, jeder willkürlichen Bestrafung würdig und wurde sodann aus dem Lande gejagt. In Brüssel fand er nach einigem Umherirren eine Freistätte und Anstellung als Vicarius an einer Kirche. Bald trat er mit seinen Sätzen von Neuem hervor und büsste dafür als Rückfälliger lange Zeit im Kerker. Aus demselben entlassen, betrat er nochmals den alten Weg. Es drohte ihm eben die dritte Anklage, als der Tod am 3. März 1593 zu Brüssel (nach anderer Angabe zu Mainz) ihn aller Verfolgung entzog.

Rascher war es mit dem andern Opfer zu Ende gegangen. Der Doctor Dietrich Flade, kurfürstlicher Rath und Schultheiss zu Trier, einst auch Rektor der Universität, war vielleicht eine von jenen obrigkeitlichen Personen, an welche Loos sich schriftlich und mündlich gewandt hatte[28]. [25] Wenigstens suchte auch er in seinem praktischen Kreise dem Unwesen Einhalt zu thun, indem er Alles aufbot, um die gesammte Hexerei als Chimäre hinzustellen. Doch mochte er noch so nachdrücklich auf den Kanon Episcopi sich berufen, gerade dieses machte man zum Indicium gegen ihn selbst. Wer die Hexen vertheidigte, der war ja selbst der Hexerei verdächtig. „Ihm trat, sagt Delrio, Peter Binsfeld tapfer mit einer gelehrten Widerlegung entgegen und gab seinen Traktat über die Bekenntnisse der Hexen heraus. Flade wurde verhaftet, gestand endlich sein Verbrechen und seinen Betrug, wie Edelin, und wurde lebendig verbrannt. Das gegen ihn geltend gemachte Indizium gründet sich auf eine offenbare Rechtsvermuthung u. s. w.“ Mit ihm fielen zwei Bürgermeister, einige Rathsherren und Schöffen und mehrere Priester. Die Hinrichtung geschah im Jahre 1589. Flade war ein reicher Mann gewesen. Eine Summe von 4000 fl., die er bei der Stadt Trier stehen hatte, wurde auf Befehl des Kurfürsten an die Pfarrkirchen zu frommen Zwecken vertheilt. In späteren Prozessen wird sein Name mehrfach unter den Mitschuldigen beim Hexentanze auf der hetzeroder Haide genannt[29].

Gleichzeitig mit Binsfeld wirkte in dem Nachbarlande Lothringen Nikolaus Remigius, herzoglich lothringischer Geheimerrath und Oberrichter. Aus dem reichen Schatze seiner Amtserfahrungen stellte er seine Dämonolatrie zusammen, die zuerst lateinisch und gleich darauf, ihrer Gemeinnützigkeit halber, auch deutsch erschien[30]. [26] Sie ist dem Richter ein wahres Arsenal in jeder Verlegenheit und führt ihn auf den scheinbar verschiedensten Wegen zu demselben Ziele; es gibt nicht leicht einen Punkt, für welchen der Verfasser nicht aus irgend einem nach Namen und Tag bezeichneten Prozessfall einen Beleg beibrächte. So verficht er zwar die leibliche Ausfahrt der Hexen, lässt aber daneben auch eine eingebildete, obgleich eben so verdammliche bestehen. Die Salbe der Hexen ist zugleich giftig und unschädlich: giftig, sobald sie die Hexe selbst auch nur in der geringsten Quantität aufstreicht; unschädlich, sobald sie in die Hände des Gerichts fällt, und wären es ganze Töpfe voll. Das Weib, dem man ankommen will, ist verdächtig, wenn es oft, und wenn es nie in die Kirche geht, wenn sein Leib warm, und wenn er kalt ist. Während der sechszehn Jahre, dass Remigius dem Halsgerichte beiwohnte, sind, seiner eigenen Angabe zufolge, in Lothringen nicht weniger als achthundert Zauberer zum Tode verurtheilt worden, eben so viele waren entweder entwichen, oder hatten durch die Tortur nicht überführt werden können. Remigius sieht im Ganzen mit Zufriedenheit auf sein Wirken zurück; doch hat er sich eine Schwachheitssünde vorzuwerfen. Einst hatte er nämlich, dem Mitleiden seiner Collegen nachgebend, siebenjährige Kinder, die beim Hexentanze gewesen waren, nur dadurch bestraft, dass er sie, nackt ausgezogen, dreimal um den Platz, wo ihre Eltern den Feuertod erlitten hatten, mit Ruthen herumhauen liess. Seine richterliche Ueberzeugung sagte ihm, dass auch sie den Tod verdient hatten; denn „ein heylsamer Eyffer ist allezeit dem schedlichen eusserlichen Schein der Begnadigung vorzuziehen“[31]. In Würzburg [27] und Bamberg hat man später diesen heilsamen Eifer zu wahren gewusst.

Mit dem Minister Remigius wetteiferte bald ein königlicher Schriftsteller um den Preis in der Bekämpfung des satanischen Reiches, kein geringerer als Jakob I. von Schottland und England, jener Fürst, der so stolz war auf seine Theologie und sein Lateinsprechen. Noch bevor er den englischen Thron bestieg, hatte er seine Dämonologie geschrieben und den Grundsätzen derselben in seinem schottischen Reiche Geltung verschafft[32]. Ein wahres Wort hat er in der Vorrede gesprochen, indem er von Bodin's Dämonomanie versichert, sie sei „majore collecta studio, quam scripta judicio“; aber die Nachwelt muss von der königlichen Dämonologie leider dasselbe sagen. — Jakob unterscheidet zwischen der Magie (auch necromantia) und dem Veneficium (auch incantatio oder Hexerei). Die Venefici sind Sklaven, die Nekromanten Gebieter des Teufels. Zwar gebieten sie nicht absolut, sondern bedingt, nicht kraft ihrer Kunst, sondern vermöge eines Vertrags. Denn um ihnen Leib und Seele abzugewinnen, macht sich der Teufel verbindlich, in einigen untergeordneten Dingen ihrem Befehle zu gehorchen. Die kindischen Beschwörungen zur Heilung, das Nestelknüpfen, die Astrologie und das Horoskopstellen sind nur das ABC des Teufels, wodurch er, da diese Dinge ziemlich unschuldig erscheinen, die Neugierigen in sein Netz lockt. Der hierdurch verführte gelehrte Magier schreitet bald zum mündlichen oder schriftlichen Pactum. Der Teufel ist der Affe Gottes; der Kuss wird ihm auf die Hinterseite gegeben, weil Moses den Herrn auch nur von hinten sehen konnte. Zwei Arten der Hexenfahrt müssen angenommen werden: 1) eine leibliche, wenn die Hexen an nahegelegene Orte theils zu Fuss oder Pferd, theils mit des Teufels Hülfe durch die Luft kommen; 2) eine im Geiste, wenn der Ort so entfernt ist, dass die in einem Moment zu vollendende Reise [28] vermöge ihrer Schnelligkeit die Unmöglichkeit des Athemholens voraussetzen würde. Den Coitus mit den Incuben und Succuben räumt der König ein, nicht aber die Erzeugung von Ungeheuern und wirklichen Kindern. Die Magier sowohl, als die Hexen sollen mit dem Tode bestraft werden. In einem andern, der Ausbildung seines Sohns zum Regenten gewidmeten Werke[33] stellt Jakob unter denjenigen Verbrechen, wo die königliche Begnadigung Sünde wäre, die Zauberei oben an.

Oft liegt dem König die Wahrheit so nahe vor den Füssen, dass er gleichsam darüber stolpert, aber sein dämonenaufspürendes Auge bleibt stets nach den Wolken gerichtet. So antwortet er auf die Frage: warum in Lappland, Finnland, den Orkaden und shetländischen Inseln der dämonische Concubitus häufiger sei, als anderwärts: „Wo die Unwissenheit der Menschen am dicksten ist, da ist auch die Unverschämtheit des Teufels am gröbsten.“ Da, wo er die Wahrnehmung abhandelt, dass es früher mehr Gespenster gegeben habe, jetzt mehr Hexen, heisst es: „So ist's uns auch in England gegangen; denn während der papistischen Finsterniss sah man mehr Gespenster und Geister, als mit Worten auszudrücken möglich ist; jetzt sind sie so selten, dass man in einem ganzen Jahrhundert kaum von einem einzigen Falle hört. Aber damals waren die Hexereien nicht so häufig als jetzt, wo dieselben sich allerdings im höchsten Grade vervielfacht haben.“ Freilich hatte England in den Zeiten des Papismus noch keinen Jakob I., der die Kunst besass, überall Hexereien zu entdecken. Bei näherer Prüfung würde der König gefunden haben, dass er, anstatt zu Gunsten des Papismus Zeugniss zu geben, der bekanntermaassen sowohl vor, als nach der Reformation auf dem Continent in der Hexenverfolgung sich überschwänglich zeigte, sich selbst anzuklagen hatte, indem er dieses Erbstück des Papismus, ohne es als solches zu erkennen, blindlings durch Schrift und Gesetze in alle Adern seiner Völker verbreitete.

[29]

Endlich trat der gewaltigste Verfechter des Hexenprozesses, Martin del Rio (Delrio) hervor, um den Angriffen auf denselben ein für allemal ein Ende zu machen. Delrio war 1551 zu Antwerpen von spanischen Eltern geboren, hatte zu Paris, Douai und Löwen Philosophie und die Rechte studirt und in der letzteren Wissenschaft zu Salamanca den Doktorgrad erlangt[34]. In Brabant wurde er dann in rascher Folge zum Rathe des höchsten Conseils, zum Intendanten der Armee, zum Vicekanzler und Procureur-Général ernannt. Während der Bürgerkriege verliess er die Niederlande und ward Jesuit in Valladolid, kehrte aber bald zurück und lehrte an verschiedenen Universitäten Philosophie und Theologie. Er starb 1608 zu Löwen.

Im Jahre 1599 erschienen seine berühmten Disquisitiones magicae in sechs Büchern[35]. Sie sollten dasjenige leisten, was man von Loos vergeblich erwartet hatte. Unter allen Hexenverfolgern ist Delrio unstreitig der gelehrteste und schlaueste. Stellenweise zeigt er sogar eine gewisse Aufklärung, Liberalität und Billigkeit. Verschiedene Arten abergläubischer Heilungen werden von ihm gründlich bekämpft, um andern, nicht weniger abergläubischen, Platz zu machen. Charaktere, Sigille, Bilder, Zahlen und Worte haben ihm zufolge keine natürliche oder magische Fähigkeit, Krankheiten oder andere Schäden zu entfernen; Amulette besitzen nur insofern Kraft, als dieselbe etwa in ihrem Stoffe liegt. Alle Theurgie oder weisse Magie ist unwirklich; die Dämonen lassen sich vom Menschen nicht zwingen. Diess alles aber bahnt nur den Weg zu dem Grundsatze, dass jene Charaktere, Sigille u. s. w. nur willkürlich verabredete [30] Zeichen seien, unter welchen der Teufel allerdings wirke, nicht gezwungen, sondern in Folge eines Vertrages. Das Pactum mit dem Teufel, in welchem die Abschwörung des Christenthums inbegriffen ist, bildet die Grundlage aller Zauberei; die dämonische Magie zu leugnen, ist ketzerisch. Sie ist der Inbegriff alles Diabolischen und des Todes würdig; gegen sie, wie gegen alle andern Uebel, schützen nur die Heilmittel der katholischen Kirche, wie Segen, Exorcismen, Kreuze, Reliquien, Agnus Dei u. s. w., deren Verdienst gepriesen und durch erbauliche Geschichten beglaubigt wird. Niemand kann in diesen Dingen abergläubischer sein, als Delrio. In der Lehre von den Zaubergräueln folgt er ganz seinen Vorgängern, die er nur an Kenntnissen und dialektischer Gewandtheit übertrifft. Der Kanon Episcopi wird in einer weitläuftigen Abhandlung aller Bedeutung beraubt: er handle weder von den Hexen der neueren Zeit, noch würde er, selbst wenn diess wäre, denselben irgendwie nützen, da er auch diejenigen Weiber, welche die Luftfahrt nur in der Einbildung machen, als Ungläubige (infideles) bezeichne. Die Hexen aber sollen, auch wenn sie Niemanden beschädigt haben, schon blos um ihres Teufelsbundes willen getödtet werden. Auch im Prozesse weiss Delrio sich das Ansehen der Besonnenheit zu geben, indem er unwesentliche Einzelheiten, die gleichwohl grossen Anstoss gegeben hatten, wie das Hexenbad und die Nadelprobe, missbilligt, auch mit schönen Worten zum Maasshalten in der Tortur räth; dabei bleibt ihm aber, wie allen Uebrigen, die Zauberei ein crimen exceptum, wo Alles vom Ermessen des Richters abhängt, und aus dem den Inquisiten von ihm umgeworfenen Netze ist kein Entkommen möglich. Völlige Lossprechung, obgleich rechtlich denkbar, widerräth er; der Richter soll nur von der Instanz entbinden.

Wo Gelehrsamkeit und Sophismen nicht mehr ausreichen wollen, da wird durch vornehmes Naserümpfen, durch Verdächtigen und Schrecken gewirkt. Die früheren Gegner seines Systems oder einzelner Sätze desselben, einen Melanchthon, Alciatus, Agrippa, Weier, Montaigne [31] u. A. macht er lächerlich. Ketzer, einseitige Literatoren, Legisten und Rabulisten müssen schweigen, wo der Jesuit redet, und dürfen sich weder auf den Kanon Episcopi, noch auf den gesunden Menschenverstand berufen; wer keine Hexen glaubt, ist kein Katholik. Seinen künftigen Gegnern aber hält er erst die Katastrophe eines Edelin, Loos und Flade vor, und dann fordert er sie auf, seine Lehre von der Wirklichkeit der Hexenfahrten entweder zu widerlegen, oder anzunehmen. Dieses geschieht in eben demselben Kapitel, in welchem das Läugnen der Hexengräuel als Indizium der Zauberei aufgestellt wird. In der That, von solchem Geschütz vertheidigt, ist Delrio's Werk ein Bollwerk des Hexenprozesses geworden, und mehrere Menschenalter sind vergangen, ehe der erste wirksame Angriff auf dasselbe gewagt wurde. Kaum dass einzelne Stimmen über das Tumultuarische und die unmässige Barbarei der Prozessbehandlung sich vernehmlich zu machen wagten; die Hauptsache blieb unangefochten.

Kurz nach Delrio schrieb sein Landsmann Torreblanca eine Dämonologie in vier Büchern[36]. Sie ist dem Papste Paul V. gewidmet und hat die Approbation des heiligen Officiums. Hieraus folgt von selbst der Schluss, dass sie sich von dem bereits bekannten System nicht entferne[37].


[32]

ZWANZIGSTES KAPITEL.

Die Hexenprozesse in der zweiten Hälfte des sechszehnten und in der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts in den geistlichen Fürstenthümern Deutschlands.

In der Zeit, welche unmittelbar auf den Passauer und Augsburger Religionsfrieden des Reichs folgte, finden wir alle geistlichen Stiftslande desselben von dem Protestantismus so durchdrungen, dass in vielen derselben das evangelische Bekenntniss geradezu herrschend geworden war. In der Mitte der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts beginnt aber in allen geistlichen Fürstenthümern Deutschlands die hierarchische Reaktion einzutreten. Die Werkzeuge derselben waren die damals in alle unter geistlicher Herrschaft stehenden Lande hereingerufenen Jesuiten — oder die „spanischen Priester“, wie das Volk die Fremdlinge nannte, — die zunächst durch Errichtung von Volksschulen, durch gelegentliche Besitzergreifung von Pfarreien und durch die mannigfachen Mittel der inneren Mission ihrem Ziele, der Ausrottung des Protestantismus, immer näher zu kommen suchten. Doch genügten diese friedlichen Mittel zur Erreichung des Zweckes nicht; es musste auch mit Gewalt vorgegangen und durchgegriffen, es musste die Ketzerei durch Ausrottung der Ketzer aus dem Lande geschafft werden, und das hierbei sich am meisten [33] empfehlende und den besten Erfolg versprechende Verfahren war das der Identifizirung oder Vermengung der Ketzerei mit der Hexerei.

Wir fassen daher, um uns diese Vorgänge klar zu machen, diejenigen geistlichen Fürstenthümer ins Auge, über welche uns Nachrichten bezüglich der Hexenverfolgung vorliegen.

Im geistlichen Kurfürstenthum Trier war einst der Kurfürst-Bischof Johann (v. Baden), des Trithemius Freund, von Innozenz VIII. wiederholt zum Beginne der Hexenverfolgung aufgefordert und gedrängt worden. Johann hatte jedoch dieses Ansinnen mit der Erklärung zurückgewiesen, dass es in seinem Lande keine Hexen gebe, wesshalb, so lange er lebte, im Kurfürstenthum Trier keinerlei Hexenverfolgung vorkam. Hernach drang auch hier die reformatorische Bewegung ein. Trarbach bekannte sich 1558 ganz entschieden zur Augsburgischen Confession, und mit Berufung auf ihre angebliche Reichsfreiheit erklärte sich auch die Stadt Trier für dieselbe. Kaspar Olevian, ein geborener Trierer (der einige Jahre später [1563] mit Zacharias Ursinus den Heidelberger Katechismus verfasste), predigte in der Hospitalskirche zu Trier die evangelische Lehre, und die Rathsherrn und Zünfte hielten fast sämmtlich zu ihm[38]. Kurfürst Johann V. (v. d. Leyen), der die Reichsfreiheit der Stadt nicht anerkannte und dieselbe infolge des Anschlusses der Bürgerschaft an die Reformation verlassen hatte, musste daher seine Rückkehr in dieselbe mit Gewalt erzwingen. Wieder im Besitz der Regierungsgewalt begann nun der Kurfürst dieselbe alsbald in der wüstesten Weise zu gebrauchen. Der protestantische Gottesdienst ward ein für allemal untersagt, Todesurtheile und Landesverweisungen machten bald die Führer der evangelischen Bewegung für immer unschädlich, und den Jesuiten, welche der Kurfürst 1560 [34] nach Trier berief, wurde das Weitere überlassen. Mit reichlichster Dotation wurden dieselben von vornherein bedacht, — um sie in Trier recht heimisch zu machen[39]. Indessen steigerte sich dadurch nur die Unzufriedenheit und das Misstrauen[40]. Politische Streitfragen kamen hinzu; es drohte ein Aufstand. Koblenz, welches ebenfalls für sich Reichsunmittelbarkeit in Anspruch nahm, musste 1561 mit Gewalt zum Gehorsam gebracht werden, und noch war der Kurfürst mit der Pacifizirung seiner gegen ihn aufgebrachten Stände beschäftigt, als er 1567 eines plötzlichen Todes starb. Sein Nachfolger Jakob III. (v. Elz) führte gegen die Stadt den sogenannten Bohnenkrieg, der nur durch kaiserliches Gebot geendigt wurde. Vor dem nunmehr ernannten Schiedsgerichte führte die Sache der Stadt der Doktor Kyriander, den die trierischen Geschichtschreiber als einen schlauen Ketzer bezeichnen, der unter der Maske einer historischen Deduction die Geistlichen, Erzbischöfe und Päpste verspottet und verleumdet habe. Kaiser Rudolph II. unterwarf endlich Trier der Landeshoheit des Kurfürsten. Als dieser einzog, ritt an der Spitze des Zuges ein Koch, einen Schaumlöffel von der Länge eines Spiesses in der Hand haltend. Dreimal umkreiste er den Marktbrunnen, schäumte denselben ab und spritzte das Wasser oder den Schaum auf die umstehende Menge, um symbolisch anzudeuten, dass die Stadt abgeschäumt werden müsse. „Doch, — bemerkt der trierische Historiograph, hat man geglaubt, dass diess ohne Genehmigung des Kurfürsten von Andern angestellt gewesen sei“. Wie dem auch sein mag, — zum Abschäumen hatte Jakob weder Zeit noch Gelegenheit; er sah sich bis zu völliger Erledigung der Angelegenheit einen kaiserlichen Commissär [35] zur Seite gestellt und starb wenige Monate nach seinem Einzuge. Es folgte Johann VI. (1581). Die Gesta Trevirorum rühmen ihn als einen klugen, frommen und demüthigen Mann, dessen Aeusseres eher einen Pfarrer, als einen Kurfürsten verrathen habe. Als die um der Religion willen zerfallenen Fürsten ihn zum ersten Male auf dem Reichstage sahen, sollen sie, entzückt von seinem Benehmen, gesagt haben: „Wenn alle geistlichen Fürsten wären, wie dieser, so könnten wir uns bei ihrem Rathe beruhigen.“ Von diesem sanften und demüthigen Manne erzählt nun der Geschichtschreiber weiter: „In der Stadt Trier wucherte noch das von Kaspar Olevianus und Andern gesäete Unkraut der Ketzerei, wovon wir oben im Leben Johann's V. erzählt haben; es war durch den Krieg genährt worden, und Jakob hatte es in den wenigen Monaten, die zwischen dem Kriege und seinem Tode lagen, nicht ausrotten können. Um nun dasselbe zu vertilgen, ächtete Johann VI. durch ein Edikt alle diejenigen, welche nicht binnen einer bestimmten Anzahl von Wochen zur orthodoxen Lehre zurückkehren würden (doctrinam sanam non admitterent). Manche bekehrten sich. Johannes Biener, Goldschmiedmeister, und etliche Andere dagegen wurden aus der Stadt vertrieben; unter diesen auch des Kaspar Olevianus Mutter, welche die den Frauen nöthige Heilkunst verstand, Johannes Steus und Lorenz Streichart, die beiden Drommeten des Bürgerkriegs, und Mehrere vom gemeinen Volk. Die Leichname von Coppenstein und Prück durften nicht innerhalb der Mauern begraben werden; — und so wurde die Stadt gereinigt. Durch gleiches Edikt und gleichen Eifer säuberte er auch Koblenz von der Ketzerei. Dessgleichen verbannte er auf eine ziemlich harte Weise (duro satis modo) die Juden aus der trierischen Erzdiöcese.“

Diess geschah in den Jahren 1583 und 1584, und wir finden nach dieser Zeit im Trierischen allerdings keine Edikte gegen die Protestanten mehr. Wer aber will es glauben, dass durch einige Verweisungen der bis dahin so hartnäckige Protestantismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet [36] worden sei? Zumal in einem Lande, dessen Fürst durch die Steuern, die er den verarmten, von Freund und Feind ausgesogenen Unterthanen auferlegte, sich verhasst machte[41] und die Jesuiten im Uebermaasse beschenkte[42]. Den letzteren flossen vom Volke nur sparsame Almosen zu[43]; sie hatten aber den Bau einer prachtvollen Kirche begonnen. Was half es, die heimlichen Protestanten aufzuspüren, zu überführen und zu verbannen? Ihr Vermögen blieb dann gesetzlich den Erben. Das Haus des Kaspar Olevianus musste der Kurfürst, als er es zum Amthause machen wollte, käuflich an sich bringen[44]; dagegen zog er wenige Jahre später das Vermögen des wegen Zauberei verurtheilten Schultheissen Flade ein und schenkte es an die Kirchen. Die Inquisiten mussten bekennen, dass ihr Zauberwesen sich von dem Einfalle des protestantischen Albrecht von Brandenburg herschreibe[45]. Gerade seit jener Zeit waren protestantische Regungen bemerklich gewesen. Denjenigen, welche gegen die Hexenprozesse sprachen oder schrieben, traten die Jesuiten entgegen, welche die Reformation und die Zauberei in so enge Wechselbeziehung, wie wir oben bei Delrio gesehen haben, zu bringen verstanden. Zweifeln wir noch, dass die grosse Hexenverfolgung zu Trier, die im Jahr 1586 ausbrach, [37] zum Theil nur Fortsetzung der Verfolgung des Protestantismus und eines von jenen Mitteln war, welche der Scharfsinn der Jesuiten ergründet hatte, um die Aufgabe zu lösen, wesshalb sie ins Land gerufen waren?

Von Lothar, dem Nachfolger Johann's, sagt der Geschichtschreiber: „Das Erzbisthum fand er bei seinem Regierungsantritt in geistlicher Hinsicht ruhig, von keiner Ketzerei zerrissen, in zeitlicher aber erschöpft, was der Unfruchtbarkeit der vorhergehenden Jahre zuzuschreiben ist.“ Woher diese Unfruchtbarkeit rührte, wissen wir bereits von Linden.

Die Bemühungen des (uns schon bekannten) Ketzerrichters Binsfeld hatten es dahin gebracht, dass das Land einer Wüste glich, und das Vermögen der Begüterten in die Hände der Gerichtspersonen und des Nachrichters überging. Es sind daselbst nicht bloss gemeine Leute, sondern auch Doktoren, Bürgermeister, Kanoniker und andere Geistliche verbrannt worden. Laut amtlicher Nachrichten bestiegen aus etwa zwanzig Dörfern in der nächsten Umgegend der Hauptstadt in kaum sieben Jahren (1587 bis 1593) dreihundertachtundsechzig Personen den Scheiterhaufen, von Hinrichtungen in der Stadt selbst ist hierbei keine Rede[46].

Die Geschichte anderer katholischer Stifte lässt uns im Wesentlichen denselben Verlauf der Dinge erkennen, wie in Trier.

Auch im Fürstbisthum Bamberg hatte die evangelische Lehre fast in allen Gemeinden Boden gefunden[47]. [38] Weissenohe, Michelfeld und viele andere Klöster nahmen die neue Lehre an; der Abt des reichen Klosters Banz ward mit seinen Benediktinern evangelisch und verheirathete sich. Schon Bischof Wigand (1522–56) musste der neuen Bewegung nachgeben und sich zu Unterhandlungen verstehen. Neidhard von Thungen (1591–98) fand bei seinem Regierungsantritte nur noch zwei katholische Rathsmitglieder in seiner Hauptstadt, auf dem Lande oft nicht ein einziges mehr. Fast der ganze Adel war evangelisch, die Bürgerschaft in Bamberg grösstentheils. Die Domherren waren lau und sahen durch die Finger, weil ihre nächsten Verwandten sich offen zur Gegenpartei bekannten. Aber Neidhard war fest entschlossen, den alten Glauben wieder herzustellen. Er gebot die Landesverweisung der „Lutheraner“ und bedrohte Alle, welche sich diesem Befehle widersetzen würden, mit der Confiscation ihrer Güter. Daher wanderten Viele, ihre Kapitalien mit sich nehmend, aus dem Lande; andere blieben in der Heimath und verbargen ihre Gesinnungen. Um der Vertreibungen willen gerieth aber der Bischof in Streitigkeiten mit Pfalz, Brandenburg, der fränkischen Ritterschaft, dem Magistrat von Bamberg und seinem eigenen Domkapitel. Ein Aufruhr schien zu drohen. Etwas ruhigere Zeiten folgten unter dem mildthätigen Johann Philipp von Gebsattel (1598 bis 1609). Der Protestantismus war immer noch nicht erstickt. Darum führte Gottfried von Aschhausen (1609–22) die Jesuiten ein und setzte das unvollendete Werk fort, um es eben so unvollendet seinem Nachfolger zu hinterlassen. Die protestantischen Fürsten hatten sich bereits im dritten Jahre seiner Regierung über seine gewaltsame Reaktion beschwert und Repressalien gedroht. Gegen das Ende seines Lebens begann der Bischof seine Aufmerksamkeit den Hexen zuzuwenden. Johann Georg II. (Fuchs von Dornheim, von 1622–33) fand das Lutherthum noch sehr ausgebreitet und machte sogleich Anstalten zur Ausrottung desselben. Aber er war nicht glücklicher als sein Vorgänger. Seine siebenundzwanzig Anfrageartikel, die er desshalb 1624 an die Pfarrer ergehen liess, blieben [39] sogar an vielen Orten unbeantwortet. „Der 1625 erneuerte Krieg machte auch jede weitere Anstalt zur Wiedergeburt des allgemeinen Katholicismus unwirksam“, — sagt Jäck in seiner bambergischen Geschichte (Th. II. S. 120). — War es nun eine jener weiteren Anstalten, oder war es ein neues Feld, auf welchem sich die Thätigkeit des Bischofs Raum suchte, — genug, genau im Jahre 1625 beginnt unter Johann Georg jene lange Reihe von Hexenprozessen, welche die bambergischen Annalen schändet. Des Bischofs rechte Hand war hierbei Friedrich Forner, Suffragan von Bamberg, ein unbedingter Jesuitenanhänger und Todfeind der Ketzer und Zauberer, gegen welche er auch als Schriftsteller aufgetreten ist[48].

G. von Lamberg, welcher aus aktenmässigen Quellen geschöpft hat[49], bestimmt die Anzahl der von 1625 bis 1630 allein in den beiden Landgerichten Bamberg und Zeil anhängig gewesenen Prozesse auf mehr als neunhundert; und eine im Jahr 1659 mit bischöflicher Genehmigung zu Bamberg selbst gedruckte Broschüre[50] meldet, [40] dass der Bischof im Ganzen sechshundert habe verbrennen lassen[51]. — Heben wir Einiges aus der letzteren aus:

„Darauf der Cantzler und Doctor Horn, des Cantzlers Sohn, sein Weib und zwo Töchter, auch viele vornehme Herrn und Rathspersonen, die mit dem Bischof über der Tafel gesessen, sind alle gerichtet und zu Asche verbrandt worden.

„Und haben bekennet, dass sich ihrer über die eintausendzweihundert mit einander verbunden haben, und wenn ihre Teuffels-Kunst und Zauberei nicht an den Tag kommen, wollen sie gemacht haben, dass in vier Jahren kein Wein noch Getreydig im gantzen Lande gerathen wäre und dadurch viel Menschen und Viehe Hungers sterben und ein Mensch das ander fressen müssen.

„Es sind auch etliche katholische Pfaffen darunter gewesen, die so grosse Zauberei und Teuffels-Kunst getrieben, dass sie nicht alles zu beschreiben ist, wie sie in ihrer Pein bekannt, dass sie viel Kinder in Teuffels Nahmen getaufft haben.

„Der eine Bürgermeister in der Langen-Gassen und der ander Bürgermeister Stephan Bawer, die haben bekannt, dass sie viel schreckliche Wetter und grosse Wunder gemacht, viel Häuser und Gebäu eingeworffen, und viel Bäum im Wald und Felde aus der Erde gerissen und nicht anders vermeint, sie wollten das Wetter und den Wind so arg machen, dass es den Thurm zu Bamberg übern Hauffen werffen solt.

„Die Becken auf dem Markt haben bekannt, wie sie [41] viel Menschen haben gesterbet, die Wecke mit ihrer teuffelischen Salbe geschmieret, dass viel Leute haben müssen verdorren. Die Bürgermeisterin Lambrech und die dicke Metzgerin haben bekannt, dass sie den Zaubern die Salbe gemacht haben, und von einer jeden Hexen wöchentlich zwey Pfennig bekommen, hat ein Jahr sechshundert Gülden gemacht.

„Der Bürgermeister Neidecker hat mit seiner teuffelischen Gesellschaft bekannt, wie sie die Brunn vergifftet haben. Wer davon getrunken, hat alsbald die Beul oder Pestilentz bekommen, und viel Menschen dadurch gesterbet.

„Es haben auch die Zauberin bekannt, wie ihrer 3000 die Walpurgis-Nacht bei Würtzburg auf dem Kreydeberg auf dem Tanz gewesen, hat ein jeder dem Spielmann einen Kreutzer geben, darmit der Spielmann 40 Gülden zu Lohn bekommen, und haben auf demselben Tanz sieben Fuder Wein dem Bischof zu Würtzburg aus dem Keller gestohlen.

„Es sind etliche Mägdlein von sieben, acht, neun und zehn Jahren unter diesen Zauberin gewesen, deren zwey und zwanzig sind hingericht und verbrannt worden, wie sie denn auch Zetter über die Mütter geschrien, die sie solche Teuffels-Kunst gelehrt haben, und seynd in dem Stifft Bamberg über die 600 Zauberin verbrannt worden, deren noch täglich viel eingelegt und verbrannt werden.“

Das Verfahren in diesen zum Theil von eignen Commissarien geleiteten Prozessen war höchst formlos und grausam; in der Untersuchung und Aburtheilung strotzte es von Nichtigkeiten. Gewöhnlich wurde die ganze Handlung in ein einziges, unabgesetztes Protokoll zusammmengefasst, und wenn mehrere Personen zugleich verurtheilt wurden, so waren sie nicht mit ihren Namen, sondern mit Nummern bezeichnet. Z. B.

„Auff Clag, Antwortt, auch alles Gerichtliches vorunndt anbringen und nottürftiger erfahrung unndt sowohl güet alls peinlich selbst aigene bekhandtnus unndt aussag, So desshalb alles nach laut dess Hochwürdigen Unssers [42] Gnedigen Fürsten unndt Herrns von Bamberg etc. rechtmessigen reformation geschehen, Ist endtlich zu recht erkhandt, dass nachfolgende 8 Personen, deren extrahirte aussag mit Nris 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 angehöret worden, wegen mit der Hexerey verübten Uebelthaten, indem Sie erstlichen Gott den Allmechtigen und dem ganzen Himmlischen Heer erschröckhlich und unchristlich abgesagt dem Laidigen Sathan sich mit Laib unndt Seel ergeben, Auch anders Uebel und Unheil mehr gestifftet, Sonderlich Nro. 1, 2, 4 unndt 5 wegen ihrer Uebelthaten, so Sie mit der heiligen Hostien verübt, andern zur abscheü, so offt sie diesselbe dishonorirt, soviel Zwickh mit glüenden Zangen gegeben. Nro. 4, weilen sie ihr aigen Kindt umbbracht, die rechte Handt abgehieben, wie auch Nro. 2, weilen sie die h. Hostie so vielmahls verunehrt unndt Nro. 5 in solche Hostie zweymahl gestochen, dass das Bluet herauss gangen, Jeder auch zuvor die rechte Hand abgehieben werden,

Allssdann neben den andern mit feüer lebendig zum todt hingericht werden sollen. Actum Bamberg den 12: Octobris anno 1629.

Richter unndt ganzer Schöpffenstuhl
daselbsten“[52].

Die Beichtväter, gewöhnlich Jesuiten, erstatteten nach der Exekution dem Commissär Bericht, ob der Verurtheilte früher gethane Complicenangaben im Momente des Todes zurückgenommen oder verändert hatte. War dieses nicht, so schloss der Commissär, dass diesen Angaben um so mehr Glauben beizumessen sei[53]. Eine Verletzung des Beichtgeheimnisses, die eine direkte Denunciation enthielt, berichtet v. Lamberg S. 25.

Die Gelderpressungen waren so arg, dass selbst die Hinterbliebenen herangezogen wurden. Man raubte, so lange noch etwas da war; als aber die Verarmung durch Krieg, Misswachs und Hexenprozess allgemein geworden [43] war, rieth sogar das bischöfliche Kabinet zur Einschränkung des letzteren, weil man nicht mehr wisse, woher die Unkosten zu bestreiten[54]. Zwischendurch hatte sich auch Kaiser Ferdinand II. durch eingelaufene Beschwerden zum Einschreiten bewogen gefunden. Es liegen von ihm Schreiben an den Bischof vor, worin er sich selbst die Ernennung des Oberrichters vorbehält, das Anfangen des Prozesses mit Captur und Folter rügt und ganz besonders die Güterconfiskation nachdrücklich verbietet. „Was aber die höchst schmutzige Confiskation in diesem Crimine anbelangt, können wir diese Dero Andacht durchaus nicht und unter keinerlei Vorwand mehr gestatten“[55]. Aus einer jener Beschwerden ergibt sich, dass man das Vermögen der Inculpaten unmittelbar nach deren Verhaftung zu consigniren und dem Fiscus und den Inquirenten pro rata zuzuschreiben pflegte[56].

Im Stifte Würzburg hatte die Reformation ebenfalls grosse Fortschritte gemacht[57]. Als Bischof Julius (von Mespelbrunn) 1575 zur Regierung kam, fand er den Katholizismus fast in der Minorität. „Wie es dann dahin fast kommen gewesen, — heisst es in dieser Beziehung bei Gropp[58], — dass nicht allein in dem Lande, sondern auch bei der Kanzlei die Katholischen von den Unkatholischen überstimmt und eingethan, die eingekommenen Klagen, so die katholische Religion betroffen, supprimirt oder verzucket, denen so widriger Religion, die Stangen gehalten, — und den Beamten auf dem Land, auch den bürgerlichen Magistraten und Unterthanen, so sich noch zur katholischen Religion bekenneten und hielten, deren gleichwohl wenig, — — sehr verächtlich begegnet wurde.“ Julius begann, nachdem er der Bildung der Theologen durch die Stiftung der Universität einen Halt gegeben [44] hatte, 1585 eine wirksame Gegenreformation; er selbst zog predigend im Lande umher und soll in zwei Jahren hunderttausend Seelen zur katholischen Confession zurückgeführt haben. Hundertundzwanzig evangelische Prädikanten wurden vertrieben und die hartnäckigen Laien ebenfalls zur Auswanderung gezwungen. Viele von den Reichen, — denn gerade diese waren fast alle protestantisch[59], — zogen hinweg. Dem Lande wurden hierdurch bedeutende Summen entzogen und der Bischof überdiess in Verdriesslichkeiten mit den evangelischen Fürsten verwickelt.

Mit dem Protestantismus gedachte aber Julius zugleich auch sein Land von der Hexerei zu säubern, wesshalb er überall die eifrigste Hexenverfolgung eintreten liess[60]. In dem kleinen Orte Gerolzhofen wurden allein im Jahr 1616 neunundneunzig Hexen verbrannt.

Julius starb am 13. September 1617, als das begonnene Werk der Reinigung des Landes noch unvollendet war, wesshalb sein Nachfolger, der bisherige Fürstbischof von Bamberg, Johann Gottfried von Aschhausen (1617–1623) dasselbe rüstig fortsetzte. Schon im ersten Jahre seiner Regierung liess er in dem neu erbauten Gefängnisse in der Münze zu Würzburg acht Kammern und zwei Stuben für Hexen und Unholde einrichten, damit sie nicht mehr über die Strasse zu den Verhören geschleppt werden müssten[61]. Die grausigste Thätigkeit entfaltete aber in der Verfolgung der Hexen wie der Evangelischen sein Nachfolger Philipp Adolph von Ehrenberg (1623–1631). Seinem gegen den Protestantismus gerichteten Bekehrungseifer stellte sich freilich gleich Anfangs die fränkische Ritterschaft entgegen, und als er nicht nachliess, verklagte sie ihn beim Kaiser wegen Verletzung des Religionsfriedens. Der Kaiser gab dem Bischof Inhibition (1628) und wiederholte dieselbe im folgenden Jahre, [45] als die Beschwerden fortwährten[62]. Ehe es indessen zu diesem letzten kaiserlichen Worte kam, hatte Philipp Adolph seinem Verfolgungseifer eine Richtung gegeben, deren Rechtmässigkeit weder vom Kaiser, noch von den Protestanten angefochten wurde. Er betrat 1627 den Weg, den ihm sein Nachbar zu Bamberg vorgezeichnet hatte, und betrieb die Hexenverfolgung im Grossen[63]. Personen jeden Alters, Standes und Geschlechts, Einheimische und Fremde, Geistliche, Rathsherren und Söhne des fränkischen Adels, Matronen, Jungfrauen und unmündige Kinder sind in rasch auf einander folgenden „Bränden“ zum Tode geführt worden, und das Vermögen der Reichen, die auf diese Weise endeten, ist nicht mehr in's Ausland gegangen[64]. Noch haben wir ein Verzeichniss der Hinrichtungen, die bis zum Februar 1629 vollzogen wurden. Dasselbe reicht bis zum neunundzwanzigsten Brande und macht hundertsiebenundfünfzig Personen aus dieser kurzen Periode namhaft; in seiner Fortsetzung bis zum zweiundvierzigsten Brande kannte es der Biograph des Bischofs bei Gropp, wo sich die Zahl der Opfer auf zweihundertundneunzehn stellte. Hiermit sind aber ohne Zweifel nur die in der Stadt Würzburg selbst zum Tode Geführten gemeint; die Gesammtzahl der Hinrichtungen im Stift unter Philipp Adolph belief sich laut einer mit bambergischer Censur gedruckten Nachricht auf neunhundert. Die anschaulichste Widerlegung der nicht ungewöhnlichen Meinung, als hätte die Verfolgungswuth in Deutschland der Regel nach nur arme, alte Weiber zu erreichen gewusst, wird sich aus der wörtlichen Mittheilung der erwähnten Liste ergeben. Sie reicht von 1627 bis zum Anfange von 1629.

[46]

„Verzeichniss der Hexen-Leut, so zu Würzburg mit dem Schwert gerichtet und hernacher verbrannt worden[65].

Im ersten Brandt vier Personen.

Im andern Brandt vier Personen.

Im dritten Brandt fünf Personen.

Im vierdten Brandt fünf Personen.

Im fünften Brandt acht Personen.

Im sechsten Brandt sechs Personen.

Im siebenden Brandt sieben Personen.

Im achten Brandt sieben Personen.

Im neundten Brandt fünf Personen.

Im zehnten Brandt drey Personen.

[48]Im eilften Brandt vier Personen.

Im zwölften Brandt zwey Personen.

Im dreyzehenden Brandt vier Personen.

Im vierzehenden Brandt zwey Personen.

Im fünfzehenden Brandt zwey Personen.

Im sechzehenden Brandt sechs Personen.

Im siebenzehenden Brandt vier Personen.

[49] Im achtzehenden Brandt sechs Personen.

Im neunzehenden Brandt sechs Personen.

Im zwanzigsten Brandt sechs Personen.

Im einundzwanzigsten Brandt sechs Personen.

Im zweiundzwanzigsten Brandt sechs Personen.

Im dreiundzwanzigsten Brandt neun Personen.

Im vierundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Im fünfundzwanzigsten Brandt sechs Personen.

Im sechsundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Im siebenundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Im achtundzwanzigsten Brandt, nach Lichtmess anno 1629 sechs Personen.

Im neunundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Seithero sind noch zwei Brändte gethan worden.

Datum, den 16. Febr. 1629.

[52]

Bisher aber noch viel unterschiedliche Brände gethan worden.“

Unter den Opfern dieser Gräuelzeit war auch ein Blutsverwandter des Bischofs. Wir entnehmen die Erzählung von dem Ende desselben dem salbungsreichen Berichte desjenigen Jesuiten, der als Aufseher, Beichtvater und — fast als Scherge eine Hauptrolle in der Begebenheit gespielt hat, und der durch alle Umstände seiner eignen Erzählung uns die Alternative stellt, in ihm entweder den hirnlosesten Kopf seines Ordens, oder einen vollendeten Schurken zu erkennen. Jedenfalls zeigt die Geschichte, wie weit die an die Spitze der würzburgischen Studienanstalt gestellten Jesuiten davon entfernt waren, dem Hexenglauben selbst nur in seinen allergröbsten Verirrungen entgegen zu treten[66].

Ernst von Ehrenberg, Page und Verwandter des Bischofs, der Letzte seines Namens, war ein schöner, talentvoller, fleissiger und frommer Knabe. (Flere lubet, quoties recordor, quam multi innocentes angeli in pessimos lurcones sint commutati. Tam formosum, tam cautum juvenem nullus socius perversus, nulla procax puella potuit seducere, potuit autem stygius insidiator praecipitare!) Eine alte, vornehme Base, die er zuweilen besuchte, verführte ihn. Ernst spielte eine Zeitlang den Heuchler, dann liess er seine Studien liegen, vernachlässigte den Gottesdienst und beschwerte sich über dessen Langweiligkeit, spielte und ging den Mädchen nach. Die Hexenrichter erfuhren endlich von gefolterten Inquisiten den Grund dieses Benehmens. Ernst hatte sich, gelockt durch die Ränke seiner Base, dem Teufel ergeben, besuchte die Hexentänze, bezauberte seine Feinde und verführte seine Freunde. Der [53] Bischof beschloss, seinen Verwandten der Zucht der Mönche zu übergeben. Man stellte dem Beschuldigten vor, dass der Fürst trotz der vorliegenden Beweise gnädig sein und ihn nicht am Leben strafen wolle, wenn er gestünde und sich bussfertig zeigte. Der Knabe gestand erschrocken, was man forderte, versprach Besserung und wurde den Jesuiten anvertraut. Diese nahmen ihn in ihr Haus, bewaffneten ihn gegen die Angriffe des bösen Feindes mit heiligen Amuleten, Agnus Dei, Wachs, Reliquien und Weihwasser, unterwarfen ihn angestrengten geistlichen Uebungen und bewachten ihn Tag und Nacht. Anfangs zeigte sich der Pflegebefohlene willfährig, aber bald machten die Väter der Gesellschaft Jesu die Entdeckung, dass kein Laster in der Welt schwieriger zu heilen sei, als das der Zauberei. Ernst legte nämlich in der Nacht zuweilen die Heiligthümer, mit welchen man ihn ausgerüstet hatte, ab, und dann kam der Teufel und holte ihn zu den Hexentänzen. Morgens um vier Uhr, wenn die Väter aufstanden war er gewöhnlich wieder zurück; doch fanden diese auch zuweilen sein Bette leer und vernahmen ein sonderbares, verworrenes Getöse. — Auf Befragen erzählte der Knabe die erlebten Wunderdinge, gelobte weinend Besserung und liess es doch immer beim Alten. Die Jesuiten gewannen die Ueberzeugung, dass Ernst stets zwischen Gott und dem Teufel schwanke (Id toties factum est, ut nulla vera emendatio, sed ludus et alternatio videretur, qua dies ad Deum, nox ad diabolum spectabat). Sie verzweifelten daher an allem Erfolg ihrer pädagogischen Kunst, und da es den Franziskanern, die einen letzten Versuch machten, nicht besser ging, so erklärte man dem Bischofe, dass an dem jungen Sünder Hopfen und Malz verloren sei (Eapropter significatum est Principi, viros religiosos et doctos existimare, in adolescente hoc oleum et operam perdi). Jetzt liess der Bischof vom Gerichte das Todesurtheil sprechen. Die Jesuiten sollten den Verurtheilten zum Tode bereiten. Am bestimmten Tage traten diese, — der Erzähler war unter ihnen, — bei dem Knaben, der nichts ahnte, ein, redeten ihm in zweideutigen Ausdrücken von einem besseren [54] Leben, dem er jetzt entgegen gehe, und lockten ihn dann auf das Schloss. Hier erinnerte er sich in argloser Freude aller Plätzchen, die ihm durch seine Kinderspiele theuer geworden waren, — der Jesuit beschreibt es sehr rührend, — und merkte noch immer nicht, zu welchem Gange er abgeholt war. Erst als die Pädagogen ihn in ein schwarz behangenes Gemach führten, wo ein Schaffot errichtet war, gingen ihm die Augen auf, und als nun der Scharfrichter Hand an ihn zu legen begann, erhob er ein Jammergeschrei, dass selbst die Richter erweicht wurden und beim Bischofe Fürbitte einlegten. Der Fürst macht einen letzten Versuch und verheisst durch einen Abgesandten Verzeihung, wenn Ernst sich aufrichtig bessern will. Aber der Abgesandte meldet zurück: Alles sei vergebens, weil der Teufel den Jüngling verhärtet habe, so dass dieser so frech gewesen zu erklären, er wolle bleiben, wie er wäre, und wäre er nicht schon so, so würde er's werden wollen. Da wird der Fürst grimmig und befiehlt, dass das Recht seinen Lauf habe. Von Neuem schleppt man den Jüngling in das schwarze Zimmer, zwei Jesuiten zur Seite, die zur Busse mahnen; er aber bleibt dabei, dass er keiner Busse bedürfe, jammert um sein Leben, sucht sich den Händen der Schergen zu entwinden und gibt den fortgesetzten Vermahnungen der Priester kein Gehör. Endlich nimmt der Scharfrichter den günstigen Augenblick wahr und schlägt dem ermatteten Schlachtopfer den Kopf ab. „Er fiel, — sagt der Jesuit, der diese Begebenheit überliefert hat, — ohne ein Zeichen des Schmerzes oder eine andere Aeusserung der Frömmigkeit zu Boden. Wollte Gott, dass er nicht auch in's ewige Feuer gefallen wäre!“

Gropp hat eine dramatisirte Darstellung dieser Geschichte aufbewahrt, wie sie einst bei einem Schulactus in Heidelberg aufgeführt worden sein soll[67].

[55]

Wäre Philipp Adolph nicht Landesherr gewesen, er selbst hätte ohne Zweifel bald darauf denselben Weg gehen müssen, den er seinen einzigen Verwandten gehen hiess. Denn es kam zuletzt dahin, dass die Angeklagten den Bischof selbst und seinen Kanzler als Mitschuldige angaben. Jetzt erst gingen dem Betrogenen die Augen auf. Er sistirte die Prozesse und stiftete ein wöchentliches, vierteljährliches und jährliches feierliches Gedächtniss für die Hingerichteten bei den Augustinern zu Würzburg[68].

Auch im geistlichen Fürstenthum Fulda ging die Ausrottung der Hexen mit der des Protestantismus Hand in Hand. Der Fürstabt Balthasar von Dernbach musste allerdings darüber einen Aufstand seiner evangelischen Stände erleben, infolge dessen das Land unter kaiserliche Administration kam[69]. Kaum aber waren ihm 1579 von Kaiser Rudolf II. die Einkünfte des Amtes Bieberstein zum Unterhalte zugewiesen, als er auch einen seiner Diener, Balthasar Nuss („Balzer Noss“) zum Zentgrafen und Malefizmeister des Amtes ernannte. Als er dann im Dezember 1602 vom Kaiser die Regierung des Fürstenthums wieder übertragen erhielt, bestellte er den Nuss 1603 zum Zentgrafen und Malefizmeister des ganzen Landes. Alsbald trat nun in dem (noch immer vorherrschend evangelischen) Lande Fulda eine Hexenverfolgung ein, welche in dem Zeitraum von nur drei Jahren gegen dritthalbhundert Unglücklichen das Leben kostete[70]. Das Gericht, welches der Abt mit der Ausrottung der Hexen betraut hatte, war das Stadtgericht zu Fulda, die „Müntz“ genannt. Dasselbe bestand aus dem Zentgrafen Nuss, [56] einigen Beisitzern und den Schöffen; in Wahrheit aber hatte Nuss die Hexenverfolgung ganz allein in der Hand, bei welcher sich derselbe über alle Schranken hinwegsetzte. War ihm eine Person als Hexe oder Zauberer angezeigt worden, so liess er sie ohne Vorwissen der Schöffen durch den Stadt- oder Landknecht in ihrem Hause, oder wo er sie gerade fand, in Haft nehmen und dem Henker zur Tortur überliefern. Den Hans Werner von Ditges, einen Mann von 70 Jahren, griff er selbst ohne Anzeige und ohne allen Grund auf offenem Wege auf, brachte ihn nach Fulda und liess ihn foltern. Des Steub Hennes Ehefrau zu Neuhof liess er aus dem Wochenbett hinweg nach Fulda ins Gefängniss schaffen, peinigen und verbrennen, was auch den Tod ihres eben geborenen Kindes zur Folge hatte. Dabei wurde die Tortur von Nuss in der denkbar unmenschlichsten Weise zur Anwendung gebracht. Viele Gefolterte starben während der Tortur oder unmittelbar nach derselben. Töll Glübs Weib von Neuhof wurde zweimal Nachts verhaftet, das eine Mal alsbald aufgezogen, und mit einem scharfen, schneidenden Holz, mit brennenden Fackeln und anderen „bisher unerhörten Tormenten“ so furchtbar gepeinigt, dass Nuss selbst ihrem Manne hundert Thaler versprach, wenn er von diesen Torturen Niemandem etwas sagen würde. Viele Verhaftete machten im Kerker aus Verzweiflung ihrem Leben selbst ein Ende, und schliesslich wurden die Gräuel, die Nuss an seinen Opfern beging, sogar den Schöffen selbst so arg, dass sie ihn wiederholt vor deren Fortsetzung warnten und sich von der Hexenverfolgung zurückzuziehen suchten[71]. Nuss [57] aber suchte nur um so mehr durch summarisches, ganz formloses Verfahren — seine Prozesse dauerten von der Verhaftung bis zur Verbrennung oft nur acht bis vierzehn Tage —, durch Ermarterung von Denunciationen[72] — welche aus jedem Hexenprozess eine ganze Reihe anderer erwachsen liess, — um so rascher zu dem zu gelangen, worauf er es mit seiner ganzen Hexenverfolgung abgesehen hatte, — nämlich zu — Geld, indem ihm für jede Verurtheilung wie für jede Freisprechung ganz beträchtliche Summen gezahlt werden mussten. So mussten z. B. Sebastian Orth zu Fulda für sein Weib 31 Gulden, Hans Herget daselbst für sein Weib 42 Gulden, Joh. Keller daselbst für seine Mutter 50 Gulden, Hans Döler zu Hammelburg für seine Schwiegermutter 80 Gulden, die Erben der Heinfurterin 80 Gulden und Blasius Bien zu [58] Fulda für sein Weib, welches zweimal eingezogen, das erste Mal freigesprochen, das zweite Mal aber verbrannt war, 91 1/2 Gulden 5 Batzen bezahlen, — wobei die Hauptbeträge die für Holz, Reisig und Stroh (zum Scheiterhaufen) und für den vertrunkenen Wein verrechneten Gelder waren.

So hauste Nuss im Fulder Lande drei volle, schreckliche Jahre lang. Ueberall loderten die Feuer der Scheiterhaufen auf, und nicht selten liess er auf Einem Scheiterhaufen eine ganze Anzahl von Frauen und Mädchen sterben. So wurden im Jahre 1604 am 22. Juni neun, am 14. Juli neun, am 11. August neun, am 9. September elf, am 29. September zwölf, am 17. Oktober zehn, am 12. Dezember acht, im Jahre 1605 am 21. Mai dreizehn, am 27. Juni zwölf, am 13. Juli zwölf, am 22. August zwölf, am 25. Oktober zehn, am 14. November elf, und im Jahre 1606 am 13. März sieben Personen hingerichtet. — In einem Bericht über die bei den Hexenprozessen gehabten Einnahmen und Ausgaben führte Nuss selbst 205 Personen namentlich auf, die er in den Jahren 1603–1605 justifizirt habe, — fast lauter Frauen und Mädchen (nur einzelne wenige Männer) aus den geringeren Ständen. Dabei waren aber nicht wenige Hingerichtete (namentlich alle Hammelburger) unerwähnt geblieben.

Glücklicher Weise starb der Abt Balthasar, Nussens Gönner, am 15. März 1606. Bei seinem Nachfolger Johann Friedrich von Schwalbach liefen alsbald über die Vergewaltigungen und Schändlichkeiten, die der Zentgraf sich erlaubt habe, so gravirende Anzeigen und Beschwerden ein[73], dass dieser nicht umhin konnte, die sofortige Verhaftung desselben anzuordnen. In den nun eingeleiteten Untersuchungen kamen die grössten Betrügereien zu Tage. Nuss suchte sich zu reinigen; allein darüber musste er [59] 13 Jahre in schrecklicher Haft verbringen und schliesslich wurde er (1618) öffentlich enthauptet.

Von besonderem Interesse sind die auf die Hexenverfolgung bezüglichen Vorkommnisse im Fürstbisthum Münster, indem aus denselben mit besonderer Klarheit zu ersehen ist, wie sich das Gespenst des Hexenwahns und der Hexenverfolgung, anfangs noch von Niemandem gesehen und fast unbekannt, von der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts an allmählich hier und da zeigte und anfangs nur in vereinzelten Fällen und fast zaghaft, hernach aber durch das ganze Land hin, seiner Schreckensherrschaft gewiss, ohne Scheu seine Blutgeissel schwang und das Mark des Volkes verzehrte[74].

Hier regierte damals der Fürstbischof Bernhard von Ransfeld, dem ebenso wie seinen Beamten der Gedanke der Hexenverfolgung fast ganz fremd war. Der erste Hexenprozess, über welchen wir Nachricht haben, datirt aus dem Jahre 1565, beziehungsweise 1563. Der Amtsschreiber zu Stromberg berichtete nämlich unter dem 19. Juli 1565 an den Fürstbischof, dass mehrere Personen wegen Zauberei anrüchig wären, dieselben wären schon 1563 deshalb gerichtlich eingezogen und peinlich verhört worden. Sie stellten Alles was man ihnen zur Last lege, beharrlich in Abrede, allein er „habe ihnen nicht gestattet sich durch einen Eid zu reinigen“. (Man sieht, dass das alte Beweisverfahren noch nicht geradezu absolut geworden war!) Hernach berichtet er an den Landesherrn, dass er von Malefizien, die die Angeschuldigten Anderen zugefügt haben sollten, durchaus nichts habe ermitteln können. Andererseits geben die „weltlichen Räte“ des Fürstbischofs dem Amtsschreiber bezüglich der Geständnisse der Angeschuldigten (unter dem 9. November 1565) den Bescheid: „Weil solche und dergleichen Dinge gewöhnlich aus einem Afterglauben zu fliessen pflegen, so habt Ihr den [60] Prädikanten einige Male zu ihnen zu schicken, dass er sie mit der H. Schrift von solcher teuflischen Phantasie abzustehen ermahne“ (!). Auch der Fürstbischof bewies dabei, dass ihm der Glaube der späteren Zeit an die Malefizien der Hexen noch ganz fremd war, und dass er darum auch nicht im Entferntesten an eine Verfolgung der Hexen, wie sie nach seinem Ableben im Lande zu grassiren begann, dachte. Das durch die Folter erpresste Geständniss der Angeklagten genügte ihm darum nicht zur gerichtlichen Feststellung ihrer Schuld, indem er vielmehr den Nachweis der Schuld durch äussere Beweisgründe oder durch rechtsgiltige Zeugen verlangte. Zur Einbringung eines Strafantrags von Seiten des fiscalischen Anwalts forderte er ferner den Nachweis, dass die Angeklagten durch ihre Zauberkünste Anderen Schaden zugefügt hatten; und als dieser Nachweis nicht erbracht werden konnte, befahl er die Angeklagten trotz ihres Geständnisses zu entlassen und sie nur der besonderen Obhut ihres Ortspfarrers zu empfehlen. Ja schliesslich erhielten der Vogt und der Untersuchungsrichter sogar (unter dem 25. November 1565) den landesherrlichen Bescheid, in Zukunft nicht wieder „solche Leute auf blosse Vermuthung in Haft zu nehmen, es wäre denn, sie suchten sich davon zu machen und unterständen sich zu entfliehen“.

Das Alles wurde aber nach dem Ableben des Fürstbischofs Bernhard anders. Im Jahre 1585 wurde Herzog Ernst von Baiern zum Fürstbischof von Münster erwählt, und als dieser 1611 die Regierung niederlegte, trat statt seiner und nach seinem Tode sein Neffe Ferdinand von Baiern (von 1612–1650) in dieselbe ein. Beide (zugleich Inhaber vieler anderen bischöflichen Stühle) hatten ihre kirchliche Bildung von den Jesuiten zu Ingolstadt und ihre politische Richtung an dem Hofe zu München erhalten. Beide betrachteten die Ausrottung des Protestantismus in ihren Diöcesen, von welchem damals der Fortbestand der katholischen Kirche in denselben bedroht erschien, als ihre primärste Aufgabe, wozu sie mit Recht vor Allem die Wiedereinführung katholischer Ordensgesellschaften [61] für erforderlich hielten. Daher wurden 1588 die Jesuiten, 1612 die Kapuziner, 1613 die Franziskaner und Claristen, 1626 die Minoriten, 1642 die Dominikaner in Münster domiciliirt. Mit Hülfe dieser Orden und aller sonstigen geistlichen und weltlichen Gewaltmittel, welche der geistlichen Landesherrschaft zu Gebote standen, ward nun die Reinigung des Landes von der Ketzerei — die der Teufel ins Land gebracht hatte, — eifrigst betrieben. Wie die Ketzerei der Protestanten so war aber auch die Zauberei der Hexen das Werk des Teufels, weshalb derselbe Eifer, der die protestantischen Prediger verjagte und deren Gemeinden gewaltsam zum Katholizismus zurückführte[75], sich auch auf die Aufspürung und Verfolgung der Hexen warf. Bald wurde es geradezu zur Manie in jedem besonders auffallenden Vergehen einen Zusammenhang mit Zauberei zu vermuthen, und die Folter und das neue Beweisverfahren, welches auf Erpressung des Geständnisses durch die Folter beruhte, gab die Mittel zur Entdeckung der Zauberei an die Hand.

Ein Prozess aus dem Jahre 1596 lässt es deutlich erkennen, wie eben damals im Fürstenthum Münster der Umschwung erfolgte, aus dem der eigentliche Hexenprozess und die epidemische Hexenverfolgung hervorging[76].

Es gab damals nicht Wenige im Lande, welche sich rühmten im Besitze von Exorcismen zu sein, mittelst deren sie in allerlei Kräuter eine besondere Heilkraft hineinbringen könnten, welche diese Kräuter und sonstige angebliche Geheimmittel verkauften und sich und die Ihrigen damit ernährten. Einer dieser „Exorcisten“ war ein gewisser Schneider Hermann Schwechmann, Eigenhöriger des Gutsbesitzers Rudolf Münnich zu Eickhafen im Amte Vechta. Derselbe wurde wegen Zauberei anrüchig und wurde daher in Haft genommen, obschon der Droste zu [62] Vechta in seinem Bericht an die „weltlichen Räthe“ zu Münster ihm nichts anderes zur Last legen konnte als dass er „den Leuten allerlei Briefe für Zauberei und sonstige Dinge gegeben, durch die er sie von Gott und seinem Worte ablenkt und sie ihres Geldes beraubt und entblösst“. Dabei bemerkte der Drost, dass „dieser Handel hier im Amte viel im Schwange ist“. Nun nahm sich allerdings der Gutsherr des Angeklagten in mehrfachen Gnadengesuchen desselben sehr energisch an, indem er betheuerte, dass Schwechmann niemals Zauberei getrieben, Niemandem etwas Böses gethan, sondern in seiner Armuth sich der Exorcismen, gegen die bisher kein Verbot ergangen sei, bediene um sich und die Seinigen zu ernähren. Allein diese Gnadengesuche verfehlten ihren Zweck, indem die Untersuchung unter der Hand eine ganz andere und für den Angeklagten höchst bedrohliche Richtung angenommen hatte. Die Regierung zu Münster wollte dem weit verbreiteten Handel mit Exorcismen, geweihten Kräutern und Kerzen ein Ende machen, was am sichersten dadurch geschah, dass man denselben für Teufelswerk erklärte. Da nun der vorliegende Fall dazu ganz geeignet zu sein schien, die Exorcisten und deren geheime Formeln und Mittel an den Tag zu bringen, so erkannten die „weltlichen Räthe“ am 28. März 1596 gegen den Verhafteten auf peinliches Verhör durch Anwendung der Folter. Alsbald richtete daher der Gutsherr, der von diesem Befehle Kunde erhielt, am Charfreitag 1596 ein neues Gnadengesuch an die Regierung, worin er hervorhob, dass Schwechmann durchaus nichts Anderes verbrochen habe, als was tagtäglich auch von vielen anderen Personen, und zwar geistlichen und weltlichen Standes im Stifte geschehe. Ich höre, stellt er den Räthen vor, „dass gegen alles Erwarten etliche Ankläger meinem Eigenhörigen H. Schwechmann nach dem Leben trachten, indem sie über ihn berichten, er sei von der katholischen Religion, in welcher die Exorcismen doch bis jetzt nicht verboten, sondern vielmehr angenommen und in gewissen Fällen sogar befohlen sind, abgefallen. — Ich mache mir (aber) [63] die ungezweifelte Hoffnung, dass er, wenn er auch zu der Herren Wohlgefallen auf die eine oder andere Weise examinirt und verhört werden sollte, dennoch für seine Person als ein frommer christlicher Mensch befunden werden wird, da er nichts als Gottes Wort und unschädliche consecrirte Kräuter gegen Verwünschungen zu gebrauchen pflegt und hiermit auch schon Vielen, denen es der allmächtige Gott vergönnte, geholfen hat. — Sofern Ew. Gestrengen — diese Handlungen nicht für christlich erachten, so können sie dem armen Menschen bei höchster Strafe verboten werden, und er muss sich dann derselben für die Zukunft enthalten. Da aber dieses Werk — von vielen Personen geistlichen und weltlichen Standes in diesem Stifte noch heutiges Tages fortgeübt und gebraucht wird, derowegen will ich zu Gott nicht hoffen, dass zuerst mit meinem Manne das Recht soll gestärkt werden“.

Allein diese Eingabe des Gutsherrn lief in Münster ein, als der Verhaftete bereits gefoltert war — und sein „Geständnis“ abgelegt hatte. Aus dem Protokoll ist deutlich zu ersehen, an welchen Stellen das „Geständnis“ durch Suggestivfragen ermartert ist. Nachdem er nämlich zunächst wegen ganz anderer Vergehen, die man ihm zur Last gelegt hatte, vernommen war, heisst es plötzlich:

„Weiteres gefragt, wer ihn sothane Künste (NB. von denen vorher gar keine Rede war) gelehrt, sagt er: Zu Holte im Gerichte zu Haselünne wohne Einer, der heisse Morer Johann, der habe ihm die Bücher gegeben und ihn solche Künste gelehrt.“

Sodann heisst es weiter:

„Sagt, er könne den Teufel zwingen mit Gottes Wort, da er Schaden thue, dass er allda abweichen müsse.“

„Sagt demnächst, Johann Hagestede sei zu ihm gekommen, als ihm drei Pferde krank gewesen und habe ihn um Rat gefragt. Er habe demselben geantwortet: Er besitze natürliche Kräuter, darüber wolle er Gottes Wort lesen und sie dann den Pferden eingeben. Werde es gut oder wiederum besser, so solle er ihm, dem Verstrickten, einen Reichsthaler und ein Brot geben; wofern [64] aber nicht, solle er ihm einen Ortsthaler und ein Brot für die Kräuter und Arbeit geben. Es sei aber darnach mit den Pferden besser geworden.“

„Haverkamp Buschelmann, dem Meier zu Molen, dem Schulten Johann zum Ossendorp habe er auch mit solchen Künsten und Kräutern geholfen, nemlich ihren Thieren, und zwar habe er gebraucht Hugelicia, Repuntia, Rhabarbara und Hohlwurzeln. Es würden nachfolgende Worte darüber gesprochen: Exufilus te Deus Pater, exufilus te Deus Filius, exufilus te Deus Spiritus Sanctus; Benedicat te Deus, qui coelum creavit. Ipse vos benedicat in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.“ —

„Sagt, der Teufel werde auch bei Gott und seinen fünf Wunden, Leiden und Sterben abzuweichen beschworen, wie er von seinem obgemeldten Meister verstanden und selber auch versucht und erfahren hätte.“

„Auch sagt, der Teufel komme vor ihm in Gestalt einer Drossel; auch müsse er kommen in jeder Gestalt, so ihm befohlen oder geboten werde. Er könne sprechen, wie er selbst erfahren.“

„Auch sagt, die so hoch in der Kunst seien, dass ihnen der Teufel allhier auf Erden zu dienen gelobt, die müssten ihm wiederum nach ihrem Absterben mit ihren Seelen dienen. Das habe er auch gelobt (das letztere die offenbarste Suggestion!).“

„Diese Nachbeschriebenen sollen auch diese Kunst gebrauchen und damit umgehen: Der Pastor zu Bostrup“ u. s. w. u. s. w.

Zum Schlusse des Protokolls heisst es sodann:

„Letzlich bekennt er nochmals zum Ueberfluss, dass er sothanen Vertrag mit dem Teufel, wie obgemeldet, geschlossen, und bekennt Alles, was er gesetzter Massen bekannt, also wahr zu sein. Er will darauf leben und sterben und bittet um Gottes willen um Gnade, mit Erbietung und Angelobung, dass er sothane Künste hinferner nicht mehr gebrauchen will.“

Hier war also dem Unglücklichen das Geständnis eines Vertrags mit dem Teufel suggerirt, wie es den [65] Hexenprozessen zum Grunde lag, während derselbe doch gestanden hatte, dass er seine Mittel gegen den Teufel gebrauche! Auch was derselbe ausserdem über den Teufel gesagt hatte, passte mit dem Begriff eines Bundes mit dem Teufel wenig zusammen.

Die Herrn zu Münster gingen aber auf der einmal eingeschlagenen Bahn ruhig weiter. Schon am Tage nach dem Empfange des Protokolls machten sich dieselben in der Sache schlüssig. Die Exorcismen und Weisungen Schwechmanns wurden von ihnen kurzer Hand als „teuflische Handlungen“ hingestellt und die Amtleute zu Vechta wurden angewiesen mit demselben — Anderen zum abscheulichen Exempel — nach dem Rechte zu verfahren. Zugleich wurden diese Amtleute aufgefordert, die in der Nachbarschaft gesessenen Personen geistlichen und weltlichen Standes, welche nach dem Geständniss Schwechmanns ebenfalls der Zauberei ergeben wären, in Untersuchung zu ziehen und, wenn sich die Angabe desselben bewahrheiten sollte, in gleicher Weise zu bestrafen.

Hier war also ganz allmählich eine Untersuchung wegen Wunderdoktorei künstlich so geführt und gedreht worden, dass sie schliesslich die Unterlagen eines Hexenprozesses zu Tage zu fördern schien und mit dem grausigen Ende eines solchen abschloss. Wie sehr es aber bereits zur Manie geworden war, jede ungewöhnliche Untersuchung durch das Medium der Folter in einen Hexenprozess umzuwandeln, ist aus einem Prozess zu ersehen, der 1615 in der Münsterischen Stadt Ahlen vorkam[77].

Hier lebte ein gewisser Peter Kleikamp, der, dem Trunke ergeben und wegen eines ihm schuldgegebenen Diebstahls (obschon in der dessfalls angestellten Untersuchung nichts auf ihn gebracht war) flüchtig geworden, später nach Ahlen wieder zurückgekehrt war, wo er plötzlich des Versuchs der Sodomiterei und anderer Dinge angeklagt wurde. Von Zauberei war dabei keine Rede. [66] Der Angeklagte wurde vernommen, die ihm nachgesagten Vergehen konnten jedoch nicht erwiesen werden und Kleikamp hätte somit wieder in Freiheit gesetzt werden müssen, wenn es nicht irgendwie möglich war ihn auf die Folter und dadurch zu Geständnissen zu bringen. Da fiel es dem Untersuchungsrichter ein, dass Kleikamp einst von Ahlen geflohen war, und sofort wurde gesagt, er habe sich durch die Flucht der Untersuchung entziehen wollen. Da man nun ausserdem ohne Mühe nachweisen konnte, dass er mit verdächtigen Personen Umgang gepflogen habe, so hatte man zwei Gründe, welche zur Anwendung der Folter berechtigten. Allerdings wurde nun ein rechtskundiger Vertheidiger des Angeklagten zugelassen, der die gegen denselben aufgestellte Anklageschrift für neidisches Strassengewäsch und Geplärr erklärte und namentlich die mangelhafte Glaubwürdigkeit des Hauptzeugen hervorhob. Allein nichtsdestoweniger wurde von dem Gerichtshof die peinliche Verfolgung der Sache in Münster beantragt, infolge dessen am 16. Juni 1615 die Tortur statt fand.

Das Protokoll der Tortur fehlt. Kleikamp hatte sich aber standhaft gehalten und kein „Geständniss“ abgelegt, wesshalb er „wieder hingesetzt und, damit er während der Nacht nicht vom bösen Feind gestochen werde, durch die dazu bestellten Diener bewacht wurde“.

Was man nun während der Nacht mit ihm anfing, darüber schweigen die Akten. Am anderen Morgen aber wurde dem Richtercollegium angezeigt, dass Kleikamp zum Geständniss willig gemacht sei.

Von sodomitischen Sünden, um die es sich im Anfange der Untersuchung gehandelt hatte, ist in dem über das Geständniss aufgenommenen Protokoll keine Rede. Vielmehr heisst es Eingangs desselben so:

„Am folgenden Tage (17. Juni) haben wir — dem Angeklagten gütlich zugesprochen, um von ihm zu erfahren, wie es denn mit ihm wäre, ob er ein Zauberer und welchergestalt er damit umgegangen und von wem er das Zaubern gelernt.“

[67]

„Darauf er gütlich ausgesagt: Er sei seines Alters 44 Jahre. Gestern habe ihn der Teufel unter dem linken Arm gestochen und nicht haben wollen, dass er bekennen sollte. Er habe ihn gekniffen bunt und blutig, welches auch an ihm zu sehen war. Er sei ein Zauberer. — Seine verstorbene Frau — habe ihn vor ungefähr sechszehn Jahren das Zaubern gelehrt. Auf der Broickhauser Haide, im Kirchspiel Walstedde, da habe er Gott und seinen Heiligen entsagt, dem Teufel Glauben, Treue und Huld gelobt. Bei dieser Verleugnung Gottes sei er dreimal rückwärts gesprungen. Darauf wäre der Teufel in der Gestalt eines schwarzen Hundes zu ihm gekrochen. Der Hund wäre bald wieder verschwunden; statt seiner aber habe sich ein Weib neben ihn gestellt. Auch ein Mann sei erschienen, der Buhle seiner verstorbenen Frau. Derselbe sei mit seiner Frau auf die Seite gegangen, um mit derselben zu buhlen.“

Vor zehn Jahren sei er ein Werwolf geworden. Sein Gehülfe sei damals gewesen der verstorbene Johann Ossenkamp. (Hier folgt die Angabe verschiedener Leute, deren Kälber, Ochsen und Schafe er und Ossenkamp gebissen). — Später, vor fünf Jahren, sei Christian zum Loe sein Gehülfe geworden. (Nun folgt wieder die Angabe einer ganzen Reihe von Leuten, deren Vieh sie beide gebissen; dann heisst es weiter:) — Meine Frau ist auch eine Zaubersche, gehört aber zu einer anderen Rotte. (Nun folgt die Angabe zahlreicher Genossen.) Wir bildeten zwei Rotten. In meine Rotte gehörte Heinrich Hoyemann zu Broickhausen. Unser Hauptmann war Cort Busch; derselbe hatte einen rothen Kopf. Zu jeder Rotte gehören sieben, und zwar gehören zu meiner Rotte Grethe Cloeths, Anna Grone, Anna Jaspers, Toniess zu Kellings Frau, Christian zum Loe etc. — Ich war ihr Trommelschläger. Unseren Tanz hielten wir auf der Kampfarte. Wir tanzten auf einer Leine, welche an der Pforte und an der Mauer befestigt war. Beim Trommelschlagen sass ich auf der Mauer. Die Trommel wird mit einem Fuchsschwanz geschlagen und geht: Tup, Tup, Tup, Tup, Tup.“ —

[68]

„Weiterhin bekannte er: Auf der Kampstrasse in Schellings Hause hätten sie sich geschmiert, darauf wären sie aufgeflogen nach der Mark, in den Weg nach Mecheln zu, in Suidtholdts Kamp an der Lohelinde und nach anderen Orten hin. Hier hätten ihnen ihre Buhlen Kräuter behändigt, welche sie zum Vergiften gebrauchen sollten. Mit den seinigen habe er nichts ausgerichtet. Nur im Anfange seiner Lehre habe er von seiner Buhle Kraut empfangen, mit welchem er einen Hahn, eine Henne und sich selber ein Schwein vergiftet. Sie wären aufgeflogen als schwarze Raben. — In die andere Rotte gehörten die Mutter Lomgensche etc.“

Von den Richtern befragt, woher er diese Rotte und deren Angehörige kenne, antwortete er: dieselben wären in Vorsthovels Hause gewesen, als er das bekannte Kopfstück fortgenommen. (NB. Er meint hier den Diebstahl, wegen dessen er 1614 angeklagt war); auch habe er solches von seiner Buhle und von seiner Frau erfahren.

Nach solchen Angaben musste natürlich von dem Untersuchungsrichter vor Allem die Richtigkeit derselben genauer ermittelt und festgestellt werden. Auch wandte sich das Gericht noch an demselben Tage (17. Juni 1615) an das benachbarte Gericht von Heessen, in dessen Bezirk der Angeklagte einen Theil seiner Malefizien verübt haben wollte, mit dem Ersuchen um genauere Auskunft darüber, ob die bezeichneten Stücke Vieh zu der von dem Angeklagten angegebenen Zeit und an den von ihm bezeichneten Orten, so wie er es angegeben, umgekommen wären. Die in Ahlen wohnenden Personen, denen Kleikamp Schaden an Vieh zugefügt haben wollte, wurden daher für die folgenden Tage zur Zeugenaussage nach Ahlen vorgeladen. Nun hatten allerdings die Zeugen gar Vieles über mannigfache Schädigungen zu klagen, die ihnen seit Jahren von Hexen und Zauberern zugefügt wären, aber nur ganz wenige gaben diese Unglücksfälle oder Vergehen ungefähr so an, dass die Zeugenaussagen mit Kleikamps „Geständnissen“ in Uebereinstimmung gebracht werden konnten.

Das Zeugenverhör begann am 22. Juni. Zuerst erschien [69] der von dem Angeklagten genannte Roer aus dem alten Kirchspiel Ahlen. Demselben wollte Kleikamp mit seinem Gefährten vor fünf Jahren ein schwarzbuntes Kalb todt gebissen haben und zwar so, dass er selbst ihm die Kehle ausgerissen habe. Roer aber wusste nur zu sagen, dass ihm vor etwa drei Jahren in seinem Gehölz ein rothes Huhn und ein braunes mit weissen Füssen abhanden gekommen sei. Ausserdem sei eins seiner Rinder, schwarz von Farbe, zuerst an den Füssen lahm geworden und bald darauf gefallen und gestorben. Und dennoch urtheilten die Richter, dass dieser Fall mit der Aussage des Angeklagten ganz wohl übereinstimme.

Aber noch weniger stimmte die Aussage eines andern Zeugen, Recker, mit dem was der Angeklagte erzählt hatte, überein. In den Kampe desselben wollte Kleikamp mit Christian zum Loe, wie ihre Buhlen ihnen befohlen hätten, ein schwarzbuntes Rind in einen trockenen Graben gedrängt und darin umgebracht haben. Recker aber erklärte ganz bestimmt: Vor und nach wäre ihm unzweifelhaft von Hexen viel Schaden zugefügt worden. So sei ihm im verflossenen Jahre sein bestes Pferd, ein Ochs und eine Kuh krepirt. Sie alle hätten das Unglück zuerst in den Beinen gehabt und wären dann stracks niedergefallen und verendet. Eine schwarz-bunte Kuh aber sei im letztverflossenen Jahre nicht ihm, sondern dem Roer in einen Graben gefallen, die sie indessen lebendig wieder herausgezogen hätten.

Der Zeuge Brune in der Broickhauser Haide, dem der Angeklagte als Werwolf ein Schaf gebissen haben wollte, hatte bis dahin Schafe gar nicht besessen; und der Zeuge Frie zu Broickhausen wusste sich nicht zu erinnern, dass ihm oder seinen Vorfahren an einem Kalbe zugefügt sei, wesshalb er die Aussage des Angeklagten nicht zu bewahrheiten vermochte.

Diese Widersprüche zwischen der Selbstanklage Kleikamps und den Zeugenaussagen machten aber die Richter nicht im Entferntesten irre, vielmehr gaben dieselben dem Richterkollegium nur Veranlassung durch künstliche Wendungen [70] und Auslegungen der beiderseitigen Aussagen eine scheinbare Uebereinstimmung zwischen denselben herzustellen, um so die Selbstanklage des Verhafteten als erwiesen ansehen und im Prozesse weiter fortfahren zu können.

Dieser aber erlitt plötzlich eine Störung durch das Auftreten der von Kleikamp genannten Mitschuldigen. Derselbe hatte die angeblichen Angehörigen der beiden Rotten genannt, die mit ihm und seiner Frau an den nächtlichen Hexentänzen und an der Teufelsbuhlschaft Theil genommen haben sollten. Diese gehörten nun theilweise den angesehensten Familien in Ahlen an. Als sich daher in dem durch diesen Prozess in die grösste Aufregung versetzten Städtchen — in welchem jetzt Kleikamp von Jedermann als der entdeckte Urheber alles Unglücks der letzten Jahre angesehen ward, — die Kunde von diesen Anschuldigungen verbreitete, säumten die nächsten Angehörigen der Beschuldigten nicht, dem Gericht alsbald einen entschiedenen Protest gegen die Depositionen Kleikamps zu überreichen und nochmalige Vernehmung desselben zu beantragen. Ausserdem erschien auch Christian zum Loe vor Gericht und erklärte zu Protokoll, dass er mit Kleikamp confrontirt zu werden begehre. Daher verfügte das Gericht nochmaliges Verhör des Angeklagten und Confrontation desselben mit Christian zum Loe.

In diesem neuen Verhör wurde dem ersteren sein „Bekenntniss“ vorgelesen und er dabei befragt, ob er etwas hinzuzusetzen oder zu widerrufen habe. — Der Unglückliche wusste, dass ein gänzlicher Widerruf nur eine abermalige Folterqual zur Folge haben würde; aber es peinigte ihn der Gedanke, dass er mit dem schwersten Verbrechen, welches er an seiner Frau begangen, aus der Welt scheiden sollte. Daher entschloss er sich, seine bezüglich dieser gethanen Aussagen zu widerrufen; was er auch that. Er sprach seine Reue darüber aus, dass er seiner Frau Unrecht gethan, denn dieselbe sei keine Hexe und habe sich nie mit Zauberei befasst. „Was er aber sonst am 17. Juni ausgesagt, sei der Wahrheit gemäss, insbesondere auch, soweit es Christian zum Loe betreffe, und er habe es [71] ungezwungen und aus freien Stücken gesagt. Er verbleibe darum bei seinem Bekenntniss und er wolle es vor dem strengen Gerichte Gottes, bei Verlust seiner ewigen Seligkeit also verantworten“ (!!!).

Nachdem nun Kleikamp das von ihm aus Verzweiflung — um Genossen seines Verderbens zu haben, — zusammengebrachte Lügengewebe abermals anerkannt und sich selbst so in dasselbe verstrickt hatte, dass er sich nicht mehr drehen und wenden konnte, ohne vor den Richtern als der niederträchtigste Lügner und Verleumder zu erscheinen, fand seine Confrontation mit dem am meisten von ihm angeschuldigten Christian zum Loe statt, — eine grausige Scene! „Du bist ein Werwolf, gerade so wie ich,“ rief ihm Kleikamp entgegen und hielt ihm nun die ganze, lange Reihe von Malefizien vor, die er gemeinschaftlich mit ihm verübt haben wollte. Der alte Christian zum Loe — ein Eingehöriger des Jobst van der Recke auf dem benachbarten Gute Heessen — war wie niedergedonnert, denn er sah, wie das Gespenst des Hexenprozesses bereits auch nach ihm seine Krallen ausstreckte, um auch ihn zu verderben. Er betheuerte seine Unschuld; aber Kleikamp blieb bei seiner Aussage.

Der Prozess ging zu Ende. Die Prozessakten wurden abschriftlich einem auswärtigen Rechtsgelehrten zur Begutachtung übersandt, worauf das Verdikt erfolgte, welches dahin lautete, dass Kleikamp „wegen geständiger Zauberei, dabei verübter Vergiftung und anderer Unthaten mit der gesetzlichen Strafe des Feuers vom Leben zum Tode hingerichtet und zu Asche verbrannt“ werden sollte. Schliesslich machte der Vertheidiger noch einen Versuch, wenigstens die Qual des Feuertodes von dem Verurtheilten abzuwenden. Es stellte dem Gericht daher vor, dass der Verurtheilte „sich für einen armen Sünder erkenne, der gegen Gott und Gottes Gebot gehandelt habe. Er trage dessen Reue und Leid,“ und bitte daher, dass er zur Hinrichtung mit dem Schwerte möge begnadigt werden. Allein „Richter und Schöffen“ erklärten, die Bitte des Verurtheilten nur insofern berücksichtigen zu können, „dass sie [72] die Ausführung des ausgesprochenen Urtheils möglichst beschleunigten.“ — Daher ward Kleikamp schon in den nächstfolgenden Tagen zu Asche verbrannt.

Das war das Ergebniss der Anklage eines Einzigen, die gar nicht auf das Vergehen der Zauberei sondern auf das der Sodomiterei gerichtet gewesen war.

Aber eine Drachensaat war es, die aus der Asche des Gemordeten aufging, — was vor Allem der alte Christian zum Loe erfahren musste[78]. Wie besinnungslos war derselbe von der Confrontation mit Kleikamp nach Hause zurückgekehrt. Von Verzweiflung getrieben eilte er nach Lembeck, um sich dort der Wasserprobe zu unterwerfen und seinen Leumund wieder herzustellen. Allein die Wasserprobe misslang. Seine Frau schlich sich in Erwartung der Dinge, die da kommen würden, heimlich von ihm fort. Er selbst hielt sich aus Furcht vor einer Verhaftung eine Zeit lang in den benachbarten Gehölzen auf; allein es war Alles vergebens. Schon unter dem 13. August 1615 lief bei den Beamten zu Wollbeck ein Bericht des Gografen zu Ahlen ein, dessen Eingang lautete: „Ew. Gestrengen — mag ich dienstlich nicht vorenthalten, wasmassen ein Zauberer, Peter Kleikamp genannt, welcher unlängst Anderen zum abscheulichen Exempel ist hingerichtet worden, nach der scharfen Frage unterschiedliche, vornehmlich aber Einen mit Namen Christian zum Loe — des gräulichen Lasters der Zauberei, und dass derselbe zugleich mit ihm ein Werwolf sein solle beschuldigt, und dabei angegeben hat, dass derselbe etliche Thiere mit ihm gebissen habe, wie man solches an den bezeichneten Orten geschehen zu sein mehreren Theils erfahren.“ Die Behörden begannen nun über ihn zu verhandeln und auf ihn zu fahnden, bis endlich am 26. Februar 1616 seine Verhaftung erfolgte. Im Kerker befiel den Unglücklichen der Wahnsinn, wesshalb die Räthe zu Münster am 18. April 1616 die alsbaldige Folterung desselben befahlen. Doch erlöste ihn der Tod aus den Händen seiner [73] Peiniger, indem er noch am Abend des 18. April starb. Das Gutachten des Scharfrichters über das Ableben des Verhafteten lautete: Der Hals des Verstorbenen sei ganz schwarz und lasse sich umdrehen; die Brust und die Beine wären zerkratzt. Er sei schon bei mehreren derartigen Fällen zur Stelle gewesen und halte dafür, dass der zum Loe dieses sich nicht selbst gethan, sondern dass ihm der Teufel dabei geholfen habe.

Seitdem loderten die Scheiterhaufen, auf denen man Hexen zu Asche verbrannte, aller Orten im Münsterlande auf. Denn in allen Städten, in allen Untergerichten wurden angebliche Hexen massenweise aufgespürt oder zur Anzeige gebracht und nur in den seltensten Fällen endete ein Hexenprozess mit (relativer) Freisprechung der Angeklagten.

Im Kurfürstenthum Mainz hatte man zwar schon vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an Hexen und Zauberer fleissig verbrannt, indessen liegen doch bis über das Jahr 1570 hinaus nur über ganz vereinzelt vorgekommene Hexenprozesse Berichte vor, und aus dem dabei angewandten prozessualischen Verfahren ersieht man, dass die Hexenverfolgung der nächstfolgenden Zeit damals noch nicht im Gange war[79].

Im Jahre 1570 wurde Elisabeth, Hans Schmidten Ehefrau, in dem Orte Altheim der Hexerei verdächtig. Ihre Nachbarn richteten daher eine Supplik an den Oberamtmann zu Amorbach, worin sie baten, „wegen dieser Zaubereien sie gnädig zu bedenken“, infolge dessen die Angeklagte in den Thurm zu Buchen geworfen und hier an eine Kette angeschmiedet, in strenger Haft gehalten wurde. Die Zeugen, welche man am 12. Juni 1570 über sie vernahm, sagten aus: In jeder Walpurgisnacht sei die Schmidtin, welche eine Geis geführt, bei dem Vieh auf dem Felde gewesen und habe mit einer schwarz-weissen Gerte auf [74] verschiedenes Vieh geschlagen, welches hernach erkrankt und zu Grunde gegangen sei. Sie habe ferner, als ein schweres Unwetter entstanden, gesagt: ihretwegen möge das Wetter Alles erschlagen; sie habe den ganzen Winter hindurch auch nur Hotzele und Dürrrüben zu essen gehabt. — Insbesondere sagte noch der Kuhhirte aus: als das Gewitter sich entladen, seien ihm die Kühe davon gelaufen, was seiner Ueberzeugung nach nur durch die anwesende Schmidt verursacht sei. — Ihrem Bericht über diese Depositionen fügten Schultheiss und Schöffen noch bei: Dem Dorfschulzen sei durch die Zauberei der Schmidtin inzwischen eine Kuh krepirt, auch seien „den Leuten, so die Schmidtin angezeigt, die Kühe und vier Schweine schwach und krank geworden“. Auch habe zur grossen Verlegenheit der Gemeinde der Kuhhirt abgedankt, weil er mit solchen verhexten Kühen nichts mehr zu schaffen haben wollte, — „ihm überdies drei zauberische Hasen begegnet seien, von denen einer einen Bauch gehabt wie eine Geis, und denen kein Hund habe nachlaufen können“.

Am 12. Juli befahlen hierauf die „weltlichen Räthe“ des Kurfürsten, man solle die Schmidtin unaufgezogen (d. h. ohne Anwendung der Folter) examiniren. Dieses geschah, die Angeklagte betheuerte aber natürlich ihre Unschuld.

Nun blieb die Untersuchung (während die Unglückliche im Kerker schmachtete) beruhen, bis das Raths-Kollegium am 12. Juli 1571 verfügte, man solle sie entlassen, ihr aber einschärfen, dass sie sich in Zukunft fromm und ehrlich zu halten habe. — Aber dennoch liess der Schultheiss auf des Amtmanns Befehl, wie es in den Akten heisst, den mit Reverenz zu vermeldenden Wasenmeister aus Miltenberg kommen, die Schmidt auf die Folter legen und dergestalt peinigen, dass ihr Leib zerdehnt, zerrissen, ihre Hände und Arme verrenkt und zerbrochen wurden. Sie hielt aber aus, ohne das geforderte Geständniss abzulegen, und der Prozess endete, nachdem die gemarterte Schmidtin entlassen war, damit, dass deren Ehemann gegen die Ankläger seiner Frau bei dem Zentgerichte [75] auf Entschädigung klagte, — was freilich keinen Erfolg hatte.

Im letzten Dezennium des Jahrhunderts nahm aber die eigentliche Hexenverfolgung ihren Anfang, indem nicht mehr Einzelne, sondern ganze Massen von Angeklagten mit der peinlichen Frage in Untersuchung genommen wurden. Namentlich scheint von 1593 an im ganzen Mainzischen Odenwalde überall auf Hexen und Zauberer Jagd gemacht worden zu sein.

Furcht und Schrecken herrschte damals unter der Bevölkerung, weil die unsinnigste Klage hinreichte, um Jemanden auf die Folter und auf den Scheiterhaufen zu bringen. In den Untersuchungsakten finden sich umfangreiche Verzeichnisse von Verdächtigen, Eingezogenen, Entflohenen etc. Selbst alters- und geistesschwache Personen finden sich unter den Eingezogenen vor. Eine grosse Zahl schwangerer Frauen wurde ihren Männern nur gegen schwere Kaution auf so lange zurückgegeben, „bis sie ihrer weiblichen Bürde entledigt“ seien. Auf der Folter wurden nun die tollsten Geständnisse zu Wege gebracht. Die Frau eines Peter Müller gestand, „sie sei mit Zauberei behaftet, von dem allmächtigen Gott ab- und dem Teufel zugefallen“. Eine Katharine Lengenfelder von Reisenbach schrie auf der Folter, „sie sei des Teufels und wolle sein bleiben“, riss sich dann von der Folter los, machte einen rasenden Angriff auf den Scharfrichter, und stürzte todt nieder, worauf die Leiche verbrannt wurde.

Dabei befahlen die weltlichen Räthe noch, „man solle nicht so viele Umstände machen, und vor Allem das Vermögen einziehen“.

Eine Margarethe Habeckerin aus Galmbach war entflohen. Man zog nun ihre Mutter ein, und diese bekannte, ihre Tochter an einen Teufel verheirathet zu haben. — Zu Amorbach gab ein Bauer seiner eigenen Mutter vor Gericht schuld, dass sie das teuflische Hexenwerk treibe.

Gegen das mörderische Treiben der mainzischen Beamten reichten damals zwei Edelleute eine Beschwerdeschrift bei dem Kurfürsten Wolfgang zu Mainz ein, worin [76] sie klagten, dass die Beamten des Kurfürsten Nachts in ritterschaftliche Gebiete eingefallen, fremde Unterthanen hinweggeschleppt, unschuldige Personen schändlich gemartert und selbst den Nachlass der hingerichteten Weiber confiszirt hätten. — Dagegen richtete die Gesammtbürgerschaft der Stadt Buchen an den Kurfürsten eine Eingabe, in welcher der Aberglaube der Zeit in wahrhaft schreckhafter Weise sich kund gab: In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli habe der Thorwart Veit Meffert zwischen 11 und 12 Uhr ein Rumoren von Pfeifen, Trommeln, umhersprengenden Reitern und ungeschmierten Kutschen gehört, dass er vor Schrecken ins Horn gestossen; doch habe er Niemanden von der Bürgerschaft aufwecken können. Dessgleichen habe der Thorwart in der Vorstadt ein Springen, Tanzen und Getümmel vernommen, wie wenn alle Häfen zerschmissen würden, worauf um den Thorthurm herum ein gräuliches Wetter sammt Platzregen erfolgt, wie aus Fässern, dessengleichen noch Niemand gesehen. Ein Bürger, der aus dem Wirthshaus des Hanns Feierabend gekommen, habe Alles um sich herumtanzen sehen, und habe eine merkliche Anzahl teuflischen Zaubergesindels in Menschengestalt, schwarz angethan, auf der Gasse umher tanzen und springen bemerkt, das sei vom leidigen Satan wider alles Verbot geistlicher und weltlicher Obrigkeit mit seinen untergebenen teuflischen Instrumenten zu keinem anderen Ende gerichtet, denn um sein Reich durch solche verdammliche Freude zu erheben. Daher „wolle die liebe, von Gott eingesetzte, und von Gott mit dem scharfen Verstande wohl begabte Obrigkeit eine heilsame Strafe gegen die dem leidigen Satan fürsichtig ergebenen Zauberer verordnen“.

Alsbald wurden nun wieder, — trotz der Einsprache des Amtskellers zu Buchen, welcher behauptete, der Bürger, der die Teufelsgestalten gesehen, müsse offenbar zum Narren gehalten worden sein, — eine Menge von Zauberern und Hexen eingezogen, zum Theil unter den unsinnigsten und lächerlichsten Anschuldigungen. So wurde z. B. eine Frau beschuldigt, in eine Kuh einen Fiedelbogen hineingezaubert [77] zu haben. Eine andere Frau, die im Frohndienst Heu machen musste und ermüdet mit der Arbeit einhielt, sprach zu andern Weibern: „wenn nur der Teufel das Heu holte!“ Da sich nun unglücklicherweise unmittelbar darauf ein Sturmwind erhob, der das Heu von der Wiese hinwegtrieb, so war die Frau als wettermachende Hexe erwiesen und wurde zur peinlichen Frage eingezogen.

Es war vergeblich, dass die Unglücklichen bei Gott und allen Heiligen ihre Unschuld betheuerten. Sie wurden gefoltert, wobei stets in den Akten bemerkt wird, dass sie sich zwar am Kopfe „gekrauet“, dass aber bei ihnen keine Thränen geflossen seien. Nicht wenige der Gefolterten überstanden auch alle Qualen, ohne sich eine Geständniss abmartern zu lassen. Ueber diesen teuflischen Trotz des Hexengeschmeisses aufs Höchste erbittert, verfügten daher die Mainzischen Räthe: „Gegen diejenigen, so in puris negativis ohne sonderlichen Schmerz beständen und mit der Sprache nicht losschlagen wollten, solle mit den Schrauben und Daumeisen angefangen und dann mit den anderen Instrumentis fortgefahren werden. Sintemalen aber diese Leute allem Ansehen nach unsichtbare Geister bei sich hätten und vom bösen Feinde angereizt seien, sollen geistlicher Leute Mittel gegen diese teuflischen Verführungen gebraucht werden.“ —

Ueber das Schicksal der einzelnen Angeschuldigten erfährt man aus den Akten nur selten etwas Bestimmtes. Zuweilen wird von dieser und jener Unglücklichen auf der Aussenseite des betreffenden Aktenheftes ausdrücklich bemerkt, dass dieselbe hingerichtet worden sei. Im Allgemeinen fand man jedoch diese Notirung unnöthig, da ein Hexenprozess nur selten anders als auf dem Scheiterhaufen oder überhaupt unter der Hand des Scharfrichters endigte. Ein anderes Mal zeigt der Oberamtmann an, er habe wieder fünf Hexen verbrennen lassen, (deren Namen nicht einmal genannt werden,) wofür er von den kurfürstlichen Räthen belobt wird.

Während der ganzen ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts war in Kurmainz die Hexenverfolgung im [78] fortwährenden Steigen. Kurfürst Johann Schweikart (1604–1626) brachte in dieselbe zuerst System, indem er, nachdem er sich von der theologischen und der juristischen Fakultät seiner Hochschule umständlichst über das fluchwürdige Wesen und Treiben der Hexen hatte belehren lassen, eine Untersuchungsordnung für Hexenprozesse mit achtzehn General- und achtundneunzig Spezialfragen aufsetzen und allen Gerichten im Lande zuschicken liess. Die schrecklichste Zeit nahm jedoch mit dem Regierungsantritt seines Nachfolgers, des Kurfürsten Georg Friedrich (v. Greiffenklau) 1626 ihren Anfang. Als sich derselbe im genannten Jahre zu Dieburg huldigen liess, erschien vor ihm eine Deputation der Zentmannschaft und bat ihn inständig und um Gottes Willen, dass er doch zur Ausrottung des überhandnehmenden Lasters der Zauberei die nöthigen peinlichen Untersuchungen befehlen möchte. Dieselbe Bitte wurde ihm, da es dem Kurfürsten mit der schärferen Verfolgung der Hexen doch nicht so eilig war, unter dem 6. Februar 1627 auch schriftlich vorgetragen. In Dieburg stand nämlich damals eine ganze Menge von Personen im Geruch der Zauberei, und die Masse des Volks war gegen dieselben mit solcher Wuth erfüllt, dass selbst die Beamten, welche nicht sofort alle Verdächtigten in Haft nahmen, sich bedroht sahen. Daher musste zur Beruhigung der Bürgerschaft endlich wieder ein Hexenprozess in Scene gesetzt werden. Aus der Menge der zur Anzeige gebrachten wählte man hierzu eine Frau, nämlich Martin Padts Witwe, aus, „weil deren Mutter vor zwanzig Jahren als Hexe verbrannt worden sei“. Am 26. Juni 1627 begann das Verhör, und am 7. Juli wurde die Verhaftete hingerichtet. Die Padtin hatte aber im Verhör, in welchem sie wiederholt gefoltert worden war, eine ganze Anzahl von Mitschuldigen genannt; daher gestaltete sich aus dieser Einen Inquisition sofort eine ganze Anzahl anderer Prozesse, von denen jeder einzelne wieder zu neuen Verfolgungen in Dieburg, Seligenstadt[80], Aschaffenburg [79] u. s. w. Anlass gab. Aus den massenhaft angestellten Verhören traten nun auch hier die gewöhnlichen Angaben der wegen Hexerei Verhafteten hervor. Als Versammlungsstätten der Hexen wurden der Eichwasen bei Dieburg, der Humesbühl, der grosse Formel u. s. w. bezeichnet. Bei der Generalversammlung, die zu Walpurgis auf dem Eichwasen stattfand, fanden sich oft Tausende, darunter auch vornehme Leute, aus Darmstadt, Aschaffenburg, Umstadt, Münster u. s. w. zusammen. Bei den Gelagen waren die Tische und Stühle gemalt, die Trinkgeschirre, dem Anschein nach von Gold und Silber, waren eigentlich Rossköpfe und Schelmenbeine, und was sich als Krammetsvögel ansah, war in Wirklichkeit eine Schüssel voll Kröten. Das Brod, welches man auftischte, musste an einem Sonntag gebacken sein; Salz dagegen kam bei keiner Gasterei vor. Die Hexen erzählten auch, sie hätten sich zwar mit den genossenen Speisen gesättigt, allein, wenn sie nach Hause gekommen, hätten sie sich hungrig und äusserst matt gefühlt u. s. w. — Alle diese und ähnliche Geständnisse waren den Verhafteten durch eine bestialische Anwendung der Folter erpresst[81]. Einer [80] der Verhafteten, Philipp Krämer aus Dieburg, that im Verhör die unerhörte Aeusserung, dass die gegen ihn abgelegten Zeugenaussagen falsch seien und dass das ganze Hexenwerk nichts als Aberglauben sei. „Wenn dergleichen Belialszeugnisse auch tausend wären,“ rief er, „so könnten sie doch alle tausend falsch sein. Denn das wären Leute, so in ihrer Pein und Marter verzweifelten. Da müsse er sehen, dass unter Tausenden nicht Einem Recht geschehe. Es nehme ihn Wunder, dass man solche abergläubische Sachen glaube. Das seien doch lauter unmögliche Dinge, und es könne aus keiner Schrift bewiesen werden, dass es zu glauben sei. Der Teufel verblende die Leute und nehme frommer Leute Gestalt an.“ — Er wurde dafür am 6. September 1627 mit dem Schwerte hingerichtet und sein Leichnam verbrannt. So wurden in Dieburg nach den vorliegenden Akten im Jahr 1627 überhaupt sechsunddreissig, — nach einer Aufzeichnung des Pfarrers Laubenheimer sogar fünfundachtzig — Personen hingerichtet. Im November 1629 begann hierauf eine neue Untersuchung gegen einundzwanzig Dieburger Leute. Ganze Familien sind in jenen Jahren zu Dieburg fast ausgerottet worden. An andern Orten ging es noch grausiger her. In Grosskrotzenburg und Bürgel wurden auf Betreiben des fanatischen Dechanten zu St. Peter in Mainz gegen dreihundert Personen wegen Hexerei hingerichtet, in Folge dessen der Kapitularpräsenzkammer zu Mainz bei tausend Morgen confiszirter Ländereien zufielen. Das aber war dem Kurfürsten Johann Philipp (von Schönborn, 1647 bis 1673) doch zu arg, wesshalb derselbe das im Lande herrschend gewordene ganz formlose Verfahren in der Hexenverfolgung untersagte und daselbe regelte und einschränkte[82].

Im Jahr 1657 wurde von der Bürgerschaft der kurmainzischen Stadt Amorbach ein Projekt zur Verbrennung aller Hexen, welche Fröste gemacht und die Weinernte zu Grunde gerichtet hätten, entworfen. Zu diesem [81] Behufe waren nicht allein die Einwohner von Amorbach sondern auch die der angrenzenden Aemter aufgeboten, und der Oberamtmann Daniel von Frankenstein wurde in geradezu stürmischer Weise zu einem gerichtlichen Einschreiten gegen die Hexerei gedrängt. Allein der Kurfürst Johann Schönborn zu Mainz befahl, man sollte die bereits Verhafteten ohne Weiteres zu ihren Familien zurückkehren lassen[83].

In der Erzdiözese Köln (wo der Protestantismus so tiefe Wurzeln geschlagen hatte) griff die Hexenverfolgung in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts wie ein rasender Dämon in alle Schichten der Gesellschaft ein. Kinder und Greise, Geistliche und Laien, Frauen und Mädchen massenhaft erfassend und zerreissend[84]. Man vergleiche folgende aus dem Salm'schen Archive (leider ohne Datum) abgedruckten Akten! Der Pfarrer Duren zu Alfter berichtet an den Grafen Werner von Salm: „dass ich vorlängst nicht geschrieben, ist daher kommen, dass mir nichts Sonderliches vorgekommen, allein dass man zu Bonn stark zu brennen anfange. Jetzo sitzet eine Reiche (Frau), deren Mann vormals Schöffe zu Bonn gewesen, Namens Kurzrock, dem die Herberge „zur Blume“ eigenthümlich zuständig gewesen. Ob er Ihre Gnaden bekannt gewesen, weiss ich nicht. Dem sei wie ihm wolle; sie ist eine Hexe und täglich vermeint man, dass sie justifizirt werden solle, welcher ohne Zweifel noch etliche Dickköpfe (d. h. lutherisch Gesinnte) folgen müssen.“ — Aus einem späteren Briefe desselben Pfarrers an den Grafen ziehen wir folgende Stelle aus: „Solche (Opfer des Scheiterhaufens) sind aber mehrertheils Hexenmeister dieser Art. Es geht gewiss die halbe Stadt drauf. Denn allhier sind schon Professores, Candidati juris, Pastores, Canonici und Vicarii, Religiosi eingelegt und verbrannt. Ihre Fürstliche Gnaden haben siebzig [82] Alumnos (des Priesterseminars), welche folgends Pastores werden sollten, von welchen quidam insignis musicus, gestern eingelegt; zwei andere hat man aufgesucht, sind aber ausgerissen. Der Kanzler sammt der Kanzlerin und des geheimen Secretarii Hausfrau sind schon fort und gerichtet. Am Abend unserer lieben Frauen (7. September) ist eine Tochter allhier, so den Namen gehabt, dass sie die schönste und züchtigste gewesen von der ganzen Stadt, von neunzehn Jahren, hingerichtet, welche von dem Bischofe selbst von Kind an auferzogen. Einen Domherrn mit Namen Rotensahe habe ich sehen enthaupten und folgends verbrennen sehen, Kinder von drei bis vier Jahren haben ihren Buhlen (Buhlteufel). Studenten und Edelknaben von neun, von zehn, von elf, zwölf, dreizehn, vierzehn Jahren sind hier verbrannt. Summa, es ist ein solcher Jammer, dass man nicht weiss, mit was Leuten man conversiren und umgehen soll.“

Der Vogt zu Hülchrode, Andreas Heffele, berichtet unter dem 22. Dezember 1590 an den Amtmann Wilhelm v. Ladolf in dem Salm'schen Städtchen Dyck: „Nächst dienstnachbarlicher Ehrerbietung thue Ew. Liebden ich hiermit zu wissen, wie dass Zeiger dieses, der armen gefangenen Frauen Eidam, genannt Gort, — bei mir gewesen und gebeten wegen seiner selbst und seinen Geschwägern, dass man doch ihre Mutter mit dem Schwerte richten und in die Erde begraben möchte, dagegen sie unserem gnädigen Herrn 40 Thaler Kölnisch zu unterthänigster Verehrung geben wollten. — Die allhier Sitzenden habe ich examiniren, peinigen und aufs Wasser versuchen lassen, deren zwei ihre Unthaten umständlich bekannt, die dritte aber halsstarrig geleugnet, jedoch dieselbe wie die anderen Zwei auf dem Wasser geschwommen.“

Unter den zahllosen Hexenprozessen, welche damals und im Anfange des folgenden Jahrhunderts im Kölner Land und in den unter der geistlichen Jurisdiction Köln stehenden Territorien geführt wurden, möge es genügen, Einen hervorzuheben.

In Köln lebte im Jahr 1627 eine junge schöne Dame [83] Katharine von Henoth[85], Tochter eines kaiserlichen Postmeisters. Dieselbe leitete das Hauswesen ihres Bruders, des Propstes und Domherrn Hürtger von Henoth, und war in den vornehmen Kreisen, die sich mit dem Hause des Bruders berührten, hoch angesehen. Da geschah es, dass einige angeblich behexte und vom Teufel besessene Professschwestern des Klosters zu St. Clara sie als Hexe verschrieen, infolge dessen sie unter Beihülfe eines städtischen Ruthenträgers und Gewaltrichters mit Gewalt aus dem Hause ihres Bruders geholt und ins Gefängniss geschleppt wurde. Alsbald wurden über sie die erbärmlichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt. In den Gärten, welche um ihre Wohnung lagen, hatte sich eine auffallende Menge von Raupen gezeigt, welche Obst und Gemüse verdarben. Auch bekannten zwei Pfarrer, dass sie an den geheimsten Theilen ihrer Leiber litten, dass eine Hexe es ihnen angethan haben müsse, und dass ihnen die Hexe im Traume wie im wachenden Zustand fortwährend erscheine. Dass diese Hexe Fräulein v. Henoth sei, stand sehr bald fest. Sie wurde daher dreimal durch alle Grade hin gefoltert, „dass die Sonne sie durchscheinen konnte“. Die grässlichsten Schmerzen waren jedoch nicht im Stande, der mit zerrissenen Gliedern auf der Folter daliegenden standhaften jungen Dame das Geständniss zu erpressen, welches die Richter haben wollten. Sie blieb bei der Betheuerung ihrer Unschuld. Beinahe wäre auch ihr Bruder in den Prozess hereingezogen worden. Er hatte alle Ursache, sich glücklich zu schätzen, dass man ihn unbehelligt liess, als man die Schwester auf einen Karren lud und hinaus vor die Stadt zum Scheiterhaufen führte. Die Unglückliche hatte freilich Freunde, welche auch in der äussersten Noth nicht von ihr liessen, wesshalb dieselben einen kaiserlichen Notar gewannen, der sich bereit erklärte, einen Protest gegen das schreckliche Verfahren aufzusetzen. [84] An einer Strassenkreuzung der Stadt, wo altem Herkommen gemäss der Zug nach dem Richtplatze zu halten pflegte, standen die Freunde, stand der Notar. Die Verwahrungsurkunde wurde auf den Wagen gereicht, und der Unglücklichen eine Feder in die Hand gedrückt, damit sie unterzeichne. „Seht ihr Leute,“ riefen alsbald die Jesuiten, welche den Karren zum Richtplatz geleiteten, zu dem Volke, in welchem sich das Gefühl des Mitleids zu regen begann, „seht ihr, dass sie eine Hexe ist, denn sie schreibt mit der linken Hand.“ Wirklich hatte Katharine mit der Linken die Urkunde unterzeichnet. Jetzt aber, als sie die Rechtsverwahrung in die Hand des Notars zurückgegeben, riss sie mit der linken Hand den Verband von der Rechten, zeigte, wie diese in der Folter zu einer blutigen Masse verstümmelt war und brach in die Worte aus: „Ja, ich schreibe mit der Linken, weil die Henkersknechte die Rechte mir verdarben und zerschmetterten, um mich Unschuldige zum Geständniss zu zwingen!“ — Grausen und Entsetzen ergriff das Volk; Entrüstung zeigte sich in der Menge, in welcher bereits harte Worte gegen die Hexenrichter laut wurden. Da winkten die Jesuiten, stimmten einen Psalm an und geleiteten den Karren, der sich wieder in Bewegung setzte, durch die Stadt zum Scheiterhaufen.

Dieses geschah in Köln. An anderen geistlichen Orten ging es nicht besser.

Zu Ellingen (in Franken), einer Landkomthurei des deutschen Ordens, wurden 1590 in nur acht Monaten fünfundsechszig Personen wegen Hexerei hingerichtet. — In dem reichsunmittelbaren Frauenstift Quedlinburg wurden 1589 an Einem Tage hundertdreiunddreissig Hexen verbrannt.

In dem Stiftslande Zuckmantel, dem Bischof von Breslau gehörig, wurden schon 1551 nicht weniger als acht Henker gehalten, welche, wie das Theatrum Europaeum (VII. S. 148) erzählt, vollauf zu thun hatten. In den Jahren 1639 wurden nachweisbar zu Zuckmantel, Freiwaldau, Niklasdorf, Ziegenhals und Neisse zweihundertzweiundvierzig Personen wegen Hexerei hingerichtet, und [85] im Jahr 1654 starben hier hundertundzwei Personen den Feuertod, darunter auch zwei Kinder, deren Vater der Teufel gewesen sein sollte[86].

In dem Erzstift Salzburg kam die Hexenverfolgung namentlich seit dem Beginn der Protestantenhetze (1588 unter Wolfgang Dietrich) in Gang. Im Jahr 1679 wurden hier siebenundneunzig Zauberer und Hexen verbrannt. Einem damals erschienenen Berichte zufolge sollten die Salzburger Hexen das einstimmige Bekenntniss abgelegt haben, dass sie ausser anderen Vergehen allen Heiligen abgesagt und sich verpflichtet hätten, keine guten Werke in oder ausser der Kirche zu thun, zum Abendmahl ohne vorgängige Ohrenbeichte zu gehen und die Hostie zu verunehren. Sie sollten auch gestanden haben, dass sie oft die Hostie durchstochen hätten, und dabei aus derselben Blut hervorzutreten pflege[87].

Im Stift Paderborn, wo die Scheiterhaufen schon (seit 1585 unter der Regierung des Fürstbischofs Theodor v. Fürstenberg) lange gelodert hatten[88], rief 1656 ein Jesuit Löper, der den Teufel durch Exorcisirung der von ihm Besessenen bekämpfen wollte, eine Bewegung ganz eigener Art hervor. Die Besessenen, etwa hundert an der Zahl, liefen in den Strassen der Stadt umher und schrieen Zeter über den Bürgermeister, über die Kapuziner, die Hexen und Hexenvertheidiger. Auf Betreiben des Kapuziner-Guardians wurde der Jesuit ausgewiesen, aber der Unfug war nun einmal im Gange. „Aus mehr als dreissig besessenen Leuten,“ sagt das Theatrum Europaeum (Th. VII. S. 1023) „zu Paderborn und Brackel riefen die Teufel unaufhörlich über Trinike Morings als über eine Zauberin, welche die Teufel durch Branntwein, Kuchen, Aepfel, Bier, Fleisch und andere mehr Sachen hätte in die Menschen getrieben. Ja die Teufel haben auch öffentlich auf [86] den Gassen über Etliche als Hexenvertheidiger geschrieen; und was die Teufel schrieen, das bekannten dann die Hexen gerichtlich vor den Herrn Commissarien, nämlich dass die bösen Geister durch Hexerei in so viele Menschen wären eingetrieben worden.“

Die einmal in Gang gekommene Bewegung liess sich jedoch nicht so leicht bewältigen, vielmehr drang dieselbe bald über ihre anfänglichen Grenzen hinaus.

Die ungeheuere Erregung der Gemüther, welche die Hexenverfolgung hervorgerufen, die grässlichen öffentlichen „Brände“ und die dem Volke dadurch eingeimpfte Furcht vor der Hexerei, bewirkte es, dass die Seuche nicht nur das ganze paderborner Land, sondern auch die Grafschaft Rietberg und andere westphälische Bezirke erfasste, indem ganze Schaaren von Frauen und Mädchen das Land durchzogen, sich für vom Teufel besessen erklärten, die seltsamsten convulsivischen Geberden zeigten, eine Menge von Personen als Hexen und Hexenmeister verschrieen und überall Furcht und Schrecken verbreiteten. Da hierdurch an vielen Orten tumultuarische Auftritte hervorgerufen wurden, so schritten die Behörden natürlich gegen die Unruhestifter ein. Viele wurden ausgepeitscht oder gebrandmarkt und des Landes verwiesen, einzelne auch am Leben gestraft. In den zahllosen Verhören, welche darüber angestellt wurden, gestanden es nicht Wenige, dass sie von bestimmten Personen zur Simulirung der Besessenheit verführt und in dem dazu erforderlichen Geberdenspiel unterwiesen worden wären[89]. Ihre Bedeutung hatte aber die ganze Erscheinung darin, dass der Betrug im Volke massenhaft die bereitwilligsten Werkzeuge finden konnte.


[87]

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Die Hexenprozesse von der zweiten Hälfte des sechszehnten bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts in den weltlichen Territorien Deutschlands.

Wir haben früher gesehen, dass fast in allen Landen die Zeit vom Ende des fünfzehnten bis in die zweite Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts die Zeit des eigentlichen Entstehens der Hexenprozesse war. Denn bis zum Ende des sechszehnten Jahrhunderts kamen dieselben zumeist — von einzelnen, namentlich romanischen, Territorien abgesehen, nur vereinzelt vor. Das Resultat dieser verhältnissmässig noch sehr moderaten Hexenverfolgung war aber, dass durch dieselbe 1) die im Hexenhammer enthaltene Doctrin von der Hexerei dem Volke eingeimpft war, und dass 2) die Obrigkeiten, die Gerichte, die Geistlichen, indem sie den Hexenhammer zur Anwendung brachten, sich mit ihrem Denken selbst in diese Lehre von der Hexerei einlebten, und, durch ihre ganze Weltanschauung ohnehin für dieselbe disponirt, sie in ihre Gedankenwelt aufnahmen und sich an die Verfolgung der Hexerei als des furchtbarsten Verbrechens, das der Christ begehen könne, gewöhnten. — Etwa von der Mitte der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts an bis gegen das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts sehen wir daher die Hexenverfolgung [88] auf ihrer höchsten Höhe, die Drachensaat des heidnischen Dämonismus, welche Papst Innozenz VIII. aus vollen Händen unter den Völkern des Abendlandes ausgestreut hatte, war bis zum Anfange jener Periode aller Orten in üppigster Weise aufgeschossen, und es begann nun eine Zeit des Schreckens, wie sie die Christenheit bis dahin noch nie erlebt hatte.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Herzogthümer Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel[90]. Schon zum Jahre 1561 heisst es in der Göttinger Chronik (Th. I. S. 163), der Magistrat von Göttingen sei so sehr mit Hexenprozessen beschäftigt gewesen, dass fast kein altes Weib vor der peinlichen Frage und dem Scheiterhaufen sicher war. Herzog Heinrich von Wolfenbüttel liess 1565 an Einem Tage bei Salzgitter zehn und bei Lichtenberg sieben Hexen verbrennen, und in den Jahren 1572 und 1573 kam selbst die Herzogin Sidonie, die Gemahlin des (katholisch gewordenen) Herzogs Erich II. von Braunschweig-Calenberg (der man Schuld gab, im Bunde mit dem Teufel und durch Gift die Beseitigung ihres Gemahls versucht zu haben,) in solche Bedrängniss, dass sie es für gut fand, zu ihrem Bruder, dem Kurfürsten August von Sachsen, zu flüchten. Allerdings wurde noch Herzog Julius (†1589) von der Frage beunruhigt, ob denn die Hexen wirklich die Dinge verrichten könnten, welche sie nach ihren mit der Folter erpressten Aussagen gethan haben wollten[91]. Allein unter seinem Sohn und Nachfolger Heinrich Julius (der seit 1566 Bischof von Halberstadt war,) wurde seit 1590 die Hexenverfolgung so arg, dass bei Wolfenbüttel oft an Einem Tage zehn bis zwölf Hexen verbrannt wurden, und dass, wie eine gleichzeitige Chronik berichtet, die Exekutionsstätte, der Ort vor dem Lechenholze, von wegen der Menge der daselbst [89] aufgerichteten Brandpfähle wie ein kleiner Wald anzusehen war.

In einer ungedruckten Chronik der Stadt Hitzacker im Fürstenthum Lüneburg wird zum Jahr 1610 berichtet[92]: „Anno 1610 wurden etliche Personen in Hitzacker und in der Nähe der Hexerei und Zauberei beschuldigt, welche dann auf viele andere mehr bekannten, dass auf zehn Personen incarcerirt und zum Feuer verdammt worden.“ — Der damalige Pastor zu Hitzacker, Herr Simon Krüger, schreibt, dass ihm diese Affaire nicht allein grosse Mühe und Arbeit gemacht, sondern auch tausend Sorgen und Thränen aus dem Herzen gedrungen. — Es ward geurtheilt, dass sehr viele dieser Leute unschuldig sterben müssen, und dass der Scharfrichter bei der Wasserprobe betrüglich gehandelt, damit er nur viel verdienen möchte. — Die Pfähle, daran dieselben verbrannt, waren a. 1670 noch häufig auf dem Galgenberge zwischen Marwedel und Lwau zu sehen. — Man erzählt, dass etliche von den Pfählen wieder ausgegrünt, welches dann der Regierung einiges Nachdenken verursacht von solchem Prozess abzustehen und eine Inquisition wider den Scharfrichter vorzunehmen.

In Kurbrandenburg sehen wir die Hexenverfolgung bis zur Regierung des grossen Kurfürsten ihren ungestörten Fortgang nehmen. Unter diesem staatsklugen Fürsten tritt jedoch eine Wendung zum Besseren ein. Allerdings dauerten die Prozesse noch immer fort. Aufsehen machte hier namentlich ein Prozess, der drei Jahre lang gegen ein 1662 im Dorfe Jagow in der Uckermarck verhaftetes Weib geführt wurde. Die ganze uckermärkische Ritterschaft hatte auf den Prozess gedrungen. Endlich erkannte der brandenburgische Schöffenstuhl auf Tortur. Das Weib überstand jedoch dieselbe, ohne sich ein Geständniss abmartern zu lassen. Daher urtheilte ein weiteres Erkenntniss des Schöffenstuhls, bei der Tortur müsse ihr der Teufel [90] Hülfe geleistet haben, und da sich inzwischen in Jagow allerlei seltsame Dinge zugetragen hatten, so erging ein Endurtheil der Juristenfakultät zu Frankfurt auf Landesverweisung, welches der Kurfürst bestätigte. Das Weib musste Urphede schwören, und wurde dann durch den Nachrichter unter Zuziehung des Uckermärkischen Hof- und Landrichters des Landes verwiesen. Seitdem endeten die Hexenprozesse gewöhnlich mit Verweisung in das Spinnhaus oder mit Verbannung aus dem Lande. Doch hatte der einsichtsvolle Monarch viel mit den Vorurtheilen seiner Patrimonialgerichtsherrn zu kämpfen, welche noch immer der Hexerei durch Verbrennung der Hexen ein Ende machen zu müssen glaubten. Daher sah er sich zum Oefteren genöthigt, gegen deren Verfahren Untersuchung einzuleiten oder die Urtheile der Gerichte zu kassiren[93].

In Oesterreich hat, wie Abraham a Sancta Clara erzählt[94], „das werthe Herzogthum Steyer“ seit 1674 durch verruchtes Zaubergeschmeiss unglaublichen Schaden erlitten, wie es die eigenen Aussagen der Hingerichteten zu Feldbach, zu Radkersburg, zu Voitsberg, zu Grauwein und an anderen Orten bezeugten. „Diess Jahr 1688, im Monat Juni,“ fährt der eifrige Prediger fort, „haben sie einen so grossen Schauer heruntergeworfen, dass deren etliche Steine fünf Pfund schwer gewogen, und hat man unweit der Hauptstadt Gräz gewisse grosse Vögel wahrgenommen, welche in der Höhe vor diesem grausamen Schauerwetter geflogen und selbiges hin und her geführt. Einige bekannten, so nachmals verdienter Massen im Feuer aufgeopfert worden, wie sie das höchste Gut und die heiligsten Hostien salva venia in den Sautrog geworfen, selbige mit einem hölzernen Stössel nach Genügen zerquetscht, dass auch mehrmalen ihren Gedanken nach das helle Blut hervorgequellt, dennoch ganz unmenschlich und unbeweglich in ihrer Bosheit fortgefahren, gedachtes höchstes Geheimniss [91] mit unfläthigem Wasser begossen, und nachdem sie es mit einem alten Besenstiel gerührt, sei alsobald der klare Himmel verfinstert worden und allerseits, wo es ihnen gefällt, der häufige Schauer heruntergeprasselt.“ Abraham a Sancta Clara gibt auch noch andere Mittel an, durch welche die Hexen nach ihrer eigenen Aussage allerlei Malefizien zu Wege gebracht hätten. Dabei gesteht er allerdings, dass „sehr viele Ungewitter, Schauer, Platzregen kommen von natürlichen Ursachen“, doch bekennt er es zugleich als seine „wohl gesteifte Meinung“, dass dermalen durch den Teufel und dessen Hexengesinde solches Uebel verursacht werde, und solches der gerechte Gott um unserer Sünden halber zulasse, meistens aber, weil wir des Satans Namen öfters im Maul und auf der Zunge haben als den Namen des wahren Gottes. „Ja hätte ich so viele Groschen, als in diesem Jahrmarkt allhier zu Grätz, da ich solches schreibe, nur ‚der Teufel hole mich!‘ gehört wird, sodann wollte ich gar leicht eine grosse Herrschaft einkaufen.“

Weiterhin erzählt Abraham a Sancta Clara, dass „wundersame Aussagen und Erkenntnisse sind ergangen verwichene Jahre allhier in Steyermark von dem Hexen- und Zaubergesinde, dass man davon könnte ein grosses Buch verfassen, nur von Anno 1675 bis in das laufende Jahr 1688.“ Eine Hexe bekannte, dass sie mehr als achthundertmal zu ihrem Liebsten, dem Teufel gefahren, „der in schwarzem Sammet aufgezogen und ausländerisch geredet“, und wohl gelebt habe. — Eine andere ist mit achtzehn Personen in Vogelgestalten als Raben und Elstern ausgeflogen, und als die Braut, welche mit dabei war, vor lauter Behagen beim Teufelsmahl ausgerufen: „Jesus Maria, so wohl habe ich nie gelebt!“ sassen sie plötzlich unweit einer Schinderhütte bei einem verreckten Schimmel. — Abraham referirt dann noch über die Geständnisse anderer Hexen und Zauberer und schliesst mit den Worten: „Hundert und hundert und über hundert dergleichen Begebenheiten könnten beigebracht werden; wir jedoch geben uns mit diesen zufrieden.“

[92]

In Tirol fasste die Regierung zu Innsbruck im Anfange des September 1637 den Entschluss, gegen das Hexenwesen ernstlicher einzuschreiten. Indessen war man sich doch über die Gesichtspunkte, von denen man dabei auszugehen, und über die Grundsätze, nach denen man zu verfahren habe, nicht recht klar, wesshalb die Innsbrucker Regierung damals den erzfürstlichen Vormundschaftsrath und Kammerprokurator zu Innsbruck Dr. Volpert Mozel aufforderte, ein Gutachten über das Zauberwesen und über die Frage zu verfassen, wie es „mit Constituirung der in Kriminal- und Hexereisachen gefangenen Personen und ihrer Complices gehalten werden solle.“ Infolge dessen arbeitete Mozel seine neun Abschnitte umfassende Schrift „Instruction und Conclusiones, mit was Umbstenden die Hexen-Persohnen constituiert werden khinnen“ aus. Dieselbe bewegt sich allerdings ganz und gar auf dem Boden des Hexenhammers, enthält aber dabei doch mancherlei, wodurch sie sich von der bei den meisten Gerichten üblichen Praxis und von den Anschauungen vieler Rechtslehrer zu ihrem Vortheil unterscheidet. Mozel will z. B., dass der Untersuchungsrichter es nie versuchen soll, die Angeklagten mit Vertröstung einer Begnadigung zum Geständniss zu bringen. Haben Inquisiten die Tortur überstanden ohne ein Geständniss abzulegen, so sind sie freizugeben. Die Tortur soll nicht zu lange, wenigstens nicht leicht eine Stunde lang dauern, und Niemand soll öfter als dreimal gemartert werden. Ferner soll der Untersuchungsrichter nur die nach der Marter, nicht aber die auf der Folter gemachten Aussagen protokolliren. Nach den Complices soll der Richter erst fragen, wenn der Inquisit ein Geständniss abgelegt hat. Weil aber auf die Aussage einer der Hexerei überführten Person wenig zu geben ist, so soll der Richter dieselbe nach gemachter Denunciation noch mit einer „geringen Marter angreifen“ und sie dabei erinnern, dass sie durch falsche Angaben sich unzweifelhaft die ewige Verdammniss zuziehen würden. Sollte dann die gefangene Person auf der Folter ihre Aussage widerrufen, so habe man derselben [93] keinen erheblichen Werth beizulegen. Man sieht, dass Mozel doch einigermaassen bestrebt gewesen ist, den Forderungen der Vernunft und Humanität wenigstens hin und wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen[95].

Nach Mozel's Instruktion wurde nun die Hexenverfolgung im ganzen Lande mit frischem Muthe aufs Neue in Angriff genommen. Umständliche Hexenprozesse kamen z. B. im Hochstift Brixen 1643–1644, im Primörthale 1647–1651 vor[96]. Unter den Tiroler Hexenprozessen aus der zweiten Hälfte ist der von Ignaz Pfaundler in der „Neuen Zeitschrift des Ferdinandeums“ 1843 veröffentlichte bekannt geworden. Dieser weitläufige Prozess wurde in den Jahren 1679–1680 bei dem Gerichte Lienz im Pusterthale gegen eine gewisse Emerenziana Pichlerin und deren vier unmündige Kinder geführt, und endigte mit der Hinrichtung der Mutter (25. Septbr.) und der beiden ältesten Kinder von vierzehn und zwölf Jahren (27. Septbr. 1680). Wie häufig aber solche Prozesse damals in Tirol waren, ersieht man aus dem Tagebuche des Benefiziaten Lorenz Paumgartner zu Meran (1664–1681), der in demselben berichtet, dass er während der kurzen Zeit von fünf Vierteljahren dreizehn wegen Hexerei vom Gericht zu Meran zum Tode Verurtheilte zur Richtstätte begleitet habe[97].

Aus dem Archive der Stadt Augsburg liegen uns Nachrichten über die Verfolgung der Hexen vom Jahr 1650 an vor. In grösster Monotonie lautet so ziemlich ein Urtheil wie das andere. Wir wollen nur zwei derselben mittheilen. Ein Erkenntniss vom 18. April 1654 lautet:

[94]

„Der verhassten Anna Schäfflerin von Erlingen sollen ihrer bekannten Hexerei halber und dass sie nicht allein der allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Mutter Gottes Maria und allen lieben Heiligen abgesagt, selbe geschändet, geschmäht und gelästert, wie nicht weniger das hochheilige Sakrament des Altars zum zweiten Mal mit Füssen getreten und grausamlich verunehrt, sondern auch mit dem bösen Geist Unzucht getrieben und sich demselben mit Leib und Seele auf ewig ergeben, auch die verstorbene Maria Pihlerin von Haustätten durch Gifteingebung gewaltthätig ermordet und also selbe ums Leben gebracht, mit glühenden Zangen zween Griffe in ihren Leib gegeben, folgens sie mit dem Schwert vom Leben zum Tod gerichtet und der Körper zu Asche verbrannt werden soll. — Am 15. April 1666 ward folgendes Urtheil gefällt: Anna Schwayhoferin, welche sich dem bösen Feind, nachdem solcher auf dreimaliges Rufen in Mannsgestalt erschienen, ganz und gar ergeben, ihn für ihren Herrn angenommen und auf sein Begehren die hochheilige Dreifaltigkeit, die seligste Mutter Gottes und das ganze himmlische Heer verleugnet, mehrmals der katholischen Religion entgegen, ungebeichtet die heil. Communion empfangen und zu drei unterschiedlichen Malen die heil. Hostie wiederum aus dem Munde genommen, daheim in ihrer Stube auf den Boden geworfen, mit Füssen getreten und ganz verrieben, auch die Stube darauf ausgefegt; nicht weniger mit Hülfe des bösen Feinds und zauberischer Zusetzung ein Kind ums Leben gebracht, auch sonst eine Person mit solchen Mitteln übel zugerichtet, soll solcher verübten schwerer Verbrechen halber auf einen Wagen gesetzt, zur Richtstatt ausgeführt, inzwischen aber an beiden Armen mit glühenden Zangen, und zwar an jedem Arm mit Einem Griff gerissen. Darauf zwar aus Gnaden, weil sie sich bussfertig erzeigt, mit dem Schwert und blutiger Hand vom Leben zum Tod hingerichtet, der todte Körper aber nachmals zu Asche verbrannt werden, — welches Urtheil auf einkommende starke Fürbitte um willen ihrer grossen Leibesschwachheit und hohen Alters noch weiter dahin [95] aus Gnaden gemildert worden, dass die zween Griffe mit glühenden Zangen vermieden geblieben.“ — Das letzte Erkenntniss, welches wir kennen, ist vom 27. Juli 1694[98].

In der (damals freisingischen) Grafschaft Wardenfels (in Oberbaiern) war in den Jahren 1589–1592 ein Hexenprozess anhängig, der damit endigte, dass auf sieben Malefizrechtstagen achtundvierzig Frauen nach den grausamsten Torturen zum Feuertode verurtheilt, und theils lebendig, theils nach vorausgegangener Erwürgung verbrannt wurden. Wäre die Untersuchung mit dem Eifer, mit dem sie begonnen war, auch fortgesetzt worden, so würden, wie der Untersuchungsrichter in seinem Bericht vom 15. Januar 1592 sehr naiv bemerkt, in der ganzen Grafschaft wenige Weiber der Tortur und der Verbrennung entgangen sein. Die Hexenprozessakten bezeugen vielfältig, dass die Peiniger sich im Angesichte ihrer Schlachtopfer Nichts abgehen liessen. Ein besonderes Heft dieses ungeheuerlichen Prozesses hat die Aufschrift: „Hierin lauter Expensregister, was verfressen und versoffen worden, als die Weiber zu Wardenfels im Schlosse in Verhaft gelegen und hernach als Hexen verbrannt wurden.“ Hormayr, dem wir diese Mittheilung (S. 332 des Jahrgangs 1831 seines Taschenbuchs für die vaterländische Geschichte) verdanken, fügt noch hinzu: „Wie weit dieser Wahnsinn überhaupt in Baiern gegangen sei, mögen auch die Consilia des berühmten Ingolstädter Lehrers Eberhard bewähren, da sogar fürstliche und herzogliche Personen als Zauberer und Hexen verdächtigt wurden, und die Frage wegen ihrer Verhaftung, Tortur und Hinrichtung sehr ernsthaft berathen ward“[99].

Im Breisgau, wo (wie anderwärts) Hexenprozesse im sechszehnten Jahrhundert nur selten vorgekommen waren, nahm die eigentliche Hexenverfolgung erst während des dreissigjährigen Kriegs ihren Anfang. In der Stadt [96] Offenburg begann dieselbe am Ende des Jahres 1627, nachdem kurz vorher mehrere Hexen in Ortenberg verbrannt waren, welche mehrere Offenburgerinnen als Mitschuldige genannt hatten. Gegen diese schritt man nun sofort mit der Tortur ein. Die dazu erforderlichen Werkzeuge schaffte man grossentheils erst jetzt an, namentlich auch einen Hexenstuhl nach dem Muster des Ortenbergers. Oft wurde die Tortur vier- bis sechsmal angewendet, und dadurch beinahe immer ein Geständniss erpresst. Die Exekution fand immer am dritten oder vierten Tage nach der Fällung des Urtheils statt, und die Prozesse dauerten höchstens zwei bis drei Wochen. Am 27. Juni 1628 wurden, um die Hexenprozesse noch mehr in Zug zu bringen in Offenburg bekannt gemacht, dass Jeder, der eine Hexe einbringe, mit einer „Fanggebühr“ von zwei Schilling belohnt werden sollte; aber schon am 10. Juli sah man sich genöthigt, diese fluchbringende Einrichtung wieder aufzuheben. — In einem Zeitraum von nicht völlig vier Jahren wurden so in Offenburg sechszig Personen als Hexen hingerichtet[100]. — Der Blocksberg des Breisgaus war der Kandel.

Eine furchtbare Hexenverfolgung erhob sich 1662 in Württemberg von Esslingen, Möhringen und Vaihingen aus. Die Untersuchung begann hier im Juni 1662 und gewann, da von jedem Angeklagten die Anzeige von Mitschuldigen herausgemartert ward, bald eine kolossale Ausdehnung und dauerte bis zum Jahr 1665 an. Zu Esslingen richtete man das damals leerstehende Augustinerkloster zu einem grossartigen Hexengefängniss ein, welches mit dem Folterthurm durch einen Gang verbunden, und zu dessen strengster Beaufsichtigung zwanzig Thurmhüter in Eid und Pflicht genommen waren. Zeugen wurden zu Hunderten vorgeladen, um sich darüber vernehmen zu lassen, ob ihnen nicht vor so und so vielen Jahren ein Kind erkrankt oder ein Stück Vieh gefallen sei etc., und [97] der Schrecken, von dem das Land erbebte, liess die Vorgeladenen Alles bejahen, was man sie fragte[101].

In Elsass werden in dem Malefizprotokoll des einen Amtes Ballbronn aus den Jahren 1658–1663 dreiundzwanzig Hinrichtungen von Hexen aufgeführt[102]. In der zur Stadt Strassburg gehörigen Herrschaft Barr nahmen die Denunziationen wegen angeblicher Hexerei einen so schreckenerregenden Umfang an, dass der Magistrat der Stadt sich 1630 veranlasst sah, ein „Mandat wider das Diffamiren wegen Hexerei“ zu erlassen[103], „weil bald kein ehrlicher Mensch mehr sicher sein mag.“

Aus der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt liegt nur ein geringes Aktenmaterial zur Geschichte der Hexenprozesse im siebenzehnten Jahrhundert vor; aber aus dem Wenigen ist doch zu ersehen, dass die Hexenverfolgung in allen Landestheilen von Zeit zu Zeit immer von Neuem ausbrach. In der Niedergrafschaft Katzenellnbogen, welche 1629 unter darmstädtischer Herrschaft stand, wurden in diesem Jahre sogar auf ausdrückliches Verlangen der Gemeinden in den einzelnen Kirchspielen Ausschüsse gebildet, welche die Hexen aufspüren sollten. Doch wurden hier die Hexenprozesse, soweit es der herrschende Aberglaube zuliess, noch immer mit einer gewissen Vorsicht geführt. Während nämlich in den benachbarten nassauischen Grafschaften die Hexenrichter ohne Weiteres Urtheile fällten und die Urtheile vollstrecken liessen, ohne dass eine höhere Instanz davon Notiz nahm, mussten in Hessen-Darmstadt nicht nur die Akten des Prozesses der juristischen Fakultät an der Landesuniversität (damals zu Marburg, nicht in Giessen) zur gutachtlichen Aeusserung eingesandt, sondern es musste auch hernach noch das gefällte Urtheil derselben Fakultät zur Prüfung vorgelegt werden, die dann die Akten mit einer Urkunde zurückschickte, [98] worin sie erklärte, dass dieses Urtheil „den Rechten und uns zugeschickten Akten gemäss“ befunden oder nicht befunden. Das so unter der Controle der Juristenfakultät gefällte Urtheil durfte aber nicht eher vollzogen werden, als bis dasselbe landesherrlich bestätigt war[104]. — Dadurch wurde natürlich die Hexenverfolgung selbst einigermassen eingedämmt; grausige Hexenprozesse kamen aber in den Jahren 1631–1633, 1650–1653 und 1661 in der (in der Wetterau gelegenen) freien Reichsburg Lindheim vor, welche damals unter der ganerbschaftlichen Regierung eines Hermann von Oynhausen, Landdrosten in braunschweigisch-lüneburgischen Diensten, eines Hartmann von Rosenbach, Domdechanten zu Würzburg und einiger anderer Edelleute stand. Besonders schrecklich war die letzte Hexenverfolgung in den Jahren 1661–1664. Der v. Oynhausische Justitiar Geiss, ein gemeiner und geldgieriger Mensch, hatte dem schwachsinnigen Landdrosten v. Oynhausen im Jahr 1661 vorgestellt, dass es in Lindheim wieder von Hexen wimmele und dass man doch nicht eher ruhen dürfe, bis das verfluchte Hexengeschmeiss zur Ehre der heil. Dreifaltigkeit zu Lindheim und an allen anderen Orten vom Erdboden vertilgt sei. Die Ganerben gaben zur Wiederaufnahme der Hexenverfolgung ihre Zustimmung, Geiss, der sich selbst mehrere gleichgesinnte Bürger als Blutschöffen erwählte, wurde zum Untersuchungsrichter ernannt, und alsbald wurden mehrere Personen, die mit dem Teufel im Bunde stehen sollten, in die Höhlen des (noch jetzt zu sehenden) Hexenthurms zu Lindheim geschleppt. Die Verhafteten wurden hier, ohne dass man irgendwelche Vertheidigung zuliess, durch den Scharfrichter und Schindersknecht auf die Folter gespannt und so lange mit den ausgesuchtesten Martern gepeinigt, bis sie sich selbst als Hexen und Zauberer bekannt hatten. Der Hebamme zu Lindheim wurde auf diese Weise das Geständniss abgepresst, das Kind, welches die Ehefrau [99] des v. Rosenbachschen Müllers Schüler vor einem Jahre todt geboren, umgebracht zu haben, obgleich die Schüler, darüber vernommen, keinem Menschen ein Verschulden an ihrem Kinde beimass. Auf das Bekenntniss der Hebamme wurden nun sechs Personen eingezogen, welche auf der Folter bekennen mussten: sie hätten die Leiche des Kindes ausgegraben, in Stücke zerhauen, diese in einem Topfe ausgekocht und daraus eine Hexensalbe bereitet. Obgleich nun die Leiche des Kindes in Beisein des Vaters, des Ortspfarrers, des Gevatters Schülers, des Rosenbachschen Verwalters und zweier Blutschöffen ausgegraben und unversehrt gefunden wurde, so wurde dennoch beschlossen, die sechs im Thurme eingesperrten Hexen, weil sie ihr Vergehen an dem Kinde auf der Folter einmal bekannt hätten, zu verbrennen und der Müller Schüler wurde unter Androhung schwerer Strafe bedeutet, von dem Befund der Ausgrabung nichts zu sagen, bis die Justifizirung der sechs Hexen erfolgt sei. Als nun die letzteren gebrannt waren, wurde eine andere Person, die alte Becker-Margreth, eingezogen, zu welcher einer der Blutschöffen in den Kerker ging und ihr zuredete, sie sollte sich nur des ihr zur Last Gelegten schuldig bekennen, dann sollte sie auch kein Meister und Schindersknecht angreifen, sondern sie sollte dann alsbald aufs Rathhaus geführt, und wenn man sie hingethan (d. h. hingerichtet) haben werde, neben dem Kirchhof beerdigt werden. Die Unglückliche sah, dass sie verloren war, und fügte sich verzweiflungsvoll in ihr Geschick, gab nun aber noch vierzehn andere Personen als Mitschuldige mit dem Bemerken an, diese sollten es auch erfahren, wie das Hinthun und Brennen schmecke. Infolge dessen ward nun auch Schülers Ehefrau als der Hexerei verdächtig eingezogen. Alsbald eilte Schüler nach Würzburg, um dem Domdechanten von Rosenbach seine Noth zu klagen und durch ihn das geliebte Weib zu retten. Bei seiner Rückkehr nach Lindheim erfuhr er jedoch, dass dasselbe inzwischen in furchtbarster Weise gefoltert worden sei, und nicht allein sich selbst der Zauberei schuldig bekannt, sondern auch ihn selbst als Mitschuldigen [100] genannt habe. Schüler hatte kaum Zeit, sich von dem ersten Schrecken, mit dem ihn diese Nachrichten befielen, zu erholen, als er sich selbst von dem Blutrichter verhaftet und in den Hexenthurm geworfen sah, wo er in Ketten und Banden gelegt ward. Am fünften Tage wurde er mit Werkzeugen, die ganz eigens für ihn herbeigeschafft waren, gefoltert. Die unerträgliche Pein der Tortur presste ihm das Geständniss seiner Schuld ab. Doch nahm er dasselbe alsbald wieder zurück. Daher wurde er sofort aufs neue und noch schrecklicher torquirt. Abermals trieb man ihn so zum Geständniss seiner Schuld, das er jedoch hernach abermals zurücknahm; und schon wollte ihn Geiss zum drittenmal auf die Folter spannen, als ein Tumult ausbrach, in welchem Freunde es ihm möglich machten zu entfliehen. — Während seiner Abwesenheit wurde sein Weib am 23. Februar 1664 verbrannt.

Hiermit war aber auch der Anfang vom Ende der Schreckenstage Lindheims erschienen. Mehrere Weiber flohen nach Speier und erfüllten die Stadt mit ihrem Wehklagen; die ganze Gemeinde klagte bei den Ganerben wie bei dem Reichskammergericht gegen den Justitiar, der gegen alles göttliche und menschliche Recht lauter Unschuldige einthürmen, foltern, würgen und brennen lasse, infolge dessen das Reichskammergericht dem Blutgericht Einhalt gebot; die Juristenfakultät zu Giessen mahnte zur Mässigung und Vorsicht. Als daher Matthias Horn einem der Blutschöffen, der seine Frau zur Folter schleppen wollte, einen Arm entzweischlug und der Scharfrichter mit seinem Gesindel vor der Wuth des Volkes sich eiligst durch die Flucht retten musste, und Andreas Krieger, der verhassteste unter den Blutschöffen, kaum noch in seinem Hause Sicherheit fand, sah sich Herr v. Oynhausen endlich (1666) genöthigt, seinen Justitiar, den er nicht mehr schützen konnte, zu entlassen. — Nicht weit von Lindheim ist ein Graben, den das Volk noch heute den Teufelsgraben nennt. Bei ihm soll der Blutrichter, als er mit dem Pferde über denselben setzen wollte, vom Pferde gestürzt sein und den Hals gebrochen haben.

[101]

Ein anderer Hexenprozess, der uns in den Originalakten vorliegt, kam 1672 in dem hessendarmstädtischen Orte Burkhardsfelden im Busecker Thal vor.

Im Jahre 1672 wurde nämlich Else Schmidt, genannt die Schul-Else, zu Burkhardsfelden im Busecker-Thale, vor Gericht gestellt. Dem Anklagelibell des Fiskals zufolge hatte sie Mäuse gezaubert, einen Knaben zur Hexerei verführt und in Gegenwart des Teufels umgetauft, Hexentänze besucht, einen Mann durch Branntwein und eine Frau durch Sauerkraut zu Tode behext, ein Mädchen bezaubert, dass ihm die Haare ausfielen, auch Heilungen durch Lorbeerabsud bewirkt, woraus der Schluss folgte, dass die behandelten Krankheiten zuvor auch durch ihre Zauberei erzeugt waren. Mehrere Hexen hatten auf die Schul-Else ausgesagt, und seit dem letzten Prozesse haftete übler Ruf auf ihr. Da die Angeklagte leugnete, so wurde ein Zeugenverhör angestellt und der Fiskal reichte eine Deductionsschrift ein, die mit Citaten aus Bodin, Binsfeld und Delrio reichlich ausgestattet ist. In der Refutationsschrift des Defensors wurden sowohl die Indizien, als die Qualifikation der Zeugen[105] mit löblicher Klarheit bekämpft. Dennoch verwarf, nachdem das Gericht die defensio pro avertenda tortura abgeschlagen hatte, die Juristenfakultät zu Giessen die Einwendungen des Defensors als unerheblich und erkannte auf die Folter. Die Angeklagte überstand demgemäss eine zweistündige Marter, ohne das Mindeste zu bekennen. Hierauf aber erschien der Fiskal mit neunundvierzig Additionalartikeln, die im Wesentlichen auf Folgendes hinausliefen: Die Schul-Else habe einst einer Frau in einem Wecke Zauberei beigebracht, wodurch deren Knie so aufgeschwollen, dass der Pfarrer auf öffentlicher Kanzel über solche Uebelthat gepredigt; die Thäterin habe dann einen Aufschlag von zerriebenem Tabak und Bienhonig auf die kranke Stelle gelegt, worauf sich die Geschwulst geöffnet und anderthalb Maass Materie [102] und fünf Arten von Ungeziefer, nämlich haarichte Raupen, Maueresel, Engerlinge, Sommervögel und Schmeissfliegen, von sich gegeben habe. Auch wird hervorgehoben, dass bei der neulichen Tortur keine Thräne zu bemerken gewesen, dass aber der Scharfrichter an der rechten Seite der Angeklagten ein Stigma entdeckt und beim Hineinstechen unempfindlich befunden habe. — In der abermaligen Zeugenvernehmung bestätigte die angeblich Bezauberte und Geheilte Alles, auch den Punkt von dem Ungeziefer; der Defensor verwarf sie als Zeugin in eigener Sache und Todfeindin; die Angeklagte stellte die neuen Anschuldigungen gleich den früheren in Abrede. In einer sehr leidenschaftlich gehaltenen Schrift begehrte jetzt der Fiskal eine geschärftere Tortur; er nannte die Beklagte einen Höllenbrand, einen Teufelsbraten, der hundertmal den Scheiterhaufen verdient habe. Von der Juristenfakultät erging unterdessen, wie der Defensor behauptet, ein lossprechendes Urtheil puncto repetitionis torturae, von dessen Existenz der Fiscal jedoch nichts zu wissen vorgab und von welchem auch das Gerichtsprotokoll nichts erwähnt. Gewiss ist es, dass man vorerst zur zweiten Tortur nicht schritt, sondern am 6. Mai 1674, also nach anderthalbjähriger Gefangenschaft des Weibes, die Nadelprobe vornahm. Ein von zwei Gerichtsschöffen unterschriebenes Protokoll bezeugt, dass man unter der rechten Schulter das Stigma entdeckt, mit zwei Nadeln durchbohrt und ohne Blut und Empfindung gefunden habe. Hierauf sandte man die Akten an die Mainzer Juristen, welche unterm 15. Juni 1674 ein Responsum abgaben, aus dem wir folgende wesentliche Punkte ausheben:

„Wir Senior und übrige Professores etc. befinden — — — die Acta — — — nicht also beschaffen, dass mit der vom Herrn Fiskal begehrten zweiten, und zwar völligen Tortur gegen die peinlich Beklagtin prozedirt werden könne: und hätte ihrer auch mit der ersten harten Tortur verschonet und dero Defensional-Articuln keineswegs verworfen werden sollen, aus folgenden Ursachen: [Folgen die Gründe]. — Und thut im Uebrigen wenig zur [103] Sach, dass die löbl. Juristenfakultät zu Giessen die Beklagtin Elisabeth zu der ersten Tortur condemnirt habe; dero rationes decidendi sind nicht apud acta. Und ist daran Unrecht beschehen, dass dieses arme alte Weib nach Ausweis des Protokolls — zwo ganze Stund lang mit den Beinschrauben und an der Folter so überaus hart gepeiniget worden. Noch unrechter aber ist darin beschehen, dass der Herr Fiskal, ohnerachtet dass die verba finalia illius protocolli so viel geben, dass sie Elisabeth nach ausgestandener solcher erschröcklicher Tortur absolvirt worden seye (nimirum ab ulteriore tortura), nichts desto weniger in seiner also intitulirten Confutation und Gegensubmission-Schrift, wie auch endlichen Gegenschlussschrift die reiterationem torturae contra istam miserrimam decrepitam mulierem so stark urgirt hat, gleichsam dieses alte Weib propter suspicionem hominum quovis modo hingerichtet und verbrennet werden müsste, sie seye gleich eine Zauberin, oder nicht. — — — Wie deme, so ist die Sach nunmehr in so schlechtem Stand, dass sich ohne Bedrückung und Schaden eines oder des andern Theils, oder gar beeder Theile kein Temperament ersinnen lässt. — Gut wäre es, wenn die unschuldig beklagte Elisabeth durch glimpfliche Mittel dahin bewogen werden könnte, dass sie den Ort ihrer jetzigen Wohnung verändern und sich anders wohin begeben thäte, angesehen sie ohne Aergerniss, Widerwillen und continuirliche Unruhe des Orts Unterthanen nicht wird wohnen können. Dafern das von ihro, wie zu besorgen, in Güte nicht zu erhalten, so ist nöthig, dass die Obrigkeit öffentlich verbiete, dass Niemand bei Vermeidung wohlempfindlicher Geld- und andern Strafen sich gelüsten lassen solle, sie Elisabeth und die Ihrigen an ihren Ehren mit Worten oder Werken anzugreifen, oder auch von dem wider sie bishero geführten peinlichen Hexenprozess mit andern Personen etwas zu reden. — Und damit sie Elisabeth desto leichter bewogen werden möge, ihre gegen den Herrn Fiskal habende schwere Actionem injuriarum, item ad expensas litis, damna et interesse fallen und schwinden zu lassen, so ist rathsam, dass die Obrigkeit [104] sie Elisabeth alsbald ihrer Haften erlasse, mit der Vertröstung, dass man den Herrn Fiskal zu Zahlung der Prozesskosten anhalten, auch an allen Orten der Buseckischen Obrigkeit bei hohen Geld- und andern harten Strafen ernstlich verbieten wolle, dass Niemand sie Elisabeth, oder auch ihre Kinder an ihren Ehren angreifen solle. — Im Fall nun die oftgenannte Elisabeth mit diesem Temperament, wie zu vermuthen, sich befriedigen lassen wird, so ist der Herr Fiskal einer grossen Gefahr überhoben, im Widrigen aber secundum jura in periculo durae sententiae, der Ursachen halben wir diesem unserm Responso keine sententiam beifügen. Und dass aller obiger Inhalt den kaiserlichen Rechten gemäss seye, wird mit unserer Fakultät zu End aufgedrucktem gewöhnlichen Insiegel beurkundet.“

Hält man dieses Responsum gegen diejenigen, welche gleichzeitig und später in ähnlichen Sachlagen von andern katholischen Juristenfakultäten, und selbst von den protestantischen zu Tübingen, Giessen, Helmstädt u. a. zu ergehen pflegten, so muss den Mainzer Juristen die Ehre bleiben, dass sie unter die ersten gehören, welche auf die Bahn der Humanität einzulenken wussten.

In der Landgrafschaft Hessen-Cassel war im siebenzehnten Jahrhundert derselbe Aberglaube heimisch, der damals alle Welt beherrschte. Ein Bettelweib aus Bottendorf, welches wegen Abfalls von Gott und wegen allerlei Zauberei (es hatte den Bauern das Vieh behext, Mäuse gemacht etc.) 1648 hingerichtet war, hatte einen zehnjährigen Knaben in ihre Zauberkünste eingeweiht und mit dem Teufel persönlich bekannt gemacht, so dass nun auch er, wie er selbst gestand, Mäuse machen, Vieh behexen und sonstiges Teufelszeug verrichten konnte. Die Sache kam bei der Kanzlei zu Marburg zur Anzeige, welche dem Pfarrer zu Bottendorf aufgab, des Knaben, der vom Bettelvogt bereits mit Ruthen gestrichen sei, sich anzunehmen, ihn seinem Vater zu übergeben und für seine Unterweisung im Katechismus zu sorgen, damit er womöglich aus den Stricken des Satans wieder befreit werde. Der Pfarrer berichtete jedoch hierauf an die Kanzlei, dass es unmöglich [105] sei, den Knaben in die Schule zu bringen, indem alle Leute des Orts erklärt hätten, dass sie, wenn dieser Teufelsbube in die Schule käme, alle ihre Kinder, um sie nicht ebenfalls in die Hände des Teufels gerathen zu lassen, vom Besuche derselben zurückhalten würden.

Wie in anderen Orten so fürchtete man auch in Hessen-Cassel das geheime Treiben und die Begegnung des Teufels. Im Jahr 1672 sagte in Marburg ein Soldat, Joh. Scharff, vor Gericht aus: er habe von seiner Wirthin Sohn einen Zirkel geborgt, und als er denselben aufgethan, sei aus ihm Wasser herausgespritzt. Darauf habe er den Zirkel ins Wasser geworfen. Alsbald aber sei ihm der böse Feind erschienen und habe ihn zwingen wollen, den Zirkel wieder aus dem Wasser zu holen. Er habe es aber nicht gethan, sondern sich Gott befohlen. Späterhin sei ihm der Teufel noch einmal erschienen und habe ihn abhalten wollen, das heil. Abendmahl zu empfangen etc.

Auch hat der Hexenwahn in Hessen ganz dieselbe Gestalt, dieselben Merkmale wie anderwärts. Die bösen Weiber sagen sich von Gott mit den Worten los: „Hier stehe ich auf dieser Mist, und verleugne den Herrn Jesum Christ.“ Alsdann kommt der Teufel, lässt das Weib sich ihm zusagen, tauft es unter dreimaliger unsauberer Begiessung mit den Worten: „ich taufe dich im Namen des Teufels“ und fordert es auf, ihm zu Willen zu sein. Unzählige wüste und einsame Plätze im Lande wurden als die Malstätten der Hexensabbathe bezeichnet. Da erkieste sich der vorsitzende Teufel unter den erschienenen Hexen eine als „Königin“, mit der er den Tanz eröffnete, die Musik dazu machten Hexenpfeifer, die auf dem Hinteren von schwarzen Katzen bliesen, Trommler u. s. w. Eine Anzahl von Hexen diente als „Leuchter“ etc. Am ärgsten scheint der Hexenwahn im Anfang der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts in Hessen-Cassel grassirt zu haben. Im Jahr 1669 kam das Gerücht in Umlauf, dass in dem oberhessischen Dorfe Wohra sich kaum drei Menschen vorfänden, die nicht der Hexerei ergeben wären, wesshalb man es in der Umgegend das „Hexendorf“ nannte.

[106]

Natürlich war man unter solchen Umständen auch in Hessen in der Verfolgung der Hexen nicht träge. Die Verdächtigten wurden eingezogen, „ad bancum geführt“, wurden „in banco gefragt“ und mussten „güt- und peinlich“ bekennen. Die Folter wurde zuweilen in entsetzlicher Weise angewendet. Allein wenn schon die Hexenverfolgung in Hessen durch das ganze siebenzehnte Jahrhundert hin dauerte[106], so kamen hier verhältnissmässig doch bei Weitem nicht so viele Hexenverbrennungen vor als in anderen Ländern. Auch war das Prozessverfahren immer ein streng geordnetes. Die Prozessakten mussten von der juristischen Fakultät zu Marburg geprüft und das Todesurtheil musste dem Landesherrn zur Bestätigung vorgelegt werden.

Hatte es sich im Prozess herausgestellt, dass die Verhörte sich wohl des Lasters der Zauberei im höchsten Grade verdächtig gemacht, dass ihr dasselbe aber doch nicht sicher erwiesen werden konnte, so wurde sie zwar ab instantia entbunden, aber gewöhnlich mit Landesverweisung unschädlich gemacht oder zu öffentlicher Arbeit verurtheilt, und so für eine Zeit unter öffentliche Aufsicht gestellt und auch ein solches Urtheil musste von der juristischen Fakultät geprüft und bestätigt sein, wenn es rechtskräftig sein sollte[107]. Vor der Entlassung aus dem [107] Kerker musste jedoch die Inquisitin Urphede schwören und geloben, dass sie nicht allein die aufgelaufenen Gerichtskosten bezahlen, sondern auch wegen der ausgestandenen Haft und Tortur sich weder an der Landesherrschaft noch an deren Beamten und Unterthanen rächen wollte.

Aber auch die Lage der Freigesprochenen war oft, ja sogar in der Regel, eine überaus traurige. Man hielt sie im Kerker noch fest, bis die Gerichtskosten bei Heller und Pfennig bezahlt waren. Die Mutter eines Bürgers Fröhlich zu Felsberg z. B. war der Zauberei beschuldigt, zum peinlichen Prozess condemnirt, zwei Jahre im Thurm „angeschlossen“ in Haft gehalten und gefoltert worden. Das Gericht selbst bezeugte, dass die Frau die peinliche Frage zu grosser Verwunderung ausgestanden und nichts bekannt habe. Daher war die Unglückliche von der Juristenfakultät zu Marburg 1664 freigesprochen worden. Die peinlichen Richter wollten sie aber nicht aus ihrer Haft entlassen, bis ihr Sohn für die Zahlung der (62 Rth. 18 Albus, d. h. nach dem jetzigen Geldwerth etwa 900 Mark) Bürgschaft geleistet hätte, worüber der Sohn bei dem Landgrafen Beschwerde führte.

In der Volksmeinung war jedes Weib, das einmal in den Verdacht der Hexerei gekommen war, unehrlich. Als 1695 (also ganz am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts) die Wittwe eines dasigen Schneidermeisters, die als der Zauberei verdächtig lange Zeit auf dem Schlosse im Hexenthurm gesessen hatte, vor der Beendigung des mit ihr angestellten Prozesses gestorben war, musste die (anfangs sich weigernde) Schneiderzunft daselbst durch Drohungen gezwungen werden, die Leiche der „Hexe“ zu Grabe zu tragen. — Wie aber in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ein Theil der Geistlichkeit in dieser Beziehung dachte, ist aus einem Consistorialprotokoll vom 15. April 1664 zu ersehen. Im Jahr 1663 war nämlich eine zu Eschwege [108] lebende Wittwe (Holzapfel) in den Verdacht der Hexerei gekommen. Darüber in Haft und Untersuchung genommen, hatte sie die völlige Grundlosigkeit dieser Beschuldigung dargethan und war freigesprochen worden. Aber gleichwohl wollten der Superintendent Hütterodt und dessen beide Amtsbrüder zu Eschwege die anrüchig Gewordene nicht zum Abendmahl zulassen. Die Wittwe wendete sich daher beschwerdeführend an das Consistorium zu Cassel und dieses gab Hütterodt auf, der Wittwe die Gemeinschaft des Sakraments nicht zu versagen. Die drei Geistlichen aber beharrten hartnäckig bei ihrer Weigerung, indem sie sogar erklärten, sie würden eher ihre Aemter niederlegen, als der Holzapfel das Sakrament reichen. Da beschloss indessen das Consistorium durchzugreifen, lud die Geistlichen vor seine Schranken und zwang dieselben der Wittwe, „da sie des beschuldigten Lasters der Hexerei nicht habe überführt werden können“, den Trost des Sakramentsgenusses zu gewähren.

Seltsamer Weise kam in Hessen auch der Fall vor, — wohl der einzige Fall dieser Art, — dass eine Jüdin als Hexe angesehen ward. Die Jüdin Golda nämlich, des Kaiphas zu Kell im Amte Ulrichstein Tochter und des Juden Rubens zu Treis a. d. Lumde Ehefrau, hatte im Jahr 1669 ihr Häuschen zu Treis in der Absicht angesteckt, um dadurch das ganze Dorf in Asche zu legen. Vor Gericht gezogen, gestand sie nicht nur diese ihre Absicht, sondern auch, dass sie ihre Seele dem Teufel verschrieben, dass sie in ihrer Jugend mit einem Bäckergesellen gebuhlt habe, dass sie von ihrer Mutter schon im Mutterleibe verflucht worden sei, und dass sie darum diese wieder verflucht habe. Sie erklärte, dass sie sich von Gott verstossen wisse und nicht mehr beten könne, und bat darum um den Tod, womöglich mit dem Schwerte. — Sie ward nach Marburg in den Thurm gebracht, hier aber als irrsinnig erkannt und bald entlassen. — Von einer etwaigen Teufelsbuhlschaft war in dem Prozess keine Rede.

Besonders schwunghaft wurde die Hexenverfolgung in der (seit 1647 zu Hessen-Cassel gehörigen) Grafschaft [109] Schaumburg betrieben. Hier hatte ein Professor der Jurisprudenz zu Rinteln, Hermann Göhausen aus Brakel im Lippeschen (†1632) im Jahr 1630 — zu derselben Zeit wo in Rinteln (1631) der menschenfreundliche Friedrich Spee seine Cautio criminalis (heimlich) drucken liess — seine Anweisung zur Führung des Hexenprozesses[108] herausgegeben, worin er vor unzeitigem Mitleiden warnte. Nach diesem Codex wurde nun in Rinteln gegen die Hexen verfahren. Im hessischen Staatsarchiv liegen namentlich aus der Zeit von 1654 an zahlreiche Hexenprozessakten vor, die mancherlei Eigenthümliches wahrnehmen lassen. Die Verhaftung und Verhörung der Verdächtigen ging von Bürgermeister und Rath aus, welche die Eingezogenen im Rathhaussaal zu Protokoll vernahmen. Doch ist zu beachten, dass Bürgermeister und Rath in Hexensachen nichts thaten, ohne die juristische Fakultät zu Rinteln zu befragen, so dass diese der eigentliche Hexenrichter war. War das erste Protokoll, in welchem die Angeklagten jede Schuld ableugneten, der Fakultät zugeschickt, so verfügte diese, dass die Verdächtigen zur Folter geführt und hier nochmals zu einem reuigen Geständniss ihrer Schuld ermahnt werden sollten. Gewöhnlich appellirten dann dieselben an die Wasserprobe, welche an der Weser in der Weise vorgenommen ward, dass man sie zweimal an Händen und Füssen kreuzweise gebunden und einmal ungebunden ins Wasser liess. Regelmässig schwammen aber dabei die Angeklagten oben auf, wesshalb nun die Fakultät auf Anwendung der scharfen Frage erkannte. Am 21. Aug. 1660 wurde eine Angeklagte auf der Folter elfmal aufgezogen und dabei noch „etliche Male gewippt“. Gewöhnlich schrieb die Fakultät folgende generellen „Inquisitionales“ vor, über welche den Unglücklichen Geständnisse abgefoltert werden sollten: 1) ob sie zaubern könnten; 2) von wem, zu welcher Zeit und an welchem Orte sie es [110] gelernt und was sonst dabei vorgegangen; 3) ob sie Menschen und Vieh mit Bezauberung und Vergiftung Schaden gethan; 4) wem, an welchem Ort, zu welcher Zeit und mit was für Mittel; 5) ob sie andere Personen, Männer oder Weiber kennten und wüssten, so neben ihnen zaubern könnten, und woher sie solches wüssten. — War nun bezüglich dieser und der übrigen Spezialfragen den Gefolterten das gewünschte Geständniss abgepresst, so ordnete die Fakultät auf Grund des ihr vorgelegten Torturprotokolls ein peinliches Halsgericht an, welches auf dem Marktplatze gehalten ward, und von diesem ging es dann entweder direkt oder nach nochmaliger Einkerkerung der Verurtheilten zum Scheiterhaufen.

So wüthete die Hyder der Hexenverfolgung Jahr aus Jahr ein in allen Gauen Hessens, bis zum Jahr 1673, wo dieselbe nachzulassen begann.

Im Jahr 1672 war auf leeres Geschwätz hin die Katharine, Ehefrau des Opfermanns Lips zu Betziesdorf in Oberhessen — ein heldenhaftes Weib — in den Hexenthurm zu Marburg eingesperrt und in grässlicher Weise torquirt worden[109]. Indessen hatte man ebensowenig aus [111] derselben ein Geständniss herausmartern als wirkliche Indizien herbeischaffen können. Sie wurde daher von der [112] Instanz entbunden und nach Ausstellung der Urphede (4. Mai 1672) entlassen. Indessen behielt man die Frau fortwährend im Auge, und indem man endlich die gewünschten Indizien gewonnen zu haben glaubte, so wurde sie im folgenden Jahre wiederum verhaftet und am 4. November 1673 zu Marburg nochmals und noch entsetzlicher gemartert. Sie wurde viermal aufgezogen, sechzehnmal wurden die Schrauben so weit geschraubt als es nur möglich war, und da sie wiederholt in Starrkrampf verfiel, so wurde ihr wiederholt mit Werkzeugen der Mund aufgebrochen, damit sie bekennen sollte. Bald betete sie, bald brüllte sie „wie ein Hund“. Aber grösser noch als die Bosheit ihrer Peiniger war die Seelenstärke dieses Weibes, denn sie gestand nichts. In dem Berichte an die Landgräfin Hedwig Sophie vom 4. November 1673, mit welchem die fürstlichen Räthe zu Marburg die Einsendung der Akten einschliesslich des Torturprotokolls begleiteten, bemerkten dieselben, dass die Frau auf der Folter durch Zauberei sich müsse unempfindlich gemacht haben, weil sie sonst die Tortur unmöglich in solcher Weise hätte ertragen können. Da sah aber doch die Landgräfin ein, dass sie die Gerichte nicht länger dürfe so fortwüthen lassen. Allerdings wurde die unglückliche Lips zur Landesverweisung begnadigt; zugleich aber erliess die Landgräfin von Kassel aus unter dem 15. November 1673 an die Kanzlei zu Marburg den Befehl, „das Gericht ernstlich dahin anzuweisen, dass dasselbe in dergleichen Hexenprozessen mit sonderbarer Circumspection und Behutsamkeit verfahre, insonderheit auf blosse Denunziation und anderen geringen Argwohn, wenn nicht das Corpus delicti notorie und andere starke und triftige Umstände vorhanden, nicht so leicht Jemanden zu Haften bringe, weniger denselben ohne vorhergehende Communikation mit den Räthen peinlich vorstelle.“

Von da an verringerte sich die Zahl der jährlich vorkommenden Hexenprozesse. Doch fand und verfolgte man hier und da in Hessen noch über das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts hinaus Hexen; allein man verfuhr in [113] der Einziehung und Inquisition vorsichtiger und brannte weniger. Der letzte Hexenprozess, über welchen im hessischen Staatsarchiv Akten vorliegen, fand in den Jahren 1710 und 1711 statt. Damals war nämlich die Ehefrau Anna Elisabeth Ham zu Geismar allerlei zauberischer Tücken beschuldigt worden. Man hatte sie daher in den Hexenthurm zu Marburg gebracht, verhört und der Fiskal hatte, da sich die Verhörte keiner Zauberei schuldig bekennen wollte, Tortur beantragt. Das Gericht ging jedoch auf den Antrag nicht ein, sondern entband am 13. Mai 1711 die Angeklagte von der Instanz. In dem Verhör hatte aber dieselbe auf Befragen noch bekennen müssen, es sei „wahr und ausser allem Zweifel, dass es wirkliche Hexen und Zauberer gebe, die nämlich Gott absagen, sich mit dem Teufel verbinden, durch dessen Hülfe und Unterricht mit verborgenen Künsten Menschen und Vieh Schaden zufügen, auch wohl Wunderthaten verrichten.“ — So ging die Hexen Verfolgung in Hessen zu Ende.

In Nassau wüthete die Hexenverfolgung namentlich seit 1628. Um hier mit den Unholden recht gründlich aufzuräumen, bestellte die Landesherrschaft in den Dörfern Ausschüsse, welche als öffentliche Ankläger alle wegen Hexerei verdächtig werdenden Personen den im Lande umherziehenden Hexencommissären zur Anzeige bringen sollten, woneben den Geistlichen auf einer Landessynode, welche der Superintendent Weber am 3. November 1630 zu Idstein hielt, aufgegeben ward, ihre Gemeinden von der Kanzel herab vor dem gräulichen Laster der Zauberei zu warnen, — was seitdem namentlich an jedem St. Andreastage geschah. Und rasch füllten sich alle Kerker mit Unglücklichen, die als Verbündete und Werkzeuge des Satans galten. Durch die Folter erfuhr man von ihnen die Namen von gewissen Stätten, an denen die Hexen und Zauberer ihre Versammlungen hielten, namentlich die Limburger Haide zwischen Diez und Limburg, die Herrenwiese bei Dillenburg, die Klippelshaide und die Altenburg bei Idstein, die Deissighafer Haide bei der Eiche u. s. w. Dahin kamen die Hexen und Zauberer auf Ofen- und Mistgabeln [114] reitend, oder in einem von vier schwarzen Katzen gezogenen Wagen fahrend, zusammen, tanzten nach der Querpfeife, der Trommel, der Trompete, assen und tranken und buhlten miteinander. Die Seuche des Hexenwahns hatte bereits alles Volk erfasst, so dass in der ungeheueren Erregung, welche die Gemüther ergriff, Einzelne sich selbst für Hexen hielten. Ein Mädchen aus Amdorf, Katharine Jung, bekannte sich selbst bei ihrem Vater als Hexe, der sich infolge dessen in seinem Gewissen dazu gedrängt fühlte, am 1. Mai 1631 die eigene Tochter in Herborn zur Anzeige zu bringen, wo sie schon am 11. Mai hingerichtet wurde. Das Prozessverfahren war meist ein sehr summarisches. Selten dauerte ein Prozess über vierzehn Tage, indem man mit der Tortur Alles rasch fertig brachte. Nicht Wenige starben aber in den Kerkerlöchern der Hexenrichter infolge der erlittenen Tortur oder machten aus Verzweiflung ihrem Leben selbst ein Ende. Das Eine wie das Andere war nach allgemein herrschender Annahme natürlich das Werk des Teufels. So fand man in Herborn Hans Martin Stein's Wittwe, die wegen Hexerei in Untersuchung stand und gefoltert war, Tags darauf todt im Gefängniss. Das konnte aber nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Erinnerte man sich doch, dass während der Tortur eine Speckmaus, so gross wie eine Taube, in den Thurm geflogen war! Ja es legten selbst zwei berühmte Aerzte zu Herborn bei drei Frauen, die nach überstandener Tortur entseelt im Kerker vorgefunden waren, das visum repertum ab, dass die eine weder an den Folgen der Tortur noch an einer Krankheit gestorben, sondern dass ihr der Hals umgedreht sei, dass die zweite müsse Gift genommen haben, und dass sich bei der dritten über die Todesursache nichts Sicheres sagen lasse. — Eine Frau von Langenaubach machte in der Nacht vor dem bereits bestimmten Tage ihrer Exekution ihrem Leben dadurch ein Ende, dass sie das feuchte Stroh ihres Schmerzenslagers anzündete, und sich in dem Rauche erstickte. Dabei aber lebten die Hexenrichter herrlich und in Freuden. Der Amtskeller zu Camber schrieb am 28. Nov. 1630, [115] „dass wenn über die Zauberer Verhör gehalten werde, Alles auf Kosten der Hexen gehe und man nichts fehlen lasse, Kost und Wein würden bei dem Wirthe geholt.“

So ging es im Nassauer Lande vier Jahre lang, von 1629–1632, und in diesen vier Jahren sah man in allen Theilen des Landes die Scheiterhaufen lodern. Allein in Dillenburg wurden damals fünfunddreissig, in Driedorf dreissig, in Herborn sogar neunzig Personen justifizirt. Schliesslich drohte die Hexenverfolgung sogar Leute, die den hervorragenderen Ständen angehörten, zu erfassen. So war der Geheimsekretär Dr. Hön zu Dillenburg, ein Vertrauensmann des Grafen, der denselben zu den wichtigsten Missionen gebrauchte, von einer wegen Hexerei in Untersuchung gezogenen Person zu Eibach angezeigt worden, dass er als Hexenmeister am Hexensabbath Theil genommen und daselbst die üblichen Gräuel begangen habe. Auf der Limburger Haide sollten die Vornehmen beim Hexentanz sich oft haben sehen lassen; ja man fand sogar einmal bei einer notorischen Hexe den silbernen Becher eines vornehmen Herrn, mit welchem der Wein bei einem solchen Gelage kredenzt worden sein sollte.

Vielleicht trug gerade diese Wendung, welche die Hexenverfolgung nahm, dazu bei, dass dieselbe nach 1632 überall im Lande nachliess. Doch schon 1638 brach die Seuche aufs Neue aus, indem damals auf ausdrückliches Verlangen der Gemeinden aufs Neue Ausschüsse zur Aufspürung der Hexerei ernannt wurden, namentlich im Lande Siegen. Dem Schultheissen zu Freudenberg wurde ein Verweis ertheilt, weil er die Denunziationen der öffentlichen Ankläger unbeachtet gelassen hatte. Bald war daher keine Frau und kein Mädchen im Lande vor den Fallstricken der Hexen-Inquisition mehr sicher und die Landesherrschaft sah sich doch genöthigt, das Treiben derselben in gewisse Schranken zu verweisen. Der Graf Johann Ludwig zu Hadamar erliess daher unter dem 20. Juli 1639 an seine Räthe ein Reskript, worin er erklärte, dass allerdings das Laster der Zauberei bestraft werden müsse, wo es sich zeige, zugleich aber auch die Räthe ermahnte, [116] darauf hinzuarbeiten, „dass keinem Unschuldigen weder an Ehre, Leib und Seele zu kurz oder mehr geschehe, wie man gemeiniglich zu thun pflege. Dabei sei grosser Fleiss, Sorge und Fürsichtigkeit zu gebrauchen, und solches mit gottesfürchtigen und gelehrten Theologen und Rechtsgelehrten zu berathschlagen, auch unverdächtige, gottesfürchtige, verständige Leute zu Commissären zu gebrauchen, damit die Bosheit gestraft und die Unschuld beschützt werde.“ Durch dieses Einschreiten des Grafen mag manches schon bedrohte Leben gerettet worden sein; aber die in dem nassauischen Staatsarchiv zu Idstein massenhaft aufbewahrten Akten von Hexenprozessen beweisen, dass der Dämon der Hexenfurcht und der Hexenverfolgung im Lande Nassau durch das ganze Jahrhundert hin wüthete[110]. Ein grosser Hexenprozess fand 1676 zu Idstein statt, der insbesondere wegen des Standes der angeklagten und verurtheilten „Hexe“ besonderes Aufsehen machte. Der Prozess betraf nämlich die Gattin des Pfarrers von Hefftrich bei Idstein, Cäcilie, geb. Wicht. Das Gericht erkannte auf den Tod durch Feuer, und der Graf Johann VI. von Nassau-Dillenburg bestätigte am 22. März 1676 das gefällte Urtheil[111], welches alsbald vollzogen ward.

In Hamburg war im Jahre 1603 (oder 1605) die Aufstellung eines neuen Stadtrechts erfolgt[112], in welchem es (IV. 2) hiess: „Die Zauberer und Zauberinnen, die mit verbotenen Mitteln dem Menschen oder dem Vieh an Leib und Leben Schaden zufügen, oder auch, die aus bösem Vorsatz von Gott und seinem heil. Wort vergessentlich abtreten und mit dem bösen Feinde sonderbare, hochärgerliche Verbündnisse machen, werden, nach Gelegenheit ihrer beweislichen Bewirkung, mit Feuer oder mit dem Schwert am Leben gestraft.“ — Das Gesetz unterscheidet [117] also zweierlei Verbrechen, nämlich das der Schädigung von Menschen und Vieh durch verbotene Zaubermittel und das des aus bösem Vorsatz (also auch zum Zwecke der Schädigung) eingegangenen Teufelsbündnisses. Die Zauberei an sich wird also nicht ausdrücklich bedroht. Wichtiger aber ist, dass die im älteren Recht ausgesprochene Ergreifung des Verbrechers auf frischer That nicht mehr als Merkmal eines strafbaren Verbrechens hingestellt, sondern der Kriminalbeweis gefordert wird, womit die Möglichkeit gegeben war, schon das Geständniss, das erpresste Geständniss als Beweis geltend zu machen. Daher kam die Hexenverfolgung in Hamburg jetzt erst recht in Zug. Doch gelangte dieselbe hier niemals zu einer solchen Ausdehnung wie anderswo. Im Jahr 1643 wurde eine „alte Hexe“ Cillie Haubeis hingerichtet. Es wird von ihr gesagt, dass sie ihren Mann ermordet habe, dass sie darum viermal mit dem Rade gestossen und dass alsdann ihr Körper zu Asche verbrannt worden sei. Dieses war die letzte nachweisbare Hexenverbrennung in Hamburg, die sich noch damit entschuldigen lässt, dass hier ein Gattenmord zu sühnen war[113].

In Pommern machte die Prozedur gegen eine adliche Dame, Sidonie von Borck, besonders viel von sich reden. Dieselbe war allerdings eine unerquickliche, rohe, ränkesüchtige und noch im siebenundfünfzigsten Lebensjahre heirathslustige Person, die im Stift Marienfliess, in welchem sie mit zweiundzwanzig anderen (meist jüngeren) Klosterschwestern zusammenlebte, allgemein gehasst ward. Der Klosterhauptmann bezeichnete sie amtlich als „Klosterteufel, unruhiges Mensch, Schlange.“ Die allgemein Gehasste war aber bald auch die von Allen Gefürchtete, indem sie sich der Kraft ihres Gebets zur Bestrafung ihrer Feinde rühmte und dabei allerlei Quacksalberei trieb und sympathetische Kuren machte. Als nun eine umherziehende alte Wahrsagerin, die „dicke Wolte Albrechts“, die man als der Hexerei verdächtig eingezogen [118] hatte, auf der Folter sich der Teufelsbuhlschaft schuldig und auf die Sidonie von Borck als ihre Mitschuldige bekannt hatte, war das Geschick der letzteren bereits entschieden. Die Wahrsagerin ward hingerichtet, die Urgicht derselben gegen Sidonie stand somit unwiderruflich fest und diese ward als Teufelsbuhlin, welche den Herzog Philipp II. von Pommern wegen Rechtsversagung aus Rache „zu Tode gebetet“ habe, aus dem Kloster nach Stettin in die damals schon verödete Oderburg gebracht. In der nun mit ihr angestellten Inquisition wurden gerichtsseitig die unsinnigsten Dinge zur Belastung der Unglücklichen vorgebracht. Sie gestand, dass sie oft den Psalm 109 bete, aber ohne dabei an bestimmte Personen im Bösen zu denken. Sie sollte aber auch einen „Sachsenspiegel“ haben, durch welchen sie mit Hülfe ihres Buhlteufels, Chim genannt, alles erfahre. Sidonie wusste sich trefflich zu vertheidigen, indem sie die gegen sie zusammengehäuften Anschuldigungen als baaren Unsinn erwies; allein der Schöppenstuhl zu Magdeburg, dem man die umfangreichen Untersuchungsakten zugeschickt hatte, erkannte auf Vornahme der scharfen Frage, worauf die Greisin am 28. Juli 1620 in dem grossen Saale der Oderburg im Beisein des Schlosshauptmanns, des Schultheissen und einiger Gerichtspersonen von dem Scharfrichter entkleidet, auf die Folter gespannt und so lange torquirt ward, bis sie die gewünschten Geständnisse abgelegt hatte. Von der Folter herabgenommen erklärte sie, „sie begehre nicht länger zu leben“, und bat, zum Sterben bereit, den Beistand des Seelsorgers. Viele benachbarte Fürsten legten für die Verurtheilte Fürbitte ein, jedoch ohne Erfolg. Am 19. August 1620 ward sie auf dem Rabenstein vor Stettin erst enthauptet und dann zu Asche verbrannt[114].

In der Reichsstadt Nordhausen war frühzeitig ein milderes Verfahren gegen Hexen heimisch geworden. Am 8. März 1644 waren zwei derselben mit Ausweisung aus [119] der Stadt bestraft worden[115], während in dem benachbarten Stolberg noch am 30. Oktober 1656 eine Hexe enthauptet und verbrannt, und 1657 zwei Bürgerfrauen, die von jener angegeben waren, wegen Umgangs mit dem Teufel etc. ebenfalls auf den Scheiterhaufen gebracht wurden[116].

Unter den Prozessen, welche die eigentliche Natur des Hexenprozesses recht klar aber auch in herzbewegendster Weise erkennen lassen, verdient eine Verhandlung hervorgehoben zu werden, die sich 1629 zu Pfalz-Neuburg zutrug[117]. Dort lebte die ehrbare und fromme Hausfrau eines Wirthes Käser, der ehedem die Wirthschaft auf der Trinkstube zu Eichstätt geführt hatte und späterhin nach Rennertshofen übergesiedelt war. Die Frau, Anna Käserin, mag an Schwermuth gelitten haben. Ihr Mann, der sie sehr lieb hatte und während des Prozesses über sie vernommen wurde, erklärte nämlich zu Protokoll: Er könne in Wahrheit wohl sagen, dass seine Frau seit sieben Jahren nie recht fröhlich gewesen. Sie habe zu keiner Hochzeit oder dergleichen Mahlzeiten und Fröhlichkeiten, auch wenn er es ihr befohlen, gehen mögen. Sie habe immer gebetet, gefastet und geweint. Dabei habe sie fleissig gesponnen und dem Hauswesen abgewartet. Zu Eichstätt habe sie alle vierzehn Tage oder längstens alle vier Wochen gebeichtet und communizirt und dann gewöhnlich einen halben Tag in der Kirche zugebracht. — Auf diese Frau hatten nun seit 1620 zwölf verhaftete Hexen und Zauberer bekannt, und die meisten derselben (welche man verbrannt hatte) waren „auf sie gestorben.“ Infolge dessen ward sie im Frühling 1629 verhaftet und nach Neuburg gebracht. Zugleich wurden auf Befehl des Pfalzgrafen alle Winkel ihres Hauses zu Rennertshofen nach Büchsen, Gläsern und Ofengabeln durchsucht; man fand aber nichts. Nun kam der weitere Befehl, die Verhaftete [120] an eine Kette zu legen und an der Wand fest zu machen. Auch sollte zu ihrer Bewachung ihr ein Weib beigegeben werden. Der Mann der Unglücklichen, der sich damals im tiefsten Jammer zu Neuburg aufhielt, erhielt den Befehl, ein Bett für sie bringen zu lassen. Er schrieb daher an seine gefangene Frau folgenden Brief:

„Ehrentugendsame, herzlieber Schatz! Weilen ich noch zu Neuburg und deiner Person halber ein Lieg- und Deckbett und ein Kissen begehrt wird, also bitte ich meinen Schatz, sie wölle mich mündlich wissen lassen, ob ichs allhie oder von Rennertzhoven aus von dem Unsrigen verschaffen solle. Bitte von Gott, er wolle dir Erkenntniss deiner Wissenheit geben. Bist du, o mein Schatz, schuldig, bekenne es, bist du unschuldig, hast eine gnädige Obrigkeit, derer wir, zuvörderst Gottes Huld, und unser kleine Kinder zu getrösten. Seye mit deiner und meiner Geduld dem Schutz Gottes befohlen!“

Neuburg den 19. März 1629.
Dein Getreuer, weil ich leb,
Georg Keser.

„O mein Schatz, sage mit Wenigem,
wie ich eine Zeitlang die Haushaltung
anstellen solle; und in höchster Bekümmerniss
diess.“

An demselben Tage wurde mit der Verhafteten das erste Verhör angestellt. Daher wurde Meister Jacob, der Scharfrichter, nach Neuburg verschrieben und ihr bei einem weiteren Verhör mit Androhung der Tortur an die Seite gestellt. Als sie auch jetzt noch leugnete, wurde sie am 21. Mai abermals verhört, an die Tortur gestellt und auf einen Stuhl gesetzt. Die Marterwerkzeuge lagen vor ihren Augen ausgebreitet. Auch heute leugnete sie, selbst als ihr der Daumenstock angeschraubt worden. Jetzt nahm aber der Scharfrichter die schärfere Tortur vor, und nachdem sie dieselbe eine halbe Viertelstunde ertragen, waren ihre Glieder und auch ihr Muth gebrochen. Sie gestand nun den gewöhnlichen Unsinn. So gestand sie z. B., der [121] Buhlteufel habe ihr am linken Fusse einen Griff angethan, aus welchem alsbald Blut geflossen, mit dem sie sich ihm verschrieben habe. Auch fand der Nachrichter alsbald den Griff vor, der, wie er sagte, bei Hexen ganz gewöhnlich vorkomme. Sie sagte auch, dass sie, wenn sie an einem Erchtag oder Samstag Nachts habe ausfahren wollen, dann habe sie mit der vom Bösen erhaltenen Salbe ihres Mannes Rücken bestrichen, so dass dieser vor ihrer Rückkehr nicht habe erwachen können u. s. w., und gab auch eine Anzahl Mitschuldiger an. Fortgesetzte Folterungen, mit denen die Arme in grässlichster Weise gepeinigt ward, schienen endlich Alles, was man wissen wollte (auch das Geständniss von Mordthaten), aus ihr herausgepresst zu haben, wesshalb das Gericht, um sie zum Tode vorzubereiten, am 13. Juni zwei Geistliche zu ihr schickte. Diesen aber erklärte die Gemarterte sofort, dass alle ihre Geständnisse ersonnen und ihr lediglich durch die schreckliche Folterqual abgepresst wären. Namentlich wären alle die Leute, die sie als Unholde angegeben, durchaus unschuldig. Zugleich bat sie die Geistlichen (deren einer ein Jesuit war), dieses dem Gericht anzuzeigen. Die Geistlichen thaten dieses, und nun ward die Frau alsbald wieder so grausigen Martern unterworfen, dass sie nicht nur ihre früheren „Geständnisse“ wiederholte und bestätigte, sondern jetzt auch erklärte, sie sei vor dem Teufel niedergekniet, habe ihn angebetet und gesagt: „Du bist mein Gott und mein Herr!“ — Vor ihrem letzten Gange aber sprach sie vor den Richtern die Bitte aus, man möchte doch sonst Niemanden verbrennen als sie und man möchte überhaupt „hier im Lande nicht weiter brennen.“ — Am 20. September 1629 ward sodann die Anna Käserin öffentlich vor der Brücke zu Neuburg enthauptet, ihr Leib dann bei dem Hochgerichte zu Asche verbrannt und die Asche ins Wasser geworfen.

Die Erbärmlichkeit des üblichen Gerichtsverfahrens ist so ziemlich aus jedem Hexenprozess zu ersehen, dessen Akten vollständig vorliegen. Den jämmerlichsten Eindruck macht aber die Haltung des obersten Gerichtshofes des [122] heiligen Reichs, wenn dessen Hülfe angerufen ward. Zum Belege theilen wir folgenden, aus den Originalakten entnommenen Fall mit[118].

Im Jahr 1603 hatte eine reiche Bürgersfrau zu Offenburg, Anna Maria Hoffmann, bei der Hochzeitsfeier ihrer Tochter an die unbemittelten Familien der Stadt Suppe, Fleisch und Wein ausgetheilt. Eine Wöchnerin, die von diesen Speisen, wahrscheinlich unmässig, genossen hatte, war bald nachher krank geworden und zehn Tage darauf gestorben. Da die Erkrankte selbst ihr Unglück dem Genusse dieser Speisen beimass, so war schon damals die Hoffmann in das Geschrei gekommen, mit der Suppe Zauberei getrieben zu haben, und hatte es lediglich den klugen Schritten ihres Ehemannes zu verdanken, dass der Magistrat den aufgekommenen Verdacht für grundlos erklärte. Als jedoch fünf Jahre später Rudolph's II. Commissarien der Stadt den Vorwurf allzugrosser Lassheit in der Hexenverfolgung machten, obgleich man binnen neun Jahren auf dem kleinen Gebiete vierundzwanzig Personen justifizirt hatte, kam die Rede auch wieder auf jenes Ereigniss. Mehrere gefolterte Weiber thaten die Aussage und sollen darauf gestorben sein, dass sie die Hoffmann und ihre Tochter oft bei Hexentänzen, Wettermachen, Bocksfahrten u. dergl. zu Gefährtinnen gehabt hätten. Die Mutter rettete sich durch eine schleunige Flucht nach Strassburg; die Tochter aber, an Eberhard Bapst zu Offenburg verheiratetet, ward im Oktober 1608 verhaftet und sogleich mit einem von jenen Weibern confrontirt. Glauben wir den Rathsakten, so ward ihr hier von einem Weibe ins Gesicht gesagt, dass sie beide an etlichen Orten zusammen auf dem Sabbath gewesen; nach einer später protokollirten Versicherung der Bapst jedoch hatte der Stadtschreiber aus einem Buche die zu bekennenden Ereignisse und Lokalitäten vorgelesen und das bettlägerige, in Folge der Tortur kaum der Sprache mächtige Weib nur zur Bestätigung [123] des Vorgelesenen aufgefordert. Ohne eine Defension zu gestatten, schritt man jetzt gegen die neu Verhaftete mit der Folter vor, und als dieselbe nach dem ersten Grade, um weiterer Pein zu entgehen, sich selbst als Hexe und die Mutter als ihre Lehrmeisterin angab, protokollirte man diese Aussagen als gütliche Bekenntnisse. Eine Supplik der entflohenen Mutter an das Kammergericht erwirkte indessen unterm 11. Oktober ein Pönalmandat an die Stadt Offenburg, welches die geschehenen Schritte kassirte und dem Magistrate aufgab, hinfort nicht anders als nach den Rechten zu verfahren. Hiergegen erklärte der Rath, jenes Mandat sei durch falsche Vorstellungen erschlichen, sandte einige Protokolle ein, die, obgleich sie den Stempel absoluter Nichtigkeit an sich tragen, doch die Rechtmässigkeit jenes Verfahrens beweisen sollen, und fuhr in dem angefangenen Prozesse fort. Ja er beklagte sich gegen das Kammergericht, dass es ihn in dem vom Kaiser wiederholt gebotenen Wirken hindere: „welchermassen die Röm. Kais. Majestät unser Allergnädigster Herr — — — zu unterschiedlichen Malen durch derselben deputirte Hochansehnliche Commissarios allergnädigst mandirt haben, dass — — — bemeldte Stadt Offenburg bei Höchstgedachter Röm. Kais. Majestät auch hin und wieder verschreit worden, als sollte dieselbe gleichsam ein Asylum der zauberischen Weibspersonen seyn.“ Nach vielfachem Anrufen der Verwandten erfolgte im Dezember 1609 abermals ein Befehl von Speyer, der Verhafteten Abschrift der Indizien, Defension und Zutritt der Angehörigen zu gestatten. Die Mittheilung der Indizien geschah endlich im Januar 1610; dieselben bestehen, die Besagungen der hingerichteten Hexen ausgenommen, sämmtlich aus Dingen, die sich erst nach der Verhaftung und nach der Tortur während eines längst kassirten Verfahrens ergeben hatten, namentlich aus den erfolterten und dann wieder zurückgenommenen Bekenntnissen der Verhafteten selbst. Dennoch rechtfertigte in dem Schlussartikel die Logik des Offenburger Magistrats aus allen diesen Indizien die geschehene Verhaftung und Torquirung [124] seiner Inquisitin. Obgleich nun das Kammergericht diese aus nichtigem Verfahren gewonnenen Anzeigen verwarf, so liess sich doch der Rath in seinem Gange nicht stören. Er schnitt der Verhafteten willkürlich die wirksamsten Vertheidigungsmittel ab, setzte ihren Mann wegen unehrerbietigen Widerspruchs ins Gefängniss, protestirte gegen die Strafandrohungen des Kammergerichts und begehrte sogar die Bestrafung des Gegenadvokaten als Injurianten, weil dieser mit einer Klarheit, gegen welche keine Rechtfertigung aufkommen konnte, die Nichtigkeit des ganzen Handels ans Licht gezogen hatte. Aus dem November und Dezember 1610 liegen noch zwei dringende Suppliken wegen höchster Lebensgefahr der Inquisitin bei den Akten; das Kammergericht gab einen abermaligen Inhibitionsbefehl bei schwerer Strafe und lud den Rath zur Verantwortung vor; doch ein Aktenstück vom 25. Febr. 1611 redet schon von Anna Maria Bapst als einer incinerirten Hexe. Der Prozess spann sich nun vor dem Kammergerichte fort, nicht wegen der Bestrafung des ungehorsamen Magistrats, sondern wegen des Kostenpunkts. Ueber denselben ist noch vom 20. Januar 1612 ein mündlicher, nicht entscheidender Rezess verzeichnet; dann schliesst das Protokoll ohne Bescheid folgendermassen:

Anno 1613. nihil.
Anno 1614. Visum 2. Decemb.
Reliquis annis nihil.
Anno 617.  14. Novemb. 617. Revisum.
Expedit. raoe. praeambula.

In demselben Städtchen Offenburg wurden übrigens nicht lange nachher in dem kurzen Zeitraum von 1627 bis 1631 nicht weniger als sechzig Personen als Hexen hingemordet[119]. Noch Grösseres aber leisteten die Hexenrichter in dem kleinen Ysenburgischen Städtchen Büdingen, wo in den Jahren 1633 und 1634 gerade hundertundvierzehn Personen wegen Hexerei sterben mussten. — In der Grafschaft Henneberg wurden 1612 zweiundzwanzig [125] und überhaupt in dem Zeitraum von 1597–1676 im Ganzen hundertsiebenundneunzig Hexen verbrannt[120].

Aus dem Herzogthum Sachsen-Gotha liegt ein Hexenprozess vor[121], der sich im Jahr 1660 abspielte. Das dabei zur Anwendung gebrachte Verfahren war entsetzlicher Art. Die Inquisitin wurde, nachdem sie schon längere Zeit in Haft gesessen, am 4. September Nachts zwei Uhr in die Torturstube auf dem Erfurter Thurm gebracht. Hier wurden ihr nicht weniger als dreihundertundein Frageartikel vorgelegt, die sie sämmtlich verneinend beantwortete. Daher ward sie morgens um sieben Uhr von dem Gericht, welches sich entfernte, dem Scharfrichter übergeben. Von diesem entkleidet und in üblicher Weise untersucht, wurde sie dann auf die Folter gespannt und bis Nachmittags zwei Uhr torquirt, ohne dass sie ein Geständniss ablegte. „Am selbigen Nachmittage wurde daher mit der Tortur fortgefahren, und obschon der Scharfrichter die Schnüre so scharf angezogen, dass er selbst eine Narbe in die Hand bekam, so fühlte sie doch nichts davon. Als sie hierauf an die Leiter gestellt und an den ihr an dem Rücken zusammengebundenen Händen aufgezogen wurde, schrie sie das eine über das andere Mal, sie sei eine unschuldige Frau, blöckte auch dem Scharfrichter so in die Ohren, dass er vorgab, es werde ihm ganz schwindlig davon. Bald darauf aber stellte sie sich, als ob sie ohnmächtig würde, sagte solches auch, redete ganz schwächlich und schlief endlich gar ein. Als ihr aber der Scharfrichter nur an die Beinschrauben, so er ihr an das rechte Schienbein gelegt, rührte, konnte sie laut genug schreien. Wie sie nun etzliche Male so eingeschlafen, sagte der Scharfrichter, er habe dieses bei gar argen Hexen auch observirt; der böse Feind mache ihnen nur tiefen Schlaf, dass sie nichts fühlen sollten.“ — Diese Angabe des Scharfrichters veranlasste nun eine neue Untersuchung gegen die unglückliche Frau, infolge deren ihr [126] abermals die Folter zuerkannt wurde. Ihrem Vertheidiger gelang es indessen durch rücksichtsloses Aufdecken des von dem Gerichte angewandten unwürdigen Verfahrens, die Inquisitin vor einer abermaligen Tortur zu bewahren, indem der Schöppenstuhl zu Jena sich selbst reformirte und die Inquisitin absolvirte, jedoch aber „zur Vermeidung alles Aergernisses“ die „Amtsräumung“ gegen sie erkannte, welche vonseiten der Regierung noch auf einige andere Aemter ausgedehnt und aller Suppliken ihres Mannes unerachtet streng exequirt wurde.

Gleichwohl zeichnete sich Sachsen-Gotha, welches unter der Regierung eines Ernst des Frommen (1640–1675) und Friedrich des Ersten (1675–1691) durch seine weisen und vortrefflichen Einrichtungen fast alle deutschen Lande überragte und ihnen als ein Musterstaat vorleuchtete, auch in der Hexenverfolgung wenigstens dadurch aus, dass nicht nur die Anzahl der Hexenprozesse und der zum Tode verurtheilten Inquisiten weit geringer war als in den Nachbarländern, sondern dass auch schon seit 1680 die Verurtheilungen immer seltener wurden, indem man gar nicht mehr auf Tortur erkannte, sondern nach geschehenem Verhör und Vernehmung der Zeugen die Inquisiten ab instantia entband[122].

Nur in dem am Saum des Thüringer Waldes gelegenen Amte Georgenthal ging es anders her. In diesem damals kaum viertausend Eingesessene zählenden Amte wurden 1652–1700 vierundsechzig Hexenprozesse, und zwar in dem Jahre 1674 allein zwölf, und in den sechs Jahren 1670–1675 zusammen achtunddreissig Prozesse geführt. Der Grund davon lag lediglich darin, dass es sich der damalige Amtsschösser Benedikt Leo in den Kopf gesetzt hatte, um jeden Preis den ganzen Amtsbezirk von allem Hexenwesen gänzlich zu säubern.

Natürlich musste hierbei die Folter das Beste thun[123]. [127] Wie man mittelst derselben Geständnisse erpresste, ist insbesondere aus dem von dem Amtskommissär Jacobs zu Gotha (dem wir überhaupt unsere Kunde von den Georgenthaler [128] Prozessen verdanken,)[124] mitgetheilten Prozess gegen die achtzigjährige „Sachsen-Ursel“ zu ersehen[125].

In München wurde 1666 ein siebenzigjähriger Greis mit glühenden Zangen gezwickt und dann verbrannt. Es [129] wird von ihm gemeldet, dass er ein Ungewitter machte, indem er durch die Wolken fuhr, darüber aber nackt zur Erde niederfiel, wo man sich seiner bemächtigte. Die Hostie hatte er siebenmal getreten[126].

In Neisse hatte der Magistrat zum Verbrennen der Hexen einen eigenen Ofen bauen lassen, in welchem im Jahr 1651 zweiundvierzig Frauen und Mädchen gemordet wurden[127]. Im Fürstenthum Neisse sollen im Laufe von neun Jahren über tausend Hexen hingerichtet worden sein, darunter Kinder von zwei bis vier Jahren[128].

In Lothringen rühmte sich der Hexenrichter Nicolaus Remy im Jahr 1697, dass er in diesem Lande binnen fünfzehn Jahren neunhundert Menschen wegen Zauberei auf den Scheiterhaufen gebracht habe[129].

Wie es in dem Städtchen Coesfeld zuging, können wir aus einer von Niesert mitgetheilten Deservitenrechnung des Scharfrichters entnehmen. Es heisst darin unter andern[130]:

Gertruth Niebers viermal verhort worden baven uff den Süstern Tornt, von jeder Tortur drey Rthlr. machet 12 Rthlr.

Den 16 Julii Gertruth Niebers des Morgens twischen 3 und 4 Slegen das Haupt abgeslagen, davon mich zukumpt viff Rthlr. Darnach verbrandt worden, daervon mich oech zukumpt viff Rthlr.

Den 18 Julij Johan Specht, anders Dotgrever, uff der Valkenbruggen porten verhort, davon mich zukumpt drei Rthlr.

Den 19 Julij Johan Specht uff der Valkenbrugger porten verhort worden, davon mich zukumpt drey Rthlr.

Demselbigen dito Greite Pipers uff dem Wachtorn verhort worden, davon mich zukumpt drey Rthlr.

[130]

Den 23 Julij Johan Specht under im Süster Torn verhort, davon mich zukumpt drey Rthlr.

Den 2. Augusti Johan Specht erstlich gestrangulerth uff ein Ledder (auf einer Leiter) davon mich zukumpt viff Rthlr. Darnach verbrandt worden, davon mich och zukumpt viff Rthlr. U. s. w.

Es ergibt sich, dass der Scharfrichter in der Regel von jedem Inquisiten 15 Rthlr. bezog. Die ganze Rechnung geht vom Julius bis zum Dezember 1631, betrifft lauter Hexenprozesse zu Coesfeld und beträgt im Ganzen 169 Rthlr.

Besonders arg wurde in den zahllosen kleinen Patrimonialgerichten gehaust. Ein katholisch gewordener Herr Christoph von Rantzow liess 1686 auf einem seiner Güter im Holsteinischen an Einem Tage achtzehn Hexen verbrennen, — wofür er freilich eine Geldstrafe von 2000 Rthlr. zahlen musste[131].

So ging durch die Lande ein Wüthen und Morden der Hexenrichter, dem gegenüber sich kein Mensch mehr seines Lebens sicher fühlte. Es war — etwa die Landesherrn ausgenommen — Niemand, der sich nicht sagen musste, dass auch er vielleicht schon am nächstfolgenden Tage von der Hexenverfolgung erfasst und in den Abgrund eines Hexenprozesses hinabgestürzt würde.

Ein sächsischer Arzt Veith Pratzel hatte (um 1660) zum Oefteren beim fröhlichen Trunk im Scherz davon gesprochen, dass er, was die Hexen thäten, auch fertig zu bringen wisse, dass er in Passau sich habe „festmachen“ lassen[132] und hatte einst sogar vor den staunenden Augen der Anwesenden zwanzig Mäuse (die er bei sich versteckt hatte) gemacht. Die Folge davon war, dass er allgemein als Zauberer galt, eingezogen, durch die Folter zum Geständniss gebracht und verbrannt wurde. Zum Schluss der Tragödie wurde aber auch noch beschlossen, die beiden [131] Kinder des Unglücklichen, welche zweifelsohne schon in die Hexerei eingeweiht wären, in einer Badewanne sich zu Tode bluten zu lassen. Das Gericht bezog sich dabei auf einen Ausspruch des Bodinus, nach welchem alle, die mit dem Teufel einen Bund schlössen, vor Allem die Pflicht übernähmen, dem Teufel ihre Kinder, sobald sie geboren wären, zuzueignen. — Als der unglückliche Vater vor dem Gange zum Scheiterhaufen noch einmal die Kinder zu sehen wünschte, ward ihm vom Scharfrichter eröffnet, dass sie bereits todt wären[133]. — Der grosse Keppler, der sich zu wissenschaftlichen Zwecken in Regensburg aufhielt, musste eiligst nach Wyl im Württembergischen reisen, um seine Mutter zu retten, die als Hexe hingerichtet werden sollte[134].

Ein grausiges inneres Erbeben erfüllte daher damals die Gemüther von Millionen in Deutschland. Denn zu dem Schrecken, den die fortwährend jeden Einzelnen bedrohende Hexenverfolgung hervorrief, kam noch die Angst und Furcht vor dem geheimen Treiben der Hexen, die hin und wieder die frappantesten epidemischen Erscheinungen hervorrief. Zu Calw im Württembergischen wurde im Jahr 1673 namentlich die Jugend von einer solchen Epidemie erfasst. Kinder von sieben bis zehn Jahren gaben vor, nächtlicher Weile auf Gabeln, Böcken, Geisen, Hühnern, Katzen in Hexenversammlungen entführt zu werden, wo sie die heil. Dreieinigkeit verleugnen und mitessen und trinken müssten. „Die armen Kinder selbst sind voll Schrecken und Angst, besonders in der nächtlichen Finsterniss und Einsamkeit, beten selbst und flehen zum Theil bisweilen, man solle für sie beten. Man hat aber durch fleissiges Bewachen und Hüten der Kinder in vielen Nächten wahrgenommen, dass wahrhaftig ihr Leib nirgends hinweggeführt wird, sondern im Bett oder auch im Schooss und in den Armen der Eltern und wachender Anverwandten liegen bleibt, bei [132] einem Schlaf, der bei einigen ganz natürlich scheinet, dass man sie leicht erwecken kann, bei anderen aber einer harten Erstarrung ähnlich ist, dabei auch etwa die Glieder derselben erkalten.“ — Eine aus Juristen und Theologen zusammengesetzte Commission untersuchte die Sache, und — verurtheilte eine alte Wittwe mit ihrem Stiefenkel zum Tode und verwies mehrere andere aus der Stadt, wonach endlich wieder allmählich sich Alles beruhigte[135].


[133]

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Die Hexenprozesse von der zweiten Hälfte des sechszehnten bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts ausserhalb Deutschlands.

In Ungarn treten Hexenprozesse erst seit dem zweiten Jahrzehent des siebenzehnten Jahrhunderts hervor[136]. Es wurde nämlich nach dem Zeugniss des gleichzeitigen Kronstädter Stadtpfarrers Markus Fuchs in Ungarn um 1615 eine grosse Menge von Hexenmeistern und Hexen verbrannt, weil sie den Willen gehabt haben sollten, durch ihre Teufelskünste ganz Ungarn und Siebenbürgen mittelst Hagelschlags zu verderben. Ueber die Entdeckung des Vorhabens wird Folgendes berichtet: Ein zehn- bis zwölfjähriges Mädchen ging mit ihrem Vater in den Weinberg, und da er über die anhaltende Dürre klagte, so sprach sie zu ihm, sie könnte, wenn er es wünschen sollte, leicht Regen, ja auch Hagel machen. Als sie nun der Vater fragte, woher sie dieses gelernt habe, nannte sie ihre eigene Mutter als ihre Lehrmeisterin und liess auch augenblicklich ein schreckliches Unwetter über den elterlichen Weinberg hereinbrechen, wobei nach dem Wunsche des Vaters die Grundstücke der Nachbarn ganz verschont blieben. Der Vater aber zeigte die Sache dem Gericht [134] an, infolge dessen Mutter und Tochter in Haft genommen und, nachdem sie eine Menge Mitschuldiger genannt hatten, justifizirt wurden. „Die Sache war von höchster Gefährlichkeit,“ setzt der Berichterstatter hinzu, „weil, wenn man sie nicht entdeckt hätte, in kurzer Zeit von den Früchten und Reben in Ungarn und Siebenbürgen nichts übrig geblieben wäre.“

Um dieselbe Zeit waren die Hexenprozesse auch in Siebenbürgen, im Sachsenlande in Gang gekommen. Im Allgemeinen war das Gerichtsverfahren in Ungarn (wo die Hexen ihren Hauptversammlungsort auf dem St. Gerhardsberg bei Ofen hatten) und in Siebenbürgen dasselbe wie in Deutschland; doch fehlte es nicht an charakteristischen Eigenthümlichkeiten. — In Ungarn nannte man die Hexen (lateinisch): Ligantes, Albae mulieres, Xurguminae, Bruxae, in Siebenbürgen: Tridler, Truden, Hundsart, zauberischer Donnerschlag (welcher letzte Ausdruck auf den heidnischen Donar hinweist). Sie versammelten sich in Siebenbürgen in einem wüsten Hof, auf einem Berg, Wasen, im Pfefferland etc. An manchen Orten kamen verschiedene Gesellschaften von Hexen (Compagnien, eigene Arten derselben) zusammen, mit Trommel und Geige. Die letztere führt der „Trudengeiger“, Er sitzt, wie der Spruch „trudegëger bûmstëger“ beweist, auf einem Baum, auch wohl auf dem Brunnenschwengel und bewahrt sein Instrument in einer Nussschale. — Die Hexen können den Menschen schädigen an Allem, was er hat. Doch ist in den sächsischen Hexenprozessen selten der Beschädigte der Ankläger, sondern der Verdächtige wird moralisch gezwungen, den Prozess selbst anhängig zu machen. Fast alle Hexenprozesse sind hier in ihrer Entstehung Injurienprozesse und gestalten sich erst im Verlaufe der Verhandlungen zu einem peinlichen Rechtsstreit aus. Allgemein aber gilt noch der germanische Rechtsgrundsatz: „wo kein Kläger, da kein Richter.“ Der Hexenprozess ist im Sachsenlande kein Inquisitionsprozess, sondern es herrscht hier noch im ganzen siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert das alte Verfahren, so dass hier auch von keinem Fiskal [135] die Rede ist. — Zur Klage selbst wurde der Verdächtige gedrängt entweder durch die vom Pfarrer (wegen ausgesprochenen Verdachts des Teufelsdienstes) verhängte Excommunikation oder durch die Nachbarschaft. Hatte Jemand einen Anderen im Verdacht der Zauberei, so redete er ihn desshalb vor Zeugen und öffentlich an („du Trud! du zauberischer Donnerschlag!“), oder er sandte zwei Nachbarn zu ihm, mit der Aufforderung, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen oder die Kriminalklage zu gewärtigen. Diese Aufforderung durfte nicht unberücksichtigt bleiben. Es musste entweder die Versöhnung erfolgen oder der Beschimpfte musste sein „Recht suchen“. Geschah keins von beiden, so schloss der Pfarrer den Betreffenden von der Communion und die Nachbarschaft schloss ihn von Feuer und Wasser aus, womit ihm alle bürgerliche Ehre und aller Glaube entzogen war. Scheiterte die Versöhnung an der Hartnäckigkeit der einen oder andern Partei, so musste der Beschimpfte vor dem „sitzenden Gericht“, vor Königs- und Stuhlrichter erscheinen und gegen seinen Beleidiger einen Injurienprozess anhängig machen. Dieses geschah an dem von dem Gericht anberaumten Tage anfangs nur mündlich, im achtzehnten Jahrhundert auch schriftlich. Die Beschimpfung wurde von dem Beklagten ganz gewöhnlich eingestanden und der Beweis angeboten. Nach einer fünfzehntägigen Exmission wurden die Zeugen von dem Angeklagten vorgeführt, und nur wenn die zuerst vorgeführten das Verbrechen nur „scheinbar“ gemacht hatten, wurde eine Frist zur Herbeiführung neuer Zeugen gestattet. War das Verbrechen nicht scheinbar gemacht oder war es erwiesen worden, so wurde alsbald das Urtheil gefällt. — In der Regel häuften die Zeugen allen Wust des allgemeinen Geredes und des Aberglaubens auf den unglücklichen Kläger, der sich nun plötzlich als Angeklagten dastehen sah. — War dann durch das Verhör dem Verdacht „ein Schein gemacht“, so war das Gericht in der Sache, weil sie „den Hals und Bauch anging“, nicht mehr zur Fällung des Urtheils competent, wesshalb es das ganze bis dahin geführte [136] Protokoll „ad majorem causae dilucidationem et discussionem“ dem „Rath“ als der mit dem Blutbann betrauten Behörde übersandte, der dann sofort zur Verhaftung und Haussuchung schritt. Die Gegenstände, die bei der letzteren als verdächtig auffielen (Scherben, Töpfchen, in denen sich „Geschmier“ nachweisen liess, ein Strohwisch im Stall, ein Federwisch u. dgl.) wurden dem Rath übergeben. Da nun diese Dinge einerseits ohne Weiteres „ein gewisses specimen Magicae artis“ ergaben und die Beklagten doch nicht eingestehen wollten, dass sie dieselben zu Zaubereien gebraucht hätten, und da man andererseits in den Hexenprozessen nur nach „gichtigem Mund“ d. h. nach dem Geständniss des Angeklagten verurtheilen konnte, so schritt man, um dieses zu erhalten, gewöhnlich zu dem Gottesurtheil der Wasserprobe oder des Hexenbads, — das in Ungarn schon von den Zeiten des heil. Ladislaus her üblich war. Diese Wasserprobe ist — Dank der Geschicklichkeit der siebenbürgischen Scharfrichter! — allemal zum Nachtheil der Angeschuldigten ausgefallen. Doch hat es zahlreiche Fälle gegeben, in denen die Probe — gewöhnlich die „Schwemmung“ genannt — nicht zum Geständniss führte. In diesem Falle ging's mit der „geschwemmten“ Person alsbald zur — Folter. Hatte man mit derselben das gewünschte Geständniss erpresst, dann wurde unter Mitwirkung aller Glieder des Raths das Urtheil gefällt, und zwar — da das sächsische Statutarrecht keine speziell für Hexerei bestimmte Strafe enthielt — nach dem kaiserlichen Recht, das in diesen Fällen zur Ergänzung des Landrechts verwendet ward. Im siebenzehnten Jahrhundert ward in der Regel auf Feuerstrafe, später zum Oefteren auf Hinrichtung mit dem Schwerte erkannt. Jetzt erst kam die Geistlichkeit mit dem Prozess in Berührung, indem ein Geistlicher die Verurtheilten zur Richtstätte begleitete. Auf derselben angekommen, forderte ein Beamter die Verurtheilten auf, nochmals die Wahrhaftigkeit und Freiwilligkeit der gemachten Geständnisse zu bekennen und die Mitschuldigen anzugeben. Auf diesem Wege wurde oft eine ganze Reihe von Personen, die sich des [137] besten Rufes erfreuten, der Hexerei verdächtig. Zuweilen geschah es auch, dass wer bei der Wasserprobe oder bei der Hinrichtung seine Theilnahme für die unglückliche Hexe etwas allzulaut aussprach, dadurch selbst in Verdacht kam. So wurde, als man am 26. November 1650 zu Reps in Siebenbürgen zwei Männer schwemmte, auch ein Dritter „auf Verdacht probiret.“ Nun ging derselbe zwar im Wasser unter, aber er wurde doch, „weil er zuvor viel unnützlich geredet“ nur gegen sichere Bürgschaft (von 80 fl.) freigegeben[137]. —

Im Umfange der heutigen Schweiz hatte sich im Jurisdictionsgebiet des Bischofs von Lausanne der Hexenprozess aus dem Ketzerprozess so entwickelt, dass hier die Versammlungen der Hexen durch das ganze sechszehnte und siebenzehnte Jahrhundert hin ganz ebenso wie weiland die der Ketzer allgemein mit dem Namen „Sekte“ bezeichnet wurden. Doch liegen über den Beginn der Hexenverfolgung erst von 1580 an Nachrichten vor. Damals kam in dem Neuchateler Val-de-Travers ein Hexenprozess vor, dem in den Jahren 1581, 1585 und 1586 andere Prozesse nachfolgten. Doch traten dieselben bis zum Jahr 1607 immer nur vereinzelt hervor. Erst seit diesem Jahre kam die Seuche der Hexenverfolgung, immer grausiger anwachsend, zum Ausbruch[138]. Allein in der Grafschaft Valangin fanden in den Jahren 1607–1667 achtundvierzig Hexenprozesse statt. Allein im Jahr 1619 wurden in Valangin zehn Hexen verbrannt. In einem der kleinsten der neun Gerichtsbezirke des Neuchateler Landes, in Colombier, verbrannte man in den beiden Jahren 1619 und 1620 dreizehn Hexen und Zauberer. Der Kastellan von Thielle liess in seinem winzigen Gerichtsbezirk 1647 in zwei Monaten elf, im November 1665 zehn Hexen verbrennen[139]. Am entsetzlichsten wüthete hier die Hexenverfolgung [138] im Jahr 1685[140]. Damals wurden in Thielle auf Befehl des Kastellans am 13. Nov. zwei, am 18. Nov. drei, am 24. Nov. fünf Zauberer und Hexen verbrannt. — In anderen Landestheilen mag es indessen nicht viel besser hergegangen sein.

Das Prozessverfahren war ein sehr summarisches. Vom Tage der Einziehung einer Verdächtigten bis zur Vollstreckung des Urtheils dauerte es in der Regel nur zehn bis zwölf Tage; dann war Alles vorbei. Die Tortur wurde, wie es scheint, in der Regel in jedem Prozesse nur Einmal angewandt, wobei es aber doch an Grausamkeiten aller Art nicht fehlte. In der Grafschaft Valangin kam der Fall vor, dass ein Richter eine auch unter den furchtbarsten Martern ihre Unschuld behauptende Inquisitin, über diese „Hartnäckigkeit“ aufgebracht, in ihrem Kerkerloch einmauern liess[141].

Das Urtheil des Gerichts, welches regelmässig auf lebendige Verbrennung lautete, musste der obersten Landesbehörde zu Neuchatel zur Bestätigung vorgelegt werden. Von dieser wurden die Verurtheilten gewöhnlich zur Erwürgung auf oder neben dem Scheiterhaufen begnadigt. — Die Exekutionen — welche in Neuchatel vor der Schlossterrasse stattfanden — galten als Volksschauspiele, zu denen regelmässig viele Tausende zusammenströmten. Den Schluss des ganzen Akts bildete regelmässig eine solenne Schmauserei[142], an welcher das gesammte Gerichtspersonal und Andere (z. B. auch der Schulmeister, welcher die Glocken geläutet hatte,) Theil nahmen. Nur die Henkersknechte speisten an einem besonderen Tisch.

Im Kanton Bern hatte sich allmählich die Praxis herausgebildet, dass gegen die „Hexen“ ganz nach den Regeln des Hexenprozesses verfahren, das über die schuldig Befundenen gefällte Urtheil jedoch von dem Berner Rath in eine mildere Strafe umgewandelt wurde. So kamen [139] z. B. im Jahr 1651 von zweiundfünfzig Todesurtheilen nur drei zu strenger Vollziehung.

In dem genannten Jahre gaben indessen einige im Waadtlande vorgekommene Fälle zu einer neuen, humaneren Regelung der Hexenprozesse Anlass[143]. Der Kastellan von Molondin hatte vier Geschwister Petrognet auf einfache Anzeige hin einkerkern, durch den Henker visitiren lassen und ihnen, obgleich sich nichts wider sie ergab, die Kosten für beides abgefordert. Die vier Geschwister führten darüber in Bern Beschwerde, infolge dessen der Gerichtsbeamte selbst verhaftet, und da es sich herausstellte, dass sowohl er als sein Gerichtsherr sich Ungebührliches erlaubt, beide zum Tragen der Kosten und zur vollen Entschädigung der Misshandelten verurtheilt wurden. Aehnlich erkannte der Berner Rath kurz nachher über Etienne und Françoise Borbosa von Lonay, welche ihre Unschuld durch standhaftes Ertragen der Folter erwiesen, die Freilassung und zwar so, dass die Gerichtspersonen wegen ungebührlichen Gebrauchs der Folter die Kosten zu tragen hatten. Dieser letztere Fall insbesondere veranlasste nun den Rath das bestehende prozessualische Verfahren aufs Neue zum Gegenstande der ernstlichsten Erwägung zu machen, wobei sich schliesslich zwei Fragen als die für das ganze Prozessverfahren massgebenden Gesichtspunkte herausstellten, nämlich 1) ob auf das am Leibe einer Eingezogenen vorgefundene Stigma soweit zu fussen wäre, dass auf Grund desselben alle Marter angewendet werden möchten, und 2) ob eine Anzeige, dass zwei oder mehrere Personen an hellem Tage über Hexensachen sich unterhalten und verabredet, zum Einschreiten einen gültigen Grund abgeben könnte. Beide Fragen wurden alsbald den verschiedensten wissenschaftlichen Auctoritäten, namentlich den medizinischen Fakultäten zu Bern und Basel, der Juristenfakultät und dem Convente der Stadtgeistlichen zu Bern zur gutachtlichen Aeusserung [140] vorgelegt. Die Antworten, welche der Rath auf seine Anfrage erhielt, lauteten von allen Seiten her verneinend. Namentlich erklärte sich in diesem Sinne auch der Convent der Stadtgeistlichen, dem insbesondere die Weisung zugegangen war, die Fragen theologisch nach der h. Schrift zu prüfen und sich darüber auszusprechen, „ob nicht auch in diesen beiden Stücken die arglistige Einmischung und Verblendung des Satans mit unterlaufen könnte.“ Das Responsum der Berner Prediger repräsentirt einen Höhegrad von Intelligenz und Freimüthigkeit, der damals — im Jahr 1651 — nur selten wahrzunehmen war. Die Prediger antworteten nämlich nicht allein auf beide Fragen mit dem entschiedensten Nein, sondern suchten in ihrem Gutachten auch die socialen und kirchlichen Uebelstände nachzuweisen, in denen die Krankheit der Hexerei wurzele, und die Mittel, durch welche sie geheilt werden müsse. Die Prediger klagten darüber, dass die Bestellung der weltlichen Aemter mehr nach Gunst als nach Kunst geschehe, dass deren Inhaber wohl an ihren Eigennutz aber nicht an die Bestrafung der Laster dächten, und dass sie vorkommende Streitigkeiten, statt sie in Minne abzuthun, lieber zu Hass und Rachgier erwachsen liessen, zu deren Befriedigung dann oft Hülfe bei dem Satan gesucht würde. Nicht minder schlecht stünde es um den Kirchendienst, da nicht selten Ein Prediger zwei oder drei Gemeinden versehen und darob die Unterweisung der Jugend verabsäumen müsste. Zudem wären die Prediger zum Theil ungelehrt, untauglich, fahrlässig, mitunter sogar ärgerlich im Wandel, wodurch dem Satan und dessen Geschworenen Thor und Thür geöffnet würde. Auch die Schulen, vor Allem die Dorfschulen, befänden sich im übelsten Zustand. Bei allem Eifer der Obrigkeit wären doch die Leute gegen die Schule zu karg, die Eltern gegen ihre Kinder zu schwach, so dass viele Kinder nicht einmal beten könnten. Dazu käme die ungetreue Verwaltung der Aemter und Güter, die übergrosse Toleranz gegen Gaukler, Wahrsager, Versegner, Hausirer mit Bildern, Kreuzen und geweihten Wurzeln, Quacksalber, Gespensterbanner und [141] Geisterbeschwörer, „deren nicht weit von der Stadt sind und geduldet werden“, und viel anderes „loses Gesindlein, welches, wenn es nicht einen Bund hat mit dem Teufel, so ist es doch nicht weit davon.“ Endlich wird noch als Grund und Anlass der Hexensünden hervorgehoben die Unwissenheit des Volkes über Gott und Gottes Wort, der Unglaube, die Ungeduld unter dem Kreuz, der Geiz, Neid, die Hoffart und andere Leidenschaften, der Umgang mit schlechten Personen, die Ausschweifungen in der Jugend, das gegenseitige Verfluchen und Verwünschen, und „dass man fleissiger in den Zauberbüchern und anderen brotlosen Künsten liest als in der Bibel.“ — Als wesentlichstes Heilmittel gegen das arge Unwesen der Hexerei wird bezeichnet: die christliche Wachsamkeit. Dieselbe soll sich so bethätigen, „dass die verdächtigen Personen und Beklagten mit mitleidigem Ernst erforscht werden, nicht alsbald mit der peinlichen Tortur durch die Scharfrichter, welche zu Zeiten blutdürstige Leute sind und mit Künsten umgehen, dadurch sie einen Teufel mit dem anderen sich unterstehen zu fahen; sondern durch gelehrte und erfahrene Männer, die aus Gottes Wort mit ihnen nach einem eifrigen Gebet reden, ob sie zum freien Bekenntniss ihrer Missethat und herzlicher Begierde, aus den Klauen des höllischen Löwen erledigt und hingegen des himmlischen und seligen Lebens theilhaftig zu werden mögen bewegt werden.“ Ganz besonders aber dringen die Geistlichen darauf, dass die Geständnisse der Angeschuldigten auf das sorgfältigste zu prüfen seien, „ob nämlich das (von ihnen) Bekannte möglich oder unmöglich den Unholden, oder ihrem Meister, — item an denen Orten oder Personen oder Gütern, die geschädigt worden seien, es (wirklich) geschehen sei oder nicht.“ Ausserdem wird auch verlangt, dass die Predigten sich nicht in Dunkelheiten der Dogmatik oder Fragen der Polemik verlieren, sondern dass in apostolischer Einfalt und der Fassungskraft der Zuhörer gemäss zu denselben geredet werde, und dass ebenso der Schulunterricht in einer der Jugend wirklich fruchtbringenden Weise ertheilt werde.

[142]

Dieses war das ernste und weise Wort, welches die Berner Geistlichkeit dem Rathe übersandte. In demselben war allerdings ebenso wie in den Gutachten der medizinischen und juristischen Fakultäten der Glaube an die Möglichkeit des Teufelsbundes und der Hexerei festgehalten, aber der bisherige Hexenprozess wurde doch in seinen Grundlagen erschüttert. Unmöglich konnte es daher in der bisherigen Weise weiter fortgehen, was namentlich der Berner Rath recht wohl einsah. Zur Berathung eines neuen Prozessverfahrens wurde alsbald eine Commission niedergesetzt, welche bedeutet ward, dass einerseits auf die Vorschläge der Geistlichkeit zur Entfernung öffentlicher Missstände und zur religiös-sittlichen Hebung des Volks Bedacht genommen, andrerseits über die Zeichen, ob sie zur Vornahme der Tortur genugsam seien oder nicht, ein Vortrag abgefasst und die alte Ordnung revidirt vorgelegt werde. In der Zwischenzeit gebot man den welschen Amtleuten (14. November 1651) vorläufig bei Verhaftungen wegen Hexerei keinerlei Tortur anwenden zu lassen, sondern in jedem Falle umständlich einzuberichten und den Bescheid zu gewärtigen, auch auf die Angebungen wegen gehaltener Gespräche u. dgl., es sei bei Tage oder bei Nacht, als auf teuflische Illusion keine Rücksicht zu nehmen. Unter dem 29. Dezember 1651 wurde dann die durchgesehene und mannigfach verbesserte Prozessordnung veröffentlicht. Nach derselben sollten vage Anzeigen von Verhafteten, angebliche Abreden zum Bösen gar nicht mehr in Betracht kommen. Nur in Fällen von besonderer Wahrscheinlichkeit soll eine Voruntersuchung über die Umstände der gesprochenen Worte und den Leumund des Betreffenden stattfinden, ein weiteres Vorgehen dagegen erst auf obrigkeitlichen Befehl. Betrifft jedoch die übereinstimmende Anzeige zweier Personen eine begangene Missethat, so sei mit Verhaftung, Confrontation und Besichtigung einzuschreiten, zugleich aber die geschehene Thatsache der Vergiftung von Menschen oder Thieren in sichere Erfahrung zu bringen. Erst in dem Falle, wenn dieses sich wirklich ergebe, die Anzeiger überdies beständig bleiben, [143] der Leumund nachtheilig laute und der Beklagte dessenungeachtet kein Bekenntniss ablege, dürfe man zur „ziemlichen“ Folter schreiten, über deren Ergebniss sodann wieder berichtet werden solle. Dieselbe wird indessen auf das Anhängen eines Gewichts von höchstens hundert Pfund mit nur dreimaligem Aufziehen beschränkt und dabei wird die gebührliche Rücksichtnahme auf persönliche Umstände zur Pflicht gemacht.

Ausserdem übersandte der Berner Rath das Gutachten des Convents auch der waadtländischen Geistlichkeit zur berichtlichen Aeusserung zu, die zwar nicht die Unabhängigkeit und Freiheit des Urtheils besass, durch welche die Berner hervorragten, dasselbe aber doch im Wesentlichen billigte.

Die Frucht aller dieser Verhandlungen trat bald in mancherlei Weise zu Tage. Sogleich auf die letzte Verordnung der Regierung hin zeigt sich in den Rathsmanualen eine auffallend grössere Sorgfalt bei der Prüfung der eingehenden Prozessverhandlungen, die auch öfters als ungenau und mangelhaft zurückgewiesen werden. Anstatt sofort zur Tortur zu schreiten, wird es üblich, dass zwei Geistliche den stark Verdächtigen zum Bekenntniss der Wahrheit zu bewegen trachten sollen. Mehrmals gibt man die Frage zu bedenken, ob nicht Melancholie d. h. Geisteskrankheit überhaupt sich annehmen lasse. Gerichte, die leichtfertig und willkürlich vorgingen, erhielten scharfe Verweise, mussten die Gefangenen augenblicklich in Freiheit setzen, und zwar, was wohl ihren allzu raschen Eifer in Etwas dämpfen sollte, ohne Vergütung der Kosten. Der vorgekommene Fall, dass ein Angeklagter auf das gefundene Stigma hin grausam gefoltert, nachher aber kein Stigma mehr an ihm zu entdecken war, gab den warnenden Beweis, wie leicht man sich in dieser Sache irren und Unschuldige misshandeln könne, was zur Aufstellung einer Anzahl darauf bezüglicher Vorschriften führte. Die Besichtigung sollte demnach durch Sachverständige am hellen Tage und an einem hellen Orte geschehen, über das Ergebniss eidlich referirt, [144] jedoch nichts protokollirt werden, man habe denn das Zeichen zum dritten Male geprüft[144]. So suchte man wenigstens im Einzelnen zu bessern, so lange man noch nicht mit dem Ganzen aufzuräumen wagte.

Allerdings währten die Prozesse noch geraume Zeit fort; selbst die Frau des Pfarrers Mader von Kappelen wurde zu Erlach als Hexe enthauptet, und im Jahr 1665 kamen im Waadtland noch vierundzwanzig Hinrichtungen vor. Zu Carouge wurde damals (16. März 1665) sogar ein eigener Hülfsgeistlicher zur „Hintertreibung des Satans“ angestellt. Allein mit dem Jahre 1680 verschwinden die Todesurtheile, mit denen man bisher die Hexerei bestraft hatte, aus den Berner Rathsmanualen gänzlich. Die Hexenverfolgung dauerte zwar noch eine Weile fort, allein man erkannte jetzt nur auf Geld- und Freiheitsstrafen.

Im Kanton Zürich wurde zum ersten Mal eine Unholdin 1654 verbrannt, worauf 1660 in Stein vier Hexen erst mit dem Schwerte hingerichtet und dann verbrannt wurden, unter ihnen eine fünfundsiebenzigjährige Frau, die bis dahin im Rufe grosser Frömmigkeit gestanden hatte. Aus dem Jahr 1666 wird von einem Metzger Kramer aus Zürich berichtet, dass derselbe, als teuflischer Künste verdächtig, zur Ermittelung etwaiger Hexenmale am ganzen Leibe geschoren worden sei[145].

Unter den englischen Prozessen jener Zeit hat der von Warbois (1593) einige Berühmtheit erlangt, weil er eine Stiftung veranlasste, nach welcher jährlich ein Studiosus der Theologie im Collegium der Königin zu Cambridge gegen eine Belohnung von vierzig Schillingen einen Vortrag über die Hexerei zu halten hatte. Das Ganze war durch das Gerede von Kindern angegangen, die halb aus thörichter Einbildung, halb aus Bosheit von den abgesandten Geistern eines alten Weibes geplagt zu werden vorgaben. Die Alte ward verhaftet, zum Geständniss [145] gebracht und von den Geschworenen sammt ihrem Ehemanne und ihrer Tochter, welche indessen jede Schuld standhaft leugneten, in Huntingdon zum Tode verurtheilt[146].

Schottland erlebte seine Gräuelperiode unter Jakob VI[147]. Dieser König schürte mit der reformirten Geistlichkeit das Feuer um die Wette[148]; er selbst bildete sich ein, um seines Religionseifers willen vom Teufel verfolgt zu werden, und sein Argwohn traf darum besonders die schottischen Katholiken als dessen Werkzeuge. — Bei seiner Rückkehr aus Dänemark (wo er sich vermählt hatte) war Jakob von gewaltigen Seestürmen bedrängt worden, die er den Zauberkünsten der Hexen zuschrieb. Daher ward dieser Sturm der Anlass zu einer ganz entsetzlichen Hexenverfolgung. Der Argwohn des Königs fiel hauptsächlich auf einen Dr. Fian, der den Sturm erregt haben sollte. Derselbe gestand dieses auch auf der Folter, nahm aber hernach sein Geständniss zurück. Daher wurde derselbe wiederholt allen nur irgend erdenklichen Martern unterworfen. Die Knochen der Beine wurden ihm in den spanischen Stiefeln in einzelne Stücke zerbrochen und schliesslich wurden dem Unglücklichen (auf Geheiss des Königs) an allen Fingern die Nägel gespalten, mit einer Kneipzange ausgerissen und an jeder wunden Stelle wurde ihm ein eiserner Nagel bis zum Kopfende ins Fleisch eingetrieben. Aber „der Teufel war so tief in sein Herz eingedrungen, dass er hartnäckig leugnete, was er vorher eingestanden hatte“, wesshalb er ohne Geständniss lebendig verbrannt wurde[149]. — Wie in diesem Falle, so wohnte der König auch sonst den Verhören persönlich bei, liess sich mitunter von den Verhörten die Melodien vorspielen, mit [146] welchen die Teufelsprozessionen begleitet werden, freute sich, wenn der Teufel französisch von ihm gesagt haben sollte: „Il est un homme de Dieu“, oder er sei der grösste Feind, welchen Satan in der Welt habe, — und bedrohte die Geschworenen mit einer Anklage wegen vorsätzlichen Irrthums, wenn sie im Verurtheilen nicht eifrig genug waren.

Mit Jakob's Ueberzug nach London änderte sich die Scene seines Wirkens; jetzt kam das übersättigte Schottland etwas zu Athem, und in England erschien sogleich ein Gesetz (1603), das die Zauberei ganz im Geiste der königlichen Dämonologie auffasste und die Zauberer, als der Felonie schuldig, jedes geistlichen Beistandes für unwürdig erklärte. Jetzt war nicht mehr die Nachweisung eines durch Zaubermittel begangenen Verbrechens nöthig; die Zauberei war nun an sich ein solches[150]. Berüchtigt sind die beiden Prozesse der Lancashire-Hexen in den Jahren 1613 und 1634, wobei ein boshafter Knabe von elf Jahren unter der Anleitung seines gewinnsüchtigen Vaters die Denunziationen machte. Der Betrug wurde entdeckt, als siebenzehn Weiber schon auf dem Punkte waren gehängt zu werden[151].

Unerhörte Dinge durchlebte England in der Zeit seines Bürgerkriegs. Ein gemeiner Mensch, Matthias Hopkins aus Essex, der sich besonderer Kenntnisse rühmte, durchzog unter dem Titel eines General-Hexenfinders (Witch-Finder-general) von 1645 an die Grafschaften Essex, Sussex, Norfolk und Huntingdon[152]. Wo ein Magistrat seine Hülfe, die er geschickt zu empfehlen wusste, in Anspruch nahm, da suchte er gegen freien Unterhalt, Vergütung der Reisekosten und bestimmte Diäten die Hexen des Bezirks auf. Als Mittel hierzu dienten ihm besonders die Proben mit der Nadel und mit dem kalten [147] Wasser. So brachte er Hunderte von Unglücklichen zum Tode und fanatisirte den Pöbel täglich mehr.

Unter Anderen fiel auch der Verdacht auf einen fast achtzigjährigen Greis, einen anglikanischen Geistlichen, Namens Lowes, der fünfzig Jahre lang seines Amtes in Ehren gewartet hatte. Derselbe wurde mehrere Tage und Nächte hindurch mit der landesüblichen tortura insomnii gequält, bis er ganz ohne Besinnung war und als Geisteskranker erschien. Schliesslich wurde er ins Wasser geworfen, verurtheilt und gehängt. Die Einen behaupteten, er habe standhaft bis ans Ende seine Unschuld betheuert, während Andere (unter ihnen auch Baxter) erzählten, er habe bekannt, dass er zwei Teufel (imps) besitze, von denen der eine ihn immer zum Bösen antreibe, und mit dessen Hülfe er namentlich ein Segelschiff auf der See vor seinen Augen zum Sinken gebracht habe[153]. — Indessen dauerte das Treiben Hopkins nicht lange. Derselbe hatte eben seinen Besuch der Stadt Houghton in Huntingdonshire zugedacht, als ein Geistlicher daselbst, Mr. Gaul, gegen das Unwesen sich erhob. Hopkins, der nun dem Landfrieden nicht mehr traute, schrieb, um die Stimmung zu erforschen, an mehrere Magistrate des Orts folgenden Brief, welcher ausser der Feigheit des Menschen auch beweist, dass selbst ein ungelehrter Hexenverfolger, der niemals von Edelin und Loos gehört hat, seine Verdächtigungspolitik versteht. Er schreibt: „Meinen Empfehl an Eure Herrlichkeit. Ich erhielt heute einen Brief, der mich nach der Stadt Namens Gross-Houghton beruft, um nach übelberüchtigten Personen zu forschen, die man Hexen nennt (obwohl ich höre, dass Euer Pfarrer in Folge seiner Unwissenheit arg gegen uns ist). Ich gedenke, geliebt es Gott, um so eher zu kommen, damit ich dessen seltsame Meinung in Betreff solcher Angelegenheiten vernehme. In Suffolk habe ich einen Priester gekannt, der eben so sehr gegen diese Entdeckung von der Kanzel herab eiferte, jedoch vom Parlament gezwungen wurde, [148] an eben derselben Stelle zu widerrufen. Ich wundere mich sehr, dass solche böse Menschen Verfechter, und noch dazu unter den Geistlichen, finden, welche täglich Schrecken und Entsetzen predigen sollten, um die Uebelthäter zu erschüttern. Ich gedenke Eurer Stadt einen plötzlichen Besuch abzustatten. Diese Woche komme ich nach Kimbolton, und es stehen Zehn gegen Eins zu wetten, dass ich zuerst mich nach Eurer Stadt wende; doch möchte ich zuvor mit Zuverlässigkeit wissen, ob Eure Stadt viele Parteinehmer für solches Gesindel zählt, oder ob sie bereit ist, uns freundlichen Empfang und gute Bewirthung angedeihen zu lassen, wie andere Orte thaten, in denen ich war. Wo nicht, so werde ich Euren Bezirk meiden (nicht als wäre ich zunächst auf mich selbst bedacht), und mich in solche Gegenden begeben, wo ich nicht nur ohne Controle handeln und strafen möge, sondern auch Dank und Belohnung einernte. So verabschiede ich mich ergebenst und will mich als Euren Diener empfohlen haben.

Matthias Hopkins.“

Hopkins trieb sein Spiel, bis er sich in seinen eigenen Netzen fing. Das entrüstete Volk nahm zuletzt mit ihm selbst die Wasserprobe vor, er schwamm, ward schuldig erkannt und getödtet; ob mit gerichtlichen Formen, oder nicht, bleibt zweifelhaft. Butler gedenkt seiner im sechsten Gesange des Hudibras:

Has not this present Parliament
A ledger to the devil sent,
Fully empovered to treat about
Finding revolted witches out?
And has not he within one year
Hang'd threescore of them in a shire? —
Who after proved himself a witch,
And made a rod for his own breech.

Von einer ähnlichen Hexenjagd, die wenige Jahre später im nördlichen England vorging, berichtet Sykes in den Local Records. „In den Gemeinderaths-Akten von Newcastle wird eine Petition in Hexensachen vom 26. März 1649 erwähnt, welche ohne Zweifel von den Einwohnern [149] unterzeichnet war und deren Inhalt einen Prozess gegen alle verdächtigen Personen veranlasste. In Folge derselben schickte die Obrigkeit zwei Gerichtsdiener nach Schottland und bot einem Schotten, der sich auf die Nadelprobe zu verstehen vorgab, wenn er nach Newcastle kommen und die ihm Vorgeführten untersuchen wollte, ausser freier Her- und Rückreise zwanzig Schillinge für jede Person, die als Hexe verurtheilt werden würde. Als die Gerichtsdiener den Hexenfinder zu Pferde in die Stadt brachten, liess die Obrigkeit durch die Schelle bekannt machen, wer gegen irgend ein Weib eine Klage wegen Hexerei vorzubringen habe, der solle es thun; man wolle dieselbe sogleich verhaften und untersuchen lassen. Dreissig Weiber wurden in das Rathhaus gebracht, der Nadelprobe unterworfen und mehrentheils schuldig befunden. Aus einem Auszuge aus dem Register der Pfarrkirche zu St. Andrews in Schottland ersieht man, dass ein Mann und fünfzehn Weiber zu Newcastle wegen Hexerei hingerichtet wurden. Als der Hexenfinder in dieser Stadt mit seinem Geschäfte zu Ende war und seine Gebühren in der Tasche hatte, begab er sich nach Northumberland, um Weiber zu untersuchen, und erhielt drei Pfund für das Stück; aber Henry Ogle Esq. bemächtigte sich seiner und forderte Rechenschaft. Der Mann entwischte nach Schottland, wo er verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen ähnlicher in diesem Lande verübten Niederträchtigkeiten verurtheilt wurde. Er gestand am Galgen, dass er über zweihundertundzwanzig Weiber in beiden Königreichen um den Lohn von zwanzig Schillingen für den Kopf zum Tode geliefert habe“[154]. — Ganz England war damals von der unheimlichen Finsterniss des Hexenglaubens umnachtet. Scenen, wie sie Shakespeare in seinem Macbeth vorführte, wurden überall als der Wirklichkeit des Hexenwesens entsprechend angesehen[155]. — Der berühmte Verfasser der (etwa 1633 [150] erschienenen und den crassesten Aberglauben vertheidigenden) Religio medici, Thomas Browne, der „Vater des Deismus“ gab 1664 über zwei Weiber in Suffolk sein Urtheil dahin ab, dass deren Krämpfe und sonstigen Zufälle zwar natürlich, aber durch den ihnen einwohnenden Teufel gesteigert wären, was er durch Berufung auf kurz vorher in Dänemark vorgekommene Fälle erwies. — Die beiden Unglücklichen waren mit dieser nichtssagenden Erklärung als Hexen dargethan und wurden 1665 gehängt[156]. — Im Jahr 1682 wurden in Exeter drei Personen wegen Hexerei hingerichtet[157].

In Schottland hatten die Hexenprozesse namentlich seit 1603 ihren ununterbrochenen Fortgang gehabt, und zwar unter der eifrigsten Mitwirkung der reformirten Geistlichkeit, die freilich die hochverdiente Hüterin der schottischen Volksfreiheit war, aber auch den Glauben an Teufelsspuk und Zauberei sorgsam aufrecht hielt. Um zu Denunziationen zu ermuntern, waren hier in den Kirchen Kasten mit Deckelspalten aufgestellt, in welche man die Namen Verdächtiger werfen sollte. Entsetzlicher Art waren die eigenthümlichen Torturmittel, die man in Schottland zur Anwendung brachte[158]. Um eine hartnäckige Hexe zu wecken, band man ihr einen eisernen Kappzaum oder Reif mit vier Zacken, die in den Mund eindrangen, um das Gesicht, und dieser Kappzaum wurde hinten an der Mauer in einer solchen Weise befestigt, dass die Unglückliche sich nicht niederlegen konnte. In dieser Stellung musste dieselbe oft mehrere Tage und Nächte hindurch verbleiben, während deren sie von Zeit zu Zeit zu [151] Geständnissen aufgefordert wurde. Gleichzeitig wurde an ihr mit der tief ins Fleisch eindringenden Nadel zur Ermittelung des Hexenmales experimentirt[159]. Ausserdem wurde die Qual noch dadurch gesteigert, dass man die Gefolterte den sich einstellenden Durst ertragen liess ohne ihr einen Schluck Wassers zu gewähren. Es soll vorgekommen sein, dass Einzelne diese Marter — einschliesslich der tortura insomniae — fünf, sogar neun Tage und Nächte hindurch ertragen mussten[160].

Ausserdem wurde aber ganz besonders „Verstockten“, welche auf diesem Wege nicht zum Geständniss zu bringen waren, mit noch ganz anderen Torturmitteln zu Leibe gegangen. Hören wir, was Hartpole Lecky[161] S. 101 über dieselben berichtet: „Die drei vorzüglichsten, welche gewöhnlich zur Anwendung kamen, waren die Pennywinkis, die spanischen Stiefeln und die Caschielawis. Erstere war eine Art Daumenschraube, die zweite ein Gehäuse, in welches das Bein eingesenkt und darin durch Keile zerquetscht wurde, die man mit einem Hammer hineintrieb, die dritte eine eiserne Form, die von Zeit zu Zeit über einer Kohlenpfanne erhitzt und um den Leib gelegt wurde. Manchmal wurde der Körper des Opfers mit Schwefelfaden gebrannt. In einem gleichzeitigen Aktenstücke lesen wir von einem Manne, der achtundvierzig Stunden unter der scharfen Tortur in den Caschielawis gehalten wurde, und von einem anderen, der in derselben schrecklichen Maschine elf Tage und Nächte lang blieb, dem vierzehn Tage lang die Beine alltäglich in den spanischen Stiefeln gebrochen und der so gegeisselt wurde, dass ihm die ganze Haut vom Körper gerissen ward. — Wie viele Geständnisse durch diese Mittel erpresst wurden, lässt sich nicht mehr ermitteln. Zwar ist uns eine grosse Anzahl von Zeugenaussagen und Geständnissen aufbewahrt, allein diese stammen nur von einem einzigen Gerichte her. Wir wissen, dass (hier) 1662 [152] mehr als hundertundfünfzig Personen der Hexerei angeklagt und dass in diesem Jahre vierzehn Untersuchungscommissionen eingesetzt waren.“ Es kann also nicht auffallen, wenn ein Reisender gelegentlich bemerkt, dass er habe 1664 in Leith neun Frauen zusammen verbrennen sehen oder wie 1678 an einem einzigen Tage von einem und demselben Gericht neun Frauen verurtheilt wurden. Ein Graf Mar erzählt, wie einst mehrere Weiber „mit gellendem Geschrei schon halbverbrannt dem langsam sie verzehrenden Feuer sich entwanden, einige Augenblicke mit verzweifelter Kraftanstrengung inmitten der Zuschauer kämpften, aber bald unter lautem gotteslästerlichem Angstgeschrei und wilden Unschuldsbetheuerungen in zuckendem Todeskampfe in die Flammen niedersanken.“[162].

Gegen das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts war die Pest des Hexenglaubens auch nach Nordamerika von England her eingeschleppt.

Schon im Jahr 1645 waren im Staate Massachusetts vier Personen der Hexerei angeklagt und hingerichtet worden. Doch hatte dieses Vorkommniss kein sonderliches Aufsehen gemacht. Die berüchtigte Hexenjagd von Salem nahm erst später, im unmittelbaren Anschluss an eine Quäkerverfolgung, ihren Anfang. — Es ist dabei zu bemerken, dass die Seele derselben zwei hochangesehene reformirte Geistliche, Vater und Sohn waren, nämlich Increase Mather, der zweiundsechszig Jahre als Seelsorger an der Nordkirche zu Boston gewirkt hat und dem Neu-England den ersten Grundstein seiner Unabhängigkeit verdankt, und vor Allem dessen Sohn Cotton Mather, — wie der Vater ein ernster, gelehrter und glaubenseifriger Prediger, dessen Name in der englischen Literatur noch heute mit Auszeichnung genannt wird, wesshalb seine Dämonomanie noch um so räthselhafter erscheinen kann.

Ein anscheinend ganz unbedeutendes Ereigniss, welches [153] sich 1688 zu Boston zutrug, gab den ersten Anlass zu dem grausigen Drama.

Im Hause eines Maurers war Wäsche abhanden gekommen — der Verdacht fiel auf eine Waschfrau, welche in der Familie zeitweise Dienste leistete — diese, empört über die Beschuldigung, liess sich derbe Aeusserungen gegen ein Töchterchen der Familie entschlüpfen. Als das Kind nun den andern Tag erkrankte und das Uebel sich auch seinen Geschwistern mittheilte, kam man auf den Gedanken, die Waschfrau habe sie behext. Diese, eine Irländerin und Papistin (keins von beiden sprach zu ihren Gunsten) wurde verhaftet, verhört, und da sie unzusammenhängend und nur gebrochen englisch sprach, schliesslich in der Verzweiflung auch selbst schuldig zu sein vorgab, verurtheilt und hingerichtet. — Natürlich hatte dieser Vorgang einen tiefen Eindruck auf das Volk gemacht und die Verblendung nahm mehr und mehr zu. Cotton Mather wurde als Zeuge zu den Kindern des Maurers gerufen. Nicht zufrieden mit dem, was sich seinen Augen hier darbot, nahm er das am meisten von Krämpfen und eigenthümlichen Zuständen befallene Kind mit nach Hause, um es ungestört examiniren zu können. Es scheint, dass das kleine Mädchen mancherlei von den Hexereien, welche in England und Schottland vorgekommen sein sollten, gehört und seine Phantasie damit erfüllt hatte. Die Kleine kam nämlich oft in Gegenwart vieler Personen in einen eigenthümlichen Zustand, setzte sich rittlings auf einen Stuhl, trabte, galoppirte u. s. w. Bald schien sie mit unsichtbaren Wesen zu sprechen, bald diesen zuzuhören. Sie erzählte Cotton Mather von Versammlungen, welche Hexen weit entfernt von ihrem Hause gehalten hätten und bezeichnete Personen, welche sie daselbst gesehen haben wollte u. s. w. — Der, gelind gesagt, etwas einfältige Geistliche wurde jetzt durch Alles, was er von der Patientin herausexaminirte, immer mehr von der Wahrheit der Hexerei überzeugt und hat sogar über den beregten Fall ein Buch („Memorable Providences relating to Witchcraft and Possession.“ Lond. 1689) der Nachwelt hinterlassen.

[154]

Ein anderer Geistlicher, Paris aus Salem-Village, welcher seit mehreren Jahren in Unfrieden mit seiner Gemeinde lebte, war nicht minder von der Sache eingenommen. Im Februar 1692 wurden einige junge Leute seiner Familie von eigenthümlichen Zuständen befallen; sie verkrochen sich unter den Möbeln und in Ecken, sprachen sonderbar, verrenkten die Glieder und fielen theilweise in Krämpfe. Der Arzt konnte die Art der Krankheit nicht erkennen und sprach die Vermuthung aus, dass die Kranken behext wären. — Nun hatte Paris einen Indianer und dessen Frau als Dienstboten; — durch diese liess er (wie es in ihrem Stamm üblich war) einen verzauberten Kuchen backen und derselbe, einem der Familie gehörenden Hunde gegeben, sollte es möglich machen, dass die besessenen Personen erkennen könnten, wer sie behext hätte[163]. Das Resultat war, dass sie die beiden Indianer für schuldig erklärten und diese, dazu gedrängt, gestanden es auch ein und wurden ins Gefängniss geworfen.

Von nun an mehrten sich die Anklagen und am 11. April wurde eine ganze Anzahl der Hexerei beschuldigten Personen in Salem von einem Gericht, welches aus sechs Richtern und einigen Geistlichen zusammengesetzt war, in Untersuchung genommen.

Die wunderbarsten Geständnisse wurden aus dem Mund der Besessenen herausgelockt. Sie erzählten von einem schwarzen Manne von übernatürlicher Grösse, welcher sie verfolge und dränge, dass sie sich in ein von ihm hingehaltenes Buch einzeichnen und ihre Seele verschreiben sollten, — von unheimlichen Zusammenkünften solcher Personen, die sich bereits dem Teufel verschrieben hätten, welche mit dem Ausdruck von Hohn und Spott Brod und Wein genössen und es ihr Sakrament nennten, u. s. w. Sie erzählten weiter, dass sie auf einem Stock zu den Versammlungen ritten und dass sie die Absicht hätten, das Reich Christi zu zerstören und das Reich des Teufels [155] aufzurichten und dass dann Alles gut sein würde. — Die Tollheit ging bald so weit, dass sogar ein vierjähriges Mädchen als der Hexerei dringend verdächtig gefänglich eingezogen wurde. Man gab ihm schuld, dass es sich zuweilen unsichtbar mache, und dass es denen, von welchen es angesehen werde, durch seinen bösen Blick Unheil zufüge.

Als im Mai 1692 Sir W. Phipps als Gouverneur nach Neu-England kam, erschien dieser keineswegs als Friedensherold, sondern machte durch seine strengen Massregeln (er befahl u. A., dass die wegen Hexerei verklagten Gefangenen in Ketten gelegt werden sollten) die Sache noch ärger. Immer mehr Anklagen wurden laut und die Angeklagten glaubten sich oft nur dadurch helfen zu können, dass sie wieder andere Personen beschuldigten, Hexen zu sein. Hatte man im Anfange nur niedrige und in schlechtem Rufe stehende Personen angeklagt, so ging man nun weiter und belastete auch Höherstehende. Wagte Jemand zu ihren Gunsten zu sprechen, so wurde er ebenfalls der Hexerei verdächtig. — Am 31. Mai 1692 wurde ein Seekapitän aus Boston nach Salem gebracht und vor Gericht gestellt. Er fragte ganz erstaunt seine Ankläger, wie sie sich nur denken könnten, dass er nach dieser Stadt kommen möge, um Personen zu schädigen, da er Salem noch nie zuvor gesehen? Aber er wurde verurtheilt und ins Gefängniss geworfen; der Beschliesser jedoch scheint ihm zur Flucht behülflich gewesen zu sein.

Die Gefängnisse füllten sich immer mehr und manches Todesurtheil wurde vollstreckt. Die Besessenen nahmen massenhaft zu und ihre Aussagen, oft ganz barock, wurden von dem Gericht für Wahrheit hingenommen. Die Besessenen wollten Besuche von den Hexen erhalten haben, welche mitten in der Nacht durch das geschlossene Fenster kamen, sie gleich einem Alp stundenlang drückten, so dass sie kein Glied rühren und nicht athmen konnten; sie wollten die Hexen sich bald in ein Schwein, bald in einen Popanz, bald in andere Gestalt verwandeln gesehen haben. In den gerichtlichen Verhören behaupteten sie den „schwarzen [156] Mann“ neben den Angeklagten stehen zu sehen, um ihnen die Worte ihrer Vertheidigung ins Ohr zu flüstern und die Richter waren dabei von der Schuld der Angeklagten so fest überzeugt, dass sie ihnen sogar den einzigen ihnen gebliebenen Beweis des Alibi nicht gestatteten.

Mehrere Hinrichtungen waren bereits vorgekommen, da standen am 5. August wieder sechs Angeklagte vor Gericht, von welchen fünf am 19. August hingerichtet wurden. Unter diesen befand sich ein Geistlicher, Mr. Georg Burroughs, welcher seine Richter mit dem Ausspruche, dass es weder jemals Hexen, welche einen Bund mit dem Teufel gemacht, gegeben hätte noch gebe, sehr erzürnt hatte. Auf dem Richtplatze wendete er sich zu der umstehenden Menge und sprach zu ihr mit so viel Gefühl, dass aus manchem Auge Thränen flossen. Da aber riefen die Ankläger: „Der schwarze Mann steht neben ihm und diktirt ihm was er sagen soll“ und Dr. Cotton Mather, der zu Pferde anwesend war, rief der Menge zu, es sei kein wirklicher Geistlicher, sondern seine Frömmigkeit sei nur Verstellung und auch hier habe, wie so manchmal, der Teufel die Gestalt eines Engels des Lichts angenommen. — Sofort war die Sympathie des Volkes verwischt und der Henker ging zu seiner Amtsverrichtung über. — Mit Burroughs wurde u. A. ein früherer Gefängnissbeamter hingerichtet, welcher, um sein trauriges Geschäft nicht länger betreiben zu müssen, entflohen, aber auf der Flucht ergriffen worden war.

Ein Rechtsgelehrter, welcher sich geweigert, in einem Hexenprozess zu fungiren, wurde zu Tod gepresst, die Zunge ihm aus dem Mund gerissen und als er im Todeskampf lag, wieder mit einem Stock in den Mund hineingedrückt.

Neunzehn Personen waren nun bereits gehängt worden, einschliesslich des zu Tode Gequetschten — und die Richter begannen denn doch, sich zu fragen, wie sie ihr Verfahren rechtfertigen sollten, wesshalb Cotton Mather auf dringenden Wunsch des Gouverneurs sieben Hexenprozesse durch die Presse veröffentlichte und dieselben durch Hinweisung [157] auf ähnliche in England vorgekommene Fälle zu rechtfertigen suchte. „More Wonders of the invisible World“, wurde im Oktober herausgegeben. Indessen war doch durch verschiedene Vorkommnisse im Volk bereits ein Zweifel an der Wahrheit der Sache entstanden und, nachdem man den Durst nach Menschenblut gestillt, stieg man eine Stufe herunter und richtete seine Wuth auf Thiere. So wurde z. B. ein Hund, den man für besessen und ein anderer, den man für einen Zauberer hielt, gehängt.

Aber die Seuche ging von Salem nach anderen Orten über. In Andover liessen Leute, deren Angehörige krank waren, von Salem Personen, welche das „Gespenster-Gesicht“ hatten, kommen, damit sie ihnen sagen sollten, wer die Kranken behext habe. So begann denn hier dasselbe Schauspiel wie in Salem und nachdem der Friedensrichter (Dudley Bradstreet) dreissig bis vierzig Personen verhaften hatte lassen, fühlte er sich doch sehr in seinem Gemüthe beunruhigt und weigerte sich, weitere Verhaftsbefehle auszustellen. Darauf aber wurde er selbst als der Hexerei schuldig angeklagt und musste, als einziges Mittel seiner Rettung, die Flucht ergreifen.

Bald darnach wurde ein angesehener Herr aus Boston angeklagt; dieser jedoch, rasch entschlossen, wusste sich einen Verhaftsbefehl gegen seine Ankläger zu verschaffen und berechnete seinen ihm durch Verleumdung zugefügten Schaden auf tausend Pfund Sterling. — Dieses kühne Vorgehen richtete viel aus — die Anklagen hörten plötzlich auf und kamen von dieser Zeit an in Misskredit. Viele, welche bereits Geständnisse abgelegt hatten, zogen dieselben wieder zurück und am 3. Januar 1693 wurden an dem obersten Gerichtshof von Salem von sechsundfünfzig Anklageschriften dieser Art dreissig einfach bei Seite gelegt, und von den übrigen sechsundzwanzig, als sie zum Prozess kamen, nur drei für berechtigt und die betreffenden Personen für schuldig befunden. Ende Januar wurden zehn gefangene Personen, welche bereits verurtheilt waren, frei gelassen.

[158]

Im April desselben Jahres wurde der Gouverneur Phipps von seiner Stelle in Neu-England abgerufen und vor seiner Abreise setzte er alle wegen Hexerei verdächtigen Gefangenen in Freiheit. Es betrug die Zahl derselben um diese Zeit hundertundfünfzig, von welchen fünfzig gestanden hatten, wirklich Hexen zu sein. Weitere zweihundert waren angeklagt, aber noch nicht gefänglich eingezogen. — Das Volk befürchtete von dieser Massregel, welche es für sehr verkehrte Mildthätigkeit hielt, die schlimmsten Folgen, allein die Hexerei hörte von diesem Augenblick an auf. Die Leute begannen nachzudenken, sahen ihren Irrthum ein und beklagten ihn. Vor Allem richtete sich nun der Unmuth des Volkes auf den Pfarrer von Salem-Village, Paris, welcher den ersten Anstoss zur Verfolgung von Hexen gegeben hatte. Obgleich dieser nun selbst von seinem Unrecht überzeugt war, dieses eingestand und bitter bereute, so liessen die Leute ihm doch keine Ruhe, bis er Stadt und Land verliess.

So erstarb denn nach und nach der Hexenglaube, wenn auch einzelne Personen nicht ganz davon lassen wollten. — Einmal allerdings schien er wieder aufleben zu wollen, indem ein junges Mädchen, Margaret Bule in Boston, in Convulsionen fiel und von acht Gespenstern, die Personen ihrer Bekanntschaft sein sollten, besucht sein wollte. Cotton Mather suchte sie auf, glaubte sich von der Wahrheit ihrer Aussage zu überzeugen und leicht hätte eine neue Flamme auflodern können, wäre ihr nicht von anderer Seite entgegengearbeitet worden. Ein intelligenter Kaufmann, Calef, von Boston, besuchte nämlich Margaret Bule ebenfalls und kam dabei zu einem der Ansicht Cotton Mather's vollständig verschiedenen Resultat. Von dem Buche Calef's „More Wonders of the invisible World“ erhalten wir wohl die allergenaueste Anschauung der damaligen Vorgänge in Salem und Andover.

Seit dieser Zeit hörte man in New-England nichts mehr von Hexen. Das Volk schämte sich seiner Verirrung und bereute sie tief. Am 17. Dezember 1696 wurde in Salem ein grosses Fasten gehalten, wo Gott um Verzeihung [159] gebeten und angerufen wurde, solche Vorkommnisse nicht mehr gestatten zu wollen und die Richter unterzeichneten eine Schrift, worin sie ihre Reue bekannten und Gott baten, ihnen und den Ihrigen ihre Schuld nicht anzurechnen. — Eine tiefe Beschämung hatte sich der verirrten Seelen bemächtigt.

Schliesslich sei noch eine wörtliche Erklärung einiger der Hexerei angeklagten Frauen beigefügt. Sie sagten aus: „Als die Frau von Joseph Ballard in Andover krank war, liess dieser — entweder aus eigenem Antrieb oder durch Andere dazu veranlasst — aus Salem-Village zwei von den sogenannten besessenen Personen herüberholen und diess war die Ursache der schrecklichen Trübsal, welche über uns in Andover kam. Die Augen wurden uns verbunden und unsere Hände auf die besessenen Personen gelegt, welche, als wir in ihre Nähe kamen, von ihren Krämpfen befallen wurden. Dann sagten sie, wir wären schuldig an ihrem Ungemach, worauf wir infolge eines Verhaftsbefehles gefangen genommen und nach Salem gebracht wurden. Obgleich wir uns nun diesem Verbrechen gegenüber vollständig unschuldig wussten, waren wir doch Alle über diese Anklage so überaus erstaunt, erschreckt und verwirrt, dass wir fast den Verstand verloren. Unsere nächsten Verwandten, welche uns in dieser schrecklichen Lage sahen und unsere grosse Gefahr kannten, verleugneten alle Liebe und alles Mitleid und beschworen uns, dasjenige zu beichten, was wir denn auch gebeichtet haben; und wahrhaftig, dieses Bekenntniss war kein anderes, als das, was uns von einigen Herren aufgenöthigt (suggested) wurde. Sie sagten uns, dass wir Hexen wären, dass sie es wüssten und dass wir es wüssten und dass sie wüssten, wir wüssten es — diess Alles machte uns verwirrt, dass wir schliesslich dachten, wir wären wirklich Hexen. Unser Verstand, unsere Vernunft, alle unsere geistigen Fähigkeiten waren uns abhanden gekommen und wir waren unfähig, unsern Zustand beurtheilen zu können, und da sie uns mit ihrer Härte über die Massen unfähig gemacht hatten uns zu vertheidigen, so sagten wir [160] Alles und Alles was sie wünschten und das Meiste, was wir sagten, war in der That eigentlich nur ein Zustimmen zu dem, was sie gesagt hatten.“ — So endete die grausige witchcraft-delusion von Salem[164].

In Frankreich verliessen die Parlamente die Bahn der Besonnenheit, welche ihnen das Lob eines Duarenus und den Tadel eines Bodin erworben hatte. Das von Dôle verurtheilte z. B. 1573 Gilles Garnier aus Lyon, der angeklagt und geständig war, als Wehrwolf mehrere Kinder in der Umgegend zerrissen zu haben, zum Feuer[165]; das von Paris sprach 1578 ein gleiches Urtheil über den Wehrwolf Jacques Rollet[166] und bestätigte 1582 das Todesurtheil einer Hexe, welche einem jungen Mädchen den Teufel in den Leib geschickt hatte[167]. Mit der Wirksamkeit der Gerichte unter Heinrich III. ist Bodin überhaupt zufrieden; doch geschah der Ligue noch bei weitem nicht genug. Dieser König liess einst einige angebliche Besessene durch eine Commission untersuchen und dann als Betrüger einsperren. Man warf ihm darum Begünstigung der Zauberei vor. Ein kurz vor Clement's That erschienenes Pamphlet enthielt nicht nur den Vorwurf, dass Heinrich einige Verurtheilte begnadigt habe, sondern machte ihn sogar selbst der Zauberei und eines vertrauten Umgangs mit dem Hofteufel Terragon verdächtig. Clement soll besonders hierdurch zu seinem Meuchelmord bestimmt [161] worden sein[168]. Eine Deputation der Sechszehner hatte vor dem goldenen Cruzifixe des Königs zwei Candelaber aus getriebenem Silber mit Satyrfiguren bemerkt. Hierüber berichtet ein damals verbreitetes Pamphlet Folgendes[169]: „On a trouvé dernièrement, au bois de Vincennes, deux Satyres d'argent, de la hauteur de quatre pieds. Ils étaient au-devant d'une croix d'or, au milieu de laquelle il y avait enchâssé du bois de la vraie croix de notre Seigneur Jésus-Christ. Les politiques disent, que c'étaient des chandeliers. Ce qui fait croire le contraire, c'est que, dans ces vases, il n'y avait pas d'aiguille qui passât pour y mettre un cierge ou une petite chandelle; joint qu'ils tournaient le derrière à la dite vraie croix, et que deux anges ou deux simples chandeliers y eussent été plus décens que ces Satyres, estimés par les payens êtres des dieux des forêts, où l'on tient que les mauvais esprits se trouvent plûtôt qu'en autres lieux. Ces monstres diaboliques ont été vus par messieurs de la ville. — Outre ces deux figures on a trouvé une peau d'enfant, laquelle avait été corroyée; et sur icelle y avait aussi plusieurs mots de sorcellerie et divers caractères. — Tout ce qu'il (Henri III.) allait souvent au bois de Vincennes, n'était que pour entendre à ses sorcelleries, et non pour prier Dieu.“

Auch mit den Zeiten Heinrich's IV. hätte Bodin's Eifer zufrieden sein dürfen, wenn sein Buch so weit gereicht hätte. Dass im Hexenprozesse unter diesem König eine Pause eingetreten sei, ist eine Unwahrheit; die Berichte aus Poitou, die Register der Parlamente zu Bordeaux und Paris und das Zeugniss des Convertiten und Jesuitenjüngers Florimond de Remond, der sich seiner Mitwirkung rühmt, beweisen das Gegentheil. „Unsere [162] Gefängnisse, — sagt der letztere, — sind voll von Zauberern; kein Tag vergeht, dass unsere Gerichte sich nicht mit ihrem Blute färben und dass wir nicht traurig in unsere Wohnungen zurückkehren, entsetzt über die abscheulichen, schrecklichen Dinge, die sie bekennen. Und der Teufel ist ein so guter Meister, dass wir nicht eine so grosse Anzahl derselben zum Feuer schicken können, dass nicht aus ihrer Asche sich wiederum neue erzeugen“[170]. Garinet sucht den Grund, warum auch Heinrich IV. diese Prozesse geschehen liess, hauptsächlich darin, dass er dadurch den seinem Vorgänger wegen Begünstigung der Zauberer gemachten Vorwürfen habe entgehen wollen. Wie dem auch sei, im Jahr 1609 stellten Despagnet, Präsident, und De Lancre, Rath des Parlaments zu Bordeaux, in königlichem Auftrage eine grosse Untersuchung unter den Basken von Labourd an[171]. Es wurden hier mehr als sechshundert Personen verbrannt, und der abergläubische De Lancre stellte aus seinen Erfahrungen zwei Traktate zusammen, die nach Form und Inhalt der Dämonolatrie des Remigius nahe kommen[172].

Viele Verfolgte entflohen aus Labourd nach Spanien und veranlassten daselbst die vor der Inquisition von Logroño verhandelten Prozesse, aus deren Protokollen wir oben die Beschreibung des Hexensabbaths mitgetheilt haben[173]. Am 7. und 8. November 1610 wurde zu Logroño ein feierliches Auto da Fé gehalten. Unter zweiundfünfzig Personen, die bestraft wurden, befanden sich neunundzwanzig Zauberer. Achtzehn von diesen wurden, weil sie [163] im Verhör sich zur Aussöhnung mit der Kirche willfährig gezeigt hatten, frei gelassen, eilf aber, weil sie leugneten, zur Uebergabe an den weltlichen Arm verurtheilt. Als Denunzianten hatte man hierbei verschiedene Kinder gebraucht, die der Vikar von Vera bei sich schlafen liess und exorzisirte, die aber dennoch, als der Exorzismus einst versäumt wurde, von den Hexen auf den Sabbath entführt sein sollten. — Dieser Prozess veranlasste eine niemals in den Druck gekommene Eingabe des Humanisten Peter de Valencia, eines Freundes von Arias Montanus, an den Grossinquisitor. Es wird darin ausser andern Missständen des Hexenprozesses besonders das Unrecht hervorgehoben, bei der Zweifelhaftigkeit des Gegenstandes selbst Leugnende zu verurtheilen; eine genaue Instruktion für die Inquisitoren müsse die Willkür abschneiden. Zwar liest man, dass der Grossinquisitor diesen Aufsatz mit Verachtung bei Seite gelegt habe; doch ist es gewiss, dass eine beschränkende Instruktion für die Provinzialinquisitoren bald darauf erschien[174].

Unter Ludwig's XIII. Regierung erregten am meisten Aufsehen die beiden Prozesse gegen die Geistlichen Gaufridy und Grandier. Der eine derselben fällt in die Periode von Richelieu's Staatsverwaltung und verlief nicht ohne Mitwirkung des Kardinals, der in diesem Punkte nicht über seiner Zeit stand. Letzteres hatte er schon 1618 als Bischof beurkundet, als er den Gläubigen seiner Diözese eine Schrift zusandte, die er 1626 wieder auflegen liess, und in welcher sich unter andern folgende Stelle findet: „La magie est un art de produire des effets par la puissance du diable; sorcellerie ou maléficie est un art de nuire aux hommes par la puissance du diable. Il y a cette différence entre la magie et la sorcellerie, que la magie a pour fin principale l'ostentation, se faire admirer; et la sorcellerie la nuisance[175].

[164]

Louis Gaufridy[176], Benefiziatpriester an der Kirche des Accoules zu Marseille, galt, wie eine aus der Feder seiner Feinde geflossene Geschichtserzählung sagt, für den frömmsten Mann auf Erden und sah seinen Beichtstuhl besonders vom weiblichen Geschlechte umdrängt. Plötzlich hört man von Exorzismen, die der Dominikaner Michael, Prior von St. Maximin, an einigen Nonnen des Ursulinerinnenklosters vornimmt. Die Teufel Beelzebub, Asmodeus, Leviathan u. a. reden aus ihnen, weissagen vom Antichrist und vom jüngsten Tage und erzählen ganz besonders vom Priester Gaufridy schreckliche Dinge. Derselbe, sagen sie, habe sich mit Leib und Seele dem Teufel verschrieben, um Ansehen und Weibergunst zu erlangen: er sei König der Zauberer in Hispanien, Frankreich, England, in der Türkei und in Deutschland, und sein Hauch bezaubere die Frauen, wenn er dieselben missbrauchen wolle, unwiderstehlich. So habe er die jüngste unter den Nonnen, Magdalene de la Palud, verführt, zum Hexentanze mitgenommen und zum Abfalle bewogen; als dieselbe aber reumüthig ins Kloster zurückgekehrt, habe er ihr und ihren Gefährtinnen Plageteufel zugesandt, um sie zu besitzen und zu martern. Nun war zwar in Marseille die allgemeine Stimme, dass Gaufridy dessen unschuldig sei und nur aus Missgunst vom Pater Michael verschrieen werde. Doch kam die Sache vor das Parlament von Aix, wo Magdalene, nachdem der Präsident ihr das Leben zugesagt, ein umständliches Bekenntniss über die zauberischen Schändlichkeiten Gaufridy's ablegte. Dieser ward verhaftet, von einigen Amtsärzten in Gegenwart des erzbischöflichen Vikars der Nadelprobe unterworfen und mit Magdalene, die sich, bei fortdauernden unkeuschen Angriffen der Teufel, des geistlichen Beistands der Dominikaner und Kapuziner erfreute, confrontirt. Gaufridy schwur bei Gott und den Heiligen, dass er falsch angeklagt sei. [165] Magdalene bekam indessen neue, noch heftigere Anfälle, und die Teufel Beelzebub und Verrine bezeugten aus der Besessenen, dass Gaufridy als Fürst der Zauberer weit schlimmer gewesen sei, als der Teufel selbst. Hierin fand das Parlament genugsamen Grund, dem Angeklagten das Leben abzusprechen; er wurde, um Nennung seiner Complicen zu erpressen, die man als Hunde und Eulen schaarenweise um das Gefängniss heulen hörte, gefoltert, dann degradirt und am 30. April 1611 auf dem Dominikanerplatze zu Aix lebendig verbrannt. Bald nach seinem Tode erschien eine umständliche Darstellung dieser Teufelsgeschichten, wie man sie eher bei einem Cäsarius von Heisterbach, als im Jahrhundert Ludwig's XIV. suchen würde. Auch liess man ein angeblich von Gaufridy gethanes Geständniss drucken, welches der Mercure Français von 1617 aufnahm. Dasselbe mag das Detaillirteste sein, was wir aus französischen Prozessen besitzen, und ist nicht nur in allen Hauptpunkten, sondern auch in den meisten Nebendingen denen der spanischen, englischen, deutschen, italienischen und schwedischen Hexen vollkommen gleich. Bemerkenswerth ist nur, dass im Pactum sowohl bei Gaufridy, als bei Magdalene de la Palud noch die seltenere Form des Chirographums mit Blut vorkommt[177].

Wenden wir uns noch zu einer zweiten Geschichte von Besessenen, die ebenfalls in einem Ursulinerinnenkloster spielt[178]. Zu Loudun, in der Diözese von Poitiers, lebte der Priester Urbain Grandier im Besitze zweier Präbenden; er verdankte dieselben nicht Familienverbindungen in der Stadt selbst, wo er fremd war, sondern der Protektion der Jesuiten zu Bordeaux, in deren Schule er sich ausgezeichnet hatte. Grandier war schön, kenntnissreich und gewandt, aber hochfahrend, sarkastisch und [166] wegen seiner Neigung zum weiblichen Geschlechte von Ehemännern und Vätern gefürchtet. Darum fehlte es ihm nicht an Neidern und Feinden. Der königliche Prokurator Trinquant, aufgebracht über die heimliche Niederkunft seiner Tochter, die ein dumpfes Gerücht mit Grandier in Verbindung brachte, vereinigte sich mit etlichen seiner Verwandten, Priestern und Beamten, die zum Theil schon wegen verlorener Prozesse auf Grandier erbost waren, zum Sturze desselben. Man beschuldigte ihn vor dem Bischofe der Gottlosigkeit, vielfacher Unkeuschheit und sogar mitten in seiner Kirche verübter Nothzucht. Auf öffentlicher Strasse kam es zu Zänkereien, und Grandier wurde in seinem Priesterornate durchgeprügelt. Während er nun in Paris Genugthuung suchte, verordnete der Bischof von Poitiers, der eines Dienstvergehens wegen in der Hand des Complottes war, seine Verhaftung (22. Oktober 1629). Obwohl es an allen Beweisen fehlte, so wurde Grandier dennoch vom Offizialate zur Busse verurtheilt und der Ausübung geistlicher Funktionen zu Loudun auf immer für unfähig erklärt. Er appellirte, und die Sache ward vor den königlichen Gerichtshof zu Poitiers verwiesen. Es ergab sich, dass selbst falsche Zeugnisse abgelegt worden waren; Grandier wurde daher freigesprochen und vom Erzbischof von Bordeaux, Henri Escoubleau de Sourdis, in seine Aemter wieder eingesetzt. Die Versetzung verschmähend, welche ihm der Erzbischof zur Vermeidung weiterer Verdriesslichkeiten anbot, zog er jedoch mit einem Lorbeerzweige in der Hand zu Loudun ein, erhob Entschädigungsklagen gegen seine Feinde und reizte diese bei jeder Gelegenheit durch ungemessenen Hohn.

In dieser Stadt war vor wenigen Jahren ein Ursulinerinnenkloster gestiftet worden; die Nonnen desselben waren noch arm und wohnten in einem gemietheten Hause, in welchem sie eine Pension hielten. Doch waren etliche unter diesen Damen munterer Laune und hatten sich bereits mehrfach das Vergnügen gemacht, ihre älteren leichtgläubigeren Schwestern durch Gespenstererscheinungen zu necken. Jetzt verbreitete sich in der Stadt das Gerücht, [167] dass der Pater Mignon, Beichtvater des Klosters, der schon früher gegen Grandier im Bunde gewesen war, etliche von bösen Geistern besessene Nonnen fleissig exorzisire. Die Wahrheit war, dass er dieselben durch mancherlei Vorspiegelungen vermocht hatte, sich zu einer höchst ruchlosen Rolle abrichten zu lassen. Als sie die nöthige Fertigkeit erlangt hatten, lud er einige Magistratspersonen unter der Anzeige, dass eine der Nonnen von einem lateinischredenden Teufel besessen sei, zum Augenschein ein. Kaum bemerkte die Oberin (Domina) die eingeführte Behörde, so sprang sie unter Zuckungen auf, grunzte wie ein Schwein, kroch unter das Bett und geberdete sich auf das Seltsamste. Mignon und seine Gehülfen, Mönche aus dem von Grandier heftig befehdeten Carmeliterinnenkloster, ergriffen sie, und ersterer richtete an den aufschürigen Teufel die Frage: Propter quam causam ingressus es in corpus hujus virginis? Antwort: Causa animositatis. Frage: Per quod pactum? Antwort: Per flores. Frage: Quales? Antwort: Rosas. Frage: Quis misit? Antwort: Urbanus (dieser Name wurde zögernd und stockend ausgesprochen). Frage: Dic cognomen! Antwort: Grandier. Frage: Dic qualitatem! Antwort: Sacerdos. Frage: Cujus ecclesiae? Antwort: Sancti Petri. Frage: Quae persona attulit flores? Antwort: Diabolica! — Hierauf kam die Nonne wieder zu sich selbst und betete. Mignon aber nahm die beiden Magistratspersonen bei Seite und machte ihnen bemerklich, dieser Fall habe viele Aehnlichkeit mit der Sache des zu Aix verbrannten Pfarrers Gaufridy. Dergleichen Scenen wiederholten sich an den folgenden Tagen vor einer Schaar von Neugierigen. In einer derselben entstand das Geschrei, eine Katze sei durch den Schornstein herabgekommen; man suchte, fand eine Katze auf dem Betthimmel, brachte sie auf das Bette der Oberin, und einer der Exorzisten beschwor sie unter vielfacher Bekreuzung. Manche unter den Umstehenden wollten indessen in dem Thiere nur eine der wohlbekannten Klosterkatzen erkennen. Zuletzt verkündete man für den folgenden Tag die definitive Austreibung der Teufel, [168] und als das Gericht zur bestimmten Stunde erschien, um ein Protokoll darüber aufzunehmen, ward es an der Thüre mit der Nachricht empfangen, die Sache sei bereits zu Ende.

Mittlerweile hatte sich Grandier beim königlichen Baillif und beim Bischof von Poitiers über Verleumdung beklagt; dieser jedoch gab ihm kein Gehör, und als jener die Exorzismen durch die bisherigen Priester ohne die Gegenwart des Gerichts verbot, gehorchten weder die Nonnen, noch die Exorzisten, sondern beriefen sich auf den Bischof. Bald fing ein zweiter Akt der Besessenheiten an, und obgleich sich die Teufel mit ihrem Latein und Weissagen schmachvoll blamirten, so nannten sie doch Grandier's Namen deutlich genug, um den Mann in immer ärgeres Geschrei zu bringen. Das Schlimmste für diesen war, dass auch ein Offizier zu Loudun, der bei Richelieu etwas vermochte, zu seinen Feinden hielt. Grandier's Klagen wurden nirgends gehört. Dem plumpen Betruge arbeitete nur der Baillif entgegen, der mehrmals die Nonnen so verwirrte, dass die Exorzisten mit Schimpf bestanden. Doch predigten diese mit Salbung über den Unglauben, der die Wunder Gottes und die Herrlichkeit der katholischen Kirche in dem Geschehenen nicht erkennen wolle, und sie erhielten neuen Muth, als ihnen der Bischof noch zwei Helfer sandte. Die Sache sollte eben von Neuem angehen, als der Erzbischof bei einem zufälligen Besuche in der Nachbarschaft seinen Arzt mit gemessenen Instruktionen zur Beobachtung nach Loudun schickte. Jetzt hatten die Besessenheiten auf einmal ein Ende, und der Prälat erliess auf Grandier's Bitte für den Fall der Wiederkehr Bestimmungen hinsichtlich der Behandlung der Nonnen, welche vorerst weder diesen, noch ihren bisherigen Seelenärzten angenehm sein konnten. (Anfang 1632.)

Mignon und die Nonnen lebten bereits in tiefer Verachtung, letztere auch, weil die Kostgänger ausblieben, in Dürftigkeit, als der Staatsrath von Laubardemont, eine Kreatur Richelieu's, in Loudun eintraf, um einem königlichen Befehle zufolge die Schleifung des dasigen Schlosses zu leiten. Dieser Mann war ein Verwandter der [169] Domina und wurde bald in das Interesse der Verschworenen gezogen. Man vereinigte sich, Grandier als den Verfasser eines Pasquills[179], das kurz zuvor zu Gunsten der Königin Mutter gegen Richelieu erschienen war, zu bezeichnen. Kaum war Laubardemont wieder in Paris, so begannen die Besessenheiten in noch grösserem Style, als zuvor; nicht nur sämmtliche Nonnen, sondern auch weltliche Jungfrauen in der Stadt und Umgegend wurden heimgesucht, und man verbreitete unter dem Titel: la Démonomanie de Loudun eine Schrift, worin die Einzelheiten der wunderbaren Ereignisse dargestellt wurden. Da, gegen das Ende des Jahres, erschien plötzlich Laubardemont als königlicher ausserordentlicher Untersuchungs-Commissär für alle früheren und gegenwärtigen Vergehen Grandier's; seine Vollmachten waren die ausgedehntesten und schnitten sogar die Appellation ab. Er begann sein Geschäft mit Grandier's Verhaftung und der Wegnahme seiner Papiere, unter welchen sich indessen nichts Anstössiges fand, als eine Abhandlung über den Cölibat. Hiergegen appellirten die Verwandten, und das pariser Parlament genehmigte die Appellation, ohne dass darum Laubardemont in seinem Gange sich hemmen liess. Grandier's Feinde hatten gewonnenes Spiel: sie waren seine Richter und Wächter, fungirten als Exorzisten, Experten und Zeugen.

Die Zahl der beschwörenden Priester mehrte sich jetzt von Tag zu Tag. Die Mönche Frankreichs, den Pater Joseph an der Spitze, verhandelten damals stark den vom Kapuziner Tranquille aufgestellten Satz, dass der Teufel, wenn er ordnungsmässig beschworen werde, sich gezwungen sehe, die Wahrheit zu sagen. Dieser Satz war nicht nur für mancherlei Inquisitionszwecke, sondern auch wegen seiner Anwendung in der Beweisführung für angefochtene Kirchendogmen von praktischer Bedeutung. In der Hoffnung, durch die Besessenen von Loudun die Frage zur Entscheidung zu bringen, strömten Mönche verschiedener [170] Orden dahin zusammen. Auch der Pater Joseph hatte sich incognito eingefunden; da er aber die Sache allzu plump angelegt fand, um nicht in der öffentlichen Meinung zu verunglücken, so zog er sich frühzeitig zurück und überliess geringeren Geistern die Gefahr der Schande. Diese konnte nicht ausbleiben, da viele der gleichsam in Programmen vorherverkündigten Taschenspielerstücke gänzlich scheiterten. Einst war angesagt, dass am folgenden Tage der Teufel während der Exorzismen dem Herrn von Laubardemont den Hut vom Kopfe nehmen und so lange in der Luft schweben lassen werde, als man ein Miserere singe. Die Exorzismen wurden bis zum Abend verlängert, Laubardemont sass etwas abgesondert unter dem Gewölbe; die angekündigte Scene konnte aber nicht aufgeführt werden, weil etliche neugierige Zweifler unter das Kirchendach vorgedrungen waren und daselbst einen Burschen ertappt hatten, der nur auf die Dämmerung wartete, um mittelst eines Angelhakens, der an einem Faden durch ein Loch der Decke hinabgelassen werden sollte, das diabolische Schweben des Hutes zu bewerkstelligen. Vornehme Fremde, die gekommen waren, reisten jetzt murrend und kopfschüttelnd ab. Da erschien der Bischof von Poitiers persönlich, um gegen den Unglauben zu predigen, und die Exorzisten verkündigten, dass es eine Beleidigung Gottes, des Königs und des Kardinals Richelieu sei, nicht an die Wahrheit der Besessenheiten zu glauben. „Dieses ist es, — schrieb der Pater Tranquille, — dass wir sagen können, dieses Unternehmen sei Gottes Werk, weil es ein Werk des Königs.“ Die überaus schamlosen Reden und Geberden der Besessenen hatten beim Volke Unwillen erregt; auch davon zu reden wurde durch öffentlichen Anschlag und durch Verkündigung von der Kanzel verboten.

Mittlerweile war Grandier verhört, confrontirt und der Nadelprobe unterworfen worden. Man hatte bei der letzteren da, wo nach der Aussage der Nonnen das Stigma sein sollte, das runde Ende der Sonde angesetzt, an den übrigen Körpertheilen dagegen die Spitze bis auf den [171] Knochen eingebohrt, um ihn zum Schreien zu bringen. Falsche Zeugen waren verhört worden, und selbst der Protokollfälschung hatte man sich nicht geschämt. Grandier's Dokumente aus den früheren Händeln befanden sich in Laubardemont's Verwahrung; sein Bruder, ein Parlamentsadvokat, war durch Verhaftung unschädlich gemacht, der wackere Baillif mit Frau und Kind selbst der Zauberei beschuldigt. Was half es, dass jetzt einige der missbrauchten Nonnen ihre Aussagen widerriefen und unter Thränen der Reue betheuerten, dass sie nur Werkzeuge der niederträchtigsten Kabale gewesen? Die Geistlichen versicherten, dass nur der Teufel aus ihnen rede, und zwar diessmal nicht die Wahrheit. Eine zahlreiche Commission trat zusammen, das Endurtheil zu sprechen, dessen Inhalt nicht zweifelhaft sein konnte. In dieser Noth richtete die Bürgerschaft von Loudun eine Bittschrift unmittelbar an den König, stellte ihm die Gefahr vor, die jeder Rechtliche laufe, wenn das Prinzip durchginge, auf die angeblichen Aussagen des Teufels ein peinliches Urtheil zu gründen, und bat um Ueberweisung der Sache an das Parlament von Paris. Hierauf antwortete die Commission, nicht der König, mit Cassirung der Supplik, die einer aufwieglerischen Versammlung „der meisten Einwohner der Stadt, so der sogenannten reformirten Religion zugethan, und anderer Handwerksleute“ ihren Ursprung verdanke, verordnete eine Untersuchung und verbot fernere Schritte der Art bei schwerer Strafe.

Grandier sah sein Ende nahen. Er hatte in dem ganzen Prozesse nichts zu bekennen gehabt, als die Autorschaft hinsichtlich des bei ihm gefundenen Traktats gegen den Cölibat. Sein Benehmen war resignirt, aber die von ihm eingereichte Vertheidigungsschrift strafte in unverhülltem Unwillen die Ungerechtigkeit des gegen ihn gerichteten Verfahrens. Am 18. August 1634 sprach die Commission folgendes Urtheil: „Wir haben kund gethan und thun kund, dass besagter Urbain Grandier gebührender Weise des Lasters der Zauberei und Hexerei und der Besessenheit der Teufel, die durch sein Verursachen einigen [172] Ursulinerinnen aus dieser Stadt Loudun und einigen weltlichen Personen begegnet, nebst andern hieraus hervorgegangenen Uebelthaten und Lastern angeklagt und überführt sei. Zur Abbüssung derselben haben wir diesen Grandier verdammt und verdammen ihn, mit entblösstem Haupte, einen Strick um den Hals und eine brennende Fackel von zwei Pfunden in der Hand, vor der Hauptthüre von St. Peter auf dem Markte und vor der Kirche der heiligen Ursula Busse zu thun und daselbst auf den Knieen Gott, den König und die Gerechtigkeit um Vergebung zu bitten. Und wenn dieses geschehen ist, so soll er auf den Platz des heiligen Kreuzes geführt werden und daselbst an einem Pfahl über einem Scheiterhaufen, welchen man zu diesem Zwecke aufrichten wird, angebunden, auch sein Leib lebendig nebst den Bündnissen und zauberischen Zeichen, die bei den Akten aufgehoben sind, und nebst dem Buche, das er gegen das uneheliche Leben der Geistlichen aufgesetzt hat, verbrannt und seine Asche in die Luft gestreut werden. Wir haben auch kund gethan und thun hiermit kund, dass alle und jede seine Güter dem König sollen heimgefallen und confiszirt sein, jedoch so, dass davon die Summe von hundertundfünfzig Livres vorausgenommen werde, damit man dafür eine kupferne Platte ankaufen möge, in welche der Inhalt gegenwärtigen Urtheils eingegraben und dieselbe alsdann an einem erhabenen Orte in besagter Ursulinerinnenkirche zu immerwährendem Gedächtniss aufgehoben werde. Und bevor man zur Vollstreckung des gegenwärtigen Urtheils schreite, verordnen wir, dass besagter Grandier wegen Nennung seiner Mitschuldigen auf die ordentliche und ausserordentliche Tortur gebracht werde.“

Grandier hörte diese Sentenz mit ruhiger Würde, überstand die Folter mit Ausdauer, obgleich man ihm die Beine zwischen zwei Brettern in qualvollster Weise zusammenkeilte, und erklärte, dass er sich nichts vorzuwerfen habe als einige längst gebüsste Fleischesverirrungen, die besessenen Nonnen aber in seinem Leben nicht gesehen habe. Nach der Folter war Laubardemont über [173] zwei Stunden bei ihm und suchte ihn zur Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Schrift zu überreden. Grandier schlug diess standhaft ab. Wahrscheinlich war es ein solches Bekenntniss, wie dasjenige, welches wir noch von Gaufridy besitzen, und einige Strafmilderung mochte der Preis der Selbsterniedrigung sein. Am Abend desselben Tags wurde das Urtheil vollstreckt, nur dass der Unglückliche wegen Zerschmetterung seiner Beine nicht, wie der Buchstabe wollte, auf den Knieen, sondern auf dem Leibe liegend seine Busse that. Auf dem Scheiterhaufen wollte er zum Volke reden; die Exorzisten aber schütteten ihm eine Fluth von Weihwasser ins Gesicht, und als die Wirkung desselben vorüber war, gaben sie ihm Judasküsse. Grandier nannte sie selbst so. Wiederholt verlangten sie Bekenntnisse, und als diese nicht erfolgten, geriethen sie in so heftigen Zorn, dass sie die vom Propsteirichter zugestandene Erdrosselung vor dem Anzünden des Holzstosses zu vereiteln suchten. Sie knüpften in die Schnur, die dem Scharfrichter übergeben wurde, Knoten, dass sie nicht zulaufen konnte, und der Pater Lactantius übernahm selbst das Amt des Henkerknechts, indem er eiligst den Brand ins Holz warf. Grandier rief: „Deus meus, ad te vigilo, miserere mei, Deus!“ Seine Stimme wurde von den Kapuzinern unterdrückt, die abermals den Inhalt ihrer Weihkessel auf sein Gesicht ausgossen.

Nach dem Tode des Unglücklichen hörten die Exorzismen noch immer nicht auf. Wir gedenken indessen dieselben nicht weiter zu verfolgen. Nur verdient noch bemerkt zu werden, dass einst die Abendmahlshostie in dem Munde einer Besessenen blutig erschien und die Teufel, obgleich mit grossem Widerstreben, für die Transsubstantiation Zeugniss ablegten. Laubardemont nahm den Reformirten einen Kirchhof und ein Schulhaus ab, um beides an die Ursulinerinnen zu schenken, die ausserdem durch die Geschenke der Gläubigen sich eine sorgenfreie Existenz gesichert sahen. Der Pater Lactantius starb in Verzweiflung und Raserei; an seiner Stelle übernahm der Jesuit Surin die Exorzismen. Zahlreiche Schriften [174] erschienen zur Erbauung des Publikums. Der Gedanke, das Zeugniss des Teufels für dogmatische und Inquisitionszwecke zu Ehren zu bringen, rief auch an andern Orten ganz ähnliche Scenen hervor, unter welchen jedoch einige sogleich in der Geburt erstickten. So war man eben im Begriff, die Teufel Beelzebub, Barrabas, Carmin und Gilman aus dem Leibe eines Mädchens in der Wallfahrtskapelle U. l. Frauen zu Roquefort, im Gebiet von Avignon, auszutreiben, als Mazarin, damals päpstlicher Vizelegat, durch einfache Androhung weltlicher Strafen die Teufel und ihre Beschwörer auf einmal zur tiefsten Ruhe brachte. Eine Beschwörung zu Chinon endete mit öffentlichem Skandal, und Richelieu, der schon bald nach Grandier's Tode den Exorzisten das bisher bezogene Salar zurückbehalten hatte, fand es endlich an der Zeit, alle weiteren Wunderthaten der frommen Väter ernstlich zu verbieten.

Im achtzehnten Jahrhundert schrieb La Menardaye zur Vertheidigung der Exorzismen von Loudun und veröffentlichte eine Abschrift derjenigen Urkunde, durch welche sich Grandier dem Teufel verschrieben haben soll[180]. Das Original, sagt er, werde, mit dem Blute des Zauberers unterschrieben, in der Hölle aufbewahrt. Neugierige finden ein Facsimile desselben, so wie des vom Teufel zur Erwiederung ausgestellten Reverses als Beilage im ersten Bande von Collin de Plancy's Dictionnaire infernal. Beide Stücke sollen sich nach der Versicherung des Herausgebers vor der Revolution in den Archiven von Poitiers befunden haben.

In der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts legte der Doctor der Theologie und Pfarrer zu Vibrai, Jean Baptiste Thiers, die Ueberzeugung der gebildeten Stände Frankreichs von dem Hexenwesen in einem vierbändigen Traité des superstitions, qui regardent les sacremens (Paris, 1679) dar, welches Werk 1741 schon die vierte Auflage erlebte. Doch gehört nur der erste Band des Werkes, in welchem der Verfasser alle kirchlichen [175] Verbote der Zauberei zusammenstellt, und die „schwarze Magie“ zwar als nichtige Thorheit aber auch als schwerstes Verbrechen zu erweisen sucht, hierher. Die folgenden Bände enthalten unter dem Titel des „Aberglaubens“ nichts anderes, als eine Zusammenstellung derjenigen auf die sieben Sakramente der katholischen Kirche bezüglichen Lehren, welche von dieser als Irrlehren verworfen sind.

Von Schweden ist es nicht bekannt, dass es vor dem dreissigjährigen Kriege oder während desselben Zauberer verbrannt habe; man weiss sogar, dass Christina und ihre Generale solche Verfolgungen in den deutschen Landen hemmten. Aber jetzt, ganz kurz vor der Krise des Uebels, war es, als hätte das kalte, lutherische Volk dem Aberglauben den zurückbehaltenen Tribut mit einem Male nachzahlen sollen. Der Prozess von Mora und Elfdale im Jahr 1669 ist einer der furchtbarsten, welche die Geschichte kennt[181]. Kinder waren es, die in ihm die Hauptrolle spielten.

Bei mehreren Kindern der Kirchspiele Elfdale und Mora in Dalecarlien zeigten sich auffallende Erscheinungen: sie fielen in Ohnmachten und Krämpfe und erzählten bald im gewöhnlichen Zustande, bald in einer Art von Paroxysmus von einem Orte, den sie Blakulla nannten und wohin sie von den Hexen mitgenommen worden seien, um dem daselbst gefeierten Sabbath beizuwohnen. Hierselbst behaupteten sie zuweilen vom Teufel Schläge erhalten zu haben, und leiteten von denselben ihre Kränklichkeit ab. Ein unmässiges Geschrei erhob sich jetzt in ganz Dalecarlien gegen die Hexen, und vom Hofe ward eine Commission gesendet, um die Sache zu untersuchen. Dieselbe verhaftete alsbald eine Menge von Weibern und verhörte an dreihundert Kinder. Letztere gaben mit mehr oder weniger Uebereinstimmung ein höchst tolles Bild von den Gräueln des Hexensabbaths und sagten den mit ihnen [176] confrontirten Weibern die seltsamsten Dinge ins Gesicht. Sie sagten aus, wenn sie den Teufel anriefen, so erscheine derselbe in der Gestalt des tollen Andreas im grauen Rocke mit roth und blau gewirkten Strümpfen, mit einem rothen Barte und mit einem hohen Hute, der mit Schnüren von mancherlei Farbe verziert sei. Dabei trage er Kniebänder von bedeutender Länge. Er schmiere die Kinder mit einer Salbe ein, setze sie auf eins seiner Thiere, und fahre mit ihnen fluggs gen Blakulla, wo ein Palast stehe, in dessen Hofe die Thiere, von denen sie hingetragen wären, weideten, und in dessen Gemächern die opulentesten Gastmähler und wildesten Ausschweifungen stattfänden. Etliche der Kinder sprachen auch von einem weissen Engel, der ihnen verboten habe das zu thun, wozu der Teufel sie anreize, indem er hinzufüge, dass dieses teuflische Treiben keinen langen Bestand haben werde. Dieser gute Engel stellte sich auch bisweilen an den Eingang des Blakullahauses zwischen die Kinder und die Hexen, die letzteren zurückweisend, damit die Kinder eintreten könnten. — Von den Eltern erfuhr die Commission, dass die Kinder Nachts in den Armen derselben und in den Betten gelegen hätten, wenn sie am Morgen von ihren nächtlichen Fahrten erzählten. — Mittelst der Folter machte sich die Commission den ganzen Sachverhalt klar. Nach ihrem Verdikt wurden vierundachtzig Erwachsene und fünfzehn Kinder verbrannt, sechsunddreissig Kinder wurden während eines Jahres allwöchentlich einmal an den Kirchthüren ausgepeitscht und zwanzig der Kleinsten nur an drei aufeinander folgenden Tagen gezüchtigt und siebenundvierzig andere Personen von der Instanz entbunden.

Das Bekenntniss der Verurtheilten gibt im Ganzen das Gewöhnliche von den Hexentänzen, in einzelnen Zügen nur noch mehr ins Fratzenhafte gezerrt, als anderwärts. Der Teufel erscheint in höchst bunter, bänderreicher Tracht, führt die Hexen durch die Luft nach Blakulla und züchtigt sie, wenn sie nicht wenigstens fünfzehn oder sechszehn Kinder mitbringen. Um den letzteren einen bequemen Sitz zu bereiten, verlängern sie den Rücken ihres Bockes [177] durch eine in dessen Hintertheil gesteckte Stange. Zu Blakulla wird in des Teufels Namen getauft, geschmaust, getanzt und gebuhlt. Der Teufel prügelt oft Hexen und Kinder, zuweilen ist er gnädig, spielt auf der Harfe, lässt sich, wenn er krank ist, von den Hexen schröpfen und ist sogar einmal bei einem solchen Anfalle auf kurze Zeit gestorben. Er hat auch leibliche Söhne und Töchter zu Blakulla verheirathet, die aber statt natürlicher Kinder nur Schlangen, Eidechsen und Kröten erzeugen.

Dieses Alles protokollirten die Commissarien, sprachen das Urtheil und kehrten, von dem Danke der Thalmänner begleitet, nach Hofe zurück. Im Lande betete man sonntäglich in den Kirchen um ferneren Schutz gegen die Macht des Teufels; König Karl XI. aber äusserte später gegen den Herzog von Holstein: „seine Richter und Commissarien hätten auf vorgebrachten eindringlichen Beweis mehrere Männer, Weiber und Kinder zum Feuertode verurtheilt und hinrichten lassen; ob aber die eingestandenen und durch Beweisgründe bestätigten Handlungen wirkliche Thatsachen oder nur die Wirkung zügelloser Einbildungskraft gewesen, sei er bis jetzt nicht im Stande zu entscheiden.“

Da uns ausser den allgemeinen Berichten bei Glanvil, Bekker und Hauber keine Schriften über dieses merkwürdige Ereigniss zugänglich gewesen sind, so müssen wir uns eines bestimmten Urtheils über den eigentlichen Anfang und Verlauf der Sache begeben. Doch scheint Walter Scott's Vermuthung, dass der ganze Blakulla-Lärm von der Verstellung einiger boshaften Buben ausgegangen sei, für die Erklärung des Ganzen nicht weniger unzulänglich, als die andere, nach welcher Alles auf Fieberträumen kranker Kinder und der Leichtgläubigkeit ihrer Eltern beruht haben soll. Dreihundert Kinder, zum Theil von sehr zartem Alter, können die Gleichmässigkeit ihrer detaillirten Bekenntnisse weder aus boshaften Collusionen, noch aus übereinstimmenden Delirien geschöpft und bewahrt haben. Hier bleibt die Suggestion — von wem sie auch gekommen sein mag — die einzig mögliche Vermuthung [178] und klagt die Richter und Commissarien nicht weniger einer sträflichen Verletzung der Rechtsformen, wie einer über alle Massen gewaltigen Geistesfinsterniss an.

Aus dem Munde eines reisenden Schweden, der mit zu Gericht gesessen hatte, berichtet Thomasius, dass die Juristen Anfangs Anstand genommen hatten, auf das Gerede unmündiger Kinder eine Untersuchung zu gründen; die Geistlichen aber bestanden darauf, indem sie behaupteten, dass der heilige Geist, der immer die Ehre Gottes gegen das Reich des Teufels vertheidige, nicht zugeben würde, dass die Knaben lögen; denn es heisse im Psalm: „Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du dir deine Macht zugerichtet, dass du vertilgest den Feind und die Rachgierigen.“ Erst als schon viele Unschuldige verbrannt waren, gelang es einem der weltlichen Assessoren, den Theologen durch eine angestellte Probe den Beweis zu führen, dass der heilige Geist nicht aus den Kindern redete. Er versprach nämlich mit Vorwissen seiner Collegen einem unter den Knaben einen halben Thaler und bestimmte ihn dadurch, seine Denunziation von einer ehrbaren Person alsbald auf eine andere überzutragen[182].

Sollen wir fortfahren in unserer Rundreise? Noch könnte manche seltsame Geschichte erzählt werden. Es liesse sich ausser vielem Andern berichten, wie mit Mazarin's Billigung die Pförtnerin im Kloster zu Louviers exorzisirt und dann als Buhlerin des Teufels eingemauert wurde[183]; wie die Schweizer im Begriffe waren, einen Marionettenmann zum Tode zu führen; wie eine Chambre de la tournelle zu Aix den Naturforscher Jean Pierre d'Orenson zum Galgen verurtheilte, weil er ein [179] Experiment über die Harmonie der Töne an einem Skelet angestellt hatte; oder wie noch 1670 zu Haye du Puis auf Anstehen des General-Prokurators an dem Pfarrer von Coignies die Nadelprobe vorgenommen und das Hexenmal gefunden wurde. Wir könnten dann weiter durchmustern, was sich in Dänemark, Preussen, Polen, Ungarn und Italien, in Spanien und Portugal, ja in Goa und Mexiko begab; aber wir würden nichts Neues sehen und vor Erreichung des Ziels ermüden an dem überall wesentlich gleichen Grundcharakter in Glauben, Verfahren und Strafe, bei unbedeutenden lokalen Modifikationen. Und diese ermüdende Wanderung würde nicht einmal mit dem traurigen Troste enden, dass in jenem Jahrhundert ausser England irgend eine Nation die unserige in der Anzahl der Opfer eingeholt oder überboten hätte.

Wenden wir uns lieber zur Geschichte der allmählichen Abnahme und Heilung der Seuche!


[180]

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Bekämpfung und Vertheidigung des Glaubens an Hexerei und der Hexenverfolgung während des siebenzehnten Jahrhunderts in Deutschland.

a) Die drei Jesuiten Adam Tanner, Paul Leymann und Friedrich Spee.

Welche Wüste, welche Mördergrube war aus Deutschland, war aus dem gesammten christlichen Abendlande geworden! Ueberall, in allen Landen ertönte der Schrei der Verzweiflung in den Folterkammern und aller Orten rauchten die Scheiterhaufen, auf denen ein dämonischer Aberglaube seine Opfer brachte, — Jahr aus Jahr ein! Und immer von Neuem schleppten Gerichte und juristische Fakultäten Opfer herbei, deren Glieder auf der Marterbank mit dem Hexenhammer zerschlagen, deren Leiber zerrissen und in Flammen geworfen wurden! — War denn da Niemand, der die Gräuel des Wahnsinns erkannte und seine Stimme gegen sie zu erheben wagte?

Allerdings gab es Einzelne, die es einsahen, dass ein scheusslicher Molochsdienst in der Hexenverfolgung verübt ward, und die vor demselben warnten; und diese Einzelnen fanden sich — im Jesuitenorden vor! Allein es war ein schreckliches Zeichen der Zeit, dass nachdem zwei Ordensmänner an dem System der Hexenverfolgung zu rütteln gewagt hatten, der Dritte, vor dessen Geistesauge [181] sich die Unvernunft und Unmenschlichkeit derselben am vollständigsten bloslegte, und der es darum nicht lassen konnte, seine Stimme laut und vernehmlich gegen das frevelhafte Martern und Morden zu erheben, die Nothwendigkeit einsah, dieses nur vom dichtesten Versteck aus zu thun, in welchem kein Mensch ihn vermuthen konnte.

Der erste Jesuit, der sich der Unglücklichen annahm, war Adam Tanner (Thanner), der 1572 zu Innsbruck geboren, 1617 in den Jesuitenorden eintrat, vierzehn Jahre lang als Professor der Theologie an der Universität zu Innsbruck fungirte und am 25. Mai 1632 starb[184]. Er hatte sich ein ungewöhnlich reiches theologisches Wissen angeeignet, was ihn aber nicht hinderte, sich auch um Naturwissenschaft und Anderes zu kümmern. Sein Biograph, der Jesuit Fr. X. Kropf, sagt von ihm (Hist. Prov. Soc. Jesu Germ. super, P. 5): „seine liebste Erholung war der Wald und der Gesang der Vögel.“ Sein Hauptwerk war die von ihm 1626 und 1627 zu Ingolstadt auf Kosten des akademischen Senats in vier Foliobänden herausgegebene Schrift „Universa Theologia scholastica, speculativa, practica“, und dieses Werk ist es eben, welches hier in Betracht kommt.

[182]

In der fünften „Disputatio“ des ersten Bandes spricht er nämlich von den Engeln und Dämonen, wobei er allerlei „Dubia“, namentlich auch die Frage erörtert, „was von der Versetzung der Hexen nach ihren Sammelplätzen zu halten sei und ob sie wirklich getragen würden“. Indem er nun dieses für ganz unmöglich erklärt, so äussert er seine Meinung dahin, dass die Angaben der Weiber, welche durch den Teufel zu den Hexensabbathen gebracht sein wollten, in der Regel auf Träumen und Sinnestäuschungen beruhten. Er bemerkt auch, dass die meisten dieser Hexen verheirathet seien. Wie wäre es nun möglich, dass sie so viele Nächte hindurch von ihren Männern entfernt wären, ohne dass diese es merkten? Doch vielleicht glaube man, dass der Teufel an die Stelle der Weiber irgend einen Scheinkörper lege; allein man dürfe nicht annehmen, dass Gott so leicht und so häufig dem Teufel eine solche Täuschung und Berückung unschuldiger Männer gestatte. Viele dieser Weibspersonen, sowohl verheirathete als unverheirathete, seien auch in ihren Wohnungen durch Thüren, Fensterbalken und Riegel so wohl verwahrt, dass sie der Teufel ganz unmöglich entführen könne, ohne Lärm zu machen. Auf die Geständnisse der Hexen sei nichts zu geben; denn deren Aussagen ständen oft miteinander in Widerspruch, und wenn sie behaupteten, dass sie in Gestalt einer Katze, einer Maus oder eines Vogels vom Satan hinweggeführt worden seien, so könne dieses nur als Phantasterei angesehen werden. Die Dämonen besässen auch nicht die Gewalt, aus sich selbst (ohne göttliche Zulassung) und durch angebliche Zauberer Menschen und Thieren zu schaden, ausgenommen den Fall, dass sie giftige Salben oder sonstige Mittel anwendeten, welche den Menschen auf natürliche Weise schädlich wären.

Im dritten Bande seines Werks und zwar in der vierten Disputatio (Quaestio 5) handelt Tanner eingehend von dem Prozesse gegen die crimina excepta, insbesondere gegen das crimen veneficii. Er verlangt, dass in denselben nach Vernunft und Billigkeit vorgegangen werde, wesshalb die [183] Richter vor Allem darauf achten sollen, dass nicht aus einem solchen Prozesse auch für Unschuldige Gefahr erwachse. Denn „wie gross ist die Schmach, wie gross sind die Qualen, denen Unschuldige ausgesetzt sein können, wenn sie Jahre lang in Prozesse wegen angeblicher Hexerei verwickelt sind! Wie gross ist der Schaden, der daraus für viele, manchmal auch vornehme, Familien erwächst!“

Ferner müsse es als Grundsatz gelten, dass die wegen Verdachts der Hexerei Eingezogenen nicht von vornherein als Schuldige angesehen und behandelt werden dürften, wesshalb ihnen die Möglichkeit, sich von dem Verdachte zu reinigen, nothwendig zu geben sei. Die auf der Tortur erpressten Geständnisse seien ohne allen Werth und jeder auf dieselben sich gründende Urtheilsspruch sei nichtig und an sich ungültig.

Hierauf wendet sich Tanner gegen die von vielen „Doctores“ vertretene Ansicht, dass, um zur peinlichen Frage schreiten zu können, die Denunziation Eines oder mehrer Mitschuldigen genüge. Habe man keine sicheren Indizien, so dürfe man auf blosse Denunziation hin, und wenn dieselbe von noch so Vielen ausgehe, Personen, die sich sonst eines guten Rufes erfreuten, weder martern noch verurtheilen. Diese Behauptung widerspreche zwar der Ansicht vieler Rechtsgelehrten und der üblichen Praxis der Gerichte, allein sie beruhe auf der Vernunft. Denn entweder seien die Denunzianten wirklich, wie sie von sich selbst aussagen, Hexen und Zauberer oder sie seien es nicht. Sind sie es nicht, so lügen sie, indem sie dann „Mitschuldige“ nicht haben können; sind sie aber wirklich, wie angenommen wird, Hexen und Zauberer, so sind sie vermöge der Natur dieses Verbrechens solche Personen, von denen man anzunehmen hat, dass sie Allen, zumal unschuldigen Leuten, auf jede Weise, also auch durch eine Verderben bringende falsche Aussage schaden wollen. Wie könnte also ihre Aussage von solchem Gewicht sein, dass sie genüge, um sonst unbescholtene Leute einzukerkern und mit den schrecklichsten Torturen zu peinigen!

Um zu beweisen, wie gefährlich und thöricht es sei, [184] auf derlei Denunziationen hin die peinliche Frage zu verhängen, erzählt Tanner, es sei ihm von zwei sehr angesehenen und gelehrten Männern gesagt worden, dass gewisse Personen, von deren Unschuld sie vollkommen überzeugt gewesen, nur um der ihnen drohenden Tortur zu entgehen, absichtlich allerlei Dinge ausgesagt hätten, weil sie geglaubt, dass sie nach denselben auf der Folter befragt werden würden. Wie leichtfertig bisweilen die Untersuchung geführt werde, beweise der Fall, der sich unlängst in einer Stadt am Rhein zugetragen, dass nämlich, (wie in einem völlig zuverlässigen Bericht an die juristische Fakultät zu Ingolstadt gemeldet werde) dort, als die Geständnisse der wegen Hexerei Verurtheilten öffentlich vorgelesen und unter anderen Verbrechen auch verschiedene Mordthaten und Verzauberungen, die gewissen und mit Namen genannten Personen daselbst zugefügt worden seien, aufgerufen wurden, jene Personen selbst, die gesund und wohlbehalten zugegen waren, die Falschheit der vorgelesenen Geständnisse bezeugt haben.

Weiterhin weist Tanner (im strikten Gegensatz zu Delrio) nach, wie nothwendig es sei, dass die Prozessführung in allen Punkten durch klare Bestimmungen festgestellt und der Willkür der Richter entzogen werde. Auch müsse man den wegen Hexerei Angeklagten, die oft ganz ungebildete, einfältige Personen seien, ordentliche Vertheidiger geben (was freilich Viele nicht zulassen wollten!) und bei der Anwendung der Tortur müsse man das Mass beobachten und Alles vermeiden, wodurch das Schamgefühl verletzt werde.

Den Geistlichen macht es Tanner zur Pflicht, wenn sie sich von der Unschuld Angeklagter überzeugt zu haben glauben, dieses den Richtern mitzutheilen und dieselben zu einer Revision der Akten zu veranlassen. Namentlich aber haben dieselben jedem Verurtheilten einzuschärfen, dass er, wenn er etwa eine unschuldige Person denunzirt hat, sub peccato mortali verpflichtet ist, diese falsche Aussage zu widerrufen.

In den folgenden Abschnitten erörtert Tanner die [185] Fragen, auf welche Weise sich der Christ gegen Zaubereien zu schützen habe, und durch welche Mittel dieselben zu bekämpfen und auszurotten seien. In ersterer Beziehung empfiehlt er den Gebrauch geistlicher Mittel. Dämonen, Zauberer und Hexen, sagt er, können ja nur wenn es „ob bonum finem“, mit göttlicher Zulassung geschehe, nicht aber aus sich selbst heraus leiblichen Schaden bringen. Weil darum die ganze Sache von der göttlichen Vorsehung abhängt, sei das beste Mittel zur Abwehr zauberischer Anläufe fester Glaube an Gott, Gebet, Fleiss in der Heiligung, Gebrauch der Sakramente, werkthätige Liebe. Zur Unterdrückung und Ausrottung der Hexerei könne aber die Strenge des Gerichtsverfahrens gar nichts beitragen. Vielmehr müsse man hierzu nach dem Gesetze der Liebe Christi verfahren. Diejenigen, welche vor ihren Seelsorgern wegen vorgekommener Ausübung der Zauberei ihre Reue erklärten, sollte man darum gar nicht dem weltlichen Richter überantworten. Auch würde es sich in vielen Fällen sehr empfehlen, bei schon Verurtheilten die weltliche Strafe in öffentliche Kirchenbusse zu verwandeln. „Ich zweifle nicht,“ sagt Tanner, „dass durch solche Demüthigung der Teufel weit mehr verwirrt und ohnmächtig gemacht werden wird als durch tausend Todesurtheile.“ Immer wieder kommt Tanner darauf zurück, dass hier nicht mit leiblichen, sondern mit geistigen und geistlichen Waffen zu kämpfen sei; und zu diesen geistigen Waffen rechnet er vor Allem eine gute Erziehung der Jugend und eine sorgfältige Unterweisung derselben in den Wahrheiten des Evangeliums.

Dieses war das ernste und geistesgewaltige Zeugniss, welches der fromme und aufrichtige Jesuit Tanner gegen den Dämon des Hexenglaubens ablegte, von dem die abendländische Christenheit unter der menschenmörderischen Faust der Justiz über ein Jahrhundert lang zerfleischt wurde. Der ehrliche Tanner hat darüber vielfache Verfolgung und grosses Herzeleid ertragen müssen. Zwei Inquisitoren, welche seine Aeusserungen über die Hexenverfolgung gelesen hatten, erklärten laut, sie würden diesen [186] Menschen, sobald sie ihn in ihre Gewalt bekämen, sofort auf die Folter spannen. — Als Tanner gestorben war, gab es wohl Wenige, die seine Auslassungen über die Hexenprozesse nicht für Thorheit hielten.

Unter diesen Wenigen, die anders dachten, war wiederum ein Jesuit, Paul Laymann, der (1575 zu Innsbruck geboren) in München und Dillingen Professor des kanonischen Rechts war und am 13. November 1635 zu Konstanz an der Pest starb[185]. Sein Hauptwerk, welches er hinterlassen hat, ist seine zuerst 1625 in München herausgegebene Theologia moralis. In derselben wirft er (Lib. III. de institia Tract. 6, cap. 5) die Frage auf: ob es besser sei, gegen die Zauberer und Hexen vorsichtig und nur dann einzuschreiten, wenn genügende Indizien vorhanden seien, oder ob es gerathener sei, wegen der Schwere und Schädlichkeit dieses Verbrechens auch in zweifelhaften Fällen den Prozess einzuleiten — und entscheidet sich für die Ansicht, dass man nicht leicht Denunziationen Glauben zu schenken habe, wenn nicht die betreffende Person überhaupt verrufen oder der gegen dieselbe rege gewordene Verdacht durch sichere Indizien begründet worden sei. Allerdings stehe es geschrieben: Maleficos non patieris vivere, aber ebenso fest stehe auch das Gesetz: Ne insontem occidas! Habe man daher bezüglich eines Angeklagten zu befürchten, dass derselbe ein Zauberer sei, und falls er nicht justifizirt werde, Gott und den Menschen Unbilden zufüge, und habe man andererseits zu besorgen, dass ihm als einem vielleicht fälschlich Angeklagten durch das Gefängniss und die Tortur ungerechter Weise an Ehre, Leib und Leben Schaden zugefügt werde, so habe man das kleinere Uebel zu ertragen, damit nicht ein grösseres entstehe, welches durch ein höheres Gesetz verboten sei.

Indessen war die Zeit für die Mahnungen eines Tanner und Laymann taub. Man marterte und mordete ruhig weiter, und es schien in Erfüllung gehen zu sollen, worauf Laymann in seiner Theol. mor. (L. III. Tr. 6, P. 3) hingewiesen [187] hatte: „Es ist jetzt soweit gekommen, dass, wenn solche Prozesse noch länger fortgesetzt werden, ganze Dörfer, Märkte und Städte veröden, und dass Niemand mehr sicher sein wird, auch nicht einmal Geistliche und Priester.“

Da wurde plötzlich eine neue Stimme laut, welche noch vernehmlicher, noch gewaltiger als die bisherigen auf den Wahnsinn der Hexenverfolgung hinwies und vor fernerer Vergiessung des Blutes Unschuldiger warnte.

Wir reden von der Cautio criminalis[186], welche 1631 zu Rinteln erschien. Der Verfasser dieser Schrift war kein anderer, als der Jesuit Friedrich Spee[187], der Sprosse des adeligen (jetzt gräflichen) Geschlechts der Spee von [188] Langenfeld. Im Jahre 1591 zu Kaiserswerth im Kölnischen geboren, war er als neunzehnjähriger Jüngling bei den Jesuiten zu Trier als Novize eingetreten, von wo er in das Ordenshaus zu Köln übersiedelte. Hier 1621 unter die Väter der Gesellschaft aufgenommen, wurde er wegen seiner ungewöhnlichen Gelehrsamkeit mit der Professur der Philosophie und Moral betraut, 1624 aber in das Jesuitenkolleg zu Paderborn versetzt, von wo aus er dem in die Gemeinden und namentlich in den Adel der Diözese Paderborn eingedrungenen Protestantismus entgegenarbeiten sollte. Durch seine Klugheit und sonstige Geschicklichkeit soll es ihm auch gelungen sein, den grössten Theil des paderbörner Adels in die katholische Kirche zurückzuführen. Die grossen Erfolge seiner Missionsarbeit in Paderborn veranlassten es daher, dass ihn der Orden zu gleichem Zwecke 1627 nach Bamberg und Würzburg berief. Hier jedoch, wo eben damals die grausigsten Hexenverfolgungen im Gange waren, sah sich derselbe alsbald in einen ganz anderen Beruf hineingestellt, indem er beauftragt ward, als Beichtvater der zum Tode verurtheilten Hexen zu fungiren. Diese neue Berufsthätigkeit liess Spee tief in den Abgrund hineinsehen, der so viele Tausende verschlang, und bald fiel es ihm wie Schuppen von dem Auge und es trieb ihn zu kühner, männlicher That. Er schrieb seine Cautio criminalis, eine Warnungsschrift, die er jedoch erst, nachdem er aus Franken in das Paderbörner Land zurückgekehrt war, in einer protestantischen Stadt (Rinteln) drucken zu lassen wagte, — und zwar anonym. Alle Welt staunte, als sie das für Jedermann überraschende Buch sah. Schon binnen wenigen Monaten waren (wie der Verleger Gronäus zu Frankfurt a. M. im Vorwort der zweiten Ausgabe bemerkt) alle Exemplare vergriffen. Niemand ahnte, wer der Verfasser sei und sogar noch vierzehn Jahre nach Spee's Tode war selbst dem Uebersetzer des Buches die Herkunft desselben noch unbekannt. Erst durch Leibnitz, welcher Spee als Charakter und Schriftsteller mit Recht sehr hochhielt[188], [189] haben wir erfahren, dass derselbe der Verfasser ist[189]. — „Dieser grosse Mann — sagt er von Spee — verwaltete in Franken das Amt eines Beichtvaters, als im Bambergischen und Würzburgischen viele Personen wegen Zauberei verurtheilt und verbrannt wurden. Johann Philipp von Schönborn, später Bischof von Würzburg und zuletzt Kurfürst von Mainz, lebte damals in Würzburg als junger Kanonikus und hatte mit Spee eine vertraute Freundschaft geschlossen. Als nun einst der junge Mann fragte, warum wohl der ehrwürdige Vater ein graueres Haupt habe, als seinen Jahren gemäss sei, antwortete dieser: das rühre von den Hexen her, die er zum Scheiterhaufen begleitet habe. Hierüber wunderte sich Schönborn, und Spee löste ihm das Räthsel folgendermassen: Er habe durch alle Nachforschungen in seiner Stellung als Beichtvater bei keinem von denjenigen, die er zum Tode bereitet, etwas gefunden, woraus er sich hätte überzeugen können, dass ihnen das Verbrechen der Zauberei mit Recht wäre zur Last gelegt worden. Einfältige Leute hätten sich auf seine beichtväterlichen Fragen, aus Furcht vor wiederholter Tortur, anfänglich allerdings für Hexen ausgegeben, bald aber, als sie sich überzeugten, dass vom Beichtvater nichts zu besorgen sei, hätten sie Zutrauen gefasst und aus ganz anderem Tone gesprochen. Unter Heulen und Schluchzen hätten Alle die Unwissenheit oder Bosheit der Richter und ihr eigenes Elend bejammert und noch in ihren letzten Augenblicken Gott zum Zeugen ihrer Unschuld angerufen. Die häufige Wiederholung solcher Jammerscenen habe einen so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, dass er vor der Zeit grau geworden. Als Schönborn mit Spee immer vertrauter geworden war, gestand ihm dieser, dass er der Verfasser der Cautio criminalis sei. In der Folge wurde Schönborn Bischof und Reichsfürst, und so oft eine Person der Zauberei bezüchtigt [190] wurde, zog er, eingedenk der Worte des ehrwürdigen Mannes, die Sache vor seine eigene Prüfung und fand die von jenem ausgesprochenen Warnungen nur allzu begründet. So hörten in jener Gegend die Menschenbrände auf“[190].

Aus dem Erwähnten ist leicht abzunehmen, was Spee mit seiner Schrift bezweckte. Er hatte in der nächsten Nähe den Hexenprozess in seiner furchtbarsten Uebertreibung kennen gelernt und wollte dem Unwesen entgegentreten. Indessen ist es nicht das Prinzip selbst, was er bekämpft, sondern die Praxis. Er räumt die Existenz der Hexerei und die Nothwendigkeit eines Verfahrens gegen dieselbe ein; aber unter seinen Händen schmilzt der Hexenglaube so sehr zusammen und erhält das Verfahren eine so vollkommene Umgestaltung, dass bei gewissenhafter Durchführung seiner Grundsätze Deutschland schwerlich wieder einen einzigen Hexenbrand gesehen hätte. Seine scharfe Kritik ergiesst sich über den Aberglauben und die Gehässigkeit des Pöbels, die Habsucht, Unwissenheit und geistige Unselbstständigkeit der Richter, den Leichtsinn der Fürsten, die Beschränktheit und den Fanatismus der Geistlichen, die Trüglichkeit der sogenannten Indizien, die Ungewissheit und Fabelhaftigkeit der angeblichen, theils abgefolterten, theils überlieferten Thatsachen, die Grausamkeit der Tortur und überhaupt über die Unregelmässigkeit und Nichtigkeit des ganzen Verfahrens. Die Hervorhebung einzelner Stellen wird auch diesen Schriftsteller und seine Zeit am besten charakterisiren.

Erste Frage. Ob auch in Wahrheit Zauberer, Hexen und Unholden seien?

Ja. Dann ob mir zwar nicht unbewusst, dass etliche, und darunter auch einige katholische Gelehrte, die ich eben nicht nennen mag, dasselbige in Zweifel gezogen; obs auch zwar etliche davor halten oder muthmassen wollen, dass mans in der katholischen Kirchen nicht allzeit [191] geglaubt habe, dass die Hexen und Unholden ihre leiblichen Zusammenkünfte hielten; ob auch wohl endlich ich selbst, als ich mit unterschiedlichen dieses Lasters Schuldthätigen in ihren Gefängnissen viel und oft umgegangen und der Sachen nicht allein fleissig und genau, sondern fast vorwitzig nachgeforschet, mich nicht ein-, sondern etlichemal so betreten gefunden, dass ich fast nicht gewusst, was ich diessfalls glauben sollte. Nichtsdestoweniger nachdem ich meine hierbei sich ereignende zweifelhafte und verwirrte Gedanken kürzlich zusammenfasse und erwäge, so halte ich's gänzlich davor, dass in der Welt wahrhaftig etliche Zauberer und Unholden seien und dass dasselbig von Niemandem ohne Leichtfertigkeit und groben Unverstand geleugnet werden könne. — — Dass aber deren so viel, oder auch, dass die alle mit einander, welche bisher unterm Prätext dieses Lasters in die Luft geflogen, Zauberer oder Hexen seien oder gewesen sein sollen, das glaube ich nicht, und glauben's auch andere gottesfürchtige Leute mit mir nicht. Und wird mich auch Keiner, der nur nicht etwan auf des gemeinen Pöbels Geschrei oder Ansehen der Personen zuplatzen, sondern dem Handel mit Witz und Vernunft nachdenken wird, leichtlich überreden, dass ich dasselbige glauben soll.“ — —

Die andere Frage. Ob's in Deutschland mehr Zauberer, Hexen und Unholden gebe, als anderswo?

Diese Frage trifft eine Sache an, so ich nicht weiss; ich will aber für die Langeweile mit einem Worte dasjenige sagen, was mir vorkommt: Man meinet und hält's einmal davor, dass in Deutschland mehr Zauberer seien, als anderswo. Ursach ist diese: Es rauchet ja in Deutschland fast allenthalben. Wovon und warum? Darum, weil man in Arbeit ist, die Zauberer und Zauberinnen zu verbrennen und auszurotten; ist denn nicht hieraus klärlich abzunehmen, dass diess Unheil in Deutschland weit eingerissen sei? Und zwar diess Rösten, Sengen und Brennen ist eine Zeitlang in unserem lieben Vaterlande so gross gewesen, dass wir die deutsche Ehre bei [192] unsern ausländischen Feinden nicht um ein Geringes verkleinert und unsern Geruch bei Pharaone stinkend gemacht haben.“ (Als Ursachen des Wahnes, dass es so viele Zauberer geben solle, betrachtet Spee: 1) den Aberglauben des Volks, das sich Hagel, Seuchen etc. nicht aus natürlichen Ursachen zu erklären wisse, und 2) Missgunst und Bosheit des Pöbels, welcher Reichthum und Ansehen Anderer gerne aus verbotenen Künsten herleite.)

Aus der achten Frage.

„Weil wir's in der That verspüren, dass, wann man den Hexenprozess einmal angefangen hat, derselbe etliche Jahre währt und die Zahl derer, so gestraft werden sollen, mehr und mehr zunehme, also dass man ganze Dörfer ausbrennet und doch anders nichts ausgerichtet hat, als dass die Protocolla mit deren Namen, so von den Hingerichteten denunziiret und besaget worden, eben so voll seien, als auch vorhin, dermassen, dass es scheinet, wo man also eifrig darin fortfahren wollte, des Brennens kein Ende sein würde, bis das ganze Land verbrennet oder sonsten hingerichtet wäre: und gleichwie noch niemals einiger Fürst oder Herr gefunden ist, der nicht gezwungen worden, dem Hexenprozess ein Ende zu machen, also hat auch noch keiner das Ende desselbigen, und wie er zum Aufhören kommen möchte, gefunden, sondern hat dem Brennen ein Ende machen müssen. Weil nun dies ein schwer und weit aussehendes Werk ist, sollte man dann nicht allermöglichsten Fleiss anwenden, damit ja kein Irrthum dabei einschleichen und nicht die Unschuldigen in diess Unwesen mit eingeflochten werden möchten? Insonderheit, da es die Erfahrung bezeuget, dass, wenn nur eine Einzige in's Spiel geräth, sobalden unzählige Andere mit eingezogen werden.“ — — —

Neunte Frage. §. 6.

„Dahero mir ohnlängst einer (ein Inquirent) sagte: ‚Ich weiss wohl, dass in diesem Wesen auch einige Unschuldige mit unterlaufen; aber desshalben mache ich mir kein Gewissen, sintemal mein Fürst, der doch ein sehr vorsichtiger, gewissenhafter Herr ist, mich treibt, dass ich [193] in diesem Lande fortfahren solle; der wird wohl wissen und sein Gewissen dabei in Acht nehmen, was er befiehlt; mir gebührt, dass ich demselbigen nachkomme.‘ — Ist das nicht (Gott erbarm's!) eine lustige Sache? Fürsten und Herren legen alle Sorge von sich ab und hängen dieselbe auf ihre Amtleute und Räthe und deroselben Conscienz und Gewissen; diese thun dergleichen und werfen's auf ihrer Herren Gewissen! Der Fürst sagt: Unsere Räthe mögen sehen, was sie zu thun haben; die Räthe sagen: Der Fürst möge sehen, dass er's verantworte. Ist das nicht ein schöner Circul? Welcher aber wird vor Gott verantworten müssen? Dann weil es jener sehen soll und dieser soll's sehen, geschieht's, dass es Niemand siehet oder achtet.“

Ein anschauliches Gesammtbild des damaligen Hexenprozesses gibt Spee in der

Einundfünfzigsten Frage: Nun sage mir die Summa und kurzen Inhalt des Prozesses im Zaubereilaster, wie derselbige zu dieser Zeit gemeiniglich geführet wird.

§. 1. Das will ich thun. Du musst aber zum Eingange merken, dass bei uns Teutschen, und insonderheit (dessen man sich billig schämen sollte) bei den Katholischen, der Aberglaube, die Missgunst, Lästern, Afterreden, Schänden, Schmähen und hinterlistiges Ohrenblasen unglaublich tief eingewurzelt sei, welches weder von der Obrigkeit nach Gebühr gestraft, noch von der Kanzel der Nothdurft nach widerlegt und die Leute davor gewarnt und abgemahnet werden; und eben daher entstehet der erste Verdacht der Zauberei, daher kommt's, dass alle Strafen Gottes, so er in seinem heiligen Worte den Ungehorsamen gedrohet, von Zauberern und Hexen geschehen sein sollen, da muss weder Gott oder die Natur etwas mehr gelten, sondern die Hexen müssen alles gethan haben.

§. 2. Dahero erfolgt dann, dass Jedermann mit Unvernunft ruft und schreit: die Obrigkeit soll auf die Zauberer [194] und Hexen inquiriren (nämlich deren sie mit ihren Zungen so viel gemacht haben). Hierauf befiehlt die hohe Obrigkeit ihren Richtern und Räthen, dass sie gegen diese beschreite lasterhafte Personen prozediren sollen. Dieselbigen wissen nun nicht, wo und an wem sie anheben sollen, weil es ihnen an Anzeigungen und Beweisthum ermangelt und ihnen gleichwohl ihr Gewissen sagt, dass man hierinnen nicht unbedachtsam verfahren solle. Inmittelst kommt der zweite und dritte Befehl von der Obrigkeit, dass sie fortfahren sollen, und darf sich Herr Omnes vernehmen lassen, es müsse nicht klar mit den Beamten sein, dass sie nicht wollten, und dessen dürfen auch wohl die Obrigkeiten selbst sich von Andern überreden lassen. Sollte man nun der Obrigkeit hierinnen in etwas widerstreben und nicht stracks zum Werke greifen, das würde vorab bei uns Teutschen sehr übel gedeutet werden, angesehen, dass fast männiglich, auch die Geistlichen, alles vor recht und gut halten, was den Fürsten und der Herrschaft gefället, da sie, die Geistlichen, doch nicht wissen, von was Leuten Fürsten und Herren (ob sie sonst wohl von Natur sehr gut seien) oft angereizt werden. Also gehet dann der Herrschaft Wille vor, und macht man den Anfang des Werkes auf Gerathewohl.

§. 3. Ziehet aber der Magistrat diese Sache als ein schwer und gefährlich Werk weiter in Bedenken, so schickt die Obrigkeit einen Inquisitorem oder Commissarium; ob dann gleich derselbige aus Unverstand oder erhitztem Gemüthe der Sachen etwas zu viel thut, so muss dennoch dasselbige nicht unrecht gethan heissen, sondern dem gibt man den Namen eines gottseligen Eiferers zu der Gerechtigkeit, und derselbe gerechte Eifer wird durch die Hoffnung des guten Genusses oder Salarii so viel mehr entzündet und unterhalten, sonderlich wann der Commissarius bedürftig ist und ihm auf jedes Haupt eine gewisse Summa von Thalern pro salario zugelegt wird und ihm ausserdem noch frei stehet, von den Bauern ein und andere Steuer zu fordern. Trägt sich's dann zu, dass etwa ein besessener oder wahnwitziger Mensch von einer armen [195] Gaja ein verdächtiges Wort geredet, oder das heutige allzu gemeine lügenhaftige Gespräch auf sie fället, so ist der Anfang gemacht und muss dieselbe herhalten.

§. 4. Damit es aber nicht scheine, als ob man auf diess blosse Geschrei und ohne andere Indicia also prozedire, so ist alsbald ein unfehlbar Indicium vorhanden, und das aus diesem Fallstrick: Entweder Gaja hat ein böses, leichtfertiges, oder ein frommes, gottseliges Leben geführt. Ist jenes, so ist's ein grosses Indicium, dann wer böse ist, kann leicht böser und je länger je weiter verführet werden; ist dieses, so ist's kein geringer Indicium, dann sagen sie: so pflegen sich die Hexen zu schmücken und wollen allezeit gerne vor die Frömmsten gehalten sein. Da ist dann der Befehl, dass man mit der Gaja zu Loch solle. Und ist stracks wieder ein neues Indicium, abermals per dilemma: Entweder die Gaja gibt durch die Anlass, Wort oder Werk zu verstehen, dass sie sich fürchte, oder gebärdet und erzeigt sich unerschrocken. Spüret man dann einige Furcht oder Schrecken bei ihr (dann wer wollte sich nicht entsetzen, der da weiss, wie jämmerlich sie dero Orts gemartert werden?), so ist's abermal ein Indicium; dann (sagen sie) das böse Gewissen macht sie bang. Fürchtet sie sich nicht, sondern trauet ihrer Unschuld, so ist's wieder ein Indicium; dann (geben sie vor) das pflegen die Hexen zu thun, dass sie die Unschuldigen sein wollen, und der Teufel macht sie so muthig. Damit es aber an mehreren Indizien nicht mangele, so hat der Inquisitor oder Commissarius seine Jagdhunde zur Hand, oftmals gottlose, leichtfertige, beschreite Leute, die müssen dann auf der armen Gaja ganzes Leben, Handel und Wandel inquiriren, da es dann nicht wohl sein kann, dass man nicht etwas finden sollte, welches argwöhnische Leute nicht auf's Aergste auslegen und auf Zauberei deuten möchten. Sein dann auch vielleicht etliche, so der Gaja vorhin nicht viel Gutes gegönnt haben, die thun sich alsdann herfür, bringen quid pro quo, und ruft Jedermann: die Gaja hat gleichwohl schwere Indicia gegen sich. Darum muss die Gaja auf die Folterbank (wofern sie anders nicht [196] selbigen Tages, da sie gefänglich angenommen, sobald ist gefoltert worden).

§. 5. Denn bei diesen Prozessen wird keinem Menschen ein Advocatus oder auch einige Defension, wie aufrichtig sie auch immer sein möchte, gestattet; dann da rufen sie, diess sei ein crimen exceptum, ein solch Laster, das dem gerichtlichen Prozess nicht unterworfen sei; ja da einer sich darinnen als Advocatus wollte gebrauchen lassen, oder der Herrschaft einreden und erinnern, dass sie vorsichtig verfahren wollte, der ist schon im Verdacht des Lasters und muss ein Patron und Schutzherr der Hexen heissen, also dass Aller Mund verstummen und alle Schreibfedern stumpf sein, dass man weder reden, noch schreiben darf. Insgemein haben gleichwohl die Inquisitores den Brauch, damit ihnen nicht nachgesaget werde, als ob sie der Gaja ihre Defension nicht zugelassen hätten, dass sie dieselbige vorstellen und sie über die Indicia examiniren (soll man's anders examiniren heissen). Ob dann gleich die Gaja die gegen sie vorhandenen Indicia sammt und sonders genugsam ablehnet, so passet man doch darauf nichts, ja man schreibt's auch wohl nicht einst an, sondern die Indicia bleiben nichtsdestoweniger auf ihrem Valor und muss die obstinata Gaja wieder zu Loch und sich besser bedenken; denn weil sie sich wohl verantwortet, so ist's ein neu Indicium; dann, wann diese keine Hexe wäre (sagen sie), so könnte sie so beredt nicht sein.

§. 6. Wann sie sich nun über Nacht also bedacht hat, stellet man sie des folgenden Morgens wieder für, und da sie bei ihrer gestrigen Antwort bleibet, so lieset man ihr das decretum torturae für, nicht anders, als ob sie gestern nichts geantwortet, noch die Indicia im Geringsten widerleget hätte. Ehe sie aber gefoltert wird, führet sie der Henker auf eine Seite und besiehet sie allenthalben an ihrem blossen Leib, ob sie sich etwan durch zaubersche Kunst unempfindlich gemacht hätte. Damit ja nichts verborgen bleibe, schneiden und sengen sie ihr die Haare allenthalben, auch an dem Orte, den man vor züchtigen Ohren nicht nennen darf, ab und begucken Alles [197] auf's Genaueste, haben doch bisher dergleichen noch wenig gefunden. Und zwar, warum sollten sie solches den Weibern nicht thun, da sie doch der geistlichen Priester hierinnen nicht schonen? Und zwar der geistlichen Bischöfe und Prälaten Inquisitores sein in diesem Fall die besten Meister, und achtet man die päpstliche Bullam Coenae, so Päpstl. Heiligkeit gegen die ausgelassen, welche ohne Ihrer Heiligkeit Spezialbefehl gegen die Geistlichen prozediren, vor Blitz ohne Donnerschläge, und damit ja fromme Fürsten und Herren dasselbige nicht erfahren, und also dergleichen Prozess einen Zaum anwerfen, wissen Inquisitores dasselbige fein zu verhehlen.

§. 7. Wann nun die Gaja also gesenget und enthäret ist, so wird sie gefoltert, dass sie die Wahrheit sage, d. i. sich schlecht vor eine Zauber'sche bekennen soll. Sie mag anders sagen, was sie wolle, so ist es nicht wahr und kann nicht wahr sein. Man foltert sie aber erst auf die schlechteste Manier, welches du also verstehen musst, als ob sie gleich zum Schärfsten torquiret wird, so heissts doch die schlechteste Art in Respekt und Erwägung deren, die nachfolgen sollen. Bekennet nun die Gaja auf solche Manier, so geben sie vor, sie habe gutwillig und ohne Folter bekennet. Wie kann denn ein Fürst oder Herre vorüber, dass er diejenige Person nicht vor eine Hexin halten sollte, die so gutwillig und ohne Tortur bekennet hat, dass sie eine sei? Und macht man sich demnach keine ferneren Gedanken oder Beschwernung, sondern man führet sie zum Tode, wie man doch würde gethan haben, wenn sie schon nichts bekennet hätte, sintemal, wenn der Anfang des Folterns gemacht ist, so ist das Spiel gewonnen, sie muss bekennen, sie muss sterben. Sie bekenne nun, oder bekenne nicht, so gilt's gleich. Bekennet sie, so ist die Sache klar, und wird sie getödtet, denn Widerrufen gilt hier nichts; bekennet sie nicht, so torquiret man sie zum zweiten, dritten und vierten Mal, denn bei diesem Prozesse gilt, was nur dem Commissario geliebt, da hat man in diesem excepto crimine nicht zu sehen, wie lang, wie scharf, wie oftmalig die Folter gebraucht [198] werde, hier meinet Niemand, dass man etwas verbrechen könnte, darvon man hiernächst Rechnung geben müsse. Verwendet nun etwa die Gaja in der Folter vor Schmerzen die Augen, oder starrt mit offenen Augen, so sein's neue Indicia: denn verwendet sie dieselbigen, so sprechen sie: Sehet, wie schauet sie sich nach ihrem Buhlen um. Starret sie dann, so hat sie ihn ersehen; wird sie denn härter gefoltert und will doch nicht bekennen, verstellet ihre Gebärden wegen der grossen Marter, oder kommt gar in eine Ohnmacht, so rufen sie: die lachet und schläft auf der Folter, die hat etwas gebraucht, dass sie nicht schwatzen kann, die soll man lebendig verbrennen, wie denn ohnlängsthin Etlichen widerfahren. Und da saget männiglich und auch die Geistlichen und Beichtväter, die habe keine Reue gehabt, habe sich nicht bekehret, noch ihren Buhlen verlassen, sondern demselben Glauben halten wollen. Begibt sich's denn, dass Eine oder die Andere auf der Folter stirbt, so sagt man, der Teufel habe ihr den Hals gebrochen. Derohalben so ist dann Meister Hans Knüpfauf her, schleppt das Aas hinaus und begräbt's unter den Galgen.

§. 8. Kommt aber die Gaja auf der Folter davon und ist etwan der Richter so nachdenklich, dass er sie ohne neue Indicia nicht weiter torquiren, auch nicht unbekennet hinrichten lassen darf, so lässt man sie dennoch nicht los, sondern legt sie in ein härter Gefängniss, da sie denn wohl ein ganz Jahr liegen und gleichsam einbeizen muss, bis sie mürbe werde. Denn hier gilt kein Purgirens durch die ausgestandene Tortur, wie zwar die Rechte wollen, sondern sie muss des Lasters einen Weg, wie den andern schuldig bleiben; denn das wäre den Inquisitoren eine Schande, dass sie eine Person, so sie einmal zur Haft gebracht hätten, loslassen sollten. Welchen sie einmal in's Gefängniss gebracht, der muss schuldig sein, es geschehe mit Recht oder Unrecht. Immittelst schickt man ungestüme Priester zu der Gefangenen, welche ihr oft verdriesslicher sein, als der Henker selbst. Die plagen denn das arme Mensch so lange und viel, bis sie [199] bekennen muss, Gott gebe, sie sei eine Hexe oder nicht, rufen und schreien, dass, wenn sie nicht bekennen werde, so könne sie nicht selig oder der heil. Sakramente theilhaftig werden. Und darum hüten sich die Herren Inquisitores mit allem Fleiss, dass sie keine solchen Priester bei diesen Sachen und Prozess gebrauchen, die etwas sittsam seien, Verstand im Herzen und Zähne im Munde haben, wie ingleichen, damit ja Niemand bei das Gefängniss komme, der denen Gefangenen guten Rath mittheile, oder den Fürsten von dem Handel unterrichte. Denn ihnen ist vor nichts mehr bange, als dass etwan ihre Unschuld auf eine oder andere Weise zu Tage kommen möchte.

§. 9. Mittlerweile also die Gaja im Stankloch sitzet und von denen, die sie trösten sollten, gequälet wird, so haben hurtige und geschwinde Richter schöne Griffe und Fundament, wie sie auf sie neue Indicia zu Wege bringen und womit sie sie dermassen in's Gesicht überweisen (verstehe hinter sich), dass sie auch durch der Juristen-Fakultäten Responsum lebendig verbrennet zu werden schuldig erkennet werden muss. Etliche lassen die Gajam beschwören und bannen und setzen sie demnach in ein ander Gefängniss und lassen sie also noch eins torquiren, ob man auf solch Exorzisiren und Veränderung des Orts den stummen Teufel (wie sie meinen) von ihr bringen möchte. Bekennet sie alsdann noch nicht, so muss sie lebendig verbrennet werden. Nun möchte ich (weiss Gott!) gerne wissen, weil sowohl die, so nicht bekennet, als auch welche bekennet, Hexen sein und sterben müssen, wie doch ein Mensch, er sei so unschuldig, wie er immer wolle, sich allhier retten könne, oder wolle? O du elende Gaja! Worauf hast du doch gehofft? Warum hast du nicht, sobald du das Gefängniss betreten, gesagt, du wärest des Lasters schuldig? O du thörichtes Weib! Warum willst du so oft sterben, da du Anfangs mit einem Tode hättest bezahlen können? Folge meinem Rath und sage stracks zu, du seiest eine Hexe, und stirb; denn vergebens hoffest du, los zu werden, solches lässet der Eifer der Gerechtigkeit bei uns Teutschen nicht zu.

[200]

§ 10. So nun eine aus Unleidsamkeit der Marter fälschlich über sich bekennet, so gehet das Elend erst an, sintemal hier ist insgemein kein Mittel sich loszuwirken, sondern die Gaja muss Andere, ob sie schon von ihnen nichts Böses weiss, anzeigen, und oftmals die, welche ihr von den Inquisitoren oder Schergen in den Mund gegeben werden, oder wovon sie wissen, dass sie vorhin ein böses Geschrei haben, oder vorhin besagt oder im Gefängniss gewesen und dessen wiederum entlassen seien. Werden dann diese auch gefoltert, so müssen sie wieder Andere besagen und die aber Andere, und ist hier also kein Ende oder Aufhören. Und kommt's auf solche Manier so weit, dass die Richter entweder den Prozess fallen lassen und ihre Kunst begeben, oder aber die Ihrigen, ja sich selbst und alle Leute verbrennen müssen. Denn da fehlet's nicht, die falschen Besagungen werden sie endlich alle mit einander treffen, und werden sie auch, wann's nur zum Foltern mit ihnen kommt, alle schuldig machen. Da kommen dann deren viele mit in's Spiel, die Anfangs so hart gerufen und getrieben, dass man brennen und brühen sollte, und haben die guten Herren im Anfang sich nicht besinnen können, dass die Reihe auch an sie kommen würde, und die haben denn ihren gerechten Lohn von Gott, weil sie uns mit ihren giftigen Zungen so viel Zauberer gemacht und so viele unschuldige Menschen dem Feuer hingegeben haben. Doch thun sich nunmehr etliche Verständigere und Gelehrtere hervor, die, gleichsam aus dem tiefen Schlafe erwachend, ihre Augen aufthun, den Sachen besser nachdenken und nicht so unbesonnen ins Tausendste hineintoben.

§. 11. Und obwohl die Richter und Commissarii insgesammt leugnen, dass sie nicht auf die blossen Besagungen gehen, so ist's doch nichts damit, und ist's droben im Traktat erwiesen, dass sie damit nur ihren Fürsten und Herren einen blauen Dunst für die Nase machen; dann die Fama oder das böse Gerüchte, so sie gemeiniglich bei die Besagung ziehen, ist allezeit unkräftig und nichtig, weil dieselbe nimmermehr zu Recht erwiesen wird, und verwundert [201] mich's, dass es noch von keinem Richter in Acht genommen worden, dass dasjenige, was Viele von den zauberischen Zeichen plaudern, gemeiniglich ein Betrug der Henker sei. Unterdessen aber und immittelst, dass die Hexenprozesse noch mit Ernste fortgetrieben und diejenigen, welche gefoltert werden, aus Unleidsamkeit der Pein auf Andere und diese wieder auf Andere bekennen müssen, da kommt's stracks aus, dass diese oder jene besagt seien (denn so heimlich pflegen's die zu halten, die bei der Folter adhibiret und gebrauchet werden) und das nicht ohne ihren Vortheil; denn daraus können sie stracks Indicia ergreifen. Und das abermals durch diese zweifache Fallthür: denn diejenigen, welche es vernehmen, dass sie besagt seien (wie es dann stracks ein offen Gerüchte wird), die nehmen entweder die Flucht zur Hand, oder halten Fuss beim Male und warten des Ihrigen. Fliehen sie, so hat sie ihr böses Gewissen fortgetrieben; bleiben sie aber, so hält sie der Teufel, dass sie nicht können wegkommen. Gehet aber Einer zu den Inquisitoren und fragt, ob's wahr sei, dass er beschwätzt sei, damit er sich bei Zeiten mit seiner rechtmässigen Defension verantworten möge, so ist's abermal ein Indicium; denn er weiss sich nicht sicher und fürchtet sich für seinen eigenen Schatten. Er mache es nun, wie er wolle, so hat er eine Klette davon, und lässt er dieses also stille hingehen, so ist's über ein Jahr ein gemein Geschrei, welches alt und stark genug ist, wann nur etliche Besagungen dazu kommen, dass man ihn desswegen zur Folter erkenne, da doch diess Geschrei erst aus der neulichen Besagung entsprossen ist.

§. 12. Auf eben die Manier geht's denen, welche etwan von einem leichtfertigen Buben oder einer leichtfertigen Pletzen vor einen Zauberer oder Zauber'sche gescholten werden. Dann entweder er vertheidigt sich mit Recht, oder lasst's anstehen. Vertheidigt er sich nicht, so ist er des Lasters schuldig, sonst würde er nicht stille schweigen: vertheidigt er sich mit Recht, so kommt die Sache je länger je mehr und weiter aus, und kitzelt sich hie Einer, dort ein Anderer damit und trägt's also weiter [202] fort, bis es endlich allenthalben auskommen, und das ist denn ein böses Gerüchte, das nimmermehr wieder ausgetilget werden kann. Und was ist denn leichters, als diejenigen, welche hierzwischen torquiret und auf ihre Complices gefragt werden, eben diese anzeigen? Folget demnach schliesslich dieses (welches man billig mit rother Tinte anzeichnen sollte), dass, wenn dieser Prozess bei jetziger Zeit fortgetrieben werden sollte, kein Mensch, was Geschlechts, Vermögens, Stands, Amts und Würden er immer sein möge, von diesem Laster oder Verdacht desselben sicher sein und bleiben würde, wenn er nur so viel Feinds hat, der ihn in der Zauberei bezüchtigen oder ihn davor schelten dürfte. Wannenhero ich, ich wende mich auch, wohin ich immer wolle, einen armseligen Zustand um mich her sehe, wann diesem Wesen nicht in andere Wege sollte vorgebauet werden. Ich hab's droben gesagt und sage es nochmals mit einem Worte, dass dieses Uebel oder Laster der Zauberei mit Feuer nicht, sondern auf eine andere Weise, ohne Blutvergiessen, ganz kräftig ausgetilget werden könne. Aber wer ist's, der solches zu wissen begehret? Ob ich zwar Willens gewesen, ein Mehreres hiervon zu schreiben und die Summa oder Auszug aus dem Grunde auszuführen, so kann ich's vor Herzeleid nicht thun; vielleicht möchten sich Andere finden, welche aus Liebe des Vaterlandes solche Mühe auf sich nehmen. Dieses will ich endlich alle und jede gelehrte, gottesfürchtige, verständige und billigmässige Urtheiler und Richter (denn nach den andern frage ich nicht viel) um des jüngsten Gerichts willen gebeten haben, dass sie dieses, was in diesem Traktat geschrieben ist, mit sonderbarem Fleisse lesen und aber lesen und wohl erwägen wollen. In Wahrheit, alle Obrigkeiten, Fürsten und Herren stehen in grosser Gefahr ihrer Seligkeit, wofern sie nicht sehr fleissige Aufsicht bei diesem Handel anwenden. Sie wollen sich auch nicht verwundern, wenn ich hierinnen bisweilen etwas hitzig gewesen und mich bisweilen der Kühnheit gebraucht, sie zu warnen: denn es gebühret mir nicht, unter derjenigen Zahl gefunden zu werden, welche [203] der Prophet verwirft, dass sie stumme Hunde seien, so nicht bellen können. Sie mögen nun wohl Acht haben auf sich und ihre Heerde, welche Gott der Allmächtige dermaleinst von ihrer Hand wieder fordern wird.“ —

Spee starb zu Trier vier Jahre nach dem Erscheinen seiner merkwürdigen Schrift, im Jahre 1635. Er hatte sich aufgeopfert in der Verpflegung verwundeter Franzosen; eine ansteckende Seuche raffte ihn hin[191].

Ehre dem redlichen Jesuiten! Aber nicht darum auch Ehre seinem Orden. Es finden sich freilich Bewunderer der Loyoliten, welche die Verdienstkrone des Einzelnen der ganzen Gesellschaft auf die Stirne drücken möchten. Jarcke sagt z. B.: „Der Jesuitenorden (denn man kann füglich annehmen, dass die Schriften von Tanner und Spee nicht ohne Veranlassung, oder wenigstens nicht ohne ausdrückliche Genehmigung der Oberen erschienen sind) erklärte sich zuerst gegen das blutige Unwesen und deckte schonungslos die Gebrechen der damaligen Strafjustiz auf“[192]. Aber nichts ist unwahrer. Jarcke's Behauptung zeugt von einer für einen Schriftsteller auf diesem Felde wenig anständigen Unkunde, wenn nicht von etwas Schlimmerem. Gibt es denn für Jarcke keinen Johann Weier, Reginald Scot und Cornelius Loos, die, ohne Jesuiten zu sein, lange vor Spee die Fahne erhoben hatten? Und ist es ihm unbekannt, dass dem Werke des Jesuiten Delrio, dem Orakel der Hexenverfolger, die Approbatio Superiorum deutlich vorgedruckt ist, ausgestellt vom Pater Manareus kraft der [204] vom Ordensgeneral Aquaviva ihm verliehenen Vollmacht? Spee aber, der Delrio's Fabeleien und Kniffe zum grossen Theile bekämpft, liess sein Buch anonym[193] und an einem protestantischen Druckorte erscheinen — er mochte an Loos und Flade denken, und beging auch bei dieser Anonymität immer noch ein Wagestück[194] — und erst Jahre lang nach seinem Tode ist es durch seine vertrautesten Freunde, die keine Jesuiten waren, kund geworden, dass er der Verfasser war. Und was haben die Jesuiten nach Spee gethan, das im Geiste dieses Mannes gewesen wäre? Schwerlich wird man Surin's Exorzismen zu Loudun, Löper's Treiben zu Paderborn, oder gar die Leichenpredigt hierher rechnen mögen, die der Pater Gaar zu Würzburg 1749 der hingerichteten Hexe Maria Renata hielt; und doch konnte solches öffentliche Auftreten nicht ohne Genehmhaltung der Oberen geschehen. Doch genug von Jarcke's unglücklichem Einfalle, die Gesellschaft Jesu unter die Vorkämpfer der Aufklärung zu stellen. Aus Friedrich Spee hat der Mensch gesprochen, nicht der Jesuit.

Dass man, vielleicht um die Priorität für die Protestanten zu retten, die ihnen durch Weier ohnehin bleibt, auch den tübingischen Theologen Theodor Thummius als wackeren Bekämpfer der Hexenprozesse gerühmt hat, ist unrecht. Seine hierher gehörige Schrift[195] bezweckt allerdings zum Theil eine mildere Behandlung der Angeklagten; aber sie ist so voll vom Glauben an die Gewalt des Teufels, räumt den Hexenverfolgern im Wesentlichen so viel ein und verliert sich in so viele scholastische Spitzfindigkeiten, [205] dass sie auch da, wo sie zum Guten redet, ihre Wirksamkeit durch klägliche Befangenheit erstickt. Mit Spee's Sicherheit, Anschaulichkeit und Wärme hält Thummius keine Vergleichung aus[196].

Mit grösserem Rechte ist dagegen den vorgenannten drei Jesuiten gegenüber auf protestantischer Seite ein Prediger hervorzuheben, der zwar nicht unmittelbar gegen die Hexenverfolgung, aber gegen dasjenige Institut aufgetreten ist, mit dem dieselbe stehen und fallen musste, — nämlich gegen die Folter. Es war dieses der Prediger Joh. Grevius aus dem Clevischen Orte Büderich gebürtig, der 1605 Pfarrer zu Arnheim geworden war, aber als Schüler des Conrad Vorstius und Anhänger des Arminius die Dogmatik der Dordrechter Synode nicht anerkennen wollte, wesshalb er seines Amtes entsetzt und des Landes verwiesen wurde. Er begab sich daher nach Emmerich, von wo aus er heimlich die Glaubensgenossen in Kampen zu besuchen und zu erbauen pflegte. Darüber wurde er jedoch ertappt, in Emmerich verhaftet und zuerst nach dem Haag, dann nach Amsterdam geführt, wo er anderthalb Jahre lang in einem entsetzlichen Kerker schmachten musste. Die Fürsprache treuer Freunde bewirkte endlich seine Freilassung. Während seiner Kerkerhaft [206] hatte aber Grevius sich fast ausschliesslich mit dem Gedanken beschäftigt, dass eine der grössten Plagen, unter welchen die Menschheit dermalen zu leiden habe, die Folter sei. Unmittelbar nach seiner Freilassung (1621) arbeitete daher Grevius ein sehr ausführliches Werk aus, worin er nachwies, dass die Folter dem deutschen Rechtsverfahren von Haus aus fremd, dass sie mit dem Naturrecht und mit dem Gesetz der christlichen Liebe durchaus unverträglich, dass sie (wie man namentlich an der englischen Kriminaljustiz sehen könne) völlig unnütz und entbehrlich und dass sie durchaus trügerisch und verderblich sei, indem ermarterten Bekenntnissen kein Werth beigelegt werden könnte und auf Grund solcher Geständnisse gar oft Unschuldige in grässlichster Weise gepeinigt, verurtheilt und hingerichtet würden. Zur Begründung seiner Sätze theilt Grevius eine ganze Anzahl von (theilweise angebliche Hexen betreffenden) Prozessfällen mit. — Im Jahr 1622 erschien die mit grossem Geschick und in gewandter lateinischer Diktion ausgearbeitete Schrift im Druck, und machte natürlich grosses Aufsehen; aber wirklichen Erfolg konnte dieselbe erst nach Ablauf eines Jahrhunderts haben, wo sie aufs Neue publizirt wurde[197].

Das erste Land übrigens, in welchem als Frucht der Bemühungen Spee's die Einstellung der Hexenprozesse erfolgte, war das Kurfürstenthum Mainz unter der Regierung Johann Philipps von Schönborn (1647–1673). Auch im Bisthum Bamberg legte sich seit 1631 die Wuth der Hexenverfolgung.

Die römische Curie liess sich natürlich durch alle diese Vorkommnisse in ihrer Stellung zur Hexenverfolgung [207] anfangs nicht im Entferntesten berücken. Noch unter dem 20. März 1623 verfügte Gregor XV.: Wer einen Pakt mit dem Satan eingegangen habe, aus welchem Impotenz oder Schaden für Thiere oder Feldfrüchte hervorgegangen sei, der solle von der Inquisition lebenslänglich eingekerkert werden. Doch konnte schon in diesem Breve des Papstes ein Einlenken auf andere Bahnen wahrgenommen werden. Noch bemerkenswerther ist aber die neue Instruktion zur Führung der Hexenprozesse, welche die römische Inquisition im Jahr 1657 erliess[198]. In derselben wurde geradezu das Geständniss abgelegt, dass seit langer Zeit nicht ein einziger Prozess von den Inquisitoren in correkter Weise geführt worden sei, dass die Hexenrichter sich durch übermässige Anwendung der Folter und andere Unregelmässigkeiten arg vergangen hätten und dass noch täglich sowohl von den Inquisitoren als von den anderen geistlichen Gerichten die gefährlichsten Irrungen begangen und auf solche Weise gefährliche Todesurtheile gefällt würden. Namentlich wurde vor der Anwendung von Quetschmaschinen in der Tortur gewarnt.

Wenige Jahre vorher waren zu Rom einige Mönche zum Tode geführt worden, weil sie den Papst durch zauberische Wachsbilder zu tödten versucht haben sollten[199]. — Eigentliche Hexenbrände scheinen indessen in Rom nicht vorgekommen zu sein[200].

[208]

b) die Theologen und die Juristen und juristischen Fakultäten im siebenzehnten Jahrhundert.

Dem Vorgange der erwähnten drei Jesuiten wagten oder vermochten im siebenzehnten Jahrhundert nur wenige Theologen zu folgen. Allerdings wirkten die Geistlichen oft im Geiste christlicher Humanität ermässigend auf die Hexenverfolgung ein. Der evangelische Professor der Theologie Meyfart zu Erfurt z. B. warnte in einer Schrift vor dem Missbrauche der Tortur[201], allein der Glaube an die Wirklichkeit und an die Strafbarkeit der Hexerei stand doch im Allgemeinen in dieser Zeit ebenso bei den evangelischen wie bei den katholischen Geistlichen fest. Es war nichts Unerhörtes, wenn ein evangelischer Prediger im Gottesdienst von der Kanzel herab seine Gemeindeglieder vor dem greulichen Verbrechen der Hexerei warnte[202]. Ausserdem suchten einzelne Prediger auch in besonderen mehr oder weniger ausführlichen Schriften über das Wesen der Hexerei, das die Seele aller diesem satanischen Treiben Ergebenen nothwendig der ewigen Verdammniss zuführe, wissenschaftlich aufzuklären und zu belehren. Ein derartiges Elaborat wurde z. B. im Jahr 1627 von dem katholischen Pfarrer Franz Agricola zu Sittart im Fürstenthum Jülich unter dem Titel veröffentlicht: „Gründlicher Bericht, ob Zauberei die ärgste vnd grewlichste Sünd auff Erden sey; zum Andern, ob die Zauberer noch Bussthun vnd selig werden mögen; zum Dritten, ob die hohe Obrigkeit die Zauberer vnd Hexen am Leibe und Leben zu straffen schuldig. Mit Ableinung allerley Einreden“ (Würzburg 1627, S. 277 in 12o.) — Alle drei auf dem Titel angegebenen Fragen werden natürlich auf das Entschiedenste [209] verneint. An die Spitze der ganzen Ausführung wird nämlich der im Hexenhammer entwickelte Begriff der Hexe gestellt.

Derartige Auslassungen und Kundgebungen der Geistlichen waren insofern recht vom Uebel, als sie den Glauben an das Hexenwesen im Volke immer mehr befestigen halfen und dadurch indirekt das Ihrige zur Fortsetzung der Hexenverfolgung beitrugen. Weit schlimmer und verderblicher wirkte jedoch in letzterer Beziehung die Stellung, welche die Juristen und die juristischen Fakultäten zur Hexereifrage einnahmen, indem diese durch ihre Auctorität unmittelbar auf die Hexenverfolgung einwirkten und nicht allein das Erlöschen derselben verhinderten, sondern auch deren Fortführung und Steigerung veranlassten.

Unter den Juristen des siebenzehnten Jahrhunderts gibt es keinen, der bezüglich aller Fragen des Criminalrechts dem Leipziger Professor Benedikt Carpzov (†1666) an Auctorität auch nur annähernd gleichkäme. Die Theologen kennen ihn ebensowohl wie die Juristen. Denn Carpzov war ein frommer Christ im Stil der lutherischen Orthodoxie des siebenzehnten Jahrhunderts. Er ging regelmässig an jedem Sonntag zur Kirche, allmonatlich auch zur Beichte und zum Empfange des Leibes und Blutes Jesu Christi und las daheim die Bibel mit unglaublichem Fleisse, so dass er am Abend seines Lebens von sich rühmen konnte, dass er die heil. Schrift nunmehr dreiundfünfzigmal durchgelesen habe. Auch war er ein sehr ernster, strenger Jurist. Oldenburger rühmt von ihm, dass er zwanzigtausend Todesurtheile unterzeichnet habe. Selbst im höchsten Grade auctoritätsgläubig, ist er mit seiner „Practica nova rerum criminalium Imperialis, Saxonica in tres partes divisa“ (Viteberg. 1635) für die Juristen seiner und der nächstfolgenden Zeit zu einer absoluten Auctorität des Criminalrechts geworden. Diese Anerkennung verdankte er aber nicht etwa seiner geistigen Bedeutung. Vielmehr verdankte er dieselbe lediglich dem Umstande, dass er es verstand, gerade das Starrste im Positiven in [210] wissenschaftlicher Form vorzuführen und selbst längst bestehende Missbräuche durch Berufung auf die Meinung der Rechtslehrer mit dem Scheine des Regelmässigen zu bekleiden. Durch ihn gewannen Bestimmungen, die zunächst nur in der sächsischen Criminalordnung fussen, allgemeinere Verbreitung, und dass namentlich im Punkte der Hexerei das sächsische Recht engherziger, härter und unbarmherziger war, als die Carolina, ist bereits oben erwähnt worden.

Was den Glauben an die Hexengreuel anbelangt, so bekennt sich Carpzov ganz zur striktesten Observanz. Bodin, Remigius, Jakob I. und Delrio sind seine Gewährsleute. Weier wird umständlich bekämpft; kaum dass neben der regelmässigen körperlichen Hexenfahrt ausnahmsweise — vermuthlich um Luther und Melanchthon nicht geradezu des Irrthums zu zeihen — auch eine phantastische zugegeben wird. In den Strafbestimmungen hält Carpzov sich natürlich an das sächsische Recht, dessen strengere Bestimmungen er gern in die Carolina hineininterpretiren möchte[203].

[211]

Auch im Verfahren hat Carpzov nichts Neues aufgestellt; er suchte nur die sächsische Praxis seiner Zeit durch Nachweisung ihrer Gesetzmässigkeit und, wo dieses nicht ging, durch die Auctorität der Rechtslehrer zu schirmen. Hierdurch bewirkte er freilich eine allgemeinere Anerkennung für Manches, was bisher bestritten war, und darin besteht hauptsächlich seine Bedeutung für die Fortbildung des peinlichen Rechts. Bei allen grösseren, die öffentliche Ruhe störenden Verbrechen betrachtete er den inquisitorischen Prozess als den ordentlichen[204] und fasste denselben als ein summarisches Verfahren auf[205]. Durch ihn besonders fixirte sich in der Wissenschaft der bisher schon im geistlichen Gerichtswesen und in der weltlichen Praxis einheimische Grundsatz, dass bei schwerern und verborgenen Verbrechen der Richter nicht verbunden sei, sich an den strengen Gang des ordnungsmässigen Beweisverfahrens zu halten. Seit den päpstlichen Formeln „simpliciter et de plano“ und „absque strepitu et figura judicii“ war die Sache längst dagewesen; ohne sie hätte der Hexenprozess [212] niemals eine so furchtbare Ausbreitung gewinnen können. Kurz vor Carpzov hatte besonders Torreblanca diese Lehre umständlich vorgetragen. Die Behandlung der sogenannten crimina excepta war es gerade, wogegen Spee seinen Hauptangriff gerichtet hatte, und nun bewies Carpzov wieder, wie z. B. in der Zauberei das corpus delicti nur in der Vermuthung vorzuliegen brauche und wie die leichtesten Indizien zur Tortur und endlichen Verurtheilung ausreichen[206]. Carpzov schwamm also ganz mit [213] dem Strome, und darum trug ihn der Strom empor, während der widerstrebende Spee unter den Wellen begraben und vergessen ward.

Für die Masse der Juristen war nun Carpzov das Orakel, von dem man eine absolut sichere und gewisse Wahrheit empfangen hatte, wesshalb ihm alle blindlings folgten. Als Zeugen dieser Thatsache wollen wir aus Norddeutschland nur Einen Rechtslehrer anführen. In Hitzig's Annalen (XXV. S. 309 ff.) wird nämlich ein Auszug aus des Nicolaus v. Beckmann Schrift Idea iuris von 1688 mitgetheilt, worin sich derselbe S. 426 ff. so ausspricht: „dass es Hexen gibt, und man von ihnen viele wunderliche Sachen erfährt, ist aus folgenden Argumentis zu entnehmen: denn 1) ist's wahr, wir verordneten Commissarii haben es in der That befunden, dass der beschuldigten Hexen Herzen so sehr verstockt seien, dass sie keine Thränen vergiessen können, ob sie auch noch so gern wollten. 2) Haben sie insgesammt gar verwirrte und verdächtige Gesichter und stellen sich dabei über die Massen unschuldig und sehr andächtig an. 3) Geben sie sich bei allem halsstarrigen Verneinen doch in gewissen Fällen zum Theil selber schuldig, wenn man sie etwas genauer examinirt, da eine solche selber vor uns dubitative gesagt, es könnte wohl sein, dass sie mit in der teuflischen Gesellschaft gewesen etc., allein sie wüsste es nicht. Wie wir dann auf sothane verdächtige Rede das geweihte Wasser zu trinken gegeben, da hat sie angefangen mit den Händen, Füssen und mit dem ganzen Leibe grausam zu zittern, ist ganz bleich — im Gesicht geworden und hat den Kopf mit beiden Händen gehalten, laut rufend: Ach wie ist mir etc. — Wie nun das heil. Wasser so grosse und wunderbare Kraft und Wirkung wider den Teufel — verrichtet hat, so hat die arme Person hierauf selber in Etwas vor uns bekannt, es wäre ihr [214] schon viel leichter; sie glaube, der Teufel habe ihr das Maul verstopft gehabt u. s. w., hat dennoch wenig oder nichts bekennen wollen, wesshalb wir sie von dem Freimann besichtigen lassen, der dann freilich allsofort das Teufelszeichen in unserer Präsenz auf dem Rücken gefunden, und eine grosse Nadel eines ganzen Fingers lang über die Hälfte bis auf den Knochen in das Teufelszeichen hineingestochen, welches die Inquisita nicht empfunden, ist auch kein Blut daraus gegangen, daher wir billig bewogen worden, diese und andere mehr denunzirte Personen rebus sic stantibus durch den Freimann zur Peinbank zu führen, wo sie dann sämmtlich ihre delicta abominanda circumstantialissime in der Pein bekannt und selbige hernach folgenden Tages confirmirt haben.“ u. s. w. u. s. w.

Nicht lange hernach trat in Oesterreich unter den Juristen ein Gelehrter auf, der Innsbrucker Professor Joh. Christoph Frölich von Frölichsburg, den man fast den österreichischen Carpzov nennen könnte. Im Jahr 1657 zu Innsbruck geboren, war Frölich nach Beendigung seiner Studien Advokat, dann Landrichter zu Rattenberg geworden, worauf er 1695 die Professur der Institutionen, und 1698 die des bürgerlichen und Lehenrechts an der Universität zu Innsbruck übertragen erhielt. Im Jahr 1706 wurde er zum wirklichen Rath bei der oberösterreichischen Regierung und später zum Kanzler ernannt. Er starb im Mai 1729[207]. Frölich galt als einer der gelehrtesten Juristen des Landes und seinen Schriften wurde eine ungewöhnliche Auctorität beigelegt. Unter denselben gehört hierher seine 1696 zu Innsbruck unter dem Titel „Nemesis Romano-Austriaco-Tyrolensis d. i.“ etc. herausgegebene Anweisung zur Führung des Inquisitionsprozesses, welche 1714 in neuer Auflage unter dem Titel erschien: „Joh. Chr. Frölichs de Frölichsburg, der Röm. Kayserl. Majest. Ober-Oesterreichischer Regiments-Rath zu Innsprugg [215] etc. Commentarius in Kayser Carl des Fünfften und des H. Röm. Reichs Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung“ (zwei Bände in 4o.). Im zweiten Theile seines Werks (Buch I., Tit. 3) handelt der Verf. sehr weitläufig „von dem Laster Sortilegii, Magiae oder der Zauberey“. Nach ihm sind Zauberer oder Schwarzkünstler Diejenigen, welche „wissentlich mit dem Teufel ein Pact begehen, den Teufel für ihren Gott halten, dessen Hülfe und Rath ansuchen, und ihn mit unterschiedlichen bekannten und unbekannten Worten, Brummeln, verwunderlichen Zeichen, Kreisen, auch Verfluchung, aus dem Abgrund herauf fordern.“ — „Es gibt allerdings Schriftsteller, welche der Hexen Ausfahrt und Buhlschaft bezweifeln und sich vermessen zu behaupten, es sei dieses Alles nur eine Einbildung unglücklicher Weiber“, welche desshalb nicht zum Scheiterhaufen zu verurtheilen seien. Allein die „Hexenpatrone“ sind „durch andere gelehrte Leute, sowohl Theologos als Juristen fundamentaliter widerlegt“. — Bei einer solchen Auffassung der Hexerei begreift es sich, dass Frölich sich für das strengste Verfahren gegen Hexen und Zauberer ausspricht. Da die Zauberei „eine der erschröcklichsten Missethaten ist und billich unter die delicta excepta gerechnet wird, sonderlich unter diejenigen, so einer sehr schweren Beweisung seynd“, so sind sowohl zur Inquisition als zur Tortur nur „geringere Anzeigungen“ erforderlich. Insbesondere muss schon das „gemeine Geschrei“ zur Einleitung eines Prozesses genügen. Andere Verdachtsgründe, welche zur Einziehung rechtfertigen, sind: wenn eine Person von zauberischen Eltern geboren ist, wenn Jemand andere Leute nicht „redlich“ anschauen kann oder gewisse Zeichen am Körper trägt. Der Untersuchungsrichter muss ausserhalb der Tortur auch durch allerlei Vorspiegelungen (von Begnadigung etc.) die Wahrheit herauszubringen suchen. Bezüglich der über Hexen und Zauberer zu verhängenden Strafen lehrt Frölich Folgendes: 1) Jene, welche einen wirklichen Bund mit dem Teufel aufgerichtet und sich demselben mit Leib und Leben ergeben haben, sind einfach zu verbrennen, auch wenn von ihnen Menschen oder [216] Vieh kein Schaden zugefügt worden ist[208]. 2) Jene, welche ohne eigentliches Bündniss mit dem Satan Menschen oder Vieh durch teuflische Zauberkünste einen Schaden zufügen, sind mit dem Schwerte hinzurichten. Derselben Strafe verfallen die „Segensprecher, Brunnengräber, Schatzgräber, Wahrsager und Teufelsbeschwörer“. Die aber ohne dergleichen Beschwörungen sich unterschiedlicher abergläubischer Possen bedienen, sind nach Beschaffenheit der Sache in anderer Weise zu bestrafen, z. B. mit Gefängniss, Ruthenstreichen, Landesverweisung und „beim einfältigen Bauernvolk mit einer heilsamen Geldbusse, daran sie am längsten denken“. — Es steht in keines Richters Gewalt, einen Zauberer oder eine Hexe, wenn sie überführt sind, von der Strafe des Feuers oder des Schwertes zu befreien, mögen sie auch von Adel oder sonst von Stand und Würden sein. Die Feuerstrafe kann jedoch in die Strafe der Hinrichtung mit dem Schwerte umgewandelt werden, wenn ein Zauberer oder Hexe wahre Reue und Busse beurkundet haben, bevor sie wegen ihrer Uebelthaten zur Verantwortung gezogen wurden. Denn die nach der Einziehung sich zeigende Reue ist ohne Werth und verdient keine Beachtung.

Die Einwendung, dass die tirolische Landesordnung solche harte Strafen gegen Hexen und Zauberer nicht kennt, sucht Frölich durch die kühne Behauptung zu entkräften, dass in der Polizeiordnung Ferdinands II. von 1573 bloss jene Zauberei gemeint sei, die nicht mit einem Teufelsbündniss und Abfall vom christlichen Glauben in Zusammenhang stehe. Liege aber wirklich ein Pakt mit dem Teufel vor, so trete eben dieselbe Strafe ein, welche die Tiroler Landesordnung über die Verleugnung des christlichen Glaubens verhänge, nämlich: der Tod durch Feuer und die Confiskation des dritten Theiles alles Vermögens, welches der Verurtheilte hinterlasse.

So dachten und redeten die Koryphäen der Rechtswissenschaft [217] im siebenzehnten Jahrhundert über die Hexerei und über die Hexenverfolgung, woraus sich leicht entnehmen lässt, dass damals die Jurisprudenz überhaupt von dem Wahn der Hexerei vollständig befangen und geknechtet war. Bewiesen wird dieses einerseits durch die Menge der Gutachten, welche im siebenzehnten Jahrhundert in den Hexenprozesssachen von juristischen Fakultäten abgegeben und andererseits durch die grosse Zahl von Dissertationen, worauf hin von juristischen Fakultäten die juristische Doctor- oder Licentiatenwürde ertheilt wurde.

Aus der grossen Menge der juristischen Gutachten greifen wir zunächst das Responsum heraus, welches die juristische (hessen-darmstädtische) Fakultät zu Marburg in einer Hexenprozesssache unter dem 19. Juli 1631 abgab. Aus den Akten ersah die Fakultät, dass Angeklagter H. Sangen aus Biedenkopf „sowohl in- als ausserhalb des Gerichts ohne einigen Zwang bekannt und gestanden, dass er Gott abgesagt und sich dem Teufel ergeben, sich auch mit demselbigen verbunden und in dessen Namen taufen und einen anderen Namen geben lassen, auch mit dem Teufel zu verschiedenen Malen Sodomiam begangen, dazu die hochwürdigen Sakramente schändlich gemissbraucht, und sonderlich, welches schrecklich zu hören ist, im heil. Abendmahl das gesegnete Brot iterato in des Teufels Namen empfangen, auch mit Füssen getreten, und den gesegneten Wein durch Gebrauch einer süssen, ihm von dem Teufel gegebenen Wurzel per vomitum von sich gegeben und ausgewürgt und also von Gott, den er in vielen Wegen gelästert und geschmähet, allerdings abgefallen“. — Es könnte nun wohl gefragt werden, ob es nicht möglich sei, mit Verschiebung der Strafe die Befreiung des Frevlers aus der Gewalt des Teufels zu versuchen. Allein die Fakultät erklärt, dass sie dazu nicht rathen könne. Denn die tägliche Erfahrung beweise es, „dass der Teufel denen, so er einmal in seine Stricke gebracht, keine Rast noch Ruhe lässt, dass sie auch lieber todt als lebendig sein wollen.“ Daher schliesst die Fakultät ihr Gutachten mit den Worten: „Es will bei diesen Dingen Ernst gebraucht [218] sein, dass Gottes Ehre gerettet und dem Teufel sein Reich zerstört werde“ u. s. w.

Ausserdem theilen wir aus den Akten der juristischen Fakultät bezüglich eines im Jahr 1639 zu Arnum im Fürstenthum Calenberg vorgekommenen Prozesses Folgendes mit[209]: Katharine Holenkamp, verwitwete Lükken, war hier auf die vagsten Aussagen einiger unbeeidigten Zeugen hin verhaftet worden. Der Juristenfakultät zu Helmstedt wurde von den Zeugenaussagen Mittheilung gemacht, und diese erkannte ohne Weiteres auf Tortur, welche am 12. Sept. 1639 vollzogen ward. Höre man nun weiter! „Sobald (heisst es in dem Bericht, welchen der Amtmann an die Juristenfakultät zu Helmstedt einschickte,) der Scharfrichter ein wenig mit den Beinschrauben angegriffen, hat sie zwar anfangs Schmerzen gefühlt, dennoch aber nichts bekennen wollen, bald darauf ein schreckliches und abscheuliches Gesicht gemacht, dem Gehör nach mit dreien verschiedenen Zungen, und sonderlich hoch deutsch, geredet, alsbald eingeschlafen und nachgehends von der Tortur nichts gefühlt, sich auch also dabei bezeigt, dass sie in Sorgen gestanden, das Weib wäre gar todt. Dero Ursachen ich dem Nachrichter befohlen, das Weib gänzlich zu lassen und auf die Erde niederzulegen. Etwa nach Ablauf einer halben Stunde ist sie wiederum erwacht und in die Custodie gebracht worden.“

Auf diesen Bericht rescribirt die Juristenfakultät zu Helmstedt unter dem 10. Oktober 1639 an den Amtmann: „Da Inquisitin sich bei der Tortur ganz wunderlich und übernatürlich betragen, so solle er sie in ein anderes Gefängniss bringen und durch den Scharfrichter fleissig besichtigen lassen, ob etwas Verdächtiges bei ihr zu finden, dadurch sie ihr Bekenntniss hinterhalten könnte. Auch habe er sie zu befragen, woher es komme, dass sie wider alle Vernunft gleichsam mit dreien Zungen geredet, sich [219] so ungeberdig bezeigt und nichts bekennen wollen, ferner auch sie zu richtigem Bekenntniss anzumahnen. Sollte sie aber also noch nicht richtig zugehen und bei ihrem Leugnen verharren, dann diessfalls Beschaffenheit nach die scharfe peinliche Frage auch wohl mit anderen Instrumenten, als wie vorhin gebraucht, ziemlicher Weise zu repetiren sei.“

Nach dieser bestialen Weisung der Helmstedter Juristenfakultät wurde das arme Weib am 26. Novbr. 1639 abermals auf die Folter gespannt. In dem Torturprotokoll heisst es: „Verstriktin ist einen Weg wie den anderen bei ihrem Verleugnen geblieben, und dass sie ein redlich Weib, auch von nichts Anderem zu sagen wisse, als von dem lieben Gott; gestalt sie dann immer den Namen des lieben Gottes im Munde führt, unterdessen aber ihrer vorigen Art nach in der Tortur eingeschlafen (!), ungeachtet der Scharfrichter sie aufgezogen und mit lebendigem Schwefel beworfen und mit Ruthen gehauen, welches aber Verstriktin alles nicht geachtet und sich desswegen nicht einmal bewegt (!), dass auch der Scharfrichter sich darüber verwundert und gesagt: er hätte ein solch Weib noch nie vor sich gehabt. — Etwa über eine halbe Stunde hat der Scharfrichter mit den Beinschrauben abermals hart angegriffen, da dieselbe dann überlaut gerufen, sie wäre eine Zauberin, als aber Verstriktin erlassen und derselben ihre Aussage wieder vorgehalten, hat sie Alles revociret, wäre unschuldig und ein ehrlich Weib.“

Auf diesen Bericht erkannte nun die Juristenfakultät zu Helmstedt unter dem 17. Decbr. 1639: „dass Verstriktin gestalten Sachen nach, da vermuthlich, dass ihr muss vom Teufel sein angethan, dass durch die Pein und Marter zum andern Mal nichts hat können gebracht werden, und man sich ihrethalben weiter nichts zu befahren habe, auch andere Leute dieses Ort nicht ärgern mögen, des Landes zu verweisen. Von Rechts Wegen.“

So war es der krasseste Aberglaube, der die juristischen Fakultäten ihre Erkenntnisse abfassen liess, und mit [220] diesem Aberglauben tritt oft zugleich eine Rohheit der Gesinnung zu Tage, der die Fakultäten zu geradezu rechtswidrigen Urtheilen verleitete. So erkannte z. B. die Juristen-Fakultät zu Rinteln unter dem 20. Juni 1653 in einem Fall, wo nichts als das einfältige Geschwätz eines Kindes, der Tod eines Hundes und die Erblindung zweier Kühe vorlag, und wo die Zeugenaussagen ganz verschieden lauteten, ohne Weiteres auf Anwendung der Tortur[210]! — Innerhalb der juristischen Fakultät zu Helmstedt machte sich (wie Raumer in den Märkischen Forschungen, I. S. 258 richtig sagt,) ein erster „Fortschritt zum Vernünftigern“ bemerklich, als dieselbe 1671 bezüglich einer auf Zauberei angeklagten armen Magd aus einem brandenburgischen Dorfe erkannte, „dass man sie zuvor zur Beredung mit einem Geistlichen verstatten solle. Beharre sie dann noch bei dem Bunde mit dem Teufel, so sei sie am Leben zu strafen.“

Mit diesen Gutachten der juristischen Fakultäten stimmt bezüglich der Auffassung des Hexereiglaubens eine Menge von Promotionsabhandlungen überein, welche von juristischen Fakultäten approbirt wurden. Wir heben unter denselben vier hervor: nämlich 1) die Dissertation des Tübinger Doctors Christoph Dauer De denuntiatione sagarum von 1644; 2) das Examen juridicum judicialis lamiarum confessionis, se ex nefando cum Satana coitu prolem suscepisse humanam, welche Nicolaus Pütter 1698 vor der Juristenfakultät zu Rostock vertheidigte; 3) die Disputatio inauguralis de fallacibus indiciis magiae, quam praeside Domino H. Bodino — die 22. Oct. 1701 — — eruditorum disquisitioni submittit Felix Martinus Braehm; 4) der von einem gewissen Bechmann 1749 in Halle überreichte „Discursus juridicus de crimine maleficii, von der Zauberei“[211].

Die erstgenannte Abhandlung enthält eine ziemlich [221] allgemein gehaltene Besprechung des Hexenprozesses. Das Wesen der Hexerei findet der Verfasser in der abnegatio Dei et religionis, wesshalb sie verfolgt werden muss. Wer überhaupt „mit verdächtigen Dingen, Geberden, Worten und Wesen umgeht“, ist als der Zauberei verdächtig anzusehen. Zu den verdächtigen Dingen gehört aber vor Allem der Umgang mit der Natur und die Kenntniss ihrer Kräfte, welches eine „einem Christenmenschen nicht geziemliche Kenntniss“ ist.

Ueber den Inhalt der zweiten Abhandlung lässt sich nicht gut etwas mittheilen, weil in ihr sich nur die obscönsten Untersuchungen über das Bündniss und den Coitus der Hexen mit dem Satan vorfinden. Gleichwohl ist sie „Deo, patriae et parenti“ dedizirt. Veranlasst war die Schrift übrigens, wie der Verfasser sagt, durch ein vom Spruchkolleg der Rostocker Fakultät im Oktober 1698 gefälltes Urtheil. Eine Weibsperson hatte sich das Geständniss extorquiren lassen, dass sie mit dem Teufel, der in der Gestalt eines feingekleideten Ritters mit Federbusch zu ihr gekommen, Unzucht getrieben habe. Auf dieses Geständniss hatte die Fakultät erkannt, „die Gefangene sei wegen solcher mit dem Teufel gehabten Gemeinschaft mit dem Feuer vom Leben zum Tode zu führen.“

Der Verfasser der dritten Abhandlung, F. M. Brähm, welcher dieselbe am 22. Oktober 1701 unter dem Vorsitz des Professors der Jurisprudenz Heinrich Bodin zu Halle vertheidigte, weist zwar die Unhaltbarkeit der meisten bisher gültig gewesenen Indizien nach, aber sein Bekenntniss lautet wörtlich: „Mit Einem Worte, es gibt wahrhaftig Zauberer und Hexen, welche wissentlich ein Bündniss mit dem Teufel machen und Anderen schaden thun, aber, wie ich dafür halte, nicht in so grosser Menge.“

Die vierte — in der Mitte des 18. Jahrhunderts erschienene — Abhandlung gründet sich ganz und gar auf die Auctorität — Carpzovs.

Unter den wenigen juristischen Fakultäten, deren Intelligenz und Urtheil sich über den Aberglauben der Zeit [222] erhob, ist insbesondere die Strassburger Fakultät zu nennen[212].


[223]

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Allmähliche Abnahme der Prozesse — Balthasar Bekker.

Noch wüthete der Hexenwahn und die Hexenverfolgung unter den Völkern des Abendlandes und raffte jahraus jahrein Tausende von Opfern dahin, als doch schon eine ganze Reihe von Erscheinungen zu Tage trat, welche es erkennen liessen, dass es in der bisherigen Weise mit dem Brennen der Hexen nicht lange mehr fortgehen könne. Einzelne Regenten, vorerst zwar noch selbst im Glauben an Zauberei befangen, aber einsichtsvoll genug, um eine verheerende Praxis zu verabscheuen, weisen dann den fessellosen Gerichtsgang in gesetzliche Schranken, aboliren und begnadigen; ein freies Wort führt an solchen Asylen fortan nicht mehr zum sicheren Tode; die fortschreitende philosophische und naturwissenschaftliche Bildung umkreist jetzt in immer engeren Parallelen die Bollwerke der Finsterniss, sprengt eine unterminirte Schanze nach der andern, bis endlich die mündig gewordene Vernunft mit der blanken Waffe der Wahrheit dem Teufel zu Leibe geht und ihn sammt seinen Werken und Hexenprozessen, nicht ohne das Jammergeschrei und den Widerstand derjenigen, die ohne den Teufel keinen Gott haben, aus seiner letzten Feste jagt.

Wir sahen den bambergischen Prozess an der Verarmung des Landes und an der Erschöpfung der fürstlichen [224] Kasse sterben; dann that Schönborn aus menschlicheren Motiven in Würzburg und Mainz der Hexenverfolgung Einhalt; hierauf nahm sich ein schwedischer Offizier der Verfolgten in Osnabrück an, und seine Königin liess in den neu erworbenen deutschen Landen die Niederschlagung der anhängigen Prozesse ihre erste Regierungshandlung sein, wodurch zum ersten Male ein deutsches Land von der Pest der Hexenverfolgung wieder befreit wurde. Die Königin befahl nämlich durch Reskript vom 16. Februar 1649 von Stockholm aus, „dass alle fernere Inquisition und Prozess in dem Hexenwesen aufzuhören habe, die diessfalls allbereits Captivirten wieder relaxirt und in integrum zu restituiren seien, — weil diese und dergleichen weitaussehende Prozesse allerlei Gefährlichkeiten und schädliche Consequentien mit sich führen und aus denen an anderen Orten fürgelaufenen Exempeln kundbar und am Tage ist, dass man sich in dergleichen Sachen je länger je mehr vertiefet und in einen inextricablen Labyrinth gesetzet“[213]. Freilich finden sich unter Christina's Nachfolgern auch wieder Hinrichtungen im schwedischen Pommern[214]. Aber es war von grosser Bedeutung, dass in Mecklenburg 1683 ein herzogliches Reskript erschien, in welchem es auf das Strengste untersagt ward, „dass hinfüro in den peinlichen Gerichten bei angestelltem scharfem Verhör der wegen Zauberei inhaftirten und der Tortur untergebenen Delinquenten so wenig von den zu der peinlichen Befragung adhibirten Richtern und Beisitzern gefragt werden sollte, ob reus oder rea auf dem Blocksberg gewesen und daselbst gegessen, getrunken, getanzet oder anderes teuflisches Gaukelwerk getrieben und diese oder jene Person mitgesehen und erkannt habe, noch auch, so der Gepeinigte von selbst obiges Alles erzählen und für Wahrheit berichten wollte, desselben Bekenntniss einigen Glauben beilegen, noch zu Protokoll bringen und des [225] Beklagten Namen verzeichnen lassen sollen, zumalen alle dergleichen denuntiationes ex fonte malo herfliessen und also billig zu abominiren und zu keinem Grunde rechtschaffener Beweisung zu legen seien.“

Ziemlich gleichzeitig (am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts) konnte es die Juristenfakultät zu Frankfurt sogar wagen, dem herrschenden Wahne soweit entgegenzutreten, dass sie einem Geistlichen, den eine alte Hexe unter anderem tollen Zeug, das sie erzählte, als Zauberer angab, das Recht zu einer Injurienklage gegen den Richter zusprach, weil er den Namen desselben zu Protokoll genommen hatte[215].

Die durchschnittliche Stellung, welche gegen das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts wenigstens im protestantischen Deutschland die öffentliche Meinung und die Rechtspflege zur Frage der Hexerei und Hexenverfolgung einnahm, wird übrigens von der „Anleitung zu vorsichtiger Anstellung des Inquisitionsprozesses“ repräsentirt, welche der grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (†1688) durch den Professor Joh. Brunnemann zu Frankfurt (lateinisch und deutsch) aufstellen liess. Allerdings wird der überlieferte Hexenglaube und der Gedanke, dass die Zauberei ein Laster sei, gegen welches nothwendig mit der Tortur vorgegangen werden müsse, festgehalten; allein das Prozessverfahren wird im Interesse der Humanität mannigfach geordnet und beschränkt, und zugleich bricht sich die Ueberzeugung Bahn, dass gar Vielerlei, was man den Hexen nachsage, und was diese auf der Folter sogar selbst von sich aussagten, auf Einbildung beruhe.

In §. 15 wird es ausdrücklich als ein eingeschlichener und abzustellender Missbrauch bezeichnet, „dass die Leute so lange torquirt werden, bis sie etwas bekennen, welches absonderlich bei denen, so der Hexerei beschuldigt worden, gebräuchlich ist.“ — Nach der hierauf mitgetheilten „Anweisung“ [226] soll die Peinigung nicht über eine Stunde dauern, wesshalb der Richter eine Sanduhr bei sich haben soll, die er bei dem Beginne der Tortur umzukehren hat. Auch soll die Tortur wenigstens fünf oder sechs Stunden nach dem Essen oder des Morgens ganz frühe, oder „was das Beste ist,“ Nachts vorgenommen werden, damit das Erbrechen während der Peinigung vermieden werde. Insbesondere soll, wenn der Inquisit mit einem schweren Gebrechen behaftet ist, die Tortur nicht an dem Tage, „da eine Mondverwechselung ist,“ angestellt werden, weil dann die Krankheiten heftiger hervorzutreten pflegen. Auch sei es nöthig, dass dem Inquisiten vorher ein Präservativ von einem verständigen Medico eingegeben und dergestalt dieses Uebel nach Möglichkeit zurückgehalten werde. Die Richter sollen die bei der Tortur gebrauchten Instrumente anmerken, damit diejenigen Rechtsgelehrten, an welche hernach die Prozessakten zur gutachtlichen Aeusserung verschickt werden, sicher zu erkennen vermögen, ob die Peinigung rechtmässig vollzogen, oder ob ein „Exzess“ dabei vorgekommen sei. Die Hexen sind allerdings zu fragen, ob sie Menschen oder Vieh Schaden zugefügt haben, aber man soll sie auch fragen, woher sie denn wüssten, dass der vorgekommene Schaden gerade durch sie bewirkt sei. — Wenn Hexen Andere als Mitschuldige angeben, so soll nach Kap. 3, §. 12 nachgeforscht werden, ob die Denunziation auf gutem Grunde beruht, oder ob es nur teuflische Verblendung gewesen, dahin die Beschuldigung einer Zauberin gehöre, so die Anderen auf dem Blocksberg gesehen haben wollte.

In Frankreich schlug Ludwig XIV. nicht ohne den Widerspruch des Parlaments zu Rouen 1672 die Untersuchungen in der Normandie nieder und setzte alle eingezogenen Hexen in Freiheit[216]; und obgleich er selbst wieder in einem späteren Gesetze die Zauberei unter gewissen [227] Voraussetzungen mit der Todesstrafe bedrohte (1682), so zeigt sich doch schon darin eine Veränderung des alten Gesichtspunkts, dass hauptsächlich nur von Betrug und Missbrauch der Sakramente, nicht aber vom Teufelsbunde und vom Sabbath ausdrücklich die Rede ist[217]. Seit 1682 stockten auch in England die gerichtlichen Hinrichtungen[218]; dreissig Jahre früher hatte auch Genf seinen letzten, wiewohl zum Abschiede noch sehr krassen Prozess gesehen[219]. In Holland waren die Gerichte längst verständiger geworden[220]. Hier, wo der gelehrte Arzt und Apotheker Abraham Palingh zu Haarlem (ein Mitglied der Gemeinde der Mennoniten) 1658 mit einer gelehrten historischen Beleuchtung des Hexenwesens hervorgetreten war[221], um die Thorheit und Nichtigkeit desselben zu erweisen, [228] suchte namentlich der Gerichtshof von Flandern durch eine Verordnung vom 31. Juli 1660 den Hexenpozess durch genauere Regelung des Prozessverfahrens einzuschränken, wobei namentlich auch bestimmt ward, dass das Nachsuchen nach dem stigma diabolicum bei angeklagten Frauen fernerhin nicht mehr durch Scharfrichter, sondern von unverdächtigen Aerzten geschehen sollte.

Mittlerweile ging die allgemeine Geistesbildung ihren Weg. In der gesammten Naturwissenschaft war kein Heil gewesen, so lange nicht Experiment und Beobachtung an die Stelle der Auctorität und des Syllogismus getreten war. Jetzt aber setzte sich die Erforschung der Materie in ihr Recht ein, um die Emanzipation des Geistes aus der Gewalt des Dämonismus vorzubereiten. Was Kepler, Galilei, Gassendi, Harvey, Guericke, Huygens u. A. geleistet haben, ist nicht bloss den mathematisch-physikalischen Wissenschaften, es ist auch der Philosophie und Humanität überhaupt dem Kulturleben zu Gute gekommen. Die grossen Geister des Jahrhunderts, Hobbes, Bacon, des Cartes, Spinoza, Leibnitz und Newton, hoben die ganze alte Methode der Wissenschaft aus den Angeln und zündeten ein Licht an, das freilich den blöden Augen gar mancher Zeitgenossen wehe that, aber den dankbaren Nachkommen desto wohlthätiger vorgeleuchtet hat. Vor diesem Lichte ist auch der Aberglauben erblichen. Auf die in jener Zeit begründeten Fortschritte der Naturkunde und Philosophie stützt sich wesentlich die spätere Umgestaltung des Strafrechts. Der empirischen, wie der spekulativen Schule, so verschieden übrigens in Prinzipien, wie in Resultaten, gebührt hier gleiches Lob; beide strebten nach Selbstständigkeit. Sobald einmal der Satz von der Bewegung der Erde und von der Existenz der Antipoden feststand, war ein wichtiges Prinzip durchgefochten. Es musste nun auch ausserhalb der Bibel und der Kirchenväter [229] eine legitime Erkenntnissquelle für die Wahrheit geben. Die Philosophie riss sich los von der Obervormundschaft der Theologie. Vor der Erkenntniss des Naturgesetzes wich das Wunder des Aberglaubens und die Teufelei, vor der eigenen Einsicht die traditionelle Auctorität, vor einer geistigen Auffassung der Buchstabenkram; der starke, eifrige Gott der Juden, der da straft bis ins vierte Glied, machte im Herzen des Theologen demjenigen Platz, der seine Sonne aufgehen lässt über die Guten und die Bösen, und der Jurist bat dem Höchsten die Lästerung ab, die er ihm zugefügt, als er in der Bestrafung eingebildeter Verbrechen sich vermass, zur Rache für die beleidigte göttliche Majestät das Schwert zu ziehen.

Aber wie sich zwischen Tag und Nacht die Dämmerung um so länger legt, je schiefer sich eine Region der Sonne zukehrt, so durchdrang auch das geistige Licht nur langsam und unter steten Kämpfen das mit altgewordenen Verkehrtheiten überschüttete Europa.

Der gelehrte Gabriel Naudé[222], Oberbibliothekar der Mazarinschen Büchersammlung, an deren Begründung er einen hervorragenden Antheil hatte, bestritt zwar nicht in direkter Polemik das System des Zauberglaubens seiner Zeit, aber er half die geschichtliche Grundlage desselben untergraben, indem er auf dem Wege der historischen Kritik diejenigen Männer der Vergangenheit, welche als Hauptzauberer verschrieen waren, gegen diesen Vorwurf in Schutz nahm[223]. Er zeigte, wie dergleichen durch alberne Nachbeterei stehend gewordene Anklagen ursprünglich auf sehr unschuldigen Dingen, oder gar auf beneideten Verdiensten beruhten. Dichter, Politiker, Philosophen, Mathematiker und Naturforscher seien Opfer solcher Nachreden geworden. Seine Apologie verbreitet sich umständlich und mit guten gelegentlichen Bemerkungen über Zoroaster, [230] Orpheus, Pythagoras, Numa Pompilius, Demokritus, Empedokles, Apollonius, Sokrates, Aristoteles, Plotin, Jamblich, Geber, Raymund Lullius, Arnold von Villeneuve, Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, Roger Bacon, Trithemius, Albertus Magnus, Sylvester II., Gregor VII., den König Salomon, Virgil u. A. — Zufrieden mit der Ehrenrettung längst Verstorbener, überlässt Naudé der Einsicht seiner Zeitgenossen die Anwendung der von ihm angebahnten kritischen Methode auf die gegenwärtigen Verhältnisse.

Wenige Jahre vorher hatte der Hexenglaube einen ausserordentlich geschickten Anwalt an einem jungen Geistlichen der anglikanischen Kirche, Joseph Glanvil (1636 †1680) gefunden. — Glanvil[224], ein unabhängiger Denker, entschiedener Gegner des Aristotelismus und gewandter Schriftsteller, wurde seiner Zeit von den Einen als Vertreter kirchlicher Rechtgläubigkeit, von den Anderen als Organ des modernen Skeptizismus angesehen, und ebenso verehrt wie gehasst. In Wahrheit gehörte er zu der kleinen Zahl von Gelehrten des siebenzehnten Jahrhunderts, welche zwar an der überlieferten Dogmatik festhielten, aber es doch einsahen, dass die Zeit der Herrschaft der Auctorität abgelaufen sei, dass der Glaube sich mit der Bildung der Zeit abfinden, auf die Einwendungen der Skeptiker eingehen und sich über seine Wahrheit und Berechtigung wissenschaftlich ausweisen müsse. Um diesem Bedürfnisse der Zeit zu entsprechen und die (von aller Auctorität unabhängigen) wissenschaftlichen Grundlagen des Glaubens nachzuweisen, gab Glanvil 1661 eine Schrift über „die Nichtigkeit des Dogmatisirens“ heraus[225].

Die Veröffentlichung dieses (viel Aufsehen machenden) Buches — welches zur Einführung der induktiven Philosophie in England wesentlich beitrug und eine ganz neue [231] Periode der Theologie zu begründen schien, — hatte zunächst für Glanvil den Erfolg, dass er zum ausserordentlichen Mitglied der Königlichen Societät erwählt wurde, und die Aufmerksamkeit Vieler auf sich zog. Zugleich kam aber Glanvil in eine wissenschaftliche Diskussion, welche ihm die rationelle Begründung des Hexenglaubens als das nächstliegende Interesse der neueren Theologie erscheinen liess. Sein Gedanke war der: „Wer das Dasein von Hexen leugnet, der leugnet auch das Dasein der Geister, und wer dieses thut, der leugnet auch das Dasein Gottes. Da nun die Hexerei diejenige Erscheinungsform der supranaturalen Welt ist, von welcher die Gegenwart, das Leben der christlichen Völker — nach dem Urtheile jedes Unbefangenen — am unmittelbarsten berührt wird, so muss der Glaube an das Supranaturale überhaupt gerade durch rationelle Begründung des Glaubens an die Hexerei neu befestigt werden.“

Glanvil war mit diesen Gedanken beschäftigt, als er mit Bestürzung erfuhr, dass die Staatsregierung einem gewissen Mr. Hunt, der als Friedensrichter in Sommerset mit einem wahrhaft wüthigen Eifer die Aufspürung und Verfolgung der Hexen betrieb, Einhalt gebot. Er schrieb daher eine Abhandlung zur Vertheidigung Hunt's und des Hexenprozesses überhaupt[226]. Dieser folgte bald eine zweite, worin Glanvil eine um jene Zeit vorgefallene Spukgeschichte von einem gespenstischen Trommler zu Tedworth dem Publikum als neuen Beweis für seine dämonologischen Ansichten vorlegte. Er nannte diese Schrift „einen Streich gegen den heutigen Sadducismus[227]. Aber der Sadducismus in England war unbescheiden genug, in seinen Zweifeln zu beharren, und als Mr. Glanvil zu einem zweiten, gewaltigeren Streiche ausholte, erschien [232] sogar eine Druckschrift des Arztes Webster[228], in welcher dieser in dem kecken Tone eines Weier behauptete, Mr. Glanvil habe sich durch einen höchst plumpen Betrug hintergehen lassen, und seine ganze Lehre von der Hexerei sei eine Albernheit. Der Beleidigte wollte Anfangs hierauf nicht antworten; bald jedoch entwarf er, durch seine Freunde bestimmt, den Plan zu einem ausführlicheren Werke. Er sammelte hierzu bei seinem Freunde Hunt und anderwärts die „glaubwürdigsten“ Hexengeschichten, rückte aber so langsam vor, dass er über der Arbeit starb. Seine Freunde stellten die gesammelten Belege mit den früheren Abhandlungen und einigen eigenen Zuthaten zusammen und nannten das Ganze Sadducismus triumphans[229]. Das Buch erschien 1681, ein Jahr nach Glanvil's Tode. Von seinen beiden Haupttheilen soll der erste die Möglichkeit, der zweite die Wirklichkeit der Hexerei aus der Schrift und Geschichte erweisen. Der Sadducismus triumph. war für Alle, welche am Hexenglauben festhalten zu müssen glaubten und doch das Gewicht der gegen denselben laut gewordenen Skepsis zu begreifen vermochten, ein Trost, der sie aus grosser innerer Bedrängniss befreite. Denn derselbe war scheinbar die geistvollste Vertheidigung des Hexenglaubens, die bis dahin erschienen war, wesshalb nicht allein sehr bald neue Ausgaben des Buches nöthig wurden, sondern auch eine ganze Reihe von Schriftstellern, (der Philosoph Henry More, der Dekan von Canterbury, Casaubonus, der berühmte Theolog Cudworth) öffentlich für dasselbe eintraten. — Das Buch Glanvil's wurde auch ins Deutsche übersetzt. Da diese deutsche Uebersetzung gleichzeitig mit des Thomasius berühmten Thesen erschien, so nahmen sie die Gegner des letzteren schon um des Titels willen mit grossem Beifallsgeschrei auf, und es scheint das Buch [233] in Deutschland fast grösseres Aufsehen gemacht zu haben, als in seinem Vaterlande.

Dieses Aufsehen kam indessen bei weitem nicht demjenigen gleich, welches Balthasar Bekker's „Bezauberte Welt“ erregte[230]. Ein gründlicheres Werk ist über diesen Gegenstand nie geschrieben worden. Bekker, reformirter Pastor zu Amsterdam[231], ein Mann von philosophischem Scharfblicke, freiem Geiste und theologischer Gelehrsamkeit, ist der Erste, der die Nichtigkeit des Zauberglaubens in seiner Totalität erkannte und demzufolge nicht mehr den einzelnen Erscheinungen desselben, sondern dem Prinzip selbst den Krieg erklärte. Dieses Prinzip aber liegt in der Dämonologie, insbesondere in der Lehre vom Teufel. Bekker führt uns zum ersten Mal die historische Entwicklung, Verbreitung und Feststellung der dämonologischen Vorstellungen unter den Christen vor Augen und stellt hiermit die heidnischen und jüdischen Meinungen zusammen, welche auf diese Ausbildung eingewirkt haben können. Im zweiten Buche zeigt er zuerst, wie eine gesunde Spekulation von der herrschenden Dämonologie nichts wisse, und betritt dann den exegetischen Weg, um [234] dieselbe auf Grund der biblischen Schriften zu prüfen. Es ergibt sich ihm hierbei, dass viele bisher auf den Teufel gedeutete Stellen sich gar nicht auf denselben beziehen und somit die aus denselben gezogenen Folgerungen für die Dämonologie wegfallen; andere Stellen, die vom Satan und den Dämonen wirklich reden, erhalten theils durch eine allegorische, nicht immer ungezwungene Interpretation, theils durch die Annahme einer weisen Accommodation von Seiten Jesu und der Apostel ihre Aussöhnung mit den philosophischen Begriffen der Zeit. Hiernach kommt Bekker zu dem Ergebnisse, dass die Bibel nur sehr Weniges und Unvollständiges über die Natur und Macht der Dämonen lehre, und dass dieses Wenige die herrschenden Vorstellungen so wenig stütze, dass dieselben mit der Bibellehre sogar in geradem Widerspruche stehen. Der Teufel ist ihm nicht jener im Moralischen, wie im Physischen so mächtige Fürst: der Finsterniss, wie er sich in der fast in Manichäismus ausgearteten Orthodoxie[232] darstellte; er ist vielmehr ein gefallener, zur Strafe in den Abgrund hinabgestossener und dort des Gerichts harrender Geist, ohne Kenntniss des Verborgenen, unfähig einen Leib anzunehmen, sinnlich wahrnehmbar zu erscheinen und auf das Leibliche einzuwirken. Seine untergeordneten Geister sind gleichfalls verdammt und so ohnmächtig, als er selbst. Vielleicht wird Bekker's Grundansicht aus Folgendem klar genug hervortreten:

„Es streitet derhalben,“ sagt er, „gegen alle Vernunft und Verstand, dass der Teufel oder ein böser Geist, wer er auch möchte sein, sich selber oder etwas anders in einem Leibe oder leiblichen Schein zeigen sollte, und es streitet auch wider das Wesen eines Geistes, (wie oben gemeldet worden.) Und so dieses vielleicht zu wenig wäre, so habe man bloss Acht auf diese Ursachen. Kein Geist wirket anders, als mit seinem Willen, und der Wille bloss [235] durch Denken. Wie man es wendet oder kehret, so kann man es anders nicht begreifen; es kommt allemal wieder darauf aus. Nun sagt mir eins, wie euer eigener Geist, d. i. eure Seele, etwa das Geringste an eurem Leibe thut, so es anders als mit Denken ist. Nachdem ihr wollet, so reget sich Hand und Fuss, und wie ihr wollet. Aber thut das einmal an einem andern Leibe, der nicht euer eigen ist, ohne Mittel eures eignen. Machet mit Denken eins einen Leib, oder leibliches Gleichniss, oder Schatten auf der Erden, wo es auch sein mag, oder in der Luft. Wie will denn das der Teufel thun, der keinen eigenen Leib hat? Ein guter Engel ist ganz etwas anders; denn der hat Gottes Gunst und Macht zur Hülfe, ihm einen Leib oder Leibes Gleichniss in dem, was er aus Befehl der höchsten Majestät verrichten muss, zu geben. Aber meinen wir, dass der höchste Richter den verfluchten Feind aus dem Kerker loslassen und noch darüber allenthalben mit allem, was ihn gelüstet, fügen wird, um nach seinem Belieben nichts als Wunder zu thun, mit allemal etwas Neues zu schaffen und den einen oder andern Lumpenhandel ins Werk zu setzen, welches er zur Unehre des Schöpfers und seines liebsten Geschöpfes missbrauchen soll?

„Aber die Schrift, meint man, lehret uns, dass Gespenster seien? So das wahr ist, so wird es in dem Lager der Syrer von Samarien gewesen sein, da es so kräftig spukete, dass sie alle erschraken, in der Nacht wegliefen und liessen alles stehen, da es stund. Aber dieses Gespenst war von dem Teufel nicht, sondern der Herr hatte hören lassen die Syrer ein Geschrei von Rossen, Wagen und grosser Heereskraft. Derhalben hatten sie sich aufgemacht und flohen in der Frühe. II. Kön. VII. 6. 7. Die Apostel, Leute ohne sonderliche Auferziehung aus dem geringsten Volk der Juden, die insonderheit zu der Zeit zum Aberglauben geneigt waren, schienen im Anfang nicht weiser zu sein, als die Uebrigen. Denn als sie Jesum um die vierte Nachtwache auf dem Meere gehen sahen, erschraken sie und sprachen: Es ist ein Gespenst, — und schrieen für Furcht. Matth. XIV. 26. Da er sich seit dem [236] ersten Mal nach seinem Tod unvermuthet ihnen lebendig erzeigte, da erschraken sie und furchten sich, meinten, sie sähen einen Geist. Luc. XXIV. 37. Aber Christus, ohne zu erklären, ob die bösen Geister auch erscheinen (welches in solchem Fall seine Weise nicht war ....), antwortet auf die Sache, dass ein Geist nicht Fleisch und Bein habe, wie sie sähen, dass er habe. Demnach weiss es Schottus besser, dass ein Geist kalt ist anzurühren (I. Buch XX. v. 9.). So hätte Jesus nach dem Sagen des Jesuiten besser geantwortet: Tastet mich an und fühlet mich, dass ich warm bin und darum auch kein Geist.

„Was, will ich denn alle Spukerei leugnen? Beinahe. Von Engeln vermeine ich nicht, wie gesagt ist, ob Jemand sagen möchte, dass dieselbigen noch nun und dann erscheinen. Dass man aber so viel Spuks vom Spuken macht, bin ich wohl geruhig, dass Niemand viel davon halten soll, dem es an dem Einen und Andern nicht mangelt von dem, was ich als Ursache solches Aberglaubens in meiner Untersuchung über die Kometen in dem XXV. und XXIX. Hauptstücke angewiesen habe. — — — — Die Unachtsamkeit bei den Werken der Natur und die Unwissenheit ihrer Kraft und Eigenschaften und das stete Hörensagen machen, dass wir leichtlich auf eine andere Ursache denken, als die Wahrheit lehret; und das Vorurtheil, das man von dem Teufel und den Gespenstern hat, sowohl gelehrt als ungelehrt, bringet den Menschen alsbald zum Gespenst. Die Auferziehung der Kinder stärket diesen Eindruck, dieweil man sie von Jugend auf durch gemachte Gerüchte erschrecket, sie durch eingebildete Furcht zu stillen und ferner mit allen solchen alten Mährlein und altem Weibergeschwätz unterhält. Denn es kann nicht ausbleiben, oder es gehet nach dem alten Sprichwort:

Quo semel est imbuta recens, servabit odorem
Testa diu ....

Daher begegnet ihnen das Geringste nicht, das sich im Anfang von ferne oder im Dunkeln herfürthut, ohne dass man noch kann merken, was es ist, das man nicht achtet [237] ein Gespenst zu sein. Solches war zu sehen an den Aposteln, welche, wie ich glaube, niemals ein Gespenst gesehen, aber viel von Gespenst gehört hatten, als sie Jesum bei der Nacht auf dem Wasser gehen sahen, den sie mannichfaltig und kurz zuvor gesehen hatten und von ihm so manches Wunderwerk; dennoch, ohne eins an ihn zu denken, erschraken sie sehr und sprachen: Es ist ein Gespenst, — sonder Frage, sonder Zweifel, es wär und müsste ein Gespenst sein. Matth. XIV. 26.[233]

„In Ansehung nun, dass in der ganzen Bibel nichts, das im Geringsten nach keinem Königreich gleichet und darauf gedeutet wird, zu finden ist; so wird es ausser Grund insgemein also gesagt, dass der Satan auch ein Reich auf Erden habe, das eben so weit, als Gottes eigen Reich auf Erden sich erstrecket, nicht allein ausser-, sondern auch innerhalb seiner Kirche, welche das Himmelreich, das Reich Gottes und Christi genannt wird. Reich gegen Reich, des Teufels Reich wider Gottes; und ob das noch zu wenig wäre, Reich in dem Reich: Imperium in imperio, — und das von feindlicher Macht. Wie kann Gottes eigen, wie kann Christi Reich bestehen? Ich will beweisen, dass der Teufel kein Reich, das gegen Gott, noch unter Gott angestellet, noch wider das Christenthum, oder davon unterschieden, noch weniger darinnen, weder in dem Meisten, noch in dem Geringsten hat, noch haben kann.[234]

„Man darf sich auch nicht allzu sehr bekümmern, zu wissen, was der Teufel zu thun vermag, wenn uns bedünket, dass etwas über die Natur geschieht; denn so ist es gewiss, dass er es nicht kann thun. Ich sage, dass es, allzumal sinnlos fürgegeben wird, wenn etwas Böses geschieht, das nach unserem Verstande über die Kraft der Natur geht, dass es ein Werk des Teufels sei. Denn welchen das dünket, der muss nothwendig glauben, dass der Teufel etwas thun kann, das natürlicher Weise nicht [238] kann geschehen. Siehet Jemand diese Folge nicht, ich will's ihm alsofort sehen lassen. Alles, was er denken könnte, das da ist, das muss entweder der Schöpfer selbst, oder sein Geschöpfe sein. Was ist der Teufel nun? Ein verdorben Geschöpfe, werdet ihr sagen müssen, diesemnach ein Theil und ein verdorben Theil der erschaffenen Natur. Wie kann nun das, was ein Theil der Natur ist, über die Natur sein? Wer ist über die Natur, denn Gott allein? Derhalben schliesse ich alsofort schnurgerade wider die gemeine Meinung: Sobald als man mir sagt, dass etwas über die Natur geschehen sei, so hat es denn der Teufel nicht gethan; es ist Gottes eigen Werk. Ein Anderer sagt: Es ist doch kein natürlich Werk; derhalben muss es Zauberei sein, — und ein ungewaschener Mund: Da spielet der Teufel mit; — aber ich: So es kein natürlich Werk ist, so ist es gewisslich auch keine Zauberei; denn ist Zauberei, die muss, obschon betrüglich, dennoch ganz und gar natürlich sein, gleichwie ich hoffe, in dem dritten Buch den Leser sehen zu lassen.[235]

„Dieses alles muss von beiden Enden in dem Mittelpunkt zusammenkommen, dass der christliche Glaube mit der gemeinen Meinung, dawider ich hier gestritten habe, nicht bestehen kann. Damit aber will ich dennoch nicht sagen, dass die christliche Lehre bei denen, die in diesem irren, bis auf den heutigen Tag nicht, oder nicht genug befestigt sei. Das Gegentheil fasset den Zweck, dahin ich ziele; denn damit will ich die Wichtigkeit dieser Streitigkeit zu erkennen geben, nämlich dass die festen Gründe des Christenthums und zuvörderst in der protestantischen Kirche unvermerkt durch diese Meinung unterminirt, und, so man sie von dieser Seite angreifet, nicht zu erhalten ist. Also dass wir wohl an der einen Seite bauen, aber dagegen von einer andern unüberwindliche Werke vor dem Feind aufwerfen, aus welchen das ganze Gebäu muss zerstört werden, wo man nicht Vorsehung thut. Ich rede vom Grund meines Herzens: Ein Atheist bedarf keine [239] anderen Waffen, denn diese Meinung, davon ich in diesem Buche rede, um das ganze Christenthum bis auf den Grund niederzureissen, und welches wir ihm selbst in die Hände geben, wenn wir von dem Teufel reden, wie man davon redet. Dass man solches nicht gemerket hat, kommt meines Erachtens daher, dass wir schlechthin die Lehre von dem Gottesdienst mit den Grundreden, womit dieselbige bewiesen wird, annehmen, ohne sie zu untersuchen, wo die Kraft des Beweises liegt“[236].

Im dritten Buche führt Bekker den Satz von der Unkörperlichkeit und Machtlosigkeit des Teufels in seiner Anwendung auf die Zauberei und die Besitzungen weiter aus. Es wird gezeigt, dass die Schrift keinen Bund mit dem Teufel und eine daraus hervorgehende Zauberei kenne, dass vielmehr Vernunft und Christenthum solchen gemeinschädlichen Irrthum verdamme; dass die im mosaischen Gesetze bezeichneten Zauberer nicht übermenschliches Wissen und Vermögen besitzen und nicht als Teufelsverbündete vertilgt werden sollen, sondern als Betrüger, Götzendiener und Verführer des Volkes. „Der Bund der Zauberer und der Zauberinnen mit dem Teufel ist nur ein Gedichte, das in Gottes Wort nicht im Allergeringsten bekannt ist, ja streitig wider Gottes Bund und Wort, allerdings unmöglich, das allerungereimteste Geschwätz, das jemals von den heidnischen Poeten ist erdacht worden, und dennoch von vielen vornehmen Lehrern in der protestantischen Kirche vertheidigt, wo nur nicht auch zum Theil erdacht. Denn ich finde schier keine Papisten, die von dem Teufel und den Zauberern mehr Wunder schreiben, als Danaeus, Zanchius und ihres Gleichen thun. Woraus man sehen mag den kläglichen Zustand der Kirche, in welcher ein so hässliches, ungestaltes Ungeheuer von Meinungen nicht allein gelitten, sondern auch geheget und unterhalten wird“[237].

Die einzelnen Arten des sich hieran knüpfenden Aberglaubens [240] hat Bekker mit einer Schärfe gegeisselt und ihre verderblichen Einwirkungen auf Religion, Moral, Wissenschaft und Rechtspflege so dringend hervorgehoben, dass die Intelligenz wie der Charakter des Mannes in gleich erfreulichem Lichte erscheint. Derselbe Scharfblick bewährt sich auch im vierten Buche, wo Bekker mehrere berühmte Zauber- und Spukgeschichten der nächsten Vergangenheit einer Analyse unterwirft. Wir ziehen noch folgende Worte aus dem Schlusse des Werkes an:

„Es ist demnach wohl zu sehen, dass frei viel Werks zu thun ist, da so viel noch unterm Haufen liegt, die protestantische Christenheit zu reinigen und nach der reinen Satzung des Wortes Gottes und den ersten Gründen der erneuerten Kirchenbekenntniss zu säubern. Ich will die Ursache davon sagen, warum diess billig sollte gethan werden, und welche hierzu am meisten verpflichtet sind und das meiste Vermögen dazu haben. Solches zu thun sollte allein genug sein, dass wir des Teufels Werk, oder vielmehr den Glauben daran, nicht vonnöthen haben; denn wie reimt sich's jetzt, zu glauben, und dennoch so stark zu treiben, dass der Glaube von der Seligkeit keinen Nutz davon zieht, noch die Seligkeit die geringste Rechnung dabei findet? Es wird aber noch stärker binden, wenn wir sehen, dass unser Glaube und Gottseligkeit dabei Beschwerung leiden und denselbigen höchlichst zu kurz geschieht. — Dass wir die Meinung von der Zauberei, und was derselben anklebet, gar wohl entbehren können, erscheint klärlich aus unserer eigenen Erfahrung, weil sie nirgends mehr gefunden wird, als da man sie zu sein glaubt. Glaubt sie denn nicht mehr, so wird sie nicht mehr sein. In dem Papstthum hat man täglich Beschwörungen zu thun, hier nimmermehr. So viel Besessene sind denn allda mehr, als hier. Denn sehet, sie sind selbst nöthig, den Geistlichen Materie zu Miraculn zu geben und zu zeigen, welche Kraft ihr okus bokus auf den Teufel habe; davon rauchet ihr Schornstein. Bei uns erkennt man nicht leichtlich Jemand bezaubert, so da kein Handgucker oder Wahrsager, noch sogenannte Teufelsjäger sein, gleichwie der [241] alte Claes und solch Volk. Alle, die allda kommen, sind bezaubert, — — — kommen aber dieselben zu Doctoren, die wissen von keiner Zauberei. — Also siehet man auch, dass bei uns (in Holland), da bei keinem Richter mehr auf Zauberei Untersuchung gethan wird, auch Niemand leichtlich der Zauberei halber wird beschuldigt. Man sieht hier niemals weder Pferd, noch Kuh, noch Kalb, noch Schaf, in dem Stall, oder auf der Weide, die von einem Wehrwolf todtgebissen sind. So das Gras oder Korn nicht wohl stehet, gibt man niemals den Zauberern dessen Schuld. — — Aber anderswo, da das Hexenbrennen Statt hat, wird kein Unglück sich begeben haben, das man nicht der Zauberei zuschreibet. — Man siehet nun klärlich, dass ganz keine Zauberei sein würde, so man nicht glaubte, dass sie sei. Derhalben ist es keine Atheisterei, dieselbe zu leugnen, weil Gott nicht angehet, dass man von dem Teufel etwas leugnet. So es Atheisten sind, die solche Teufelsdinge leugnen, so sind es die Heiden und nächst ihnen die Papisten am wenigsten; am meisten aber dagegen die zum reinsten reformirt sind und am wenigsten von der Zauberei wissen. So es unsern Glauben und Gottesdienst hindert, wenn man keine Zauberei glaubet, und ist das Glauben der Zauberei Gottesfurcht: warum denn länger hier verzogen? warum kehren wir nicht mit dem Ersten zum Papstthum zurück? Allda spüket es täglich aus der Hölle und dem Fegfeuer, ja selbst erscheinen allda wohl die Seelen aus dem Himmel von Jesu und Maria, von den Aposteln und den Märtyrern. Wenn es hier einmal spüket, so muss es allemal der Teufel thun, wie in dem ersten Buche gezeigt ist, dass in solchen Zeiten und bei solchen Lehrern am meisten von Zauberei, Besessenheit, Erscheinungen und Beschwörungen der Geister die Rede ist, allda sie meist von dem heidnischen Aberglauben Statt und Raum behalten hatte; also siehet man heute, dass, wo am meisten von dem Papstthum übrig ist, da redet man auch am meisten von der Zauberei. — Also kann man denn die Wahrheit des christlichen Glaubens [242] vertheidigen und dennoch so viel weiter von dem Glauben der Zauberei ab sein, so kann man Gott und Christum näher kennen, wenn man weniger von dem Teufel meint zu wissen ausser dem, was uns die Schrift davon lehrt. Das nur zu wissen, ist genug zu wissen, und alles, was darüber ist, ist nur Thorheit. Es sagen fürnehme Gottesgelehrte selber, dass wir den ganzen Teufel sollten entbehren können und nichts desto weniger vollkömmlich zur Seligkeit wohl unterwiesen sein, so die Schrift uns nicht lehrete, dass so ein Teufel mit seinen Engeln sei.“

Die durch Bekker's Werk veranlasste Bewegung war ausserordentlich. In zwei Monaten waren viertausend Exemplare desselben verkauft, und fast in allen Sprachen Europa's erschienen gute und schlechte Uebersetzungen. Aber die Welt theilte sich zwischen Beifall und Hass. Ueber die Entbehrlichkeit des Teufels dachte der grössere Theil der damaligen Theologen anders, als der ehrliche Bekker. Eine Fluth von Streitschriften ward gegen ihn losgelassen; Bayle behauptet, dass man dieselben nicht um hundert Gulden würde anschaffen können. Bald ward ihm Cartesianismus, bald Missverstehung dieser Philosophie, bald Misshandlung der Bibel durch gezwungene allegorische Interpretation, bald gar atheistischer Irrthum vorgeworfen. Bald waren alle Kirchenräthe — den zu Amsterdam voran, Klassenconvente und Synoden Hollands mit Bekker beschäftigt. Fast allgemein war die Bestreitung der hergebrachten Teufelslehre als Leugnung des wahren Glaubens an Gott angesehen, wesshalb ihn die Synode zu Alkmaar im August 1692 seines Amtes entsetzte. An vielen Orten wurde ihm auch die Theilnahme an der Abendmahlsfeier verweigert. Indessen vertrat Bekker seine Ueberzeugung mit männlichem Muth, bis er am 11. Juli 1698 zu Amsterdam starb.

Hundert Jahre später hat es kaum noch einen namhaften protestantischen Theologen gegeben, der in dämonologischen Dingen nicht an Bekker's Resultaten festhielt; Bekker's Bedeutung für den Umschwung der Theologie des achtzehnten Jahrhunderts muss daher dankbar erkannt [243] werden. Zu derjenigen freieren Kritik der biblischen Schriften selbst sich zu erheben, welche das Vorhandensein gewisser, aus den Begriffen der Zeit geschöpfter dämonologischen Vorstellungen in der Bibel anerkennt, ohne daraus eine bindende Norm für den Glauben herzuleiten, — diess war freilich erst einem späteren Zeitalter vorbehalten. Bekker kannte, um seine sich ihm aufdringende philosophische Ueberzeugung mit der Bibel zu versöhnen, keinen andern Weg, als den der üblichen Exegese, und daher kommt es, dass diese nicht überall eine ungezwungene ist.

Auch Peter Bayle muss unter den Bekämpfern des Aberglaubens genannt werden. Schon in seinen Gedanken über die Kometen (1682) hatte er einige hierher gehörige Fragen abgehandelt, und mehrere Kapitel in der Réponse aux questions d'un provincial (1703) sind demselben Gegenstande gewidmet. Der Hexenglaube war damals in Frankreich noch sehr mächtig. Mit gewohnter Klarheit weiss Bayle zu entwickeln, wie z. B. den sogenannten Besessenheiten entweder absichtlicher Betrug, oder Krankheit der Seele zu Grunde liegt, oder wie die Furcht vor dem Nestelknüpfen (nouer l'aiguillette) an dem abergläubischen Menschen wirklich diejenigen Erscheinungen hervorbringen kann, welche man dem Zauber selbst zuschreibt, und wie diese Erscheinung aufhört, sobald der Leidende zu dem Glauben kommt, dass der Zauber gehoben sei.

Um so mehr setzen Bayle's Ansichten über die Strafwürdigkeit der Zauberei in Verwunderung[238]. Ist es schon sonderbar, dass dieser Philosoph den wirklichen Zauberern, wenn er gleich von deren Existenz nur hypothetisch redet, die Todesstrafe zuerkennt, so fällt es noch mehr auf, wie er gleiche Strafe begehrt für die eingebildeten Zauberer (sorciers imaginaires), d. h. für diejenigen, welche zwar keinen Vertrag mit dem Teufel wirklich gemacht haben, aber doch diess gethan zu haben, den [244] Sabbath zu besuchen und der Teufelsgesellschaft anzugehören sich einbilden. Bayle will in ihnen den bösen Willen bestraft haben, vertheidigt in dieser Beziehung die Hexenrichter gegen die Vorwürfe von Loos und Bekker und findet sogar von Gaufridy's Verurtheilung ganz in der Ordnung. Er war in einem grossen Irrthum befangen, indem er in den abgefolterten Bekenntnissen der Angeklagten eine subjektive Wahrheit voraussetzte.

Uebrigens unterscheidet Bayle zwischen den beiden Fragen: ob die Zauberer Strafe verdienen? und ob die Obrigkeit dieselben peinlich strafen solle[239]? Letzteres will er, wie schon Mallebranche begehrt hatte, eingeschränkt sehen, damit nicht der Aberglaube und der Reiz, sich in ein imaginäres Hexenverhältniss einzulassen, gesteigert werde. So wenig sich nun auch bei Bayle durch das Ganze ein festes Prinzip hindurchzieht, so ist doch im Einzelnen viel Treffendes gesagt und insbesondere auch mancher Missbrauch im Gerichtsverfahren angemessen gerügt. Was Deutschland anbelangt, so begrüsste Bayle freudig die ersten wirksamen Lichtstrahlen, welche damals von Halle aus sich durchzuarbeiten anfingen, und meinte, dass für dasselbe im Punkte des Hexenglaubens eine Congregation de propaganda incredulitate in hohem Grade vonnöthen sei.


[245]

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Christian Thomasius.

Der letzte entscheidende Schriftenkampf war einem Manne vorbehalten, der mit einem durchdringenden Verstande und einer nicht sowohl in die Tiefe des Geistes, als aufs Praktische gehenden philosophischen Bildung ein für alles Gute offenes Herz und einen unerschütterlichen Muth verband. Christian Thomasius[240], 1655 in Leipzig geboren, ist in mannichfacher Beziehung ein Reformator seiner Zeit geworden; hätte er aber auch nur das eine Verdienst, wesentlich dazu mitgewirkt zu haben, dass, wie Friedrich II. sagte, die Weiber fortan in Sicherheit alt werden und sterben könnten[241], so würde schon darum sein Name unsterblich sein. Freilich stand er hierbei auf den Schultern seiner Vorgänger und wirkte auf einem Boden, der schon für die bessere Saat empfänglich war; aber wie stark der zu bekämpfende Feind noch immer war, erhellt am deutlichsten aus dem eigenen Leben des Mannes. Schon hatte Thomasius die Cartesianische Philosophie studirt, schon eigene philosophische Vorträge gehalten, schon bei verschiedenen Händeln die Partei des Fortschrittes verfochten, [246] und noch immer war er an der Rechtmässigkeit des Hexenprozesses so wenig irre geworden, dass er einst als Referent in der Juristenfakultät auf die Torquirung einer Angeklagten antrug. Es ward ihm die Beschämung, von seinen Collegen, die in diesem konkreten Falle anders dachten, überstimmt zu werden, und diess gab ihm den ersten Anstoss zu tieferer Prüfung des ganzen Gegenstandes und zur offenen Bestreitung desselben, sobald die bessere Ueberzeugung gewonnen war. Hören wir seinen eigenen Bericht über diese Sinnesänderung:

„Dieser gegenwärtige Casus, — schreibt er über den zweiundzwanzigsten seiner juristischen Händel, — wurde auch Anno 1694 in unsere Fakultät geschickt im Monat September, und war ich damals mit der gemeinen Meinung von dem Hexenwesen so eingenommen, dass ich dafür geschworen hätte, die in des Carpzovii Praxi criminali befindlichen Aussagen der armen gemarterten, oder mit der Marter doch bedroheten Hexen bewiesen den mit den armen Leuten pacta machenden und mit den Menschen buhlenden, auch mit den Hexen Elben zeugenden und sie durch die Luft auf den Blockersberg führenden Teufel überflüssig, und könnte kein vernünftiger Mensch an der Wahrheit dieses Vorgebens zweifeln. Warum? Ich hatte es so gehöret und gelesen und der Sache nicht ferner nachgedacht, auch keine grosse Gelegenheit gehabt, der Sache weiter nachzudenken. Dieses waren die ersten Hexenakten, die mir Zeitlebens waren unter die Hände gekommen, und also excerpirte ich dieselben mit desto grösserem Fleiss und Attention.“

Es folgt hierauf ein Aktenauszug aus dem Prozesse einer in der ganz gewöhnlichen, nichtssagenden Weise indizirten Angeklagten aus Cöslin; dann fährt Thomasius fort:

„Nachdem ich den bisher erzählten Extrakt ex actis ad referendum verfertigt, bemühte ich mich zu Ueberlegung und Abfassung meines voti, des Carpzovii criminalia, ingleichen den Malleum maleficarum, Torreblancam, Bodinum, Delrio, und was ich für Autores de magia mehr in meiner wenigen Bibliothek antraf, zu consuliren, und [247] da fiel nun freilich nach dieser Männer ihren Lehren der Ausschlag dahin, dass die Inquisitin, wo nicht mit der Schärfe, doch zum wenigsten mit mässiger Pein wegen der beschuldigten Hexerei anzugreifen wäre. Und dachte ich dannenhero mit diesem meinem voto in der Fakultät Ehre einzulegen. Aber meine Herren Collegen waren ganz anderer Meinung, und musste ich dannenhero das Conclusum Facultatis auf folgende Art entwerfen:

„Dass wider Barbaren Labarentzin in Ermangelung anderer Indizien ferner nichts vorzunehmen, sondern sie ist nunmehro nach geleisteten Urpheden der gefänglichen Haft zu erlassen, jedoch seynd diese Acta wohl zu verwahren, und ist auf ihr Leben und Wandel fleissig Acht zu geben. Sie ist auch die auf diesen Prozess ergangenen Unkosten nach vorhergegangener Liquidation und richterlicher Ermässigung zu erstatten schuldig. V. R. W.

„Nun verdrosse es mich aber nicht wenig, dass bei diesem ersten mir unter die Hände gerathenen Hexenprozess mein votum nicht hatte wollen attendiret werden; aber dieser Verdruss war nicht sowohl gegen den damaligen Herrn Ordinarium und meine übrigen Herren Collegen, als wider mich selbst gerichtet. Denn da ich allbereit in der Ausarbeitung meiner deutschen Logik gelehret hatte, dass ein weiser Mann die beiden Haupt-Praejudicia menschlicher Auctorität und der Uebereilung meiden müsste, verdross es mich auf mich selbst, dass mein votum auf nichts als die Auctorität obiger, und zwar offenbar grösstentheils parteiischer, unvernünftiger Männer und auf deren übereilte und unzulängliche rationes sich gründete, fürnehmlich darauf, dass die justifizirte Hexe es der Inquisitin in die Augen gesagt, dass sie von ihr hexen lernen und umgetauft worden, auch bei ihrer Aussage bis in ihren Tod beständig verharret wäre. Ja, es verdross mich noch mehr auf mich, dass ich, sobald ich die rationes contrarias meiner Herren Collegen nur hörte, alsbald von deren Wichtigkeit convinciret wurde und nichts darauf antworten konnte.“

Versetzen wir uns um sieben Jahre von dieser beschämenden Lektion weiter, so erblicken wir den bekehrten [248] Thomasius in vollem Kampfe mit den Hexenverfolgern. Er hatte mittlerweile Weier, die Cautio criminalis van Dale und Balthasar Bekker kennen gelernt, war darüber erstaunt, dass solche Intelligenzen keinen besseren Erfolg errungen hatten, und gesellte sich ihnen mit raschem Entschlusse als Bundesgenossen zu. Die „kurzen Lehrsätze vom Laster der Zauberei“, durch deren Vertheidigung 1701 Johann Reiche unter Thomasius' Präsidium die juristische Lizentiatenwürde erlangte, sind eigentlich von Thomasius selbst verfasst und in der Folge auch unter dessen eigenem Namen erschienen[242].

Thomasius wählte sich einen anderen Punkt des Angriffs, als seine Vorgänger. Unter diesen hatte Weier die Zauberei zugegeben, aber die Hexerei und das Teufelsbündniss, auf welches sich diese gründen soll, geleugnet; Spee hatte die Möglichkeit der Hexerei eingeräumt, aber durch seine prozessualischen Beschränkungen einen Weg abzumarken gesucht, auf welchem man in den einzelnen Fällen niemals zur Ueberzeugung von der Wirklichkeit derselben käme; Bekker hatte, wo nicht den Teufel selbst, doch dessen Macht und Einfluss auf den Menschen in Frage gestellt. Weier beging den Fehler der Inconsequenz, Spee's Buch litt an Prinziplosigkeit, und Bekker kam mit seinem Prinzip zu frühe, um eine vollständige Wirkung zu machen. Zwar ist es, wie Thomasius bemerkt, vollkommen wahr, dass das Bekker'sche Prinzip bei den Anhängern der damals nicht wenig verbreiteten Corpuscular- und mechanischen Philosophie vernünftiger [249] Weise keinen Anstoss erregen durfte; aber eben so gewiss ist die Thatsache, dass die Orthodoxen den ehrlichen Becker und seine Anhänger, die eigentlich nur Adämonisten waren, zu Atheisten machten und hiermit die Einwirkung seiner Lehre auf die Abstellung des Hexenprozesses wesentlich lähmten.

Thomasius schlug einen Mittelweg ein. Er begriff, dass die Theologen den Teufel nicht fallen lassen würden, ja er selbst glaubte an denselben, schränkte aber die landläufigen Vorstellungen von dessen Wesen und Wirksamkeit ein und wusste die Unhaltbarkeit der gangbaren Hexentheorien vom Standpunkte der historischen Kritik einleuchtend zu machen. „Ich aber, — sagt er, — der ich der uralten Geisterphilosophie (philosophiae spirituali) ergeben bin, glaube nicht allein, sondern verstehe auch einigermassen, dass der Teufel der Herr der Finsterniss und der Fürst der Luft, d. i. ein geistliches (geistiges) oder unsichtbares Wesen sei, welches auf eine geistliche oder unsichtbare Weise vermittelst der Luft oder auch wässeriger und irdener Körperchen in den gottlosen Menschen seine Wirkung hat.“ (§. 7)[243]. „Ich leugne aber hinwiederum, dass Hexen und Zauberer gewisse Verträge mit dem Teufel aufrichten sollten, und bin vielmehr versichert, dass alles, was diessfalls geglaubet wird, nichts anders als eine Fabel sei, so aus dem Juden-, Heiden- und Papstthum zusammengelesen, durch höchst unbillige Hexenprozesse aber, die sogar bei den Protestirenden eine Zeithero gebräuchlich gewesen, bestätigt worden.“ Hierauf werden die von Juristen und Theologen für die Existenz der Zauberei vorgebrachten Gründe durchgemustert und ins Absurde geführt. Für jene muss Carpzov, für diese Spizelius herhalten. Es wird nachgewiesen, wie die Bibel und das römische Recht zwar Wahrsager, Sterndeuter, Giftmischer, Gaukler, Götzendiener u. dergl. kennen und mit Strafen bedrohen, keineswegs aber solche Verbrechen, die unter [250] den Begriff der auf dem Teufelspaktum beruhenden Zauberei oder Hexerei fallen. Die jüdisch-römischen Strafbestimmungen habe man später auf die Hexerei angewendet, ohne für die Wirklichkeit der letzteren und ihre Congruenz mit den dort bedroheten Vergehen irgend einen haltbaren Grund beizubringen. Merkwürdig ist die Schärfe, womit der blinde Auctoritätsglaube der Juristen gerügt wird. „Carpzovius hätte sich schämen sollen, dass er in einer Sache, worauf das Hauptwerk der ganzen Frage beruht, nichts anders vorbringt, als die Zeugnisse der päpstlichen Scribenten (Bodinus, Remigius, Chirlandus u. a.), die ihre Bücher theils mit alten Weiber-und Mönchsfratzen, theils mit melancholischer Leute, theils mit ausgefolterten und ausgemarterten Aussagungen anzufüllen pflegen, dadurch freilich die Leute alles dasjenige, warum sie gefragt werden, gestehen müssen. Gewiss, hätten bisher unsere Rechtsgelehrten Andere, und vornehmlich die Päpstler, nicht ohne Verstand abgeschrieben, sondern ein jeder sowohl die natürlichen, als moralischen Sachen, wovon die Gesetze disponiren, nach ihrer Natur und Beschaffenheit fein nach seiner eigenen Vernunft untersucht, so würde unsere Jurisprudenz auch vorlängst für eine Disziplin von den Gelehrten sein gehalten worden, die auch zu der wahren Gelehrsamkeit gehöre. Da aber bis dato noch immer einer den andern ohne Nachsinnen ausschreibet und sich noch darzu einbildet, Wunder was er gefunden, wenn er diesen oder jenen casum, diese oder jene Frage in terminis terminantibus angetroffen hat, so darf man es denen Gelehrten nicht verargen, wenn sie bei Nennung eines Juristen sich von demselben in terminis terminantibus keinen andern Concept machen, als von einem Zungendrescher und Legulejo.“ (§. 21.) Spizelius[244] aber, der das Leugnen der Hexerei für Ketzerei und Atheismus erklärte und sich auf Thomas Aquinas, Bonaventura und Torquemada berufen hatte, wird in folgender Weise abgefertigt: „Wenn [251] Thomas de Aquino, Bonaventura und Johannes de Turrecremata noch am Leben wären, würden sie sich nicht auch der lutherischen Lehre widersetzen? Vermuthlich aber würde Spizelius sich durch derselben graues Ansehen nicht bewegen lassen, dass er ihnen Glauben zustellte. Hierbei sehe ich auch nicht, wie die Meinung derjenigen, die das Laster der Zauberei nicht für wahr halten, den Weg zur Atheisterei bahnen solle. Vielmehr halte ich dafür, dass diejenigen Geistlichen und Prediger, die anstatt der seligmachenden Lehre auf der Kanzel und in ihren Schriften lauter alte Weiber-Lehren und abergläubische Mährlein erzählen, schuldig sind, dass viele Leute, die noch ein wenig Verstand und etwas von ihren fünf Sinnen übrig haben und sich gerne von dem Schandfleck des Aberglaubens reinigen wollen, endlich in die äusserste Gefahr der Atheisterei verfallen.“ (§. 26.)

In dem Folgenden weist Thomasius nach, wie man im Christenthum dazu gekommen sei, den Teufel, der doch niemals einen Leib angenommen habe und einen solchen überhaupt nicht annehmen könne, sich in Körpergestalt und körperlichen Funktionen vorzustellen. Die Kirchenväter, grossentheils dem platonischen oder dem stoischen Systeme zugethan, hätten aus diesen und dem Pharisäismus ihre dämonologischen Vorstellungen gezogen und dieselben in die Bibel hineingetragen. So hätten sie die verführende Schlange im Paradiese, die Verbindung der Kinder Gottes mit den Töchtern der Menschen, den Fall des Luzifer, die Versuchungsgeschichte Jesu und Anderes auf ihren persönlichen und körperlichen Teufel gedeutet; die Scholastiker, obgleich Aristoteliker, hätten diess weiter ausgebildet, und so sei der Wahn von Teufelspakten, Incuben und Succuben verbreitet worden und habe sich, begünstigt vom Klerus, am Ende den Schein zu geben gewusst, als sei er direkt aus der biblischen Lehre hervorgegangen. Weil nun aber die Juristen unter theologischen Einflüssen aufgewachsen, so hätten sie auch in dem justinianeischen Rechte, obgleich dasselbe von einem Teufelsbunde nichts wisse, die Zaubervorstellungen ihrer Zeit [252] wiederzufinden geglaubt: Melanchthon's Einfluss auf die Wiederherstellung des Scholastizismus, das Beispiel Augusts von Sachsen, der eine geschärfte Bestimmung in seinen Strafcodex aufnahm, und die blinde Nachbeterei der Rechtslehrer hätten das Uebel auch unter den Protestanten verbreitet. Uebrigens erkennt der Verfasser an, dass die Hexenverfolgungen bereits abgenommen haben und auf den Universitäten durch den Einfluss der Cartesianischen Philosophie, die jedoch in der Lehre von den Geistern allzusehr in das andere Extrem gefallen, eine dankenswerthe Verminderung des Aberglaubens herbeigeführt sei, welche zu den besten Hoffnungen berechtige. Eine scharfsinnige Kritik der in der Carolina angeführten Indizien der Zauberei schliesst das Ganze. —

Auch gegen Thomasius brauste der Sturm los. Er hatte die Juristen in Carpzov, die Theologen in Spizelius beleidigt und dem Teufel, was er ihm mit der einen Hand gegeben, mit der andern wieder genommen. Schon das hallische Weihnachtsprogramm von 1701, von Buddeus herausgegeben, suchte die beiden Sätze zu schützen, dass Jesus vom Satan in leiblicher Gestalt versucht worden, und dass die verführende Schlange im Paradiese der Teufel gewesen sei. Thomasius wird zwar in dieser Schrift nicht genannt, auch bezeigten nur Wenige Lust, in offenen Streitschriften seine Lehrsätze direkt anzugreifen; desto häufiger aber waren die gelegentlichen Ausfälle und die verketzernden Deklamationen.

„Als der berühmte Herr Thomasius, — schreibt einer seiner Anhänger im Jahr 1703[245], — sich dem protestantischen Papstthum und denen Pedanten eifrigst widersetzet, so hat man ihn für den ärgsten Atheisten, Quaker, Socinianer, und ich weiss nicht für was, in der ganzen Welt ausgeschrieen; sogar dass die Meisten noch jetzo seine [253] raisonnablen Lehren für seelenschädliche Irrthümer auszugeben sich nicht scheuen. Sonderlich hat die neulich unter ihm gehaltene Disputation wider das Laster der Zauberei von neuem in das Wespennest gestöret, weil die Antistites regni tenebrarum wohl gesehen, dass hiemit zugleich viele falsche Einbildungen vom Teufel als ihrem Knecht Ruprecht vor die Hunde gehen würden. Wie sich aber bisher Niemand unterfangen, ex professo wider diese Disputation zu schreiben, so hat doch ein curieuses Membrum nicht nur etlichemal in seinen Unterredungen von der magia, sondern auch in einer aparten Scharteke seine unparteiischen Gedanken von des Herrn Thomasii Lehre in puncto der Zauberei ausgefertigt, darinnen er die Unzulänglichkeit derselben zeigen wollen.“

Dergleichen „curieuse Membra“, deren bald noch mehrere auftraten[246], zu widerlegen, überliess nun Thomasius hauptsächlich seinen Schülern; er selbst antwortete nur gelegentlich[247]. Zudem gab Johann Reiche, um das Publikum nach und nach auf den richtigen Standpunkt zu führen, seine „Unterschiedlichen Schriften vom Unfug des Hexenprozesses“ heraus. Man findet darin unter Anderem einen Abdruck der Cautio criminalis, einen Malleus judicum, eine Geschichte der Teufel zu Loudun, [254] die Apologie des Naudäus, einen Bericht über den Priester Gaufridy und verschiedene Aktenabdrücke von Hexenprozessen, worin Betrügerei und Einfältigkeit die erste Rolle spielen[248]. Später wurden auch unter Thomasius' Leitung Uebersetzungen der Schriften von Webster[249], Wagstaff[250] und Hutchinson[251] besorgt. Thomasius selbst nahm erst 1712 den Gegenstand wieder auf, indem er unter seinem Präsidium die bekannte Abhandlung über den Ursprung und Fortgang des Inquisitionsprozesses gegen die Hexen öffentlich vertheidigen liess[252]. „Es soll hierin gezeigt werden, — sagt der Verfasser, — dass die gemeine Meinung von dem Bunde des Teufels mit denen Hexen und von desselben fleischlicher Vermischung, wie auch denen Zusammenkünften derer Hexen etc. gar sehr neu, und der Teufel, welcher nach dieser gemeinen Meinung ausdrückliche Bündnisse macht, kaum über anderthalb hundert Jahre alt sei. — Dass ich aber dieser Abhandlung den Titel von Ursprung und Fortgang des Inquisitionsprozesses wider die Hexen gegeben, ist dessfalls geschehen, damit ich unterschiedliche Dinge mit einmal abthun könnte, das ist: erstlich will ich zeigen, dass die gemeine und öffentliche Persuasion von obenerwähnten Thaten des Teufels mit denen Hexen nicht vor dem Inquisitionsprozesse wider die Hexen rezipirt sei; den Inquisitionsprozess wider die Hexen aber will ich darthun, dass [255] er erst zu Ende des fünfzehnten seculi seinen Anfang genommen habe. Nachmals will ich beweisen, dass diese öffentliche Persuasion von denen Sachen, die der Teufel mit den Hexen thun könne, noch viel neuer als der Inquisitionsprozess wider die Hexen sei und erstlich wo nicht zu Ende, dennoch nach der Mitte des sechszehnten seculi von denen Inquisitoribus wider die zauberischen Laster vertheidiget und fortgepflanzet worden.“ (§. 1 u. 2.)

Obgleich in den obigen Sätzen, wie in dem weiteren Verlaufe der Abhandlung, mancherlei Irrthümer enthalten sind und demgemäss auch die versprochene Beweisführung nur ungenügend ausfallen konnte, so führte doch das Schriftchen den im Ganzen richtigen Gedanken durch, dass der moderne Hexenprozess sich im Schosse der Inquisition ausgebildet habe, und gab eine Menge von Einzelheiten, welche die früheren Thesen vom Laster der Zauberei trefflich erläuterten und stützten[253]. Auch über diese Schrift gab es noch gelegentliches Murren und Schmähen, aber Niemand wagte mehr eine förmliche Bestreitung[254].

Um Thomasius in der Würdigung seines Verdienstes nicht zu viel und nicht zu wenig zu thun, müssen wir ihn in seiner Stellung zu seiner Zeit betrachten. Als er auftrat, waren die Hexenbrände schon bei weitem seltener, als um die Mitte des Jahrhunderts, das Tumultuarische des Verfahrens war einem an festbestimmte Förmlichkeiten [256] gebundenen Prozesse gewichen, eine Menge der früher als unbezweifelt betrachteten Indizien war in Misskredit gerathen, und manche der gröbsten Auswüchse des Hexenglaubens selbst, wie die Leiblichkeit der Blocksbergfahrten, die Lykanthropie u. dergl. fanden unter den Gebildetern, wie vor Gericht keinen rechten Glauben mehr. Insofern, schien es, musste der Bekämpfer des Hexenprozesses leichteres Spiel haben. Aber gerade die Beschränkung und förmlichere Gestaltung desselben war, weil sie schon an sich als eine Art von Reformation erschien, der durchgreifenden Abstellung des Ganzen für den Augenblick nicht günstig. Hatte man doch den Verstand gehabt, gar vieles Unsinnige bei Seite zu werfen; warum hätte man nicht von der Vernunftmässigkeit des Beibehaltenen überzeugt sein sollen? Urtheile aus jener Zeit, z. B. Responsa der Juristenfakultät zu Giessen aus dem Jahr 1700, beweisen, wie man förmlich und gemässigt sein und dabei dennoch Hexen zum Scheiterhaufen verurtheilen kann[255]. — So flatterte die Aufklärung ohne Schwerpunkt zwischen Himmel und Erde.

Hier durfte also nicht mehr gegen Einzelnes geplänkelt, sondern es musste das Prinzip angegriffen werden. Aber der Kampf der fortschreitenden Philosophie mit dem Dogmatismus der Juristen, theilweise auch der Theologen war im Ganzen noch lange nicht seiner Entscheidung nahe. Derjenige Prinzipienangriff also, der auf dem Boden des Hexenwesens geschah, konnte, obgleich nur ein einzelner Theil der ganzen Bewegung, nicht von der Operationsbasis eines bereits anerkannten allgemeinern Prinzips ausgehen, sondern musste selbstständig sich Bahn brechen. Bekker und Thomasius haben dieses versucht: jener mit gründlicher Kritik und Consequenz, eben darum aber auch mehr zum Entsetzen, als zur augenblicklichen Ueberzeugung des in der Macht der Auctoritäten befangenen Publikums; dieser dadurch, dass er an allen wesentlichen Consequenzen des Bekker'schen Prinzips festhielt, während [257] er in der Aufstellung des Grundsatzes selbst der alten Dämonologie noch Conzessionen machte. Durch die letzteren fand er sich mit einem Theile der Theologen ab und milderte die Schroffheit des Uebergangs. Bekker war ein schärferer Denker als Thomasius, dieser ein gewandterer Kämpfer; jener bewaffnete das Angriffsheer, dieser wählte die einzelnen Truppen aus und führte sie an. Bekker stellte sich dem ersten, frischen Grimme der Altgläubigen bloss und unterlag demselben; Thomasius fand sein Publikum schon vorbereiteter und wirkte unter einem König, der stolz darauf war, seine neue Universität Halle im Vordertreffen des grossen Kampfs für Licht und Recht zu erblicken.

Bekker und Thomasius waren die Organe des Geistes einer neuen Zeit, welcher die Völker aus dem blindesten und blutigsten Auctoritätsglauben aufschreckte. Ihre Stimme musste gehört werden, weil sie die Ergebnisse einer fortgeschrittenen philosophischen und naturwissenschaftlichen Bildung mit den Forderungen der Religion und Humanität in Einklang brachten. Aber die Herrschaft über die Geister wusste der Aberglaube noch immer zu behaupten.

Im Jahr 1713 kam ein Hexenprozess vor, in welchem die Tübinger Juristenfakultät ein Gutachten ertheilte. Es ist ein krasser Inquisitionsprozess mit allen Ingredienzien. Der junge Sohn eines alten Generals war krank geworden und die Aerzte hatten seinen Zustand für nicht natürlich erklärt; auch erinnerte sich der General, in seiner Jugend öfters vom Alp gedrückt worden zu sein. Diess alles schrieb man einer alten, armen Frau zu, die man auch sofort vor Gericht stellte. Die Akten zeigen, dass man das alte System noch nicht verlernt hatte. Der Teufelsbund, die Verschreibung mit Blut, die Unzucht, der Hexentanz, die Schändung der Hostie, die Beschädigung von Menschen und Thieren — diess alles findet sich hier vor. Michael Grass, der Verfasser des Responsums, kennt Thomasius' Schriften und missbilligt sie. Nach dem Spruche [258] der Fakultät wurde die Inquisitin zum Scheiterhaufen geführt[256].

Es dauerte aber lange, bis die Gedanken eines Thomasius bei den Rechtsgelehrten und in der Gesetzgebung zur Geltung kamen. Der Professor der Rechte Augustin v. Leyser (zu Helmstädt und Wittenberg, †1752) theilt in seinem voluminösen Werk Meditationes ad Pandectas spec. 608, Nr. 19 Folgendes mit: Das Collegium der Helmstädter Rechtsgelehrten hatte im Monat Februar 1714 einen frechen und des Raubes beinahe überführten, selbigen aber leugnenden Dieb zur Folter verurtheilt, welcher, auf diese geworfen, kein Zeichen von Empfindung gab und endlich gar sanft eingeschlafen war. Der so getäuschte Richter schickte die Akten nach Helmstädt zurück und fragte an, was ferner zu thun sei. Wir beratheten uns lange und zweifelten, was für ein Gutachten zu geben sei. Zwar war die Sache nicht neu, sondern hatte sich oft vorher zugetragen und trägt sich auch heute hier und da zu. Schurigius erzählt in der Spermatologie Kap. VII. S. 327, dass ein Verbrecher Pillen verschluckt und nachher sogar in dem sogenannten höchsten Grade der Tortur, obwohl einigemal selbigem unterworfen, nichts gestanden habe. Auch lasen wir Verschiedenes, was Damhouderus, Carpzov, Brunnemann u. A. an Mitteln angegeben haben, und es erschien unter Allem das Abscheeren der Haare über dem ganzen Leibe als das unschuldigste. Einer zwar von unseren Amtsgenossen war dagegen und wendete ein, dass ein solches Gutachten, das keineswegs in der gesunden Vernunft gegründet sei, nach dem Aberwitz alter Weiber schmecke, und der guten Sitte sowie der Klugheit zuwider sein würde[257]. Die tägliche Erfahrung lehrt jedoch, dass viele Dinge in Gebrauch sind, deren Ursache nicht angegeben werden kann, und welche [259] dennoch einen glücklichen Erfolg haben. Diesem nach antworteten wir, wie folgt: „dass Inquisit zuförderst durch Abnehmung der Haare und andere zulässige Mittel, welche die Scharfrichter angeben werden (!) zur Empfindlichkeit zu bringen, nachgehends die Tortur auf die im vorigen Urtheil vorgeschriebene Art an ihm wieder von Neuem anzufangen und zu vollstrecken sei. Von Rechts Wegen.“

Wir hören hier also die Juristen-Fakultät zu Helmstädt im Jahr 1714 (mit dem Gutachten der Tübinger Juristen-Fakultät von 1713 ganz übereinstimmend) sich gutachtlich so aussprechen, dass sie dabei von dem alten Aberglauben und von den juristischen Vertretern desselben aus früherer Zeit vollständig abhängig und beherrscht erscheint. Daher kann es nicht allzusehr auffallen, wenn ein Jahrzehent später der Professor der Rechte Joh. Gottlieb Heineccius zu Halle (†1741) in seinen Elementa iuris civilis secundum ordinum institutionum (Lib. IV. Tit. 18, §. 1358) schlankweg lehrt: „Zauberer, welche durch Gemurmel und Zauberformeln Schaden angerichtet haben, werden mit dem Schwerte hingerichtet, diejenigen aber, welche ausdrücklich ein Bündniss mit dem Teufel eingegangen sind, werden lebendig verbrannt.“ Doch setzt er hinzu: „Der Richter muss aber, wenn in irgend einer, so gewiss in dieser mit so vielen Irrthümern der Menge verflochtenen Sache nicht zu leichtgläubig sein“[258]. Derartige Aeusserungen konnte man aus dem Munde von Auctoritäten der Rechtswissenschaft sogar noch kurz vor der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hören, bis es endlich der Direktor der Universität zu Frankfurt a. O. Jos. Sam. Friedr. Böhmer 1758 in seinen Bemerkungen zu Carpzov's Schriften der Welt verkünden konnte, dass das Licht der Vernunft obgesiegt habe und der Hexenglaube der Verachtung preisgegeben sei[259].

Die Stellung der neueren evangelischen Theologie zu Teufels- und Hexenglauben entschied sich damals in [260] der lebhaften Diskussion, die über die Dämonischen zur Zeit Christi geführt ward. Noch im achtzehnten Jahrhundert erschien eine Reihe von Schriften (Hermann, de δαιμονιφομένοις, Wittenb. 1738; Gronau, de daemoniacis, Bremen 1743; Zeibich, Beweis, dass die Besessenen nicht natürliche Kranke gewesen, Schleitz, 1776 u. A.), in welchen der Versuch gemacht wurde, die traditionelle Meinung, dass die Dämonischen wirklich von Teufeln und Dämonen Besessene gewesen wären, neu zu stützen, bis Semler in Halle im Jahr 1760 mit seiner epochemachenden Abhandlung De Daemoniacis, quorum in Nov. Test. fit mentio hervortrat, der die Dämonischen als physisch Leidende hinstellte, — weil eine andere Auffassung derselben gar nicht möglich sei — worauf alsbald eine Reihe von Schriftstellern auftrat (Gruner, de daemoniacis, Jena, 1775; Farmar, Versuch über die Dämonischen, Bremen, 1776; Cäsar, Bedenken von den Besessenen, München, 1790; Kirchner, Dämonologie der Hebräer, Erlangen, 1798 u. A.), welche den Dämonenglauben aus der Theologie der Zeit vollständig verscheuchten.

Die ersten erfreulichen Wirkungen seiner Thätigkeit sah Thomasius im preussischen Staate. Friedrich I. zog schon 1701 einen märkischen Gerichtsherrn wegen einer Hinrichtung zur Rechenschaft[260] und beschränkte 1706 die Hexenprozesse in Pommern[261].

Sächsische Behörden beschäftigten sich noch 1715 mit der Frage, ob der unter besonderen Umständen erfolgte [261] Tod zweier Bauern, die mit einem Studenten einen Schatz heben wollten, dem Teufel zuzuschreiben sei oder nicht. Die Akten wurden zuletzt nach Leipzig geschickt, wo die theologische, die juristische und die medizinische Fakultät einstimmig erklärten, dass der Tod auf natürliche Weise erfolgt sei[262].

In Frankreich hatte es der einsichtsvolle Oratorianer Nicole Malebranche (1638 †1715) seinen Zeitgenossen von den Prinzipien der Cartesianischen Philosophie aus klar gemacht, dass neben der Allwirksamkeit Gottes ein teuflisches Hexenwerk gar nicht zu denken sei. Er hatte auch darauf hingewiesen, dass seitdem einige Parlamente die Hexenverbrennungen eingestellt, in deren Bezirken die Hexen seltener geworden wären, was ihm Veranlassung gegeben in der allmählichen und allgemeinen Verbreitung des Hexenglaubens, namentlich der Lykanthropie, die ansteckende Macht der Einbildungskraft nachzuweisen. Späterhin fand die Stellung der öffentlichen Meinung in Frankreich zu den Hexenprozessen in der spöttischen Bemerkung Voltaires Ausdruck, dass, seitdem es in Frankreich Philosophen gebe, die Hexen zu verschwinden beginnen. Im Jahr 1672 wies daher Colbert die Magistrate an, Klagen auf Zauberei nicht mehr anzunehmen und verwandelte in einer Anzahl von Fällen die Todesstrafe in Verbannung. Allerdings eiferten die Klerikalen theilweise noch immer für die Ausrottung des Teufelswerks[263] und selbst das Parlament zu Rouen stellte in einer an den König gerichteten Adresse demselben vor, dass die den Unholden gewährte Schonung gegen Gottes Wort und gegen alle Ueberlieferungen der Kirche sei[264]. Allein die Verfolgung und Verbrennung der Hexen wurde doch immer seltener.

Schweden — welches im dreissigjährigen Kriege von Deutschland angesteckt worden war, — war bald nach dem Prozesse von Mora zur Besonnenheit zurückgekehrt [262] und hatte gesetzliche Beschränkungen der Hexenverfolgung gegeben; die Todesstrafe hob es jedoch erst 1779 ausdrücklich auf, nachdem sie längst nicht mehr zur Anwendung gekommen war[265].

Holland war von dem Hexenwahn längst frei; dass seine Stadtwage zu Oudewater noch zuweilen gebraucht wurde, geschah nur in Folge einer wohlthätigen Accommodation, welche den Angeklagten des Auslands zu Gute kam.

In England hatte sich zuerst in den literarischen Arbeiten des Sir Thomas Browne das Aufdämmern einer von dem traditionellen Aberglauben sich abwendenden Zeit bemerklich gemacht. Derselbe Thomas Browne nämlich, welcher um 1633 seine Apologie des Aberglaubens unter dem Titel einer Religio medici geschrieben, hatte schon zwölf oder dreizehn Jahre später eine Schrift über „gemeine und weitverbreitete Irrthümer[266] veröffentlicht, worin er (wenigstens indirekt) dem Hexenglauben geradezu allen Boden entzog. Indessen willigte doch Browne selbst noch 1664 in die Hinrichtung von Hexen ein, und noch im folgenden Jahrzehent erschien in England das Volksbewusstsein von dem Glauben an Hexerei vollständig umnachtet. Namentlich war dieses in Schottland der Fall. Es gab kein protestantisches Volk, das in dieser Beziehung der katholischen Nation Spaniens so ähnlich war als das schottische[267]. Aber rasch machte auch hier die Aufklärung des folgenden Jahrhunderts der Herrschaft des Aberglaubens ein Ende. Im Jahr 1690 übergab der gefeierte Richard Baxter die von dem gelehrten und glaubenseifrigen Prediger Cotton Mather (†1728) verfasste Geschichte der ältesten Hexenprozesse in Massachusetts dem englischen Publikum mit dem im Vorwort ausgesprochenen Bemerken, „der Mensch müsse [263] ein sehr verstockter Sadducäer sein, welcher ihr keinen Glauben schenke“, und im folgenden Jahre 1691 stellte Baxter zur Rechtfertigung des Glaubens an Zauberei in einer eigenen Schrift über „die Gewissheit der Geisterwelt,“ eine grandiose Zahl von Berichten über entdeckte Zauberer und Hexen zusammen. Von da bis zum Jahre 1718 (wo Hutchinson sein Buch schrieb,) erschienen in England nicht weniger als fünfundzwanzig Schriften zur Vertheidigung des Hexenglaubens; aber dennoch war derselbe im genannten Jahre vom Glauben fast aller Gebildeten in England verlassen. — Ein (letzter) Hexenprozess war gleichwohl noch 1712 gegen eine gewisse Johanna Wenham in Herfordshire vorgekommen. Allein aus dem ganzen Verfahren war zu ersehen, dass man zur Hexenverfolgung nicht mehr den früheren Muth hatte. Der Richter, der an die Hexerei nicht recht glaubte, hielt sogar eine Ansprache an die Geschworenen, welche die Entlastung der Angeklagten bezweckte, und behandelte den Ortspfarrer, der auf seinen Eid erklärte, dass dieselbe eine Hexe sei, mit auffallender Missachtung. Nun sprachen allerdings die Geschworenen über die Angeklagte ihr „Schuldig“ aus; allein der Richter setzte es doch durch, dass das Urtheil gemildert ward. — Dieses Vorkommniss hatte einen lebhaften Schriftenwechsel zur Folge, in welchem die bei dem Prozesse betheiligt gewesenen Geistlichen feierlichst erklärten, dass die Verurtheilte eine Hexe sei und dass das Verfahren des Richters eine Rüge verdiene[268]. Allein die Zeit der Hexenprozesse war doch nunmehr abgelaufen. — In Schottland erfolgte die letzte Hinrichtung im Jahr 1722[269]. — Kurz nachher, 1736, wurde das Statut Jakobs I. durch eine Parlamentsakte förmlich aufgehoben, nachdem [264] kurz zuvor der Pöbel noch ein altes Mütterchen in der Wasserprobe umgebracht hatte[270].

In Polen verbot der Reichstag von 1776 alle Prozesse auf Zauberei[271].

Im neunzehnten Jahrhundert war in Europa nur noch Ein Hexengesetz übrig, nämlich das irländische Statut. Dieses ist erst im Jahr 1821 aufgehoben worden[272].

Dem Beispiele Preussens ahmte auch das übrige protestantische Deutschland mehr oder weniger bereitwillig nach. Wer von Bekker und Thomasius nicht gleich Anfangs überzeugt worden war, der schrie eine Zeitlang, bis er entweder zu ihrer Fahne überging, oder wenigstens der immer mächtiger werdenden Stimme der Vernunft gegenüber verstummte. So starb die alte Generation ab, mit ihr der Glaube und mit dem Glauben auch die Praxis des Hexenprozesses, wenn gleich noch der Buchstabe im Strafcodex blieb. Bis auf die jüngste Zeit herab hat dieser Buchstabe, als Artikel 109 der Carolina, im gemeinen deutschen Strafrecht unschädlich fortgelebt, und man sollte ihn, in Quadratklammern eingefasst, in die neuen Strafbücher mit hinübernehmen, als ein Denkzeichen, dass für den Richter einer künftigen Zeit die Aufgabe sich wiederholen könnte, die der Richter des achtzehnten Jahrhunderts gelöst hat, nämlich da, wo der Gesetzgeber hinter dem Geist der Zeit zurückbleibt, den Buchstaben stehen zu lassen und mit dem Genius der Humanität fortzuschreiten.

Merkwürdig aber ist's, wie mit der Ausübung auch die Erinnerung so bald verloren ging. Wo in der Folge ein gelehrter Jurist über die Zauberei spricht, da kann man eines gesunden Urtheils, aber selten einer völlig richtigen Auffassung des Historischen gewiss sein. Die Sache war schnell zur halbbekannten Antiquität geworden. Schon Böhmer, welcher der Zeit noch so nahe stand, irrt z. B. [265] in der Behauptung, dass ein Concubitus des Teufels mit einem Manne nirgends erwähnt werde[273]. Meister, der um ein halbes Jahrhundert später schrieb, lässt unter den wesentlichen Attributen der Zauberer den Tanz auf dem Blocksberge allzusehr hervortreten, — als wenn die alten Kriminalisten und Prozessakten nicht noch tausend andere Lokalitäten kennten, — und macht die Hexen zu Incuben und Succuben, da sie doch nicht solche sind, sondern nur mit denselben zu thun haben[274].


[266]

SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Hexenprozesse des achtzehnten Jahrhunderts. Aufhören der gerichtlichen Verfolgungen.

Derjenige deutsche Staat, der in der Person seines Monarchen sich zuerst mit klarer Einsicht in die Tollheit des Glaubens an Hexerei erhob, um der Hexenverfolgung ein Ende und die deutsche Nation von dem Fluche des heidnischen Dämonismus, den einst das Papstthum über sie gebracht hatte, wieder frei zu machen, war Preussen[275].

Kurz nach seiner Thronbesteigung erliess hier nämlich König Friedrich Wilhelm I. unter dem 13. Dezember 1714 ein von dem Minister v. Plotho ausgearbeitetes Mandat, welches das Ende der Hexenverfolgung zwar nicht sofort herbeiführte, aber doch ankündigte. Der König erklärte in demselben, dass unter den im Kriminalprozess überhaupt wahrnehmbaren Missständen einer der gefährlichsten in den Hexenprozessen hervortrete, indem hier nicht immer mit der nöthigen Vorsicht verfahren, sondern oft auf ganz unsichere Indizien hin vorgegangen, darüber auch gar Mancher ganz unschuldig auf die Folter, durch diese um Gesundheit und Leben und auf das Land [267] eine grosse Blutschuld gebracht werde. Er wolle daher die Prozesse in Hexensachen verbessern und so einrichten lassen, dass dergleichen übele Folgen aus denselben nicht entstehen könnten. Inzwischen aber, bis es dazu gekommen sein würde, sollten alle Urtheile in Hexensachen, bei denen es sich um Anwendung der scharfen Frage oder gar um Verhängung der Todesstrafe handele, ihm selbst zur Confirmirung vorgelegt werden. Auch wünsche er, dass ihm die Kriminalkollegien, Fakultäten und Schöffenstühle ihre Gedanken wegen der Hexenprozesse überhaupt gutachtlich vorlegen möchten, wobei es ihm zu besonderem, gnädigsten Gefallen gereichen werde, wenn Jemand zur Verbesserung des bisherigen Verfahrens etwas beitrage. Schliesslich wurde befohlen, alle noch vorhandenen Brandpfähle, an denen Hexen gebrannt worden wären, sofort zu beseitigen.

Seitdem hörten zwar in Preussen die Hexenprozesse nicht sofort auf, aber es konnte doch keine Hexe mehr verbrannt werden, und der König wollte, dass von Hexen und Hexenverfolgung in seinem Lande nicht mehr die Rede sei. Die beiden letzten Hexenprozesse kamen hier in den Jahren 1721 und 1728 vor. Im erstgenannten Jahre wurde eine Schuhmachersfrau zu Nauen der Hexerei beschuldigt, weil sie an eine andere Frau Butter verkauft hatte, die über Nacht Kuhdreck geworden wäre, worauf der Magistrat zu Nauen einen Prozess einleitete. Das Kriminalkollegium erkannte indessen, mit dem corpus delicti habe es nicht seine volle Richtigkeit, weil es möglich sei, dass Jemand aus Muthwillen Kuhdreck statt der Butter hingesetzt habe. Auch seien die nach Art. 32 und 44 der Carolina zur Anklage auf Zauberei erforderlichen Indizien nicht vorhanden, so dass also eine Inquisition nicht stattfinden könne. — Eigenhändig schrieb der König unter dieses Erkenntniss die Worte: „Soll abolirt sein.“ Zugleich wurde aber dem Magistrat zu Nauen dafür, dass er den Prozess veranlasst habe, ein Verweis ertheilt, weil der König durchgehends alle Hexenprozesse verboten habe.

[268]

Nichtsdestoweniger konnte es in Berlin noch im Jahr 1728 vorkommen, dass ein geistesschwaches oder geisteskrankes Mädchen von zweiundzwanzig Jahren, welches sich hatte erhängen wollen, nach Anleitung der in dem Malleus maleficarum gegebenen Gesichtspunkte in Betrachtung genommen wurde. Dieselbe hatte ausgesagt, dass sie einst am Wedding einem Herrn in blauem Rock und gestickter Weste begegnet sei, der ihr damals Geld geschenkt habe. Späterhin habe sie ihn an der langen Brücke wieder angetroffen, vonwo er sie nach dem Wedding geführt habe. Hier habe ihr der unbekannte Herr eröffnet, dass er der Teufel sei und habe an sie zugleich das Ansinnen gestellt, dass sie ein mit drei Buchstaben beschriebenes Billet unterzeichnen sollte. Hernach habe der Teufel ihr so in die Finger gedrückt, dass das Blut hervorgetreten sei, und seitdem verfolge sie der Teufel unablässig. Derselbe sei auch schuld daran, dass sie sich habe erhängen wollen. Das mit drei rothen Buchstaben beschriebene Billet zu den Akten gebend bemerkte sie, dass sie dem Teufel ein anderes, von ihr mit ihrem eigenen Blute beschriebenes Billet ausgestellt habe. Bei dem Schreiben habe ihr der Teufel die Hand geführt. Ein Geistlicher und ein Arzt besuchten das Mädchen im Gefängniss, wo dasselbe im Gebet oft entsetzliche Paroxismen bekam. In dem Erkenntniss des Kriminalkollegiums zu Berlin vom 10. Dezember 1728 heisst es, es habe das Ansehen, als sei Inquisitin wegen des Bündnisses mit dem Teufel mit dem Feuer oder doch mit dem Schwert zu strafen, zumal sie (wie es heisst) darauf los gehurt habe. Weil sie aber lange Zeit mit schwerer Noth und Melancholie behaftet gewesen, so könne der Gedanke des Teufelsbunds möglicherweise auch Effekt ihrer Schwermüthigkeit sein, zumal die desshalb von ihr erzählten Umstände unwahrscheinlich, ja ungereimt seien, so dass man auf Verstandesverrückung schliessen müsse. Daher könne Inquisitin nicht als eine Person, die sich wirklich zu ihrer und anderer Leute Schaden dem Teufel ergeben habe, angesehen und also auch nicht am Leben bestraft werden. Damit sie aber durch ein liederliches [269] Leben und versuchten Selbstmord nicht ferner in des Satans Wegen sich verstricken könne, sei sie lebenslänglich in das Spinnhaus zu Spandau zu bringen und zu leidlicher Arbeit anzuhalten, ihr auch dort leibliche Arznei und geistlicher Zuspruch zu ertheilen, von Rechtswegen. — Der König bestätigte dieses Erkenntniss, mit welchem die Geschichte der Hexenprozesse in Preussen zu Ende ging[276].

Das übrige protestantische Deutschland folgte dem Vorgange Preussens alsbald nach, indem hier in den ersten Dezennien des Jahrhunderts die Hexenprozesse gänzlich aufhörten, z. B. in Hessen-Kassel im Jahr 1711.

Anders aber war es im katholischen Deutschland.

In Oesterreich machte die Staatsregierung sogar noch im Jahr 1707 den Versuch, der erlahmenden und absterbenden Hexenverfolgung noch einmal auf dem Wege der Gesetzgebung neues Leben einzuhauchen. Die hierher gehörigen Paragraphen der peinlichen Gerichtsordnung Joseph's I. für Böhmen, Mähren und Schlesien athmen noch ganz den Geist des Hexenhammers[277].

„Art. XIX. §. 3. Die Zauberey (worunter auch Wahrsagen, Aberglauben, Topfeingraben, Schlösser an Bäume verschliessen, solche in Brunnen oder Wasser werfen, Schüssen, Knipfen etc. gezogen werden), ist eine mit ausdrücklich oder heimlich bedungener Hülff des Teufels begangene Unthat.

[270]

„Auf wahrhaffte Zauberey, sie geschehe mit ausdrücklich- oder verstandener Verbündnus gegen den bösen Feind, dardurch denen Leuten, Viehe oder Früchten der Erde Schaden zugefüget wird, oder auf diejenige, welche neben Verläugnung des christlichen Glaubens sich dem bösen Feind ergeben, mit demselben umgangen, oder sich unzüchtig vermischet, wann sie auch sonsten durch Zauberey niemand Schaden zugefüget hätten, gehört die Straff des Feuers, obschon solche, aus erheblichen Ursachen, und wann Inquisitus oder Inquisita dazu gekommen, jung an Jahren, einfältig, in der Wahrheit bussfertig, oder der Schaden nicht so gross, mit vorhergehender Enthaubtung gelindert, und nur der Cörper verbrennet werden kann; Hingegen

Die Wahrsager, aberglaubische Seegen-Sprecher und Bock-Reiter, welche, ohne ausdrückliche Verbündnus mit dem bösen Feind, dieses verüben, mögen, nach Erheblichkeit des Verbrechens zum Schwerdt, jedoch nicht ohne Unterscheid, sondern nur wann solches durch des bösen Feindes Hülff wissentlich beschehete, sondern aber zu einer Extra-Ordinari Straff verurtheilet, oder wann der Schaden und Umstände nicht gar gross, nach abgelegtem Eyd und öffentlicher Absagung, derley Unthaten nicht mehr zu verüben, mit einem gantzen oder halben Schilling belegt, und zugleich des Lands auf ewig verwiesen, oder, Falls sie unterthänig wären, oder andere wichtige Ursachen solches erforderten, mit einem zwey auch drey jährigen opere publico und eben also diejenigen, welche sich bey derley bösen und so bekandten Leuten Raths erholen, bestraffet werden.

„Und obgleich in vollständiger Zauberey, wegen Grösse des Lasters kein lindernder Umstand kan erfunden werden, so seynd doch genugsame Ursachen, warum die Straffe zu verschärffen seye, besonders wofern zu der Zauberey annoch eine Gotteslästerliche That, als Missbrauch heiliger Hostie, oder anderer Gott geheiligten Sachen zugesetzet wird.“

Art. XIII. §. 4 werden als Indizien aufgeführt: „Aberglaubische [271] Gesundheitsmittel, Schaden, so allzeit in Gegenwart des Inquisiten beschehen, und niemal in dessen Abwesenheit, bei ihm oder ihr gefundene verdächtig- oder verbothene Bücher, Spiegel, Verbündnus mit dem bösen Feinde, mit ungewöhnlichen Ziffern, oder Zeichen, mit oder ohne Blut geschriebene Zettel, Todten-Bein, an des Inquisiten Leib unschmertzhafft befundene Merck-Mahle, und sonsten zur Zauberey gebräuchliche Sachen, gedrohter und erfolgter nicht allerdings natürlicher Schaden, übernatürliche Wissenschafft zukünftiger oder unbegreiflicher Dinge, von schlechten Leuten angemasste Wahrsagerey, etwas besonders vor anderen, zum Gleichnuss: Wann ihre Felder grünen, deren andern dürren, ihr Vieh nutzbar, anderer verdorben etc. etc. Wann die in Verdacht gekommene Person, andere Leute die Zauberei zu lehren, sich anerbothen, Menschlich unbegreiffliche Thaten würcket, in der Lufft herumfahret, u. s. w.“

In einem wichtigen Punkte hat indessen die Erfahrung den Gesetzgeber zur Vorsicht bestimmt. Er will „auf die Aussagung der Complicum allein, sie seye beschaffen, wie sie immer wolle, wegen so vielfältig unterloffenen Betrugs, und durch List des Satans angespunnenen Unwahrheit, nicht alsogleich weder die Tortur vorzunehmen, weder zur Straffe zu schreiten, zulassen.“ (Art. XIII. §. 29.)

In den Landen der österreichischen Monarchie hatte daher die Hexenverfolgung einstweilen noch immer ihren Fortgang, nur dass die Prozesse und Justifizirungen jetzt seltener vorkamen als früher. Auch wurde jetzt häufiger auf Hinrichtung mit dem Schwert als auf lebendige Verbrennung erkannt. So wurden in den Jahren 1716 und 1717 im Fürstenthum Trient, nicht weit von Roveredo, zwei Personen, Maria Bertoletti und Domenica Pedrotti als Hexen mit dem Schwert vom Leben zum Tod geführt, und ihre Leiber wurden zu Asche verbrannt: Mehrere Andere würden dasselbe Schicksal gehabt haben, wenn sie nicht im Kerker gestorben wären. Im Jahr 1728 starb in einem benachbarten Orte eine Frauensperson, Maddalena Tedeschi, im Gefängniss, die wegen Hexerei zu lebenslänglicher [272] Haft verurtheilt worden war[278]. Indessen kamen damals auch noch Hexenprozesse ganz in altüblicher Weise vor. Am 23. Juli 1728 wurden zu Szegedin sechs Hexenmeister (unter denen auch der vorjährige Stadtrichter, ein Greis von sechsundachtzig Jahren war,) und sieben Hexen, nach gemachter Wasserprobe (in der sie wie „Pantoffelholz“ geschwommen haben sollen) und nach geschehener Wagprobe (in welcher ein grosses, dickes Weib nicht mehr als anderthalb Loth wog,) auf drei Scheiterhaufen an der Theis lebendig verbrannt. Nur Eine Frauensperson wurde vorher geköpft. Unter den hingerichteten Weibern befand sich auch eine Hebamme, welche über zweitausend Kinder in des Teufels Namen getauft haben sollte. Ein Schusterjunge, der über Szegedins Weinberge „grausam starkes“ Hagelwetter gebracht hatte und durch einen anderen Jungen verrathen wurde, hatte die Rotte angegeben[279]. Hernach, im Jahr 1730, wurde noch ein dicker Stadtrichter verbrannt, unter dem Vorwande, dass er nur einige Quentlein gewogen habe[280]. Im Jahr 1739 machte man mit Hexen um Arad die Wasserprobe, und 1744 wurden in Karpfen drei Hexen verbrannt[281]. Auch noch 1746 kam zu Mühlbach im Sachsenlande ein Hexenprozess vor, in welchem drei Glieder Einer Familie verbrannt wurden. Seitdem hörte die Hexenverfolgung hier auf. Ein schreckliches Drama spielte sich dagegen in dem benachbarten Maros Vasarheli noch im Jahr 1752 ab. Eine alte Frau, die Hebamme Farkas, welche der Magistratsdirektor des Orts der Hexerei angeklagt hatte, wurde nämlich hier, noch ganz in altüblicher Weise der Wasserprobe unterworfen, dann, weil man ihre Mitschuldigen erfahren wollte, gefoltert, und schliesslich hingerichtet[282].

[273]

Erst unter Maria Theresia wurde die neue, peinliche Halsgerichtsordnung von 1707 ausser Wirksamkeit gesetzt. Bis dahin galt jedoch in Oesterreich und in anderen katholischen Landen Deutschlands der Glaube an die Thatsächlichkeit der Hexerei ebenso als kirchlich-orthodox, wie die Verfolgung der Hexerei als vollkommen zu Recht bestehend angesehen ward. Allein indem man prinzipmässig das bisherige Verfahren gegen Zauberer und Hexen aufrecht hielt, so zeigte es sich doch alsbald, dass die Herzhaftigkeit, mit der die Gerichte und Obrigkeiten ehedem auf Tod durch Feuer und Schwert u. dgl. erkannt hatten, dem jüngeren Geschlechte verloren gegangen war. Es zeigte sich dieses insbesondere an dem letzten (oder einem der letzten) Hexenprozesse, der im geistlichen Fürstenthum Salzburg im Jahr 1717 vorkam[283]. Derselbe war durch folgendes Vorkommniss veranlasst: In den Jahren 1715–1717 wurden im Pflegegerichte Moosham sehr viele Rinder, Füllen, Schafe, Ziegen, Schweine, Hirsche und anderes Wild auf der Weide und in den Wäldern von Wölfen niedergerissen. Zwar stellte man wiederholt Jagden auf die Wölfe an, aber geschossen wurde keiner. Diess erregte den Verdacht der durch die Wölfe geschädigten Gemeinden um so mehr, als gerade damals der zu Moosham inhaftirte Bäckerlippl aus freiem Antriebe gestand, dass ihn der mittlerweile verstorbene Betteltoni mit einer schwarzen Salbe angeschmiert habe, wodurch er sofort zu einem Wolfe geworden sei. Als solcher habe er mit Ruepp Gell, vulgo Perger genannt, und Anderen, die ebenfalls zu Wölfen geworden, zu verschiedenen Malen Vieh niedergerissen. Auf diese Angabe hin wurden Perger und dessen Mitschuldige verhaftet und in die Fronfeste nach Salzburg abgeliefert.

Perger (mit dem allein wir uns hier beschäftigen) leugnete anfangs Alles. Als er aber am 23. Sept. 1717 [274] auf die Folter gebracht, ans Seil gebunden und, an den Füssen mit einem fünfundzwanzigpfündigen Stein beschwert, in die Höhe gezogen ward, da bekannte er, dass er wie seine Mitschuldigen sich mit einer schwarzen Salbe angeschmiert, hierdurch zum Wolf geworden und als solcher das Vieh hin und wieder niedergerissen habe. Diese Salbe habe er vom bösen Feind auf der Haide bei Moosham erhalten. Der habe zu ihm und den Anderen gesagt: „Was sollt ihr Hunger leiden? Hier habt ihr Salben, dass ihr zu Wölfen werdet und euch satt fresset, so oft und wie ihr wollt!“ Darauf habe er sich dem Teufel mit Leib und Seele ergeben. In einem späteren Verhöre nahm allerdings Perger sein Geständniss, welches ihm nur durch die Qual der Tortur abgepresst sei, zurück. Allein kurzer Hand wurde er vom Scharfrichter wieder auf den Folterstuhl niedergesetzt, ans Seil gebunden, auf die Leiter gespannt und eine halbe Stunde lang gemartert, was zur Folge hatte, dass er seine früheren Geständnisse bestätigte. Auch den Kameraden Perger's wurden dieselben Geständnisse abgemartert. Das Urtheil der Richter lautete nun allerdings auf Verbrennung der Malefikanten; doch hielt man es für gut, dieselben der Gnade des Erzbischofs von Salzburg zu empfehlen. Derselbe liess auch Gnade für Recht ergehen. Am 20. August 1718 erliess daher das Stadtgericht zu Salzburg an das Untergericht die Weisung: „Demnach mit Ihrer hochfürstlichen Gnaden gnädigstem Vorwissen — wir den allhier in puncto magiae et lycanthrophiae inliegenden — Perger auf ewig, den vulgo Schweblhans aber auf acht Jahre lang ad triremes condemnirt haben, also wird — Euch hiermit anbefohlen, dass ihr diesen Delinquenten gewisse Religiosen (damit sie in geistlichen Sachen bis zu deren Auslieferung interim nothdürftig unterwiesen und allenfalls a pacto diaboli liberiret werden,) zugeben sollet.“ — Am 12. Sept. 1718 musste sodann Perger noch die übliche Urfehde schwören.

Erst durch die grosse Tochter Karls VI., die Kaiserin Maria Theresia wurde in Oesterreich dem Unfuge der [275] Hexenverfolgung ein Ende gemacht. Schon unmittelbar nach ihrem Regierungsantritt im Jahr 1740 hob sie die bestehende Prozessordnung auf, indem sie verfügte, dass zur Verhinderung alles ferneren Unfuges sämmtliche Hexenprozesse in allen kaiserlichen Erblanden ihr zur Einsicht und Entscheidung vorgelegt werden sollten. In Art. 58 ihrer „peinlichen Gerichtsordnung“ verbot sie auch die Wasserprobe „nebst allen dergleichen nichtigen und abergläubischen Zaubergegenmitteln“ auf das Bestimmteste. Auch erliess sie eine Verordnung, aus der wir ersehen, dass Träume von gewissen Personen gedeutet und dass aus den Friedhöfen nicht selten Leichen, als mit der Magia posthuma behaftet, ausgegraben und verbrannt wurden. Die Kaiserin sagt nämlich: „Wie zumalen hierunter Aberglauben und Betrug stecken, wir dergleichen sündliche Missbräuche nicht gestatten, sondern vielmehr mit den empfindlichsten Strafen anzusehen gemeint sind: als ist unser gnädigster Befehl, dass künftig in allen derlei Sachen ohne Konkurrenz der Politici nichts vorgenommen, sondern allemal, wenn ein solcher Casus eines Gespenstes, Hexerei, Schatzgräberei oder eines angeblich vom Teufel Besessenen vorkommen sollte, derselbe der politischen Instanz sofort angezeigt, mithin von dieser mit Beiziehung eines vernünftigen Physici die Sache untersucht und eingesehen werden solle, und was für Betrug darunter verborgen und wie sodann die Betrüger zu strafen sein werden.“

Durch diese weise Verordnung war in Oesterreich zum ersten Male gegen die Hexenriecherei der Gerichte und gegen das wüste Dreinfahren derselben ein fester Damm aufgerichtet, an dem sich die bisher immer noch im Gange gebliebene Hexenverfolgung ein für allemal brach. Die Prozesse hörten bald ganz auf. Doch wusste die Kaiserin recht wohl, dass bei dem in vielen Volksschichten herrschenden Aberglauben dieselben leicht auch wieder aufleben könnten, wenn nicht die Macht des Gesetzes sie niederhalte. Indem sie daher den Strafprozess in Oesterreich überhaupt vollständig zu reformiren beschloss, so [276] trat auf ihren Befehl in Wien eine Hofkommission unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten der Obersten Justizstelle, Mich. Joh. Graf v. Althann zusammen, welche die Aufstellung eines neuen Strafgesetzbuches berathen sollte. Im zweiten Theile des neuen Codex sollte auch ein Abschnitt de Magia eine Stelle finden. Nach längeren Verhandlungen wurde ein desfallsiger Entwurf, in welchem man zwar nicht den Hexenglauben aber das ganze bisherige Gerichtsverfahren gegen die Hexen über Bord warf, vereinbart, und allerhöchsten Orts zur Prüfung vorgelegt. Dieser Entwurf wurde nun von der Kaiserin (die sich in solchen Angelegenheiten gern von ihrem berühmten Leibarzt van Swieten berathen liess) vollständig genehmigt, und unter dem 5. November 1766 publizirt[284]. Alle Gerichtsstellen und Obrigkeiten der Kaiserlichen Erblande wurden angewiesen, das neue Statut bis zur Publikation des in Arbeit befindlichen Strafgesetzbuchs als Gesetz zu beobachten.

In demselben erklärt die Kaiserin: „Wir haben gleich bei Anfang Unserer Regierung auf Bemerkung, dass bei diesem sogenannten Zauber- oder Hexenprozesse aus ungegründeten Vorurtheilen viel Unordentliches sich mit einmenge, in Unseren Erblanden allgemein verordnet, dass solche vorkommende Prozesse vor Kundmachung eines Urtheils zu Unserer höchsten Einsicht und Entschliessung eingeschicket werden sollen; welch' Unsere höchste Verordnung die heilsame Wirkung hervorgebracht, dass derlei Inquisitionen mit sorgfältigster Behutsamkeit abgeführet und in Unserer Regierung bisher kein wahrer Zauberer, Hexenmeister oder Hexe entdecket worden, sondern derlei Prozesse allemal auf eine boshafte Betrügerei, oder eine Dummheit und Wahnwitzigkeit des Inquisiten, oder auf ein anderes Laster hinausgeloffen seien, und sich mit empfindlicher Bestrafung des Betrügers oder sonstigen Uebelthäters, oder mit Einsperrung des Wahnwitzigen geendet haben. [277] Gleichwie Wir nun gerechtest beeifert seynd, die Ehre Gottes nach allen Unseren Kräften aufrecht zu erhalten und dagegen Alles, was zu derselben Abbruch gereichet, besonders aber die Unternehmung zauberischer Handlungen auszurotten, so können Wir keinerdings gestatten, dass die Anschuldigung dieses Lasters aus eitlem altem Wahne, blosser Besagung und leeren Argwöhnigkeiten wider Unsere Unterthanen was Peinliches vorgenommen werde; sondern Wir wollen, dass gegen Personen, die der Zauberei oder Hexerei verdächtig werden, allemal aus rechtserheblichen Inzichten und überhaupt mit Grunde und rechtlichem Beweise verfahren werden solle, und hierinfalls hauptsächlich auf folgenden Unterscheid das Augenmerk zu halten sei: ob die der bezichtigten Person zur Last gehenden den Anschein einer Zauberei oder Hexerei und dergleichen auf sich habenden Anmassungen, Handlungen und Unternehmungen entweder 1) aus einer falschen Verstellung und Erdichtung und Betruge, oder 2) aus einer Melancholey, Verwirrung der Sinnen und Wahnwitz, oder aus einer besonderen Krankheit herrühren, oder 3) ob eine Gottes und ihres Seelenheils vergessene Person solcher Sachen, die auf eine Bündniss mit dem Teufel abzielen, sich zwar ihres Ortes ernsthaft, jedoch ohne Erfolg und Wirkung unterzogen habe, oder ob endlichen 4) untrügliche Kennzeichen eines wahren, zauberischen, von teuflischer Zuthuung herkommen sollenden Unwesens vorhanden zu sein erachtet werden.“

Die wahre Zauberei oder Hexerei soll nur da angenommen werden, „wo die Vermuthung Statt hat, dass eine erwiesene Unthat, welche nach dem Laufe der Natur von einem Menschen für sich selbst nicht hat bewerkstelligt werden können, mit bedungener Zuthuung und Beistand des Satans aus Verhängniss Gottes geschehen sei.“

Was die Bestrafung betrifft, so verfügt das Gesetz für den ersten der oben bezeichneten Fälle angemessene Leibesstrafe und, sofern der gespielte Betrug das Mittel zur Ausführung eines Verbrechens gewesen wäre, die auf dasselbe gesetzte Strafe mit Schärfung; für den zweiten [278] die Einweisung in ein Irren- oder Krankenhaus; für den dritten, je nach den Umständen, entweder die schärfste Leibesstrafe, oder, wenn bürgerliche Verbrechen oder Blasphemie konkurriren, geschärfte Todesstrafe bis zum Scheiterhaufen. „Wenn endlich viertens, — sagt das Gesetz, — aus einigen unbegreiflichen übernatürlichen Umständen und Begebnissen ein wahrhaft teuflisches Zauber- und Hexenwesen gemuthmasset werden müsste, so wollen Wir in einer so ausserordentlichen Ereignisse Uns selbst den Entschluss über die Strafart eines dergleichen Uebelthäters ausdrücklich vorbehalten haben; zu welchem Ende obgeordnetermassen der ganze Prozess an Uns zu überreichen ist.“

Ausserdem verbietet die Verordnung dem Richter alle Nadel-, Wasser- und andere Proben und bindet die Anwendung der Tortur an bestimmte Regeln. Der Eingang enthält einige wohlgemeinte Belehrungen über die Unvernünftigkeit des Hexenglaubens und leidet nur an dem historischen Irrthum, „dass die Neigung des einfältig gemeinen Pöbels zu abergläubischen Dingen hierzu den Grund gelegt habe“.

Wie König Friedrich Wilhelm I. das protestantische Preussen, so hat also die Kaiserin Maria Theresia das katholische Oesterreich von dem Vampyr der Hexenverfolgung erlöst. Man hätte nun erwarten können, dass damit dem Wahn der Hexerei und der Dummheit des Hexenprozesses im ganzen heiligen, römischen Reiche deutscher Nation ein Ende gemacht worden wäre. Indessen war dieses doch in den katholischen Landen des Reichs nicht überall der Fall.

In dem jetzigen Donaukreise des Königreichs Württemberg bestand das (Prämonstratenser-) Reichsstift Marchthal (jetzt Standesherrschaft des Fürsten von Thurn und Taxis). In diesem Stift kam vor dem Oberamt zu Ober-Marchthal — der Residenz des Fürstabts — noch in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts eine ganze Reihe von Hexenprozessen vor, in denen auf das Entsetzlichste gefoltert worden ist. Wir besitzen genaue [279] Abschriften von Original-Prozessakten[285] aus den Jahren 1746 und 1747, die sich auf die Hinrichtung von sechs angeblichen Hexen (von denen je zwei Mutter und Tochter waren), die sämmtlich in dem Einen zum Stiftsgebiet gehörigen (am Federsee gelegenen) Dorfe Alleshausen aufgegriffen waren, bezogen; ausserdem erhellt aus diesen Akten, dass nicht lange vorher zwei Schweizerinnen in Ober-Marchthal verbrannt worden waren. Alle acht Unglückliche waren durch die Folter zum Geständniss gebracht worden. Diese Geständnisse waren die gewöhnlichen, Lossagung von Gott, der Mutter Gottes und allen Heiligen, Abschliessung eines Bundes mit dem Teufel, Besuch der Hexensabbathe, Anbetung des Teufels, Verunehrung der bei der Kommunion heimlich aus dem Munde genommenen Hostien, die beim Hexentanz zerstampft wurden, fleischliche Vermischung mit dem Teufel, Verursachung von Unwetter, Anstiftung von allerlei Malefizien u. s. w. Das Urtheil lautet auf Strangulirung oder Hinrichtung mit dem Schwerte durch den Scharfrichter und Verbrennung der Leichen zu Asche. — Von besonderem Interesse ist die Urgicht, welche einer Barbara Bingesserin von Alleshausen abgemartert war. Aus derselben erhellt, dass diese siebenundfünfzigjährige Frau im Dorfe als Hexe verschrieen worden war, dass man allerlei Schädigungen, von denen einzelne Ortsangehörige betroffen worden waren, ihren Hexenkünsten zugeschrieben und dass sie darum wiederholt das Oberamtsgericht flehentlichst gebeten hatte, das ihr zur Last Gelegte zu untersuchen und sie gegen fernere Verleumdung in Schutz zu nehmen. Statt jedoch diese Bitte der Verunglimpften zu beachten, hatte das Gericht dieselbe verhaften und in den Hexenthurm bringen lassen. Sie sollte sich nun der ihr zur Last gelegten Malefizien schuldig bekennen. Die Aermste wusste nicht, wie ihr geschah; aber das Gericht ging ihr alsbald mit der Verbal-Territion und da diese erfolglos war, auch mit der Real-Territion [280] zu Leibe. Doch war auch hiermit nichts aus ihr herauszubringen. Daher wurde das Weib auf die Folter gespannt und gemartert, — einmal, zweimal, — ohne dass sie zum „Geständniss“ zu bringen war, bis sie endlich den ihr im Kerker beigegebenen Wächtern, von denen sie unablässig mit der Aufforderung ihre Schuld zu bekennen gepeinigt ward, zuschrie, „dass sie ein schlimmes Weib sei, dass sie eine schlimme Hand habe, und dass eben Jedermann, den sie nur anrühre, einen Schmerz empfinde, krank und elend werde“. Nunmehr aber, nachdem die Unglückliche so weit gebracht war, durfte man hoffen, mittelst fortgesetzter Tortur alle noch wünschenswerthen Geständnisse aus ihr herauszupressen, damit sie für den Scheiterhaufen reif werde. Daher heisst es in der Akte weiter: „Endlich und nach mehrmaliger Tortur, Exorzismos und Benedictiones hat der allmächtige Gott an dem heil. Weihnachtsabend ihr steinhartes Herz berührt und erweicht, wo sie dann ohne ferneren geringsten Zwang aussagt und bekennt u. s. w.“ Nunmehr folgt dann in der Akte eine Fülle von Geständnissen. Ihr Teufel, mit dem sie (auch noch im Hexenthurm) gebuhlt hatte, wurde von ihr „der Tambur“ genannt. Derselbe hatte, nachdem er sie blutig gegriffen, sie als „Bärbel“ in sein Buch eingetragen. Sie war unzähligemal auf dem Hexentanz gewesen, und hatte daselbst lecker gegessen und getrunken, war aber immer hungrig nach Hause zurückgekehrt. Der Teufel hatte ihr zum Oeftern Geld gegeben, das wirkliches Geld war, mit dem sie ihre Noth lindern konnte; dafür hatte sie aber vor Allem ihrem eigenen Manne an seinen Kühen und Pferden fortwährend Schaden zufügen müssen. Sie liess sich auch zu dem Geständniss treiben, dass sie ihre Tochter „Annele“ mit zum Hexentanz verführt, dass auch diese mit dem Teufel gebuhlt, die Hostie zertreten und allerlei Schaden angerichtet habe, fügte aber hinzu: „Sie habe ihr Kind mit auf diesen Schelmentanz und Weg genommen, und wolle es nun auch mit sich in die Ewigkeit nehmen. Es sei ihr ein liebes Kind gewesen und sei ihr noch lieb bis auf diese Stunde. Ja, wenn ihr das Kind jetzo unter das [281] Gesicht kommen würde, wollte sie ihm sagen: Annele, wir haben einander allezeit lieb gehabt, jetzo wollen wir auch miteinander in die Ewigkeit gehen und sehen, dass wir in den Himmel kommen.“

Natürlich wurde nun auch die Tochter von dem Gericht sofort gepackt und mit der Mutter konfrontirt. Es mag eine herzzerreissende Begegnung gewesen sein. Die Tochter wusste von dem Allem, womit die Mutter sie belastet hatte oder belastet haben sollte, gar nichts und die Mutter — nahm alle ihre Geständnisse wieder zurück. Da musste die Tortur wiederum helfen und sie half so, dass die Schuld der Mutter und der Tochter in den Augen des Oberamtsgerichts nun ganz unzweifelhaft war. — Schliesslich wurde die Mutter vom Gericht befragt, „warum sie ihre so vielfältigen schweren Sünden und verübten Missethaten, wegen welcher sie zum Theil überwiesen gewesen, nicht gleich anfangs und in Güte einbekannt, sondern sich lieber so hart habe strecken und schlagen lassen wollen.“ Sie antwortete: „sie habe nicht bekennen können, der böse Feind habe es ihr nicht zugelassen, habe ihr viel versprochen aber nichts gehalten. Sie habe die Schläge und Streiche alle gar wohl empfunden und sei derentwegen allerdings elend, krumm und lahm geworden. Der böse Feind habe ihr nichts nützen oder helfen können, auch sie an ihren vielen Wunden und Schmerzen nicht geheilt. Jetzo habe sie Gott in ihrem Herzen und hoffe sammt ihrem Annele, mit dem man sie schon jetzo heben und legen müsse, in den Himmel zu kommen.“ —

Von diesen Prozessen hat man seiner Zeit keine besondere Notiz genommen; ein anderer aber, der ebenfalls in einem geistlichen Fürstenthum Deutschlands vorkam, hat mehr von sich reden gemacht.

Zu Würzburg, in der fürstbischöflichen Residenzstadt, spielte sich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein Drama ab, — die Hinrichtung der hochbetagten Nonne Maria Renata im Jahr 1749, — das den Zorn der Kaiserin Maria Theresia erweckt hat, weil es zu den Schandflecken in der Geschichte der deutschen Nation gehört. [282] Man hat in Würzburg lange Zeit Anstand genommen, dem Wunsche derer, welche im Interesse der Geschichtswissenschaft die Prozessakten einzusehen wünschten, zu entsprechen; und auch die aktenmässige Darstellung des Vorfalles, welche im Laufe des Jahres 1878 veröffentlicht wurde, ist unvollständig[286]. Es muss angenommen werden, dass die Folter, deren auch in dieser aktenmässigen Berichterstattung keine Erwähnung geschieht, dennoch zur Anwendung gekommen ist. Aber selbst wenn diese Annahme unbegründet sein sollte, ist das, was im Uebrigen über den Vorfall nunmehr in glaubhaftester Weise bekannt geworden ist, so beschaffen, dass die Hinrichtung der Nonne Maria Renata zu Würzburg in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts als eines der grausigsten und schandbarsten Ereignisse in der Geschichte der deutschen Nation jener Zeit sich kennzeichnet.

Die Nonne Maria Renata Sängerin von Mohan gehörte seit fünfzig Jahren dem Kloster Unterzell bei Würzburg an. Geistig nicht unbegabt, war sie in ihrem neunzehnten Lebensjahr durch den Machtspruch der Eltern ins Kloster verwiesen worden, wo sie allerdings späterhin zur Würde einer Subpriorin erhoben ward, aber sich doch niemals recht heimisch fühlte, vielmehr in sich gekehrt und abgeschlossen lebte und darum in dem Schwesternkreise keine Sympathien fand. Sie war schon hochbetagt, als eine erkrankte alte Nonne dem Probste des Klosters [283] auf dem Sterbebette erklärte, das tödtliche Uebel, an welchem sie leide, sei ihr angethan worden und zwar durch die Subpriorin Maria Renata, die schon seit langer Zeit zum grossen Nachtheil der Schwestern allerlei teuflische Praktiken treibe. Der Probst suchte der Kranken diesen bösen Argwohn aus dem Sinne zu reden, jedoch ohne Erfolg. Pflichtschuldigst machte er daher von der ihm gewordenen Mittheilung Anzeige, infolge dessen ein Pater Siard und Genossen den Nonnen durch Exorzismen zu helfen sich bemühten. Dabei ergab es sich denn allerdings, dass einzelne Nonnen Teufel im Leibe hatten; und diese Teufel zeigten sich sehr ungeberdig. Da schrie z. B. den Pater Siard aus dem Leibe einer Nonne Maria Cäcilie, eines Edelfräuleins von Pistorini, ein Teufel mit den Worten an: „Du verfluchter weisser Hund, wie plagst und quälst du mich!“ Der Exorzist kam aber nicht aus der Fassung und zwang den Dämon seinen Namen anzugeben. „Ich heiss Navadonesah,“ schrie der Teufel, jede Silbe deutlich artikulirend, und als der Exorzist den Namen nicht gleich verstand und nach demselben nochmals fragte, fistulirte der Unhold: „Du Ochsenkopf hast gewiss Saublasen vor den Ohren; lass einen Sauschneider kommen, damit er sie dir abnehme.“ — Gänzlich unfähig, den kirchlichen Beschwörungsformeln zu widerstehen, mussten sich indessen die Dämonen dazu herbeilassen, aus den besessenen Nonnen herauszubekennen, dass sie in diesen allerdings durch die zauberischen Praktiken der Subpriorin Wohnung erhalten hätten.

Die Verdächtigte beging nun einen argen Fehler; sie behauptete nämlich, die angeblich durch sie in diabolische Besessenheit gebrachten Schwestern verstellten sich nur oder wären von unglücklicher Einbildung geplagt, indem es Besessene, Zauberer und Hexen gar nicht gebe. Nach dem Hexenhammer war die Unglückliche hiermit als Ketzerin erwiesen, d. h. als eine Person, die recht wohl mit dem Teufel im Bunde sein konnte, wesshalb die gegen sie erhobenen Anschuldigungen jetzt um so grösseres Gewicht hatten. Die greise Subpriorin ward [284] daher eines Tages, als sie gerade vom Chor der Kirche zur Clausur gehen wollte, verhaftet. Hierüber bestürzt, bat sie um die Erlaubniss, in ihr Zimmer gehen zu dürfen. Da sie diese Bitte jedoch zweifelsohne nur in der Absicht aussprach, „ihr darin sich befindliches Zauberwerk auf Seiten zu räumen,“ so wurde darauf keine Rücksicht genommen. Hernach, als man ihr Zimmer durchsuchte, fand man auch „ihren Schmierhafen, ihre Zauberwurzel und Zauberkräuter, sodann auch einen goldgelben Rock, in welchem sie zu ihrem gewöhnlichen Hexentanz auszufahren pflegte.“ Auf fürstbischöflichen Befehl wurde nun die Verhaftete des geistlichen Habits entkleidet, auf dem Marienberg eingekerkert und vor eine aus zwei geistlichen Räthen und zwei Jesuitenpatres zusammengesetzte Inquisitionskommission gestellt. Die Prozedur begann und bald war Maria Renata zur Ablegung eines Geständnisses gebracht. Auf welchem Wege dieses erpresst worden ist, weiss man freilich auch jetzt noch nicht — unzweifelhaft darum, weil es durch Anwendung der Folter geschehen ist. Maria Renata gestand nämlich, dass sie schon als Kind von sechs bis sieben Jahren durch ein altes Weib, einige Jahre später durch einen Reiter, und wiederum im elften und im dreizehnten Jahre durch zwei Offiziere, „so aber vermuthlich verstellte Teufel gewesen,“ zur Hexerei und Buhlerei verführt und angeleitet worden, und weil die Hölle den Namen Maria nicht dulden könne, so habe man ihren Namen in Erna Renata umgewandelt. Zwölf Jahre alt, war sie „schon so weit gekommen, dass sie unter dem unglücklichen Zaubergesindel bei den Zusammenkünften als eine Ehrendame nahe bei dem Throne des Fürsten der Finsterniss einen vornehmen Sitz erhielt.“ Etwa neunzehn Jahre alt wurde Maria Renata wider ihren Willen in das Kloster Unterzell gebracht, wo sie zur Verdeckung ihrer Teufelei den Chordienst und alle ihre sonstigen Obliegenheiten mit ausserordentlicher Pünktlichkeit erfüllte. Sie gestand auch, dass sie, nachdem sie mit dem Teufel einen Pakt gemacht und in das Hexenbuch eingetragen worden sei, von dem Teufel mehrere Hexenzeichen an [285] ihrem Leibe erhalten habe, dass sie vermittelst ihrer Hexenschmiere und in einem gestärkten Röcklein öfters zu den Hexenversammlungen ausgefahren sei, in denselben öfters Gott und die Maria abgeschworen, mit dem Teufel wiederholt Unzucht getrieben; dass sie drei Personen ausserhalb des Klosters das Hexen gelehrt, die Hexerei mit Lebendigmachen von Mäusen und Unterhaltung einer redenden Katze selbst getrieben, durch solche Hexerei nicht nur den Klosterprobst und den Abt von Oberzell zu schädigen getrachtet, sondern auch sechs Personen im Kloster, sowie anderen Leuten ausserhalb desselben mit Verursachung der Auszehrung, heftiger Gliederschmerzen, Gicht und anderer Krankheiten wirklichen Schaden zugefügt, ja sogar in sechs ihrer Mitschwestern den Teufel hineingehext, den Pater Gregorium zu Kloster Ebrach und den Pater Nicolaum zu Kloster Ilmstadt in ihrer Vernunft verwirrt und irrig gemacht, die in der heil. Kommunion empfangenen heil. Hostien mehrmalen nicht hinuntergeschlungen, sondern solche in den See, auch zu dreimalen in das geheime Ort, ja auch einmal mit Nadelstichen in öffentlicher Hexenversammlung gottesräuberisch misshandelt zu haben[287].

Auf dieses „Bekenntniss“ hin dekretirten die Inquisitoren am 23. Mai 1749, dass „Maria Renata um dieser schweren Verbrechen und Missethaten willen aller christlichen Freiheiten und Privilegien verlustiget und dem weltlichen Richter zu extradiren sei, von Rechtswegen,“ jedoch mit dem Ersuchen, dass man an der armen Sünderin keine besondere „Gliederstümplings-Strafe“ vornehmen möge. Das Gericht verurtheilte alsbald die überführte und geständige Hexe zur Einäscherung bei lebendigem Leibe, welches Urtheil der Bischof jedoch mit Rücksicht auf „die zarte Jugend, in welcher Maria Renata zur Hexerei verführt worden,“ dahin änderte, dass die Hexe enthauptet und darauf ihr Leichnam verbrannt werden sollte.

Am 21. Juni 1749, früh Morgens zwischen acht und [286] neun Uhr wurde demgemäss die Exekution vollzogen. Nach der Aussage eines hexengläubigen und teufelsfürchtigen Augenzeugen bezeigte „die Renata in ihrer Todesstunde in Allem eine so vollkommene Gelassenheit, dass man hätte glauben sollen, es könnten unmöglich solche Bosheiten von ihr verübt worden sein.“ Nachdem sich die arme Sünderin noch an einer Weinsuppe gelabt, trat sie von dem Benediktiner Maurus als Beichtvater und von dem Domprediger und Jesuitenpater Georg Gaar als „Galgenpater“ begleitet, den Weg zum Schaffot an, welches „in der mittleren Bastei (von Marienberg) gegen Höchberg zu“ aufgerichtet war. Zunächst wurde ihr von dem hochfürstlichen Malefizsekretär im Beisein des Hofschultheissen und zweier Stadtgerichtsschöffen im Kerker das Urtheil vorgelesen, dann wurde sie — „angethan mit einem braun, schwarz getupften kattunenen Kontuschel, einem langen Rock, weissem Nonnenschurz, weissem Halstuch, unten eine weisse Nonnenhaube und oben eine schwarztaffente Matrazenhaube, in Summa eine alte und arme Tetter-Hex,“ auf einem eigens hierzu angefertigten Stuhle, „weilens sie zu gehen unvermögend“[288] zum Richtplatz getragen, wo ihr alsbald der Kopf abgeschlagen ward. — Zuschauer wollten während der Exekution in den Lüften einen Geier gesehen haben, der nur der verkappte Teufel sein konnte! Der Leichnam der Hexe wurde sodann durch „Nachtarbeiter“ von der Festung herab und auf einen am Waldsaum gen Büttelbrunn zu gelegenen Platz getragen, „wo vordem auch Hexen verbrannt worden.“ Bevor der daselbst aufgeschichtete Scheiterhaufen in Brand gesteckt wurde, um den Leib der todten Hexe zu verzehren, hielt der Galgenpater und Domprediger Georg Gaar von der Gesellschaft Jesu eine salbungsreiche Rede an die versammelte Menge[289]. Er preist die weise Strenge der [287] Gesetze gegen die Zaubergreuel, erzählt Renatens Geschichte aus den Verhörakten und knüpft erbauliche Betrachtungen daran, welche zum Text die Worte hatten: „Maleficos non patieris vivere.“ „Warum aber Gott, — heisst es unter andern, — zu diesen unseren Zeiten das so lange verborgene Uebel und getriebene Teufelshandwerk ans öffentliche Tageslicht habe ausbrechen lassen, stehet mir zwar nicht zu, hierin die geheimen göttlichen Rathschlüsse zu erforschen; jedoch bedünket es mich, es sei geschehen aus folgenden Ursachen: Erstlich wegen denen Ungläubigen; denn es gibt zu unsern Zeiten solche Leute, welche weder an Hexen, noch Zauberer, noch an Teufel, noch an Gott selbsten glauben. Sie seind Atheisten und vermeinen, es sei keine andere Substanz, als welche nur körperlich oder leiblich ist, anzutreffen. Diese Ungläubige müssen aus dermaliger Begebenheit (wann sie nicht völlig vernunftlos seyn wollen) unwidersprechlich erkennen, dass auf der Welt sein Hexen und Zauberer, mithin auch Teufel, von welchen sie ihre Künste erlernen. Gehet hin, ihr Atheisten, nach Unterzell, um jene Ordenspersonen, welche Maria Renata bezaubert, anzuhören: was gilt's, ihr werdet gestehen, dass in diesen Menschen verborgen sei? Weilen aber das, was verborgen ist, man weder sehen, noch fühlen oder mit Händen greifen, sondern nur aus denen Wirkungen merken kann, so muss es nothwendig ein leibloses und geistliches Wesen sein; folglich muss es Geister geben; und weilen die einheimischen Feinde oder Geister in denen Besessenen auf die Kirchenbeschwörungen gedemüthiget, endlich auch ausgetrieben, so müssen wir daraus schliessen, dass sie einem weit mächtigeren Geiste, nämlich Gott, welchen die Kirche anruft, unterworfen seien. Intelligite insipientes in populo, et stulti aliquando sapite, Ps. 33. v. 8; merkt es doch, ihr [288] Unweisen unter dem Volk, und werdet einmal witzig, ihr Narren. — Zweitens bedünkt es mich, Gott habe die Zauberei Mariae Renatae lassen offenbar werden wegen denen Glaubigen, damit sie reifer, als zeithero sich zu Gemüth führten, wie nothwendig es uns allen sei, dass wir wider das zauberische Geschwader, welches grösser ist, als wir uns etwan einbilden, täglich geistliche Waffen ergreifen: auch was grosse Obsorg denen Eltern obliege für ihre Kinder, welche, wenn sie allerhand Gesindel anvertraut, oder auch von ihren Eltern verfluchet und verwünschet werden, leicht ins Teufels Hände und Stricke verfallen. Drittens wegen jenen boshaften Christen, welche durch ihre Punktirkunst, Zauberspiegel oder sonst aberglaubische Händel das, was von dem freien Willen Gottes und derer Menschen allein abhängt, zu wissen beginnen. Die sollen ihre Augen eröffnen, dann auch sie (obschon sie es nicht vermuthen) unter die Teufelszunft gehören und nach aller Schärfe seind abzustrafen. Viertens will Gott durch das gegenwärtige Spectacul alle Unlauterkeit, welche (wie ich es aus vielen Geschichten erweisen könnte) zur Zauberei die nächste Vorbereitung ist, denen Weltkindern verleiden.“

Dieser würzburger Hexenprozess, weniger merkwürdig an sich selbst als durch die Zeit, in welche er fällt, veranlasste eine literarische Fehde über das Hexenwesen, welche die Macht, die der Hexenglaube noch immer ausübte, noch schreckhafter erkennen liess als dieser Prozess selbst.

Eben damals hatte sich nämlich in Tirol ein Mann als Gegner der Hexenverfolgung erhoben, den man bisher nur als tüchtigen humanistischen Gelehrten kennen gelernt hatte. — Girolamo Tartarotti[290] (den wir meinen) am 2. Januar 1702 zu Roveredo geboren, hatte in Padua und Verona Theologie und alte Literatur studirt, war dann als Abbate nach Roveredo zurückgekehrt, wo er späterhin, [289] nachdem er längere Zeit in Innsbruck, Rom und Venedig gelebt hatte, seinen bleibenden Aufenthalt nahm, und zur Bekämpfung des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung ein umfassendes Werk über die angeblichen nächtlichen Versammlungen der Hexen veröffentlichte[291]. Tartarotti suchte in seiner Schrift, nachdem er eine ausführliche Abhandlung über die Geschichte des Aberglaubens vorausgeschickt, in allerlei Weise die Nichtigkeit der Hexerei darzuthun. Er sagt z. B. in Buch II.: „Man behauptet, die Hexen begeben sich mit solcher Schnelligkeit durch die Lüfte zu ihren Sammelplätzen, dass kein Vogel und kein Pfeil ihnen nachfolgen könnte. Sie seien im Stande, eine Strecke von zweihundert Leucas (siebenhundert bis achthundert italienische Meilen) in vier bis fünf Stunden zurückzulegen. Wie sollte dieses aber für menschliche Lungen möglich sein, ohne sich der Gefahr des Erstickens auszusetzen? Und wenn die Hexen wirklich, wie ebenfalls behauptet wird, durch die kleinsten Ritze, Thürspalten u. s. w. ihren Ausgang zu nehmen vermögen, warum benützen sie diese Fertigkeit nicht im Kerker zu ihrer Befreiung? Alle ihre Aussagen über ihre nächtlichen Fahrten, Zusammenkünfte, Tänze, Buhlschaften und Gastereien mit dem Teufel seien nichts als Phantastereien, was auch aus den unsinnigen und lächerlichen Umständen erhelle, unter denen diese Dinge vorkommen sollten, z. B. dass die Hexen bei ihren Tänzen sich stets nach links bewegen, dass sie den Teufel adoriren, indem sie ihm den Rücken zukehren, dass sie rückwärts gekehrt sich demselben nahen, dass sie, indem sie ihn um etwas bitten, ihre Hände rückwärts ausstrecken u. dgl. m. Auch könne nachgewiesen werden (was wohl zu beachten sei), dass die angeblichen Hexen gerade dann am zahlreichsten sich vermehrten, [290] wenn sie am härtesten verfolgt würden. Man möge von aller Verfolgung abstehen und diejenigen Personen, welche wirklich als Hexen gelten wollten, als Irrsinnige behandeln; dann werde es bald keinen Zauberer und keine Hexe mehr geben. Man habe wohl in der angeblichen Uebereinstimmung der Aussagen der Gefolterten einen Beweis für die Wirklichkeit des Hexenwesens finden wollen. Allein eine durchgehende Uebereinstimmung liege gar nicht vor. Manche z. B. sagen, sie hätten den Satan in Menschengestalt gesehen; die Maria Bertoletti, die 1716 bei Roveredo als Hexe hingerichtet sei, beschreibe ihn als ein Ungeheuer mit den Hörnern eines Bockes und dem Schweife einer Schlange. Uebrigens lasse sich die Aehnlichkeit der Aussagen vieler Hexen leicht dadurch erklären, dass ihnen die Richter die gleichen Fragen vorzulegen pflegten, deren Beantwortung dann mittelst der Tortur ganz so, wie es die Richter verlangten, erpresst werde.“ — Schliesslich spricht sich Tartarotti über die Gründe aus, die ihn zu der Annahme berechtigen, dass der Hexenglaube allmählich ganz aufhören und aus den Köpfen der Menschen für immer verschwinden werde („e dalla mente degli uomini prenda un perpetuo esilio“).

Uebrigens unterschied Tartarotti zwischen Hexerei und Magie, welche letztere er wirklich glaubte und deren Thatsächlichkeit er aus der Schrift und Tradition zu erweisen suchte. Tartarotti stand also auf dem Standpunkt Weiers, was dem greisen Francesco Scipione Maffei zu Verona (1675 †1755) Veranlassung gab, ihm in zwei Schriften[292] [291] klar zu machen, dass der Glaube an Magie ebenso widersinnig sei als der an Hexerei, und dass jene mit dieser stehe und falle.

Nach dem Erscheinen des Buches, welches überall das grösste Aufsehen machte, wurde Tartarotti von vielen Seiten her auf das Freudigste begrüsst. Der greise Abbate Ludovico Muratori (†1750), Bibliothekar des Herzogs von Modena, einer der intelligentesten Gelehrten Italiens im achtzehnten Jahrhundert, schrieb an Tartarotti mit Beziehung auf den eben erschienenen Congresso notturno: „Diese Frage (vom Hexenwesen) ist von Dir mit solcher Klarheit behandelt worden, dass ich vollkommen überzeugt bin, kein Anhänger des Delrio werde sich je wieder erheben, um gegen Dich auf den Kampfplatz zu treten. Denn dem allgemeinen Gelächter würde Der sich aussetzen, der es noch wagen sollte, die vulgäre Ansicht zu vertheidigen.“

Tartarotti mochte auch selbst glauben, dass es nunmehr mit der Hexenverfolgung aus sei, als er zu seiner grössten Ueberraschung die Predigt zu Gesicht bekam, welche der Jesuit Georg Gaar bei der Verbrennung der Nonne Maria Renata zu halten sich nicht gescheut hatte. Da war also der traditionelle Hexenglaube ganz unverhüllt aufs Neue feierlichst verkündet worden. Sofort fertigte er daher eine italienische Uebersetzung der Predigt Gaars an, und liess dieselbe, mit sehr scharfen Glossen ausgestattet, in Verona drucken, — womit eine sich durch viele Jahre hinziehende Fehde ihren Anfang nahm. Der Pater zu Würzburg, für den der Hexenglaube so fest stand wie das Evangelium, blieb natürlich die Antwort nicht schuldig, sondern erwiderte die elf Glossen Tartarotti's mit einer anscheinend grundgelehrten Replik, in deren Vorwort er bemerkt, „dass ein bis jetzt in Deutschland ganz unbekannter Autor, er wisse nicht von welchem Geiste getrieben, mit einer sehr lahmen Kritik seiner Predigt hervorgetreten sei, und dadurch nicht nur diese Predigt, sondern auch alle Tribunale Europa's sich nicht gescheut habe zu verlästern.“ Nun fand allerdings Tartarotti einen sehr geschickten Vertheidiger an seinem talentvollen Schüler [292] Jos. Bapt. Graser, Lehrer der Rhetorik am Gymnasium zu Roveredo[293]; allein gleichzeitig sah auch derselbe eine ganze Reihe blinder Fanatiker die Lanze zum Schutze des alten Hexenglaubens einlegen. Unter denselben war der verbissenste und für jede Verständigung unzugänglichste der Franziskaner-Provinzial und Generaldefinitor Benedikt Bonelli (†1783 zu Trident), der 1751 gegen Tartarotti eine ausführliche Schrift (Animaversioni critiche sopra il notturno congresso delle Lammie) zu Venedig erscheinen liess, worin die Lehre eines Delrio in jeder Beziehung vertreten und auf das hartnäckigste verfochten ward. Tartarotti und Bonelli wechselten nun noch (bis zum Jahr 1758) eine ganze Anzahl von Streitschriften; aber die letzte Schrift des verhassten Hexenfreundes wurde auf Andringen seiner ergrimmten Gegner zu Trident öffentlich durch den Henker verbrannt, während er selbst an schwerer Krankheit darnieder lag. — Tartarotti starb am 16. Mai 1761. —

Das bisher Erzählte lässt uns einen Einblick in die Gedankenwelt, welche in den katholisch-geistlichen Fürstenthümern herrschte, thun, der nicht erfreulich ist; ebensowenig erfreulich ist aber, was sich zu derselben Zeit in dem bedeutendsten weltlich-katholischen Fürstenthum Deutschlands, nämlich im Kurfürstenthum Baiern, darbietet. Hier hatte Kurfürst Maximilian Joseph (1745 bis 1777), von welchem das Volksschulwesen des Landes eigentlich zuerst begründet, viele Klöster reformirt und Feiertage abgeschafft worden waren, im Jahr 1759 die Akademie der Wissenschaften zu München begründet, deren Druckschriften der Censur der Universität d. h. der Jesuiten entzogen wurden, und deren Mitglieder es als ihre Aufgabe betrachteten, dahin zu wirken, „dass die Wissenschaften von allen Vorurtheilen gereinigt und zu jener Stufe der Vollkommenheit gebracht werden möchten, wie sie dieselben in den benachbarten Staaten rühmlichst blühen sahen.“

[293]

Daher hielt es im Jahr 1766 ein Mitglied der Akademie für ganz angemessen, bei schicklicher Gelegenheit in derselben einen Vortrag über die Nichtigkeit des Hexenwesens zu halten. Es war dieses der Theatinermönch Don Ferdinand Sterzinger[294]. Am 24. Mai 1721 auf dem Schlosse Lichtwörth im Unterinnthale, (welches seit längerer Zeit schon der adeligen Familie der Sterzinger von Sigmundsried gehörte) geboren, war Sterzinger im neunzehnten Jahre seines Lebens in den Theatinerorden eingetreten, hatte sich mit gutem Erfolge namentlich dem Studium der Geschichte und des kanonischen Rechts gewidmet, seit 1750 in seinem Orden anfangs zu Prag, dann zu München als Lehrer der Moral und Philosophie gewirkt und war von dem Kurfürsten Maximilian Joseph schon bei der Errichtung der Akademie der Wissenschaften in dieselbe aufgenommen worden.

Im Jahr 1766 geschah es nun, dass er als Mitglied der baierischen Akademie am 13. Oktober als am Namensfeste ihres fürstlichen Stifters eine Rede hielt, worin er zu beweisen versuchte, „dass die Hexerei ein ebenso nichts wirkendes als nichts thätiges Ding sei“[295]. Eine wirklich wissenschaftliche Bedeutung hatte diese Rede freilich nicht, indem sie nichts enthielt, was nicht schon von Maffei, dell Osa und anderen gesagt war und am Schlusse dem vulgären Hexenglauben noch die bedenklichsten Conzessionen machte. Sterzinger resümirte nämlich am Schlusse seiner Rede: Was also von Vielen für Hexerei gehalten werde, das seien nichts weiter als ganz natürliche Zufälle. Daher solle man nicht sogleich mit Exorzismen und Benediktionen zufahren, sondern die Sache durch unbefangene und urtheilsfähige Leute, namentlich [294] durch Aerzte untersuchen lassen. — Um nun aber nicht mit dem baierischen Strafrecht in Collision zu kommen, fuhr der Redner fort: „Ich merke schon, dass einige meiner werthen Zuhörer denken werden, wie es doch möglich wäre, dass so viele Hexen durch Feuer und Schwert aus der Gesellschaft der Menschen seien vertilgt worden, wenn sie weder die höllischen Geister in den menschlichen Leib bannen, weder durch Teufelskünste dem Nächsten schaden, Donner und Hagel erregen, in der Luft herumfahren oder einen Bund mit dem Satan machen können? Allein verdienen nicht Diejenigen den Tod, welche den heiligsten Namen der unendlichen Majestät Gottes lästern, den Teufel anrufen, ihn heidnisch anbeten und von ihm Hülfe und Beistand verlangen? Machen sich nicht diejenigen des Bluturtheils schuldig, welche, um ihren bösen Willen zu erfüllen, unschuldige Kinder tödten, die Leichen der Todten ausgraben, dem Nächsten gröblich zu schaden suchen und tausend andere Bosheiten ausüben, wenn auch die Hexerei, wie wir unablässlich behaupten, in sich selbst ein eitles und leeres Nichts, ein Vorurtheil und Hirngespinnst verrückter Köpfe ist?“ —

Ueber den unmittelbaren Eindruck dieses Vortrags berichtet der Graf Joh. Zech in der Gedächtnissrede, die er als Mitglied der Akademie im Sitzungssaale derselben zum Andenken an Sterzinger am 22. Februar 1787 hielt: „Kaum wurde diese Rede, wie gewöhnlich, abgelesen, so entstanden, wie man in einem schattigen Walde das unversehene Sausen des Windes in den Gipfeln belaubter Aeste vernimmt, schon während der Ablesung besondere Gährungen in den Gemüthern der Zuhörer. Man lispelte sich sogleich stille, wechselweise Entdeckungen ins Ohr, ja man glaubte kaum das Herabgelesene verstanden zu haben. Man eilte nach Hause und spitzte die Federn zu Widerlegungen etc.“

So stand es damals um die Intelligenz der Träger der Wissenschaft in Baiern, wesshalb es nicht Wunder nehmen kann, dass, nachdem die Kunde von dem Vortrage Sterzinger's wie ein Lauffeuer durch das ganze Land gegangen [295] war, dessen Name alsbald in allen Schichten der Gesellschaft mit Grimm und Verachtung genannt ward. Er wurde überall als Frevler am Glauben verschrieen. Auch traten, nachdem die Rede im Druck erschienen war, aller Orten literärische Verfechter des Hexenglaubens auf. Zunächst erschien eine Streitschrift unter dem Titel: „Urtheil ohne Vorurtheil über die wirkend- und thätige Hexerey, abgefasset von einem Liebhaber der Wahrheit, 1766. Mit Erlaubnis der Oberen.“ Im Verlaufe des nun beginnenden Streites zeigte es sich, dass der Verfasser ein Augustinermönch und Professor der Theologie zu München, Agnellus Merz war. Derselbe entwickelte und verfocht (also „mit Erlaubnis der Oberen“) in seinem Pamphlet folgende Lehre: „Unter der heutigen und sogenannten Hexen- und Zauberkunst verstehen wir nichts Anderes als ein ausdrückliches oder geheimes Bündniss mit dem Teufel, kraft dessen man sich demselben gegen die von ihm versprochenen Vortheile als eigen übergibt. Diese Vortheile vonseiten der Hexe oder Unholde bestehen hauptsächlich in folgenden Wundern: dass sie an gewissen Tagen, an bestimmten Orten in einer wollüstigen Zusammenkunft alle Ergötzlichkeiten mit dem Satan geniessen, der sie auf Böcken, Besen, Gabeln u. dergl. abzuholen pfleget oder verbunden ist, dass sie nach ihrem Belieben zum Schaden eines Landes, einer Gemeinde, eines Bürgers schädliche Stürme, Ungewitter, Hagel, Regengüsse in der Luft erregen dürfen; dass sie endlich die erschreckliche Gewalt haben, des Nächsten Vieh, Kinder oder andere Leute zu bezaubern oder zu lähmen, ja ganze Legionen der Teufel in den Leib der Unschuldigen hineinzusperren, und was dergleichen mehr ist. Der Vortheil hingegen vonseiten des Teufels ist der einzige Seelenraub.“ — Also die Dämonenlehre Delrio's wurde noch im Jahr 1766 offiziell als Lehre des Augustinerordens verkündet!

Ein zweiter Bestreiter der Rede Sterzinger's erhob sich in der Person des Benediktiners Angelus März im baierischen Kloster Scheyern, der zu Freysing gegen ihn eine „Kurze Vertheidigung der Hex- und Zauberey [296] wider eine dem heiligen Kreuz zu Scheyrn nachtheilig-akademische Rede, welche den 13. Oktober 1766 von P. Don Ferdinand Sterzinger abgelesen worden“, erscheinen liess. Motive, Geist und Styl des ehrwürdigen Paters zeigen sich am anschaulichsten im §. 7 seiner Abhandlung, den wir, weil er überdiess einige interessante Nachrichten über den damaligen Stand des religiösen Lebens in Baiern gibt, vollständig einrücken.

„Die akademische Rede ist nachtheilig dem H. Kreutz zu Scheyrn. Das ehemal eines durchleuchtigsten, und dermal Glorwürdigst regierenden Churhauses Bajern uralte Stammenschloss, dessen eigentlichen Erbauer, ich neulich entdecket zu haben glaube, nunmehro aber Benediktiner-Kloster Scheyrn hat allein vor andern Gotteshäusern Deutschlands die Ehre, sich mit dem grössten und mit Blut besprengten Particul vom wahren Kreutz Christi zu rühmen. Wie und auf was Art wir dieses erhalten, ist allen durch ein gedrucktes Buch unter dem Titel: Kreutz im Kreutz schon bekannt. Nur allein kommet hier zu erinnern vor, dass sich dessen Verehrung nicht nur mit grossen Eifer angefangen, sondern auch immerdar mit noch grösseren fortgesetzet worden. Wie denn ein unsterblicher Held, und Churfürst in Bajern Maximilian der Zweite, ein Durchleuchtigster Karl Philipp Churfürst in der Pfalz, ein Grosser Karl Albert nachmahl Römischer Kayser, Sr. Durchleucht Eminenz Johann Theodor, und viele andere Durchleuchtigste Häupter auch bei izigen Zeiten sich persönlich zu diesen begeben, und mit tiefester Ehrfurcht angebettet haben. Die Andacht und Vertrauen kamme endlich so weit, dass man um dessen Verehrern ein Genüge zu leisten, theils von Messing, theils von Silber kleine gegossene Kreutzl an dem wahren Partickel anrühren, und ihnen überlassen musste, welche auch bis auf izige Stunde als ein, absonderlich wider Hex- und Zauberey, dienendes Mittel von allen sind erkennet worden, wie aus einem gedrückten, und den Fremdlingen zu gebenden Zettel erhellet, dessen Innhalt wir anhero setzen: Die an solchem hochheiligen Partickel benedicirt, und anberührte Kreutzlein [297] (welche sogar die Unkatolischen an vielen Orten wegen ihrer grossen Kraft hoch schätzen) dienen sonderbar wider die gefährliche Donner und Schauer-Wetter, dann Zauber- und Hexereyen - - - -, demmet den bösen Feind in den besessenen Personen, machet das krank- und bezauberte Vieh wieder gesund u. s. f. — Hochwürdiger Herr Akademicus! ist die Hex- und Zauberey ein Fabelwerk, eine Blödsinnigkeit, ein Vorurtheil schlechtdenkender Seelen, so sind wir Scheyerische Väter schändliche Betrüger, Wort- und Maulmacher, wie man zu reden pflegt, gleich jenen Marktschreyern, welche die hoche Berge, wo sich ein Kaiser Maximilian verirret hat, auf- und abklettert. Die Folge ist zu klar, als dass sie einer weiteren Probe nöthig ist. Da nun dieses nicht nur der Ehre der scheyerischen Religiosen sehr nahe kommt; sondern auch dem dasigen Heil. Kreutzpartickel sehr nachtheilig ist, wie darfen Sie sich wunderen, wenn da und dort eine Probe aus der Feder geschlichen, der keinen Khylus, oder Milchsaft machen wird. Nicht nur in Bajern, Schwaben, Böhmen, Oesterreich, Mähren und Ungarn, sondern auch in Sachsen und Poln werden die Scheyerisch an dem wahren Partickel anberührte Kreutzlein absonderlich wider Hex- und Zauberey, wider gefährliche Schauer, und Donnerwetter theils andächtig verehret, theils nützlich gebrauchet, also dass man bei 40,000 derselben nicht selten in einem Jahre hat ausgetheilet. Wäre aber nichts anders, als leere Einbildung, histerische Zustände, nächtliche Träume, kein anders, als nur natürliches, und durch keine Hex- und Zauberey erregtes Ungewitter zu förchten: wie würde inskünftig die Andacht und Vertrauen gegen dem Heil. Kreutz bestehen können, und zwar bei Christen, von welchen man sagen kann: Nisi signa et prodigia videritis, non creditis. Was lächerliche Andacht wäre diese? was ungereimtes Vertrauen?“ U. s. w.

Zur weiteren Beglaubigung legt der Pater März ein mit priesterlichem Eide bekräftigtes, untersiegeltes und dreifach unterzeichnetes Instrument bei, in welchem ein Karmeliter von Abensberg seine Heilung durch ein scheyerisches [298] Kreuz erzählt. Das Wunder erfolgte im Jahr 1719, das Dokument ist von 1738. Der Karmeliter hatte sich, wie er sagt, plötzlich von einem so starken Zauberwerk angesteckt gefühlt, dass er Stimme, Sprache und Verstand verlor. Sein Beichtvater legte ihm ein „an dem wahren Partikel berührtes Scheyrer Kreuz“ auf das Haupt, gab ihm auch ein wenig mit diesem Kreuze geweihtes Oel zu kosten, und der Patient fand sich bald wieder hergestellt, nachdem er zuvor an drei Tagen nach einander verschiedene Zauberstücke durch Erbrechen ausgeworfen hatte, nämlich:

„Am
ersten
Tage.
    1)Einen Partickel eines haarichten Leders.
2)Einen Partickel eines versilberten Papiers, welches einen Engelskopf vorstellte.
3)Einen Flintenstein (dessen ziemliche Grösse annoch bei uns zu ersehen ist).
    4)Einen halben Kopf eines Hechtes.
5)Einen Hufnagel.
6)Einen kleinen Zwirn, dessen Farbe nicht zu erkennen.
7)Etwelche Partickel eines wächsernen Tachtes [Dochtes].
 
Am
zweiten
Tage.
    1)Etwelche S. V. mit einem Faden zusammen gebundene Schweinborste.
    2)Zween Partickeln eines abgenutzten Tuches.“
 U. s. w.

Von den Argumenten des Paters Angelus März für das Dasein der Hexen dürfen wir schweigen; es sind die längst bekannten[296], nur in der eigenthümlichen Sprache dieses Schriftstellers vorgetragen. War aber der Pater kein grosser Gelehrter, so war er doch ein ganz guter Taktiker. Auf der Rückseite des Titels steht in schwabacher [299] Schrift als Motto folgende Stelle aus dem baierischen Strafcodex: „Böse Gemeinschaft mit dem Teufel, durch desselben praemeditirt und geflissene Beschwörungen mit aberglaubischen Ceremonien, oder da man durch zauberische Mittel jemand an seinem Leben, Leibs- oder Gemüths-Gesundheit, Vieh, Früchten, Haab und Guth, oder auf welcherley Weis es immer seyn mag, schaden thut, wird ohne Unterscheide, ob der Schaden gering, oder gross, mit dem Schwerdt bestrafft. Maximilianus Josephus utriusque Bavariae Dux etc. Codicis criminal. Parte prima, Cap. 8. §. 7. n. 2.“ — In der Vorrede heisst es dann weiter: „Die Critic, welche den Hochmuth zu einem Vater, und die Begierde manchen Halbkatholischen zu gefallen für eine Mutter hat, ist wohl ein schlimmes Kind. Der hocherleuchte Akademicus, will eben jenen, ob schon ein Ordensmann, weis nicht warum? gefallen: da er andere entgegen als schlechtdenkende Seelen verachtet, will er seinen erhabenen Geiste beweisen.“ Die Abhandlung selbst aber beginnt mit der Frage: Was von jenen zu halten, welche keine wirkende und thätige Hexerei erkennen? Und hier steht sogleich im Vordergrunde die Erzählung von Wilhelm Edelin, der den Tod erlitten habe[297], weil er als Teufelsgenosse die Wirklichkeit der Hexerei leugnete.

Ausser den Genannten traten noch verschiedene andere Kämpfer für den Hexenglauben gegen Sterzinger auf, z. B. ein junger Jurist Joh. Mich. Model, der in einer Broschüre die „Ausfahrt der Hexen wider den heutigen Hexenstürmer P. Ferd. Sterzinger“ vertheidigte; dann ein Benediktiner des Klosters Niederaltrich, P. Beda Schallhammer, der einen dicken Quartband, 30 Bogen stark, in lateinischer Sprache (Dissertatio de Magia nigra critico-historico-scripturistico-theologica, Straubing 1769) zur Vertheidigung des Hexenglaubens gegen Sterzinger erscheinen liess. — Doch fand Sterzinger in diesem Kampfe auch Freunde und Vertreter. Unter denselben befand sich auch sein jüngerer Halbbruder Don Joseph Sterzinger [300] (†1821 als Bibliothekar zu Palermo), der anonym die satyrische Schrift „der Hexenprozess, ein Traum, erzählt von einer unpartheiischen Feder im Jahr 1767“ publizirte. Am eifrigsten nahm sich jedoch des vielfach Angegriffenen ein pseudonymer Schriftsteller, der sich „F. N. Blocksberger, Benefiziat zu T.“ nannte, in mehreren Schriften an. An den P. Angelus in Scheyern richtete er ein humoristisches „Glückwunschschreiben“ (gedruckt zu Straubing 1767), worin er ihn dazu beglückwünschte, dass er mit so unvergleichlicher Geschicklichkeit die Hexerei und die Hexenprozesse vertheidigt und dem bösen Don Sterzinger nach Gebühr die Leviten gelesen habe, da er letzteren einen „Abgesandten des Teufels“, einen „theologischen Marktschreier“, einen „Stiefeltheologen“ etc. hiess[298].

Sich selbst vertheidigte Sterzinger seinem verkappten Gegner, dem Augustiner Merz, gegenüber in einer besonderen Schrift[299], und dem offenen trat er vor dem Konsistorium in Freysing entgegen. Vor letzterem erhielt er im Ganzen weder Recht, noch Unrecht. Zwar meldeten schon triumphirende Briefe aus Baiern, die Rede des Akademikers sei zu Freysing verdammt worden und werde nächstens in Rom als eine „oratio scandalosa und haeretica ad valvas geschlagen werden“[300]. Indessen kam es in der That nicht so weit. Der Kläger und der Beklagte erhielten die Auflage, „in dieser Materie eine moderate Schrift herauszugeben“, und Sterzinger leistete dieser [301] Forderung Genüge, indem er in der dritten Auflage seiner begierig gelesenen Rede seine frühere Behauptung, dass die Hexerei ein Vorurtheil schlecht denkender Seelen sei, dahin abänderte, dass er dieselbe nun zum Vorurtheil seicht denkender Seelen machte. Die beiden Väter Merz und März sahen sich übrigens noch verschiedenen sehr derben Abfertigungen von Anhängern Sterzinger's blossgestellt, und der Streit, in welchem sich sehr wenig Neues und Gründliches[301], aber sehr viel gutwillige Halbheit auf der einen und dummdreiste Anmassung auf der andern Seite dargelegt hatte, war bald ganz vergessen.

Uebrigens begegnen wir eben damals in Baiern allerlei Vorkommnissen, welche beweisen, dass der Dämonenglaube und die Hexenverfolgung hier von jeher ganz besonders heimisch gewesen war. Denn nicht nur ward hier noch 1754 ein dreizehnjähriges Mädchen hingerichtet, und 1756 ein vierzehnjähriges Mädchen, weil es mit dem Teufel Umgang gepflogen, Menschen behext und Wetter gemacht habe, enthauptet[302], sondern es wurde bei den kurbaierischen Landgerichten sogar noch im Jahr 1769 eine amtliche Instruktion zum „Malefiz-Inquisitions-Prozess[303] eingeführt, welche ganz und gar dem Hexenhammer entsprach. [302] In demselben werden den Richtern zunächst die genauesten Belehrungen über das „Laster der Zauberei, Hexerei oder Schwarzkunst“ gegeben, wobei zwischen Schwarzkünstlern (magi), eigentlichen Zauberern (praestigiatores), Segensprechern (incantatores oder exorcistae), sowie necromanticis, Wahrsagern (haruspices, arioli), Veneficis und eigentlichen Hexen (sagae, lamiae, striges) oder Unholden sorgfältig unterschieden wird. — Diese Letztgenannten, die „Gabelfahrerinnen, Hexen und Hexenmeister thuen Ungewitter, Riesel, Donner und Blitz in den Lüften erwecken, trachten nach Menschen und Viehs Untergang, — besuchen die Zusammenkünfte der Teufel und anderer Hexen und reiten dahin auf Gabeln, Stecken und Besen, halten auch beiderlei Geschlechts bei.“

„Die Schwarzkünstler, Hexen und Zauberer machen mit dem Teufel einen ordentlichen Pakt, sie verleugnen die allerheiligste Dreifaltigkeit, den christlichen Glauben, die seligste Mutter Gottes, die lieben Heiligen, alle Kirchen-Sacramenta, treten deren Bildniss, das heilige Kreuz, mit Füssen, lassen sich auf des obersten Teufels Namen und in aller anderen Teufel Namen umtaufen, schwören denselben die Treue, beten ihn mit gebogenen Knieen an, unterschreiben sich mit ihrem eigenen Blut, geloben (sich) ihm an und gebrauchen ohne Unterlass seinen Beistand, werden auch von ihm an unterschiedlichen Orten des Leibes mit verschiedenen Figuren gezeichnet, allwo sie hernach keine Empfindlichkeit haben, küssen den Teufel von hinten und vorn, treiben mit demselben (wie ich darvor halte) ihrer Einbildung[304] nach Unzucht und fleischliche Vermischung, — tragen versteckter Weise die heil. Hostien mit sich auf die Hexentänze und Convente, haben viele Jahre aufeinander ihre Teufel als Puller und legen dergleichen, wenn sie von ihren Ehemännern aus dem Bett [303] hinweggefahren, statt ihrer unter menschlicher Gestalt zu dem Ehemann in das Bett an die Seite.“

Hierauf wird bezüglich der „Anzeigen dieses allerabscheulichsten Lasters“ mit Berufung auf die Auctorität Carpzov's ausgeführt, dass es „in den heimlichen und schwer zu probirenden Verbrechen genug“ sei, dass Muthmassungen vorhanden; denn „eine muthmassliche und aus wichtigem Argwohn entsprungene Probe ist diessfalls für vollkommen und entscheidend zu achten.“ Daher hat man zunächst nur nach dem Rufe der Betreffenden zu fragen und demgemäss gegen sie vorzugehen.

Bezüglich des Prozessverfahrens ist nun zwar von der Anwendung der Folter nicht die Rede; dagegen wird eine Reihe der scheusslichsten Vorschriften des Hexenhammers wiederholt. Zunächst heisst es nämlich: „Wenn dergleichen Geschmeiss in Verhaft kommt, ist das Sicherste, der Oberbeamte befehle, man solle ihnen alle Haare abscheeren und sie durchgehends glatt und eben machen, auch wegen vielleicht habenden Zeichen visitiren, damit sie nichts Zauberisches mögen bei sich führen oder versteckt behalten, wie dann auch wohl geschicht, wenn man ihnen ein anderes Malefizhemd — zuwirft.“

Aus den für den Prozess vorgeschriebenen „Fragestücken“ ersieht man, dass die Doktrin des Hexenhammers in Baiern im Jahr 1769 noch vollständig aufrecht erhalten wurde, und dass die ganze Inquisition auf der nichtswürdigsten Suggestion beruhte. Am empörendsten sind hierbei wohl die zum Gebrauche bei Kindern vorgeschriebenen Fragen. Dieselben sollen zunächst durch freundliche Fragen gefangen werden: „Wie sie heissen? Ob sie ihre Eltern lieb haben? Ob sie schon zur Schule gehen? Was sie für Kameraden haben? Was diese können? Was sie mit ihnen spielen?“ u. s. w. Dann folgen die Fragen: „Warum sie dermalen nicht zu Hause bei dem Vater (Mutter), sondern hier im Amthaus sich befinden? Was sie neulich da und dort mit diesen getrieben? In wem es bestanden? Was, wie er es gemacht? Wer es ihm gelehrt? Wann, [304] wo, wer dabei gewesen? Wie oft sie es gemacht? — Wie lange das Wetter gedauert? Wem es vermeint gewesen und geschadet? Zu wem sie die Mäuse geschickt? Warum? Wie er ausgeschaut? — Wie oft sie auf dem Tanz gewesen? Wer sie hingeführt und was sie noch alldort gethan? Was ihnen dieser und jener, auch der Teufel versprochen?“ u. s. w.

Bei Erwachsenen soll sofort gefragt werden: „Ob er diese oder jene Personen kenne? Ob dieser ein Hexenmeister sei? Er müsse es wissen, weil er mit ihm Umgang gepflogen. Was ihm von dem jüngst gewesenen Schauerwetter bekannt? Wer dieses gemacht? Wo er um diese und jene Zeit gewesen? Von wem er das Hexen und Zaubern gelernt? Wie lange er solches treibe? — Was er für einen Glauben habe? Wie er dieses sagen möge, zumal er sich ja durch seine teuflischen Künste von Gott abgesondert? Was er zu seiner Kunst gebrauche? Woher er die Sachen genommen? Was der Teufel von ihm verlangt? Solle die Wahrheit sagen. Ob er sich demselben verschrieben? Auf wie lange und mit was für Umständen? Ob er Gott verleugnet? Ob er anders getauft und mit was für einem Namen? — Ob er mit dem Teufel Beischlaf gehabt? Wie oft und auf was für eine Weise? Wie dieser geheissen, wie er ausgesehen? Was sie hierbei und nach der Hand verspürt[305]? Zu was Zeit und an welchem Orte er auf dem Tanz gewesen? Was der Teufel geredet?“ u. s. w. u. s. w. — Besonders wird es dem Untersuchungsrichter noch zur Pflicht gemacht „auch auf die Complices zu inquiriren“.

Diese (von Schuegraf im Archive zu Kelheim aufgefundene und zuerst bekannt gemachte) Instruktion für die kurbaierischen Hexenrichter musste, da sie nicht gedruckt ward[306], von jedem Landgericht abgeschrieben werden. [305] Schuegraf macht nun dabei die für die damaligen Kulturverhältnisse Baierns ganz besonders frappante Mittheilung, dass man eben damals, gerade um die Jahre 1760–1769 anfing, die baierischen Pfleggerichte der vier Rentämter Straubing, Landshut, München und Burghausen zu klassifiziren, indem man jene, die am meisten Hexen und andere Verbrecher durch Feuer, Schwert etc. justifizirt hatten, die strengsten, jene aber, die in ihrer Jahrespraxis eine geringere Zahl von Hinrichtungen aufzuweisen hatten, nur strenge Halsgerichte zu nennen pflegte[307].

Grosse Bewegung rief damals in Baiern ein gewaltiger Teufelsbanner, der Priester Joh. Joseph Gassner hervor[308]. Derselbe verkündete, dass die Wirksamkeit des Teufels jetzt vorzugsweise in der Bewirkung von Krankheiten hervortrete, wesshalb ein grosser Theil derselben nicht mit Arzneien, sondern nur mit Beschwörungen und Exorzismen geheilt werden könnte. Einen mächtigen Gönner fand Gassner an dem Bischof von Regensburg, Anton Ignaz Grafen von Fugger, der ihn zu seinem Hofkaplan und geistlichen Rath ernannte. Da der genannte Bischof zugleich Propst von Ellwangen war, so begab sich Gassner dahin und begann hier an Besessenen und anderen Kranken seine Exorzismen zu experimentiren. Der Zulauf, den er hier fand, war so gross, dass im Dezember 1774 die Zahl der Hülfesuchenden über 2700 betrug. Um seine Teufelsbannerei noch mehr in Schwung zu bringen, veröffentlichte Gassner 1774 ein Schriftchen unter dem Titel: „Weise, fromm und gesund zu leben, auch ruhig und gottselig zu sterben oder Nützlicher Unterricht wider den Teufel zu streiten durch Beantwortung der Fragen: 1) Kann der Teufel dem Leibe der Menschen schaden? [306] 2) Welchen am meisten? 3) Wie ist zu helfen?“ (Kempten, 1774, 40 S.) Er meint in diesem Schriftchen, dass es drei Klassen vom Teufel geplagter Menschen gebe, nämlich circumsessi (angefochtene), obsessi oder maleficiati (verzauberte) und possessi (besessene). Für alle diese Geplagten gibt Gassner die Mittel der Heilung an. Vor Allem habe sich der Betroffene davor zu hüten, dass er die teuflische Plage und Schädigung für ein natürliches Leiden halte, indem Niemand die Wirklichkeit der dämonischen Zauberei leugnen könne, ohne sich „de religione suspectus“ zu machen. — Im folgenden Jahre zog Gassner nach Regensburg über und auch hier strömte viel Volks von allen Seiten (aus der Pfalz, aus Böhmen, Oesterreich und aus anderen Landen) herbei, um sich durch seine Bannsprüche von allerlei zauberischen Plagen, Besessenheit und sonstiger Krankheit heilen zu lassen. Endlich aber ward ihm das Handwerk gelegt. Der kaiserliche und der kurbaierische Hof, der Bischof von Costnitz und die Erzbischöfe von Salzburg und Prag untersagten ihm die fernere Ausübung seiner Teufelsbannerei. Auch in Rom wurde die Ostentation, mit der er seine (theilweise von ihm selbst redigirten) Exorzismen betrieb, gemissbilligt. Nebenbei wurde viel Staub durch Broschüren, die sich mit dem Teufelsbanner und Wunderdoktor beschäftigten, aufgewirbelt[309].

In diesem Federkrieg sprach sich seltsamer Weise nicht nur der berühmte Lavater zu Zürich einigermassen zu Gunsten Gassner's aus, indem er in diesem zwar keinen Wunderthäter aber doch einen starken Glaubensmann anerkannte, — sondern auch der kaiserliche Leibarzt Anton von Haen (der mit seinem Collegen, dem Freiherrn van Swieten als Hauptgegner des Hexenglaubens galt, und der einst drei angebliche, schon gemarterte und zum Scheiterhaufen verurtheilte Hexen gerettet hatte,) liess sich bestimmen, in einer Broschüre[310] dem Hexenglauben gewisse [307] Conzessionen zu machen. In einer zweiten Broschüre[311] „über die Wunder“ schloss freilich Haen seine Untersuchung damit, dass, da sich die wesentlichen Kennzeichen des Wunders bei den wunderbaren Heilungen Gassner's nicht vorfänden, dieser dieselben wohl mit Hülfe des Teufels verrichtet haben müsste.

Auch unter der Regierung des Kurfürsten Karl Theodor (1777–1799) dauerte die Herrschaft des Aberglaubens in Baiern ungestört fort. Fast jedes Kloster hatte seinen sogenannten Hexenpater, bei welchem man sich Rath und Schutzmittel zu holen pflegte, z. B. Agnus Dei und Lukaszettel. Eine Bäuerin aus dem Gerichte Pfatter bei Straubing, deren Kühe keine Milch gaben, fiel in die Schlingen eines solchen Hexenpaters, des Franziskaners Benno, der sie im Kloster trunken machte, dann unter dem Vorwande der Entzauberungszeremonien schändete und zuletzt zum Todtschlage an der neunzigjährigen Grossmutter ihres Mannes veranlasste. Als das Gericht nach langem Zögern die Verhaftung des Buben beschloss, musste es die Auslieferung desselben durch militärische Exekution vom Kloster erzwingen, und als derselbe endlich degradirt und zu lebenslanger Festungsarbeit verurtheilt war, legte sich Rom ins Mittel und bewirkte Begnadigung, so dass der Hexenpater mit zehnjähriger Suspension und eben so langem Klosterarreste durchkam. — „Seht, Leute! — sagt der Berichterstatter, dem wir diese Nachricht entnehmen, — so geht's bei uns in Baiern zu; die Pfaffen lachen über uns und mästen sich von unserm Schweiss. Wär's nicht eine von den nothwendigsten Neuerungen, dass bei uns die Bettelmönche, so wie die andern privilegirten Tagediebe aufgehoben, oder wenigstens ihr Wirkungskreis beschränkt würde? Aber das ist so ein Wunsch, der keine Erfüllung kennt, so lange wenigstens nicht kennen wird, als Frank Gewissensrath unsers durchlauchtigsten Karl Theodor bleibt“[312].

[308]

Im Umfange des heutigen Königreichs Baiern sah man sogar noch im Jahr 1775 die Tragödie eines Hexenprozesses vor sich gehen. Dieser Hexenprozess erfolgte im damaligen Stift Kempten, wo derselbe am 6. März 1775 begann und am 11. April 1775 zu Ende ging. Ueber den Verlauf desselben berichten wir wörtlich nach C. Haas, der denselben (in der Schrift „die Hexenprozesse“ S. 108 ff.) zum ersten Male (nach den Akten) mitgetheilt hat.

Eine arme Söldners- und Tagwerkerstochter Anna Maria Schwägelin von Lachen hatte frühe ihre Eltern verloren und musste sich ihr Brot mit Dienen erwerben. Im Dienste eines protestantischen Hauses knüpft der Kutscher des Herrn ein Verhältniss mit ihr an und verspricht ihr die Ehe unter der Bedingung, dass sie den katholischen Glauben verlasse und lutherisch werde. Dieses letztere vollzog die Schwägelin in Memmingen in einem Alter von etwa 30–36 Jahren (sie wusste im Verhör über ihr Alter nur zu sagen, dass sie in die dreissig oder nahezu vierzig Jahre alt sei). Nichtsdestoweniger liess sie der Kutscher sitzen und heirathete eine Wirthstochter von Berkheim. Hierüber erregt und zugleich in ihrem Gewissen beunruhigt beichtete sie die Sache einem Augustinermönche in Memmingen, der ihr gesagt haben soll: „es sei nunmehr genug, dass sie es gebeichtet und dass sie eine wahre Reue dagegen bezeuge, und sie habe nicht nöthig, dass sie wiederum neuerdings ein Glaubensbekenntniss ablege, wenn sie nur bei ihrem Vorsatz beharre.“ Bei ihrer Conversion in der Martinskirche zu Memmingen habe sie die Schwörfinger aufheben und sagen müssen, dass sie auf dem [309] lutherischen Glauben beharren wolle und dass die Mutter Gottes und die Heiligen ihr nicht helfen können. Die Mutter Gottes sei nur eine Kindelwäscherin und als ein anderes Weibsbild gewesen. Die Bilder von denen Heiligen seien nichts als zum Gedächtniss, keineswegs aber, dass man diese verehren solle. Gott allein könne ihr helfen, sonst Niemand. Da aber oben gemeldeter Augustiner in Memmingen wenige Tage nach der Beichte der Schwägelin apostasirte, so ward sie wieder unruhig und meinte, sie sei wohl von diesem Geistlichen nicht richtig absolvirt. Sie will daher hierauf die Sache einem Kaplan gebeichtet haben, der ihr jedoch die Absolution mit dem Bemerken verweigerte, der Fall müsse nach Rom berichtet werden. Alsbald aber sei der Kaplan auf einen anderen Dienst gekommen und die Sache sei liegen geblieben.

Seitdem irrte die Schwägelin von Dienst zu Dienst, und wurde schliesslich als vagirende und wahrscheinlich körperlich und geistig leidende Person in das Kempten'sche Zuchtschloss Langenegg (zwischen Kempten und Immenstadt) gebracht. Dort ward sie einer notorisch geisteskranken Person, Namens Anna Maria Kuhstaller, für wöchentlich 42 Kr. in Pflege und Aufsicht gegeben. Ihrer Aussage nach wurde sie von derselben sehr schlecht gehalten, elend genährt, oft Tage lang gar nicht, und dabei vielfach geschlagen und sonst misshandelt. Soviel steht wenigstens fest, dass sie schliesslich nicht mehr stehen und gehen und keine Hand mehr erheben konnte. Die Schwägelin gab dabei an, dass die Kuhstaller sie aus Eifersucht so arg misshandelt habe, weil diese befürchtet, sie mache ihr den Zuchtmeister abspännstig. Dagegen erklärte die Kuhstaller, sie habe der Schwägelin nur zweimal mit einem Stricke etliche Hiebe gegeben, weil sie gelogen habe und boshaft gewesen sei. Essen habe sie ihr richtig und genug gegeben, so gut sie es habe auftreiben können, was der Zuchtmeister Klingensteiner als wahr bezeugte.

In ihrem Unmuthe sagte einmal die Schwägelin, sie wollte lieber beim Teufel als in solcher Pflege sein. Das [310] benutzte die Kuhstaller, um alsbald bei Gericht anzuzeigen: die Schwägelin habe ihr einbekannt, dass sie mit dem Teufel Unzucht getrieben und Gott und allen Heiligen habe absagen und auf jene Weise und Art sich verschwören müssen, wie es ihr der Teufel vorgehalten habe. Auch habe sie die Schwägelin manchmal laut lachen und mit Jemandem sprechen hören, während doch Niemand bei ihr gewesen sei.

Diese Anzeige genügte, weil der Zuchtmeister sie bestätigte, die unglückliche, ganz gebrechliche Person „abholungsweise auf der sogen. Bettelfuhr“ am 20. Febr. 1775 nach Kempten ins Gefängniss schaffen zu lassen. Von da bis zum 6. März wurde sie nun zunächst durch den Eisenmeister Klingensteiner beobachtet, der auf Befragen über das Verhalten der Angeklagten deponirte: In der dritten Nacht ihrer Anwesenheit im Kerker habe man im Gefängnissofen ein Geräusch gehört, als ob etwas vom Ofen herabgefallen wäre. Er selbst freilich habe es nicht gehört, sondern es sei ihm von einem anderen Gefangenen erzählt worden. Aber er und seine Schwester hätten gehört, wie ihre Enten im Stalle geschrieen und hätten deren Unruhe gesehen, und zwar Nachts zwischen zwei und drei Uhr. Späterhin habe man nichts mehr gehört. Er, der Eisenmeister, habe die Schwägelin gefragt, ob sie wisse, warum sie ins Gefängniss gebracht worden sei. Darauf habe sie geantwortet: Ja, sie habe gesagt, dass sie Gott und allen Heiligen abgeschworen und mit dem Teufel Unzucht getrieben; allein das habe sie zur Kuhstallerin nur aus Furcht gesagt, weil sie sonst von derselben geschlagen worden sei. — Diese wollte sie also als Hexe anklagen und hatte das Geständniss erpresst!

Klingensteiner's Schwester Maria Anna deponirt: Der Vorgang mit den Enten habe seine Richtigkeit, indem dieselben nie so geschrieen wie damals. Uebrigens sei die Inquisitin „nicht nur an beiden Füssen so eingezogen, dass diese nicht einmal auf einen Stuhl, sondern immer auf dem Boden liegen müsse, wie denn auch ihre Hände ziemlich verdreht“ wären.

[311]

Die Voruntersuchung war nun geschlossen und die Angeklagte ward am 6. März vernommen. Die Personalien wurden protokollirt, dabei die Erzählung ihres Abfalls vom katholischen Glauben, ihrer Behandlung seitens der Kuhstallerin etc., wobei sie erzählte, sie habe der Kuhstallerin geklagt, dass die Maden ihr die Fersen auffrässen, sie solle doch machen, dass man ihr diessmal ein Mittel verschaffe, worauf diese geantwortet, dass ihr Hurenjäger (womit sie den Zuchtmeister gemeint,) ihr schon etwas geben werde. Auf ihre Klage über schlechte Kost habe sie von der Kuhstallerin Schläge bekommen unter Vermelden, sie habe von der gnädigen Herrschaft Erlaubniss sie zu züchtigen. Immer darüber berufen, dass sie es mit dem Teufel zu thun habe, habe sie aus Furcht vor Schlagen und anderer Misshandlung solches zugegeben und auf Andringen habe sie zuletzt auch dem Zuchtmeister erzählt, vor etwa fünf oder sechs Jahren sei der Teufel in Gestalt eines Jägers ihr in der Harth unweit Memmingen begegnet, mit dem sie sich damals versündigt habe. Sonst wisse sie nichts anzugeben.

Am 8. März erfolgte nun das zweite Verhör. Inquisitin bleibt dabei, dass sie nur aus Furcht und Angst der Kuhstallerin und dem Eisenmeister die Geschichte mit dem Teufel erzählt habe, um Ruhe zu bekommen und weil letzterer ihr versprochen, ihr dazu behülflich sein zu wollen, dass sie von Langenegg fortkomme. Trotzdem wurde aber diese Aussage als Geständniss angesehen und Inquisitin mit Fragen aller Art so bestürmt, dass sie verwirrt endlich auf die Suggestionen selbst einging und die lächerliche Aussage mehr und mehr ausspann, oder vielmehr sich ausspinnen liess, z. B., dass der Teufel ihr zuletzt gesagt habe, dass er der Teufel sei. — Hierauf geht das Verhör auf das Lutherischwerden u. s. w. über, und wird das Abschwören in der Martinikirche zu Memmingen zum Abschwören vom Teufel. Zur Unzucht mit dem Teufel, sagt die Angeklagte, sei es nicht gekommen, und sie könne es nicht anders sagen, auch wenn sie sterben müsse. — Auf die Frage, was ihr denn der Teufel versprochen, [312] antwortet sie: Der Teufel habe ihr Zeug (allerlei Sachen) schenken wollen. — Nun wird die Unglückliche immer von Neuem dazu gedrängt, dass sie gestehen soll, sie habe mit dem Teufel Unzucht getrieben; allein sie verneint es stets und bleibt dabei, dass sie ihre Aussage gegen den Zuchtmeister nur aus Furcht und Angst gethan habe.

Am folgenden Tage (9. März) wird die Unglückliche wieder ins Verhör genommen. Dasselbe beginnt wieder mit Fragen nach dem Lutherischwerden und geht sodann zur Erörterung ihrer Behandlung in Langenegg über. Inquisitin bleibt fest bei ihren früheren Aussagen. Auf Befragen zählt sie eine Reihe von Diensten auf, in denen sie gestanden, wiederholt, da sie wiederum nach ihrem Abfall vom Katholizismus und ihrer Unzucht mit dem Teufel befragt wird, ihre früheren Aussagen, gesteht aber endlich zu, dass der Teufel mit ihr Unzucht getrieben und sie mit Aufhebung von zwei Fingern habe schwören lassen, dass sie alles dasjenige halten wolle, was sie ihm versprochen habe (nämlich, dass sie ihm dienen wolle). Abermals wird sie nun aufgefordert zu gestehen, dass sie mit dem Teufel vollkommene Unzucht getrieben habe, was sie endlich mit Thränen im Auge und mit dem Bemerken, es werde sie ja das Leben nicht kosten, abermals bekennt.

Nun beginnt ein so schamloses Inquiriren nach dem Detail der Unzucht, dass die Unglückliche nicht weiss, was sie antworten soll. Sie wird nach Scheusslichkeiten gefragt, von denen sie noch nie gehört hat; aber der Verhörrichter ruht nicht, bis er aus ihr herausgepresst, was er in sie (durch seine Suggestionen) hineingelegt hat. Die Kuhstallerin, welche nachher verhöret wird, deponirt, dass sie die Schwägelin einmal habe zum Teufel sagen hören: es komme Jemand, er solle in ihre Truhe fahren.

In dem am 10. März fortgesetzten Verhör versichert Inquisitin sich mit dem Teufel nur Einmal, und zwar auf der Harth versündigt zu haben. Im Schlafe sei es ihr zwei- oder dreimal nur so vorgekommen. Sie klagt, „es werde ihr so wehe und sie könne schier nicht mehr schnaufen; heute Nacht habe sie gemeint, sie müsse sterben, indem [313] es ihr so schwer auf dem Herzen gewesen.“ Hierauf wird ihr erwidert: „ihr dermaliger Zustand, den sie dato anzeige, werde wohl ja und allein daher rühren, dieweilen sie dem Anschein nach bisher kein aufrichtiges Bekenntniss gethan habe. Sie solle daher ihre Sache aufrichtig bekennen.“

Endlich dahin gebracht, dass sie bekennt, der Teufel habe in jeder Nacht mit ihr Unzucht getrieben, geht sie nun auf alle Fragen, die sie vorher mit innerem Erbeben gehört hatte, ein, — so toll sie auch waren, — und beantwortet sie ganz nach Wunsch des Verhörrichters mit einfachem Ja. Zumeist betrafen die Fragen schon früher verhandelte Dinge. Plötzlich aber wird im Verhöre von etwas ganz Neuem, nämlich von einem Pakte mit dem Teufel gesprochen, den die Angeklagte eingestandener Massen eingegangen habe. Dieses geschah in der zweihunderteinundzwanzigsten Frage, in welcher der Richter dabei auf Frage hundertsechsundsechzig Bezug nahm. Die Frage hundertsechsundsechzig lautete aber: „Wie lange es angestanden, dass, nachdem sie lutherisch geworden, sie hernach Gott und alle Heiligen verleugnet und sich dem Teufel zugeeignet?“ an welche nun die Suggestivfrage zweihunderteinundzwanzig angeschlossen ward: „Sie habe ad interrog. hundertsechsundsechzig gesagt, dass sie erst in zwei Jahren danach, wie sie lutherisch geworden, diesen Pakt mit dem Teufel gemacht habe.“ Nun folgt noch eine lange Reihe von Fragen über die mit dem Teufel getriebene Unzucht (wobei die Angeklagte auf Befragen angibt, dass derselbe bald als Jäger bald als halberwachsener Bauersknecht zu ihr gekommen war,) bis man endlich am 30. März 1775 das crimen laesae majestatis divinae als constatirt ansehen und das Urtheil gefällt werden konnte, welches auf „Tod durch das Schwert“ lautete. Das Urtheil ist unterschrieben von „Treichlinger, Hofrath und Landrichter“ (der die Untersuchung geführt hatte), „Feiger, Hofrath“ und „Hofrath Leiner“. Die Bestätigung des Urtheils ist mit den Worten beigeschrieben: „Fiat iustitia! Honorius, Fürstbischof.“ Ein nachgetragenes [314] „Bey-Urthl“ lautet: „Auch ist zu Recht erkannt worden, dass wer der armen Sünderin Tod rächen oder hindern würde, in dessen (?) Fusstapfen gestellt werden solle.“

So verlief der letzte Hexenprozess auf deutscher Erde — im Jahr 1775!

Unter den französischen Gerichten war das Parlament von Bordeaux eines der hartnäckigsten. Es verbrannte noch 1718 einen Menschen, den es für überführt erklärte, einen vornehmen Herrn sammt dessen ganzem Hause durch Nestelknüpfen bezaubert zu haben[313].

Im Jahr 1731 wurde vor dem Parlament zu Aix der berüchtigte Prozess zwischen Katharine Cadière und dem Jesuiten Girard verhandelt. Letzterer war angeklagt, dieses Mädchen, sein Beichtkind, zur Unzucht gemissbraucht, entführt und ihre Leibesfrucht abgetrieben zu haben. Die Verführung und den Abortus sollte der Jesuit durch Zauberkräfte bewirkt haben. Indessen bewegte sich der ganze Handel auf einem allzu plattnatürlichen Boden, als dass die Richter auf solches Beiwerk hätten Rücksicht nehmen mögen, und der Prozess gehört nur der Rubrik der Anklage, nicht dem Charakter des ferneren Verlaufes nach unter die Zauberprozesse. Es waren in dieser Sache mächtige Interessen im Widerstreit. Der Procureur-General hatte den Antrag gestellt, dass Katharine Cadière als ruchlose Betrügerin und falsche Anklägerin gehängt werden sollte; die Majorität des Parlaments sprach jedoch dieselbe frei und verurtheilte den Jesuiten zum Scheiterhaufen. Indessen vereinigte man sich später dahin, ihn dem geistlichen Gerichte zu übergeben, und dieses sprach ihn los. Als er sich durch eine Hinterthüre wegschlich, erkannte ihn der Pöbel und überhäufte ihn mit Schmähungen[314].

Spanien endigte seine Hexenverbrennungen 1781 mit der Hinrichtung eines Weibes zu Sevilla, das des [315] Bundes und der Unzucht mit dem Teufel angeklagt war. Sie hätte, sagt Llorente, dem Tode entgehen können, wenn sie selbst sich des Verbrechens hätte schuldig erklären wollen[315]. — Noch 1804 wurden verschiedene Personen wegen Liebeszauber und Wahrsagerei von der Inquisition eingekerkert.

Die schrecklichsten Dinge trugen sich aber während des achtzehnten Jahrhunderts in der katholischen Schweiz zu[316].

Hier war es am 9. August 1737 geschehen, dass ein siebenzehnjähriges Mädchen, Katharina Kalbacher, in Zug vor dem Hexentribunale erschien, um Geständnisse abzulegen. Diese von frühester Jugend an verwahrloste Person hatte vorher eine Besprechung mit den Jesuiten in Luzern gehabt, die in ihr eine Besessene erkannt, und deren Rektor ihr die Weisung ertheilt hatte, zu thun, was er sie heissen werde, wenn sie von ihrem Stande erledigt sein wollte. Sie gab nun den gewöhnlichen Unsinn zu Protokoll, wollte schon als kleines Kind dem Teufel und der Zauberei ergeben gewesen sein, nannte dabei aber sechs Personen als Mitschuldige, zu denen sie späterhin, wahrscheinlich zur Fristung des eigenen Lebens, noch drei andere Personen hinzufügte, obwohl diese drei Personen bis dahin in allen peinlichen Verhören mit keiner Silbe erwähnt worden waren.

Die Angezeigten wurden nun alsbald vorgeladen und „in loco torturae“ d. h. in dem unter dem Namen Kaibenthurm bekannten scheusslichen Arrestlokal der Hexen vernommen[317].

[316]

Im ersten Verhör wiesen dieselben sämmtlich jedes Wissen von Zauberkünsten und jede Theilnahme an denselben einfach zurück, obschon ihnen von Anfang an mit Drohungen sehr ernst zugesetzt wurde. Daher schritt man alsbald zum peinlichen Verhör, zunächst mit der siebenzigjährigen Lisi Bossard. Diese alte Person wurde also „gesetzt“, dann „gebunden“ und mit dem „kleinsten Stein aufgezogen“[318], gab aber hängend „unter erschrecklichem [317] Geschrei aber ohne Zähren“ auf die Fragen: „ob es nichts mit dem Teufel gehabt, ob es nichts verderbt, ob es nichts wissen wolle über das Schlüsselloch, ob es kein Vieh verderbt“, ein beharrliches „Nein“ zur Antwort, worauf zu schärferen Torturen vorgegangen wurde, — mit demselben Erfolg.

Doch wir sehen hier von der grässlichen Behandlung der übrigen Angeklagten ab, um nur Eine derselben ins Auge zu fassen, deren Geschick uns darüber belehren mag, wie Menschen wirklich Teufel sein können.

Die Ehefrau Anna Gilli war am 12. August 1737, vierzig Jahre alt, in der vollen Kraft der Gesundheit und eines abgehärteten, starken Körpers vor ihre Untersuchungsrichter gebracht worden; und am 29. Januar 1738 ward sie zerschlagen, zerquetscht, zerfetzt und zerrissen an Fleisch und Knochen, kaum noch ein menschliches Aussehen an sich tragend, in der Ecke eines der Löcher im Kaibenthurm zusammengekauert, todt gefunden.

Das erste Verhör der Anna Gilli wurde damit eröffnet, dass man sie das Zeichen des Kreuzes machen, fünf Vaterunser und Ave Maria sowie den Glauben und die „offene Schuld“ beten liess, worauf die erste Frage folgte: „ob sie dem bösen Feinde widersage“, deren Bejahung sofort zu der Frage benutzt wurde, „ob sie von demselben etwas angenommen habe“, womit die Quälerei ihren Anfang nahm. Man hatte bei ihr im Stalle acht „Steckeln“ gefunden, von denen sie sagte, dass ihr Mann sie gemacht habe, um sie mit Knöpfen zu versehen, mit Scheidewasser anzustreichen und zu verkaufen. Allein das Gericht wollte in ihnen nun einmal die Besenstiele erkennen, mit denen sie zum Hexensabbath fahre, wesshalb sie sich des Bundes und der Buhlerei mit dem Teufel u. s. w. schuldig bekennen sollte. Da sie dieses nicht that, so wurde alsbald zur Tortur geschritten. Sie wurde entblösst, mit einem Hexenkleide angethan, „ist ihr dann [318] unseres Erlösers Jesu Christi ......[319] um den Leib gelegt und heilige und gesegnete Sachen an den Hals gehängt worden, wie auch Salz, das an einem Sonntag gesegnet war — ist auch exorzisirt worden, hat aber hierauf keine Zähre vergossen. Sind ihr hierauf im Weihwasser drei Tropfen von einer gesegneten Wachskerze gegeben, ist ihr hierauf wieder lange Zeit geistlich zugesprochen worden“, — mit diesen Worten beginnt das Protokoll des dreizehnten Verhörs, denn zwölfmal war sie bis zum 2. September, wo dieses Verhör stattfand, bereits gepeinigt worden. Fast in jedem dieser Verhöre hatte man sie stundenlang die Tortur auf der Folter mit Anhängung der schwersten Steine ertragen lassen, und da dieses nichts fruchtete, so waren noch andere Torturmittel zur Anwendung gebracht. Man hatte sie in die „Geige“[320] gespannt, ihr den „eisernen Kranz“ aufgelegt und schliesslich war sie „im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit“ nach Entblössung ihres Körpers erst auf dem Rücken, dann auf den Fusssohlen mit Haselstöcken zerhauen worden. Im vierzehnten Verhör (am 3. Septbr.) wurden ihr sogar über dreihundert Ruthenstreiche beigebracht[321]. Aber die teuflisch Gequälte blieb standhaft. Daher liess man sie jetzt bis zum 3. Oktober in ihrem scheusslichen Behälter in Ruhe. Da aber nahm das Verhör und die Tortur aufs Neue ihren Anfang. Man hatte nämlich in ihrem Hause ein Bündelchen mit Habermehl und ein Büchschen mit einer Salbe vorgefunden und die [319] Kalbacherin hatte ausgesagt, dass das angebliche Habermehl Gift sei, welches die Gilli zum Hagelmachen und Sterben des Viehes gebrauche. Ebenso hatte sie angegeben, dass die Gilli mit der Salbe ihre „Steckle“ zum Ausfahren verwende. Allein obgleich die Gilli sich bereit erklärte, das Habermehl sofort verzehren zu wollen, wenn man es ihr nur gebe, und obgleich der „Meister Nachrichter“, den man beauftragt hatte, mit dem angeblichen Habermehl an einem Hunde eine Probe zu machen, berichtete, er habe eine Handvoll davon einem Hund in einem Stück Fleisch und in Bratwurst beigebracht, dem es weder geholfen noch geschadet habe, so wurde die Unglückliche doch nochmals auf die Folter gespannt, und zwar mit Anhängung aller drei Steine an die Füsse. — Nach dieser letzten Tortur wurde sie nach Rathserkenntniss wieder in ihr kaltes Loch gesperrt, und bei etwas Suppe zu Mittag und etwas Brot zur Nacht bis zum 23. Januar in Ruhe gelassen. Da wurde sie plötzlich nochmals ins Verhör geführt. Die zermarterte Frau konnte nicht mehr gehen. Sie wurde abermals aufgefordert, sich als Hexe zu bekennen, gab aber keine Antwort, sondern brach lautlos zusammen. Die Richter hatten dabei noch die Rohheit, sie zu fragen, wesshalb sie nicht gerade stehen könnte. Als Antwort sprach sie die Bitte aus, dass man ihr etwas Wasser geben möchte.

Am 29. Januar 1738 ward sie endlich todt im Gefängniss gefunden. Das darüber aufgenommene Visum repertum theilt mit, „dass nachdem die Läufer besagte Person todt angetroffen, der Meister Nachrichter bei näherem Untersuch in einem der zwei hölzernen Gehäuse oder Keychen der obersten contignatio dieselbe in einer Ecke auf der rechten Schulter liegend, Hände und Füsse zusammengezogen und mit einem Skapulier und Rosenkränzchen am Hals, — auch ohne Merkmale eigenhändiger Gewaltthätigkeit gefunden; dass hierauf die wohlweisen und gnädigen Herrn des Stadt- und Amtsraths beschlossen, weil solche arme Person von den auf sie gewesenen Indizien durch grosse und vielfältige Pein sich purgirt und [320] nichts auf sie gebracht werden können, wollen M. g. Herrn sie nun als todt nicht für eine Unholdin erkennen noch traktiren, und um das so viel mehr, da sich aus dem Viso reperto durchaus zeige, dass diese arme Person nicht eines gewaltthätigen sich selbst angethanen Todes gestorben sei, sondern das Skapulier und Rosenkranz am Halse gefunden worden. Desshalb soll solche heute Nacht ohne Geläute und Lichter von den Läufern auf den Kirchhof getragen und in das Bettlerloch herunter gelassen werden.“

Ganz ebenso wie mit diesem standhaften, willensstarken Weibe wurde nun auch mit allen anderen Angeklagten verfahren. Bei allen dieselben Prozeduren und dieselben Torturen! Nur mit einigen Worten wollen wir hier noch das Schicksal des Marx Stadlin von Zug, seiner Frau und seiner Tochter Euphemia berühren. Diese drei Unglücklichen waren die von der Kathri Kalbacher ganz nachträglich am Tage vor ihrer beschlossenen Hinrichtung als Hexen Denunzirten. Marx Stadlin erlitt unter unsäglichen Schmerzen alle die Torturen, die wir bei der Gilli erwähnten, ohne sich ein Geständniss abpressen zu lassen. Das schreckliche Ende mehrerer dieser sogenannten Hexen auf dem Richtplatze, das er noch vor seiner Gefangennehmung mitansehen konnte, mag nicht wenig zu dieser Standhaftigkeit beigetragen haben. Ebenso ertrug auch seine Tochter Euphemia alle Martern. Dieses heldenmüthige, kaum achtzehnjährige Mädchen hat durch seinen starken Glauben an Gott, durch den Muth, mit dem sie lieber alle Martern erleiden und das Leben verlieren wollte, als die Wahrheit verleugnen oder, wie sie sagte, die Seele verlieren, ihr Leiden wie eine Märtyrerin getragen, und selbst ihre Richter in einem Grade stutzig gemacht, dass „solche unter der Zeit die h. Regierungshäupter um Rath fragen zu müssen glaubten, was ferner in der Sache zu thun sei.“ — Beide wurden schliesslich freigesprochen.

Weniger stark und fest war Stadlin's Frau, Anna Maria, geb. Petermann. „Sie wolle lieber sagen, sie sei eine Hexe, als so gemartert werden, — sie sei jetzt schon halb [321] todt.“ Etwa sechsmal widerrief sie ihre Geständnisse, bis sie schliesslich der fortgesetzten Tortur und Geisselung erlag und sich als Hexe bekannte.

Zum Schlusse unserer Berichterstattung über diesen Prozess theilen wir noch folgende in demselben vorgekommenen Erkenntnisse mit:

„Ueber die arme Sünderin Elisabeth Bossard, weilen diese vor vierzig Jahren durch Ableugnung Gottes und seiner Heiligen, auch wegen begangenen gottesschänderischen Verunehrung des Hochwürdigsten solche unmenschliche Verderbungen, nicht minder auch mit Vermischung mit dem Teufel sich entsetzlich verfehlet, dass diese arme Person vor dem Thurm hinter sich in ein Karren gesetzt, dreimal mit feurigen Zangen gerissen, als zum erstenmal allhier gleich nach Ablesung des Urtheils an der rechten Hand, das andere Mal am rechten Fuss gleich vor der Stadt auf der Schanze, und das dritte Mal gleich innerhalb des Schützenhauses an dem linken Fusse; hernach mit einem Vierling Pulver am Hals lebendig verbrannt, und also vom Leben zum Tode hingerichtet werde.“

„Ebenso soll das Margareth zweimal mit feurigen Zangen gerissen, ebenso ausgeführt und mit einem Vierling Pulver am Hals an eine Leider gebunden und ins Feuer gestossen werden.“

„Das arme Mensch Theresia Bossard soll gleich der anderen zur Stadt hinaus auf den gewohnten Richtplatz geführt und alldort die rechte Hand abgehauen und da sie den Strick am Hals und noch lebendig, die Zunge mit einer feuerigen Zange aus dem Mund gerissen, auch mit einem Strick an einer Stud erwürgt werden.“

„Ebenso soll das Anna Maria Bossard ausgeführt, mit feuerigen Zangen gerissen und verbrannt werden. Dieselben alle vier sollen zu Pulver und Asche verbrannt, nochmals die Asche unter das Hochgericht vergraben werden, damit ferner Niemandem kein Schade geschehen könne.“

Anna Maria Petermann wurde an einem Pfahl erwürgt und vorher mit feurigen Zangen gezwickt.

[322]

Weiter heisst es in den Erkenntnissen: „Die Kathri Kallbacherin soll aus sonderer Gnad, weil solche sich ihrer zwar grossen Unthaten selbst zu Handen einer hochweisen Obrigkeit angeklagt, auf dem Karren auf den Richtplatz geführt und daselbst mit dem Schwerte hingerichtet werden.“

Noch enthält das Protokoll das Urtheil über sieben Personen, die auf eben diese grausame Weise als Hexen hingerichtet wurden. —

So endete dieser entsetzliche Prozess, der — was wohl zu beachten ist — in Szene gesetzt wurde, nachdem es der alten aristokratischen Partei zwei Jahre vorher (1735) gelungen war, das Regiment des edlen, gerechten und freisinnigen Landamman Schuhmacher in Zug zu stürzen und diesen aus dem Lande zu verbannen. Der Prozess war die Frucht der Coalition der Aristokratie mit der Hierarchie und war die Siegesfeier derselben.

Uebrigens war er nicht der letzte Hexenprozess der Schweiz. In dem zum Königreich Preussen gehörigen Lande Neufchatel wurde noch im Jahr 1743 — also unter der Regierung Friedrichs d. G. — von dem Kriminalgericht zu Motiers ein Zauberer verurtheilt. Derselbe wurde erst gerädert und dann lebendig verbrannt[322]. Das letzte gerichtliche Opfer des Hexenglaubens während des achtzehnten Jahrhunderts fiel in der Schweiz im Jahr 1782 zu Glarus[323]. Anna Göldi, Dienstmagd des Arztes Tschudi, wurde enthauptet, weil sie das Kind ihres Herrn bezaubert haben sollte, so dass es Stecknadeln, Nägel und Ziegelsteine vomirte. Dieses Erbrechen hatte begonnen, als die Beschuldigte bereits seit drei Wochen ausserhalb Landes gewesen war. Ihr angeblicher Mitschuldiger, ein angesehener Bürger, erhängte sich voll Verzweiflung über den Schimpf, den man ihm anthat, im Gefängnisse. Das in diesem Prozesse hervortretende Parteienspiel der Patrizierfamilien, [323] das Benehmen der Aerzte und Theologen, das Hinzuziehen eines wahrsagenden Viehdoktors, die Entzauberungsprozedur durch die Angeschuldigte und das von reformirten Richtern gefällte Todesurtheil selbst geben einen traurigen Begriff von der damaligen Geistesbildung des kleinen Freistaates. Die Vorstellungen, die von dem aufgeklärten Zürich wohlmeinend herüberkamen, hatten kaum einen andern Erfolg, als dass die glarner Richter einen Euphemismus erfanden. Sie redeten in ihrem Urtheil von „ausserordentlicher und unbegreiflicher Kunstkraft“ und von „Vergiftung“, wo sie auf Zauberei erkannt haben würden, hätten sie nicht aus Zürich erfahren, dass ein Hexenprozess ihnen vor aller Welt Schande bringen müsste[324]. Das folgende Aktenstück wird den Charakter des Ganzen hinlänglich in's Licht stellen[325]:

Malefiz-Prozess und Urtheil
über die z. Schwert verurtheilte Anna Göldinn aus
dem Sennwald, verurtheilt den 6/17 Junii 1782.

Die hier vorgeführte bereits 17 Wochen und 4 Tage im Arrest gesessene, die meiste Zeit mit Eisen und Banden gefesselte arme Uebelthäterin mit Namen Anna Göldinn aus dem Sennwald hat laut gütlich und peinlichem Untersuchen bekennet, dass sie am Freytag vor der letzten Külbi allhier zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags aus des Herrn D. Tschudis Haus hinter den Häusern durch und über den Giessen hinauf zu dem Schlosser Rudolf Steinmüller, welcher letzthin in hochobrigkeitlichem Verhaft unglückhafter Weise sich selbst entleibet hat, expresse gegangen sey, um von selbem zu begehren, dass er ihr etwas zum Schaden des Herrn Doktors und Fünfer Richters Tschudi zweyt ältestem Töchterli Anna Maria, dem sie übel an sey, geben möchte, in der bekennten äusserst [324] bösen Absicht das Kind elend zu machen, oder dass es zuletzt vielleicht daran sterben müsste, weil sie vorhin von dem unglücklichen Steinmüller vernommen gehabt habe, dass wann man mit den Leuten uneins werde, er etwas zum Verderben der Leute geben könne. Auf welches sie ein von dem unglücklichen Steinmüller zubereitetes und von ihm am Sonntag darauf, als an der Kilbi selbst, überbrachtes verderbliches Leckerli im Beyseyn des Steinmüllers auf Herrn D. Tschudis Mägdekammer zwischen 3 u. 4 Uhr, als weder Herr D. Tschudi, noch dessen Frau, noch das älteste Töchterli zu Hause war, unter boswichtigen Beredungen, dass solches ein Leckerli sey, dem bemelten Töchterli Anna Maria beigebracht habe, wo ihr der Steinmüller bey gleich unglücklichem Anlass noch auf der Mägdekammer, zwaren da das Töchterlein das verderbliche Leckerli schon genossen gehabt, eröffnet habe, dass solches würken werde, nämlich es werde Guffen, Eisendrath, Häftli und dergleichen Zeugs von dem Kinde gehen, welches auch leider zum Erstaunen auf eine unbegreifliche Weise geschehen, wodurch das unschuldige Töchterlein fast 18 Wochen lang auf die jammervollste Weise zugerichtet lag. Bey solchem unter der betrüglichen Gestalt eines Leckerlis dem Töchterlein beigebrachten höchst verderblichen Gezeug liess es die hier stehende Uebelthäterin nicht bewenden, sondern erfrechte sich aus selbsteignem bösen Antrieb laut ebenfalls gütlich und peinlich abgelegtem Geständniss neuerdings in der letzten Woche, da sie noch bei Herrn D. Tschudi am Dienst stund, wo ihro nach ihrem Vorgeben damals das Töchterli in der Küchen die Kappe abgezerret habe, diesem Töchterli in sein mit Milch auf den Tisch gebrachtes Beckeli zu acht unterschiedlichen malen und noch über erfolgtes Warnen hin, jedesmal eine aus dem Brusttuch genommene Guffe, also zusammen 8 Guffen zu legen, in der bekennten schändlichen Absicht, damit wann man die Guffen gewahr werde und mit der Zeit Guffen vom Kind gehen möchten, man schliesse, dass das Töchterlein solche aus eigner Unvorsichtigkeit geschluckt habe, und dadurch die erste im Beyseyn [325] des Steinmüllers verübte Uebelthat, wegen des beygebrachten Leckerlis, verdeckt bleibe, von welchen Guffen zwaren das Töchterli keine empfangen hat, sondern solche allemal auf dem Tisch entdeckt worden sind.“

„Laut der unterm 13ten letzt abgewichenen Christmonat aufgenommenen Besichtigung, da die Uebelthäterin der Justiz noch nicht eingebracht worden war, ist das gedachte Töchterli elend, meistens ohne Verstand auf sein Lager gelegen, die Glieder waren starr, so dass weder die Arme noch Füsse, noch Kopf konnten gebogen werden, auch konnte es auf das linke Füsslein nicht stehen, und hat in Gegenwart der zur Untersuchung verordneten Ehren-Kommission öfters gichterische Anfälle bekommen.“

„Nach laut der neuerdings unterm 10. März dis Jahrs bei dem bemeldten Töchterlein aufgenommenen Besichtigung, da damalen die arme Uebelthäterin schon im Verhaft gelegen war, hatte das Töchterlein wiederum in Anwesenheit der Ehren-Kommission öfters kaum 2 Minuten dauernde Anfälle von gichterischen Verliehrungen der Sinne angewandelt, und das linke Füsslein war unveränderlich mit gebogenem Knie ganz kontrakt gegen den Leib gezogen, dergestalten, dass solches auch mit Gewalt nicht konnte ausgestreckt werden, auch beim geringsten Berühren sich schmerzhaft zeigte. Was in so langer Zeit das elende Töchterli seinen geliebten Eltern für Mühe, Kosten, Kreuz und Kummer verursacht hat, ist zum Erstaunen gross, indem laut eydlichen Zeugnuss der Eltern und anderer dabey gewesenen Ehrenleute in etlichen Tagen über 100 Guffen von ungleicher Gattung, 3 Stückli krummen Eisendrath, 2 gelbe Häftli und 2 Eisennägel aus dem Mund des Töchterleins unbegreiflicher Weise gegangen sind. Nachdem dieser armen Uebelthäterin die jammervollen Umstände des Töchterleins zu Gemüth geführet worden, hatte sie sich endlich nach vorläufig dreymal auf dem Rathhause nächtlicher Zeit, als den 11., 12. u. 14. März, vergeblich gewagten Versuchen erkläret, dass sie das Kind an dem Ort, wo sie solches verderbt, wiederum bessern wolle; wo also gleich, den 15. März, nächtlicher [326] Zeit man bemeldte Uebelthäterin in H. D. Tschudis Haus in die Küche, dahin sie zu gehen begehrte, führen liess, welche durch ihr in dem Untersuch beschriebenes Betasten, Drucken und Strecken an dem linken verkrümmten und kontrakten Füssli des Kinds, welches einige Zoll kürzer, als das rechte Füssli war, und darauf es weder gehen, noch stehen konnte, mit ihren blossen Händen so viel bewürkte, dass das Töchterli in Zeit 10 Minuten wieder auf das verderbte Füssli stehen und damit allein und auch mit Führen hin und hergehen konnte, wie dann diese Uebelthäterin das Töchterli an denen noch nachgefolgten zwey Nächten vermittelst ihrer auch im Untersuch ausführlich beschriebenen Bemühung wiederum nach allen Theilen zum grössten Erstaunen auf eine unbegreifliche Weise gesund hergestellt, so dass nach eydlichem Zeugnuss nach der Hand 2 Guffen nid sich von dem Töchterli gegangen sind, welches nun die wesentliche Beschreibung des Verbrechens samt der Krankheit und Besserung des Töchterleins ausmachet.“

„Wann nun hochgedachte M. G. H. und Obere vorbemeldtes schwere Verbrechen nach seiner Wichtigkeit in sorgfältige Erwegung gezogen und betrachtet die grosse Untreue und Bosheit, so die gegenwärtige Uebelthäterin als Dienstmagd gegen ihres Herrn unschuldiges Töchterlein verübet, betrachtet die fast 18 Wochen lang unbeschreiblich füchterliche unerhörte Krankheit und vorbemeldt beschriebene elende Umstände, welche das Töchterli zu allgemeinem grössten Erstaunen ausgestanden hat, nebst der von eben dieser Uebelthäterin bezeigten ausserordentlichen und unbegreiflichen Kunstkraft mit der einersmaligen zwar zum Besten des Töchterleins gelungenen plötzlichen Curirung desselben, und auch betrachtet ihren vorhin geführten üblen Lebenswandel, darüber zwaren sie, wegen eines in Unehren heimlich geborenen und unter der Decke versteckten Kind schon in ihrem Heimat von ihrer rechtmässigen Obrigkeit aus Gnaden durch die Hand des Scharfrichters gezüchtigt worden, und hiemit solche in keine weitere Beurtheilung fallet, wohl aber in traurige [327] Beherzigung gezogen worden, wie dass anstatt diese arme Delinquentin, wegen ihrer grossen Versündigung gegen ihr Fleisch und Blut sich hätte bessern und bekehren sollen, sich wiederum eine solche Greuelthat gegen das Töchterli des H. D. Tschudis ausgeübt hat; derowegen von hochgemeldten M. G. H. auf ihren Eyd abgeurtheilet wurde: dass diese arme Uebelthäterin als eine Vergifterin zu verdienter Bestrafung ihres Verbrechens und Andern zum eindruckenden Exempel dem Scharfrichter übergeben, auf die gewohnte Richtstatt geführt, durch das Schwerdt vom Leben zum Tod hingerichtet und ihr Körper unter den Galgen begraben werde, auch ihr in hier habendes Vermögen confiscirt seyn solle. Ob dann jemand wäre, der jetzt oder hernach des armen Menschen Tod änzte, äferte oder zu rächen unterstünde, und jemand darum bächte, hassete, oder schmähte, der oder die solches thäten, sollen laut unserer Malefiz-Gericht-Ordnung in des armen Menschen Urthel und Fussstapfen erkannt seyn, und gleichergestalten über sie gerichtet werden. Actum den 6/17 Juni 1782.

Landschreiber Kubli.“

In Polen, wo das Uebel arg gewüthet hatte, fand die preussische Regierung bei der Besitznahme von Posen noch die Prozesse vor. Scholtz gibt hierüber aus Nachrichten, die er selbst in Händen hatte, folgende Mittheilung: „Im Jahre 1801 fielen einer Gerichtsperson bei Gelegenheit einer Gränzkommission in der Nähe eines kleinen polnischen Städtchens die Reste einiger abgebrannten, in der Erde steckenden Pfähle in die Augen. Auf Befragen wurde von einem dicht anwohnenden glaubhaften Manne darüber zur Auskunft gegeben: dass im Jahre 1793, als sich eine königliche Kommission zur Besitznahme des ehemaligen Südpreussens für den neuen Landesherrn in Posen befand, der polnische Magistrat jenes Städtchens auf erfolgte Anklage zwei Weiber als Hexen zum Feuertode verurtheilt habe, weil sie rothe entzündete Augen gehabt und das Vieh ihres Nachbars beständig krank gewesen sei. Die Kommission in Posen habe auf erhaltene Kunde davon sofort ein Verbot gegen die Vollstreckung des Urtheils [328] erlassen. Selbiges sei aber zu spät angelangt, indem die Weiber immittelst bereits verbrannt worden“[326].

Ohne Zweifel ist dieses der letzte gerichtliche Hexenbrand gewesen, den Europa im achtzehnten Jahrhundert gesehen hat. Der Pöbel aber, unfähig zu begreifen, wie das Recht auf einmal zum Unrecht werden sollte, sah fast allerwärts nur mit Widerstreben die obrigkeitlichen Schritte gegen das gefürchtete Hexenvolk aufhören und hat bis auf die neueste Zeit herab nicht selten zur Selbsthülfe gegriffen. In England erstürmte 1731 eine wüthende Volksmasse die Sakristei einer Kirche, wohin man ein altes, schwaches Weib vor ihrer Verfolgung geflüchtet hatte, und schleifte die Unglückliche im Wasser herum, bis sie den Geist aufgab. Als derjenige Mensch, der hierbei sich am gewaltthätigsten benommen hatte, von der Obrigkeit ergriffen und zum Hängen verurtheilt wurde, wollte der Pöbel der Exekution nicht beiwohnen, sondern stellte sich in der Ferne auf und schimpfte auf diejenigen, die einen ehrlichen Burschen zum Tode verdammten, weil er die Gemeinde von einer Hexe befreit hätte[327].

In Sicilien kam 1724 die letzte Verbrennung von Ketzern und Hexen vor. Der „Glaubensakt“, wie man das Autodafé zu Palermo nannte, betraf eine Nonne und einen Ordensbruder, welche als Anhänger der Molinistisch-quietistischen Ketzerei dem Feuer übergeben wurden. Das Ganze war ein glänzender pomphafter Akt, an welchem mehrere hundert Personen (die sämmtlich lucullisch bewirthet wurden) theils amtlich theils als eingeladene Zuschauer theilnahmen. Bei diesem Akte wurden nun noch sechsundzwanzig andere Personen gemassregelt („reconciliirt“). Unter diesen befanden sich zwölf Personen, die man als Hexen (fattuchiere) und Hexenmeister in Untersuchung gezogen hatte, sowie ein sechsundsechzigjähriger Greis, der schon 1721 „wegen Zauberei und Aberglauben“ [329] bestraft und jetzt als rückfälliger Sünder abermals in die Hand der Inquisition gerathen war. Der letztere wurde zu lebenslänglichem Gefängniss verurtheilt. Alle sechsundzwanzig aber wurden verurtheilt „zur Schmach (mit gelben Kleidern angethan und ausgelöschte gelbe Wachskerzen in der Hand tragend) durch die Strassen der Stadt“ geführt zu werden. Ausserdem wurde ihnen temporäre Haft oder Verbannung und den Hexen Peitschenstrafe zuerkannt. Eine Hexe sollte zweihundert Hiebe erhalten. Diese Strafe wurde am 7. April, am Tage nach dem Autodafé, vollstreckt[328].

Wir bemerken noch zum Schlusse des Kapitels ein erst kürzlich in Erfahrung gebrachtes Curiosum aus Oesterreich. Dort wurden im Jahre 1739 neue Kriegsartikel festgestellt, deren §. 25 lautete: „Das höllische Laster der Hexerei wird mit dem Feuertode bestraft, sowie alle Diejenigen, die Nachts unter dem Galgen vom Teufel verblendete Mahlzeiten und Tänze halten, oder Ungewitter, Donner und Hagel, Würmer und anderes Ungeziefer machen; worunter Mathematici, Astronomici und Astrologici nicht verstanden sind.“


[330]

SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Hexerei und Hexenverfolgung im neunzehnten Jahrhundert. — Die neuesten Vertreter des Glaubens an Hexerei.

Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts sahen wir in allen europäischen Staaten einen Prozess, einen kulturgeschichtlichen Verlauf vor sich gehen, infolge dessen die Hexenverfolgung, die im Anfange des Jahrhunderts noch im Gange war, am Ende desselben aufhörte. In diesem Vorgange stellte sich uns die Thatsache dar, dass im Laufe des Jahrhunderts die Stellung der Männer der Wissenschaft, vor Allem der Juristen und der Theologen, überhaupt der gebildeteren Stände zum Hexenglauben allmählich eine andere geworden war als ehedem, dass darum die Strafgesetzgebung sich änderte und dass schliesslich vor dem Forum des Staates und der Rechtspflege die Hexerei nur als eine Nichtigkeit galt. Die niederen Volksschichten waren jedoch von dieser Aenderung, welche in der Stellung der Obrigkeiten und der Gebildeten zum Hexenglauben eingetreten war, zunächst nur insofern berührt, als sie von den Gerichten nicht mehr wegen Hexerei gequält wurden. Der Hexenwahn selbst, den die Hexenverfolgung dem niederen Volke eingeimpft hatte, lebte in demselben einstweilen noch unerschüttert und ungeschwächt fort, und erst allmählich konnten die finsteren Gedanken [331] des Zauberglaubens zurücktreten und schwinden, als die Volksschule im Volksleben eine Macht zu werden und infolge dessen es im Denken des Volkes licht zu werden begann.

Am längsten erhielt sich der Glaube an Hexerei sowie die Erinnerung an Folter und Tortur in den katholischen Ländern[329]. In Baiern gibt man noch immer alten Weibern die Schuld, wenn in ihrer Heimath ein Hagelwetter entsteht, als hätten sie dasselbe durch das Kochen gewisser Kräuter etc. verursacht; noch immer glauben die Bäuerinnen, wenn ihre Kühe keine Milch mehr geben, sie seien behext, und bedienen sich des Hexenrauches, um die Hexe vom heimlichen Besuche des Kuhstalles abzuhalten, und noch immer führen umherziehende Kartenschlägerinnen sogen. Hexenkarten bei sich (sechsunddreissig Blätter, welche verschiedene Figuren, Wirthshäuser, Hanswurste und besonders auf Gabeln reitende Hexen darstellen)[330].

In Tirol gelten Wetter- und grosse Brandschäden noch jetzt vielfach als Wirkungen von Dämonen oder als Tücken, die von Zauberinnen oder auch von Verstorbenen aus Rache verübt werden. Sturmwolken wird, da man in denselben einen Dämon vermuthet, die Monstranz entgegengehalten; entladen sie sich doch, so muss das Volk sehr sündig sein[331]. — In einem Theile von Frankreich glauben [332] noch heute die Landleute, dass in den Nächten von Weihnachten bis Epiphanias der Jagdzug des Königs Herodes die Luft durchzieht. Nähere sich aber hierbei ein Hund der Meute irgend einem zufällig Vorübergehenden, so sei dieses für den letzteren ein untrügliches Anzeichen seines binnen Jahresfrist erfolgenden Todes[332].

Uebrigens spukt der Hexenglaube auch in protestantischen Ländern noch in den Köpfen Unzähliger, und ganz analoge Erscheinungen treten in evangelischen wie in katholischen Bezirken hervor[333].

So findet noch jetzt in Tirol in der Walpurgisnacht ein Ausbrennen der Hexen statt, d. h. Reissigbündel werden unter möglichst grossem Lärm auf Stangen gesteckt und angezündet. Die Burschen laufen mit denselben durchs Dorf und treiben so die Hexen aus. Ganz ebenso werden in der Oberpfalz die Hexen ausgepeitscht, in Franken ausgeblasen. Man glaubt, dass dadurch, dass die jungen Burschen des Dorfes nach Sonnenuntergang auf einer benachbarten Anhöhe kreuzweise im Takt mit Peitschen knallen oder dass Schalmeien geblasen werden, alle Hexen der Nachbarschaft unschädlich gemacht würden. — Kommen doch in England bei den Quartalsgerichten noch häufig Bauern zum Verhör, weil sie alte Frauen, die ihnen an Vieh oder Ernte geschadet haben sollten, misshandelten[334]!

Ueberhaupt sind in allen Landen die Fälle nicht selten, in denen das Volk von der Schuld gewisser Personen, die als Hexen bezeichnet werden, überzeugt, das von den Gerichten als antiquirt betrachtete Strafgesetz selbst zur Anwendung zu bringen sucht.

In dem holländischen Orte Deldenerbroek, der in die reformirte Stadt Delden eingepfarrt ist, kam im Jahr 1822 [333] eine Kindbetterin, deren Genesung sich verzögerte, auf den Gedanken, dass sie von einer Nachbarin behext worden sei. Die Kranke sprach ihren Verdacht auch aus, und bald wurde es den Kindern der Verdächtigten auf der Strasse nachgerufen, dass ihre Mutter eine Hexe sei. Rasch entschloss sich nun die letztere, durch die Wasserprobe ihre Unschuld in Beisein der beiderseitigen Verwandten zu erweisen. Man ging auch auf das Anerbieten ein, und zur bestimmten Zeit und am bestimmten Orte erschien die Angeschuldigte, die sich mit Mannesbeinkleidern versehen hatte, liess sich entkleiden und mit einem unter beiden Armen befestigten starken Strick vor den Augen der sie Umstehenden in das Wasser einsenken, wo sie sofort untersank und somit die Probe glänzend bestand. Dieses geschah in einer reformirten Gemeinde am 16. März 1823[335].

Im Jahr 1836 fand im Fischerdorfe Zeinova auf der Halbinsel Hela eine Art Hexenprozesses statt. Ein Quacksalber hatte nämlich vorgegeben, dass er einen gewissen Kranken darum nicht zu heilen vermöge, weil derselbe von einer alten Frau behext sei. Daher wurde von den Dorfbewohnern sofort zu der damals noch nicht vergessenen Wasserprobe geschritten. Die angebliche Hexe wurde nun leider eine Zeit lang im Wasser von ihren Kleidern emporgehalten, wesshalb sie in der Todesangst um Gnade schrie und den Kranken am nächsten Mittag zu heilen versprach. Die versprochene Heilung konnte sie aber doch nicht fertig bringen. Daher wurde sie nochmals ins Wasser geworfen und, da sie auch diessmal nicht sofort untersank, mit Rudern todtgeschlagen.

Im Ahrthale (Rheinprovinz) trug sich im Herbst 1866 Folgendes zu: Eine junge Dame, welche eine Taube bei sich führte, war auf einem Ausfluge in ein Haus eingetreten [334] und hatte sich zur Erfrischung einen Teller voll Trauben reichen lassen. Sie hatte die Trauben bezahlt und war dann im schönen Ahrthale weiter gegangen. Während ihres Aufenthaltes im Hause hatte sich aber ein Kalb im Stalle an dem Stricke, mit welchem es angebunden war, erwürgt. Da sich nun die Bauern diesen Unglücksfall gar nicht erklären konnten, so gaben sie denselben dem Mädchen schuld, das sich durch die Taube als Hexe erwiesen habe. Schleunigst machten sie daher dem Bürgermeister von ihrer Entdeckung Anzeige, der dem Mädchen auch sofort nachsetzen und es verhaften liess. Damit aber freilich endete der Fall[336].

Auffallend häufig sind derartige Gewaltthätigkeiten während dieses Jahrhunderts in Frankreich vorgekommen. — Im Jahr 1807 wurde von den Einwohnern von Mayenne ein Bettler wegen Zauberei verbrannt. — Im Juni 1825 wurde vor dem Assisengericht des Departements Lot und Garonne folgender seltsame Prozess verhandelt: „Ein armes altes Weib in der Gemeinde Bournel war nämlich von einigen Weibern aus derselben Gemeinde, die in ihren Familien mehrere rasch aufeinander folgende Todesfälle erlebt hatten oder sich selbst seit einiger Zeit krank fühlten, beschuldigt worden, diese Unglücksfälle durch Zauberei bewirkt zu haben. Diese Weiber hatten jene Unglückliche gegen Ende des vorigen Jahres an einem Sonntage während der Messe in das Haus einer derselben geschleppt und von ihr verlangt, den Zauber, mit dem sie ihre Nachbarn befangen, wieder aufzuheben. So sehr die Unglückliche ihre Unschuld betheuert hatte, so war dieselbe doch von jenen zum Feuer verurtheilt und wirklich in ein dazu angezündetes Feuer geworfen worden. Ihr Angstgeheul hatte jedoch die Wahnsinnigen bestimmt, ihr Opfer wieder loszulassen, das sich, mit Wunden bedeckt und halb todt, nach Hause schleppte und erst nach zwei Monaten wieder genas. Von den Verbrecherinnen sind [335] die zwei schuldigsten zu fünfjähriger Gefängnissstrafe verurtheilt worden“[337].

Ein schauerliches Drama spielte sich im Jahr 1850 ab. Das Civil-Tribunal von Tarbos klagte das Ehepaar Soubervie an, dass es den Tod der Frau Bedouret veranlasst habe. Die Ehegatten hatten geglaubt, dieselbe wäre eine Hexe und erklärten, der Priester hätte ihnen gesagt, sie wäre die Veranlasserin der schweren Krankheit der Soubervie. Darum schleppten sie die Bedouret in ein Privatzimmer, hielten sie über brennendes Stroh und legten ein rothglühendes Eisen über ihren Mund. Das unglückliche Weib starb bald unter den furchtbarsten Schmerzen. Die Soubervies gestanden die That und frohlockten darüber. In dem Prozesse erhielten sie die bestmöglichen Zeugnisse. Es wurde dargethan, dass sie lediglich aus Aberglauben das Verbrechen begangen, und zugleich wurde geltend gemacht, dass sie dabei den höchsten geistlichen Vorgängern gefolgt wären. Von den Geschworenen der Gnade empfohlen, wurden die Soubervies nur zur Zahlung von 25 Franken jährlich an den Mann der Gemordeten und zu Gefängniss von vier Monaten verurtheilt[338].

Eine nicht geringere Bestialität wie in den erwähnten Vorkommnissen zeigte sich in einem Falle, der sich im April 1826 in einem Ort an der französischen Grenze auf dem Gebiete des jetzigen Belgiens zutrug. Am 10. April hatte sich nämlich eine arme Frau zu dem Müller zu Mosa (einem bei Huy gelegenen Dorfe) begeben, um Hanf, den man ihr zu spinnen gegeben hatte, zurückzubringen. Unglücklicher Weise hatten es sich nun auf die Behauptung einer Kartenschlägerin hin die Söhne vom Hause in den Kopf gesetzt, dass diese arme Frau eine Hexe wäre. Dieselben packten daher die Frau, stellten rasch aus Wellenholz ein grosses [336] Feuer her und hingen sie über demselben auf. Auch würden sie die Unglückliche sicherlich gänzlich verbrannt haben, wenn nicht ihr Geschrei Nachbarn herbeigerufen hätte, die sie aus den Händen der Bösewichte befreiten[339].

Aus England ist wenigstens Ein Fall bekannt geworden, der mit den Vorerwähnten zusammenzustellen ist. Nach einem Bericht der Times vom 24. Sept. 1863 ist nämlich damals in der englischen Grafschaft Essex ein alter Mann als Hexenmeister zu Tode gequält worden.

Neben diesen Gewaltthätigkeiten, welche sich Einzelne oder Pöbelmassen gegen vermeintliche Hexen und Zauberer zu Schulden kommen liessen, sind aber im neunzehnten Jahrhundert sogar gerichtsseitige Bestrafungen derselben vorgekommen — ja — es sind sogar die Hexenprozesse wieder aufgelebt.

Zu Bulkesch in Ungarn wurden (nach einer freilich nicht belegten Angabe) im Jahr 1834 mehrere Zigeuner und Zigeunerinnen mit zweihundert Stock- oder Ruthenstreichen bestraft, weil sie mit zauberischen Mitteln ein Kind umgebracht haben sollten.

Das Land aber, in welchem das neunzehnte Jahrhundert — seit dem Jahre 1860 — die eigentlichen Hexenprozesse hat wieder aufblühen sehen, ist die grosse katholische Republik Mexiko[340].

Zunächst wurde hier 1860, wie Tylor's „Anfänge der Kultur“ und nach ihm Peschel's Völkerkunde berichten, zu Comargo eine Hexe verbrannt. Genaueres wissen wir aber über die Prozedur vom 7. Mai 1874 zu San Juan de Jacobo (einer von Indianern und Mischlingen bevölkerten Stadt) im Staate Sinaloa, wo Diega Lugo und ihr Sohn Geronimo Porres als Zauberer lebendig verbrannt wurden. [337] Der offizielle Bericht des Richters J. Moreno vom 10. Mai 1874 über die Exekution schliesst mit den Worten: „Der Fall war ein sehr trauriger, Herr Präfekt, aber er war nothwendig, um den Bosheiten Einhalt zu thun, die zu verschiedenen Zeiten hier vorkamen. Ja trotz der Hinrichtung wurde mir gestern noch berichtet, dass der Angeklagte J. M. Mendoza gesagt habe, wir würden früher oder später noch büssen, was wir gethan. Sie sehen hieraus, wie wenig diese Leute eingeschüchtert sind; aber ich versäume inzwischen keine Vorsicht. Die Angeklagten Mendoza haben aus Furcht sich geflüchtet; — warum fliehen sie, wenn sie sich nicht schuldig wissen? Denn reine Wäsche bedarf keiner Seife!“ Dann folgt die republikanische Schluss- und Grussformel: Libertad e independencia!

Das interessante Aktenstück ist von Friedrich von Hellwald (in Overzier's „Deutschen Blättern, Organ für allgemeine Volksbildung“ Nr. 32, Köln, 8. August 1874) veröffentlicht worden. In der Tagespresse, die einem Bericht des „New-York-Herald“ aus Mexiko vom 18. Mai folgte, wurden neben dem genannten Weibe und ihrem Sohne noch Jose Maria Bonilla und dessen Frau Diega genannt als schon vor jenen um des gleichen Verbrechens willen in Jacobo verhaftet, gerichtlich verhört und lebendig verbrannt, weil, wie es in dem Bericht des dortigen Alcalde an den Präfekten des Bezirks hiess, erwiesen worden wäre, dass sie einen gewissen Schneider Zacarias behext hätten. Die Bundesregierung zu Mexiko schritt zwar dagegen ein, jedoch zu spät. Ein weiterer Bericht hat das Gleiche von einem Mädchen gemeldet, das Haare ausgebrochen hatte, das einem Strohkreuz aus dem Wege gegangen war und alle Häuser vermieden hatte, an denen sich ein Hufeisen als Schloss befand. Mit ihr wurde ihr kleiner Bruder verbrannt. — Auch aus der Stadt Concordia wurde dann ein ähnlicher Prozess konstatirt. Doch fehlen uns hier offizielle Urkunden.

Das wären also von 1860 an wenigstens fünf mexikanische Hexenprozesse! Ein sechster spielte sich am [338] 20. August 1877 zu San Jacobo ab, an welchem Tage daselbst fünf Hexen verbrannt wurden. Der Alcalde Ignacio Castello berichtet darüber an den Distriktspräsidenten: „— — Der Unterzeichnete hat in Uebereinstimmung mit der ganzen Bevölkerung befohlen, die Schuldigen zu verhaften und zu verbrennen. Es lebe die Unabhängigkeit und Freiheit!“

Ueber einen Hexenprozess, der in ganz eigenen Formen auf einem entlegenen Gebiete der alten Welt, nämlich in Kaukasien seit dem Jahre 1874 verlief, brachten die öffentlichen Blätter im Anfange des Jahres 1878 Nachricht, indem derselbe damals vor dem Geschworenengericht zu Jekaterinoda zur Verhandlung gekommen war. Im Jahre 1874 entdeckte nämlich das Weib des Aeltesten im Aul ihrer Freundin, der Tschass Mertekulow, dass ihr Mann aufgehört habe, sie zu lieben, und bat dieselbe um Rath, auf welche Weise sie die Liebe ihres Mannes wieder erwerben könnte. Die mitleidige Tschass Mertekulow rieth ihrer Freundin, sich an die Chakalo Chagutschew zu wenden, welche eine grosse Zauberin sei und auch ihr gewiss helfen würde. Das that denn auch die Chodshigan Natyrbow — so hiess die Frau des Aeltesten —, und die Zauberin gab ihr ein Mittel mit der Anweisung, dasselbe unter die Speisen ihres Mannes zu mischen. Die Chodshigan Natyrbow scheute sich jedoch, dieses Mittel bei ihrem Mann anzuwenden, und entdeckte diesem, was sie vorhabe. Der Aelteste war empört und erschreckt darüber, dass in seinem Aul Hexen und Zauberinnen vorkommen, und beschloss, dieses Uebel auszurotten. Zu diesem Zweck berief er die angesehensten Leute des Auls zu einer Berathung, trug denselben die Angelegenheit vor und beantragte, die Hexe einem strengen Gericht zu unterwerfen. Vor allen Dingen begaben sich die Richter in die Hütte der Chakalo Chagutschew und forderten von derselben die Herausgabe ihres Zauberkrauts. Als diese solchem Verlangen nicht nachkommen konnte, wurde sie auf den Hof geführt, mit Ketten an einem Pfahl befestigt und dann in so naher Entfernung von ihr ein Feuer angemacht, dass [339] sie Brandverletzungen davontrug. Da dieses Mittel aber nicht fruchtete, so wurde die Unglückliche in einen Keller geschleppt und dort bewacht. Ein Kosak befreite sie aus diesem Gefängniss nach einiger Zeit. Das war jedoch nur der Anfang der Verfolgungen gegen alle die Personen, welche durch irgend eine That den Verdacht erweckt hatten, dass sie im Besitz übernatürlicher Kräfte seien. Die Personen wurden durch hoch aufflammendes Feuer geführt, um ihre Zauberei unschädlich zu machen. Einen unglücklichen Menschen, welcher als Zauberer bezeichnet war, hängte man so auf, dass er mit den Fussspitzen den Erdboden berührte und geisselte ihn dann mit Dornen. Zum Schluss zwang man ihn noch, zwischen zwei Scheiterhaufen zu tanzen. Die meisten der Zauberei Verdächtigen wurden bis zum Einschreiten der Behörden in dumpfen Kellern gefangen gehalten, und der Untersuchungsrichter fand erschlagene Hunde, mit deren Lungen man die Verhafteten gespeist hatte, angeblich, um sie ihrer Zauberkraft zu berauben[341].

Zu dem Vorerwähnten könnten noch die zahlreichen Fälle von Besessenheiten und viele andere Vorkommnisse, die namentlich in der katholischen Kirche hervorgetreten sind, hinzugefügt werden, um zu zeigen, welche Macht der Aberglaube in der katholischen Kirche noch heutigen Tages ist. Zum Oefteren (z. B. in der Blutschwitzer-Prozedur zu Zug im Jahr 1849) hat die Polizei von solchen [340] die Massen erregenden und vom Klerus darum sehr begünstigten Erscheinungen Notiz genommen und die Gerichte haben dann jedesmal die dahinter steckende Betrügerei und Schwindelei aufgedeckt. Das schlimmste aber ist, dass in der katholischen Kirche die Wissenschaft und das Kirchenregiment den heidnischen Dämonismus und den Glauben an Hexerei auch noch im neunzehnten Jahrhundert zu vertreten und zu lehren wagen können.

Der angesehenste und gefeiertste Dogmatiker in der katholischen Kirche der Gegenwart — einst das Orakel des Papstes Pius IX. — ist der Professor zu Rom Johannes Perrone, und der anerkannteste Moraltheologe ist der Seminarprofessor Johann Peter Gury. Hören wir wie beide — Jesuiten — sich über den Hexenglauben aussprechen, wie sie amtlich lehren!

Perrone sagt im fünften Bande seiner Dogmatik[342], im cap. V. De daemonum cum hominibus commercio, §. 77 (womit das Kapitel eröffnet wird): Ad haec daemonum cum hominibus commercium revocamus omnia eorundem malorum spirituum molimina, sive ad nocendum hominibus eosque vexandos sive adeos ad extremum exitium perducendos; zu jenem gehören vorzugsweise die Besessenheiten, corporum obsessiones, zu diesem gehören alle mala, ad quae daemones solent homines impellere, sive id demum fiat pacto qualicunque interpositivo sive non. Perrone bemerkt, dass allerdings die Möglichkeit eines Pakts mit dem Satan von einzelnen Katholiken bestritten werde; allein die communis sententia der Katholiken, welche nicht ohne Verwegenheit bezweifelt werden könne (quae absque aliqua temenitatis nota in dubium revocari nequent), sei die, dass es ein wirkliches commercium der Bösen mit dem Satan gebe, welches sich [341] auf ein pactum stütze, möge dieses nun ein pactum expressum oder tacitum cum daemone gründen. — Was nun Perrone unmittelbar hierauf sagt, ist freilich sehr richtig: Data semel daemonum existentia eorumque malefica indole, quid impedit, quominus ipsi, Deo sic permittente, pacta ineant cum pessimis hominibus ad eorum perniciem, ac minibilia operentur?

Nicht weniger klar spricht sich Gury aus, der auf die Sache sogar noch genauer eingeht. In seinem dickleibigen Compendium theologiae moralis (Regensburger Ausgabe von 1868, S. 120) theilt Gury einen besonderen Paragraphen de magia et maleficio mit. Er unterscheidet hier zwischen weisser und schwarzer Magie mit den Worten: Magia late sumpta seu magia naturalis vel artificialis, quae magia alba vocatur, estars mira faciendi, saltem apparenter, per caussas naturales aut hominis industriam absque ullo daemonis ministerio. Die eigentliche oder schwarze Magie wird so definirt: Magia stricte dicta est ars mira faciendi, quae licet non supernaturalia sint, vires tamen hominis superant et proinde ope solius daemonis explicite vel implicite invocati fieri possunt. — Von der schwarzen Magie im Allgemeinen unterscheidet sich nun wieder der engere Begriff der Hexerei. Dieselbe wird mit den Worten definirt: Maleficium est ars nocendi daemonis interventu. Die Hexerei ist aber eine doppelte, eine Liebes- und eine Gifthexerei. Jene, das maleficium amatorium s. philtrum ist eine ars diabolica, qua lubricus amor vel odium in aliqua persona erga aliam vehementer excitatur; dagegen die Hexerei im eigentlichsten Sinne des Wortes oder das maleficium veneficum ist die ars nocendi proximo variis ope daemonis, v. g. morbis, hebetudine etc. Die Hexerei wird auch sortilegium genannt, weil durch dieselbe sors mala (!) injiciatur iis, contra quos vindicta operatione diabolica exercetur. Im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet man darum auch die Zauberer und Hexen als sortiarii und sortiariae.

Dieses ist die in der katholischen Kirche der Gegenwart vorgetragene Lehre vom Hexenwesen. Dass aber [342] diese Lehre der in der römischen Kurie heimischen und von derselben vertretenen Doktrin genau entspricht, wird durch die der römischen Pönitentiarie (d. h. derjenigen päpstlichen Behörde zu Rom, welche in allen Irregularitäten, in geheimen Ehehindernissen, Gelübden u. dgl. Dispensationen und in den dem Papste vorbehaltenen Sündenfällen Absolution ertheilt,) verliehenen Vollmachten bewiesen. Unter den Absolutionsfakultäten dieser Behörde befindet sich nämlich auch unter Anderem die Vollmacht[343], von Strafen frei zu sprechen, welche verhängt worden sind „ob Daemonis invocationem cum pacto donandi animam eique praestitam idololatriam ac superstitiones haereticales exercitas, — — postquam pactum cum maledicto Daemone initum expresse revocaverit, — — tradita syngrapha forsan exarata aliisque mediis superstitionis ad omnia comburenda“ (!).

Dieser von der katholischen Kirche der Gegenwart gehegten und gepflegten Lehre vom Teufel und dessen Dämonen, von der Möglichkeit der Eingehung eines Bundes mit dem Teufel und einer mit teuflischer Hülfe ausgeübten, die Menschen an Leib und Seele schädigenden Hexerei entspricht nun die Magie, welche die katholische Kirche selbst mittelst ihrer Exorzismen ausübt, um die Werke des Fürsten der Finsterniss zu zerstören und die Menschen von diabolischen Plagen zu befreien. In dieser Beziehung ist nämlich das katholisch-kirchliche Bewusstsein von dem (unzähligemal ausgesprochenen) Gedanken getragen: „Wenn das, was man in der Kirche von der Wirksamkeit des Teufels und der Dämonen lehrt, nur auf Einbildung oder Täuschung beruhte, so wäre ja die exorzistische Gewalt der Kirche und der von der Kirche aufgestellte ordo exorcistarum ganz unnütz; wozu wären dann also die Exorzismen da?“ —

Fassen wir nur eine einzige in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts erschienene Schrift, nämlich den „Modus invandi afflictos a daemone“ von Andreas Gassner [343] ins Auge, um uns darüber zu unterrichten, wie gegenwärtig die katholische Kirche mit ihrer exorzistischen Gewalt zu dem überlieferten Dämonenglauben steht!

Diese Schrift[344] ist natürlich mit kirchlicher Autorisirung erschienen. „Mit Gutheissung des hochwürdigen Ordensgenerals der minderen Brüder d. d. Rom, 28. Januar 1851“ („was hiermit ausdrücklich bemerkt sein will“ — setzt Gassner hinzu) ist im Jahr 1851 in München von dem Definitor Prov. Pater Franz Xaver Lohbauer das Rituale ecclesiasticum ad usum Clericorum ord. S. Francisci ref. Prof. Antoniano Bavaricae herausgegeben. Aus diesem Rituale hat Dr. Andreas Gassner zu Salzburg in seinem „Handbuch der Pastoraltheologie“ einen Auszug geliefert, und ein Separatabdruck eines einzelnen Abschnittes dieses Handbuchs ist es, den Gassner in der kleinen Schrift „Modus invandi afflictos a daemone“, 1869 im Selbstverlag bei Endl und Penker in Salzburg erscheinen liess.

Das Büchlein zerfällt in zehn Abschnitte, von denen der letzte (S. 22–45), der gerade die Hälfte der ganzen Schrift ausmacht, Vorschriften über die Anwendung der Beschwörungsformeln enthält. Vorher werden im zweiten Abschnitt die verschiedenen Gattungen der vom Teufel Angefallenen zusammengestellt und beleuchtet. Gassner unterscheidet unter denselben drei Gruppen: die maleficiati, obsessi und possessi. — Die maleficiati sind entweder an ihren Leibern oder an ihrem Eigenthum angezaubert und geschädigt. In ersterer Beziehung ist zu beachten, dass oft „der Böse in ihrem (der maleficiati) Körper an einem Gliede eindringt und sie an gewissen Verrichtungen hindert oder ihnen Schmerzen verursacht.“ Dabei wird noch hinzugefügt: „Wurden vollends gewisse Gegenstände durch diabolischen Einfluss in den Körper des diabolisch Geplagten geschafft, so nennt man dieses maleficium oder [344] veneficium, je nachdem es an sich unschädliche oder schädliche Gegenstände, z. B. Glasscherben, Federn und dergl. sind.“

Repräsentiren die maleficiati den untersten und ersten Grad diabolischer Anfechtung und Schädigung, so bilden die obsessi oder die „Umsessenen“ den zweiten Grad. Es sind „solche, in deren Leib ein böser Geist zwar noch nicht vollends eingedrungen ist, deren Leib er nicht ganz in Besitz hat, wozu er aber Anstrengungen gemacht, einem Feinde gleich, der eine Stadt belagert.“

Der höchste Grad ist endlich der der „Besessenen“, der possessi oder auch energumeni. So heissen „solche, in deren Leib ein böser Geist eingedrungen ist und den er in allen oder doch den meisten Gliedern in Besitz hat, und verschiedene eigenthümliche Verrichtungen, Bewegungen und Wirkungen verursacht, oder den natürlichen Verrichtungen hinderlich entgegentritt.“ — Unter Berufung auf allerlei übel ausgelegte Bibelstellen werden dann die Besessenen noch als arreptitii, benatici und pythonici unterschieden. Ausserdem werden aber auch noch Diejenigen hierher gerechnet, „deren Häuser oder Gemächer von diabolischen Erscheinungen geplagt sind“, sowie ferner (und zwar in lateinischer Diction) Diejenigen, qui Daemoni se subscripserunt, vel eum in vitro aut alio vase inclusum detinent, et ab eo, utut vellent, liberari nequeunt, item, qui habent spiritum incubum vel succubum (!) — Lateinisch führt nämlich der Verf. gewöhnlich das an, was deutsch zu sagen er sich schämt.

Im dritten Abschnitt handelt Gassner „von den Zeichen und Mitteln, um zu erkennen, ob Jemand von einem bösen Geiste geplagt sei oder nicht“. Hierbei werden nun wieder fünf Klassen von maleficiatis unterschieden: Erwachsene, Kinder, Verehelichte, Thiere und andere Gegenstände.

Bei Erwachsenen werden sechs „hinreichende Zeichen eines maleficii, um den sogen. exorcismus probations vornehmen zu dürfen“, aufgezählt: 1) wenn der Geplagte vor Speisen und Getränken, welche heimlich benedizirt [345] wurden, mehr Abscheu hat, als vor anderen; 2) wenn er in Gegenwart des heil. Sakraments und der heil. Reliquien ungewöhnliche Furcht oder Schrecken äussert, nicht hinblicken kann u. dgl.; 3) wenn er die Leute ohne vorausgegangene Krankheit wie ein toller Hund anfällt, um sich schlägt, die Heiligen lästert, den Teufel um Hülfe anruft; 4) wenn er Nadeln, Nägel, Glasscherben u. dergl. erbricht; 5) wenn aus seinem Munde höllischer Gestank oder Schwefel-, Pech-, Kohlen- und Russgeruch hervorgeht; 6) wenn sich in seinem Leibe ganz ungewöhnliche Töne, z. B. das Quaken eines Frosches vernehmen lassen.

Von den behexten Thieren (animalia maleficiata) heisst es, dass hinsichtlich ihrer proportionaliter eadem ferme signa (!) serviunt; und bei anderen Sachen ist es ein sicheres signum maleficii, si sine alia caussa non habent suum effectum naturalem, z. B. si per plures horas flores lactis non coagulantur in butyrum; — also wenn der Schmand nicht zu Butter werden will, dann ist die Milch behext!

Wir enthalten uns weiterer Mittheilungen aus dem Buche, in denen nichts anderes als der abergläubische Dämonismus, wie er einst aus dem Heidenthum in die christliche Kirche eingedrungen war, unter kirchlicher Approbation und Auctorisirung auch noch im neunzehnten Jahrhundert der Kirche gelehrt wird.

Mit diesen Worten hätten wir die vorstehende Auseinandersetzung abschliessen können, wenn wir dieselbe vor dem Jahre 1870 geschrieben hätten. Seitdem aber ist das Vatikanische Conzil versammelt gewesen, welches das Dogma von der wesentlichen Infallibilität des Papstes, wenn derselbe als Lehrer der Kirche in Sachen des christlichen Glaubens und Lebens auftritt, verkündet hat, und damit hat der Glaube an das Hexenwesen in der katholischen Kirche eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Wenn es nämlich irgend eine päpstliche Bulle gibt, die alle sicheren Zeichen einer päpstlichen Lehrverkündigung an sich trägt, so ist es die Bulle Innozenz' VIII. vom [346] 5. Dezember 1484. Diese Bulle ist nämlich veröffentlicht worden 1) als amtliche Antwort auf die Klagen der Inquisitoren Sprenger und Institor, dass sie in Deutschland für ihre Meinung von dem verderblichen Treiben der Hexen und für ihre Befugniss zur Ausrottung desselben keinen Glauben und keine Anerkennung gefunden hätten; und diese Antwort ist von dem Papste 2) mit Berufung auf seine apostolische Auctorität, und zwar so ertheilt, dass er dabei 3) eine bestimmte Lehre als apostolische Wahrheit verkündet.

Indem daher die Bulle vom 5. Dezember 1484 ganz unbestreitbar nach dem Vatikanischen Conzil zu den infallibelen Kundgebungen des Papstthums gehört, in denen dasselbe ex cathedra zur Kirche geredet hat, so ist nunmehr als eigentliches Dogma der römisch-katholischen Kirche die Lehre anzusehen: 1) Es gibt eine Hexerei, welche eine mit Hülfe des Teufels bewirkte Zauberei zum Zwecke vielfacher entsetzlicher Schädigung der Menschen ist; 2) diese Hexerei beruht auf einem mit dem Teufel abgeschlossenen Bunde; und 3) dieser Bund beruht auf Abfall vom christlichen Glauben, indem die Zauberer und Hexen sich von Gott los- und sich dem Teufel zusagen und dadurch ihres ewigen Seelenheiles verlustig gehen.

Somit ist jetzt das Wort des Hexenhammers, dass die Leugnung der Hexerei — Ketzerei sei, in der katholischen Kirche zur vollen Geltung gekommen. —

In der evangelischen Kirche hat sich während des laufenden Jahrhunderts (soviel wir wissen,) nur Eine Stimme von Bedeutung für den Glauben an die Wirklichkeit der Hexerei erhoben, nämlich August Vilmar zu Marburg.

Als derselbe im Herbst des Jahres 1855 in das akademische Lehramt eintrat, that er dieses in der festen Absicht, in Marburg und von da aus in der hessischen Kirche eine Theologie zur Geltung zu bringen, in welcher mit seiner wesentlich hierarchistischen Auffassung der Lehre vom geistlichen Amt und von der Heilsvermittelung auch der Glaube an die Gewalt und Wirksamkeit des Teufels die gebührende Anerkennung fänden. Als sein Bekenntniss [347] veröffentlichte er damals eine besondere Schrift unter dem Titel: „Die Theologie der Thatsachen wider die Theologie der Rhetorik“ (Marb. 1856). In derselben wollte Vilmar zeigen, wie die Theologie behandelt und vorgetragen werden müsse, damit durch das Studium derselben wirklich tüchtige Seelsorger herangebildet werden könnten. Dabei spielt nun die Lehre vom Teufel eine Hauptrolle. So lesen wir z. B. S. 39: „Es kommt hier darauf an, wenn man recht lehren und die Seelen recht behüten will, des Teufels Zähnefletschen aus der Tiefe gesehen (mit leiblichen Augen gesehen; ich meine das ganz unfigürlich), und seine Kraft an einer armen Seele empfunden, sein Lästern, insbesondere sein Hohnlachen aus dem Abgrund gehört zu haben. Wer kann nun hiervon zeugen? Wer kann mit einer solchen Erfahrung zugleich den Sieg des Gekreuzigten auf die Lippen und in den Augen als rechter Lehrer an Christi Statt auftreten? Wer lehrt mit dem Teufel kämpfen? Wer lehrt sich gegen ihn zu verwahren? ihn zu überwinden? Davon schweigt die heutige Dogmatik, dieser Thatsachen gänzlich entleert, durchaus. Und teuflische Versuchungen im Gebet — wer kennt die noch? Unsere heutige Dogmatik sowenig wie unsere heutige Ethik weiss mehr etwas davon, und die künftigen Hirten gehen in diesem, für die Seelsorge vor fast allen anderen Lehrpunkten der Satanalogie wichtigen und in der Anwendung oft vorkommenden Erfahrungsstück ganz ununterwiesen blank wie Heiden, von der Universität — in das Amt.“

In diesem Sinne begann nun Vilmar alsbald in Marburg die Dogmatik und die anderen Disziplinen der systematischen und der praktischen Theologie vorzutragen. Seine Vorlesungen über die Dogmatik sind nach seinem Tode von dem (inzwischen auch verstorbenen) Gymnasialdirektor Piderit zu Hanau (1874) herausgegeben. In diesen Vorlesungen lehrt nun Vilmar B. I. S. 312–324 unter dem Titel „Satanologie. Dämonologie.“ Folgendes:

Es gibt einen Teufel. Allerdings hat der Rationalismus seit Semler diesen Satz bestritten. „Es war dieses aber [348] eine mehr als kindische Unwissenheit in Beziehung auf die ersten Elemente der Kulturgeschichte, indem es bei allen Völkern ohne einige Ausnahmen Dämonen, bei den meisten auch unter einem Haupte gibt.“ Dazu kommen die bestimmtesten Aussprüche der heil. Schrift. „Neben diese göttliche Offenbarungen aber stellt sich, denselben folgend, die christliche Erfahrung aller Zeiten, welche eine übermenschliche Finsternissmacht aufweist, die in die Seelen hineinzudringen und das Werk der Erlösung in denselben zu stören, die Seelen mit Widerwillen und Hass gegen die Person Christi zu erfüllen sucht, und in den Augenblicken, wo die Macht des Lichts dennoch hereinbricht, ein unaussprechliches Entsetzen erzeugt, welche das Wort Gottes aus den Herzen zu entfernen und besonders in der Todesstunde sich durch diesen Raub in den Besitz der Seele zu setzen sucht.“[345]. — Der Teufel ist „ein kosmisches geschaffenes Wesen, welches mit seiner persönlichen Macht nicht allein die ganze Menschenwelt, sondern auch die Erde selbst umspannt[346], zwar von Gott verworfen ist, und dereinst definitiv verdammt werden wird, zur Zeit aber noch in einem gewissen Verhältniss zur Himmelswelt steht.“

Der Teufel ist der Versucher der Menschen. „Die Möglichkeit dieser Versuchung liegt für den Teufel ganz offenbar darin, dass er zwar nicht etwa Allwissenheit besitzt, wohl aber eine geistige Sündenatmosphäre um sich hat, in welcher er jede Bewegung merkt, sie sei wo sie in der Menschenwelt immer sei: wo noch Sünde vorhanden ist, ist er sensibel für dieselbe (riecht er sie), und ebenso ist er empfindlich für alle die Stellen in der Menschenwelt, welche von der Sünde befreit sind, und durch welche somit seine Atmosphäre verengert wird.“ (S. 321.)

„Der Teufel hat aber auch ein organisirtes Reich — gegenüber dem Reiche Gottes; er hat zu seinen [349] Diensten noch eine grosse Schaar ihm affiliirter, verwandter Geister, δαίμονες, in ihrer Eigenschaft als den Menschen treibende, besitzende Geister δαιμόνια genannt. — Durch diese wirkt der Teufel gleichfalls auf die Menschen, und zwar nach der unangreifbaren Erzählung der Evangelien vorzugsweise durch körperliche Besitzung, woher diese Personen auch Besessene heissen. — In den meisten Fällen ist diese (körperliche) Besessenheit zugleich eine Besessenheit der Seele, schreitet, wenn nicht Mittel angewendet werden, welche dem Teufel zu widerstehen geeignet sind, in den Gedankenkreis (νούς) über und bemächtigt sich zuletzt des πνεύμα, indem sie den Menschen in den Irrsinn, in den Wahnsinn herabdrückt, so dass die geistigen Mittel alle Anwendbarkeit verlieren und der Teufel die Seele sich gleichsam erobert hat. Gänzliche Blindheit hat diese Zustände, welche noch jetzt überall vorkommen, für Melancholie etc. — gehalten; wer aber nur Einmal einen Besessenen gesehen hat, ist nicht einen Augenblick in Zweifel über den Grundunterschied, welcher zwischen Besessenen und Wahnsinnigen stattfindet.“ (S. 322–323.)

Hierauf geht nun Vilmar zur Besprechung der „Symptome, welche die Besessenheit mit Sicherheit anzeigen“ über. Er sagt hierüber (S. 323–324): „das allgemeinste Zeichen ist beinahe durchgängig das, dass die Besessenen wissen, es sei ein fremder Geist in ihnen. In den letzten drei Jahrhunderten aber ist es besonders häufig, dass angeblich der Geist eines verstorbenen (bösen) Menschen die Besitzung ausübe. Diess ist nichts als Trug des Teufels[347], aber ungemein täuschend für Unerfahrene. Sodann ist eins der gewissesten Zeichen das, dass sie irgend welches heilige Wort, zumal den Namen Christi, nicht aussprechen, oder wenn sie an signum crucis als alte Lutheraner oder Katholiken gewöhnt sind, das Kreuzschlagen entweder nicht vertragen oder wenigstens nicht selbst vollziehen mögen. Dasselbe gilt meistens [350] schon vom Händefalten zum Gebet. Dazu kommen Verfluchungen der Gottesgaben (der Frucht auf dem Felde) und heiliger Gegenstände (und wären es nur die Kirchengebäude), sodann Lästerungen. Dazu gehören dann Blicke, Mienen und Töne (Lachen), welche gehört und gesehen sein wollen, um sie von allen und jeden, auch den grässlichsten Wahnsinnsäusserungen, zu unterscheiden, und sofort als Blicke, Züge und Töne aus einer Persönlichkeit der Finsterniss herauskommend zu erkennen. In vielen, aber bei weitem nicht in allen Fällen kommt hierzu das Sprechen mit doppeltem Sprachton (den einen führe der Besessene, den anderen der Besitzende), das Reden oder wenigstens das Verstehen fremder, nie gelernter Sprachen, Fernwissen, wunderbare Beweglichkeit der Glieder und Unabhängigkeit des Körpers von der natürlichen Schwerkraft“[348].

Vilmar fährt sodann (S. 324) fort: „Hiermit verwandt ist denn die Einwirkung des Teufels auf die Natur zum Schaden des Menschen und die Fähigkeit solcher Menschen, welche sich von Gott lossagen und dem Teufel sich ergeben, auf die Natur einzuwirken, nämlich die Zauberei, welche nach der Schrift wie nach der Erfahrung nicht in das Gebiet des Wahnglaubens verwiesen werden darf.“ —

So begründet Vilmar seine Lehre von der Wirklichkeit der auf Abfall von Gott und auf einem Bunde mit dem Teufel beruhenden Hexerei mit seiner monströsen, in der evangelischen Kirche ganz unerhörten Lehre vom Teufel. Ueber das Wesen der Hexerei selbst spricht sich Vilmar ausserdem noch in seiner Dogmatik, B. I. S. 266 bis 267 aus. Hier sagt nämlich derselbe im Anschluss an seine Expositionen über die Vorsehung Gottes, über Weissagungen und Wunder so: „Es gibt auch falsche Wunder, wenn auch in einem verhältnissmässig engen Kreise, soweit nämlich dieselben der Seligkeitswelt Gottes Dienste leisten sollen, doch immerhin Wunder, und der Mensch [351] kann durch unbedingte Selbsthingabe an das Böse solche Wunder verrichten. Es ist das das finstere Gebiet der Zauberei, welchem wir volle Realität zusprechen müssen. Von selbst erklärt es sich, dass diese Art von Wundern wesentlich dahin gerichtet ist, die Welt der Seligkeit zu stören und zu zerstören, Unruhe und Verwirrung der Geister anzurichten, Furcht zu erregen und materiellen Schaden zu thun. Das Wesen jener Hingebung beruht darin, dass die geistige Herrschaft über die Natur Gott — abgetrotzt werden soll. Wir können die Richtung dieser infernalen Kraft dahin formuliren bezw. beschreiben, dass alles das zur Zauberei gehört, was darauf ausgeht 1) Gewalt über die Selbstbestimmung des Menschen (Gewalt über die Geister) zu erlangen ohne Gottes Wort und ohne Gebet; 2) die Naturkräfte aufzuregen; 3) die Ferne und die Zukunft zu erkennen, ohne den Herrn der Zukunft; 4) materiellen Schaden zu thun ohne Anwendung materieller Mittel. — Die Annahme dieser Höllenkräfte streitet gegen Gottes Weltregierung sowenig wie das Böse überhaupt gegen Gottes Weltregierung streitet. Es ist nur die höhere Potenz des Bösen.“

Vilmar hat diese seine Lehren vom Herbst 1855 an bis zu seinem Tode (1868) vor zahlreichen Zuhörern vorgetragen, die auf seine Worte schwuren, und jetzt im Dienste der evangelischen Kirche Hessens stehen. Gleichwohl hat dieselbe keine Früchte getragen, sie hat keine Hexenverfolgung zum Zwecke der Reinigung der Kirche von den Werkzeugen des Satans herbeigeführt, — weil für diesen Wahnsinn nicht mehr die Justiz und die Folter zur Verfügung stehen.


[352]

ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Schluss.

Hat unsere Darstellung geleistet, was ihre Aufgabe war, so dürfen wir hoffen, dem Leser das Wesentliche des Hexenprozesses nicht nur in seiner äusseren Erscheinung, sondern auch in seiner Entwicklung und seinen Gründen begreifbar vorgeführt zu haben. Unser Hauptaugenmerk war, um es wiederholt auszusprechen, dem modernen Hexenwesen, wie es vom Mittelalter auf die neue Zeit vererbt wurde, zugewendet, und unser Rückgreifen in das Alterthum bestimmte sich vorzugsweise nach dem näheren oder entfernteren Grade der Verwandtschaft, in welchem sich die einzelnen Elemente, wie die ganze Auffassungsweise zu demselben ankündigen. Auf eine vollständige Darstellung der antiken Zauberei hat daher diese Schrift keinen Anspruch.

Wir haben die neuere Zauberei in fast allen Ländern der Christenheit in einer Gleichförmigkeit auftreten sehen, die sich bis auf die überraschendsten Einzelheiten erstreckt. Sie hat fast nirgends nationale Hauptunterschiede, ihr Charakter ist ein universeller. Was aber hat diese Uebereinstimmung vermittelt? Dass die allgemeine psychologische Disposition des Menschen zum Glauben an die Wirkung höherer Mächte hierauf nicht ausreichende Antwort gebe, ist an sich klar; denn wo liegt die psychologische Nothwendigkeit, [353] dass der Zauberglaube überall nur in diesen, zum Theil so höchst bizarren Formen sich habe entwickeln müssen? Es muss also ein historischer Grund aufgesucht werden. Dieser aber wird nicht weniger universell sein dürfen, als die Wirkung. Er liegt weder in der deutschen, noch in der nordischen Mythologie, weder in der Vergangenheit der Celten, noch in der Vorzeit der Slaven oder Muhammedaner. Alle diese Völker haben ohne Zweifel ursprünglich ihren nationalen Zauberglauben gehabt, der sich mit dem späteren allgemeinen verwebte und darin verschwamm; ihr Glaube hat weder innerhalb der eigenen Landesgrenzen die nationale Grundform bewahrt, noch die Vorstellungen der übrigen Völker zu normiren vermocht. Ja, dieser Glaube der einzelnen Nationen ist in seiner Urgestalt oft schwer zu erkennen, oder gänzlich zweifelhaft, weil der Forscher theils aus späteren, möglicherweise schon modificirten Erscheinungen rückwärts schliessen, theils zu schriftlichen Quellen seine Zuflucht nehmen muss, bei welchen aussernationale Einflüsse theils zu vermuthen stehen, theils wirklich erwiesen sind. So möchte Burkhard von Worms für die deutsche, Saxo Grammaticus für die nordische Mythologie mit grosser Vorsicht zu gebrauchen sein.

Von universeller Bedeutung, wie für Wissenschaft und Kunst, ist das römisch-griechische Alterthum auch für den Aberglauben der Völker geworden; nur trat hier noch ein Zweites hinzu, das Orientalisch-Christliche. Jenes lieferte im Wesentlichen das Material, dieses die Auffassungsweise. Bei den Kirchenvätern vermählte sich das Römer- und Griechenthum mit dem Dämonismus des Morgenlands. Wohin durch den römischen Eroberer oder den wandernden Germanen der römische Aberglaube nicht verschleppt worden war, dahin brachte ihn der römische Kirchenlehrer und Heidenbekehrer, sei's durch die Polemik dagegen, — denn er setzte die Gegenstände desselben überall voraus, — oder durch die Praxis. Mit dem Christenthum kamen lateinische Sprache und Literatur, Dämonologie, befangene aber auf den Bildungsgang Einfluss übende Priester zu [354] Celten, Germanen und Slaven. Was den Nationen eigenthümlich gewesen sein mochte, assimilirte sich im Laufe der Zeit den ihnen zugetragenen mächtigeren Elementen. Wunder- und Teufelsglaube verschlang die in einigen Jahrhunderten des Mittelalters hervorkeimende hellere Ansicht. Selbst das zeitweise erfreuliche Anstreben zur Naturforschung ward unter diesen Gesichtspunkt gebracht. Die Dienerin hierarchischer Zwecke, die Inquisition, um Popularität und Einkommen verlegen, sah sich um nach einem Musterbilde aller Scheusslichkeit, die sie ihren Opfern leihen könnte, und unter ihren Händen bildete sich aus lauter bekannten Stoffen das Verbrechen der Hexerei. Den Teufel in der Gestalt, wie sie ihn ausgebildet vorfand, in die Mitte stellend, eignete sie ihm auf der einen Seite die traditionellen, mit jedem Jahrhundert gestiegenen Ketzergreuel der christlichen Kirchengeschichte, auf der anderen aber die Leib und Gut verletzenden, vom alten Gesetz verpönten Malefizien des römischen Heidenthums, sammt allem aus den Dichtern bekannten Zauberspuk desselben zu. Diess alles verband sich zur Hexerei als einem Ganzen, während die frühere Zeit nur einzelne durch Zauberei verübte Künste oder Verbrechen gekannt hatte. Eine blutige Praxis lieferte so schlagende und zahlreiche Beweise zu der dämonischen Theorie, die man überdiess der Bibel und dem römischen Rechte anzupassen wusste, so dass bald jeder Zweifel vor der dreifachen Macht der Erfahrung, der Auctorität und der Furcht verstummte und die auf jene Theorie gebauten Prozesse, begünstigt durch die oben entwickelten Verhältnisse, bis nahe an unsere Zeit heranreichen konnten. Ohne die römische Literatur, ohne die eben so eigenthümliche, als weitgreifende Vermittlung der kirchlichen Auffassungsweise, ohne die mannichfaltigen, stets sich erneuernden Nebeninteressen der an der Ausübung Betheiligten wäre die Erscheinung jenes überall gleichförmigen, nicht mehr nationalen, sondern europäischen oder vielmehr christenheitlichen Aberglaubens eben so unbegreiflich, als sie vollkommen erklärlich wird, sobald man sie als das Resultat jener vereinigten [355] Potenzen betrachtet. Wir finden wenigstens in der Hexerei nicht einen einzigen Hauptzug, der nicht in einer der angedeuteten Beziehungen, oder in allen zusammen aufginge. Es führt vielmehr überall ein sachlich, örtlich und zeitlich lückenloser Weg vom Gewordenen zur Quelle zurück.

Allerdings ist es versucht worden, das Hexenwesen der letzten Jahrhunderte in anderer Weise zu erklären. Einige dieser Versuche wollen das Ganze, andere nur Einzelheiten erklären; sie wären vielleicht anders gestellt worden, wenn ihre Urheber nicht zum Theil von irrigen Voraussetzungen in Bezug auf Umfang, geographische Verbreitung und Bildungsepochen des Hexenwesens ausgegangen wären.

Jakob Grimm hat in der Mythologie mit gewohnter Gelehrsamkeit und Combinationsgabe eine treffliche Uebersicht des deutschen Hexenwesens und scharfsinnige Forschungen über viele Einzelheiten desselben gegeben. Er geht von den unbestreitbaren Sätzen aus, dass die alten Deutschen Zauber und Zauberer kannten (S. 579), dass das Christenthum den Begriff zauberübender Weiber als heidnischen vorfand, aber vielfach veränderte (S. 587). Namentlich rechnet er unter diejenigen Vorstellungen, welche sich unter den Deutschen erst nach der Annahme des Christenthums erzeugten, den Glauben an die nächtlichen Hexenfahrten und die damit verbundenen abscheulichen Begehungen (S. 594). Somit fällt das eigentliche Hexenwesen gar nicht in das Gebiet der deutschen Mythologie, und die Aufgabe des Mythologen hätte schon mit der Erörterung des heidnisch-deutschen Zauberwesens ihre vollständige Lösung erhalten. Aber über dasselbe ist wenig zu sagen, und wie Grimm überhaupt seinem Werke die dankenswerthe Ausdehnung gegeben hat, dass er die Schicksale und Nachwirkungen des Heidnischen weiter herab verfolgt, so hat er auch hier die einzelnen Momente des germanischen Heidenthums nachzuweisen gesucht, welche in das Hexenthum der christlichen Zeit auslaufen oder demselben Anhaltspunkte geben mochten. Hierbei verkennt er nun keineswegs die Masse des [356] eingedrungenen Undeutschen, weist vielmehr häufig auf die zahlreichen Analogien gleichzeitiger Erscheinungen des Auslands und die des klassischen Alterthums hin; aber im Ganzen spricht er dem germanischen Wesen selbst immer noch weit mehr Nachwirkungen zu, als wir einräumen zu dürfen glauben. Dass solche Nachwirkungen, sowohl alter Zaubervorstellungen selbst, als auch mancher Einrichtungen, die eine spätere Zeit auf Zauberei umdeuten mochte, im Allgemeinen möglich seien, bestreiten wir nicht; aber die von Grimm angegebenen sind wenigstens in der Ausdehnung, wie sie der verehrte Forscher nimmt, nicht wahrscheinlich. Wir müssen etwas mehr ins Einzelne gehen.

Grimm glaubt, dass, „bis auf die jüngste Zeit in dem ganzen Hexenwesen ein offenbarer Zusammenhang mit den Opfern, Volksversammlungen und der Geisterwelt der alten Deutschen zu erkennen sei.“ (S. 587.) Um dieses zuvörderst hinsichtlich der Opfer zu erläutern, verweist er auf jene Stelle der lex Salica, wo, der gewöhnlichen Erklärung zufolge, von dem Hexenkessel und dem Kochen der Hexen die Rede ist, erinnert hierauf an die Heilighaltung des Salzflusses, um welchen sich die Chatten mit den Hermunduren schlugen, und stellt dann die Vermuthung auf, dass das Salzbereiten in Kesseln von Priesterinnen als heiliges Geschäft, vielleicht mit Opfern und Volksversammlungen, betrieben worden sei. An dieses Salzsieden nun habe sich die spätere Volksansicht von der Hexerei angeschlossen. „An gewissen Festtagen stellen sich die Hexen in dem heiligen Wald, auf dem Berge ein, wo das Salz sprudelt, Kochgeräthe, Löffel und Gabeln mit sich führend; Nachts aber glüht ihre Salzpfanne.“ Diesen Vermuthungen soll zu Statten kommen ein Gedicht aus dem dreizehnten Jahrhundert, dessen Verfasser ungläubig von den Hexen sagt:

Daz ein wîp ein chalp rite,
Daz wären wunderlîche site,
ode rit ûf einer dehsen,
ode ûf einem hûspesem
[357] nâch salze ze Halle füere;
ob des al diu welt swüere,
doch wolde ich sîn nimmer gejehen,
ich enhet ez mit mînen ougen gesehen,
wand sô würde uns nimmer tiure
daz salz von dem ungehiure.

Wir möchten hiergegen Folgendes einwenden. Der Hexenkessel der späteren Zeit ist nicht zu bezweifeln, der in der lex Salica aber ist eben so problematisch, als die ganze Stelle zur Zeit noch kritisch und exegetisch im Argen liegt. Das zitirte Gedicht, worin die Hexen nach Salz zu Halle fahren, enthält unstreitig einen Zug des Volksglaubens, der von Interesse ist, der aber so vereinzelt dasteht, dass wir ihm in dem gesammten Hexenwesen nicht weiter begegnet sind. Vielmehr sind die Hexen sonst überall dem Salze so abgeneigt, dass es sogar bei ihren Festmahlzeiten regelmässig fehlen muss. Ich möchte daher hierin nur eine lokale Beziehung auf die Heimath des Dichters, deren Aberglauben er bekämpft, erkennen. Wenn nun die Salzbereitung durch die neueren Hexen im Allgemeinen eben so entschieden in Abrede gestellt werden muss, als der Salzkessel der alten im salischen Gesetze zweifelhaft ist, so scheint es, dass sich auch durch die Annahme des Salzkochens durch altdeutsche Priesterinnen kein Zusammenhang zwischen alter und neuer Hexerei herstellen lasse.

Weiter ist Grimm der Ansicht, „dass Zeit und Ort der Hexenfahrten sich gar nicht anders erklären lassen, als durch Bezugnahme auf Opfer und Volksversammlungen. Auf Walpurgis, Johannis und Bartholomäi, wo die Hexen ihre Hauptfeste feiern, seien auch germanische Opferfeste und Gerichtstage gewesen. Seine ehrliche Gerichtszeit hätte das Volk nicht den Hexen eingeräumt, wären diese nicht in althergebrachtem Besitze gewesen.“ (S. 591.) — Wir haben nirgends eine Spur davon gefunden, dass die heidnischen Germanen Hexenfahrten an diese bestimmten Tage gebunden hätten; den christlichen aber, welche diess thaten, musste eine Beziehung der Sache auf ihre [358] eigenen Verhältnisse näher liegen, als auf die heidnische Vergangenheit. Ausser jenen drei Epochen finden sich, wie oben nachgewiesen ist, auch Ostern, Pfingsten, Weihnachten und Jakobi. Wir haben hier, Walpurgis ausgenommen, lauter hohe Kirchenfeste und ausgezeichnete Heiligentage vor uns; wenn diese das christliche Volk den Hexen liess, warum nicht noch weit eher seine Gerichtstage, auch ohne althergebrachten Besitz? Es gehörte gerade zu den Grundvorstellungen von der Hexerei, wie sie von den Inquisitoren ausgebildet wurde, dass sie gegen das Christenthum Opposition machte und auf Nachäffung und Schändung seiner Feste und Ceremonien ausging. Nur aus dem angenommenen Grundsatze, dass der Teufel der Affe Gottes sei, glauben wir die Wahl jener Zeiten für die Hexenfahrten erklären zu müssen, nicht aus den heidnisch-germanischen Volksgewohnheiten. Ob das Maireiten überhaupt unter diese letzteren gehöre, scheint noch sehr zweifelhaft; bei Grimm sind wenigstens keine sehr alten Belege dafür beigebracht (S. 449, 450). Maifeste im Allgemeinen gab es auch schon im Alterthum. Ausser den von Grimm hierüber angezogenen Stellen (S. 452) dürfte hier gelegentlich noch die Majuma zu erwähnen sein (Cod. Justin, lib. XI. Tit. 45), worin wir nach Suidas v. Μαιουμάς eine Art von Schifferstechen erkennen müssen, und welche mit dem von Olaus Magnus beschriebenen Mairitte der Schweden wenigstens das gemein hat, dass kämpfende Jünglinge in beiden das Volk belustigten.

„Noch deutlicher zu, — fährt Grimm fort, — trifft die Oertlichkeit. Die Hexen fahren an lauter Plätze, wo vor Alters Gericht gehalten wurde oder heilige Opfer geschahen. Ihre Versammlung findet Statt auf der Wiese, am Eichwasen, unter der Linde, unter der Eiche, an dem Birnbaum, in den Zweigen des Baums sitzt jener Spielmann, dessen Hülfe sie zum Tanz bedürfen. Zuweilen tanzen sie auf dem peinlichen Richtplatz, unter dem Galgenbaum. Meistens aber werden Berge als Orte ihrer Zusammenkunft bezeichnet, Hügel (an den drei Büheln, an den drei Köpchen) oder die höchsten [359] Punkte der Gegend.“ Es werden sodann viele solcher Berge namentlich aufgeführt. Die Beziehung dieser Hexenlokalitäten auf Opfer und Gerichtswesen erscheint uns, — wir müssen es gestehen, — so wenig als die einzig mögliche, dass wir sie vielmehr für eine gezwungene halten müssen. Wenn die späteren Dämonologen und Prozessakten berichten, dass die nächtlichen Zusammenkünfte auf der Wiese, am Eichwasen, am Birnbaum, an den drei Büheln, auf diesem oder jenem Berge Statt finden, was nöthigt hierbei an die Opfer- und Gerichtsplätze der deutschen Vorzeit zu denken? Irgendwo, wenn überhaupt, muss doch der Ort der Vereinigung sein, und die Richter haben stets nach demselben gefragt. Da hat man bald auf ganz gleichgiltige Lokalitäten der nächsten Umgegend, bald, was mehr im Charakter lag, auf einsame oder schauerliche Oerter, Haiden, schwer zugängliche Berghöhen u. s. w. bekannt. Zuweilen treiben auch, worin sich wieder das christenfeindliche Element zeigt, die Hexen vor den Kirchen, ja in denselben ihr gottloses Wesen. Berge, die ihre Gegend so beherrschen, wie der Brocken das norddeutsche Flachland, kamen eben darum wohl auch in ausgebreiteteren Ruf, als andere, die nicht so vereinzelt stehen. Deutschland hat viele ausgezeichnete Hexenberge und ausserdem zahllose untergeordnete, nur in der nächsten Nachbarschaft genannte Lokalitäten, von welchen an der geeigneten Stelle bereits mehrere aufgeführt worden sind. Deutschland unterscheidet sich auch hierin nicht vom Ausland; auch anderwärts versammeln sich die Hexen auf Bergen und Haiden, Wiesen und Feldern, unter Bäumen und heiligen Kreuzen.

Den Glauben an die Hexenfahrten endlich leitet Grimm ab aus einer Missdeutung der gottesdienstlichen Zusammenkünfte, welche nach der Einführung des Christenthums von heimlichen Anhängern der alten Religion fortgesetzt worden seien. „Wenn auch, — sagt er S. 593, — der grosse Haufen für die neue Lehre gewonnen war, einzelne Menschen blieben eine Zeitlang dem alten Glauben treu, und verrichteten insgeheim ihre heidnischen Gebräuche. [360] Von solchen Heidinnin ging nun Kunde und Ueberlieferung unter den Christen, die Dämonologie des Alterthums mischte sich hinzu, und aus Wirklichkeit und Einbildung erzeugte sich die Vorstellung nächtlicher Hexenfahrten, bei welchen alle Greuel der Heidenschaft fortgeübt würden.“ Es fragt sich hier, ob nicht auch unabhängig von den genannten Zusammenkünften der Heidinnin die Dämonologie des Alterthums gewirkt haben möge, und zwar ganz, was ihr hier nur zur Hälfte zugewiesen wird. Nach Grimm wäre die Vorstellung von den Hexenfahrten immerhin erst unter den Christen erzeugt worden, also ein Irrthum der Christen; der Kanon Episcopi aber verdammt sie geradezu als einen Rückfall in errorem Paganorum. Somit haben ihn in seiner damaligen Gestalt, — denn später bildete er sich wieder anders, — die Christen nur übernommen, nicht erzeugt. Aus welchem Heidenthum aber stammt er? Aus dem deutschen gewiss nicht; dieses kennt keine Nachtfahrten in Masse (s. Grimm Myth. S. 593). Also doch wohl aus dem römischen, wie wir oben nachzuweisen versucht haben. Dass die deutschen Christen diesen Aberglauben im eilften Jahrhundert bereits hatten[349], folgt weniger daraus, dass Burkhard hierauf bezügliche Stellen überhaupt aufgenommen hat, — er gibt oft Ausländisches, — als aus der deutschen Benennung, welche er in eine angeblich aus den Beschlüssen des Conzils zu Agath (Agde in der Languedoc) von 506 entnommenen Stelle einschiebt: Credidisti, ut aliqua femina sit, quae hoc facere possit, quod quaedam a diabolo deceptae se affirmant [361] necessario et ex praecepto facere debere, id est cum daemonum turba in similitudinem mulierum transformata, quam vulgaris superstitio holdam (al. unholdam) vocat, certis noctibus equitare debere super quasdam bestias, et in eorum se consortio annumeratam esse (Burchard. Decret. lib. XIX. cap. 5). Ob übrigens gerade in dieser Stelle Grimm's Vermuthung, dass eine einzelne Gottheit der alten Deutschen Holda geheissen habe, in deren Gefolge man später die Nachtweiber verwiesen, eine Stütze finde (S. 165. 594.), lassen wir, da es nicht weiter zur Sache gehört, an seinen Ort gestellt sein. Ist der Text bei Burkhard unverderbt, so würde das Wort holda (Substantiv oder Adjektiv?) auf die ganze Schaar der nachtfahrenden Dämonen zu beziehen sein.

Wenn nun Grimm, dieser gründlichste Kenner des deutschen Alterthums, der neueren Hexerei nur einen losen und meist indirekten Zusammenhang mit dem Wesen unserer heidnischen Vorfahren zuerkennt, und dieser Zusammenhang, unsern obigen Bemerkungen zufolge, nicht einmal in dem von diesem Gelehrten angenommenen Masse erweislich scheint: so werden gewisse viel weiter gehende Ansichten einiger anderen Gelehrten um so leichter als unhaltbar hervortreten.

Mone[350] führt das Hexenwesen, und namentlich den Sabbath, auf Hekate und die alten Bacchanalien, die den Deutschen schon während ihres Aufenthalts am schwarzen Meere bekannt geworden seien, zurück. S. 268 sagt er, „das Hexenthum feinde den christlichen Kult an, nicht als Christenthum, sondern als bestehende Religion, so wie es vor dem Christenthum auch die heidnische Volksreligion unserer Voreltern anfeindete.“ Weiter führt er S. 271 Folgendes als feststehende Sätze auf: „1) Das Hexenwesen war eine für seinen Zweck vollständig organisirte geheime Gesellschaft. 2) Da der Teufel an der Spitze desselben stand und ein Wesen ist, das in die Religion gehört, so muss das Hexenwesen [362] eine religiöse Gesellschaft gewesen sein. 3) Wir müssen das Hexenwesen, wie es in den Prozessen des siebenzehnten Jahrhunderts erscheint, nicht als den Anfangs-, sondern als den Ausgangspunkt betrachten und seinem Ursprung rückwärts nachspüren, soweit sich geschichtliche Zeugnisse dafür vorfinden.“

Mone erkennt also, wenn wir ihn recht verstehen, in den sogenannten Hexen eine wirkliche, bis ins siebenzehnte Jahrhundert fortbestehende Gesellschaft, welche eine organisirte Opposition gegen die jedesmalige Volksreligion bildete, für sich aber einen vom Pontus mitgebrachten Hekate- und Bacchuskult bewahrt hatte. Wo aber, müssen wir fragen, hat denn Mone irgend eine historische Spur davon aufgefunden, dass die heidnische Religion der Deutschen von einer organisirten Gesellschaft von Bacchusdienern angefeindet worden wäre? Wo ist im Mittelalter eine Spur von derjenigen Continuität des fraglichen Geheimkults, welche vorausgesetzt werden müsste, wenn die deutschen Hexen des sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderts immer noch die Inhaberinnen des vom schwarzen Meere mitgebrachten Systems gewesen wären? Was für eine räthselhafte Gesellschaft ist das, welche die Religionen anfeindet, weil sie bestehende sind, aber nichtsdestoweniger eine religiöse ist, weil der Teufel an ihrer Spitze steht, der ein Wesen ist, welches in die Religion gehört? Wodurch mögen die übrigen europäischen Völker, deren Hexenwesen dem deutschen so ganz gleich ist, ohne dass ihre Väter am schwarzen Meere sassen, dieselbe Gesellschaft in sich aufgenommen haben? — Sicherlich ist Mone zu diesen wunderlichen Ansichten grossentheils desshalb gekommen, weil er zwischen dem Hexensabbath und den alten Bacchanalien oder Sabazien nicht nur eine Sach-, sondern auch eine Namensähnlichkeit fand und sich von dem Gedanken nicht losreissen konnte, an dem von der Obrigkeit so ernstlich verfolgten Hexenwesen müsse wenigstens so viel wahr gewesen sein, dass gottlose Versammlungen Statt gefunden hätten. Darum sucht er das Licht in den cimmerischen Finsternissen, wo die alten [363] Deutschen den Sabazien allerdings, wenn irgendwo, am nächsten gewesen sein müssen. Hekate ist mit Recht hereingezogen, aber auf unrechtem Wege; die Vorstellungen von ihr durchdrangen das antike Zauberwesen und modifizirten somit das neue. Die behauptete Wirklichkeit der Versammlungen gründet sich auf die Bekenntnisse der verhörten Hexen. Ueber die Glaubwürdigkeit solcher Geständnisse ist bereits an der gehörigen Stelle geredet worden, und wir werden sie unten nochmals berühren[351].

Abermals aus einem Gottesdienste, aber einem slavischen, finden wir das Hexenthum hergeleitet in einer kleinen Schrift von L. W. Schrader, Archivarius zu Wittgenstein[352]. Slaven bewohnen nach ihm in den vorchristlichen Zeiten einen grossen Theil Deutschlands (auch die Mattiaker sind solche), insbesondere die Harzgegend, wo sie den Melybog oder Czerny Bog, d. h. schwarzen oder bösen Gott, oder Teufel, und die Frau Holle verehren. Von den heidnischen Deutschen unterjocht und in ihrem Kultus gestört, retten sie denselben auf den schwer zugänglichen Melbogsberg oder Mlbogsberg, woraus der Deutsche den Namen Blocksberg bildete. Dort treiben die Hexen, d. h. Priesterinnen der Holda oder Liebesgöttin, ihr Wesen ungestört und geben auch den deutschen Jungfrauen, die der unerlaubten Liebe mit den Slavenjünglingen nachgehen wollen, einen Zufluchtsort. Da man nicht wusste, wie da auf natürliche Weise hinaufzukommen sei, so bildete sich im Volke die Vorstellung von den Luftflügen, die später auf die Christen überging u. s. w. Das Andenken der slavischen Hexen als Holdapriesterinnen [364] hat sich, dem Kundigen wohl erkennbar, in verschiedenen Orts- und Ländernamen erhalten, z. B. in Hasserode, Hasselfelde und Hessen, welches letztere namentlich um Gudensberg slavische Bewohner hatte. — Diese Resultate gewinnt Herr Schrader durch eine Deduktion, die sich durch so drollige historische und etymologische Luftsprünge[353] auszeichnet, dass man seinem Schriftchen nicht mehr Ehre erzeigen kann, als wenn man es für eine schalkhafte, jedoch zuweilen aus dem Tone fallende Persiflage gewisser Verirrungen in der heutigen Geschichts- und Sprachforschung nimmt.

Zum dritten Male ein Kult der alten Deutschen wird von Jarcke herangezogen[354]. Dieser sagt: „Wenn wir die Gesetze Karls d. G. zur Ausrottung des heidnischen Glaubens unter den Sachsen, — den indiculus superstitionum, — — — den gewöhnlichen Zusatz more paganorum etc. betrachten, und damit in Verbindung bringen, was in den skandinavischen Sagen über Zauberei und Gewalt des Menschen sogar über Wind und Wetter gesagt wird: so dürfte die Behauptung nicht zu gewagt erscheinen, dass das Zauberwesen und der Zauberglauben im Mittelalter zunächst eine Tradition aus der heidnisch-germanischen Zeit, eine im Volke lebende heidnische Naturkunde und Naturreligion gewesen sei, die auch ihre — freilich antichristlichen und, vom religiösen Standpunkt aus betrachtet, dämonischen — Ceremonien und Sakramente hatte. Die heidnische Naturreligion wurde dann später im Kampfe mit christlichen Prinzipien und nachdem die christliche Lehre vom Teufel in das Bewusstsein des Volks [365] übergegangen war, zu einer dem Christenthum und allem Göttlichen feindlichen, und zu einem wahren Teufelsdienste, indem die alte Naturwissenschaft selbst von denen, die ihre Geheimnisse kannten und ausübten, als etwas vom Teufel Ausgehendes angesehen wurde. — — — — Daher die Erscheinung, dass eine Einweihung in jene Künste zuletzt wirklich die äussere Form der Ergebung an den Teufel annahm.“

Wie Jarcke aus den gegebenen Prämissen die gezogenen Folgerungen rechtfertigen will, vermögen wir nicht einzusehen. Es sind hier ganz disparate Dinge zusammengebracht. — Die fränkischen Kapitularien verbieten an verschiedenen Stellen heidnischen Götzendienst im Allgemeinen und Besondern, an andern wieder einzelne Arten des Zauberglaubens und darauf sich beziehende Handlungen. Der Indiculus superstitionum insbesondere, der dem Kapitulare von 743 angehängt ist, erwähnt in dreissig Rubriken, wozu der Text fehlt, verschiedene Gegenstände, worüber Beschlüsse gefasst worden zu sein scheinen. Etliche Artikel handeln vom Götzendienst[355], andere von Sacrilegien[356], noch andere von verschiedenen Arten des Aberglaubens, auch des christlichen[357], fünf Artikel endlich schlagen in's Gebiet des Magischen ein[358]. Nirgends aber sind Zauberglaube und Zauberübungen in Beziehung zu einer heidnisch-germanischen Naturreligion gesetzt; ja es ist noch überhaupt die Frage, ob in allen diesen Punkten ausschliesslich und ursprünglich Germanisches verboten sei. Mitten unter den Franken lebten ja Romanen. Phylakterien, Incantationen, Augurien, Sortilegien, herzfressende [366] Weiber und Wettermacher (— diess ist's, was wir im Wesentlichen in den Kapitularien finden —) kannten schon die Römer; die christlichen Kaiser und ausserdeutsche Conzilien hatten zum Theil längst verboten, was hier nur wiederholt wird. Was nun die „heidnische Naturkunde“ anbelangt, so tritt diese hierin eben so wenig hervor; denn man wird doch nicht das eingebildete Beherrschen von Wind und Wetter dahin rechnen wollen. Dass Naturkundige zuweilen als Zauberer verschrieen worden sind, ist freilich bekannt genug; man denke aus der heidnischen Zeit an Apulejus, aus der christlichen an Gerbert, Constantinus Africanus, Roger Bacon, Raimund Lullus und viele Andere! Doch diese alle schöpften nicht aus einer „im Volke lebenden heidnischen Naturkunde,“ sondern erhoben sich über das Volk und waren nicht Deutsche. Aber Jarcke scheint, einer anderen Stelle zufolge, geneigt, die Hexerei an „das dunkle Gebiet des thierischen Magnetismus“ anzuknüpfen (S. 431). Hiervon wird weiter unten die Rede sein. Warum aber mag jene im Volke lebende, mit Ceremonien und Sakramenten verbundene heidnische Naturkunde und Naturreligion im Kampfe mit dem Christenthum zuletzt so sehr das Selbstbewusstsein verloren haben, dass „die alte Naturwissenschaft selbst von denen, welche ihre Geheimnisse kannten und ausübten, als etwas vom Teufel Ausgehendes angesehen wurde?“ Schlimm für jene Eingeweiheten, sie mochten Recht haben, oder irren! Ob man überhaupt mit Jarcke annehmen will, „dass eine Einweihung in jene Künste zuletzt wirklich die äussere Form der Ergebung an den Teufel angenommen habe“, das wird zunächst von den Begriffen abhangen, die man sich vom Teufel bildet, und dann von der Glaubwürdigkeit, welche man den Legenden und Hexenakten beizumessen geneigt ist. In keinem Fall aber sind die Teufelsbündnisse, weder die einseitig versuchten, noch die gegenseitig vollzogenen, noch endlich die eingebildeten, auf deutschem Boden gewachsen. Der Vicedominus Theophilus, von dem die älteste Teufelsergebung berichtet wird, war weder Naturkundiger, noch der deutschen Naturreligion [367] ergeben, sondern ein Verehrer der Jungfrau Maria, die ihn rettete, weil er sie unter allen zuerst wieder versöhnte, als er sich dem Bösen ergeben hatte. Sodann nehmen die Teufelsergebungen durch Gerbert und die französischen Katharer ihren Weg und langen erst mit dem Kusse, den die Stedinger dem bleichen Manne darbringen, in Deutschland an. Die Teufelsergebung der französischen Hexen wird erst gegen das Ende des dreizehnten Jahrhunderts, die der deutschen noch später amtlich ermittelt.

In seinem „Handbuche des Strafrechts“, welches Jarcke seinen beiden Abhandlungen über die Hexerei nachfolgen liess, lenkte freilich derselbe, was das Resultat der Darstellung betrifft, zu einer richtigeren Auffassung der Sache ein; aber auch hier bleibt Jarcke dabei, dass das Zauberwesen in Deutschland (II. S. 54) „zuerst als eine heidnische Naturkunde und Naturverehrung in einer geheimen Tradition das ganze Mittelalter hindurch fortgelebt, nach und nach sich mit jüdischem und arabischem Aberglauben vermischt und ausgebildet und dann gleichsam wie eine moralische Pest gegen das Ende des Mittelalters, begünstigt durch die Hussitischen Unruhen, über ganz Deutschland sich verbreitet zu haben scheine.“ Ausserdem ist aber gegen Jarcke noch dreierlei zu bemerken: 1) irrt derselbe, wenn er Deutschland als den eigentlichen Sitz der massenhaften Hexenverfolgungen ansieht; 2) setzt Jarcke den Anfang der Hexenverfolgungen, den er in das Ende des sechszehnten Jahrhunderts verlegt, um ein ganzes Jahrhundert zu spät; und 3) irrt Jarcke, wenn er das Zauberwesen als eine sich über ganz Deutschland verbreitet habende Pest bezeichnet. Denn dieses, die Hexerei, wurde ebenso vom Volke wie von der Geistlichkeit als Gottlosigkeit und Frevel verdammt. Eine Sekte der Zauberer, welche einen Teufelskult ausgeübt habe, ist nirgends nachweisbar. Was sich als eine „Pest“ verbreitete, das war nicht die Hexerei, sondern die Verfolgung derselben. Vgl. v. Wächter, Beiträge zur deutschen Gesch. S. 303 ff.

Auch die Hypothese des verdienten Historikers Heinrich Schreiber, welche derselbe unter dem Titel „Feen [368] und Hexen“ in dem „Taschenbuch für Geschichte und Alterthum in Süddeutschland“ (Freiburg im Br., 1846) entwickelt, ist ganz unhaltbar. Schreiber sagt (S. 18–19): „Die dem Hexenwesen zum Grunde liegenden religiösen und sozialen Vorstellungen reichen sowohl der Ausdehnung nach über germanisches und romanisches Gebiet hinaus, als sind sie dem Inhalte nach in dem romanischen Gebiete so durchaus national und lebensfrisch, dass sie nur von der ursprünglichen Bevölkerung herrühren konnten, in der ohnehin die nachmaligen Eroberer sich dem Wesentlichen nach auflösten und untergingen. Mit Einem Worte: die dem modernen Hexenwesen zum Grunde liegenden Vorstellungen weisen sich als ursprünglich keltische aus. — Die Kelten besassen dem männlichen Institute der Druiden zur Seite das weibliche Institut der Feen, und zwar dieses ebenso wie jenes in zwei Umgestaltungen.“ Schreiber erkennt nämlich die Feen schon im phönizischen Götterglauben, nimmt dann an, dass dieselben in der Volksvorstellung der Kelten zu guten Geistern geworden und dann in der Vorstellung der Germanen und Romanen zu Hexen umgewandelt worden seien. Nur Schade, dass sich für diese Genealogie und die in ihr vorkommenden Metamorphosen auch gar nichts Thatsächliches nachweisen lässt!

Ganz verfehlt ist die Art und Weise, in welcher Wuttke in der Schrift „der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart“ (2. Aufl. S. 144–145) das Hexenwesen zu erklären versucht. Er sagt: „Erwägt man, dass wenn die Volksmeinung jetzt noch an Hexen glaubt, sie ihre Anschuldigung nur sehr selten gegen sittlich unbescholtene Personen richtet, sondern meist nur gegen solche, von denen man sich ihrem ganzen sittlichen Rufe nach auch schwerer Bosheit wohl versehen kann, ehemalige Buhldirnen, liederliche, unordentliche, unverträgliche, unfromme, geheime Bosheit spinnende Weiber, so darf man voraussetzen, dass ein guter Theil der damals angeschuldigten Hexen auch wirklich sittlich-religiös verkommene, auf widergöttliches Treiben ausgehende Personen waren, die [369] vor Allem die düsteren Seiten des heidnischen Aberglaubens mit Gier ergriffen und danach trachteten, bösen Zauber auszuüben.“ — Es möchte schon schwer sein, die Prämisse, von welcher Wuttke ausgeht, im Leben zu erweisen, namentlich in den Fällen, wo einzelne Familien von Geschlecht zu Geschlecht im Verdachte der Hexerei geblieben sind; und was die frühere Zeit betrifft, so enthalten die Akten der Hexenprozesse nichts, was die Behauptung Wuttke's rechtfertigen könnte. — Wuttke sagt weiter: „Bei allen damaligen Hexengeschichten ging der Hexenfahrt eine Einreibung mit einer Hexensalbe voraus und mehrfach ist von einem Hexentrank die Rede. Die Zusammensetzung jener ist leider nicht genau bekannt; Bilsenkraut wird dabei genannt, sehr wahrscheinlich war aber auch Mandragora und Stechapfel dabei. Der Stechapfel soll erst durch die Zigeuner, die ihn zu Zaubermitteln gebrauchten und am Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts nach Deutschland kamen, dahin gelangt sein. — Von dieser Zeit an beginnt erst die Blüthe des eigentlichen Hexenunwesens. Die Solaneengifte erzeugen das Gefühl des Fliegens“ etc. — „Nehmen wir nun an, dass die in böser Magie wohlerfahrenen Zigeunerweiber ihren deutschen Hexenschwestern ihre Zauberei mitgetheilt haben, dass durch die heidnischen Zigeuner die Erinnerungen und die Ueberreste des deutschen Heidenthums wieder mächtiger angeregt wurden, und dass nicht nur eine nervenerregende Salbung mit jenen Giften stattfand, sondern, wie es bei den Hexensabbathen ja nicht zweifelhaft ist (!), bei frevelhaften Zusammenkünften zu Zauberzwecken auch Rauschmittel, denen Bilsenkraut, Stechapfel u. dgl. beigemischt war, getrunken wurden, so würde sich der eigene Glaube mancher Hexen an ihre Luftfahrten und ihre Teufelsgemeinschaft leicht begreifen. Einzelne solcher selbstgeglaubten Erscheinungen konnten nun leicht den Glauben an die Wirklichkeit derselben erzeugen, zumal die heidnischen Ueberlieferungen sich damit verbanden.“ Man sieht, dass Wuttke in Hexenprozessakten sich niemals umgesehen hat. Dass allen [370] Hexenfahrten eine Einsalbung vorherging, ist eine ganz willkürliche Behauptung, und so scharf auch die Angeklagten auf der Folter nach Mitschuldigen und nach denen gefragt wurden, von welchen sie das Hexen gelernt und ihre angeblichen Salben erhalten hätten, so werden doch von den Gepeinigten ebensowenig Zigeunerweiber als Judenweiber genannt[359].

Manche haben als Grundlage der Hexerei und der Hexenverfolgung einen wirklichen, aber falsch aufgefassten Thatbestand, ein eigentliches corpus delicti, zu erkennen geglaubt, an welches dann abergläubische Meinungen angeknüpft worden seien. Dahin gehört z. B. Lamberg's[360] Vermuthung, dass die sogenannten Hexensabbathe in der Wirklichkeit nur Zusammenkünfte zur Befriedigung der Wollust gewesen seien, in welchen Landstreicher, Strassenräuber, Zigeuner, oder auch vornehmere Wüstlinge ihrer Sicherheit wegen sich als Teufel vermummt und so ihren Opfern jede Denunziation vor Gericht unmöglich gemacht hätten[361]. Diese Vermuthung wurzelt ohne Zweifel in dem Bedürfnisse, dem regelmässig in den Akten wiederkehrenden Bekenntniss einer teuflischen Buhlschaft irgend einen realen Grund unterzulegen; aber sie hätte dennoch nicht von einem Gelehrten aufgestellt werden sollen, der achthundert bambergische Prozesse durchgelesen hat. Solche Bekenntnisse sind von Individuen, die als neunjährige Mädchen oder greise Mütterchen die Begierde eines Wüstlings nicht leicht reizen mochten, eben so gut abgelegt worden, als von reifen Dirnen; und bei den letzteren hiesse es wenigstens eine unbegreifliche Dummheit und Widernatürlichkeit voraussetzen, wenn sie massenweise [371] in eine so plumpe Falle gegangen wären. Wie reimt es sich ferner, dass hier der menschliche Verführer zur Teufelsmaske greift, während, wenn wir die Akten hören, der Teufel in der Regel wenigstens das erste Mal die Vorsicht gebraucht, als schmucker Kavalier oder doch sonst in menschlicher Gestalt aufzutreten? Was die Hexen über das Physiologische des teuflischen Concubitus aussagen, hätte anders ausfallen müssen, wenn sie mit verkappten Männern zu thun gehabt hätten; eben so das, was von den Folgen berichtet wird. Die Frucht eines menschlichen Beischlafes wäre in den meisten Fällen wohl ein Kind gewesen, wovon in der Regel nichts gemeldet wird, und nicht Elben, Eidechsen und Würmer, von welchen die Akten voll sind. Und wenn man die Incuben zu vermummten Männern macht, dann müssen folgerichtig auch die Succuben oder Buhlteufelinnen maskirte Weiber gewesen sein; wäre es nun nicht einfacher gewesen, wenn beide ohne Maske ihre Unzucht unter einander getrieben hätten, als dass sie gegen dritte Personen die unbequeme Rolle der Teufel spielten?

Ans Drollige streift v. Lamberg's weiterer Einfall, dass verkappte Getreidewucherer den Zusammenkünften präsidirt haben möchten. Diess bezieht sich nämlich auf die von den Hexen ausgeübten Feldverwüstungen. Aber diese Verwüstungen sind, nach Inhalt der Akten, durch Gewitter- und Frostmachen vollzogen worden. Welcher Wucherer hat solche Künste den Hexen beigebracht?

Ferner hat man die sogenannten Bezauberungen von Menschen und Vieh durch eigentliche Giftmischerei zu erklären gesucht. Wer will in Abrede stellen, dass Substanzen, die dem thierischen Organismus schaden, der Vergangenheit eben so gut bekannt und zugänglich waren, als der Gegenwart? Aber das Strafrecht war sich auch eines Unterschieds zwischen Vergiftung und Zauberei bewusst und setzte auf jene eine andere Strafe, als auf diese. Wo darum wirkliche Vergiftung vorkam, ist zwar die Möglichkeit, aber nicht die Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass der unverständige Richter sie für Zauberei nahm; [372] wo uns aber in den Hexenakten das Wort Gift begegnet, da ist es in den wenigsten Fällen in der jetzt gebräuchlichen engeren Bedeutung, sondern fast durchgängig (gleich dem lateinischen veneficium) als Zaubermittel zu fassen. So kocht eine brandenburgische Hexe „Gift“ aus einer Kröte, etwas Graberde und Holz von einer Todtenbahre und schüttet es in einen Thorweg, durch welchen Jemand kommen soll. Eine andere kocht ein „Vorgift“ aus Asche und giesst es vor die Thüre einer Edelfrau, damit diese, wenn sie darüber schritte, kinderlos bliebe; eine dritte vergräbt „Gift“ im Hofe, um Pferde zu bezaubern; eine vierte verlähmt Kinder durch einen „giftigen Guss“; eine fünfte richtet zur Tödtung einen „Gifttrank“ aus Schlangen zu; eine sechste macht durch ein „gegossenes Gift“, dass ihr Feind verarmt u. s. w. Vorstehende Beispiele sind sämmtlich aus den von Herrn v. Raumer mitgetheilten brandenburgischen Akten entnommen und könnten aus andern Quellen vielfach vermehrt werden. Wenn nun zwischendurch vorkommt, dass eine Inquisitin Jemanden „mit einem grossen Gift vom Leben gebracht“ oder ein Kind „mit Gift in einem Löffel voll Pappe vergeben habe“, so sind dieses mindestens zweifelhafte Ausdrücke, die wegen ihrer Zusammenstellung mit den übrigen eher auf Zauberei, als auf eigentliche Vergiftung zu deuten sein möchten. Dass die Hexen im Rufe standen, durch gewöhnliche Nahrungsmittel, die man ihnen abnahm, eine Krankheit bewirken zu können, ist aus dem Früheren bekannt. Die als Gift bezeichneten Mittel sind in der Regel mehr ekelhaft als schädlich; aber dessen ungeachtet wirken sie, den Akten zufolge, auch wenn sie ausgegossen oder ausgestreut werden, jedesmal nur auf bestimmte Personen und für bestimmte Zwecke (Remigius Dämonolatrie Th. II. Cap. 8). Salben und Pulver spielen in dem Hexenapparate eine grosse Rolle. Sie werden von den Inquisiten nach Farbe und Bestandtheilen sehr abweichend, in der Wirkung aber übereinstimmend beschrieben. Diese Wirksamkeit aber haben die Mittel nicht an sich, sondern nur in der Hand der Hexe, wie Remigius, der in diesen [373] Dingen Vielerfahrene, bemerkt. Dieser Mangel an natürlichem Zusammenhang zwischen Mittel und Wirkung sollte schon an sich auf den richtigen Gesichtspunkt leiten. Man hat die Angeklagten erst gezwungen, zu gestehen, dass sie gezaubert, und dann hat man, wozu der Art. 52 der Carolina verpflichtet, gefragt, womit und wie sie gezaubert haben. Wollte man denselben Weg einschlagen, es würde sich noch heute mittelst der Folter die Erfindsamkeit der Hexen auf den Punkt steigern lassen, dass sie dem Richter Rezepte zu Zaubermitteln vom Donnererregen herab bis zum Mäusemachen in Protokoll und Urtheil lieferten, — Mittel freilich, bei welchen die von Remigius bemerkte Einschränkung gilt. Wie wenig wären wir nun in der Erklärung des Ganzen gefördert, wenn sich, was nicht geradezu geleugnet werden kann, erweisen lassen sollte, dass in einzelnen Fällen ein wirklicher Giftmord als Zauberei behandelt worden wäre[362]! Im Allgemeinen muss von diesen Hexengiften gelten, was Agobard von den Mitteln der beneventanischen Zauberer sagt: Ante hos paucos annos disseminata est quaedam stultitia, cum esset mortalitas boum, ut dicerent, Grimaldum Ducem Beneventorum transmisisse homines cum pulveribus, quos spargerent per campos et montes, prata et fontes, eo quod esset inimicus christianissimo Imperatori Carolo, et de ipso sparso pulvere mori boves, propter quam causam multos comprehensos audivimus et vidimus, et aliquos occisos, plerosque autem affixos tabulis in flumen projectos et necatos. Et quod mirum valde est, comprehensi ipsi adversum se dicebant testimonium, habere se talem pulverem et spargere ...... et neque disciplina, neque tortura, neque ipsa mors deterrebat illos, ut adversus ipsos falsum dicere non auderent. Hoc ita ab omnibus credebatur, ut paene pauci [374] essent, quibus absurdissimum videretur. Nec rationabiliter pensabant, unde fieri passet talis pulvis, de quo soli boves morerentur, non cetera animalia[363]. — Es versteht sich von selbst, dass, wenn wir auch die Giftmorde der Hexen in weitester Ausdehnung zugeben wollten, damit immer nur ein sehr kleiner Theil des gesammten Hexenthums erklärt wäre.

Um den Glauben an die objektive Wahrheit der von Hexen bekannten Handlungen steht es also im Einzelnen, wie im Ganzen, sehr misslich. Darum haben Manche jenen wunderbaren Erlebnissen nur eine subjektive Existenz in der Vorstellung der Hexen einräumen zu müssen geglaubt. Die Hexen sollen sich entweder durch Krankheit, oder durch künstliche Mittel in einem Zustande höchster Exaltation befunden haben, in welchem sie das, was ihre wüste Phantasie ihnen vorgaukelte, für Wirklichkeit nahmen und als solche, oft sogar ohne Zwang, zu den Akten brachten. So meinen schon Weier[364] und Bacon von Verulam[365] und neuerlich Rudolf Reuss[366], dass die Hexen mittelst ihrer Salbe sich zu jener Thätigkeit der Einbildungskraft steigern, vermöge deren sie zu fliegen, in Thiere verwandelt zu sein, oder mit dem Teufel zu buhlen glauben. Ueber die Bestandtheile dieser Salbe haben wir theils Nachrichten in den Akten selbst[367], theils neuere Vermuthungen; jene, wie diese, gehen aus einander. Bei Weier z. B. finden sich folgende Rezepte: Gesottenes [375] Kinderfett, Eleoselinum, Aconitum, Pappelzweige, Russ; oder: Sium. Acorum vulgare, Pentaphyllon, Fledermausblut, Solanum somniferum, Oel. Cardanus gibt eine andere Zusammensetzung an. Eschenmaier vermuthet, dass das tollmachende Bilsenkraut eingemischt worden sei, diess gebe das Gefühl des Fliegens[368]. Andere geben ausser dem Bilsenkraut noch Stechapfel, Tollkirsche und Alraunwurzel als die Mittel an, mit denen sich die Hexen narkotisirt hätten. Lassen wir die weitere Untersuchung der in den Akten bezeichneten grünen, weissen, schwarzen, blauen und gelben Salben auf sich beruhen, und räumen wir unbedenklich ein, dass es Substanzen gibt, welche den Menschen zu betäuben oder in ekstatischen Zustand zu setzen vermögen. Man löse uns aber folgende Räthsel: Was hat wohl Tausende von Weibern dazu vermocht, freiwillig und mit der Aussicht auf Tortur, Scheiterhaufen und ewige Verdammniss sich Visionen zu bereiten, in welchen, ihren eignen Aussagen zufolge, weder Behagen, noch Reichthum, sondern nichts als Schauder, Schmach und Schmerz zu finden war? Woher rührte die Einbildung von dem ersten Zusammentreffen mit dem Teufel, das regelmässig dem Sabbathsritte und folglich dem ersten angeblichen Gebrauch der Salbe vorausging? Wenn gleich eine berauschende Substanz Ekstasen im Allgemeinen erzeugen kann, gibt es eine solche, die bei allen Personen, die sie anwenden, nothwendig ganz gleichmässige Visionen, und zwar immer nur die der bekannten Hexengreuel, hervorbringt? Wenn ein Weib des Blocksbergrittes sich schuldig bekannte und zwanzig andere als Complicen angab, welche dann unter der Folter ebenfalls bekannten, Salben gebraucht und beim Sabbath sich gegenseitig erkannt zu haben: sollen dann alle einundzwanzig, oder nur jene erste in visionärem Zustande gewesen sein? In jenem Falle hätten wir eine undenkbare Complicenschaft der Einbildung, in diesem den Beweis, dass zwanzig Personen auch ohne gehabte Vision sich schuldig erklären können, [376] und dieser Umstand müsste zu der natürlichen Frage führen, warum, was in zwanzig Fällen zugelassen wird, — nämlich das Geständniss gegen besseres Wissen, — im einundzwanzigsten unstatthaft sein solle.

Neuerdings hat die entgegengesetzte Ansicht einen ebenso geistreichen als entschiedenen Vertreter in Maximilian Perty gefunden. Derselbe hat in seinem (von grosser Belesenheit zeugenden) Buche „die mystischen Erscheinungen der menschlichen Natur“ (Leipzig und Heidelberg 1861) einen besonderen Abschnitt (S. 367–389) der Erklärung der „Hexerei und des Hexenprozesses“ gewidmet. Er bestreitet es (S. 374), dass eine jede sogen. Zauberhandlung entweder auf naturwissenschaftlichem Boden beruhe oder absolut nicht sei, indem es noch ein Drittes gebe, welches das eigentlich Wesentliche sei. Die Zauberei beruhe nämlich auf den magischen Kräften des Menschen, die nicht der Natursphäre, sondern der geistigen Welt angehörten. Die Hexerei hatte nach Perty ihre Realität in der Vision der Hexen. Dieselben fanden nach ihm in diesen Visionen nicht bloss Schauder, Schmach und Schmerz — das Gegentheil behaupteten sie nur bei der Untersuchung, — sondern sie fanden allerdings Vergnügen dabei, wie der Haschisch- und Opiumesser, der Tabaksraucher, nur ein bedeutend roheres, mit wilden und wüsten Phantasieen nach dem Geschmack der Zeit und der Bildung dieser Leute. — Dass die Aussagen über die gehabten Feste nach Zeit und Umständen übereinstimmten, erklärt sich Perty dadurch, dass an den gleichen Abenden und ohne Zweifel meist auf Verabredung und an seit Langem gewohnten Tagen z. B. Walpurgis, Johannis und Bartolomäi, Viele sich durch die narkotische Salbe in Ekstase versetzten und dass sie in einer wahrhaft magischen Seelengemeinschaft zusammentrafen. „Unzählige haben dieses gethan, und nur ein Theil davon war so unglücklich, desshalb inquirirt zu werden. — (S. 378:) Diese imaginären Zusammenkünfte waren ein schlaff-wacher visionärer Zustand, in welchen sich die Betreffenden versetzten und im Geiste mit anderen in gleichem [377] Zustande befindlichen sich begegneten. Sehr Geübte konnten sich durch den blossen Willen in den Hexenschlaf versetzen, die Allermeisten mussten hierfür eine narkotische Salbe unter den Armen und an den Geschlechtstheilen möglichst tief einreiben.“ — Daher urtheilt Perty (S. 376): „Der Hexenprozess hatte in der That eine, wenn auch nur beschränkte Berechtigung. Es mochten viele von den Hexen und Zauberern Freude haben an böser Lust, und die Intention, aus Eigennutz oder Rache Anderen zu schaden; den Wenigsten wird dieses gelungen sein, und so waren die meisten Verbrechen imaginär. Unendlich Grösseres haben ihre Richter verschuldet. — Was in der Vision und ihrer inneren Welt sich begeben, das nahmen die Richter für greifbare Realität.“

Wir geben nun zu, dass wenn der Geist des Menschen fort und fort unter der Macht und dem Eindrucke gewisser Vorstellungen steht (wie das siebenzehnte Jahrhundert von der Vorstellung des Hexenwesens beherrscht war), diese Vorstellungen zu Hallucinationen führen können, in denen er selbst das zu erleben glaubt, was er sich vorher nur gedacht hat, — namentlich wenn der Mensch narkotische Mittel auf sich einwirken lässt[369]; und wir wollen daher gern zugeben, dass unter den Millionen Hexen, welche justifizirt worden sind, einzelne sich mit Salben narkotisirt und den Versuch gemacht haben, Anderen mit dämonischer Hülfe zu schaden und dass sie darum auch erlebt zu haben glaubten, was alle Welt den Hexen nachsagte[370]. Aber nur als Ausnahme von der Regel kann dieses angenommen werden. Der Satz Perty's: „Unzählige haben dieses gethan“ etc. lässt sich aus den Akten der Hexenprozesse nicht beweisen. Die Hexenprozesse bieten Eine Erscheinung dar, welche man wohl gern in Perty's Weise erklären [378] möchte, nämlich die so häufig vorkommende Thatsache, dass Hexen bei der Confrontation mit Anderen, die sie nur, um von der Folter zu kommen, lügenhafter Weise als Mitschuldige bezeichnet hatten, mit dem Ausdrucke vollster subjektiver Wahrhaftigkeit diesen ins Gesicht hinein ihre angeblichen Malefizien vorhalten. Hier zeigt sich ein psychologisches Phänomen, welches durch die Folterqual, durch die Seelenangst, durch die Verzweiflung erzeugt war. Aber die Annahme, dass diese Unglücklichen im Hexenthurm narkotische Salben gebraucht hätten, ist doch unzulässig. Die Akten der Hexenprozesse bieten für Perty's Hypothese keinen Anhaltepunkt, indem dieselben fast durchweg bei den Verhafteten das Bewusstsein ihrer Unschuld erkennen lassen und ausserdem constatiren dieselben die Thatsache, dass sich die Hexenprozesse überall, wo sie einmal Platz gegriffen hatten, aus sich selbst heraus fortsetzten und mehrten.

Dasselbe ist auch gegen Diejenigen geltend zu machen, welche die Phantasmen der Hexen aus Geisteszerrüttung herleiten wollen. Ludwig Meyer (Direktor der Irrenheilanstalt zu Göttingen) sagt in einem überaus interessanten Aufsatz über „die Beziehungen der Geisteskranken zu den Besessenen und Hexen“[371]: „Es waren wieder (wie bei den Besessenen) Geisteskrankheiten, welche den eigentlichen Typus der Hexen darstellten. Geisteskranke bildeten den Mittelpunkt der Hexenprozesse wie der Teufelaustreibungen, nur dass bei jenen unverhältnissmässig mehr geistig Gesunde in den verderblichen Kreis hineingezogen wurden.“ Wir können diesen Satz in der Beschränkung zugeben, dass hier und da die Geisteskrankheit Einzelner den ersten Anlass zum Beginne einer Hexenverfolgung gegeben hat; wenn indessen dieser Satz zum eigentlichen Erklärungsprinzip des Hexenthums erhoben werden soll, so zeigen sich alsbald unlösbare Schwierigkeiten. Oder gibt es denn wirklich eine methodische [379] Raserei, die in tausend Köpfen den gleichen Weg durch tausend festbestimmte Einzelheiten nimmt? Gibt es einen geistigen Rapport der Wahnsinnigen unter einander, so dass der eine vor Gericht aussagen kann, was und wann der andere gerast hat[372]? Gibt es eine Politik der Verrücktheit, welche oft viele Jahre lang den eigenen Irrwahn schlau verbirgt und ableugnet, um ihn erst unter den Schmerzen der Tortur für Wahrheit zu geben? Und warum hat dieser schlaue Irrwahn nur so lange bestanden, als er zum Scheiterhaufen führte, während er den weit gemächlicheren Tummelplatz in den heutigen Irrenhäusern verschmäht?

Der gelehrte Jurist Rosshirt hat in seiner Schrift: „Geschichte und System des deutschen Strafrechts“, Th. III. (S. 150 ff.) den Versuch gemacht, die Ausbreitung des Hexenglaubens hauptsächlich aus dem (angeblichen) „Mangel eines geordneten schriftlichen Kriminalverfahrens“ und aus einem in jener Zeit ungewohnten Zustand des Geschlechtsverhältnisses abzuleiten. In letzterer Beziehung meint er nämlich: „Während im fünfzehnten und im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts ungestört dieser Trieb sich äusserte, wollte man auf Einmal eine bessere Zucht, zugleich durch äussere Macht und durch die Gewalt der Religion einführen. — Die schnelle Umänderung der Weltansicht in diesem Punkte, das ernste Verlangen nach Moralität bei Protestanten und Katholiken, trug sichtbar dazu bei, eine Katastrophe in der Geschichte zu erzeugen, die bis hierher nicht hat in ihren inneren Gründen entwickelt werden können. Die unterdrückte Wollust suchte einen geheimen Ausweg, der Teufel musste helfen, und jede [380] Hexerei war jetzt mit Buhlerei verbunden. Diese eigene Art von Hexenwesen gehört dem sechszehnten und siebenzehnten Jahrhundert an, war aber zur Zeit der Carolina noch keineswegs in Blüthe; aber im Laufe der Zeiten war es der Umgang mit dem buhlenden Teufel, welcher die Köpfe beider Geschlechter einnahm und als Abfall von Gott sich darstellte. Die schändlichste Verführung von Männern an Weibern und umgekehrt, die wilde Lust der Wüstlinge in bacchanalischen Versammlungen, das Benützen der mit dem Teufel einmal angefüllten Köpfe zu der Ueberzeugung, dass der Teufel wirklich eine Rolle spiele, die Schandthaten aufgeregter alter Weiber und Kupplerinnen, das feine Gespinnste einer vollkommenen Hexentheorie, das Gefühl schnöder Lust bei den Angeklagten, welches diesen die Kraft der Vertheidigung nahm, die vorgefasste Meinung bornirter Richter, die Bestärkung der herrschenden Ansicht durch die Geistlichkeit, die Verzweiflung, welche von vornweg Jeden ergriff, der am richterlichen Drama eines Hexenprozesses theilnahm, vor Allem aber, dass noch kein geordnetes schriftliches Verfahren bestand und damit nicht die Pflicht des Richters, in perpetuam rei memoriam über die Untersuchung aller in Betracht kommenden Umstände sich auszuweisen, — dieses Alles in einem labyrinthisch ineinander führenden Zusammenhange machte es möglich, dass Tausende, wenn auch schuldig einer schlechten Lust gefröhnt zu haben, doch von der Justiz in der That gemordet starben.“

Was nun den von Rosshirt behaupteten angeblichen Mangel eines geordneten schriftlichen Prozessverfahrens betrifft, so hebt v. Wächter (Beiträge zur deutschen Geschichte, S. 92) dagegen hervor, dass doch zu Carpzov's Zeit der schriftliche Prozess geordnet gewesen und dass Carpzov dennoch ganze Massen von Hexen zum Scheiterhaufen verurtheilt habe, während in der Zeit, in welcher gar keine schriftliche Prozessführung bestand, vor der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, am wenigsten Hexen verbrannt wurden, obwohl damals schon der Hexenglaube bestand. Sodann bemerkt v. Wächter (S. 312) sehr richtig [381] Folgendes: „Ganz abgesehen davon, dass die Aufhebung der Frauenhäuser (diess meint doch wohl Rosshirt) später ist als der herrschende Wahn über die Buhlteufeleien, ferner davon, dass nach den Geständnissen, die den Angeklagten erpresst wurden, der angebliche Verführer, der sie am Ende zum Teufelsbündnisse brachte, bei der ersten Verführung nicht als Teufel, sondern in menschlicher Gestalt als Junker, Reitersmann, als stattlicher Bürger u. s. w. sich ihnen nahte, und sich erst nach der Verführung als Teufel kund gab, also die Teufeleien nicht das Mittel der Verführung sein konnten, und dass die Unglücklichen in diesen Verführungen in der Regel nichts weniger als eine Befriedigung der Wollust gefunden haben wollen: so finden wir meines Erinnerns bei keinem einzigen der vielen Hexenprozesse, dass ein solcher angeblicher oder maskirter Teufel je entdeckt worden wäre (worüber sich wirklich auch v. Lamberg verwundert). Denn die hingerichteten Zauberer bekannten auf der Folter nie, dass sie den Teufel gespielt haben, sondern nur wie die Hexen, dass sie vom Teufel zum Bündnisse verleitet worden seien und sie dem Teufel gedient haben.“

Endlich ist noch von den Aufschlüssen zu reden, welche durch die neueren Entdeckungen im Gebiete des thierischen Magnetismus für die Auffassung des Zauberwesens zu gewinnen seien. Hierauf weisen Jarcke und v. Raumer in ihren oben berührten Mittheilungen über die Hexenprozesse hin. Wir fürchten sehr, die Hereinziehung des Magnetismus werde statt neuen Lichts nur alte Finsterniss verbreiten. Sie würde das jedenfalls thun, wenn die Seherinnen fortfahren sollten, das dämonologische Kapitel der alten Dogmatik wieder zu Ehren zu bringen. Haben wir den alten Teufel und die Folter wieder, so ist auch die Hexerei erklärt, nämlich im Sinne des Malleus. Doch diess beiläufig; die beiden genannten Gelehrten nehmen natürlich die Sache nicht von dieser Seite. Aber in welchem Sinne man sie auch fassen möge, die Ausbeute wird spärlich sein. Welche Erscheinungen des Magnetismus sind es, die man mit dem Zauberwesen zusammenbringen [382] will? Es ist wahr, dem Magnetismus wird eine divinatorische Seite beigelegt und der Magie ebenfalls. Aber der Somnambule hat sein Fernsehen in Raum und Zeit unmittelbar durch das sogenannte Hellsehen oder den Allsinn, während die divinatorische Magie nur mittelbar, mit dem gewöhnlichen Sinnorgan und aus äusseren Objekten, als Sternen, Spiegeln, Loosen u. s. w. erkennt. Ekstatische Weissagung wird nur von den Pythien und Sibyllen des Alterthums, nicht von den Magiern der neueren Zeit, viel weniger von den Hexen berichtet, in deren Zauberei überhaupt das divinatorische Element hinter das apostatische und operative zurücktritt.

Ferner möchte man wohl in den sogenannten magischen Heilungen eigentlich nur magnetische vermuthen wollen? Mag diess, wenn überhaupt etwas daran ist, den Theurgen gelten, die sich immer höher gestellt haben; auf die gemeine Zauberei, die dem Gesetze verfallen war, passt es nicht. Zwar heilt auch die Hexe, aber nur selten und nothgedrungen, wenn sie den von ihr selbst angethanen Schaden wieder abthun muss. Vom Magnetiseur wird indessen eine ungewöhnliche, energische Glaubenskraft, vom Magnetisirten wenigstens hingebendes Vertrauen begehrt; die Hexe aber ist vom Glauben abgefallen und ihr Opfer ist ohne Sympathie für sie. Auch findet sich nirgends eine Spur von magnetischem Schlafe solcher Personen, denen eine Hexerei abgethan ward. Man prügelt die Hexe durch, oder droht ihr mit dem Gericht; sie schliesst ein zugeschnapptes Schloss auf, löst die Knoten eines Bandes, oder erscheint bei dem Kranken, reibt das leidende Glied, legt Aufschläge auf u. s. w.

Wir brauchen nicht ausführlicher zu sein, da von den obigen Gelehrten der Magnetismus nicht speziell auf diese Heilungen bezogen worden ist. Wohl aber redet v. Raumer von einer krankhaften Exaltation, einem visionären Zustande der Hexe selbst. Damit wäre also der sogenannte Idiosomnambulismus gemeint, jene krankhafte Erregung der niederen Seelenthätigkeiten, in welcher der Mensch das bunte Gewirre seiner Phantasiebilder mit [383] einer Lebhaftigkeit schaut, die ihm dasselbe für wirkliche Erscheinungen gibt. Wir wissen nicht, ob neuere Erfahrungen darthun, dass noch jetzt manche mit solchen Zuständen behaftete Menschen einen Teufelsbund zu schliessen, mit dem Teufel Unzucht zu treiben, Gewitter zu erregen, Menschen zu verderben und die übrigen Hexengreuel zu üben glauben; aber wenn diess wäre, so hätten wir hier immer nur eine eigenthümliche Art der Geisteskrankheiten, und es müsste von dieser in Bezug auf das Historische des Hexenwesens dasselbe gelten, was oben vom Irrwahne im Allgemeinen gesagt wurde. Ja es möchte dieses noch grössere Schwierigkeiten haben; denn, wenn wir nicht irren, sollen solche Somnambulen nach dem Erwachen sich des im Schlafe Erlebten nicht erinnern, die Hexen aber haben, wenn sie einmal zum Gestehen gebracht waren, immer sehr genaue Auskunft gegeben.

Wenn nun v. Raumer unter Voraussetzung der „Möglichkeit, einen jener wunderbaren kranken Zustände mit einer Art von freiwilligem Entschlusse auf Andere, ohnehin Disponirte, zu übertragen,“ auch in diesem somnambülen Hexentreiben etwas Strafbares erkennen und damit das alte Strafgesetz entschuldigen will, so heisst das die eigentliche Frage ganz über die Hand spielen. Dieses Uebertragen des eigenen somnambülen Zustands auf eine andere Person, — ob sie überhaupt möglich ist, mögen die Telluristen entscheiden, — würde nichts anders heissen, als dass eine Person, die schon eine Hexe ist, eine andere, die es noch nicht ist, zur Hexe macht; nun aber ist es nicht zunächst das Verführen zur Hexerei, was das Gesetz bestrafte, sondern die Hexerei selbst und das Verführtwerden zu derselben. — Ob man auch die sogenannten zauberischen Teufelsbesitzungen aus dem Somnambulismus erklären zu können meint, wissen wir nicht. Dieselben sollen öfters durch die Bosheit der Zauberer verursacht worden sein. Die Hexen, heisst es, haben der leidenden Person einen oder mehrere Teufel auf den Hals oder in den Leib geschickt, um sie zu plagen. Wir haben diess in den Prozessen der Oberin Renata und des Pfarrers [384] Grandier kennen gelernt. Dann müsste man aber annehmen, dass nicht die bezaubernden, sondern die besessenen Personen im somnambülen Zustande gewesen seien. Wer aber ausser dem Magnetiseur vermag, der Theorie der Telluristen zufolge, einen somnambülen Zustand freiwillig in dem Andern zu erzeugen? Waren Renata und Grandier Magnetiseurs?

Auch nachdem wir Fischer's Werk über den Somnambulismus gelesen haben[373], ist uns die Heranziehung des letzteren für die Erklärung der Zauberei ein Räthsel. Dieser Gelehrte eröffnet zwar einen eigenen, der Hexerei gewidmeten Abschnitt mit der Ankündigung, dass erst jetzt mittelst des neuen, aus der näheren Kenntniss des Somnambulismus gewonnenen Lichtes ein Endurtheil über den Hexenprozess mit Grund und Sachkenntniss möglich sei; in der Ausführung jedoch beschränken sich diese Aufschlüsse fast lediglich darauf, dass die Hexenfahrten und der Umgang mit dem Teufel in denjenigen Fällen, wo die Bekenntnisse als freiwillige anzusehen seien, durch Schlafvisionen erklärt werden, aus welchen die Erinnerung in den wachen Zustand hinüberreichte. Der „empfindungslose Hexenschlaf“ ist mit Gewalt hereingezogen; Starrkrämpfe auf der Folter sind bei Hexen nur desshalb häufiger vorgekommen, als bei Märtyrern und andern Opfern, weil die Zahl jener Unglücklichen weit grösser und ihre Pein weit ausgesuchter und langwieriger war. Statt seinen Satz vom Somnambulismus auch nur an einem einzigen Beispiele ins Klare zu stellen, gibt Fischer desto mehr allgemeine Redensarten und bespricht zahlreiche Fälle, von welchen er am Ende selbst eingesteht, dass sie mit jener Disposition nichts zu thun haben. Auch er kommt auf fortgeerbtes germanisches und celtisches Priesterthum, Unzucht treibende Muckergesellschaften und am Ende sogar, — was freilich das Natürlichste ist, — auf den Aberglauben, die fixen Ideen der Richter und die Macht der [385] Folter zurück. Merkwürdiger Weise aber sucht Fischer den Hauptgrund der neueren Hexenprozesse „in der mit dem fünfzehnten Jahrhundert beginnenden Nüchternheit der europäischen Menschheit, welche erst jüngst in dem Rationalismus und Liberalismus unserer Tage ihren Culminationspunkt erreichte.“ Diese nüchterne Verständigkeit soll in ihrer ersten Entwicklungsstufe die Hexenprozesse gebracht, in ihrer zweiten — als Rationalismus — den Prozess der Hexen und Gespenster niedergeschlagen haben, und die Aufgabe einer dritten Entwicklungsstufe wird es sein, das Ausserordentliche und Uebernatürliche, welches der Rationalismus und Liberalismus schlechtweg leugnete, zu begreifen. Wohlan, wenn der Somnambulismus in Zukunft einleuchtendere Aufschlüsse bringt, als er bisher gethan, so werden sie willkommen sein; bis dahin aber mag er es auch dem nüchternen „Rationalismus“, der den Prozess der Hexen niederschlagen konnte, nicht verübeln, wenn er in seiner nüchternen Weise zum Begreifen desselben vorerst lieber die Geschichte um Rath fragt, als ein System, das sich bis jetzt weder über seine Haltbarkeit in sich selbst, noch über seine Beziehung zu unserem Gegenstande hinlänglich ausgewiesen hat.

Es ist auch versucht worden, die Hexenverfolgung und deren enorme zeitliche und räumliche Ausdehnung lediglich als Erzeugniss der Bosheit, des Neides und Hasses und der Habgier anzusehen und zu erklären. Nun lässt sich allerdings aus unzähligen Prozessakten nachweisen, dass diese Motive wirklich nur allzuoft die grausamsten Verfolgungen herbeigeführt haben, — namentlich die Habgier. Wurde doch das Vermögen der Verurtheilten ganz gewöhnlich confiszirt und war doch die Hexenrichterei zu einem überaus einträglichen Gewerbe geworden! Aber dennoch reichen jene Motive zur Erklärung der Sache nicht aus. So wenig Bosheit und Habgier gegenwärtig Hexenprozesse bewirken können, so wenig würden sie dieses in früheren Jahrhunderten vermocht haben, wenn nicht die wirklichen Grundlagen der Hexenverfolgung andere gewesen wären. Auch sind unzählige Unglückliche [386] (arme, heimathlose Leute, kleine Kinder etc.) wegen Hexerei hingerichtet worden, an deren Hinrichtung weder die Habsucht noch der Neid ein Interesse nehmen konnte.

Zwei andere Ansichten verdienen um des Gegensatzes willen, in welchem sie zu einander stehen, hier hervorgehoben zu werden. Carl Haas äussert sich nämlich (in der Schrift „die Hexenprozesse, ein kulturhistorischer Versuch nebst Dokumenten“, Tübingen, 1865) dahin, dass die Hexerei die Frucht und Folge der vorausgegangenen Ketzerei und daher auch ganz so wie diese behandelt worden sei. Er sagt (S. 63), die Geschichte lasse nirgends Lücke und Leeren, sondern überall nothwendige Uebergänge erkennen, „Varietäten, aber aus einer und derselben Gattung“. „So entstand die Hexerei genannter Periode aus der Ketzerei der ihr unmittelbar vorangehenden Zeit, und wie die Ketzerei betrieben und behandelt ward, so ihre Base, wenn nicht Tochter, die Hexerei. Beide entstehen aus Unglauben, Unklarheit, Hochmuth, Ueberspannung, sind Wahngeschöpfe, misshandeln und werden misshandelt und wachsen dabei, bis ihnen mit Kraft und Vernunft entgegengetreten wird.“ Indem nun Haas hervorhebt, dass anerkanntermassen Deutschland gerade im dreizehnten Jahrhundert der Boden grober Ketzereien gewesen sei, so meint er hiermit den „historischen Beweis“ für die Richtigkeit seiner Hypothese erbracht zu haben (S. 66:) „Ketzerei und Hexerei gingen nacheinander und auseinander hervor, waren vor der Tortur da und gehören nicht unter jene Erscheinung, die man Hysteronproteron nennt. Beide sind Exzesse: jene in Beziehung auf die gottgeordneten Schranken höherer Auctorität, diese in Beziehung auf die gottgeordneten Schranken der menschlichen Natur.“ — In Wahrheit ist jedoch von Haas gar nichts bewiesen. Wohl aber muss es räthselhaft erscheinen, dass derselbe die ganze Hexerei (S. 78) „in das Gebiet des Wahns, des Irrthums und der Täuschung bei den sogenannten Hexen wie bei deren Richtern und Zeitgenossen“ verweist, und dabei doch (S. 67) die Meinung äussert: „Es gab und wird stets Zauberkreise geben, welchen der Mensch nicht ungestraft [387] nahen darf, Geister, deren man sich bemächtigen möchte und deren Herr man nicht werden kann, wie Goethe's Zauberlehrling.“ —

Während aber Haas die Hexerei und deren Verfolgung aus der Ketzerei und aus dem Abfall vom Glauben der Kirche ableiten zu können wähnt, meint C. Trummer dieselbe (Eingangs seiner Schrift[374]: „Abriss der Geschichte des criminellen Zauberglaubens und insbesondere der Hexenverfolgungen“) aus übereifrigem „Glaubensmuth“ erklären zu müssen. Er sagt nämlich (S. 98): „Es konnte bei der mittelalterlichen Auffassung des christlichen Glaubens, der wir bei ihren Mängeln ihre bedeutenden Vorzüge nicht absprechen dürfen, kaum fehlen, dass die Ueberzeugung von der diabolischen Gemeinschaft der Zauberer und Hexen sich ihrer ebenso als der Gesetzgeber und Richter bemächtigte, und es kann ebensowenig auffallen, dass bei diesen der Eifer, sie zu verfolgen, um so grösser war, je grösser ihr religiöser Eifer, ihr Glaubensmuth selbst blieb. Das Glaubensleben bekam durch die Reformation neue Nahrung, und so erklärt es sich auch hieraus, wie in Deutschland, dem Vaterlande der Glaubensverbesserung, die meisten Hexenprozesse erst seit dem Ende des sechszehnten Jahrhunderts, also nach der Reformation, vorgekommen sind und über ein Jahrhundert gedauert haben.“ Die in diesen Worten enthaltenen irrigen Angaben mögen auf sich beruhen; dagegen verdient es hervorgehoben zu werden, dass Trummer, obschon er in der angegebenen Weise sich die Ausbreitung der Hexenprozesse glaubt erklären zu können, doch S. 99 fortfährt: „Es ist demnächst noch eine merkwürdige Erscheinung Gegenstand historischer Prüfung gewesen, nämlich die, dass, nachdem die Hexenprozesse aufgehört haben, selbst die Möglichkeit derselben ein Räthsel geworden ist, und, wiewohl die Zeit noch nicht so sehr entfernt liegt, es zu [388] den Unbegreiflichkeiten gezählt wird, wie man darauf hat verfallen können, Teufelsbündnisse zum Gegenstand der Strafgerechtigkeit zu machen.“ — Man sieht, dass Trummer selbst nicht glaubt, eine haltbare Erklärung der Sache gegeben zu haben. —

Schliesslich sei es uns gestattet, August Vilmar's Auffassung des Hexenwesens mitzutheilen, indem dieselbe in der evangelischen Theologie ganz einzigartig dasteht, den Mann selbst aber auf das Vollständigste — namentlich bezüglich seiner Geschichtsschreibung — kennzeichnet[375].

Vilmar theilt in B. III. seines Sammelwerkes „Zur neuesten Kulturgeschichte Deutschlands“ (Frankf. a. M. 1867) S. 146–187 eine Abhandlung „vom Hexenwesen“ mit, worin er für die Hexerei den Charakter voller (nur im Laufe der Zeit mit allerlei Unwahrem versetzter) Wirklichkeit in Anspruch nimmt, und es als eine Art von Fortsetzung des germanischen Heidenthums erklärlich zu machen sucht. Seiner Meinung nach (S. 151) wurde allgemein noch im dreizehnten Jahrhundert „das Salzkochen als das eigentliche und einzige Geschäft der Hexen bei ihren unheimlichen, nächtlichen Zusammenkünften angesehen.“ Ueber diesen Gedanken ist schon oben S. 356 das Nöthige bemerkt. Hören wir aber nun, wie sich Vilmar über Ursprung, Wesen, Verbreitung und Erlöschen der Hexerei und der Hexenverfolgung näher ausspricht!

Er sagt (S. 152 ff.): „So beruht also das Hexenwesen seinem Ursprunge nach keineswegs auf leeren Einbildungen, thörichten Träumen und kindischen Mährchen, sondern auf wirklichen Verhältnissen und handgreiflichen Zuständen, welche wie die Versammlungstage und Versammlungsplätze [389] noch in der Gegenwart vollkommen deutlich erkennbar sind. Was die Vorfahren als Heiden offen und treuherzig — gethan hatten, das erschien den christlichen Nachkommen in der Erinnerung als ein unheimliches, widergöttliches, zauberisches, zuletzt teuflisches Treiben. Dazu kam aber, dass das nicht blos und allein Erinnerung an vergangene Dinge, sondern zum Theil fortdauernd Wirklichkeit war, indem immer noch Manche, wenn auch nur Einzelne, neben ihrem unvollkommenen, unverstandenen oder unwahren christlichen Bekenntniss her heimlich bei nächtlicher Weile die nächtlichen Gebräuche auf den Waldbergen und in den ehemals heiligen Hainen fortsetzten. Dazu kam ferner, dass gerade Diejenigen, welche diese Gebräuche fortsetzten, auch manche aus dem alten Heidenthum ererbten Naturkünste bewahrten, fortpflanzten und in Anwendung brachten, z. B. die Kenntniss und den Gebrauch der Heil- und Giftmittel — beides von jeher vorzugsweise den Frauen eigen, — und dass man also die Weiber, welche im Besitze dieser Künste (zugleich auch im Besitze der uralten Beschwörungsformeln) waren, um dieser ihrer Gefährlichkeit willen doppelt scheute. Desshalb enthalten auch die ältesten deutschen Gesetze vorzugsweise nur Strafgebote gegen die heidnischen Giftmischerinnen, nicht, wie es später der Fall war, gegen jeden Zauber und gegen jede Beschwörungsformel“.

„Der Kampf gegen das Hexenwesen und die Hexen ist daher kein anderer als derselbe, welcher heute noch die Welt bewegt: der Streit zwischen dem Glauben und dem Unglauben, zwischen dem Bekenntniss Christi und der Verleugnung Christi, zwischen Liebe zu dem Heiland und Hass gegen den Nazarener[376]. Jahrhunderte lang lag das Uebergewicht des Glaubens in der Schale der sogen. höheren Stände; Jahrhunderte lang lag das Uebergewicht [390] des Unglaubens und der Verleugnung in der Schale des gemeinen Volkes, — Jahrhunderte lang bis zu den Zeiten des dreissigjährigen Kriegs. Damit nahm die Hexenverfolgung ein Ende; damit nimmt der Unglaube in dem niederen Volke ein Ende, damit nimmt aber auch der Glaube und die Vertretung desselben in den höheren Ständen ein Ende. Die eine Schale sinkt, die andere steigt.“

Ganz folgerichtig sagt daher Vilmar (S. 158): „Ein auf die Spitze getriebener christlicher Staat, in welchem das christliche Bekenntniss eine rein äusserlich-politische Nothwendigkeit für die Existenz im Staate bildet, führt consequent zum Köpfen der Gottesleugner und zum Verbrennen der Hexen.“ — Nun aber kommt die eigentliche Erklärung des Ganzen (S. 158–161): „Doch dauerte es ziemlich lange, ehe es mit dem Abfall der Hexen, der Verleugnung Christi soweit kam. In den wild gewordenen Zeiten des vierzehnten und besonders des fünfzehnten Jahrhunderts erscheint der unter dem Namen und der Form der Hexerei stattfindende Abfall vom Christenthum fast mit Einem Male häufiger oder wenigstens weit bemerkbarer geworden zu sein als früher. Möglich, und sogar sehr wahrscheinlich ist es, dass damals auch in dieser Beziehung eine der geistigen Seuchen geherrscht hat. Es mag ein allgemeiner krankhafter Reiz entstanden sein und lange bestanden haben, dem Christenthum sich zu widersetzen und mit einem gewissen Trotz in das alte Heidenthum zurückzukehren, soviel von dem letzteren noch vorhanden war. — Die grösste Wahrscheinlichkeit gewinnt diese Annahme einer Abfallskrankheit durch die Erwägung der Thatsache, dass offenbar kein Jahrhundert mit Ausnahme des unsrigen auch ausserhalb des Hexenabfalls an schamlosen, frechen und entsetzlichen Gotteslästerungen, an wildem Trotz gegen Gott, an Missbrauch der heiligen Worte und heiligen Dinge reicher gewesen ist als die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, das sechszehnte und die erste Hälfte des siebenzehnten. — Gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts [391] nahm dieser Abfall (der Hexen von Gott) in ungewöhnlichem Masse zu, auch nicht blos in Deutschland, sondern in gleicher Weise in Frankreich und Italien, — wo er sich dann noch mit besonderen Formen des dort einheimischen alten (römischen und keltischen) Heidenthums bekleidete, — und nahm theils an und für sich, theils in der Vorstellung der Menschen, ganz bestimmte Formen an. Dahin gehört der Bund mit dem Teufel, die Hurerei mit demselben etc. — Vielleicht zur grösseren Hälfte waren diese Bündnisse, diese Zauberkünste Einbildung, aus der zum Abfall geneigten Zeitrichtung aufgesogene Einbildung, niemals jedoch Einbildung eines Einzelnen; zur kleineren, indess bedeutenderen Hälfte waren sie (wie die Giftmischerkünste) Wahrheit.“

Vilmar fährt nun in dieser seiner Apologie der Bulle Innozenz' VIII. fort (S. 164 ff.): „Durch die Einführung eines förmlichen Verfahrens gegen den Abfall und gegen die Zauberei wurde übrigens die geistige Seuche des Abfalls nichts weniger als geheilt; im Gegentheil verstärkte sich die Neigung zum Widerspruch gegen das Christenthum, zum Abschwören Christi und zu den — oft thörichtesten und abgeschmacktesten — vermeintlichen Zauberkünsten in gewissen Schriften des Volkes noch um ein Bedeutendes. Je mehr man Hexen verfolgte und verbrannte, je mehr gab es Hexen, — nicht blos darum, weil man überall Hexen zu sehen und zu finden meinte, sondern weil in der That eine unglaubliche und stets im Wachsen begriffene Menge von Weibern — durch die herrschende geistige Krankheit angesteckt, — sich mit Abschwörungen, Siebtreiben, Gaukelsamensäen und Giftmischen beschäftigte. Zu dem letzteren Verbrechen war jedoch die Abschwörung Christi die unerlässliche Einleitung und selbst die bekanntesten Giftmittel, z. B. der Fliegenstein, wurden von den Giftmischerinnen damaliger Zeit nicht anders als nach dem förmlichen Eintritt in das Reich des Teufels angewendet.“ — „Wie weit der freventliche Kitzel mancher Weiber, besonders hochbejahrter Greisinnen, [392] Anderen irgend ein Leid anzuthun, — damals gegangen ist, lässt sich nicht wiedererzählen, und würde, wären nicht die unbefangensten und glaubwürdigsten Zeugnisse vorhanden (!), heutiges Tages völlig unglaublich erscheinen.“

Mit dieser Versicherung schliesst Vilmar seine Ausführung ab, zu der er am Schlusse der ganzen Abhandlung S. 186 noch die Bemerkung hinzufügt, dass neben dem einreissenden Indifferentismus seit etwa 1660 „das zum Siege auch in den unteren Volksschichten durchgedrungene Christenthum den Hexenprozessen mit dem Ausgange des siebenzehnten Jahrhunderts überhaupt ein Ende gemacht“ habe. — Also im fünfzehnten, sechszehnten und siebenzehnten Jahrhundert waren die oberen Volksschichten (von denen die Hexenverfolgung ausging) fromm, und die unteren Volksschichten waren gottlos; darum wucherte in diesen Jahrhunderten die auf Abfall von Gott beruhende Hexerei; gegen Ende des siebenzehnten Jahrhunderts aber wurden die Bürgers- und Bauersleute fromm, darum hörte die Hexerei und mit ihr auch (als Consequenz) die Hexenverfolgung auf (!!!).

Man sieht, dem Kanon Episcopi und den zahlreichen mit demselben übereinstimmenden Concilbeschlüssen und Pönitentialvorschriften gegenüber ist Vilmar ein — Ketzer; seinen Standpunkt hat er im Wesentlichen auf der verhängnissvollen päpstlichen Bulle Summis desiderantes vom 5. Dezember 1484, die in ihm innerhalb der evangelischen Kirche des neunzehnten Jahrhunderts einen eifrigen Apologeten gefunden hat. Aber freilich konnte er diese Apologie nur durch die rücksichtsloseste Entstellung der Geschichte zu Wege bringen, wobei ihn seine Unkenntniss der Sache nicht beunruhigte. Vilmar versichert allerdings (S. 172), dass er „etwa hundert Hexenprozesse gelesen“ habe. Soviel sich aber aus seinen Mittheilungen über Hexenprozesse (deren Akten er erwähnt, ohne den Ort anzugeben, wo die betreffenden Prozesse sich abgespielt haben,) ersieht, hat Vilmar in Wahrheit nur die Akten der wenigen Hexenprozesse gesehen, welche ehedem [393] im Archive des Hofgerichts zu Marburg vorhanden waren. Hätte Vilmar wirklich die Akten von etwa hundert Prozessen gesehen, so würden ihm doch wohl die Augen aufgegangen sein. Er hätte dann z. B. sicherlich nicht zu schreiben gewagt, was er S. 175 behauptet, dass für die wegen Hexerei Verdächtigten die Anhängigmachung eines Injurienprozesses „eins der untrüglichsten Sicherungsmittel gegen die Leib und Leben bedrohende Fama“ gewesen sei. Denn bei unzähligen Unglücklichen beginnt ja der mit der Verurtheilung zum Feuertode endigende Prozess eben damit, dass dieselben wegen Verunglimpfung bei den Gerichten Schutz suchten! Vilmar hätte sich dann auch nicht zum Apologeten des Verfahrens bei den Hexenprozessen gegenüber dem in der Wissenschaft feststehenden Urtheile über dasselbe aufwerfen können[377]; und höchst wahrscheinlich würde ihm Angesichts der satanischen Prozeduren, durch welche man — oft aus kindlich frommen Christenseelen — das Geständniss der Hexerei heraus- oder hineingefoltert hat, der Glaube an die Wirklichkeit der Hexerei ganz vergangen sein. Vilmar hat sich aber weder in Hexenprozessakten noch in der auf die Sache bezüglichen Literatur auch nur im Entferntesten so umgesehen, dass er berechtigt gewesen wäre, sich über das „Hexenwesen“ öffentlich auszusprechen[378].

[394]

Somit lässt uns auch die Annahme einer nur subjektiven Wahrheit in den Bekenntnissen der Hexen unbefriedigt. Um die sogenannte Freiwilligkeit derselben zu erklären, gibt man uns eine Welt voll Verrückter oder Nervenkranker, deren Visionen einander genau in denselben Punkten begegnen. Das heisst eine plane Sache zum Räthsel machen. Es ist diess fast ein Seitenstück zu der künstlichen Erklärung, welche der Pater Aubert über das Pferdehaar im Hühnerei abgab. Diesem gelehrten Jesuiten, Professor der Mathematik zu Caen, brachte man einst ein hartgesottenes Ei, in welchem ein Pferdehaar sich mehrmals durch das Weisse wand und dann in das Gelbe ging. „Das Ding kam mir etwas ausserordentlich vor, — erzählt Aubert; — denn diess Haar muss in die Milchadern hineingegangen sein und dann in den ductum thoracium, von dannen in die hohle Ader und dann in das Herz; und indem es ausging durch den herabgehenden Ast der Aorta, muss es sich in den Eierstock hineingedrängt haben.“ Die Wahrheit ist, dass das Haar niemals in dem Huhn gewesen, sondern durch ein feines, nachher wieder verklebtes Loch unmittelbar vor dem Sieden in das Ei geschoben worden war. Aehnlich war jene Freiwilligkeit der Bekenntnisse, die übrigens nicht einmal in den Protokollen so häufig gemeldet wird, als Mancher denkt, von aussen hineingebracht. Wenn man dem Inquisiten mit gezähnten Schrauben die Schienbeine gleich einem Kuchen zusammengepresst hatte, so liess ja der Sprachgebrauch vieler Richter dann immer noch ein gutwilliges Bekenntniss zu. So versichert ein glaubwürdiger Mann, Friedrich Spee. Anderwärts zeigen die Akten deutlich, wie mancher Angeklagte nur desswegen bereitwillig [395] bekannte, um sich die unnützen Schmerzen der Tortur zu ersparen, oder durch scheinbare Reumüthigkeit statt des Scheiterhaufens „die Begnadigung des Schwertes“ zu verdienen.

Dass die Gleichförmigkeit der Bekenntnisse, die einst für die objektive Wahrheit der Hexengreuel den Hauptbeweis lieferte, in unsern Augen nicht für, sondern gegen die Aufrichtigkeit der Aussagen zeugen muss, ist klar. Sie erklärt sich, so lange sie sich im Allgemeinen hält, schon aus der wesentlichen Gleichförmigkeit des überall verbreiteten Hexenglaubens, sobald sie aber Spezialitäten concreter Orte, Zeiten, Personen und Handlungen betrifft, nur aus Suggestion oder Collusion.

Wenn in dem Vorstehenden den Bekenntnissen der Angeklagten jede Bedeutung für die Entschuldigung der Hexenprozesse im Grossen abgesprochen wurde, so ist damit nicht die Möglichkeit einzelner Fälle geleugnet, in welchen ein Geisteskranker sich wirklich von der Wahrheit seiner Aussagen überzeugt halten mochte. Aber aus der Möglichkeit folgt noch nicht geradezu die Wahrscheinlichkeit. Möglich wäre es z. B. eben so gut, dass ein Verrückter sich für einen Wehrwolf hielte, als es gewiss ist, dass manche Irren auf Glasbeinen zu gehen oder Vögel im Kopfe zu tragen sich einbilden. Ob nun aber, wenn irgendwo ein Kind oder Schaf vermisst wurde, gerade derjenige, welchen das Gericht als Wehrwolf aufgriff und verbrannte, von seiner eingestandenen Lykanthropie selbst überzeugt war, diess ist eine andere Frage. Jener Unglückliche in Westphalen, der einst um dieser Beschuldigung willen eine fünfzehnmalige Tortur ausstand, litt gewiss nicht an dieser Monomanie; und so hat sich uns überhaupt in keinem concreten Falle die Annahme einer solchen aus den Umständen als nothwendig ergeben.

Ausser dieser Möglichkeit der Einbildung geben wir auch noch die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit des Versuchs in einzelnen Arten der Zauberei zu. Aber auch damit wird im Wesentlichen nichts geändert.

Bei dem allgemein herrschenden und ganz feststehenden [396] Glauben an die Möglichkeit eines Bundes mit dem Teufel und einer mit dessen Hülfe zu bewirkenden Zauberei konnte es allerdings bei einzelnen Unzufriedenen, Verzweifelnden, Verirrten zu Anrufungen des Teufels und zu Conaten kommen, mit Hülfe des Teufels irgend Etwas zu bewerkstelligen und zu erreichen[379]. Derartige Vorkommnisse sind sogar nachweisbar[380]. Allein gegenüber der in den zahllosen Hexenprozessen massenhaft vorliegenden Thatsachen beweisen diese ganz sporadisch auftretenden Erscheinungen gar nichts. In den Hexenprozessen, die sich auf dem Scheiterhaufen abspielten, ist nicht von Conaten eines Teufelsbündnisses, auch nicht von anderen Verbrechen, sondern nur von wirklich vollzogenen Teufelsbündnissen, von wirklichen Vermischungen mit dem Teufel und wirklichen Zaubereien die Rede, was sich auch leicht begreift. [397] Geben wir z. B. zu, dass ein abergläubischer Bösewicht heimlich ein Wachsbild schmolz, oder mit Nadeln durchstach, weil er dadurch seinen Feind tödten zu können meinte. Dieser wirkliche Versuch zog begreiflich, weil der Erfolg ausbleiben musste, auch keinen Prozess nach sich und kam nicht in die Akten. Dagegen war die von einem Sterbenden ausgesprochene oder ihm beigemessene Ueberzeugung, dass er der Zauberei dieses oder jenes Feindes unterliege, schon genügend, um den Bezeichneten in Untersuchung zu ziehen. Wenn dieser nun auf der Folter sich schuldig erklärte und dann, um die Mittel befragt, Wachsbilder nannte, so muss dieses Geständniss entweder in seiner ganzen Ausdehnung vom Versuch und Erfolg gelten, oder es fällt mit dem Glauben an den Erfolg auch die Vermuthung des Versuchs weg. Und so in den übrigen Malefizien. Demnach dürfen wir die versuchte Zauberei gerade in den Hexenprozessen am wenigsten suchen; diese geben uns, so wie ihr Kern, der Teufelsbund, eine Chimäre ist, auch nur eingebildete Malefizien.


[398]

Rudolf Reuss erklärt sich den Umstand, dass fast überall wohl zehnmal so viele weibliche Hexen als männliche Zauberer auftreten, so (S. 12):

L'homme, lorsqu'il se sent dévoré par la soif de la vengeance, des plaisirs ou de l'or, se croit d'ordinaire capable d'atteindre grâce à ses propres efforts au but désiré. La femme, au contraire, faible et sans moyen d'action — surtout dans la société du moyen-âge se tourne vers une puissance extérieure et invoque son appui pour satisfaire sa colère ou réaliser ses désirs de bonheur.

Hartpole Lecky sagt S. 60:

„Der Cölibat wurde allgemein als die höchste Form der Tugend angesehen, und um ihn zu empfehlen, erschöpften die Theologen alle Quellen ihrer Beredtsamkeit, um die Verworfenheit derjenigen zu schildern, deren Reize ihn so selten gemacht. Daher die langen und feuerigen Erörterungen über die beispiellose Bosheit, Nichtswürdigkeit, Ungläubigkeit, unbesieglich schlechten Neigungen der Frauen. — Die Frage, warum die ungeheuere Mehrheit Derer, welche der Zauberei angeklagt wurden, Frauen wären, hat früh die Aufmerksamkeit erregt und man beantwortet sie gewöhnlich — — durch die angeborene Nichtswürdigkeit des Geschlechts. Es gab keinen Gegenstand, über den sich die alten Schriftsteller mit zürnenderer Beredtsamkeit oder mit zahlreicheren Beispielen ergingen.“

Alfred Maury (La magie et l'astrologie S. 73) sagt mit Bezugnahme auf die Aeusserungen römischer Schriftsteller:

C'était surtout auprès des femmes, que les Chaldéens avaient trouvé credit. Le beaux sexe était alors fort curieux. Il n'est pas de mon sujet de rechercher si les choses ont changé depuis.

Der Malleus maleficarum beantwortet die Frage: cur magis foeminae superstitiosae reperiantur? mit Hinweisung auf die angeborene malitia des weiblichen Geschlechts, die (in Pars I. qu. 6) sehr eingehend und nach den entschiedensten Beziehungen hin nachgewiesen wird.

[399]

F. Trechsel (das Hexenwesen im Kanton Bern, in dem Berner Taschenbuch von 1870) S. 166 sagt:

„In grösserer Mehrheit ist doch das andere Geschlecht dabei vertreten, und es lässt sich dieses aus der der weiblichen Natur anhaftenden Reizbarkeit, der stärkeren Hinneigung zum Geheimnissvollen, Mystischen, Phantastischen und Excentrischen, aus dem Bedürfnisse von Schutz und Hülfe, woher nur immer einigermassen erklären.“

Joh. Scherr, Gesch. deutscher Kultur und Sitte (Leipz. 1854) S. 365:

„Warum kehrte sich die Verfolgungswuth vornehmlich gegen das schwächere und schönere Geschlecht? Warum häufte der Hexenprozess auf das Weib die abscheulichste Lästerung, welche demselben je widerfahren, — die Lästerung nämlich, Jungfräulichkeit und eheliche Treue hinzugeben, um dafür die widerliche Umarmung eines scheusslichen Bockes einzutauschen? — Weil in der Zauberkunst etwas Heimisches, Stilles, Abgeschlossenes lag, was sich mit dem männlichen Charakter weniger vertrug, hielt man von Uralters her die Frauen zauberischer Künste für fähiger als die Männer.“

Und doch hat wahrscheinlich keine Klasse von Opfern Qualen erduldet, die so stark und ohne Linderung waren. Für sie gab es den wilden Fanatismus nicht, der die Seele gegen Gefahr kräftigt und den Körper gegen Qualen beinahe stählt. Für sie gab es keine Zuversicht auf eine herrliche Ewigkeit, welche den Märtyrer die aufsteigende Flamme verzückt für den Wagen des Elias ansehen liess, der die Seele gen Himmel tragen sollte. Für sie gab es weder den Trost trauernder Freunde, noch das Bewusstsein, dass ihr Andenken von der Nachwelt werde geehrt und gefeiert werden. Sie starben allein, gehasst und unbemitleidet. Sie wurden von der ganzen Menschheit für die ärgsten Verbrecher gehalten. Ihre eigenen Verwandten schraken vor ihnen, als den Verworfenen und Verfluchten, zurück. Der Aberglaube, den sie in der Jugend eingesogen hatten, mischte sich mit den Täuschungen des Alters und den Schrecken ihrer Lage, er überredete sie [400] gar oft, dass sie wirklich die Leibeigenen des Satans und jetzt daran wären, ihre Qualen auf Erden für eine Seelenpein auszutauschen, die ebenso schmerzlich und dazu ewig sei. Und zu alle Dem haben wir die Schrecken zu erwägen, welche der Glaube über das Volk im Grossen verbreitet haben muss, haben wir uns die Angst der Mutter zu malen, wie sie sich einbildet, dass es in der Macht einer von ihr beleidigten Person stände, in einem Augenblicke jeden Gegenstand ihrer Liebe zu vernichten; wir haben vor Allem den schauerlichen Schatten zu bemerken, welchen die Furcht vor einer Anklage auf die geschwächten Kräfte des Alters geworfen, und die Bitterkeit, mit welcher sie Verlassenheit und Einsamkeit verstärkt haben muss. Alle diese Leiden waren das Ergebniss eines einzigen Aberglaubens, welchen der Geist der Aufklärung zerstörte.


[401]

Nachträge.

Ueber den Dämonismus der katholischen Kirche, der Kurie in der Gegenwart vgl. Buchmann, die unfreie und freie Kirche S. 226 ff.

Buxtorf-Falkeisen sagt in seiner Schrift „Basler Zauberprozesse aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert“ S. VII von dem gegenwärtigen Aberglauben in der Schweiz:

„Auch ist im Kriegsvolke die Passauerkunst noch nicht verschwunden, denn als die Aufgebote zum Sonderbundsfeldzuge einkamen, liessen sich viele der Einberufenen bei einem alten Manne durch irgendwelchen Hokuspokus hieb-, stich- und kugelfest machen.“

Folgendes theilt Buxtorf-Falkeisen S. X aus dem Elsass mit:

„Der Glaube an Zauberer und Hexen etc. (so wird im Januar 1860 aus Altkirch geschrieben,) ist in unseren Gegenden noch nicht ganz verschwunden, so dass wir noch hier und da von Personen hören, die der Teufel zu seinem Wohnsitz auserkoren hat. So sind im Jahr nach der allgemeinen Ausstellung zwei nervenkranke Kinder von Illfurth für besessen erklärt worden. Eine Störung der geistigen und leiblichen Kräfte, momentanes Verschwinden aller Bewegung und Empfindung hatte sie befallen. Da ward eine unglückliche, ganz unschuldige Frau des Verbrechens der Hexerei beschuldigt. Glücklich jedoch, dass sie nicht mehr in der Zeit der Scheiterhaufen lebte! Die beiden Kinder wurden anfangs von Aerzten behandelt, dann von einer „Schläferin“ besorgt, ohne dass die bösen Geister weichen wollten. Die Sache machte immer grösseres Aufsehen bei den abergläubischen Menschen, deren Zahl [402] immer noch gross genug ist. Zuletzt wurden die sogen. Besessenen einer ganz eigenthümlichen Behandlung in einem Kapuzinerkloster unterworfen. Noch wichen die Dämonen nicht. Da trat eines Tages, von der hohen Behörde hingesandt, der Gendarmerie-Brigadier ins Krankenzimmer, — und siehe was nicht Wissenschaft und nicht Mönchsgebet vermochten, das gelang dem stattlich galonirten Querhut. Flugs ward Heilung und das Unwesen gebannt.“

M. Perty sagt in der Schrift „der jetzige Spiritualismus und verwandte Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart“ (Leipzig und Heidelberg 1877) S. 229:

„In Indien kommen auch in neuester Zeit noch Fälle vor, wo Menschen wegen angeblicher Zauberei gemartert und getödtet werden, wie 1872 im Lande der Bheels eine alte Frau, die man im Verdacht hatte, einem Bunniah von Kooshulgurh, Namens Fatta, Krankheit angezaubert zu haben. Der Bunniah selbst glaubte, diese Frau Chundoo habe seine Leber verzehrt. Einige Bheels banden sie, wie sie dieses vermeintlichen Hexen früher sehr allgemein zu thun pflegten, an den Handgelenken an einen Bananenbaum, und schwangen sie, um sie zum Geständniss zu bringen, vier Tage hin und her, bis sie starb, und verbrannten dann die Leiche“[381].


Berichtigung.

Die Ueberschrift des zwölften Kapitels, B. I. S. 407 muss heissen:

„Die Inquisition im dreizehnten Jahrhundert. Ausbildung des Hexenprozesses in Frankreich. Hexenprozesse in Irland und Italien.“


[403]

Namen- und Sachregister.

A B C D E F G H I/J K L M N O P Q R S T U V W X Z

FUSSNOTEN:

[1] W. E. Hartpole Lecky, Gesch. des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in Europa; übers. von Jolowicz, B. I. S. 69.

[2] Vgl. über ihn Sprengel, Gesch. der Arzneikunde, III. S. 275 ff., v. d. Aa.

[3] Zu der Ausgabe von 1577 fügte Weier als sechstes Buch seiner Schrift noch eine Abhandlung de lamiis sowie einen seltsamen Excurs über Pseudomonarchia Daemonum hinzu. Die innere Einrichtung der Hölle schildernd führt er die Namen von 572 Fürsten derselben auf, deren Unterthanen er auf 7 405 926 Dämonen schätzt. Es bleibt dahingestellt, wieviel davon er wirklich geglaubt hat.

[4] Jakob Vallick, Pfarrer zu Groessen im Clevischen, wird von Scheltema (Geschiedenis p. 150) als ein Mann genannt, der schon vor Weier den Aberglauben bekämpft habe. Wer Vallick's Traktat „von Zauberern, Hexen und Unholden“ (im Theatrum de veneficis S. 54 ff.) kennt, wird den Verfasser weit eher unter die Beförderer, als unter die Bestreiter des Hexenglaubens zählen. Seine Geschichtchen, wie seine Gegenmittelchen sind gleich abergläubischer Natur.

[5] Roger Baco und ähnliche Männer jener Zeit sind in Weier's Augen eigentliche Zauberer und der strengsten Bestrafung werth.

[6] Vgl. A. Wolters, Konrad v. Heresbach, S. 149 ff.

[7] Nach der deutschen Uebersetzung von Fuglinus, Frankf. 1587. Die schroffsten Eigenthümlichkeiten der Orthographie haben wir etwas abgeglättet.

[8] Wohlweisslich hatte Weier seine Schrift, bevor er sie unter die Presse gab, dem Kaiser Ferdinand überreicht, um ein Privilegium gegen den „Nachdruck“ (contra aemulorum fraudes!) zu gewinnen, und dieses war auch wirklich, und zwar mit dem Bemerken ertheilt worden, „dass das rühmliche Vorhaben nicht nur gebilligt und gelobt, sondern auch gefördert zu werden verdiene“.

[9] Buch II. Cap. 17.

[10] Der Geistliche, von welchem hier die Rede ist, war kein anderer, als jener Jakob Vallick, welchen Scheltema unverdienter Weise unter den Aufklärern genannt hat. Vallick erzählt dieselbe Geschichte in seinem oben angeführten Traktat von Zäuberern, Hexen und Unholden.

[11] Die Veröffentlichung des Buches brachte Weier viele böse Tage ein. Als nämlich Herzog Wilhelm IV. in Trübsinn verfallen war, wurde Weier teuflischer Zauberkünste angeklagt, durch welche er den Geist des Fürsten umnachtet hätte. Um sich daher dem schlimmsten Schicksal zu entziehen, floh er von Düsseldorf. Doch fand er bei dem Grafen von Bentheim in Tecklenburg Aufnahme und Schutz, und lebte daher hier von 1564 bis zu seinem Tode 1588, als Arzt und Schriftsteller unablässig thätig.

[12] Kaspar Borcholt empfiehlt das Buch dem lüneburgischen Rathe Bartolus Richius und sagt unter anderm: — — — „Habe ich Euch das Buch des hochgelahrten Mannes Wieri, welches er vor etlichen Jahren de praestigiis daemonum, von Zauberei und Vergiftung, so artig und kunstreich, dass es auch von allen hochgelahrten Leuten in ganzem Burgundia und Belgico wie ein Heiligthum gehalten wird, geschrieben, zu übersenden verheissen. So oft als ich meines Praeceptoris, des hochgelahrten ICti Jacobi Cujacii eingedenk bin, welches dann zu dem oftermal von mir geschieht, muss ich wahrlich mit ihm bekennen, dass ich kein Buch mit grösserem Lusten, als eben dieses, gelesen und so viel befunden, wenn unsere der Gesetze Glossatores, wenn sie gegen diesem Buche verglichen werden, da sie nichts, so oft sie von dieser Sache zu handeln angefangen, denn Fabelwerk verlassen.“

[13] Bei Fichard Consil. Vol. III. p. 60 findet sich ein Consilium derselben, in welchem der Malleus als Auctorität gilt. Dasselbe treibt sich blindlings mit dem „die Zauberer sollst du nicht leben lassen“ und Constantin's Gesetzen herum und will alle Zauberer verbrannt wissen. Weier wird citirt, aber nicht beachtet, oder nicht verstanden. In ähnlichem Sinne hatte sich die heidelberger Juristenfakultät geäussert; die Zauberei erschien ihr als ein ärgeres Verbrechen, als der Fall der Engel und der Sündenfall. (Fichard ibid.)

[14] Fichard Consil. Vol. III. p. 80. In Baden war diess bis dahin noch nicht gebräuchlich.

[15] Delrio Lib. V. sect. 16.

[16] Sie ist der deutschen Uebersetzung der Schr. de praestigiis daemonum von 1586 beigegeben. Der lateinische Titel lautet: Apologia adversus quendam Paulum Scalichium, qui se principem de Scala vocitat.

[17] Das Werk liegt uns in einem Druck vor, welcher den Titel führt: Repetitio disputationis de lamiis seu strigibus, in qua plene, solide et perspicue de arte earum, potestate itemque poena disceptatur. Basil. (ohne Jahresangabe). Das Vorwort ist vom April 1578 datirt. — Auch in Jaquier's Flagellum haeret. fascinariorum (Frankf., 1581) findet sich die Schrift abgedruckt.

[18] Wir gebrauchten die lateinische Ausgabe des Werks, welche den Titel führt: De magorum daemonomania seu detestando lamiarum ac magorum cum Satana commercio libri IV. Accessit ejusdem opinionum Joannis Wieri confutatio non minus docta, quam pia. Francofurti 1603.

[19] Bodin hebt schliesslich hervor, dass es durchaus nicht in der Befugniss der Obrigkeit liege, Diejenigen zu begnadigen, die Gottes Gesetz zum Tode verurtheile. Ein Fürst, der sich einer solchen Ausschreitung schuldig mache, beleidige die Majestät Gottes, indem er in der That und Wahrheit das Gesetz Gottes verwerfe, wodurch er dann Hunger und Seuchen über sein Land bringe. Ein abschreckendes Beispiel habe Gott an König Karl IX. statuirt. Derselbe habe den grossen Zauberer Trois-Echelles unter der Bedingung, dass er seine Mitschuldigen angebe, begnadigt. Darum habe aber den König ein früher Tod ereilt. Denn das Wort Gottes sage ganz bestimmt, dass Jeder, der einen des Todes Schuldigen entrinnen lasse, die Strafe auf sich selbst bringe; wie der Prophet zum König Ahab gesagt habe: er müsse sterben, weil er einen Mann begnadigt habe, der des Todes schuldig sei. Darum habe man auch noch nie gehört, dass ein Zauberer begnadigt worden sei etc.

[20] So wird er z. B. in buseckischen Prozessen häufig citirt und in einer Deductionsschrift des Fiscals sogar einmal mit folgenden Worten apostrophirt: Mi Bodine, si jam adesses et audires tam execrabilia exempla hujus veneficae, nonne eam condemnares ad rogum constructissimum? Akten von 1673.

[21] De Sagarum natura et potestate deque his recte cognoscendis et puniendis, deque purgatione earum per aquam frigidam epistola. Lemgov. 1583. Marp. 1588.

[22] Gegen Scribonius erschien 1589 zu Frankf.: Examen Epistolae et partis Physiologiae de examine Sagarum per aquam frigidam a. G. A. Scribonio in lucem editarum. Accedit in fine Scribonii Epistola, wodurch, da Scribonius sich vertheidigte, ein Schriftenwechsel hervorgerufen ward, der sich bis in das Jahr 1591 hinzog.

[23] Die Schrift erschien zu London zuerst unter dem angegebenen Titel 1584; später wurde sie öfter unter dem erweiterten Titel: Discovery of witchcraft proving the common opinions of witches contreating with Devils, Spirits etc. verlegt.

[24] v. Wächter, Beitr. zur deutschen Geschichte, S. 294–295.

[25] Das Buch war unter dem Titel veröffentlicht: „Tractatus de confessionibus maleficorum et sagarum, an et quanta fides iis adhibenta sit“, und führte das Motto (die Parole der Hexenrichter!): Exod. XXII.: Maleficos non patieris vivere. Eine spätere Ausgabe (in 8o. 795) erschien zu Trier 1596. — Ausserdem erschienen im sechszehnten Jahrhundert noch eine Reihe kleinerer Traktate, welche zur Hexenverfolgung weitere Anregung und Anleitung geben sollten, indem sie namentlich die den Unglücklichen abgefolterten „Geständnisse“ zu Markte brachten. Eine Anzahl derselben stellte namentlich der Jurist Abraham Sawr in einer Sammlung zusammen, die er mit sonstigem Zubehör unter dem Titel veröffentlichte: „Theatrum de veneficis d. i. von Teufelsgespenst, Zauberern und Giftbereitern, Schwarzkünstlern, Hexen und Unholden etc.“ Frankf. a. M. 1586 (396 S. in Fol.).

[26] Ueber Loos s. Hauber Bibl. mag. Bd. I. S. 74 ff. Gesta Trevirorum Vol. III. p. 38. Bayle Réponse aux questions d'un provincial, Chap. 3. — Scheltema, Geschiedenis, Aanteekeningen, S. 37 ff. — v. d. Aa, Biographisch Woordenboek der Nederlande, Tom. VIII. s. v.

[27] Delrio Lib. V. Append. p. 858 ff. Das Instrument selbst ist lateinisch abgefasst; wir geben es in deutscher Uebersetzung.

[28] Ueber ihn s. Reiffenberg's Historia Societatis Jesu ad Rhenum inferiorem. Colon. Agripp. 1764, I. p. 241 ff. Gesta Trevirorum, Animadv. ad Vol. III. p. 18. Delrio Lib. V. sect. 3. Hauber, Bibl. mag. Bd. II. S. 583 ff. Flade wird der Name in den Gestis Trevir. und in Akten geschrieben; bei manchen Schriftstellern findet sich „Flaet“ und „Vlaetius“.

[29] In einem trierischen Prozesse, der von 1591 bis 1594 dauerte, mitgetheilt von Liel im Archiv für Rheinische Geschichte von Reisach und Linde, Th. I. S. 47 ff.

[30] Daemonolatriae Libri III., Lugd. 1595 (394 S.). Auf dem Titel ist angegeben, dass zur Ausarbeitung des Buches die gerichtlichen Aussagen von ungefähr neunhundert wegen Zauberei innerhalb fünfzehn Jahren in Lothringen Hingerichteten benützt seien. Dem Buche ist das Motto vorgesetzt: Levit. XX.: Vir sive mulier, in quibus pythonicus vel divinationis fuerit spiritus, morte moriatur. Auch erschien dasselbe 1596 und 1598 deutsch unter dem Titel: Daemonolatria d. i. von Unholden und Zauber Geistern, dess Edlen, Ehrnvesten und Hochgelarten Herrn Nicolai Remigii, des durchl. Hertzogen in Lothringen Geheimen Raths und Peinlicher Sachen Cognitoris publici. — Aus dem Latein in hoch Teutsch übersetzt durch Teucridem Annaeum Privatum. Franckfurt bei Cratandro Palthenio 1598.

[31] Daemonolatr. Th. II. Cap. 2.

[32] Jacobi I. Daemonologia in den Opp. ed. Montague. Francof. 1689. Auch einzeln.

[33] Βασιλικῶν δώρων lib. II.

[34] Ueber Delrio's Lebensschicksale s. Hauber, Bibl. mag. Bd. I. S. 123 ff. Bayle Réponse aux questions d'un provincial, Chap. 16. Ohne Zweifel war Martin Delrio der jüngere Bruder desjenigen Ludwig Delrio, der in Alba's Blutrathe eine Hauptrolle spielte.

[35] Dieses Buch, in den folgenden Auflagen (1600, 1606) von dem Verf. selbst vermehrt, ist sehr häufig (z. B. noch 1679 zu Köln in 4o.) gedruckt worden. Die späteren Ausgaben sind indessen fast durchgängig durch zahllose Druckfehler entstellt. — Delrio wurde selbst von deutschen Behörden als Auctorität für deutsche Rechtsgewohnheiten citirt, wie in dem Berichte des Magistrats zu Coesfeld an das münster'sche Ministerium. Niesert S. 91.

[36] Erste Ausgabe 1615, dann Mainz 1623.

[37] Von der gelehrt juristischen Darstellungsweise des Verfassers folgende Probe: Contractus innominati formula, Do ut facias, de quo in l. Labeo scribit, l. Juris gentium, D. de pact. apud magos passim recepta, quibus diabolus permittit, Si te mihi addixeris, ulciscar te, ditabo te etc. ut tradit Petr. Binsfeld. in confess. malef. praelud. 6. †. Ex quibus praescriptis verbis nascitur obligatio pura, l. obligatio l. naturalis, §. sed si facio, D. de praescript. verbis cum aliis per Loriot. de apicib. Jur. tract. 10 ex n. 15. Adversus hominem videlicet, non tamen adversus daemonem; nam etsi contractus arithmetica constent proportione et ultro citroque obligationem producant, l. Labeo, D. de verb. signif. in daemonem tamen cadere non potest obligatio, neque civilis, neque naturalis, quia non est pura creatura anima et corpore constans, ut tradunt D. Thom. 2. 2. qu. 95, concivis meus Card. Toledo in summa lib. IV. cap. 15. Neque ex eo homo queri potest; nam qui contrahit, vel est, vel debet esse non ignarus conditionis ejus, cum quo contrahit, l. pen. D. ad Macedo. l. qui cum alio, D. de reg. jur. cum vulgatis, etc.

[38] Vgl. Heppe, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Reformation in Trier im Jahr 1599 in Niedners Zeitschr. für die Kirchengeschichte 1849, S. 417–444.

[39] Hac occassione Joannes Archiepiscopus accersit Treviros Patres Societatis Jesu, qui se haeresibus opponerent, idque ex consilio reverendi domini Faë. Gest. Trev. III. p. 20, not. c.

[40] Haec cum Archiepiscopus sollicite ageret (es ist von der Einführung der Jesuiten die Rede), Trevirenses licentia gliscentis haeresis in deteriora prolapsi, omnia suspecta habere, libertatem quaerere, gravamina praetendere, et seditionibus plebem praeparare pergebant. Gest. Tr. III. p. 22.

[41] Sed exhausta mansit patria, terra nihil proferente et latrone quidquid reliqui erat depraedante. Nihilominus licet ex praecipuis pro se ipsis indigerent, tamen in sumtus Archiepiscopi pro ejusdem sustentatione et camerae suae levamine, quasi in annos singulos, aliquid tributi conferre coacti sunt. Quae toties repetita necessitas conferendi faciebat praestationem duram et principem invisum, nulla sui culpa, cum tamen octo vel decem millium florenorum facile contentaretur. Gest. Tr. III. 51.

[42] Fuit patribus Societatis Jesu mire addictus. — Patribus collegium sat splendidum construxit in sua paupertate et reditus amplos coëmit. Gest. Trev. III. 51. — Tandem plenus dierum et bonarum cogitationum, largitione patribus Societatis Jesu profuse facta. — — — — Deo spiritum reddidit Confluentiae. Ibid. p. 56. In Koblenz hatte er die Cisterciensernonnen und die regulirten Chorherren zu Niederwerth gezwungen, ihre bisherigen Klostergebäude zu verlassen, um den Jesuiten Platz zu machen.

[43] Gest. Trev. III. 51.

[44] Ibid. pag. 52.

[45] Delrio, Proloqu. 9.

[46] Man lese die kernhafte Darstellung Linden's in den Gest. Trevir. III. 53 f. Vix aliquis eorum, qui accusati sunt, supplicium evasit. — Supplicio affectorum liberi exulabant, bona publicabantur. Deficiebat arator et vinitor; hinc sterilitas. Vix putatur saevior pestis aut atrocior hostis peragrasse Trevirensium fines, quam hic immodicae inquisitionis et persecutionis modus. Plurima apparebant argumenta, non omnes fuisse noxios. — Durabat haec persecutio plures annos, et nonnulli, qui justitiae praeerant, gloriabantur in pluralitate palorum, ad quorum singulos singula humana corpora Vulcano tradita.

[47] Jäck, Gesch. der Provinz Bamberg, 3 Theile, 1809.

[48] Man hat von ihm: Panoplia armaturae Dei. Conciones contra omnes superstitiones et praestigias diaboli. Ingolstad. 1626. Er starb 1630. S. Gropp. Tom. III. p. VIII.

[49] Kriminalverfahren vorzüglich bei Hexenprozessen im ehemaligen Bisthum Bamberg während der Jahre 1624 bis 1630. Aus aktenmässigen Urkunden gezogen von G. v. Lamberg. Nürnberg bei Riegel und Wiessner. Ohne Jahrzahl. (1838?)

[50] Kurtzer und wahrhafftiger Bericht und erschreckliche Zeitung von sechshundert Hexen, Zauberern und Teufels-Bannern, welche der Bischoff von Bamberg hat verbrennen lassen, was sie in gütlicher und peinlicher Frage bekannt. Auch hat der Bischoff im Stifft Würtzburg über die neunhundert verbrennen lassen. — Und haben etliche hundert Menschen durch ihre Teuffels-Kunst um das Leben gebracht, auch die lieben Früchte auf dem Feld durch Reiffen und Frost verderbt, darunter nicht alleine gemeine Personen, sondern etliche der vornehme Herren, Doctor und Doctors-Weiber, auch etliche Rathspersonen, alle hingericht und verbrannt worden; welche schreckliche Thaten bekannt, dass nicht alles zu beschreiben ist, die sie mit ihrer Zauberey getrieben haben, werdet ihr hierinnen allen Bericht finden. — Mit Bewilligung des Bischoffs und ganzen Thum-Capitels in Druck gegeben. Gedruckt zu Bamberg bei Augustin Czinchium, im Jahr 1659. — (Abgedruckt bei Hauber Bibl. mag. Bd. III. S. 441 ff.)

[51] Durch die Jahrzahl der angeführten Broschüre haben sich Meiners (Histor. Vergleichung der Sitten des Mittelalters T. III. S. 392), Henke (Grundr. einer Gesch. des deutschen peinl. Rechts Th. II. S. 255) und Andere verleiten lassen, die fraglichen sechshundert Hinrichtungen in das sechste Jahrzehnt des siebenzehnten Jahrhunderts zu setzen. Dass dieselben unter Johann Georg II. gehören, ergibt sich aus einer Vergleichung der Broschüre mit Lamberg's Schriftchen; in beiden sind Personen angeführt, deren Identität sich nicht bezweifeln lässt. Ueberdiess regierte in dem auf dem Titel mitgenannten Würzburg zwischen 1650 u. 1660 Philipp von Schönborn, von welchem bekannt ist, dass er die Hexenprozesse einstellte.

[52] v. Lamberg, Beilage Lit. S.

[53] v. Lamberg, S. 24.

[54] v. Lamberg, S. 15.

[55] Ebendas. S. 20.

[56] Ebendas. S. 17.

[57] Vgl. Heppe, die Restauration des Katholizismus in Fulda, auf dem Eichsfelde und in Würzburg, (Marb. 1850), S. 161 ff.

[58] Collect. script. et rer. Wirceburg. Th. III. S. 325.

[59] Gropp, Th. III. S. 334.

[60] Vgl. Buchinger, Julius Echter von Mespelbrunn, S. 170 ff. u. S. 232 ff.

[61] Baldi, die Hexenprozesse in Deutschland, S. 13.

[62] Gropp. Th. III. S. 402. Ussermann, Episc. Wirceb. p. 152.

[63] Gropp. Th. III. S. 402.

[64] Ueber das dortige Confiskationsverfahren (bald 1/5, bald 1/2 des Vermögens, bald das ganze) s. die von Dr. Scharold mitgetheilte Instruktion, im Archiv des hist. Vereins f. Unterfranken, VI. 1. S. 128.

[65] Hauber, Bibl. mag.

[66] Historia tragica adolescentis praenobilis Ernesti ab Ernberg, perniciosa familiaritate seducti et obstinati in magia, supplicio affecti. Bei Gropp Collect. Tom. II. p. 287 ff. Die Geschichte des unglücklichen Knaben erschien wieder in einem würzburgischen Universitätsprogramm 1700 unter dem Titel: Aucupium innocentiae a stygio aucupe in pietatis et literarum palaestris versanti juventuti periculose structum et experientia duce ac magistra veritate detectum.

[67] Gropp. Tom. II. p. 291. Der Titel ist: Ernestus veneficus in carcere et catenis, declamatione scholastica in Universitate Heidelbergensi exhibitus. Die Personen sind: Ernestus, Diabolus, Cognatus, Confessarius.

[68] Anpreisung Sr. Majestät allergnädigsten Landesverordnung, wie es mit dem Hexenprozesse zu halten sei. 1766. S. 142.

[69] Vgl. Heppe, „Die Restauration des Katholizismus etc.“ S. 134 ff. und „Das evangel. Hammelburg und dessen Untergang durch das Papstthum“ Wiesbaden, 1862.

[70] Eine sehr genaue aktenmässige Darstellung des Treibens dieses Malefizmeisters im Lande Fulda hat der Domkapitular Malkmus in der Schrift: „Fuldaer Anekdotenbüchlein“ (Fulda, 1875) S. 101–151 geliefert. Nach derselben wir hier berichtet.

[71] In den Wetzlar'schen Beiträgen zu den Hexenprozessen (von 1847) wird ein Mandat des Reichskammergerichts vom 27. Juli 1603 gegen den Zentgrafen und die Schöffen des peinlichen Gerichts in Fulda, welches auf Anrufen eines verhafteten Weibes verfasst war, mitgetheilt, woraus das Prozessverfahren des Fuldischen Hexenrichters dargestellt ist. Es heisst nämlich daselbst: die klagende Hausfrau habe sich von Jugend auf als eine fromme, unbescholtene, redliche und tugendhafte Person betragen, auch im besten Rufe gestanden etc. „Das Alles hintangesetzt habt Ihr, Zentgraf, Schöffen und Richter, sie ohne einigen Grund für eine Hexe — blos unter dem Vorwande erklärt, weil drei derselben Unthat beschuldigte Weiber sie dafür angesehen haben sollen; und ohne fernere Erkundigung habt Ihr sie gewaltthätig angreifen, in ein abscheuliches Gefängniss, in einen Hundestall am Backhause des Fuldaer Schlosses, einsperren, in grausamer Weise an Händen und Füssen fesseln lassen und sie genöthigt, durch ein niedriges Loch auf allen Vieren wie ein Hund zu kriechen, worin sie dann gekrümmt und gebückt, elendiglich hockend, sich weder regen, bewegen, aufrecht stehen, noch des leidigen Ungeziefers erwehren kann. — Obwohl nun ausser dem Zeugnisse der drei heillosen Weiber — nicht die geringsten Indicia der Zauberei gegen sie vorliegen, und desswegen ihr Ehewirth ihre Unschuld in Rechten darzuthun, auch eine Caution zu stellen sich erboten und um Erleichterung der Haft dieser ehrbaren, vermuthlich schwangeren Person und um Zeit zur Defension gebeten, so habt ihr ihm diese Bitte nicht gewährt, und die Klägerin hat hiernach nichts Gewisseres zu erwarten, als dass Ihr zu unerträglicher Tortur forteilen und ihr demnächst einen schmählichen Tod unzweifelhaft anthun werdet.“ Das Kammergericht erliess hierauf den strengen Befehl, „bei Pön von 10 Mark löthigen Goldes sofort der Klägerin ein mildes, leidliches Gefängnis zu geben, ohne erhebliche, in Rechten zugelassene Indizien sie nicht zu torquiren und den zu ihrer Defension und Verantwortung erforderlichen Zutritt zu gestatten. Auch habe sich das Gericht über die zur Klage gebrachten Nullitäten zu verantworten.“

[72] Regelmässig pflegte Nuss, wenn er aus einer Unglücklichen ein Geständniss herausgepresst hatte, noch zu fragen: „Besinne Dich, ob in der und der Gasse nicht noch Etliche wohnen, die Zauberei treiben. Zeige mir sie an und schone sie nicht. Andere haben dich auch nicht geschont. Die Reichen tanzen so gerne wie die Armen“ u. s. w.

[73] Die Kläger beschwerten sich nicht über ungerechte Hinrichtung der Ihrigen, sondern über das Prozessverfahren und über die Kosten. — Nuss hatte von den Prozessen in den drei Jahren im Ganzen 5393 Gulden eingenommen.

[74] Ueber diese Vorgänge berichten wir hier nach der interessanten Schrift des Dr. B. Niehues „Zur Geschichte des Hexenglaubens und der Hexenprozesse, vornehmlich im ehemaligen Fürstbisthum Münster.“ (Münster, 1875.)

[75] Vgl. Niehues, „Zur Gesch. der Gegenreformation im ehemaligen Fürstenthum Münster“ in der Zeitschr. für preuss. Gesch. und Alterthumskunde, 1874, Monat November.

[76] Niehues, S. 60–77.

[77] Niehues, S. 81–97.

[78] Niehues, S. 96–109.

[79] Das Nachfolgende wird nach Huffschmids Aufsatz „Zur Criminalstatistik des Odenwalds im sechszehnten und siebenzehnten Jahrh.“ (in der „Zeitschr. für deutsche Kulturgesch.“ 1878, S. 423–433) mitgetheilt.

[80] Ueber die Anfänge der Hexenverfolgung in Seligenstadt (1600) s. Steiner's Gesch. der Stadt u. ehemaligen Abtei Seligenstadt (Aschaffenburg, 1820) S. 283 ff.

[81] Man lese z. B. folgendes Torturprotokoll vom 2. Oktober 1627 (bei Steiner S. 94): „Weil dieselbe (Verhaftete) nichts gestehen wollte, sondern auf dem Leugnen halsstarrig bestand, als ist sie auf dem einen Schenkel mit dem Krebs beschraubt worden. Sie hat aber immerdar gerufen, es geschehe ihr Unrecht etc. und sich erzeigt, gleichsam sie einigen Schmerz nicht empfinde. Und ob der Meister auf ein Holz schraubte, auch mit aufgesperrtem Mund in einen Schlaf gerathen. Und als man ihr Weihwasser in den Mund geschüttet, hat sie dasselbe jedesmal wieder ausgespieen und abscheuliche Geberden im Gesicht von sich gegeben. Derentwegen, nachdem sie wieder zu sich selbst gekommen, dieselbige ausgezogen, geschoren, mit dem Folterhemd angelegt und auf dem anderen Hemd auch beschraubt worden, wobei sie sich mit Entschuldigen, Rufen, Schreien, Schlafen wieder wie zuvor geberdet, auch das Weihwasser abermals ausgespieen. Auf welche beharrliche Halsstarrigkeit und Verleugnen sie ungefähr ein zwei Vaterunser lang aufgezogen, und mit ihr ein grosser Stein an beide grosse Zehen gehängt worden. Sie hat aber wie zuvor einig empfindliches Zeichen nicht von sich gegeben, sondern gleichsam sie todt wäre, sich gestellt, desshalben man sie herabgelassen, und zur vorigen Custodie, nachdem sie sich wieder erholt, hinführen lassen.“

[82] Nach Steiner, Gesch. der Stadt Dieburg, Darmstadt 1829. S. 68–100.

[83] Huffschmid, in der „Zeitschr. für deutsche Kulturgesch.“ 1858, S. 432.

[84] Die Mittheilungen hierüber entlehnen wir der (zu dem Sammelwerke Virchow's und v. Holtzendorf's gehörigen) Abhandlung W. von Waldbrühls: „Naturforschung und Hexenglaube.“

[85] Ueber das Geschick derselben berichtet ausser v. Waldbrühl(S. 33 bis 34) auch ein Aufsatz der Kölnischen Zeitung vom 3. Januar 1875, I: „Melaten und der Galgenberg.“

[86] Roskoff, B. II. S. 312.

[87] S. des Salzburger Advokaten Kofler Observationes magicae bei Hauber, Bibl. mag. Th. III., S. 306 und ausserdem Horst, Dämonomagie, Th. II. Anhang, S. 349 ff. und Mezger, Histor. Salisburg. Lib. V. cap. 54.

[88] G. J. Bessen, Gesch. des Bisthums Paderborn, C. II. S. 88, 98 ff.

[89] Vgl. den Aufsatz „Ein Criminalprozess gegen ein besessenes Mädchen“ in Hitzig's und Schletter's Annalen der Criminalrechtspflege, Leipz. 1854, S. 267 ff.

[90] L. T. Spittler, Gesch. des Fürstenthums Hannover, (Hannov. 1798), B. I. S. 304–307.

[91] Spittler, S. 304: — num (sagae) ea praestare et efficere passent, quae tormentis ad actae perpetrasse se fatentur.

[92] Neues vaterländisches Archiv des Königreichs Hannover von G. H. G. Spiel und E. Spangenberg, B. II, (Lüneb. 1822), S. 66.

[93] v. Raumer, märkische Forschungen, B. I. S. 257 ff.

[94] Silberstein, S. 218 ff.

[95] Vgl. L. Rapp, die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol (Innsbruck, 1874) S. 18–24.

[96] In dem interessanten (von Schönherr im „Tiroler Boten“ 1873, Nr. 181–190 dargestellten) Prozess gegen den Zauberer Matth. Niederjocher von Schwaz vom Jahr 1650, welcher beschuldigt war, Erze und Bergwerke „verthan“ (d. h. verzaubert) zu haben, kamen auch ein paar „Glasteufel“ vor (in Glasgefässe eingeschlossene spiritus familiares oder Dämonen). Einer davon wurde an zwei Bauern aus dem Zillerthale um hohen Preis verkauft.

[97] Rapp. S. 25 ff.

[98] C. Haas, „die Hexenprozesse“ (Tüb., 1865) S. 102–108.

[99] Bopp in Rotteck's und Welcker's Staatslexikon, B. VII. S. 6.

[100] H. Schreiber, die Hexenprozesse zu Freiburg im Breisgau, Offenburg in der Ortenau und Bräunlingen auf dem Schwarzwald. (Freib. 1836) S. 16 ff.

[101] Pfaff, die Hexenprozesse zu Esslingen im sechszehnten und siebenzehnten Jahrhundert, in der Zeitschr. für die Kulturgesch., 1856, S. 347 ff.

[102] R. Reuss, La sorcellerie, S. 198–199.

[103] Das Mandat s. abgedruckt bei Reuss, S. 180–181.

[104] Nach Akten im Staatsarchiv von Keller in der Schrift: „die Drangsale des Nassauischen Volkes im dreissigjährigen Kriege“, S. 135 mitgetheilt.

[105] Sie waren meistens, wie der Defensor sagt: hujus criminis delatores, accusatores et sparsores.

[106] Ein ziemlich vollständiges Referat über die Verhandlungen und Vorgänge bei einem 1655 zu Marburg geführten Hexenprozess hat der bekannte Philosoph Tiedemann in den „Hessischen Beiträgen zur Gelehrsamkeit und Kunst“, B. II. (Frankf. 1787), S. 577–605 geliefert.

[107] So lautet z. B. das Schlussactum eines Hexenprozesses zu Rotenburg in Hessen von 1668 so:

„Urtheil.“

„In Sachen Fürstl. Hessisch-Rheinfelsischen Fiscalis, peinlichen Amtsanklägers eines-, entgegen an Else Baldewins, peinliche Beklagte anderen Theils, beschuldigte Hexerei in actis mit mehreren angezogen, betreffend, wird von uns peinlichen Richtern und Schöffen des Fürstl. Rheinfels. hohen Halsgerichts zu Rotenburg allem Vorbringen nach auf vorgehabtem Rath der Rechtsgelehrten zu Recht erkannt: dass peinlich Beklagte von der ordentlichen Strafe der Hexerei zwar zu absolviren, jedoch aber wegen verübten Excessus ihr zur Strafe und den Anderen zum Exempel auf ein Jahr lang ad opus publicum zu verdammen sei; wie wir dann dieselbe dergestalt, als vorsteht, hiermit respective absolviren und verdammen, von Rechtswegen.“

Hierauf folgt die Unterschrift der juristischen Fakultät zu Marburg:

„Dass dieses Urtheil den uns zugeschickten Akten und Rechten gemäss sei, bezeugen wir Decanus und anderen Doctores der Juristenfakultät in der Universität zu Marburg in Urkund unseres hierneben aufgedrückten Fakultätsinsiegels.“

[108] Der Titel des Buches ist: „Processus juridicus contra sagas et veneficos d. i. rechtlicher Prozess, wie man gegen Unholde und zauberische Personen verfahren soll, mit erweglichen Exempeln und wunderbaren Geschichten, welche sich durch Hexerei zugetragen, ausführlich erklärt.“

[109] Wir theilen das (im Staatsarchive zu Marburg aufbewahrte) Protokoll dieser Tortur diplomatisch genau mit:

„Hieruff ist ihr nochmals das Urthel vorgelessen worden undt errindert worden, die warheit zu sagen. Sie ist aber bestendig bey dem leugnen blieben, hatt sich selber hertzhafft undt willig aussgezogen, worauff sie der Scharffrichter mit den handen angeseilet, hatt wieder abgeseilet, peinlich Beklagtin hatt geruffen: O wehe! O wehe! ist wieder angeseilet, hatt lautt geruffen: O wehe! O wehe! Herr im Himmel, komme zu Hülffe! Die Zähe sindt angeseilet worden, hatt umb rach geruffen, undt ihr arme brechen ihr. Die Spanischen Stieffel sindt ihr uff gesetzet, die Schraube uffm rechten Bein ist zugeschraubet, ihr ist zugeredet worden, die warheit zu sagen. Sie hatt aber daruff nicht geundtwordtet. Die Schraube uffm lincken Bein auch zugeschraubet. Sie hat geruffen, sie kennte undt wüste nichts, hatt geruffen, sie wüste nichts, hatt umbs jüngste gericht gebetten, sie wüste ja nichts, hatt sachte in sich geredet, sie wüste undt kennte nichts. Die lincke Schraube gewendet, peinlich Beklagtin ist uffgezogen, sie hatt geruffen! Du lieber Herr Christ, komme mihr zu Hülffe! sie kennte und wüste nichts, wan man sie schon gantz todt arbeitete. Ist hoher uffgezogen, ist stille worden undt hatt gesagt, sie wehre keine Hexe. Die Schraube uffm rechten Bein zugeschraubet, woruff sie O wehe! geruffen. Es ist ihr zugeredet worden, die warheit zu sagen. Sie ist aber dabey blieben, das sie nichts wüste, ist wieder niedergesetzet worden, die Schrauben seindt wieder zugeschraubet, hatt geschrien: O wehe! O wehe! wieder zugeschraubet uffm rechten Bein, ist stille worden und hatt nichts antwortten wollen, zugeschraubet, hatt laut geruffen, wieder stille worden undt gesagt, sie kennte und wüste nichts, nochmahls uffgezogen, sie geruffen: O wehe! O wehe! ist aber bald gantz stille worden, ist wieder niedergesetzt undt gantz stille blieben, die Schrauben uffgeschraubet. Es ist ihr vielfeltig zugeredet worden, sie ist dabey blieben, dass sie nichts kennte oder wüste. Die Schrauben hoher undt zugeschraubet, sie lautt geruffen undt geschrien, ihre mutter unter der Erden solle ihr zu Hülff kommen, ist baldt gantz stille worden undt hatt nichts reden wollen. Hartter zugeschraubet, woruff sie anfangen zu kreischen undt geruffen, sie wüste nichts. An beyden Beinen die Schrauben hoher gesetzet, daran geklopfet, sie geruffen: Meine liebste mutter unter der Erden, o Jesu, komme mihr zu Hülffe! Am lincken Bein zugeschraubet, sie geruffen und gesagt, sie wehre keine Hexe, das wüste der liebe Gott, es wehren lautter Lügen, die von ihr geredet worden. Die Schraube am rechten Bein hartter zugeschraubet, sie anfangen zu ruffen: aber stracks wieder gantz stille worden. Hieruff ist sie hinausgeführet worden von dem Meister, umb ihr die Haere vom Kopf zu machen. Daruff er, der Meister, kommen und referirt, dass er das stigma funden, in welchem er eine nadel über gliedts tieff gestochen, welches sie nicht gefühlet, auch kein Blut herausgangen. Nachdem ihr die Haare abgeschoren, ist sie wieder angeseilet worden an handen und fuessen, abermahls uffgezogen, da sie geklagt undt gesagt, sie müste nun ihr liebes Brodt heischen, hatt laut geruffen, ist wieder gantz stille worden, gleich als wan sie schlieffe. Indem fienge sie hartt wieder an zu reden. Die Schraube am rechten Bein wieder zugeschraubet, da sie lautt geruffen, die lincke Schraube auch zugeschraubet, wieder geruffen, undt stracks gantz stille worden, undt ihr das maul zugangen. Am lincken Bein zugeschraubet, woruff sie gesagt, sie wüste von nichts, wan man sie schon todt machete. Besser zugeschraubet am rechten Bein, sie gekrischen, endlich gesagt, sie könte nichts sagen, man solte sie uff die Erde legen undt todt schlagen. Am lincken Bein zugeschraubet, uff die Schrauben geklopfet, hartter zugeschraubet, nochmahls uffgezogen, endtlich gantz wieder loes gelassen worden.

(gez.) J. Jacob Blanckenheim. (gez.) Friderich Bauod.
(gez.) J. Hirschfeld, (gez.) M. F. Rang.

Meister Christoffel, der Scharffrichter, berichtet, als sie peinlich Beklagtin die Hare abgeschnitten, habe sie an seinen Sohn begehrt, das man sie doch nieht so lange henken lassen mochte, wann sie uffgezogen wehre.“

[110] E. F. Keller, die Drangsale des Nassauischen Volkes und der angrenzenden Nachbarländer in den Zeiten des dreissigjährigen Krieges; Gotha, 1854, S. 132–139.

[111] Vgl. Götze's Mittheilung in den Annalen für Nass. Alterthumskunde, B. XIII. S. 327.

[112] Trummer, Vorträge etc. S. 123 ff.

[113] Trummer, ebendas. S. 144.

[114] F. W. Barthold, Gesch. von Rügen und Pommern, Theil 4, Band 2, S. 485–500.

[115] Förstemann, Kleine Schriften zur Gesch. der Stadt Nordhausen, I. S. 102.

[116] Zeitfuchs, Stolbergische K. u. R. Historie, S. 350.

[117] J. Baader hat den Prozess in dem Anzeiger des Germanischen Museums, 1876, B. XXIII. S. 259 ff. veröffentlicht.

[118] Rubr. Hoffmännin contra Bürgermeister und Rath der Stadt Offenburg, Mandati poenalis sine clausula de administranda justitia.

[119] Schreiber, die Hexenprozesse im Breisgau, S. 22.

[120] Schlözer, Staatsanzeiger, B. II, 1831, S. 150.

[121] In Hitzig's Annalen, B. 26, S. 101 ff.

[122] Hitzig's Annalen, B. XXV. S. 305–306.

[123] In Hitzigs Annalen, B. XXVI. wird S. 76 ff. ein von dem Schultheissen zu Tambach 1674 geführter Hexenprozess mitgetheilt, der durch eine Besessene veranlasst war, welche der Inquisitin Schuld gegeben hatte, ihr in einem Stückchen Kuchen den Teufel beigebracht zu haben. Am 15. Januar 1674 begann der Prozess und am 30. März, frühmorgens ging man, zunächst mit Vorzeigung der Folterwerkzeuge, zur scharfen Frage vor. Allein nach Beendigung der ersten Tortur lautete die Erklärung der Inquisitin: „sie wäre zwar eine arme Sünderin, aber keine Hexe“. Daher heisst es in dem Torturprotokoll weiter: „Hierauf ist sie wieder auf die Leiter gestellt und sind die Riemen angezogen, ihr auch die Beinschrauben angelegt worden; aber hat Alles nichts gefruchtet, bis nach zehn Uhr, da sie den Kopf hängen lassen, die Augen sperrweit aufgemacht, dieselbe verdreht, sich gebäumt, das Maul verdreht, geschäumt und so abscheulich ausgesehen, dass man sich nicht genug zu entsetzen und zu fürchten gehabt; worauf, wie sonst öfters wechselsweise geschehen, der Nachrichter sie herunter gelassen, ihr zugerufen und gebetet: „Christe du Lamm Gottes etc.“ und andere liebe Passionsgesänge: „O Lamm Gottes etc.“, ihr auch Wein in den Mund gegeben und auf allerlei Weise gesucht sie zum Geständniss zu bringen, aber Alles vergebens. Denn sie dagestanden wie ein Stock. Gegen elf Uhr, da sie ganz wieder zurecht, ist nach treufleissiger Erinnerung wieder ein Versuch mit ihr gemacht worden; da sie dann, ehe der Nachrichter sie recht angegriffen, abermals die Augen verkehrt, das Maul gerümpft und sich so schrecklich gestellt, dass man augenscheinlich spüren und merken müssen, es gehe mit ihr von rechten Dingen nicht zu, sondern Satanas habe sein Werk in ihr. — Weil man denn nun bei dieser ihrer Verzückung nicht anders gemeint, als Satanas habe ihr, weil Kopf und Alles geschlottert, den Hals gebrochen, oder was noch nicht geschehen, würde noch geschehen, als hat man sie aus der Stube an ihren Ort gebracht, ob Gott auf andere Weise und Wege ihre Bekehrung suchen werde, und also ist sie ohne Geständniss fernerer Tortur entkommen.“

Unter diesem Protokoll steht geschrieben: Notitur. Als ungefähr eine Stunde nach der Tortur ich mit der anderen Inquisitin zu thun gehabt im Nebenstüblein, und man nicht anders gemeint, (als) Wiegandin thäte kein Auge auf und läge gleichsam in ecstasi, hat sich auf Einmal in ihrem Gefängniss ein gross Gepolter erregt. Da man nun zugelaufen, hat sich befunden, dass sie von ihrem Ort, all wo sie ausgestreckt gelegen, hinweg und ausserhalb dem Thürlein des Gatters, welches doch ziemlich niedrig und schmahl, vorm Ofen auf einem Klumpen gelegen, da man sie dann mit vieler Mühe wieder an ihren Ort bringen müssen; alsdann Jedermann davon gehalten, es ginge von rechten Dingen nicht zu, der Satan müsse sie hinausgerissen, und ihr seinen Dank, dass sie sich so wohl gehalten, gegeben haben.

Joh. Benedikt Leo. (!!!)

[124] Hitzig's Annalen, B. XXVI. S. 56 ff.

[125] Dieselbe wird mit Daumenstöcken, spanischen Stiefeln und Aufziehen an der Leiter „ein baar Stunden“ gefoltert, leugnet aber hartnäckig eine Hexe zu sein. Man foltert daher in grässlicher Weise weiter und redet der Gefolterten beweglich zu. „Hat sie endlich gewehklagt und gesagt: Der Nachrichter soll sie doch herunter lassen, dem wir aber widersprachen und begehrten, sie sollte zuvor sagen, wann, wie und wo sie zur Hexerei gekommen. — Ad quod illa: Man sollte sie herunter thun, sie wollte sterben als eine Hexe und sich verbrennen lassen. — Nos: ob sie denn eine Hexe sei? — Illa: Nein, so wahr als sie da stünde, wäre sie keine Hexe. Sie wüsste nichts und könnte nichts; man möchte mit ihr machen, was man wollte. — Nos: Sie möchte sagen, was sie wollte, so wären so schwere Anzeigen wider sie da, welche machten, dass man ihr sogleich nicht glauben könnte. — Haec begehrt nochmals, man möge sie herunterthun, die Arme thäten ihr wehe, man sollte ihr zu trinken geben. — Nos: Wenn sie gleich zubekennte, so sollte sie gleich heruntergelassen und ihr, was sie begehre, gegeben werden. Ob nicht wahr, dass sie eine Hexe sei? — Haec: Sie müsste etwa vom Teufel heimlich sein verführt worden. — Nos: Ob sie denn verführt worden? wann und wo? — Haec: Ja nu, nu, „ich mich erst besinnen.“ Er müsste im Kohlholz zu ihr gekommen sein, da sie vielleicht nicht gebetet oder sich Gott nicht befohlen haben würde. — Nos: Wann es geschehen? — Haec: als ihr Mann noch gelebt, müsste Er (der Satan) etwa am Nesselberge zu ihr gekommen sein, als der Amtsverweser noch da gewesen, müsste er sie am Nesselberge mit Listen so bekommen und sie in Essen und Trinken verführt haben. — Nos: Es gelte und heisse hier nicht, „es müsste, es müsste u. s. w.“ sondern sie sollte pure antworten: entweder Ja oder Nein. Sie sollte sagen: ob sie nicht das Hexen gelernt, wo, wie und wann? — Nota: Weil man an ihr gemerkt, dass sie auf gutem Wege sei, hat man sie von der Leiter gelassen, sie von Allem ledig gemacht, sie auf einen Stuhl niedergesetzt und sie zum Geständniss beweglich und umständlich ermahnt. — Haec: sie wolle es sagen, ja sie sei eine Hexe“ u. s. w. (Hier folgen nun ganz positive Angaben, wie sie in allen Hexenprozessen vorkommen.) Die Unglückliche wurde verbrannt, doch vorher wahrscheinlich strangulirt.

Die Kosten der Speisung und Ergetzung der bei der Exekution zugegen gewesenen Amtspersonen betrugen 5 Mfl. 13 Gr. 3 Pf. (14 Mark 30 Pf.) Von den dreizehn „Gästen“ wurden nämlich 17 1/2 Maass Wein und 26 Kannen Bier vertrunken. Zu der Exekution selbst wurden 3 Klafter Holz und 2 Schoss Reissig verbraucht, welche inclusive der Anweisegebühr und des Fuhrlohns 4 Mfl. 8 Gr. kosteten.

[126] Theatrum Europ. Th. X. S. 447.

[127] Zeitschr. des Vereins für Gesch. und Alterthumskunde Schlesiens. 1856, I. S. 119.

[128] Roskoff, II. S. 311.

[129] Roskoff, II. S. 313.

[130] Merkw. Hexenpr. gegen den Kaufmann Köbbing, S. 100.

[131] Horst, Dämonomagie, S. 198.

[132] Das Festmachen gegen Hieb und Stich nannte man die „Passauische Kunst.“

[133] Vgl. U—hu—hu! oder Hexen-, Gespenster-, Schatzgräber- und Erscheinungsgeschichten, Erfurt, 1785–1792, B. 4, S. 26–84.

[134] Der Prozess dauerte von 1615–1621. Vgl. darüber v. Breitschwert, J. Keppler's Leben und Wirken, Stuttg. 1831.

[135] Schindler, der Aberglaube des Mittelalters, theilt dieses S. 340 nach Theophil. Spitzelius, Gebrochene Nacht der Finsterniss, mit.

[136] Müller, Gesch. des Hexenglaubens in Siebenbürgen, S. 32.

[137] Müller, S. 65–77.

[138] Les sorciers dans le pays de Neufchâtel au 15. 16. et 17. siècle (Locle, 1862) und Les procédures de sorcellerie à Neufchâtel par Charles Lardy (Neufch. 1866).

[139] Lardy, S. 6–7.

[140] Lardy, S. 40.

[141] Les sorciers dans le pays de Neufchâtel, S. 21.

[142] Lardy, S. 36 ff.

[143] Das Nächstfolgende ist nach der Abhandlung des Prof. Dr. Trechsel „das Hexenwesen im Kanton Bern“ (in dem Berner Taschenbuch von 1870) S. 215 ff. mitgetheilt.

[144] Erlass an alle waadtländischen Amtleute vom 3. Dezbr. 1652.

[145] Zimmermann, die Züricher Kirche von 1519–1819 (Zürich, 1878) S. 205–206.

[146] Hutchinson, Cap. 7. W. Scott, Br. Th. II. S. 65.

[147] W. Scott, Br. üb. Däm. Th. II. S. 158 ff.

[148] „Die Priester stellten den Grundsatz auf, dass die Römischkatholischen, als ihre Hauptfeinde, mit einander dem Teufel, der Messe und den Hexen zugethan wären, welche ihrer Meinung nach alle drei zu Unheilstiften vergesellschaftet und natürliche Verbündete sein müssten.“ W. Scott.

[149] Vgl. Pitcairn's Criminal Trials of Scotland, vol. I. P. II. S. 213, 223.

[150] W. Scott, Th. II. S. 76 ff.

[151] A trial etc. p. 25.

[152] Ueber Hopkins s. Hutchinson, Versuch v. d. Hexerei, Cap. IV. Walter Scott, Br. üb. Dämonol. Th. II. S. 86 ff. und Thomas Wright, Narratives of Sorcery, T. II. Cap. XXV.

[153] Hartpole Lecky, S. 83.

[154] A trial etc. S. 25.

[155] Ueber die Einwirkung des Hexenglaubens auf die dramatische Literatur Englands in damaliger Zeit vgl. Thomas Wright, Narratives of Sorcery I. S. 286 u. 296.

[156] Der Oberrichter Sir Matthew Hale ging in seiner Verurtheilung der beiden Unglücklichen von dem Satze aus, dass die Thatsächlichkeit des Lasters der Hexerei nicht zu bezweifeln sei, denn dieselbe werde 1) durch die heil. Schrift und 2) durch den Consensus gentium bestätigt, indem die Weisheit alter Völker Gesetze gegen die Zauberei aufgestellt habe. Vgl. den Bericht über den Prozess in A collection of rare and curious tracts relating to witchcraft (Lond. 1838) und Campbells Lives of the chief-justices, I. S. 565–566.

[157] Hutchinson, Historical essay concerning witchcraft, 1720 S. 56–57.

[158] Buckle, Gesch. der Civilisation in England (übers. v. Ruge) II. S. 253 ff.

[159] Pitcairn, Criminal trials of Scotland, vol I. P. II. S. 50.

[160] Hartpole Lecky, S. 101.

[161] Nach Dalyell, Darker Superstitions of Scotland, S. 645 ff.

[162] Hartpole Lecky, S. 102.

[163] Diese räthselhafte Erzählung ist in wörtlicher Uebersetzung aus Th. Wright entlehnt.

[164] Thomas Wright, Narratives of sorcery and magic (Lond. 1851) Vol. II. Cap. 31; Bancroft, History of the United States, Cap. 19, Hutchinson, S. 95 bis 119 und Upham, Salem Witchcraft, Boston 1867, vol. II. — Nach Upham glaubten die Leute in Salem und Umgegend, der Teufel suche die Ausbreitung des Christenthums zu hindern, wesshalb durch Bekämpfung des Teufels und der Hexen für das Christenthum und für das Reich Gottes Bahn gebrochen werden müsse.

[165] Garinet p. 129. Bolo, Notice sur l'arrêt du Parlement de Dôle du 18 janvier 1573 etc.

[166] De Lancre Arrêts notables de Paris, p. 785.

[167] Garinet pag. 139. Weitere Urtheile des pariser Parlaments bei Le Brun Hist. crit. des pratiques superstitienses, I. 306. Collin de Plancy im Dict. infernal in verschiedenen Artikeln.

[168] Garinet p. 153.

[169] Les sorcelleries de Henri de Valois, et les oblations, qu'il faisait au diable dans le bois de Vincennes. Didier-Millot 1589. S. Garinet p. 294. — Von dem Buhlteufel Terragon wird gehandelt in: Remontrances à Henri de Valois, sur les choses terribles, envoyées par un enfant de Paris. 28 janvier 1589. Jacques Grégoire. In-8vo.

[170] Diess bezieht sich auf das Jahr 1594. Delrio Lib. V. Append.

[171] Le Brun, hist. crit. des prat. superst. Vol. I. p. 308.

[172] L'incrédulité et mécréance du sortilége pleinement convaincues Paris 1612, — und Tableau de l'inconstance des mauvais anges et démons. Paris 1612. Beide sind jetzt selten. Eine deutsche Bearbeitung erschien 1630 unter dem Titel: Wunderbahrliche Geheimnussen der Zauberey etc., gezogen aus einem weitleufftigen in Frantzösischer Spraach getrucktem Tractat Herrn Petri de Lancre, Parlamentsherrn zu Bordeaux. (Ohne Druckort.)

[173] De Lancre Cap. 13. Llorente, Gesch. d. span. Inquisition. Th. III. Cap. 37.

[174] Llorente Th. III. Cap. 37. Abschn. 2.

[175] Garinet, Hist. de la Magie en France. Pièces justificatives, Nr. IX. pag. 308.

[176] Garinet, Hist. de la Magie en France, p. 180. Trauergeschichte von der greulichen Zauberey Ludwig Goffredy u. s. w. in Reichens fernerem Unfug der Zauberey, Halle 1704. S. 553.

[177] Bei Hauber, Bibl. mag. Bd. I. S. 457 ff. und 469 ff. ist das Bekenntniss Gaufridy's, so wie das Urtheil des Parlaments vollständig abgedruckt.

[178] Geschichte der Teuffel zu Lodün, in Joh. Reichens fernerem Unfug der Zauberey. S. 273 ff. — Alexis Willibald hat dieses schreckliche Vorkommniss in der Form eines historischen Romans bearbeitet: „Urban Grandier oder die Besessenen von Loudun. 2 Bde. Berl. 1843.“

[179] Betitelt: La cordonnière de Loudun.

[180] Garinet p. 236.

[181] B. Bekker, bez. Welt. Buch IV. Cap. 29. Horst Z. B. Th. I. S. 212 ff. Hauber, Bibl. mag. Bd. III. St. 30. W. Scott, Br. üb. Dämonologie, Th. II. S. 34, und Th. Wright, Narratives of sorcery, Chap. XXIX.

[182] Thomasius, Kurze Lehrsätze vom Laster der Zauberei, §. 46.

[183] 1643. In der bischöflichen Sentenz heisst es: pour avoir honteusement prostitué son corps aux diables, aux sorciers et autres personnes, de la copulation desquelles elle est devenue grosse, et pour avoir conspiré avec sorciers et magiciens dans leurs assemblées et dans le sabbat au désordre et ruine générale de tout le monastère, perdition des religieuses et de leurs âmes. Garinet p. 245.

[184] Wir berichten hier nach der lehrreichen Schrift L. Rapp's, „Die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol“ S. 47–70. — Tanner hat im Leben wegen seiner Antastung des Hexenglaubens viel leiden müssen, und wurde auch noch im Tode von einem eigenen Geschick verfolgt. Er war auf der Reise in dem kleinen Orte Unken gestorben. Nach seinem Tode entdeckten nun die Bewohner des Hauses, in welchem er gestorben war, unter seinem Nachlass ein Glas, in welchem sich ein grosser, dunkelfarbiger, haariger und mit Krallen versehener — Teufel zeigte. Der Verstorbene hatte also einen „Glasteufel“ mit sich geführt und war somit ein Zauberer gewesen, wesshalb die Leute alsbald in grösster Bestürzung zum Pfarrer eilten, um die Beisetzung der Leiche in geweihter Erde zu verhindern. Der Pfarrer, der sich infolge dessen ins Sterbehaus begab, sah jedoch sofort, dass der „Glasteufel“ nichts anderes als ein Mikroskop war, in welches der Verstorbene eine Mücke gelegt hatte. Der Pfarrer machte dieses den Leuten klar, indem er vor ihren Augen das Insekt aus dem Mikroskop herausnahm und ein anderes, eben eingefangenes hineinlegte, welches sich nun auch vergrössert darstellte. Die Leute sahen nun ihren Irrthum ein und Tanner's Leiche wurde in der Ortskirche neben dem Altar beigesetzt. S. Rapp, S. 50–51.

[185] Rapp, S. 69–70.

[186] Vollständiger Titel: Cautio criminalis, seu de processibus contra sagas liber ad magistratus Germaniae hoc tempore necessarius; tum autem consiliariis et confessariis principum, inquisitoribus, judicibus, advocatis, confessariis reorum, concionatoribus ceterisque lectu utilissimus. Auctore incerto Theologo orthodoxo. Rintelii, typis exscripsit Petrus Lucius, typogr. Acad. MDCXXXI. — Schon 1632 wurde das Buch von Gronäus in Frankfurt a. M. neu aufgelegt. Eine dritte Auflage erschien 1695 zu Sulzbach, die letzte wohl zu Augsburg, 1731. Eine deutsche Uebersetzung im Auszug wurde 1647 unter dem Titel „Gewissensbuch von Prozessen gegen die Hexen“ von dem schwedischen Feldprediger J. Seiffert zu Bremen edirt und 1649 und 1657 neu aufgelegt. Eine vollständige Uebersetzung veranstaltete der Sekretär und Rath des Grafen Moritz zu Nassau-Katzenellenbogen Hermann Schmidt. Doch wagte er erst 1648 das schon 1642 abgeschlossene Manuskript (mit einer an den Grafen Moritz gerichteten Dedikation) der Oeffentlichkeit zu übergeben, indem er in diesem Jahre in seinem eigenen Herrn einen zuverlässigen Beschützer gewonnen hatte. Die Uebersetzung erschien unter dem Titel: „Hochnotpeinliche Vorsichtsmassregel oder Warnungsschrift über die Hexenprozesse, gerichtet an alle Behörden Deutschlands, an die Fürsten und ihre Räthe, an die Richter und Advokaten, Beichtiger, Redner und an das ganze Volk.“ Eine andere Uebersetzung gab Reiche in seinen „Unterschiedlichen Schriften vom Unfug des Hexenprozesses“ (Halle 1703) heraus. Eine französische Uebersetzung wurde zu Lyon 1660 veröffentlicht.

[187] Vgl. über ihn: Alex. Baldi, Die Hexenprozesse in Deutschland und ihr hervorragendster Bekämpfer, Würzb. 1874; Hölscher, Friedrich Spee von Langenfeld, (Düsseldorfer Realschulprogramm von 1871); J. B. M. Diel, Friedrich v. Spee, eine biograph. und literar-historische Skizze; Freiburg 1872 und F. J. Micus, Friedrich Spee, in der Zeitschr. des Vereins für Gesch. u. Alterthumskunde Westfalens, B. XIII. Münster 1852, S. 59–76.

[188] Unter den deutschen Schriften Spee's zeichnet Leibnitz das „güldene Tugendbuch“ besonders aus. — Ueber Spee's Schriften s. Hauber, Bibl. mag. B. III. S. 1 ff. u. S. 501 ff.

[189] Theodicee, Thl. I. §. 96 u. 97.

[190] Leibnitz erlebte freilich nicht das Jahr 1749, wo zu Würzburg die Nonne Maria Renata den Scheiterhaufen bestieg.

[191] Hoc anno obiit eximius S. J. Presbyter in Collegio Trevir. Fridericus Spee. Gallis, per Hispanorum irruptionem in urbem Trev., pluribus laesis afflictisque tanto charitatis evangelicae praesidio adfuit, ut cum sibi non parceret, contracta demum lue, aliorum vitae suam moriens impenderit, — 7 Augusti. In crypta ecclesiae quondam S. J. tumulatus est cum hac inscriptione simplici: Hic jacet Fridericus Spee. In omne tempus spiritum vere evangelicum hujus viri, divinum, ut ita loquamur, ejus ingenium, fecundum pectus, venustatem et dulcedinem suorum carminum quasi specimen et exemplum memoret grata posteritas. Intaminatis fulget honoribus, dicimus cum Horatio. Wyttenb. Gest. Trevir. III. p. 80.

[192] Beitr. z. Geschichte der Zauberei, in Hitzig's Annalen der Crim. Rechtspflege B. II. S. 182.

[193] Leibnitz Theodicee I. Th. §. 96 u. 97.

[194] Masenius (in Continuat. Metrop. Eccles. Trev.) sagt: Liber, quem (Pater Spee) Cautionem criminalem inscripserat, cum per alienas manus, nondum per Societatem probatus, lucem subiret, non paucis suum autorem periculis exposuit. S. Animadvers. ad Gesta Trevir. cap. 101. — Nach den Statuten des Ordens hatte sich Spee, indem er sein Buch erscheinen liess, ohne für dasselbe die Approbation der Ordensoberen eingeholt zu haben, einer Todsünde schuldig gemacht.

[195] De sagarum impietate, nocendi imbecillitate et poenae gravitate, zuerst Tübingen 1621, dann 1667.

[196] Die Cautio criminalis wurde so schnell vergriffen, dass schon im folgenden Jahre eine zweite Auflage nöthig war. Der Herausgeber derselben, Gronäus, bezieht sich für sein Unternehmen auf den ausdrücklichen Wunsch einiger Glieder des Reichskammergerichts und des Reichshofraths. Späterhin erschienen noch mehrere Abdrücke und verschiedene Uebersetzungen, und es ist darum keinem Zweifel unterworfen, dass das Werk Aufsehen gemacht habe. Um so wunderbarer ist's, dass wir dasselbe von den ersten Kriminalisten des Jahrhunderts, einem Carpzov, Berlich und Brunnemann, gar nicht erwähnt finden, und dass auch Thomasius, als er sein erstes Schriftchen über die Zauberei herausgab, in dem Wahne stand, die Cautio criminalis sei ein ganz neues Buch, weil er nur von der letzten Ausgabe derselben Kenntniss hatte. Hauber vermuthet, vielleicht nicht mit Unrecht, dass die ersten Ausgaben von den an den Pranger gestellten Hexenrichtern möglichst unterdrückt worden seien; wenigstens waren die Exemplare derselben schon zu seiner Zeit sehr selten geworden. Bibl. mag. Th. III. S. 10 f. — Zwei ausländische Schriftsteller, die gegen die Tortur schrieben, Daniel Jonktys in Holland (um 1651) und Augustin Nicolas in Frankreich (um 1682), kannten das Buch wohl.

[197] Dieses geschah im Jahr 1737, wo das Buch zu Wolfenbüttel unter dem Titel erschien (unter welchem es uns vorliegt): Tribunal reformatum, in quo sanioris et tutioris justitiae via judici christiano in processu criminali commonstratur, reiecta et fugata Tortura, cuius iniquitatem, multiplicem fallaciam atque illicitum inter Christianos usum libera et necessaria dissertatione aperuit Joh. Grevius, Clivensis, quam captivus scripsit in ergastulo Amsterdamensi: ob raritatem, elegantiam et varium usum recusa, accurante J. G. Pertsch, JCto, Guelpherbyti. 1737 (560 Seiten in 8o.)

[198] Instructio pro formandis processibus in caussis strigum, sortilegorum et maleficorum. Rom. 1657. Dieselbe findet sich am correktesten bei Carena, de offic. Inquis. im Anhange abgedruckt; ausserdem bei Pignatelli Consultat. noviss. I. S. 123.

[199] Theatr. Europ. III. S. 456.

[200] Spedalieri in Analisi dell' esame critico del Signor Nic. Freret, Cap. X. art. IX. §. 5: In Roma non si è mai bruciato alcuno per accusa di stregoneria, come più volte è accaduto in Francia. — Ebenso sagt Bergier im Dict. theol. Art. Inquisition: L'on n'en connoit aucun exemple (einer Hexenverbrennung) à Rome.

[201] Tholuck, das akademische Leben des siebenzehnten Jahrh., II. S. 32.

[202] Solche Predigten wurden auch gedruckt. Der lutherische Superintendent Samson zu Riga z. B. veröffentlichte 1626 einen starken Quartband „auserlesener und wohlbegründeter Hexenpredigten.“ Eine ähnliche Sammlung ist von einem Frankfurter Prediger Dr. Wagner vorhanden.

[203] Jarcke sagt in seinem „Handbuch des Strafrechts“ Th. II. S. 61, Carpzov behalte die Bestimmung der Carolina im Auge, dass die Zauberei, um des Todes würdig zu sein, einen Schaden gestiftet haben müsse. Allein schon v. Wächter hat (Beitr. zur deutschen Gesch. S. 291) auf das Verkehrte dieser Angabe hingewiesen. Carpzov sagt nämlich in seiner Practica rerum criminalium Quaest. 49, Nr. 23 bei der Auslegung des Art. 109 der Peinlichen Gerichtsordnung: „Dieselbe Strafe (nämlich der Feuertod) ist auch Denjenigen aufzuerlegen, welche mit dem Teufel ein Pact schliessen, sollten sie auch Niemandem geschadet, sondern entweder nur teuflischen Zusammenkünften auf dem Blocksberge beigewohnt oder irgend einen Verkehr mit dem Teufel gehabt oder auch nur seiner Hülfe vertraut und sonst gar nichts weiter gewirkt haben.“ — Carpzov geht dann noch weiter, indem er Nr. 29 bemerkt, die Feuerstrafe sei auch den Zauberern und Hexen zuzufügen, welche mit dem Teufel concumbirten, wenn sie auch nicht mit ausdrücklichen Worten sich ihm ergeben oder einen bestimmten Vertrag mit ihm eingegangen hätten. Zwar werde, fügt er hinzu, von Juristen und Philosophen darüber gestritten, ob Zauberer und Hexen in Wahrheit und in natürlicher Weise mit Dämonen, nämlich Männer cum succubis und Weiber cum incubis Unzucht treiben und ob Hexen und Zauberinnen dadurch schwanger werden könnten. Viele seien nämlich der Meinung, dass solche daemoniaci concubitus nur träumerische Illusionen wären, welche auch bei ganz gesitteten Frauen vorkämen, und sogar Jos. Fichardus sei dieser Ansicht. Allein hier verwechsele man zwei ganz verschiedene Dinge, die wohl auseinander gehalten werden müssten, nämlich die Frage, ob Dämonen sich wirklich mit Menschen vermischen und die andere Frage, ob sie mit denselben etwas erzeugen könnten. Hierauf verbreitet sich nun Carpzov allen Ernstes über das semen Diaboli und über das semen alterius, quo daemon forsan abutitur, und kommt zu dem Schluss, dass aus einem solchen concubitus unmöglich etwas Rechtes hervorgehen könne, wobei er sich auf das Geständniss vieler Hexen beruft, welche zugegeben hätten, dass sie aus der Vermischung mit dem Teufel nur wurmartige Dinger, „Elben“, „böse Dinger“ geboren, sie dann Menschen in Arme, Beine oder sonstwohin gezaubert und diesen dadurch Schaden zugefügt hätten! — So stand der gefeierte Jurist Carpzov zur Sache! Welche Auctorität er — der orthodoxe lutherische Jurist — dem päpstlichen Hexenhammer zuerkannte, ist in Hitzig's und Demme's Annalen, B. XXV. S. 363, Anmerk. 89 nachgewiesen.

[204] Part. III. Qu. 103. n. 50. Processus inquisitorius an hodie sit remedium ordinarium. Vgl. Quaest. 107. n. 22.

[205] Inquisitorius vero est processus, quando nullo existente accusatore judex per viam inquisitionis summarie et sublato (quod dicitur) velo, absque longo litis sufflamine procedit etc. Part. III. Qu. 103. n. 18.

[206] Part. III. Quaest. 107. n. 72. wird als erstes Erforderniss des Inquisitionsprozesses festgestellt, ut ante omnia de ipso facto constet. Qu. 108. n. 4. 5. wird abermals auf Erhebung des Thatbestands gedrungen, ehe die Spezialuntersuchung beginnen könne. Qu. 108. n. 26. ist der Grundsatz aufgestellt: quod delinquenti confesso aut convicto poena mortis irroganda non sit, antequam de corpore delicti et veritate criminis comissi liquide et certo per testes vel per evidentiam facti constet. Diess kommt aber den Hexen nicht zu Gute; denn: limitatur haec regula .... in delictis occultis et difficilis probationis, ut in haeresi, sortilegio etc., de quorum corpore sufficit constare per conjecturas et certa indicia; .... quod enim in occultis delictis, et quae sunt difficilis probationis, praesumtiva et conjecturata probatio habeatur pro plena et concludenti probatione, generaliter et communiter receptum est. Qu. 108. n. 33. — Weiter wird Bodin's Satz gebilligt: in hoc super alia omnia tam turpi, tam horrendo et detestando crimine, in quo tam difficiles sunt probationes tamque abdita scelera, ut e millenis vix unus merito supplicio affici possit, nil necesse esse, religiose quenquam haerere regulis procedendi, sed extra ordinem oportere fieri illius judicium diversa a ceteris criminibus ratione. Quaest. 122. n. 60. — Nach demselben Grundsatz beantwortet dann Carpzov auch die Frage nach der Anwendung der Tortur. Im Allgemeinen meint er (Qu. 125, Nr. 50 ff.), habe der Richter über dieselbe unter gewissenhafter Erwägung der Art des Verbrechens und der vorliegenden Umstände ganz nach seinem Ermessen zu entscheiden. Dabei rechtfertigt er aber die Bestimmung des sächsischen Rechts, dass bei den schwersten Verbrechen die Tortur zum dritten Male wiederholt werden könne; durch den Grundsatz, dass bei solchen Verbrechen eben wegen ihres enormen Charakters schärfere Mittel zur Erfindung der Wahrheit anzuwenden seien, und mit der scheusslichen Bemerkung: quippe cum et ob atrocitatem criminis quandoque iura transgredi liceat. Dieses wendet er dann namentlich auf die Hexerei an, bei welcher der Richter auch noch dazu eine härtere Tortur verhängen könne, zumal da die Hexen durch alle möglichen Teufelsmittel sich gegen die Qualen der Tortur zu schützen wüssten. — Zur Verhängung der zweiten und dritten Tortur sollten freilich neue Indizien ermittelt werden. Mit welcher Leichtfertigkeit und Grausamkeit seines Denkens aber Carpzov auch diese Bestimmung zu umgehen und ein fortgesetztes Foltern der Angeklagten zu rechtfertigen wusste, hat v. Wächter in den Beitr. zur deutschen Gesch. S. 299 nachgewiesen.

[207] Vgl. de Luca, Versuch einer Geschichte der k. k. Leopold-Universität zu Innsbruck.

[208] Bekanntlich hatte die Constitution Gregors XV. vom 20. März 1623 in diesem Falle die Anwendung der Todesstrafe untersagt.

[209] G. E. v. Rüling, Auszüge einiger merkwürdigen Hexenprozesse aus der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts im Fürstenthum Calenberg geführt. Göttingen, 1786, S. 16 ff.

[210] v. Rüling, Auszüge, S. 63.

[211] Vgl. über die Abhandlungen 1, 2 und 4 den Aufsatz „Der Hexenglaube in der Universitätsaula“ in Robert Prutz' „Deutsches Museum“, 1857 S. 465 ff.

[212] Als z. B. eine Frau in dem württembergischen Orte Deizisau von einem fremden Bettelweib der Bezauberung ihres Kindes angeklagt war, und, da sie leugnete, die juristische Fakultät zu Strassburg um ihr Gutachten angegangen wurde, erklärte dieselbe: Auf die Aussage des Bettelweibes hin könne man die Frau nicht verhaften. Es wäre gut, wenn man die Leute belehrte, dass nicht jede Krankheit ein Werk des Teufels sei. Ganz ungereimt auch sei es, dass der Pöbel sie darum für eine Hexe halte, weil sie in der Kirche beim Beten nicht wie andere Weiber die Lippen bewege. Ueberdies erfreue sie sich ja eines guten Rufs, und wenn sie früher sich eine Zeitlang wunderlich geberdet und gesagt habe, sie wolle sich das Leben nehmen, so sei dieses aus Melancholie geschehen. Man solle sie daher in Ruhe lassen etc. — In einem dem Hofgerichte zu Marburg 1659 ertheilten Gutachten empfiehlt es die Strassburger Juristenfakultät (was bisher unerhört war), die Angeklagte zum Reinigungseid zuzulassen und von der Tortur abzustehen.

[213] Hauber, Bibl. mag. Th. III. S. 250.

[214] Balth. Bekker, bezauberte Welt, Buch IV. Cap. 30.

[215] v. Wächter, S. 301–02.

[216] Das Parlament suchte in seiner Remonstration dem König aus theologischen und juristischen Gründen die Wirklichkeit der Hexerei und die Nothwendigkeit der Todesstrafe zu beweisen. Garinet p. 248 und 337.

[217] Louis, par la grâce de Dieu etc. — — — savoir faisons, que — — — nous avons dit, déclaré, ordonné, disons, déclarons et ordonnons par ces présentes, signées de notre main, ce qui s'ensuit: I. Que toutes personnes se mêlant de deviner et se disant devins ou devineresses; vuideront incessamment le royaume, après la publication de notre présente déclaration, à peine de punition corporelle. II. Défendons toute pratique superstitieuse de fait, par écrits ou par paroles, soit en abusant des termes de l'écriture sainte, ou des prières de l'église; soit en disant ou faisant des choses qui n'ont aucun rapport aux causes naturelles; voulons, que ceux qui se trouveront les avoir enseignées, ensemble ceux qui les auront mises en usage et qui s'en sont servis pour quelque fin que ce puisse être, soient punis exemplairement et suivant l'exigence de cas. III. Et s'il se trouveroit à l'avenir des personnes assez méchantes, pour ajouter et joindre à la superstition l'impiété et le sacrilége, sous prétexte d'opération de prétendue magie ou autre prétexte de pareille qualité, nous voulons, que celles qui s'en trouveront convaincues, soient punies de mort. Etc. — Man kennt ein Urtheil des pariser Parlaments vom 18. Dez. 1691, worin mehrere Schäfer, welche beschuldigt waren, Viehsterben herbeigeführt zu haben, bezeichnet sind als „convaincus de superstitions, d'impiétés, sacriléges, profanations, empoisonnements et maléfices.“ — Le Brun I. p. 316.

[218] Walter Scott, Br. üb. Dämonologie, Th. II. S. 110.

[219] Hauber, Bibl. mag. St. XVII.

[220] Der letzte gerichtliche Fall in den vereinigten Niederlanden soll nach Scheltema (S. 262) im Jahr 1610 vorgekommen sein. Dass indessen diese Angabe unrichtig ist, ist aus Scheltema S. 238–239 selbst zu ersehen.

[221] Der Titel der Schrift lautet: Het afgerukt momaangezicht der Tooverye, daarin het bedrogh der gewaande toovery naakt ontdekt en met gezonde redenen en exempelen dezer eeuwe aangewezen wordt. S. Scheltema, S. 281 ff.

[222] Bayle, (Pensées diverses, §. 241) nennt ihn: l'homme de France, qui avait le plus de lecture.

[223] Apologie pour tous les grands hommes qui ont été accusés de magie. Paris 1669.

[224] Vgl. über ihn Hauber, Bibl. mag. B. II. S. 682 ff.

[225] Das Buch erschien unter dem Titel The vanity of dogmatizing zu London 1661 und 1662. Mit Zusätzen vermehrt gab es der Verf. 1665 unter dem Titel heraus: Scepsis scientifica or Confest ignorance the way to science. Ein genaues Referat über den Inhalt des Buches s. in Hallam's Hist. of Liter. V. III. S. 358–362.

[226] Some philosophical considerations touching the being of witches and witchcraft. 1666.

[227] Die Schrift erschien nämlich unter dem Titel: Blow at modern Sadducism on Witches and Witchcraft etc. 1666 (1667. 1688).

[228] Display of supposed witchcraft. 1673. — Aus dem Englischen übersetzt, mit einer Vorrede von Thomasius, Halle 1719.

[229] Sadducismus triumphans or a full and plain evidence concern. Witches etc. by Dr. Henry More, 1681. — Näheres über den Inhalt der Schrift s. bei Hartpole Lecky, S. 89 ff.

[230] Das erste Buch der Schrift erschien unter dem Titel: De betoverde Wereld, synde een groudig onderzoek van't gemeene, gevoelen, aangaande de Geesten, derzelver aart, vermogen, bewind en bdrijf alsook hetgeen de Menschen door derzelver kragt of gemeenschap doen, 1. boek Leeuw. 1691, 8o. Die drei nachfolgenden Bücher erschienen bis 1693. Letzter Abdruck: Deventer, 1739 in 4o. In deutscher Uebersetzung wurde das Werk schon 1693 zu Leipzig verbreitet, ausserdem erschien es auch in französischer, italienischer und spanischer Uebersetzung. — Das Buch war ohne die vorschriftsmässige kirchliche Censur erschienen, da Bekker als Doctor der Theologie an dieselbe nicht gebunden zu sein glaubte. Vgl. über Bekker die Schriften: B. Bekker in Franeker, Gron. 1848; B. Bekker in Amsterdam, Gron. 1850; v. d. Aa, Biographisch Woordenboek, T. II. S. 88, und ausserdem die interessanten Mittheilungen Nippold's (S. 83–86) über die ganze Literatur, welche durch Bekker's Auftreten veranlasst ist, und sich auf dasselbe bezieht.

[231] Sein Vater, Prediger zu Metslawier in Friesland, war von deutscher Abkunft. Bekker war in seiner Jugend öfters bei seinen Verwandten in Bielefeld zu Besuch gewesen und hatte daselbst die Hexenverfolgungen in der Nähe gesehen. Scheltema, S. 286.

[232] Vor dem Vorwurfe des Manichäismus schützte man sich indessen, wenn man den Teufel auch das Ungemessenste wirken liess, durch die Clausel „mit Gottes Zulassung.“

[233] Bez. Welt, Buch II. Cap. 32. §. 8. 9. 10.

[234] Ebendas. Cap. 34. §. 4.

[235] Buch II. Cap. 34, §. 17.

[236] Buch II. Cap. 35. §. 1.

[237] Buch III. Cap. 19. §. 1.

[238] Réponse aux questions d'un provincial, Chap. 35.

[239] Réponse, Chap. 39.

[240] Vgl. Karl Biedermann, Deutschland im 18. Jahrh. Leipz. 1858, B. II. S. 355–391 und Dernburg, Thomasius und die Stiftung der Universität Halle; Halle, 1865.

[241] Oeuvres, Tom. I. p. 367.

[242] Theses inaugurales de crimine magiae, quas in Academia regia Fridericiana praeside D. Ch. Thomasio — — — solemni eruditorum disquisitioni submittit M. Joannes Reiche, 12. d. Novembr. 1701. Halae Magdeb. — Ueber die wahre Auctorschaft s. Hauber Bibl. mag. Bd. II. S. 308 f. — 1704 gab Reiche selbst in seinem „Ferneren Unfug der Zauberei“ eine deutsche Uebersetzung dieser Thesen unter dem Titel: „Herrn D. Chr. Thomasii kurze Lehrsätze von dem Laster der Zauberei, nach dem wahren Verstande des lateinischen Exemplars in's Teutsche übersetzet etc.“ — Eine andere deutsche Uebersetzung erschien 1706 unter dem Titel: „Christ. Thomasii, Kurtze Lehr-Sätze von dem Laster der Zauberey, aus dem Lateinischen ins Deutche übersetzet und mit des Authoris Vertheidigung vermehrt.“

[243] In diesem Sinne spricht sich Thomasius auch siebenzehn Jahre später aus. S. seine Vorrede zur Uebersetzung des Webster S. 37.

[244] Theophil Spizelius, ein geborener Steyermärker, Senior des geistlichen Ministeriums zu Augsburg, †1691.

[245] Gründliche Abfertigung der unpartheyischen Gedancken eines ungenandten Auctoris, die er von der Lehre de crimine magiae des hochberühmten Herrn D. Christiani Thomasii neulichst herausgegeben, gestellet von Hieronymo a Sancta Fide. Frankf. 1703.

[246] Z. B. Petri Goldschmidt's (Pastors zu Starup) Verworfener Hexen- und Zauber-Advokat, d. i. wohlgegründete Vernichtung des thörichten Vorhabens Herrn Christiani Thomasii, J. U. D. et Prof. Halens., und aller derer, welche durch ihre superklugen Phantasiegrillen dem teufelischen Hexengeschmeiss das Wort reden wollen, in dem gegen dieselben aus dem unwidersprechlichen göttlichen Worte und der täglich lehrenden Erfahrung das Gegentheil zur Genüge angewiesen und bestätigt wird, dass in der That eine teufelische Hexerei und Zauberei sei und dannenhero eine christliche Obrigkeit gehalten, diese abgesagten Feinde Gottes, schadenfrohe Menschen- und Viehmörder aus der christlichen Gemeinde zu schaffen und dieselben zur wohlverdienten Strafe zu ziehen. 1705.

[247] Z. B. in der Erinnerung wegen der künftigen Winterlektionen 1702. Hier räumt er ein, dass es verborgene Mittel zur Beschädigung von Menschen und Thieren, auch Krankheiten gebe, die muthmasslich vom Teufel herkommen, bekämpft jedoch von neuem die sichtbaren Erscheinungen des Teufels und dessen Verkehr mit den Menschen.

[248] Erster Band Halle 1703, zweiter B. 1704.

[249] S. oben. Halle 1719.

[250] John Wagstaff gründlich ausgeführte Materie von der Hexerei. Deutsch, Halle 1711.

[251] Franz Hutchinson's historischer Versuch von der Hexerei etc. Deutsch von Th. Arnold, mit einer Vorrede von Thomasius. Leipzig 1726. — Das Buch hat in Beziehung auf Begebenheiten in England vieles Interessante, sonst aber viele Ungenauigkeiten und chronologische Verstösse.

[252] Disputatio juris canonici de origine et progressu processus inquisitorii contra sagas, quam .... praeside Chr. Thomasio .... examini subjicit J. P. Ipsen. Hal. 1712. In demselben Jahre besorgte die Renger'sche Buchhandlung eine Uebersetzung. — Auch von dieser Abhandlung ist Thomasius selbst der Verfasser. S. seine Vorrede zur Uebersetzung des Webster, S. 18.

[253] Auch gegen den Gebrauch der Folter ist Thomasius aufgetreten, indem er einen seiner Schüler „über die Nothwendigkeit, die Folter aus den christlichen Gerichtshöfen zu entfernen“, disputiren liess. Allein mit Unrecht ist Thomasius als unbedingter Gegner der Folter bezeichnet worden. Biedermann macht in der Schrift „Deutschland im achtzehnten Jahrhundert“ B. II. S. 382 auf einen an eben diesen Schüler gerichteten und auf die erwähnte Disputation bezüglichen Brief aufmerksam (abgedruckt in den Programmata Thomas. p. 576), worin er zwar dessen Vorhaben nicht missbilligt, aber doch das Bedenken äussert, dass es nicht rathsam sein dürfte, den Lenkern christlicher Staaten die Nachahmung der Engländer und anderer Völker in Abschaffung der Folter schlechthin anzuempfehlen, — weil es zweifelhaft sei, ob nicht, so lange es noch so viele andere Missstände in der Rechtspflege gebe, die plötzliche Abschaffung der Folter grössere Nachtheile haben möchte als ihre Beibehaltung.

[254] S. Vorrede zum Webster, S. 19.

[255] Hertii Consilia et responsa. Francof. 1729.

[256] Consilia Michaelis Grassi, in den Consil. Juridicorum Tubingensium. Tom. V. p. 705 f. ed. 1733.

[257] J. A. Scholtz, Ueber den Glauben an Zauberei in den letztverflossenen vier Jahrhunderten (Breslau, 1830,) S. 115.

[258] Scholtz, S. 118.

[259] Scholtz, S. 119.

[260] Auf den Münchow'schen Gütern in der Uckermark war nämlich ein fünfzehnjähriges Mädchen wegen fleischlicher Vermischung mit dem Teufel enthauptet worden, und zwar nach einem von der Universität Greifswald eingeholten Erkenntnisse. Eine Revision der Akten ergab, dass weder die nöthigen Zeugen verhört, noch die Angeklagte ordnungsmässig vertheidigt worden war. Nach dem Gutachten des Hoffiskals hätte diese, als eine mit Melancholie behaftete Person, dem Arzte übergeben werden sollen. Die Sache blieb übrigens auf sich beruhen, weil der Gutsherr sich damit entschuldigte, dass er während des Falles gerade abwesend gewesen sei, auch keine jura verstehe. Märk. Forschungen I, S. 261.

[261] Märkische Forschungen, I. S. 264.

[262] Thomasius in der Vorrede zu Webster. S. 32.

[263] Siehe den folgenden Abschnitt.

[264] Garinet, S. 337. 344.

[265] Horst, Z. B. Bd. IV. S. 367.

[266] Inquiries into vulgar and common errors, 1646 (Works of Sir Th. Browne, II. S. 163.)

[267] Buckle, Geschichte der Civilisation in England, II. S. 152 ff. und 357 ff.

[268] Hartpole Lecky, S. 93–95.

[269] So berichtet Hugo Arnots Collection of criminal trials in Scotland (Edinb. 1785), (auch Hartpole Lecky, S. 105), über den letzten Hexenprozess in Schottland im Jahr 1722, doch wurde in ihm nicht auf den Feuertod erkannt. Zum letzten Male waren hier 1697 (sieben) Hexen zum Scheiterhaufen verurtheilt. Indessen wird nicht berichtet, ob das Urtheil zur Vollziehung kam.

[270] W. Scott, Br. über Däm. Th. II. S. 112. Die Akte selbst ist abgedruckt bei Hauber, Bibl. mag. Th. II. S. 3.

[271] Wachsmuth, Zeitalter der Revolution, I. S. 132.

[272] Hartpole Lecky, S. 36, Anmerk.

[273] Jus ecclesiasticum Protestantium. Hal. 1733. pag. 469.

[274] Principia juris criminalis Germaniae communis. Gotting. 1780. §. 467.

[275] v. Raumer, „Aktenmässige Nachrichten von Hexenprozessen in der Mark Brandenburg“ in den „Märkischen Forschungen“ von 1841, S. 263–265 und Stenzel, Gesch. von Preussen, B. III. S. 447.

[276] Allerdings scheint es hin und wieder den adelichen Gerichtsherrn schwer geworden zu sein, sich der Hexenverfolgung ganz zu entwöhnen. Selbst noch König Friedrich Wilhelm II. musste es erleben, dass ein Edelmann zu Bütow in Pommern ihm eine Eingabe übersandte, worin der gestrenge Herr über die Bosheit der Zauberer klagte und von einem Knechte erzählte, dem von drei Weibern der Teufel eingegeben sei. Auch habe ihn ein Bauer bei einem Hochzeitsmahle, zu welchem er von diesem eingeladen worden sei, mit einem Spitzglase Branntwein behext, wesshalb er um die Erlaubniss bat, an diesem wenigstens die Wasser- und Nadelprobe vornehmen zu dürfen. S. Horst, Zauberbibl. Th. II. S. 403.

[277] Der Römischen Kayserl. etc. etc. Majestät Josephi des Ersten Neue Peinliche Halsgerichts-Ordnung, vor das Königreich Böheim, Marggrafthumb Mähren, und Hertzogthumb Schlesien. Freyburg 1711. (Publizirt den 16. Juli 1707.)

[278] L. Rapp, Die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 75.

[279] Wiener Zeitung von 1728, Nro. 68 und F. Müller Beitr. zur Gesch. des Hexenglaubens und Hexenprozesses in Siebenbürgen. Braunschw. 1854, S. 12.

[280] Keysler, Neueste Reisen, Hannover 1751. S. 1284.

[281] Schlözer, Krit. Untersuchungen zur Gesch. der Deutschen in Siebenbürgen. S. 297.

[282] F. Müller, Gesch. des Hexenglaubens in Siebenbürgen, S. 50–52.

[283] Vergl. den „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Neue Folge. Organ des germanischen Museums“. Band XXIII. Jahrg. 1876, S. 295 ff.

[284] „Sr. Kaiserl.-Königlich-Apostolischen Majestät allergnädigste Landesordnung, wie es mit dem Hexenprozesse zu halten sei.“ 1766.

[285] Wir verdanken die Einsicht in diese Akten der gütigen Mittheilung des Herrn Prof. Dr. jur. Fuchs zu Marburg, dem die Originale vorlagen.

[286] Johannes Scherr hat in seiner neuesten Schrift „Hammerschläge und Historien“ (Zürich, 1878) unter dem Titel „die letzte Reichshexe“ den mit der unglücklichen Nonne Maria Renata angestellten Hexenprozess nach „authentischen Abschriften“ der Prozessakten mitgetheilt. Diese Mittheilungen enthalten indessen über das, wodurch die alte Nonne zum „Geständniss“ gebracht wurde, gar nichts, und sind darum unvollständig. Zu ihrer Ergänzung dient noch immer der von dem Abte Oswald Loschert nach den Akten angefertigte und an die Kaiserin Maria Theresia eingesandte Bericht, der sich in Horst's Zauberbibliothek Th. III. S. 165 unter dem Titel abgedruckt findet: „Wahrhafte und umständliche Nachricht von dem Zufalle, so das jungfräuliche Kloster Unterzell, nächst Würzburg, des Prämonstratenserordens, betroffen. Verfasset im Jahr 1749.“ Wir folgen übrigens hier vorzugsweise der Darstellung Scherr's.

[287] Wie viele Male mag man die Unglückliche gemartert haben, bis man diese Geständnisse aus ihr herausgepresst hatte!

[288] Wahrscheinlich waren auch dieser Unglücklichen durch die Folter die Glieder zerrissen worden.

[289] Christliche Anred nächst dem Scheiterhaufen, worauf der Leichnam Mariae Renatae, einer durchs Schwert hingerichteten Zauberin, den 21. Jan. A. 1749 ausser der Stadt Wirtzburg verbrennet worden, an ein zahlreich versammeltes Volk gethan, und hernach aus gnädigstem Befehl einer hohen Obrigkeit in offentlichen Druck gegeben, von P. Georgio Gaar, S. J. — 4. Wirtzburg in der Hofbuchdruckerei. S. Horst Z. B. Th. II. S. 353 ff.

[290] Wir berichten über ihn nach L. Rapp, die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 71–107.

[291] Der Titel lautet: Del congresso notturno delle lammie libri trè. S'aggiungono due dissertazioni epistolari sopra l'arte magica. Venet. 1750 (460 S. in 4o). — Die Vorrede ist vom 25. Decbr. 1748 datirt. Doch konnte das Buch erst 1750 erscheinen, weil die Bücherinquisition zu Venedig zwei Jahre lang den Druck desselben aufhielt.

[292] Arte magica dileguata. Lettere del Signor Marchese Maffeé al Padre Jnnocente Ansaldi dell' ordine dei Predicatori. Seconda edizione in Verona 1750; und Arte magica annichilata. Libri trè. Verona 1754. Gegen die erstgenannte Schrift richtete Tartarotti seine Apologia del Congresso notturno delle Lammie (Venez. 1751). Der Hauptinhalt der beiden Schriften Maffei's ist einige Jahre später von dem deutschen Augustiner Jordan Simon (der sich Ardoino Ubbidiente dell' Osa nannte,) in der Schrift „das grosse Weltbetrügende Nichts oder die heutige Hexerei und Zauberkunst“ (Frankf. und Leipzig, 1761, 600 S.; Zweite Aufl. 1766) wiedergegeben. — Simon (oder Dell' Osa), aus dem Würzburgischen gebürtig, starb 1776 zu Prag als Professor der Theologie und erzbischöflicher Konsistorialrath, 57 Jahre alt.

[293] Graser veröffentlichte eine Vertheidigung der kritischen Glossen Tartarotti's unter dem Titel: Propugnatio adnotationum criticarum in sermonem de Maria Renata Saga adversus responsa P. Georgii Gaar J. T. (Venet. 1752).

[294] Ausführlichere Mittheilungen über Sterzinger's Leben und Wirken s. bei Rapp, die Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, S. 108–140; doch werden dieselben bezüglich des in Rede stehenden Punktes von uns mehrfach ergänzt.

[295] Die Rede erschien im Druck unter dem Titel: „Akademische Rede von dem gemeinen Vorurtheil der wirkenden und thätigen Hexerei, — — von P. Don Ferdinand Sterzinger, regulirten Priester etc.“ — München, 1766.

[296] „Ist es doch nichts Neues, nachdeme alle Proben meines Gegners ein erfahrner Delrio, ein berühmtester Carpzov Senior und Jurium Professor in Leipzig samt noch andern schon im vorigen Jahrhundert gründlich widerleget?“ Vorrede.

[297] Bekanntlich wurde Edelin nur zum Kerker verurtheilt.

[298] Wegen dieser Grobheiten vom bischöflichen Konsistorium zu Freysing zur Verantwortung gezogen, erklärte März: „Ich konnte anders nicht schreiben, weil ich glaubte, ein grosser Thurm dürfe nicht einen kleinen Knopf haben.“

[299] Betrügende Zauberkunst und träumende Hexerei, oder Vertheidigung der akademischen Rede etc. Mit Erlaubniss der Oberen. München 1767. — Gegen diese Schrift publizirte P. Angelus alsbald seine „Vertheidigung wider die geschwulstige Vertheidigung der betrügenden Zauberkunst und träumenden Hexerei, verfasset von einem Liebhaber der Wahrheit“ (1767, ohne Angabe des Druckorts, 104 S.).

[300] S. Nichtige, ungegründete, eitle, kahle und lächerliche Verantwortung des H. P. Angelus März über die vom P. Sterzinger bei dem hochfürstlichen geistlichen Rath in Freysing gestellten Fragen. Vom Moldaustrom 1767. S. 8.

[301] Das Geistreichste, was bei dieser Veranlassung geschrieben wurde, ist: Zweifel eines Bayers über die wirkende Zauberkunst und Hexerei. An dem Lechstrome 1768. Es werden darin sowohl Sterzinger's Inkonsequenzen, als die Ungereimtheiten seiner Gegner in skeptischem Tone an's Licht gezogen. — Den Münchener Streitpunkt verbindet mit einem lobpreisenden Kommentar der österreichischen Verordnung folgende Schrift: Anpreisung der allergnädigsten Landesverordnung Ihrer k. k. a. Majestät, wie es mit dem Hexenprozesse zu halten sei, nebst einer Vorrede, in welcher die kurze Vertheidigung der Hex- und Zauberei, die Herr Pater Angelus März der akad. Rede des Herrn P. Sterzinger entgegengesetzet, beantwortet wird von einem Gottesgelehrten. München 1767. — (Nach einer handschriftlichen Bemerkung in dem der Hofbibliothek zu Darmstadt gehörigen Exemplare dieser Schrift war der Verf. der Dr. Jordan Simon, Augustiner zu Erfurt, dann zu Prag.)

[302] Rapp, die Hexenprozesse. S. 112.

[303] Das interessante Schriftstück ist von dem Oberlieutenant Schuegraf in Müller's und Falke's „Zeitschrift für deutsche Kulturgesch.“, 1858, S. 767 ff. im Auszug veröffentlicht worden.

[304] Diese (scheinbare) Conzession an die Aufklärung der Zeit ist das Einzige (ausgenommen die Nichterwähnung der Tortur), wodurch sich die baierische Malefizordnung aus dem achtzehnten Jahrhundert vom alten Hexenhammer unterscheidet.

[305] Hierbei ist dann auch in herkömmlicher Weise von dem membrum frigidum und semen frigidum des Teufels die Rede!

[306] Wir wollen annehmen, dass man sich einer Veröffentlichung und Verbreitung des scheusslichen Machwerks durch den Druck doch schämte.

[307] Furchtbar scheint das Feuer der Hexenverfolgung in Kehlheim gelodert zu haben, indem es in Baiern üblich wurde, eine Hexe als „Kehlheimer Basel“ zu bezeichnen. Vgl. Schmeller, Baierisches Wörterbuch, II. 289.

[308] Vgl. L. Rapp, die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 130 bis 133.

[309] Vgl. Schröckh's Kirchengesch. seit der Reform. B. VII. S. 330 ff. — Gassner starb 1779 als Dekan zu Bendorf in der Diözese Regensburg.

[310] De magia liber, Venetiis 1775.

[311] De miraculis liber, Ven. 1776.

[312] Neuester Hexenprozess aus dem aufgeklärten heutigen Jahrhundert, oder: so dumm liegt mein baierisches Vaterland noch unter dem Joch der Mönche und des Aberglaubens. Von A. v. M. 1786. — Solche Hexenpatres waren z. B. der Karmeliter Astery zu Straubing und der Pater Hugo zu Abensberg. „Ich selbst, — sagt der Verf., — habe von Ersterem einen Zettel gesehen, worauf er aus eigener Kraft dem Satan, den Hexen und allem Unheil befiehlt, nie dieses Haus zu betreten u. s. w., — und unterschreibt es noch dazu mit den sehr merkwürdigen Worten: Ex hoc ego jubeo Fr. Astery de S. E. E. a M. C. — Wenige Häuser in und um Straubing auf sieben Stunden in der Nähe sind, wo nicht so ein Zettel an jeder Thür angebracht ist, und dafür wird bezahlt wenigstens ein Pfund Butter!!“

[313] Garinet, pag. 256.

[314] Garinet, pag. 257.

[315] Llorente, Gesch. der span. Inquisition. Th. IV. Cap. 46.

[316] Wir berichten hier zunächst nach der Schrift: „Der Hexenprozess und die Blutschwitzer-Prozedur, zwei Fälle aus der Kriminal-Praxis des Kantons Zug aus den Jahren 1737–1738 und 1849.“ Zug, 1849.

[317] Ueber diesen noch jetzt vorhandenen Kaibenthurm zu Zug wird in der vorerwähnten Schrift Folgendes berichtet:

„Durch einen verschlossenen Gang gelangt man von der Strasse in das Innere des Lokales, und eine feuchte, moderige Luft, die Einem hier entgegenweht, verkündet das Unheimliche des Ortes, an dem man sich befindet. Nachdem die Lichter angezündet, wird man eine schwache Treppe hinauf zur eigentlichen Folterstube geführt. Dieselbe ist mit doppelten Thüren geschlossen. Aus derselben dringt kein Laut, in dieselbe kein Licht. In der Mitte derselben ist eine Foltermaschine, die wir später beschreiben werden, links daneben eine Vorrichtung zum spanischen Bock, vor derselben eine erhöhte Bank für die Richter, rechts davon eine gleiche für die Kanzlei, hinter ihnen das Bild des Gekreuzigten (!!!). An den Wänden links und rechts stehen Stühle für die Läufer und Henkersknechte. Auch sieht man eine Art von Luftzug angebracht, indem bei den Exekutionen Wachholderholz verbrannt ward. Ueberbleibsel verschiedener Folterwerkzeuge, Haselruthen u. s. w. liegen zerstreut umher. Zum Ueberfluss erzählt der begleitende „Läufer“ Einem noch die vehmenartige Form und Sprache, die bei Gebrauch der Folter üblich waren. Ueber und unter diesem Lokale befinden sich je zwei Gefängnisse, die in diesen dunkelen Räumen freistehend, von Eichenholz gebaut, so ziemlich einem Schweinstalle ähnlich sehen. Licht fehlt ganz und Luft kann aus dem äusseren dumpfen Raume nur durch einen einige Zoll breiten Einschnitt in das eigentliche Gemach dringen. Von Geradestehen oder Geradeliegen kann keine Rede sein.“ — Zu diesem Bericht wird die Bemerkung hinzugefügt: „Diese Thürme bilden gegenwärtig noch einen Theil unserer (Zuger) Staatsgefängnisse“ (!!!).

[318] Dieses Binden und Aufziehen waren die ersten Grade der Folter. Die Vorrichtungen hierzu sowie mehrere andere Folterwerkzeuge sind jetzt noch im Folterhause zu sehen. Diese Vorrichtung bestand aus zwei schief aufgestellten Balken, in deren Mitte ein Rad nach Art der jetzigen Holzaufzüge angebracht war. Ueber derselben an der Decke ist eine Rolle, über welche ein Seil auf das Rad herumlief, dessen anderes herunterhängendes Ende mit einem Haken versehen war. Dem Inquisit wurden nun die Hände verkehrt auf den Rücken gebunden und in dieselben der Haken eingehängt. Es ist leicht einzusehen, dass durch das Gewicht des eigenen Körpers die Gelenke des Arms bis an die Achsel beinahe auseinander zu reissen drohten. — Es war diess aber noch nicht genug. Je nach dem Grade der Tortur wurden noch drei Steine angehängt, wovon der erste „der kleinste“, der zweite „der mittlere“ und der dritte „der grösste“ genannt wurde. Diese Steine sind noch da und der grösste wiegt circa zwei Centner. Dieselben wurden übrigens in neuerer Zeit noch bei Gebrauch dieser Folter niemals mehr gebraucht. Es war nicht selten, dass durch die allgemeine Wirkung derselben der Gefolterte in einen todähnlichen Zustand gebracht wurde, den die Prozedur das „Entschlafen“ nennt.

[319] Das hier fehlende Wort ist in dem gedruckten Torturprotokoll nicht angegeben.

[320] Ueber dieselbe wissen wir nichts zu berichten.

[321] „Zur Applizirung dieser Ruthenstreiche wurde (in Zug) der Inquisit mittelst einer besonderen Vorrichtung (spanischer Bock genannt) auf dem Boden der Folterkammer, und durch Stricke, die an den Daumen und Zehen befestigt und angezogen wurden, auf das Aeusserste ausgestreckt. Jeder dieser Ruthenhiebe auf diesen so gespannten Rücken warf eine schwarz und blau unterlaufene Schramme auf, die nach und nach aufsprang und einen bis auf die Knochen zerfetzten Rücken zurückliess. Man brauchte diese Folter auch noch in neuerer Zeit; doch hat man nie gewagt, mehr als fünfzig bis achtzig Streiche auf Einmal geben zu lassen.“

[322] Les procédures de sorcellerie à Neufchâtel par Charles Lardy (Neufchâtel 1866 S. 42).

[323] S. Freundschaftliche und vertrauliche Briefe, den sogenannten sehr berüchtigten Hexenhandel zu Glarus betreffend. Von H. L. Lehmann. Zürich 1783.

[324] Nach Obigem ist zu berichtigen, was H. Schreiber (die Hexenprozesse in Freiburg etc. S. 43) sagt: dass nämlich das letzte Beispiel von der Hinrichtung einer Hexe 1780 zu Glarus in der katholischen Schweiz gegeben worden sei. Die Katholiken zu Glarus hatten gar keinen Antheil an dem Ereignisse.

[325] Lehmann a. a. O. Heft II. S. 88 ff.

[326] Scholtz, über den Glauben an Zauberei in den letztverflossenen vier Jahrhunderten. Breslau 1830. S. 120.

[327] W. Scott, Briefe üb. Däm. Th. II. S. 113.

[328] Eine offizielle Berichterstattung über den „Glaubensakt“ erschien unter dem Titel: L'Atto publico di fede solennemente celebrato nella città di Palermo à 6. Aprile 1724 dal Tribunale del S. Uffizio di Sicilia. Descritto dal D. D. Antonino Mongitore, Canonico etc. Palermo 1724. — Vgl. Reusch, Theol. Literaturbl. 1873, Nr. 3.

[329] Noch im Jahr 1809 lebte in Baiern ein alter Mann, der einst wegen angeblicher Zauberei unschuldig torquirt worden war und alle Marter glücklich überstanden hatte. Derselbe pflegte bei dem baierischen Rentamte zu Mitterfels allmonatlich seinen Gnadengehalt in Empfang zu nehmen und dabei sich noch in den beiden Kanzleien ein Almosen einzusammeln. Neu angestellten Beamten, welche den Mann zum ersten Male sahen, musste er dann die verschiedenen Arten der Folterung, die er erlitten, beschreiben, wobei er an seinen ausgerenkten Händen und Füssen es sehen liess, bis zu welchem Grade er gemartert worden war. — Schuegraf, der damals als Schreiber bei dem Amte fungirte, theilt dieses in der Zeitschr. für d. Kulturgesch. 1858, S. 765 bis 766 mit.

[330] Schuegraf, S. 767.

[331] Buchmann, S. 324.

[332] Lenormant, S. 493.

[333] Siehe die zahlreichen Angaben bei Wuttke, „Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart“ und bezüglich der Schweiz in der Schrift des Pfarrers Thellung in Biel: „Der Aberglaube nach seinen verschiedenen Erscheinungen“ (Biel, 1867).

[334] Schwalbe, Ueber Wetteraberglauben (Berl. 1876 S. 5).

[335] Vgl. Oberyssel'sche Zeitung vom Dienstag, 25. März 1823 und Scheltema, Beil. S. 99–101. — Schindler („Der Aberglaube des Mittelalters“, S. 305) sagt: „Noch im Jahr 1832 wurde in der Gegend von Danzig eine Unglückliche hinausgefahren und auf grausame Art ertränkt; und noch 1854 wurde in meiner Nähe eine alte Frau beerdigt, die im ganzen Dorfe als Hexe galt, und der man desshalb die Leichenbegleitung versagte.“

[336] Waldbrühl, Naturforschung und Hexenglaube, S. 37–38 in Virchow's und v. Holtzendorff's Vorträgen, Heft 46.

[337] Horst, Zauberbibl. B. VI. S. 368. — Das Ereigniss, welches Horst S. 373 desselben Bandes aus dem Mémorial Bordelais mittheilt, ist offenbar nicht ein weiteres, sondern das bereits S. 368 erzählte Vorkommniss.

[338] Cordier, Légendes des Hautes Pyrénées, Lourdes, 1855, S. 79–88 und Hartpole Lecky, I. S. 3–4.

[339] Dieselben hatten ihr bereits mit einem schneidenden Instrument über der Brust einen langen Schnitt beigebracht. Die Maréchaussée bemächtigte sich der Verbrecher. S. Horst, Zauberbibl. B. VI. S. 371.

[340] Die Nachrichten über die Hexenverfolgung in Mexiko bis zum Jahr 1874 sind — da uns die Originalquellen nicht zu Gebote standen, aus Nippold „Die gegenwärtige Wiederbelebung des Hexenglaubens“ S. 11–12 wörtlich entlehnt.

[341] Selbst in der allerneuesten Zeit liefert Russland noch derartigen, fast unglaublichen Stoff. Zeitungen aus dem Februar des Jahres 1879 melden: „In dem Dorfe Wratschewo des Nowgoroder Gouvernements ist ein Bauernweib Namens Agrafena Ignatiewa von den Einwohnern des genannten Dorfes wegen Verdachts der Hexerei lebendig verbrannt worden. Die Aeltesten des Dorfes liessen Thür und Fenster des Hauses, in welchem die vermeintliche Hexe wohnte, mit Brettern verschlagen, hierauf Stroh und Holz um das Haus legen und schliesslich das Haus mit der „Hexe“ verbrennen. Das unglückliche Opfer der abergläubischen Bauern wurde im buchstäblichen Sinne des Wortes zu Asche verbrannt. Ueber hundert Dorfbewohner, darunter der Ortspope, wohnten diesem schrecklichen Schauspiele bei. So geschehen im Jahre 1879.“

[342] Praelectiones theologicae, quas in Coll. Rom. S. J. habebat. Wir benutzen hier die erste Regensburger (überhaupt die einundzwanzigste) Ausgabe des Werkes, welche 1854 erschien. Der von uns besprochene Abschnitt de daemonum cum hominibus commercio findet sich daselbst vol. V. p. 31–54.

[343] Vgl. Avanzini, de constitutionibus apostolicae sedis, Romae, 1872. S. 67.

[344] Wir berichten hier über dieses Buch nach den sehr ausführlichen Excerpten, welche F. Nippold seiner Schrift, „Die gegenwärtige Wiederbelebung des Hexenglaubens“ S. 18–35 aus demselben mitgetheilt hat.

[345] Das Alles wollte Vilmar aus seiner „Erfahrung“ wissen!

[346] Sonst wird dieses nur von Gott gelehrt!

[347] Es ist uns durchaus unerfindlich, woher Vilmar dieses weiss.

[348] Man denke an die Wasserprobe der Hexen!

[349] Der mit dem Kanon Episcopi zum Theil übereinstimmende angebliche Kanon des Conzils zu Agatha lautet: (Burchard. Decret. lib. X. cap. 29): Perquirendum, si aliqua femina sit, quae per quaedam maleficia et incantationes mentes hominum se immutare posse dicat, id est, ut de odio in amorem, aut de amore in odium convertat, aut bona hominum aut damnet, aut subripiat. Et si aliqua est, quae se dicat cum daemonum turba, in similitudinem mulierum transformata, certis noctibus equitare super quasdam bestias, et in eorum consortio adnumeratam esse; haec talis omnimodis scopis correpta ex parochia ejiciatur. — Uebrigens ist dieser Kanon nicht von der Synode zu Agde aufgestellt, sondern ist späteren Ursprungs. S. Hefele, Conziliengesch. B. II. S. 641.

[350] Anzeiger zur Kunde der deutschen Vorzeit, 1839, S. 119 ff.

[351] Von den alten Bacchanalien hatte auch schon Cardanus (de rerum varietate XV. 80) das Hexenwesen abgeleitet, nur dass er das ursprünglich Wirkliche zuletzt in Einbildung übergehen liess: Haec quidem procul dubio ab Orgiis antiquis, in quibus mulieres bacchabantur palam, ortum habuerunt. Deinde metu legis talia prohibentis clam celebrari coepere. Et ubi illud etiam prohibitum est, vel ipsa cogitatione agere perseverarunt; adeo inveterati erroris opinio constans est.

[352] Die Sage von den Hexen des Brockens und deren Entstehen in vorchristlicher Zeit durch die Verehrung des Melybogs und der Frau Holle. Quedlinburg und Leipzig 1839.

[353] Man sehe z. B. §. 17, wo das deutsche Wort Teufel aus dem polnischen diable hergeleitet und dieses wiederum durch iable (Apfel) mit vorgesetztem Artikel erklärt wird, indem der Apfel die erste Veranlassung zum Bösen gewesen sei, wie auch malum den Apfel und das Böse bedeute.

[354] In den Abhandlungen „Ein Hexenprozess aus der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts, mit einer Nachricht über das Verbrechen der Zauberei“ (in Hitzig's Annalen der deutschen und ausländ. Kriminalrechtspflege, B. I. 1828, S. 431–456) und „Beitrag zur Gesch. der Zauberei“ (ebendas. B. II. S. 182–194) und in seinem „Handbuch des Strafrechts“ S. 54 ff.

[355] z. B. VIII. de sacris Mercurii et Jovis.

[356] z. B. I. de sacrilegio ad sepulchra mortuorum; V. de sacrilegiis per ecclesias.

[357] z. B. XIX. de petendo quod boni vocant Sanctae Mariae; IX. de sacrificio, quod fit alicui Sanctorum.

[358] Nämlich: X. de phylacteriis et ligaturis; XII. de incantationibus; XIII. de auguriis vel avium vel equorum, vel bovum stercore, vel sternutatione; XIV. de divinis et sortilegiis; XXX. de eo quod credunt, quia feminae lunam commendent, quod possint corda hominum tollere juxta paganos.

[359] Nur ein einziges Mal, in einem am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts (1687) spielenden Brandenburgischen Hexenprozess sind wir einem auf Verführung durch eine „Tartar'sche“ (d. h. Zigeunerin) lautenden, auf der Folter erpressten Geständniss begegnet. S. Raumer in den Märkischen Forschungen, Berl. 1841, S. 260.

[360] Kriminalverfahren bei Hexenpr. im Bisth. Bamberg etc. §. 5.

[361] Cardanus (de rerum varietate XV. 80) hatte im Wesentlichen dieselbe Vermuthung aufgestellt.

[362] Wenn, wie diess in einem der von Raumer mitgetheilten Fälle geschieht, ein Versuch durch Rattengift zu tödten mit unter den übrigen Beschuldigungen gegen eine Person vorgebracht wird, so steht diess neben der Zauberei, nicht darin, wie denn anderwärts auch z. B. Diebstahl, Brandstiftung u. a. daneben vorkommt.

[363] Agobardi Liber contra insulsam vulgi opinionem de grandine et tonitruis. Cap. 16.

[364] De praestig. daemon. B. III. Cap. 17.

[365] Silva silvarum, Cent. X. p. 501, ed. Amstelod.

[366] La sorcellerie au 16. et au 17. siècle, Paris, 1871, S. 130 ff.

[367] Z. B. in buseckischen Akten: — „Actum den 29. April. A. 1656 .... Frage: Woraus dann die Hexensalbe gemacht werde? Resp. Aus den Hostien, welche sie und alle Hexen beym abendtmahl in der Kirchen auss deme Mundt genommen, in der handt behalten, dem Teuffel beym Hexen Danz geopffert und solche nachgehents wieder von Ihme bekommen, den heiligen Wein empfangen sie in der Kirche in gedancken auch ins Teuffels nahmen. Sie P. Beklagtinn seye da bevor umb ein Kindt kommen, das habe sie auch dazu gebraucht. Die scheiden Möllerin, die Butsch, dess Herrn Fraw haben die Salben helffen kochen.“

[368] Magnet. Archiv III. St. 1.

[369] Vgl. die Schrift: Des hallucinations ou histoire raisonnée des apparitions, des visions, des songes, de l'extase etc. par A. Brierre de Boismont (Paris, 1845), S. 135.

[370] S. die Nachweisungen bei Schindler, der Aberglaube des Mittelalters, S. 286–287.

[371] Abgedruckt in Westermann's Jahrbuch der Illustrirten deutschen Monatshefte, B. X. S. 258 ff.

[372] Diess hat auch der abergläubische Le Loyer eingesehen, nur dass freilich diese Einsicht ihn desto mehr an der objektiven Wirklichkeit der Hexerei festhalten liess: Les sorcières sont interrogées séparément et à part, et toutes concordamment tombent en mesmes confessions, remarquent les circonstances et dépendances, s'accordent du temps, de l'heure et de la façon sans varier, comme il serait très-difficile qu'elles ne variassent, s'il y avait de la mélancholie et fureur en elles. Puis confrontez-les ensemble, elles y persistent. Le Loyer, Discours et histoires des spectres, visions etc. Paris 1605, p. 136.

[373] Es ist erst geschehen, nachdem das Vorhergehende (von Soldan) bereits niedergeschrieben war.

[374] Abgedruckt in dem Sammelwerk: „Vorträge über Tortur, Hexenverfolgung, Vehmgerichte“ etc. — (Hamburg, 1844 ff.) B. I. S. 97 ff.

[375] Bezüglich der Lehre Vilmar's von der Kirche, von den beiden Sakramenten, von der Absolution, Ordination, Confirmation und Ehe ist dieses schon unzählige Male nachgewiesen worden. Das Unevangelische seiner Lehrweise geht aber noch viel weiter. In seiner Dogmatik, B. I. S. 111 z. B. behauptet er die perspicuitas Scripturae S. nur für das „Lehr- und Hirtenamt“ der Kirche, nicht für die Christen überhaupt. Die heil. Schrift hat „Deutlichkeit nur für dieses Amt, welchem dann die Deutlichmachung für die Individuen der Gemeinden obliegt.“ So sagt Vilmar!

[376] In unzähligen Hexenprozessen, namentlich in den Torturprotokollen ist es in herzbewegendster Weise zu ersehen, in welcher Stärke der Glaube an Gott, das Vertrauen zum Erlöser (der sich oft in der Form des Gebets, oft in lautesten Angstschreien ausspricht) die Herzen der Hexen erfüllte. Die Richter und Peiniger erscheinen da nicht als die Streiter Christi, sondern als — Teufel!

[377] Er sagt S. 170: „An und für sich ist man nicht berechtigt, diese dem Gesetze angemessenen Todesurtheile als Greuel zu bezeichnen, wie das längst herkömmlich ist, und auch das Gesetz (in der Carolina) selbst, wird man nicht ohne Weiteres einen Greuel nennen dürfen. — S. 172: Allerdings bestanden prozessualische Regeln für die Constatirung eines Gerüchts und so ganz in den Tag hinein, etwa nach dem Massstabe heutiges Tags umlaufender Gerüchte, wurde nicht verfahren. Dazu war die Zeit noch viel zu fest und wenigstens in Sitte und Lebensordnung zu zähe. Im heutigen Sinne leichtfertig nahm man das Gerücht nicht.“ — Mehr kann man nicht verlangen, wenn der Hexenprozess vertheidigt werden soll.

[378] Was soll man z. B. dazu sagen, wenn Vilmar S. 169 erzählt: „So lange es Hexenprozesse gegeben hat, galt der Anklageprozess; erst als der, in der neuesten Zeit wieder aufgehobene, Inquisitionsprozess eingeführt wurde, nahmen die Hexenprozesse ab und hörten bald ganz auf!“ Die einzige Stelle der Abhandlung, aus der sich vermuthen lässt, dass Verf. ein auf den Hexenprozess bezügliches Buch der neueren Literatur in Händen gehabt hat, ist der dem grossen Rechtslehrer v. Wächter (S. 172) desshalb gemachte Vorwurf „arger Leichtfertigkeit“, weil dieser gesagt habe, „es habe, um die Tortur zu erkennen, nur bedurft, dass ein altes Weib triefäugig gewesen sei, wozu dann leicht noch irgend ein Indizium zu finden gewesen sei“.

[379] Dieses wird auch von A. F. Köppen in seiner trefflichen Abhandlung (Wigands Vierteljahrschrift, B. II. S. 51) zugegeben, indem er sagt: „Allerdings ist es höchst wahrscheinlich, dass die Hexerei als das (angebliche) Modeverbrechen der Zeit, mancherlei wirkliche, d. h. bürgerliche Verbrechen gleichsam absorbirt habe, dass also bei einzelnen Verbrechen kein bloss eingebildeter, sondern auch ein reeller Thatbestand vorlag. Einige angebliche Hexen mögen Kindesmörderinnen, andere Giftmischerinnen gewesen sein, noch andere durch Quacksalberei und Sudelköcherei u. dgl. reellen Schaden gethan haben. Indessen ist die Zahl derselben jedenfalls verhältnissmässig nur sehr gering gewesen; und — was die Hauptsache ist — beweisen, juridisch beweisen lässt sich das (Dank der Formlosigkeit des Hexenprozesses!) in den allerwenigsten Fällen, ja vielleicht in keinem einzigen Falle mehr.“

[380] Wir erinnern an den oben B. I. 481 aus Hessen mitgetheilten Fall. Ausserdem theilt v. Wächter aus einem juristischen Responsum vom Jahre 1647 (bei Nic. Brand, de legitima maleficos et sagas investigandi et convincendi ratione, P. II. thes. 1) folgendes Vorkommniss mit: Ein preussischer Soldat wollte sich mit Satans Hülfe unsichtbar, schuss- und hiebfest machen und glücklich spielen können, wesshalb er dem Teufel sich zu ergeben beschloss. Er setzte daher eine Schrift auf, in welcher er sich dem Teufel verschrieb und unterzeichnete dieselbe mit Blut aus seiner Nase. Am Rande der Schrift sprach er die Bitte aus, dass ihm der Teufel bald einen Gesandten schicken möchte, von dem er das Nöthige lernen könnte. Diese Schrift wollte er an einem Samstag Nachts auf einen Kreuzweg tragen, um sie so in die Hände des Teufels zu bringen. Ehe er aber dieses ausführen konnte, fand man die Schrift bei ihm, und es wurde ihm daher der Prozess gemacht, der zu seiner Hinrichtung führte.

[381] Nach Pioneer Mail im spiritist. Journal The Medium and Daybreak, 4. Dezember 1874.

Vgl. z. B. die Schrift: „Ueber das Besessensein oder das Dasein und den Einfluss des bösen Geisterreichs in der alten Zeit“ (Heilbronn, 1833, S. 116 in 8o). — Das Vorwort der Schrift beginnt mit den Worten: „Der Verfasser dieser Schrift hat seine Ueberzeugung von Dämonen-Besitzungen auf eigene Anschauung gegründet, und zwei damit geplagte unglückliche Personen — im Hause seines ihm so theuern Freundes, des Dr. Kerner in Weinsberg, oft und aufmerksam beobachtet.“ — Der Schlusssatz der Abhandlung lautet (S. 116): „Ich glaube an gute und böse Geister und an ihren Einfluss bis auf die neuesten Zeiten. Der Mensch aber kann beiden widerstehen.“