The Project Gutenberg eBook of Prosastücke

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Title: Prosastücke

Author: Robert Walser

Release date: August 27, 2010 [eBook #33548]

Language: German

Credits: Produced by Jana Srna

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK PROSASTÜCKE ***

Anmerkungen zur Transkription:

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Deckel

Prosastücke von
Robert Walser

Schriften für Schweizer
Art und Kunst. 55


VERLAG RASCHER u. CIE, ZÜRICH
1916

PROSASTÜCKE
von
ROBERT WALSER

1917

VERLAG VON RASCHER & Cie IN ZÜRICH

Erstes und zweites Tausend.

Nachdruck verboten.

Übersetzungsrecht vorbehalten.

Copyright by Rascher & Co., Verlagsbuchhandlung in Zürich 1917.

Zürich

Buchdruckerei Züricher Post

Das Seestück.

Dieses Stück ist sehr einfach, es handelt von einem schönen Sommerabend und von vielen Leuten, die am Seeufer hin- und herpromenierten. Die Menschenmenge, unter der auch ich mich befand, war ausserordentlich. Die ganze Stadt schien zu spazieren. Wenn ich sage, dass der weite, nächtliche See einem schlummernden Helden glich, dessen Brust auch im Schlafe noch von Angelegenheiten der Kühnheit und der hohen Denkart bewegt sei, so drücke ich mich vielleicht etwas gewagt aus. Viele lichtergeschmückte Nachen bewegten sich im dunklen Wasser. Die Strassen und Nebenstrassen, die zum See führten, schienen mir Kanäle zu sein, und ich bildete mir mit Leichtigkeit ein, dass die Nacht eine venezianische Nacht sei. Heller Feuerschein loderte da und dort rötlich aus dem Schwarz auf, und nächtliche Menschengestalten spazierten in die hellen und in die dunklen Stellen. Es fehlte an Liebespaaren keineswegs, die sich hinter allerlei Dickicht zärtlich umarmten und küssten, und ebenso wenig fehlte es an kosender und lispelnder, an freundlich streichelnder und gleich einem plätschernden Gewässer rieselnder Nachtmusik. Der Halbmond in der Höhe glich, wie soll ich sagen, einer Wunde, woraus ich folgere, dass der schöne Körper der Nacht verwundet war, ähnlich wie eine schöne edle Seele verletzt und verwundet sein kann, und darum ihre Hoheit und Schönheit noch deutlicher offenbart. Im Leben, das roh und unedel ist, macht sich mitunter die verletzte edle Seele lächerlich, nicht aber in der Dichtkunst, und der Dichter lacht niemals über empfindlicher Seelen Verletzbarkeit. Da ich über eine gebogene Brücke ging, hörte ich von unten, aus dem Wasser, eine wundervolle Stimme zu mir heraufdringen, es war ein hellgekleidetes Mädchen in einer hier vorüberfahrenden Gondel, und ich und vielleicht noch ein Anderer, den die zarte Stimme ebenfalls interessierte, beugten uns über das Geländer, um auf den entzückenden Gesang mit angespannter Aufmerksamkeit zu lauschen, der im Zirkus oder im Konzertsaal, den die holde Nacht bildete, warm und hell verhallte. Wir Zwei oder Drei, die wir lauschten, gestanden uns, dass wir noch nie so schön singen gehört hätten, und wir sagten uns, dass das Lied der im beinahe unsichtbaren Nachen dahingleitenden liebenswürdigen Sängerin weniger durch Kunst und grosses gesangliches Können als vielmehr nur durch eine wunderbare Seelen-Anspannung und durch die Begeisterung eines lieben edlen Herzens gross sei. Wir sagten uns ferner, das heisst es fiel uns ein, zu denken, dass vielleicht, ja sogar sehr wahrscheinlich die junge Sängerin unten im dunklen Boot über die Kühnheit und Hochherzigkeit ihres Gesanges und wegen ihrer Fähigkeit, sich zu berauschen und zu begeistern, glühend erröte, und dass ihre reizende jugendfrohe und süsse Wange vor Scham über die Freiheit und über den Enthusiasmus des himmlischen gesanglichen Ergusses heftig brenne. Königspalastähnlich wurde das Lied und wuchs zu fabelhafter Grösse empor, dass man Prinzen und Prinzessinnen auf herrlich geschmückten Pferden vorübertanzen und -galoppieren zu sehen meinte. Alles verwandelte sich in tönendes Leben und in eine tönende Schönheit, und die ganze Welt erschien wie die Liebenswürdigkeit selber, und am Leben, am menschlichen Dasein gab es nichts mehr auszusetzen. Ganz besonders anziehend und schön war, wie das Mädchen so ihre zarte Seele singend preisgab, alle ihre Geheimnisse öffnete, hoch über sich selbst und über ihre Zurückhaltung, über alle anerzogene Sittsamkeit hinwegdrang, alles Denken und Sehnen offen aussprach, dass es, Heldinnen gleich, wie eine Gestalt in die Luft hinaufragte. Der Kampf, den das zarte Wesen mit der Schüchternheit und mit dem alltäglichen Benehmen kämpfte, ergab die schönste Klangfarbe, und auf den schamhaft-stolzen Klang lauschten, wie bereits gesagt, mehr Leute, die alle bedauerten, dass das Lied nun nach und nach in der Ferne sich verlor.

Die italienische Novelle.

Ich habe starke Ursache, mich zu fragen, ob eine Geschichte gefallen wird, die von zwei Leuten oder Leutchen, nämlich von einem reizenden netten Mädchen und von einem in seiner Art mindestens ebenso netten braven guten jungen Mann berichtet, die im schönsten und innigsten Freundschaftsverhältnis zu einander standen. Die zärtliche und leidenschaftliche Liebe, die sie gegenseitig fühlten, glich an Hitze der Sommersonne und an Reinheit und Keuschheit dem dezemberlichen Schnee. Ihr beidseitiges liebenswürdiges Vertrauen schien unerschütterlich, und die feurige unschuldige Neigung wuchs von Tag zu Tag wie eine wundervolle farben- und duftreiche Pflanze. Nichts schien den allerholdesten Zustand und das allerschönste Zutrauen stören zu können. Alles wäre schön und gut gewesen, wenn nur der brave gute liebe und junge Mann die italienische Novelle nicht so gut gekannt hätte. Die exakte Kenntnis jedoch von der Schönheit, Pracht und Herrlichkeit der italienischen Novelle machte ihn, wie der aufmerksame Leser sogleich erfahren wird, zum Schafskopf, raubte ihm für eine Zeitlang die Hälfte des gesunden Verstandes und veranlasste, zwang und nötigte ihn eines Tages, morgens oder abends, um acht, zwei oder sieben Uhr zu seiner Geliebten mit dumpfer Stimme zu sagen: »Du, höre, ich habe dir etwas zu sagen, etwas, das mich schon die längste Zeit drückt, plagt und foltert, etwas, das uns Beide vielleicht unglücklich machen wird. Ich darf es dir nicht verschweigen, ich muss, ich muss es dir sagen. Nimm allen deinen Mut und alle deine Festigkeit zusammen. Es kann sein, dass dich die Kunde von dem Schrecklichen und Furchtbaren tötet. O ich möchte mir tausend schallende Ohrfeigen geben und mir das Haar ausraufen.« Das arme Mädchen rief angstvoll aus: »Ich kenne dich nicht mehr. Was quält, was peinigt dich. Was ist es Schreckliches, das du mir bis dahin verheimlicht und das du mir anzuvertrauen hast. Heraus mit der Sprache auf der Stelle, damit ich weiss, was ich zu fürchten und was ich irgendwie noch zu hoffen habe. An Mut, das Härteste zu dulden und das Äusserste zu ertragen, fehlt es mir nicht.« – Die so redete, zitterte freilich vor Angst am ganzen Körper, und das Unbehagen verbreitete eine tödliche Blässe über ihr liebreizendes, sonst so frisches und hübsches Gesicht. »Vernimm«, sagte der junge Mann, »dass ich leider nur ein zu gründlicher Kenner der italienischen Novelle bin und dass eben diese Wissenschaft unser Unglück ist.« – »Wieso das, um Gotteswillen?«, fragte die Bedauernswürdige, »wie ist es möglich, dass Bildung und Wissenschaft uns trostlos machen und unser Glück zerstören können?« Worauf es ihm beliebte, zu erwidern: »Weil der Stil in der italienischen Novelle an Schönheit, Saft und Kraft einzig dasteht, und weil unsere Liebe keinen derartigen Stil aufzuweisen hat. Dieser Gedanke macht mich trostlos, und ich vermag an kein Glück mehr zu glauben.« Beide guten jungen Leute liessen zirka zehn Minuten lang oder etwas länger den Kopf und das Köpfchen hängen und waren völlig rat- und fassungslos. Nach und nach gewannen sie jedoch die Zuversicht und den verlorenen Glauben wieder zurück, und sie kamen wieder zur Besinnung. Sie rafften sich aus Trauer und Entmutigung auf, schauten einander freundlich in die Augen, lächelten und gaben sich die Hand, schmiegten sich eng zusammen, waren glücklicher und vertraulicher als je zuvor, indem sie sagten: »Wir wollen nach wie vor trotz allen stilvollen und prachtvollen italienischen Novellen Freude und Genuss aneinander haben und uns zärtlich lieben, so wie wir einmal sind. Wir wollen genügsam und zufrieden sein und uns um keine Vorbilder kümmern, die uns nur den Geschmack und das natürliche Vergnügen rauben. Schlicht und ehrlich aneinanderhängen und warm und gut sein ist besser als der schönste und vornehmste Stil, der uns gestohlen sein kann, nicht wahr.« Mit diesen fröhlichen Worten küssten sie sich auf das innigste, lachten über ihre lächerliche Mutlosigkeit und waren wieder zufrieden.

Koffermann und Zimmermann.

Ein bekannter und rühriger Verleger, unternehmungslustig wie er war, sagte eines schönen Tages zum Schriftsteller Koffermann: »Lieber Koffermann, packen Sie sofort Ihren Koffer oder meinetwegen Köfferchen und reisen Sie, ohne dass Sie sich vorher lange besinnen, nach Japan. Haben Sie verstanden?« Der flinke und behende Koffermann, sogleich entschlossen, den schmeichelhaften Auftrag auszuführen, besann sich keine zehn Minuten lang, sondern machte sich auf die Beine, packte alle seine Gedanken und Utensilien in seinen Handkoffer, stieg in den Eisenbahnwagen und dampfte, reiste und fuhr ab nach dem berühmten und sehenswerten Lande Japan. Der Verleger oder Verlagsmann telephonierte einem mächtigen Zeitungsmann, er möchte so freundlich sein und es in die Zeitung setzen, dass Koffermann seinen Koffer gepackt habe und nach Japan abgeflogen und fortgeflutscht sei. Das las bald ein anderer Verleger oder Verlagsmann und er forderte den Schriftsteller Zimmermann auf, so rasch wie möglich zu ihm zu kommen, denn er habe ihm etwas Wichtiges zu sagen. Zimmermann war gerade damit beschäftigt, eine höfliche und weitläufige Ansprache an seine Katze zu halten, auch schlürfte er Thee, und rauchte er eine Cigarette, als der Brief anlangte, der ihm ankündigte, er solle zu seinem Verleger rennen, weil ihm derselbe etwas Wichtiges zu sagen habe. Er zog seinen bessern Anzug an, bürstete, säuberte, kämmte, wusch und verschönerte sich, wie es sich schickte, und marschierte in aller Seelenruhe zu seinem Geschäftsmann. »Lieber Zimmermann,« sagte derselbe zu Zimmermann, »ich weiss, dass Sie ein ruhiger Mensch sind, der seine Ruhe liebt! Jetzt aber müssen Sie aus aller Behaglichkeit heraus und mit der grössten Unruhe, Hast und Schleunigkeit nach der Türkei fliegen. Koffermanns Verleger hat Koffermann nach Japan entsandt, weshalb ich nun Sie, mein lieber Zimmermann, nach der Türkei senden muss. Haben Sie begriffen?« Zimmermann aber begriff nicht so leicht; er besass keine so leichte und flinke Auffassungsgabe wie Koffermann. Er bat sich eine Bedenkzeit von acht Tagen aus und ging wieder in sein Zimmer zurück, wo er sich ebenso vergnüglich wie nachdenklich auf seinen alten Reisekorb setzte, der unter der Last zu ächzen und zu seufzen begann, wie Reisekörbe bei solcher Gelegenheit zu tun pflegen. Zimmermann, der seine Ruhe und seinen stillen Aufenthalt im Zimmer liebte, war unfähig, von demselben Abschied zu nehmen. »Ich bin unfähig, vom Zimmer Abschied zu nehmen, auch ist mein Reisekorb alt, und es würde mir weh tun, ihn auf eine so weite Reise zu schicken,« schrieb Zimmermann seinem Geschäftsmann, »ich habe mir die Sache überlegt, und bitte Sie versichert zu sein, dass ich nicht nach der Türkei reisen kann. Ich eigne mich nicht dafür. Ich bin soeben in Gedanken eine halbe Stunde lang in der Türkei gewesen und habe es dort sehr langweilig gefunden. Mit dem ehemaligen Königreich Polen möchte ich es wohl eher probieren. Lassen Sie mich bitte Ihre Meinung wissen. Ich gebe Ihnen acht Tage Bedenkzeit. Nach Polen passe ich nämlich besser als nach der Türkei.« Der Verleger lachte, als er den Brief las und sagte: »Mit Zimmermann ist nichts anzufangen.«

Der Flinke und der Faule.

Ich gestehe, dass mich die Erfindung der Geschichte, die ich hier erzähle, die grösste Mühe gekostet hat, obwohl man vielleicht finden wird, dass sie ein wenig läppisch sei. Sie handelt von einem faulen Flinken und von einem flinken Faulen. Zu beachten ist, dass der Flinke mit all seiner eichhornhaften Flinkheit weit hinter des Faulen grober Faulheit zurückblieb, worüber er sich nicht wenig verwunderte, was recht sehr zu begreifen ist. Das Seltsame und Bemerkenswerte an der einfältigen und albernen Geschichte, die glücklicherweise nicht allzu lange und breite Umstände macht, ist, dass der Flinke im Grunde der Faule ist und der Faule im Grunde der Flinke, und zwar deshalb, weil der Flinke eigentlich leider nur zu flink war und weil der Faule mit der gesamten Summe seiner Faulheit sich glücklicher- oder unglücklicherweise glänzend bewährte, indem er gar nicht flink und dennoch, im Grunde, viel flinker war als der flinkste Flinke, während leider der Flinke mit dem ganzen Reichtum seiner Flinkheit und Behendigkeit zwar durchaus nicht faul und dennoch viel fäuler war als der fäulste Faule, was jedenfalls recht sehr bedauerlich ist. Der Flinke übertraf freilich den Faulen an regelrechter Flinkheit, aber er kam dennoch zu kurz und stand zuletzt weit hinter dem Faulen, welcher, falls wir uns nicht gröblich irren, freilich den Flinken hoch an Faulheit überragte, indem er faul war wie die personifizierte Faulheit, dennoch aber lange nicht so faul und viel flinker war, als der Flinke dachte, den er weit hinter sich liess und prächtig besiegte, über welchen ausserordentlichen Umstand der bedauernswürdige arme Flinke fast vor Schreck umkam. Dieses, mein bester Leser, ist die Geschichte vom Flinken und vom Faulen oder vom Faulen und vom Flinken, je nachdem du willst und wie es dir gefällt. Beurteile sie milde, belache sie und zürne nicht allzustark ihrem Verfasser, dem sie so fest im Kopf sass, dass er sich genötigt sah, sie niederzuschreiben, um sie loszubekommen.

Der Maskenball.

Einmal gab es einen Maskenball, der von vielen lebenslustigen und vergnügungsfröhlichen jungen Leuten besucht wurde, die sich alle hier einfanden, um recht aus der Seele und aus vollem Herzen glücklich zu sein, Sorgen und Kümmernisse auf ein paar Stunden zu vergessen, zu lachen, zu tändeln und zu tanzen und sich frei und leicht zu fühlen wie die ersten Menschen, die vom erbärmlichen Kampf ums Dasein und von der traurigen Jagd nach dem Erwerb noch überhaupt nichts wussten. Herrlich war der Anblick des von einem vorzüglichen Geschmack und von einem feinen und zarten Kunstsinn dekorierten, blumen- und bändergeschmückten Tanzsaales, dessen hohe Wände entzückende Wandmalereien deckten, die, man kann sagen, von demselben Geist und von derselben Erfindung waren wie die graziöse reizende Musik, die sommerregengleich von einem Podium herab in den Saal und in den heiteren Tanztumult niederrieselte und säuselte, damit die versammelten fröhlichen Menschen sich nach dem schmeichlerischen wellenhaften Takt ihrer süssen und angenehmen Melodien hin und her bewegten und drehten. Das tat denn auch alle Welt und es war ein blitzendes, geschmeidiges Gewoge, das da durcheinanderwogte. Auf die lächelnden Gesichter herab schimmerte der Strahl der Kerzen, deren blendendes Leuchten den Saal zu einem Zauberpalast machte. Alles war glücklich, alles lachte und scherzte. Neid, Bosheit und Missgunst und noch manche andere üblen Eigenschaften und bösen Empfindungen hatten keinen Einlass in das schöne Lokal gefunden, das lediglich von Heiterkeit, Behagen und Lebensfreude widerhallte und widerstrahlte. Jedoch waren alle Geräusche der Freude und des Vergnügens angenehm gedämpft, wie wenn alle Teilnehmer lebhaft gefühlt hätten, dass selbst im Rausch und im Entzücken der Mensch sich, aus Rücksicht und aus Liebe für seinen Mitmenschen, Zügel auferlegen muss, um die allgemeine Schönheit und das allgemeine Gefallen nicht zu verletzen. Gelächter vermischte sich mit Gläsergeklirr, das wie Silber an den Wänden widertönte. Schelmische Witze wurden gerissen, die niemanden beleidigten. Nur Dummköpfe und eitle hochmütige Menschen ärgern sich über einen guten Witz, der so gut ein Recht zu existieren hat wie der düstere, bittere Ernst; denn der liebe Gott gab uns nicht umsonst die liebenswürdige Fähigkeit, zu lachen und den Dingen die heitere und lustige Seite abzugewinnen.

Solche Paare, die von der Anstrengung des Tanzens müde waren, zogen sich für eine Weile, um recht behaglich auszuruhen und sich an allerlei Erfrischungen zu erlaben, aus dem Getümmel in irgend eine reizend versteckte grüne weiche Plaudernische zurück, während andere Paare frisch sich in das anmutige Gewoge stürzten. Hier sah man Einen vor der Dame seines Herzens leidenschaftlich niederknien. An einer andern Stelle wieder suchte ein Tänzer seine entschwundene, im Gewirr verlorengegangene Tänzerin. Andern Ortes wieder erteilte eine Schöne ihrem bisher so dienstfertigen Galan und Ritter urplötzlich den Abschied, dass ihn die Bestürzung, in die er sich unvermuteterweise geworfen sah, zittern machte, und ihm die grausame Enttäuschung die Gesichtszüge verzerrte.

Colombine, so nannte sich eine übermütige schelmische Tänzerin, die mit ihrer ans Unglaubliche grenzenden Tanzkunst die Bewunderung aller derer, die sie sahen, hervorrief. Sie tanzte ganz allein, als wenn es keinen Tänzer gegeben hätte, der fähig gewesen wäre, sie mit einigem gleichmässigem Geschick zu accompagnieren. Und doch gab es einen! Aber von diesem tollen Burschen reden wir später. Einstweilen neigen wir uns voll Staunen und Mitleid zu einem armen Narren herab, der, einer Statue, einem Steinbild ähnlich, in einem Winkel des Saales am Boden kauerte, wo er sich auf die ausgiebigste Art mit düsterer Philosophie, mit schrecklicher Betrachtung des Lebens abzugeben schien, ganz in Trauer, in Wehmut und in tödliche Melancholie gehüllt. Tausenderlei giftige Spitzfindigkeiten schienen den armen unglücklichen Menschen in diesen Zustand der Gebrochenheit und Zerrissenheit versetzt zu haben. Pierot oder Mehlmann hiess er, und er glich auf gewisse Art dem tödlich verwundeten Helden, der das Gefühl hat, dass er verbluten muss. Sein eigenes krankes Wesen war es vielleicht, das ihn hier im verlassenen Winkel an den Boden niederstreckte. Des armen tragischen Narren Wangen waren mit Mehl bestreut. Seine Lippen waren rot wie Rosen, aus seinen jungen dunkeln Augen drang ein unnennbarer Seelenschmerz, und die gefärbten Lippen lächelten ein graziöses und verzweifeltes Lächeln. »Schade um den jungen Mann!« musste der ausrufen, der ihn sah, aber es beachtete ihn niemand, dessen Kopf ein zierliches Dummkopfkäppchen schmückte, dass der Schmerz und der Gram noch lächerlich aussahen und der Hoffnungslosigkeit, dem Leid noch der Ausdruck frivoler Dummheit anhaften musste. Warum kam er hierher, wo alles lachte und tanzte? Was bezweckte er mit seinem unerfreulichen Auftreten? Was hoffte er von seiner Erscheinung? Vielleicht war er ehmals fröhlich gewesen. Jetzt aber war er todesmüd und matt. Denn von der Lebensmüdigkeit, die ihn erfüllte, redete die Sterbensblässe, die ihn bedeckte, deutlich. Wer versetzte ihm den Stoss? Sein eigener verderblicher Charakter selber? Hm! Kann sein.

Angenehm oder unangenehm bemerkbar machte sich auf dem Maskenball durch ein höchst lächerliches Gehaben und Gebaren, das ihn zum vollkommenen, ganz und gar in der Schafsköpfigkeit ertrunkenen Schafskopf stempelte, ein zweiter und zwar ältlicher, sehr soignierter Narr. Vorhergehender Narr war sozusagen ein ernster Narr. Dieser aber gehörte zu der Kategorie der fraglos lächerlichen Narren. Himmlisch war der hohe, steife, feierliche Hut auf seinem ausgesprochenen Pantoffelheldkopf. Seine enorme Krawatte war grasgrün, seine gebogene lange Nase gesprenkelt mit roten und weissen Tupfen. Fabelhaft lächerlich war sein Beinkleid, mit welchem er offenbar zu imponieren hoffte. Die Handschuhe, die er trug, waren knallgelb und sein ganzes Auftreten zeugte von verblüffender Geschmacklosigkeit. Der Herr hiess Pantalone oder Hosenmann und wie es sich herausstellte, war er fürchterlich verliebt, der alte Racker, und zwar in wen?, ei ja doch, in die reizende Colombine, für die er ein verliebtes süsses Liebesbriefchen in der Tasche trug, um es der Schelmin bei günstiger Gelegenheit in der Einbildung zu übergeben, die ihm vorschwindelte, dass das schöne junge Mädchen Gefallen am alten, aber freilich schwerreichen Gecken finden werde, sobald der alte Torenknabe nur seine Börse öffnen würde. Hui! aber das Liebesbrieflein mit den üblen Anspielungen flog ihm um die Nase und wurde in tausend kleine Fetzen zerrissen, die wie Schneeflocken herumwirbelten, und Pantalone musste mit samt seinem gravitätischen imposanten Spazierstock gütig abspazieren und noch dazu eine ganze Salatschüssel voll Gelächter und spöttischer Bemerkungen aufessen. Ausgelacht und fortgeschickt zu werden ist wahrhaftig kein Leckerbissen. Drohungen ausstossend und Augen wild rollend verliess Hosenmann den Tanzsaal, und die Grazien riefen ihm nach: »Auf Nimmerwiedersehen.«

Wir haben den tiefernsten und trauervollen Narren und dann den eitlen, albernen und spiessbürgerlichen Narren gesehen und wenn uns diese beiden interessiert haben, so wird uns gewiss nicht minder der dritte, nämlich der fröhliche kecke und übermütige, der schöne und glückliche Narr interessieren, das Ideal des Maskenballes, Hanswurst oder Harlekin mit der spitzbübischen frechen Pritsche, mit welcher er, leise alle Menschen neckend, im Saal herum tanzte, indem er alle, die ihn sahen, durch seine unschuldige antiloppenhafte Fröhlichkeit und Lustigkeit in helles Entzücken setzte. Sein leichtes Kleid oder Gewand klebte ihm nur so am jugendlich-schönen tänzerischen und turnerischen Körper, der die gewagtesten und zugleich anmutigsten Bewegungen ausführte, dass es eine Freude war, ihn tanzen und tändeln zu sehen. Dieser Bursche war der erklärte Liebling aller und er war im besondern der Geliebte der schönen Colombine, die mit ihm in treuer Anhänglichkeit und Liebe starb und lebte. Ihre Augen verfolgten jeden Augenblick seine liebenswürdige Gestalt, die bald erzkomisch stillstand, als sei Harlekin oder Hanswurst ein rechter Trottel, die aber bald wieder wie eine durch keinerlei Schwergewicht gehemmte Engelsgestalt sich vom Tanzboden loslöste und alsdann Wunder der Tanzkunst verrichtete, bald einem eilfertigen artigen Windhund, bald einem Wiesel, bald einem Eichhörnchen glich und immer voll bildhafter Schönheit war. Flog Hanswurst am schwermütig träumenden und kauernden armen Pierot vorbei, so versetzte er ihm mit seiner Narrenpritsche einen leichten kameradschaftlichen Schlag auf die Schulter und sprach flüchtig zu ihm: »Komm, sei doch vernünftig, du dauerst mich.« Hanswurst, dieser tolle Bursche, der mit seinen geschmeidigen Beinen alle Schwere und allen Erdenernst verspottete, war in seinem witzigen Übermut so schön, und in all seiner Ausgelassenheit so treuherzig, dass niemand im Saal auf den Einfall kam, ihm sein lustiges Wesen übel zu nehmen, vielmehr befreundete sich jedermann im Augenblick mit ihm, und es hatten ihn alle von Herzen gern. Aber der liebe Bursche selber auch hatte ein Gefühl und ein Herz und ein Denken für alle, das sahen und fühlten alle. Indem er witzelte und tändelte, blieb er immer eine freundliche und angenehme Erscheinung, und indem er lustig war, belustigte und ergötzte er die andern. Seine bildhübsche Gestalt und seine scherzhafte Einfalt verbreiteten tiefe Rührung, und wenn er in die Luft emporflog und tanzte, war er gross und bedeutend. Sein Glück machte alle andern glücklich. Sein Anblick war zugleich unterhaltend und wohltuend. Indem Hanswurst an sich selber und an sein eigenes Vergnügen dachte, wollte es der Geist, der ihn trieb, und der eigentümliche Umstand, dass er an alle andern dachte und dass er die Ursache vom allgemeinen Vergnügen war.

Die Verlassene.

Eisig kalter Wind brüllte und sauste durch die düsteren Strassen. Unbarmherziger Wind, und alles war finster, hoffnungslos und düster. Alle guten Eingebungen und alle guten Gedanken waren mir verloren, und ich selbst war verloren. Alles Gute, Milde und Schöne war hoffnungslos verloren. Die Seele war verloren. Alles kalt und tot, und die Welt gestorben. Alles Leben, alle Liebe und alles gute Denken waren wie vom finster brüllenden und tosenden Wind verschlungen, der wie ein gefrässiges Ungeheuer durch die hoffnungslosen, öden und leeren Strassen stürmte. Behaglichkeit und Geselligkeit waren wie für immer von der Erde verschwunden. Befriedigung und Freude schien es von nun an keine mehr geben zu können. Die langen Strassen voll scheusslicher Freudlosigkeit, voll entsetzlicher Leere zogen sich ins Ungeheure, ins Namenlose, ins Unendliche und ins Unfassbare hinaus, und endlos schienen Hoffnungslosigkeit und Lieblosigkeit zu sein. Kein Stern und kein freundlicher Mond waren am Himmel, das Furchtbare und Schreckliche war zur gähnenden Wirklichkeit geworden, und das Gerechte, Gute, Sanfte, ach du grosser Gott im Himmel, war nur noch ein bleicher, müder, nebelhafter Traum, wert, dass man ihn matt belächle. Und die Menschen waren arme, bleiche, kranke, sturmgejagte, ins Entsetzen hineingepeitschte Sklaven. Niemand traute mehr dem Andern. Nachbarliebe und Güte waren verschwunden, verloren, und die Wohnhäuser waren Schreckens- und Entsetzenshäuser, Stätten des erschütternden Hasses und des vernichtenden Mordes. Wild stürmte ich dahin, gejagt und getrieben von wilden Gewissensbissen, von schrecklicher Vorwürfen ungeheuerlich lodernder Feuersbrunst. Alles war verloren, ich hatte keinen einzigen guten Gedanken mehr. Arm und elend war ich, wie nie zuvor. Zerrissen im Innersten war ich, wie nie zuvor. Unglücklich, arm und elend, o, dass ich es noch einmal sage, war ich, wie nie zuvor. Der Sturmwind riss mir den Mantel empor, dass er sich über meinem Kopfe hochauftürmte, und ich glich auf der finstern mitternächtlichen Strasse in all der Finsternis und Düsternis dem fürchterlichen König Richard, dem ewigen Juden und dem Mörder Paricida. Ich war betrogen worden und war wieder selber Betrüger, ich war belogen worden und log wieder selber. Die Menschen hassten mich und ich hasste, verachtete die Hasser und Verächter. Sie hatten mich verraten und an den Verrätern übte ich selber wieder traurigen Verrat. Ein unendliches Sehnen nach Einfachheit, nach reiner Sitte, nach Treue und Liebe, nach Treuherzigkeit und nach Vertrauen, jagte mich umher, bis ich endlich ein trauriges verwahrlostes Armutshaus fand, in das ich eindrang.

Obwohl das Haus einem Schlupfwinkel für Räuber und Verbrecher glich, trat ich dennoch ohne das geringste Zögern und mit guter Zuversicht hinein, denn ich musste mir sagen, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte. Die verhärtete, eisenfeste, hoffnungsarme Seele war auf alles Schreckliche und Hässliche nur zu lang schon gefasst. Nicht von Ferne erwartete ich mehr irgend etwas Gutes und etwas Schönes. Kälte ringsumher und Kälte mitten im eigenen Herzen. Ich stieg das armselige, verwüstete, finstere Treppenhaus empor, auf einem Treppenabsatz kauerte ein armes junges Mädchen, dessen Haar ich mit der Hand streifte. Die Treppe war in ihrer ächzenden, stöhnenden, krachenden Verlottertheit furchtbar, denn mir war es, indem ich sie betrat, als sei sie die letzte aller Treppen, die Treppe, die zur Vernichtung, zur Verzweiflung, zum verzweiflungsvollen Selbstmord führen müsse. Trotzdem stieg ich empor, und ich erinnere mich, dass mir das elende Herz vor Bangigkeit zum Zerspringen klopfte und dass ich nach jedem kleinen Schritt innehielt, um mit angespannter Sorgfalt in all die Leere und in all die grausame kalte Finsternis hinein zu horchen und zu lauschen, aber es bewegte, regte, rührte sich in all der Entlegenheit und Einsamkeit nicht das Mindeste. Alles war totenstill im schrecklichen Haus der Armut. Im Bauche eines schlummernden Ungetümes konnte es nicht lautloser und stiller sein.

Über die Wohnungstüre, an die ich endlich im Dunkel tappte, muss ich noch besonders reden, denn sie war nicht wie irgend eine andere beliebige Türe, sie war offen! Sonst sind Türen sorgfältig verschlossen, ja sogar manchmal oder vielmehr häufig, ängstlich zugeriegelt. Diese Türe hier war nur nachlässig angelehnt, so als verlohne sich in der ganzen Welt in Zukunft infolge überhandnehmender Gleichgültigkeit und Herzlosigkeit keinerlei Treue und behutsame Aufmerksamkeit und Sorgfalt mehr und so, als sei in Zukunft im menschlichen Leben alles, alles gänzlich gleichgültig, und so, als sei alles, alles lebensüberdrüssig, müd, abgestumpft, ruchlos, kalt und gleichgültig, und so, als sei es gleich geworden, ob noch ein Leben vorhanden sei oder ob alles tot, nackt und zerrissen sei, und ferner so, als sei jede feinere, zartere Gemütsbildung ein Ding der Undenkbarkeit und etwas völlig Nebensächliches und Überflüssiges geworden, und zuletzt so, als freute sich die geknickte, zertretene und entmenschte Menschheit gar noch über ihre Verwahrlosung, über ihre Zerstückelung und über die Verwüstung. Wüste hier und Wüste dort, doch das macht nichts. Es ist ja jetzt alles, alles, alles gleichgültig ... So ungefähr redete die wüste, müde, traurige Türe, die ich nicht zu öffnen brauchte, weil sie bereits offen war. Eine solche Türe hindert niemanden, in eine Wohnung einzudringen, und so drang ich denn in den Korridor hinein, Schritt für Schritt, äusserst behutsam und vorsichtig, und bei jedem Schritte fleissig lauschend.

Vorhin die elende, traurige Treppe, dann die Türe, die nicht minder arm und elend war, und jetzt der dumpfe kalte Korridor, der ebenso arm, öd und elend war wie Treppe und Türe, ich selbst angestrengt auf das hervortretende Schrecknis lauschend, auf dessen Erscheinen ich gefasst war, weil ich mir sagte, dass an solchem Ort nichts anderes als Schreckliches zu erwarten sei, mein Dastehen in der entsetzlichen Erwartung dessen, was jetzt kommen musste: Ich darf wohl sagen, dass es einigen Mut brauchte, um den sinkenden, zusammenstürzenden Mut noch einigermassen aufrecht zu halten und in dieser Öde auszuharren, in diese Wüste und Öde weiter einzudringen. Plötzlich jedoch zitterte ein süsser zarter Lichtschein aus einer Ritze mir entgegen, und ich glaubte eine schöne hohe gelinde Liebesmelodie zu vernehmen von weit, weit her und doch auch wieder aus allernächster Nähe. Ich öffnete eine Türe und stiess einen Schrei des Entzückens, der entzückenreichen Überraschung aus. In einem lichten schönen warmen Zimmer oder Gelass sass eine Frau, und ich kannte sie von früheren Zeiten her und jetzt tönte von allen Seiten her frohe Freuden- und Trostmusik. Wie von allen offenen blauen Himmeln herab rauschte und rieselte das goldene, heitere Konzert, und Wälder, Wiesen und Felder schienen mir mit einmal nah, ich sah alle schönen, guten, befriedigenden lieben Farben, und die schöne Frau, die wie ein Engel aussah, lächelte mich freundlich und liebreich an, als sie mich elenden armen Wanderer, Umhergetriebenen erblickte. Alles war plötzlich wieder gut, eine sonnige, wonnige Jugendkraft stürzte über mein Wesen, und ich vergass mit einmal allen Gram, und alles Elend, aller Unglauben waren mit einmal dahin. Ja doch, das war der wunderbare, wenngleich düstere Ort, wo ich die herrliche Verlassene wiederfand, der Ort der Einsamkeit, wo ich die schöne Verlassene wiedersah. Das war sie, die himmlische Ausgestossene, die wunderbare Verfehmte, die himmlisch schöne Einsame und Verlassene. Ich eilte, hinreissendem Antrieb gehorchend und mich zu der schönen Bewegung beglückwünschend, zu ihr hin, zu der Frau, die hier in der Verstossenheit und in der Verfehmtheit hauste und kniete vor ihr nieder, und die Entzückende schaute mich gütig an. – Sie tat nicht fremd. Ich war ihr gut. Ich war ihr recht. Sie zeigte sich über meine Gegenwart erfreut, und das freute mich unendlich.

Die Mörderin.

Es fällt mir ein, dass ich neulich mit einem Landwirt über den Berg ging. Wie wir so von allerlei Dingen plauderten, trat uns auf der Strasse, mitten im hübschen Bergdorf, eine stämmige Frau entgegen. Diese Bauernfrau war mir durch weiter nichts als durch ihre feste kerngesunde Erscheinung aufgefallen. Näher war mir nicht eingefallen, sie zu betrachten. Als die Frau an uns vorübergegangen war, hielt es der Wirt für erlaubt (worin er ganz recht hatte) die ruhige Bemerkung zu machen: »Der Frau, die da soeben an uns vorüberging, haben Sie gewiss nicht angemerkt, dass sie fünfundzwanzig Jahre Zuchthaus hinter sich hat.« Erstaunt fragte ich: »Warum?« Mein Wirt beeilte sich mit Aussagen in keiner Weise. Es verging eine Pause, nach deren Verlauf er sagte: »Sie hat einst ihren Mann totgeschlagen.« Entsetzt erkundigte ich mich nach den näheren Umständen. Wieder schwieg der Landmann, der über den Berg ging, um seine Matten zu beschauen, eine kleine Weile, worauf er mit sonderbarer Behaglichkeit, als sei er ein überlegener Erzähler, und als erzähle er eine halbverschollene Ballade oder Schauergeschichte, Folgendes vorbrachte: »Eines Morgens trat sie mit einer Hacke oder Karst in der Hand in das Schlafzimmer ihres Mannes, der im Bett lag. Als derselbe die Augen aufmachte und sie so sah, fragte er, weil ihn offenbar die Hacke erschreckte: »Was willst du hier im Zimmer mit der Hacke?« Darauf erwiderte die Mörderin: »Das will ich dir eben jetzt zeigen.« Mit diesen furchtbaren, gewissermassen trocken-humoristischen Worten, holte sie zum Schlag aus und schlug ihm den Kopf ein.« Ich bat den Wirt, mir zu sagen, weshalb die Frau eine so grässliche Tat verübt habe. »Es ist nicht bekannt«, antwortete er, »man hat es vergessen. Möglich ist, dass der Mann ein Trinker war, der nicht schaffen wollte und damit seine Ehefrau in die Erbitterung trieb.« Da ihn seine Absichten einen andern Weg als den, den ich verfolgte, gehen hiessen, so verabschiedete er sich, und ich ging allein weiter, indem ich über das Verbrechen noch allerlei stille Betrachtungen anstellte und mich besonders über das gute unbefangene Aussehen der Frau wunderte, die wir so still und ohne alles Auffallen an uns hatten vorbeigehen sehen, als sei sie nicht sie selbst, sondern eine beliebige Andere, nicht eine Mörderin, sondern irgend eine wackere rechtschaffene fleissige Frau. »Erstaunliche Kraft muss jedenfalls in ihr liegen«, dachte ich, »eine Untat und fünfundzwanzig Jahre Zuchthaus und von allem dem nicht das geringste Kennzeichen zu offenbaren: Welche Summe von Unbeugsamkeit.« –

Die Brüder.

Darf ich dich, o du Guter, leise und gewiss ganz zaghaft an die Zeit erinnern, wo wir Beide, du als beginnender schaffender Maler und ich als heimlich beginnender angehender Poet, uns mit unserer jugendlich anstrebenden Kunstburschen- oder Kunstlehrlingschaft und was alles hübsch damit zusammenhing, zu S.... aufhielten? Meines Wissens schrieb und schickte ich dir, bevor ich in Person bei dir anlangte und auftauchte, ein ziemlich langes Sehnsuchts- und Freundschaftsgedicht, das du empfingest und mit Genuss lasest. Himmlisch dünkt mich das, wenn ich daran denke, obgleich es natürlich zum Lachen ist. Göttlich schön und gross ist es, junge Wangen und junge Lebensanschauungen zu haben, ein unaussprechliches Sehnen nach dem Leben zu empfinden und achtzehn Jahre alt zu sein, denn ungefähr so alt waren wir damals beide. Herrlich kamen mir die Residenzstadt S.... und du selbst vor; du warest in den Augen des frischen Ankömmlings nichts geringeres als ein imposanter Haupt- und Weltstädter. O wie sind jugendliche Unwissenheit und Unerfahrenheit schön! Was Gutes und Schönes erwirbt man denn eigentlich mit der Erfahrung? Sehr viel Wertvolles sicher nicht. Du geleitetest mich freundlich durch die Strassen in eine gewisse Gerbergasse hinein und dann hinein in die berühmte und sicher uns allen beiden unvergessliche Herberge zur Heimat, wo wir gemeinsam ein Zelt aufschlugen oder mit andern Worten eine Stube bezogen, um gemeinschaftlich darin zu wohnen und zu hausen, was sicher nur unser Vorteil und nicht unser Nachteil war. Entzückend, so schwöre und behaupte ich, sind erste kühne Künstler-Flugversuche, die mit öfteren Abstürzen verbunden sind. Aber ist das Hüte aus dem Fenster hinaus- und auf Passanten in die Strasse herabwerfen nicht vielleicht noch fast schöner als alles Malen, Musizieren und Dichten? Waren wir nicht im Hutwerfen erlesene erste Meister und wahre dämonische Virtuosen, und sah sich der gute freundliche Wirt oder Herbergsvater nicht genötigt, uns vor Fortsetzungen des reizenden Unfuges väterlich zu warnen? Ach es ist vielleicht, von einem gewissen Gesichtspunkt aus gesehen, hundert-, wenn nicht gar tausendmal schöner, seinen oder seines Bruders Hut aus dem Fenster fliegen und wirbeln zu lassen, damit Vorübergehende unten staunen, als ein vollendetes Gedicht zu schreiben, damit das liebe Publikum staune. Gab es nicht in unserer Kunststube eines schönen Tages einen überraschenden Hofpredigerbesuch, über den wir Beide einen Monat lang lachten? Ich stand gerade nackt da, dir als Modell zu einem Cäsars Leichnam beweinenden Markus Antonius dienend, als die Türe des Studier- und Aktzimmers unerwarteterweise aufging und dicht und urplötzlich vor uns strebenden armen Sündern wer stand? Der Herr Hofpfarrer. »O Gott, was muss ich mit meinen Augen erblicken? Was geht hier vor?« rief er aus und trat unverzüglich den Rückzug an, der in wilde Flucht ausartete. Wie gab uns das Entsetzen des guten Herrn, der künstlerischen Übungen offenbar fremd gegenüberstand, zu lachen. Lebten wir zwei Jünger und Brüder, Neulinge, Anfänglinge und Novizen nicht wie auf einer reizenden Freundschafts- und Verbrüderungsinsel, auf der alles gut und schön und sorglos ist, wo in ununterbrochenem freundlichem Gelispel und Gesäusel und in einem fortwährenden süssen Frieden die lebendigen Geschöpfe sich des zutrauenreichen, gütigen Daseins erfreuen, Himmel und Erde und Kreatur zusammengewachsen sind, und wo der Mensch so harmlos und gutherzig wächst und hinlebt vom Tag in die Nacht und von der Nacht in den Tag hinein wie die duftenden Blumen, die Pflanzen und die treuen guten Bäume. Wateten wir nicht ganze schöne Sonntage und sonstige Tage lang im üppig-grünen Landschaftsgras und in der göttlich weichen, träumerischen Mai-Landschaft umher, um dann da und dort unter blühenden Apfel- und Birnenbäumen vom Streifen und »Landschaften«, vom schwierigen Malen und Versemachen köstlich auszuruhen, wobei wir oft einzuschlummern geruhten wie Grafen und Fürsten, um später wieder zu erwachen wie Prinzen? Wir lasen noch nicht Verlaine, aber wir lasen dafür doch Heinrich Heine und Uhland, und die mundeten und schmeckten uns nicht schlecht. War nicht auch das freie gliedererfrischende Baden im Neckar herrlich und beglückte uns nicht in Dorfgasthäusern der Genuss von Birnenmost? Wenn wir vom kühnen Ausmarsch grässlich staubig und hungrig wieder in unsere Herberge zurückkamen, so bestellten wir ja bekanntlich jeweilen je einen Rostbraten mit gemischtem Salat für die Wanderer und Herren Gebrüder, worüber die ganze Stube höchlich staunte. Soupieren und dinieren grosse und reiche Herren reicher und besser als wir Zwei damals? Das finde ich sehr fraglich, denn für uns war der Rostbraten ein Götterschmaus nach trefflich überstandenen Wanderanstrengungen. Wie ist es schön, arm und jung und unbekannt zu sein. Wie gerne gäbe mancher Schwerberühmte seinen Ruhm und all sein Ansehen für einen Achtel oder auch nur Achtzigstel, für einen Drittel oder Dreissigstel des Jugendzustandes her. Die Jungen sehnen sich nach Ehre, Ruhm, Erfolg und Ansehen, aber die Berühmten und die Mächtigen sehnen sich wieder in das arme wilde Jugendsehnen und in das heisse beglückende Ringen mit der Existenz zurück. Der Erfolg macht nicht glücklich, aber es muss ja eine Arbeit und ein Streben auf dieser armen, widerspruchsvollen Erde sein. Es muss ja einen Ruhm und einen Reichtum geben, aber Ruhm und Reichtum vermögen nur niedrige und flache Seelen zu beglücken. Es muss auf dieser Erde ein ewiges Auf und Ab und eine ewige Niebefriedigung sein. Ist nicht auch dir, ganz so wie mir, die Gestalt der gütigen, liebenswürdigen Opernsängerin B... in Erinnerung geblieben, die die hohe Freundlichkeit hatte, uns zwei doch sicher ziemlich arme Teufel, wahre Muster und Vorbilder an Unbeachtetheit, zu einem graziösen schöngeistigen Tee huldreich einzuladen? Sprangen und liefen wir nicht eine Zeitlang fast allabendlich mittels uns vom gnädigen und freigebigen Freiherrn-Intendanten gütig verabreichten und freundlich gegönnten Freikarten in das schimmernde Hoftheater, wo wir unter zahlreichen andern reichen Stehparterregenüssen den Genuss hatten, die Eysoldt als zierliche Desdemona und den kraftvollen Matkowsky als dieselbe im Sturm der Mohreneifersucht tötenden und abmordenden Othello zu sehen, und gab es für uns etwas Höheres und Schöneres als das? Nicht von ferne! Und die dürren oder gedörrten Zwetschgen, die wie unglückliche arme Ertrunkene auf dem Mittagstisch im Teller voll Wasser schwammen, könnte es denkbar sein, dass du sie vergessen hättest oder dass du sie je würdest vergessen können? Ebenso des knorrigen Betknechtes und -Bruders Knoop schrille Andachtstimme und Worte? Was vermöchtest du mir entgegenzustellen, wenn ich auf die Tribüne der Beredsamkeit stiege und laut sagte, dass nach dem Gefühl derjenigen, die vermöge einer erreichten Altersstufe in das abendsonnen- und morgensonnenbeschienene Land der Vergangenheit blicken, vergangene schöne Stunden ein Heiligtum seien? Ergreift nicht dich auch Rührung bei dem Gedanken an das fröhliche Frühe, an das heitere Einst?

Schüler und Lehrer.

Ein Lehrer, den seine Schüler um seines lebhaften Wesens willen hochachteten und lieb hatten, ertappte eines Tages in der Stunde einen von denselben bei einer Schlingelei, worüber er ausserordentlich zornig wurde. Der Schüler, der das Unglück hatte, seines Lehrers Unmut in so hohem Mass auf sich zu lenken, war bis dahin der Lieblingsschüler des Mannes gewesen, den er unvorsichtigerweise tief gekränkt hatte, aber von nun an war er in des Lehrers Augen ein Abscheuling, den derselbe Tag für Tag vor der ganzen Klasse grausam herabsetzte und erbärmlich verprügelte, eine Behandlung, die der Erzürnte dem armen Jungen versprach pünktlich und getreulich fortzusetzen. Zweifellos hatte der Lehrer einen persönlichen Hass auf ihn geworfen, und der Erwachsene ging hierin dem Kleinen gegenüber zu weit. Der Knabe, der sich so urplötzlich aus dem weichen Sitz des Wohlwollens auf die harte Bank der Ungnade herabgeworfen und sich so unvermutetermassen vom gepriesenen Schüler in einen notorischen Bösewicht verwandelt sah, wusste sich nicht zu helfen. Nachdem er indessen durch Wochen so tapfer als er vermochte, das traurige Los eines gesunkenen Bevorzugten und die damit verbundene grausame und verachtungsvolle Behandlung ertragen hatte, griff er eines Tages, vom Bedürfnis gedrängt, eine Veränderung der schier unerträglichen Lage herbeizuführen, zur Feder und schrieb an seinen grimmigen Verfolger und Peiniger Folgendes: »Ich kann mich, da ich meinen lieben Eltern kein Geständnis machen darf, weil ich ihnen nicht zu den vielen Sorgen, die sie haben, noch eine neue bereiten will, an niemand anderes als an Sie selber wenden, um zu versuchen, ob es mir möglich sei, wieder einige Gunst von Ihnen zu erlangen. Vielleicht wird dieser Brief Sie veranlassen, aufzuhören, mich mit Schmach zu bedecken. Da ich, wie ich bereits sagte, meinen Eltern mein Leid nicht klagen kann, so klage ich es Ihnen. Da ich diejenigen nicht bitten will, mich in Schutz zu nehmen, die mich lieben, so trage ich die Bitte dem vor, der mich hasst und an mir seinen Zorn auslässt. Also bitte ich den um Schutz, dem ich schutzlos preisgegeben zu sein scheine und ersuche den um Schonung, der, weil er sich durch mein Betragen beleidigt fühlt, schonungslos mit mir verfährt. Ich habe den Mut, wie Sie sehen, dem mein Leid zu klagen, der es mir zufügt und dem meinen Schmerz anzuvertrauen, der ihn verursacht. An der Schule habe ich keine Freude mehr.« Der Lehrer, dem der Inhalt des Briefes allerlei zu betrachten und zu bedenken gab, verhielt sich gegenüber dem Schüler von da an wieder milder.

Sohn und Mutter.

Ein liebes, gutes Mütterchen, wahrhaftig: ich meine, man sollte ihr ein Denkmal errichten! führte durch fleissige Sparsamkeit und durch nächtelanges, emsiges Nähen die schöne Möglichkeit herbei, dass ihr Sohn, den sie fast wie einen Abgott liebte, die hohe Schule besuchen und sich dadurch die beste Bildung erwerben konnte. Merke dir, lieber aufmerksamer Leser, was nun geschah. Der grosse Sohn, Gegenstand der mütterlichen Aufopferung, blitzendes Juwel und köstlicher Edelstein von Sohn, machte freilich mit der Zeit so grosse Fortschritte, dass er in jungen Jahren schon hoch hinaufkletterte und es zu einer Stellung brachte, die ihm nicht nur erlaubte, die ihn vielmehr geradezu nötigte, sich aufzublasen, hochmütiges Wesen kalt und nachlässig zur Schau zu tragen und den grossen Herrn zu spielen, als welcher er sich rasch über seine arme bescheidene Herkunft hinwegsetzen lernte. Vorzüglich dickes, fettes und hochangesehenes Tier, wie man so sagt, fühlte er sich über alle kleinen engen Nöte des täglichen Lebens erhaben, und mit der stets höher und höher steigenden Wertschätzung der eigenen werten und wichtigen Person vergass er den mütterlichen Menschen. Das arme gute Mütterchen! Ei, die soll doch nur hübsch brav in ihrem Sorgen- und Dachstübchen stillsitzen, denn derlei Personen kann man ja unmöglich in die feine Gesellschaft einführen. In der hohen Atmosphäre und in den glänzenden Verhältnissen, in denen Emporkömmlinge leben, redet bekanntlich niemand ein Wörtchen über Kindesdankbarkeit und -Liebe. Von schwüler, genussreicher Liebe wird dort wohl gesprochen, aber über schlichte Liebe zuckt man bestenfalles mitleidig die stolze Achsel. Wenn wir nun auch den Fall setzen und annehmen, dass der grosse Sohn sein Mütterchen einmal habe besuchen wollen, so müssen wir doch sogleich bedenken, dass ein solcher Besuch unmöglich war, weil der Vortreffliche ja für den Eintritt in die Armutstube durch den engen ärmlichen Rahmen der bescheidenen Stubentüre viel zu breit und breitspurig, viel zu dick und zu geschwollen, viel zu stolz und zu reich war. Für den Stolz und für den Hochmut gibt es Palast- und hohe breite Salontüren. Mehr zu sagen, ist wohl überflüssig, und man wird schon verstehen, wie ich es meine. Der Weg zum Mütterchen und damit zur menschlichen Bescheidenheit war und blieb dem Parvenü versperrt, wegen des Rahmens und wegen der kleinlichen Verhältnisse, in die er sich wieder zu schicken gehabt hätte. Vielleicht erlaubt man mir die freilich scheinbar etwas gefühlvolle Bemerkung, dass ich grosse Lust hätte, zu sagen, ich wolle vor dem lieben alten Mütterchen niederknien und dass es mich fast hinreissen möchte, das Geld, das die Mutter für den stolzen Tölpel in mühseliger Nachtarbeit zusammenrackerte, ehrfürchtig zu küssen. Der Tölpel mag nur immerhin mit Seinesgleichen spazieren gehen, wo es ihm beliebt. Vor ihm und Seinesgleichen beuge ich mich nicht, und ich werde für ihn und Seinesgleichen weder eine Artigkeit, noch irgend eine Achtung übrig haben.

Die böse Frau.

Eine Frau, die eines Tages, so wie die Dinge lagen, den Traum, den sie sich von ihrem Leben machen zu dürfen gemeint hatte, begraben musste, weinte ganze lange Tage und Wochen lang über den Verlust desselben. Als sie aber endlich ihren Schmerz ausgeweint hatte, war sie, fast zu ihrem eigenen Erstaunen, eine böse Frau geworden, die von nun an kein so lebhaftes Bedürfnis mehr wie dieses hatte, andere Frauen recht bestürzt, verlegen und niedergeschlagen zu sehen, indem sie sie unglücklich zu machen versuchte. Sie fing mehr und mehr an, jedes fröhliche weibliche Gesicht zu hassen, weil sie sich durch jede glückliche Miene gekränkt und beleidigt fühlte. Es drängte sie, gegen jederlei Vergnügen, das sie erblickte, Ränke und Bosheitspläne zu schmieden, da jeder heitere Anblick ihr weh zu tun schien. Darf ein unglücklicher Mensch es im Menschenhass so weit treiben? Nun und nimmer! muss entschieden geantwortet werden. Die durch vielerlei Leid, durch gescheitertes Streben nach Lebensglück verdorbene böse Frau machte es sich zur traurigen Aufgabe, junge Mädchen mit jungen Männern geschickt zusammenzuführen, sie gegenseitig aufeinander aufmerksam zu machen, sie enger und enger zusammen zu befreunden und, wenn dann die holde Freundschaft ihr reif zu sein schien, dieselbe durch listige Verrätereien, rohe Künste, grausame Verleumdung und Verwirrung, wieder zu zerreissen. Der Anblick einer weinenden verratenen Angehörigen ihres Geschlechts tat ihr dann wohl und war für sie ein Genuss. So und ähnlich trieb sie es ziemlich lange, währenddessen die um ihre Freude und ihre Zufriedenheit betrogenen Mädchen sie für eine edle und feine Frau hielten. Nach und nach aber merkte jedermann, wie böse sie sei, und sobald die Leute sich hierüber Gewissheit verschafft hatten, so wurde die gefährliche Gesellschaft fortan sorgfältig vermieden, derart, dass die böse Frau bald keinerlei Gelegenheit mehr erhielt, Unglück anzustiften, Böses zu tun und Unfrieden und Unbehagen zu verbreiten.

Berta.

Berta arbeitet als fleissige Angestellte im Kontor einer Fabrik. Ihr Vorgesetzter, ein allerdings leider Gottes schon etwas ältlicher Herr, sehr galant natürlich, spielt, so ist mir neulich zufälliger Weise zu Ohren gekommen, da er den Tag über mit ihr in Berührung kommt, den Liebhaber bei ihr. Einmal tut er, als sei er verliebt in sie bis über die Ohren und ein anderes mal wieder gebärdet er sich wie der gestrenge Herr und Meister und behandelt das ganz gewiss nette Mädchen mit ausgesuchter Kälte. Ist das nicht entweder ein Schlaukopf oder aber einer, der nicht weiss, was er will. Heute ist er ein Verehrer und morgen ist er ein Verächter des weiblichen Geschlechtes, je nachdem es ihm zu passen scheint. Gewiss steht dieser Herr keineswegs in seiner Art einzig da, es gibt ihrer mehr, die es genau so oder ähnlich machen. Zu der und der Stunde möchte er sie vor lauter Verliebtheit auf den Händen tragen, ihr vielleicht gar die Hand kniefällig küssen; zu einer andern Zeit hingegen scheint er sich besonnen zu haben und alsdann kommt sie ihm nicht anders als ein armes Tröpfchen vor, das nicht wert ist, auch nur flüchtig mit einiger Freundlichkeit und Achtsamkeit betrachtet zu werden. O, so ein Schurke, so ein Hauptkerl! Bald ist er Herr, und bald ist er Diener bei ihr, bald schnauzt und knurrt er sie mit groben Vorgesetztentönen an; bald bettelt er mit flehender Miene und Stimme wieder um Gnade, ganz je nachdem er geruht, aufgelegt zu sein. Sollte es nicht als Verdienst und als wichtige Aufgabe gelten, dass jemand, der diese Art von Arbeit über sich zu nehmen entschlossen wäre, dem wetterwendischen Halunken einen gehörigen Puff gäbe. Gewiss sind hunderte von Menschen ganz meiner Meinung, wenn ich sage, dass der Spitzbube zehntausend Rippenstösse verdiente. Geht auf Verehrersfüssen und gleichzeitig noch auf andern Füssen. Ist er etwa ein Vierfüsser? Ich weiss es nicht genau. So viel aber weiss ich, dass ich nächstens Berta raten werde, alles aufzubieten, damit sie sich den launenhaften Mann unterjoche. Teufel noch einmal, so einer sollte mir, wenn ich Frau wäre, parieren!

Die Wurst.

An was denke ich? An eine Wurst denke ich. Es ist schrecklich. Jünglinge, Männer, die ihr dem Staate dient, auf die der Staat seine Hoffnung setzt, betrachtet mich sorgsam und nehmt an mir ein abschreckendes Exempel, denn ich bin tief gesunken. Ich vermag mich vom Gedanken nicht loszureissen, dass ich soeben noch eine Wurst besass, die nun für immer dahin ist. Ich zog sie aus dem Kleiderschrank hervor, und bei dieser Gelegenheit ass ich sie. Mit offenbar nur allzu aufrichtigem Behagen habe ich verzehrt, was noch vorhanden sein könnte, wenn ich es nicht vertilgt hätte. Vor wenigen Minuten war die beste saftigste Wurst noch leibhaftig da, doch jetzt ist durch leider nur allzu voreiliges Verzehren die wohlschmeckendste Wurst verschwunden, worüber ich untröstlich bin. Was soeben noch da war, ist fort und niemand bringt es mir jemals wieder. Ich ass, was ich nimmermehr so schnell hätte essen, was ich mir lieber nimmermehr so eilig hätte schmecken lassen sollen. Ich habe aufgegessen, was mir noch jetzt schmecken könnte, wenn ich der Begierde widerstanden hätte. Ich beklage tief, dass ich der Begierde nicht widerstanden habe und dass ich verbraucht habe, was vor wenigen Minuten noch frisch und rot zu meiner Verfügung stand, was aber nun und nimmermehr zu meiner Verfügung stehen wird, weil ich es voreilig verbrauchte. Ich habe Gebrauch gemacht, wovon ich noch jetzt Gebrauch machen könnte, wenn nicht vorgefallen wäre, was vorgefallen ist und was nicht wieder gut zu machen ist. Was dahin ist, könnte noch ruhig und friedlich da sein, und was auf Nimmerwiedersehen verloren gegangen ist, könnte Appetit erwecken, doch das Appetit Erweckende ist dahin, und das beklage ich ehrlich, obschon ich einsehe, dass alles Klagen wenig oder gar nichts nützt. Was angetastet wurde, könnte unangetastet, was gegessen wurde, könnte unaufgegessen, was weggeschnappt wurde, könnte unaufgeschnappt sein, wenn ich vorsichtiger und enthaltsamer gewesen wäre, aber leider war ich weder enthaltsam noch vorsichtig, und das bedaure ich tief, obschon ich einsehe, dass Klage und Reue wenig oder gar nichts nützen. Was verschwunden ist, könnte vorhanden sein und was tot ist, könnte fröhlich leben. Was grausam zerbissen und zerstückt wurde, könnte ganz sein, aber es ist leider zerstückt, da hilft keine Klage. Was nicht mehr dient, könnte die besten Dienste leisten, und was weg und fort ist, würde mich noch jetzt mit seiner schönen Gegenwart erfreuen, wenn ich das Beklagenswerte nicht getan hätte, was ich mit leider nur zu viel Grund bedaure. Was, wie gesagt, fort ist, brauchte, wie gesagt, nicht bereits abhanden gekommen zu sein, wenn ich widerstandsfähiger und stärker gewesen wäre und bösen Neigungen entsagt hätte. Schlimme Begierden, ihr habt mich meiner Wurst beraubt. Ich habe gekostet, was als Kost noch fernerhin zu kosten wäre, wenn ich es ungekostet und ungenossen liegen gelassen hätte, worüber ich, wie ich bereits mehrfach sagte, trostlos bin, was ich nur immer wiederholen kann. Ich brachte mir eine Schlappe durch Probieren einer nur zu vorzüglichen Kost bei, die nun ausgekostet und ausprobiert ist, weil ich nicht enthaltsam gewesen bin, was ich bereue. Reue nützt nichts; sie macht den Wurst-Verlust eher grösser als kleiner, ich will daher versuchen, auf Reue zu verzichten, was aber jedenfalls sehr schwer ist, weil die Ursache, reuig zu sein, stark und gross ist. Ich habe mir eine Niederlage zugezogen, weil ich nicht aufgespart habe, was ich unbedingt hätte aufbewahren und in Acht nehmen sollen, was ich aber leider nicht in Acht nahm, obschon ich es kaum glaube, da ich immer des Glaubens war, dass ich stark und widerstandsfähig sei, worin ich mich aber scheinbar irrte, was mich schmerzt, obschon, wie gesagt, Reue offenbar gar nichts nützt. O, diese Wurst, ich schwöre, sie war herrlich. Wunderbar geräuchert war sie, und mit entzückenden Speckmocken war sie gespickt, und eine durchaus stattliche, annehmbare Länge hatte sie, und einen Duft hatte sie, so milde, so bestrickend, und eine Farbe hatte sie, so rot, so zart, und gekracht hatte sie, als ich sie zerbiss, ich höre noch jetzt beständig, wie sie krachte, und saftig war sie, etwas Saftigeres habe ich in meinem ganzen Leben nie gegessen, und dieses Saftige und Schmackhafte könnte noch jetzt schmackhaft und saftig sein, das Rote und Zarte noch jetzt rot und zart, das Wohlriechende noch jetzt wohlriechend, das Vorzügliche und Appetitliche noch jetzt vorzüglich und appetitlich, das Längliche und Runde noch jetzt rund und länglich, das Geräucherte noch jetzt geräuchert und das Speckgespickte noch jetzt mit Speck gespickt, wenn ich Geduld gehabt hätte. Ich könnte es noch jetzt krachen hören, wenn ich es nicht schon krachen gemacht hätte, und zu beissen gäbe es noch jetzt, was ich leider allzu schnell zerbiss.

Der Junggeselle.

Letzthin, beim Mittagessen, sagte mir mein täglicher Tischgenosse, der Herr Doktor G..., dass er soeben auf gewisse Art und Weise seinen liebsten Freund verloren habe. Auf meine Frage, wie das gekommen sei, antwortete und erzählte er, dass er soeben die Einladung zu seines Freundes Hochzeitsfeier erhalten habe, und er fügte mit gewissermassen traurig verschleierter Stimme bei, dass er mir eigentlich nichts weiter mehr zu sagen brauche, da damit schon alles gesagt sei. Er lächelte sein eigentümliches, sehr feines und gescheites Lächeln und machte eine kleine Pause, während deren er bestimmte aufdringliche Gedanken verdrängen zu wollen schien. Ich kannte den Doktor G... als eine zarte und, wie ich sagen möchte, empfindsame und poetische Natur. Er ist ausserordentlich gebildet und dazu ausserordentlich ungeschickt, weswegen ich ihn sehr hoch achte und sehr gern habe. An gewandten Leuten bemerkt man stets irgend etwas Gemeines. Doktor G... liest die Memoiren des Herzogs von Saint Simon und er begeistert sich für die majestätische Gestalt Ludwigs des Vierzehnten. Er schwärmt für Alexander den Grossen, und er findet den Emporkömmling Napoleon unerträglich. Die Frauen schätzen ihn, wie ich längst gemerkt habe, ziemlich gering, weil er nicht den Eindruck eines energischen Mannes macht. Ich dagegen, der ich ein Mann bin, finde ihn beachtenswert, weil er eine weiche Seele ist, und ich schätze ihn höher als zweitausend Energische, denn die Energie ist durch die Verbreitung von Büchern wie z. B. das Buch: »Wie werde ich energisch« ganz gemein geworden. Nachdem er, wie gesagt, eine Weile geschwiegen hatte, gestand er mir, dass er sich fast fürchte, bei der Hochzeit seines Freundes zugegen zu sein, dass er nichtsdestoweniger selbstverständlich der Einladung folgen werde, die ihm peinlich sei, weil er so wenig Ursache habe, sich über das Ereignis zu freuen. Er komme sich wie aus einer traulichen warmen Stube auf die kalte Strasse hinausgestellt vor, und er habe sich weniger auf eine Lustbarkeit als auf den Umstand gefasst zu machen, dass er auf unerfreuliche Weise mit seinem Innern werde kämpfen müssen. Er fühle sich so arm wie noch nie, es sei ihm zu Mut, als habe ihm irgend jemand einen rücksichtslosen Stoss versetzt, wodurch er sich in das traurige Bewusstsein geworfen sehe, das ihm sage, dass er sehr einsam geworden sei. Im übrigen sei ihm das alles sehr klar, und er verstehe alles sehr gut, weil sich alles ganz von selbst verstehe. »Alter, trockener Junggeselle«, murmelte er vor sich hin, und ich sah deutlich, wie seine Augen mit einmal voll Tränen waren. Ich muss gestehen, dass ich mich tüchtig über seine Trauer lustig machte, und ich gebe gern zu, dass das nicht sehr zart war.

Zahnschmerzen.

Ich erinnere mich, dass ich einmal eine Zeitlang heftige Zahnschmerzen hatte. Um die Qualen zu betäuben, lief ich ins Feld hinaus und brüllte dort wie König Lear. Zu Hause beliebte es mir, gegen die Wand zu rennen und im Grimm einige wertvolle Stühle aus der Biedermeierzeit zu zerschlagen, aber das Zahnweh hörte deswegen keineswegs auf, vielmehr wurde das Übel von Stunde zu Stunde ärger. Des Nachts weckten die Schauderszenen, die ich veranstaltete, sämtliche Hausbewohner, es war ein Skandal. Der häufige Genuss von feinstem Cognac half wenig. Ich versetzte mir Hiebe ins Gesicht, ähnlich wie Sancho Panza, als er den Verlust seines Esels wahrnahm. Einmal brachte ich mir mit einem Messer eine allerdings glücklicherweise durchaus nicht lebensgefährliche Wunde bei, aber diese grobe Massnahme besserte an meinem Zustand nicht das Geringste, sondern schien die Folter nur noch zu verstärken. Endlich ging ich zum Zahnarzt, und zwar der lieben Billigkeit halber in eine zahntechnische Klinik, wo ich mich mit Vergnügen zu Studienzwecken hergab. Mein Mund wurde von der Hand eines Lehrfräuleins sorgfältig untersucht und hierauf begannen die Operationen. Ich darf wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass ich Vieles sanft über mich ergehen liess und dass ich Allerlei mit starker Fassung hinnahm. Manches ertrug ich geduldig, doch von Zeit zu Zeit fand ich es für angebracht, einen ziemlich lauten Schrei auszustossen, was ich absichtlich tat, denn dadurch erreichte ich, dass der Meister herbeisprang, um mit seinem meisterlichen Können helfend einzugreifen, was für mich keine unerhebliche Wohltat war. In solchen Fällen zürnte mir freilich das Fräulein, und sie fand, dass es sehr unartig von mir sei, so starkes Geräusch zu verursachen. Ich erlaubte mir, ihr zu sagen, dass ich noch öfters schreien wolle, sobald man mir überflüssige Pein zufüge. Das sei gar nicht hübsch von mir, so zu reden, gab sie zurück. Ich kam nach und nach in einen ganz fröhlichen Verkehr mit ihr und einmal hatte sie den Einfall, mich zu fragen, was ich sei. Ich sei etwas wie Schriftsteller, erwiderte ich bescheiden. Sie rief laut in die zahnärztliche Stube hinaus: »Ich habe einen Schriftsteller,« worauf sämtliche Herren und Damen, darunter auch der Meister, herbeigeeilt kamen, um den eigenartigen Patienten behaglich zu betrachten. Ich wurde einer genauen Besichtigung unterworfen. »Wenn Sie Schriftsteller sind,« sagte der Meister, »dann sind Sie sicher einer von den ärmern, einer von denen, die ihr Leben lang erfolglos bleiben, denn das sieht man Ihnen deutlich an.« Ich musste über die feine Bemerkung lachen und erwiderte: »Ich bin allerdings arm und an Erfolglosigkeit hat es mir bis heute nie gefehlt, aber das Leben kann auch ohne Erfolg hübsch sein. Wenn ich nur wieder gesunde und schöne Zähne habe, was ich lebhaft hoffe, so springe ich herum, wie ein Hirsch und bin fröhlicher als mancher sogenannte Glückspilz.«

Der andere Junggeselle.

Ein anderer Junggeselle, einer der hartnäckigsten, die es je gab, ein Frauenfeind erster Güte und doch wieder absolut kein Frauenfeind, sondern ein ganz netter, artiger Mensch, der keinem weiblichen Wesen nur ein Haar krümmte, tat seine Sache, erfüllte auf das Eifrigste seine Obliegenheiten und war ehrlich, solid und lebensfröhlich. Das aber war es ja gerade, das Schurkische, nämlich, dass er fröhlich war, denn es gab Leute, die das unverzeihlich fanden. Es gab ehrenwerte und nette Leute, die der Meinung waren, dass der gute Junggeselle verpflichtet sei, sich unglücklich zu fühlen. Das war er jedoch keineswegs, sondern er lebte, wie gesagt, ganz vergnügt dahin und von Verzweifeln wegen seines Junggesellentums war bei ihm keine Spur. Der Junggeselle ahnte, dass er einige nette und achtenswerte Leute mit seiner Vergnügtheit und Zufriedenheit beleidige, und dass seine heitere unbefangene Existenz für diejenigen fast ein Ärgernis sei, die lebhaft wünschten, dass der Junggeselle an seinem Junggesellenwesen zerschelle. Allerlei nette und achtenswerte Leute trafen allerlei gefährliche kriegerische Vorkehrungen, um dem Unhold sanft oder unsanft auf den Leib zu rücken, ihm das edle Gleichgewicht zu rauben, die Seele zu erschüttern, den guten Glauben an sich selbst zu untergraben und seine Charakterfestigkeit zu nichte zu machen. Zahlreiche, wohlvorbereitete Angriffe wurden ins Werk gesetzt, um des Junggesellen zähes Selbstbewusstsein zu zerschmettern, doch es wurde nichts erreicht, denn der Schreckliche blieb unerschütterlich. Unerhörte Leckerbissen wurden der grausamen Bestie mit wir möchten sagen vollendeter Kunst vorgeworfen, aber das Ungeheuer verzichtete mit diebischem Vergnügen auf alle dargebotenen Genüsse, recht wohl wissend, dass es die liebliche Kost mit dem Verlust von Freiheit und Unabhängigkeit bezahlen müsse. Fallstricke wurden gelegt, Schlingen und Angeln säuberlich und appetitlich dargehalten, Fallgruben vorbereitet, schön mit Höflichkeiten und Artigkeiten zugedeckt, Netze wurden ausgestreckt, doch der Junggeselle fiel nicht in die Falle und stürzte nicht in die Grube, ging nicht in die Schlinge und rannte nicht ins Netz. Eine Dame, die sich besonders Mühe gegeben hatte, unsern guten und muntern Junggesellen zu entjunggesellen, schrieb ihm eines Tages voll Unmut und Ungnade: »Wissen Sie, dass Sie sehr unhöflich sind? Wissen Sie, dass es scharmante Leute gibt, die berechtigt sind, von Ihnen zu sagen, dass mit Ihnen nichts anzufangen sei? Wissen Sie, dass man allgemein über Ihr Betragen, das sehr absonderlich ist, die Achsel zuckt und den Kopf schüttelt? Man glaubte sich einreden zu dürfen, dass Sie unglücklich seien, nun sind Sie aber scheinbar ganz glücklich und vergnügt. Statt herzlich froh zu sein, dass reizende und nette Leute Sie aus dem Kerker des Junggesellenstandes zu erlösen versuchten, spötteln und lächeln Sie wohl gar noch! Das ist nicht fein, leben Sie wohl. Ich überlasse Sie der Menge von Vorwürfen, die Sie sich zu machen haben. Ihr Betragen muss von niemand anderem so aufrichtig bedauert werden, wie von Ihnen selber.« – »Gnädige Frau«, schrieb der standhafte Junggeselle anmutig und manierlich zurück: »Ich vermag nicht einzusehen, wie ich mir irgend einen Vorwurf zu machen hätte. Gnädige Frau werden mir gütig erlauben, zu bemerken, dass ich mir unmöglich einreden darf, es habe irgend jemand an der rein menschlichen Verfassung, die ich vergegenwärtige, ein Interesse. Ich beklage die sehr unangenehme und bedauerliche Tatsache, dass sich nette und scharmante Leute meinethalb umsonst angestrengt haben; verantwortlich kann ich mich jedoch hiefür ganz unmöglich fühlen. Ich bin so frei, Sie daran zu erinnern, dass ich als Mann von einiger Bildung entschlossen sein muss, zu denken, ich sei fähig, für mein Wohlergehen jederzeit selber zu sorgen.«

Schwendimann.

Einmal war ein sonderbarer Mann. Hallo, hallo, was denn für ein sonderbarer Mann? Wie alt war er, und woher kam er? Das weiss ich nicht. So kannst du mir vielleicht sagen, wie er hiess? Er hiess Schwendimann. Aha, Schwendimann! Gut, sehr gut, très bien, très bien. Fahre also fort, wenn es dir gefällt und sage uns: was wollte denn der Schwendimann? Was er wollte? Hm, das wusste er wohl selber nicht recht. Er wollte nicht viel, aber er wollte etwas Rechtes. Was suchte, nach was forschte Schwendimann? Er suchte nicht viel, aber er suchte etwas Rechtes. Zerfahren, verloren in weiter Welt war er. So, so? Verloren? Aha, zerfahren! Grosser Gott, wo hinaus soll es denn mit dem armen Mann? Ins Nichts, ins All oder in was sonst? Bange Frage! Alle Leute schauten ihn fragend an, und er die Leute. O wie ängstlich, wie kläglich! Er ging so dahin, matt und schwerfällig, mit wankenden unsicheren Schritten, und die Schulkinder liefen ihm mutwillig nach und neckten und fragten ihn: »Was suchst du, Schwendimann?« Er suchte nicht viel, aber er suchte das Rechte. Mit der Zeit hoffte er das Rechte schon zu finden. »Das wird sich finden«, murmelte er in seinen zerzausten schwarzen Bart. Schwendimanns Bart war ganz struppig. So, so? Struppig? Sessa! Voilà! Ausgezeichnet. In der Tat! Hochinteressant! Mit eins und so stand er vor dem Rathaus. »Mir ist weder zu helfen noch zu raten«, sagte er, und da er seines Wissens im Rathaus nicht das geringste zu suchen hatte, so ging er sachte weiter und kam vor das Armenhaus. »Ich bin wohl arm, aber ich gehöre nicht ins Armenhaus«, dachte er und ging fleissig weiter, und nach einer Weile kam er unvermutet vor das Spritzenhaus. »Es brennt nirgends!« machte er und ging mürrisch weiter. Einige Schritte weiter kam das Pfandhaus. »Ich habe in Gottes weiter Welt nichts zu pfänden«, und eine kleine Strecke weiter das Badhaus. »Ich brauche nicht zu baden!« Als er nach einiger Zeit vor das Schulhaus kam, sagte er: »Die Zeiten, wo ich zur Schule gegangen bin, sind vorüber«, und ging leise weiter, indem er den sonderbaren Kopf schüttelte. »Mit der Zeit komme ich schon vor das rechte Haus«, sagte er. Nicht lange und so stand Meister Schwendimann vor einem grossen, finstern Gebäude. Es war das Zuchthaus. »Ich verdiene nicht Strafe, ich verdiene etwas Anderes«, sprach er dunkel vor sich hin und marschierte weiter und gelangte bald vor ein anderes Haus, nämlich vor das Krankenhaus, wo er sagte: »Ich bin nicht krank, ich bin anders. Ich habe keine Krankenpflege nötig, ich habe etwas ganz Anderes nötig.« Schwankend ging er weiter, heller, heiterer Tag war's, die Sonne blitzte und die hübschen Strassen waren voll Leute, und das Wetter war so säuberlich, so freundlich, aber Schwendimann achtete nicht auf das schöne Wetter. Da kam er vor das Elternhaus, vor das liebe Haus der Kindheit, vor sein Geburtshaus. »Ich möchte wohl wieder ein Kind sein und Eltern haben, aber die Eltern sind gestorben und die Kindheit kommt nicht wieder zurück.« Zögernd mit bedächtigen Schritten ging er weiter und sah das Ballhaus und nachher das Kaufhaus. Vor dem Tanzhaus sagte er: »Ich mag nicht tanzen«, und vor dem Kaufhaus: »Ich kaufe und verkaufe nichts.« Da wurde es allmählich Abend. Wohin gehörte denn eigentlich Schwendimann? Ins Arbeitshaus? Er hatte keine Lust mehr, zu arbeiten. Oder ins Freudenhaus? »Lust und Freude sind mir vergangen.« Nicht lange ging es und so stand er vor dem Gerichtshaus, und da sagte er: »Ich brauche keinen Richter, ich brauche etwas Anderes.« Vor dem Schlachthaus meinte er: »Ich bin kein Schlächter.« Im Pfarrhaus hatte er seines Bedünkens nichts zu schaffen, und im Schauspielhaus haben Leute wie Schwendimann kaum etwas zu suchen, auch ins Konzerthaus treten solche Leute nicht. Still und mechanisch ging er weiter, vermochte kaum die Augen offen zu behalten, so müde war er. Es war ihm, als schlafe er, als marschiere er im Schlafe. Wann kommst du wohl vor das rechte Haus, Schwendimann? – Geduld, das wird sich finden. Er kam vor ein Trauerhaus. »Ich bin wohl traurig, aber ich gehöre nicht ins Trauerhaus« und ging weiter; kam vor das Gotteshaus und ging wortlos weiter und kam vor ein Gasthaus, wo er sprach: »Ich bin kein guter Gast, und niemand sieht mich gern,« und ging seinen Weg weiter. Endlich, nach beschwerlicher Wanderung, nachdem es schon dunkel geworden war, kam er vor das rechte Haus, und sobald er es sah, sagte er: »Endlich habe ich gefunden, was ich suche. Hier hinein gehöre ich.« Ein Gerippe stand an der Türe, er fragte: »Darf ich wohl hier eintreten, um auszuruhen?« Das Gerippe grinste auf das freundlichste und sagte: »Guten Abend, Schwendimann. Ich kenne dich wohl. Komm nur herein. Du bist willkommen.« Er trat in das Haus hinein, das am Ende jeder findet, und wo nicht nur für ihn, sondern für Alle Platz vorhanden ist, und wie er hineingekommen war, sank er um und war tot, denn er war ins Totenhaus gekommen, und hier hatte er Ruhe.

Ich habe nichts.

Sorglos und heiter, wie nur ein rechter Habenichts sein kann, wanderte eines Tages durch das schöne grüne Land ein guter Bursche mit einer dummen Nase. An Busch und Baum, an Haus und Hof vorbei, durch Wald und Feld ging er vergnügt, leicht, froh und nett dahin, und weil er ein so gutmütiges Gesicht hatte, so grüssten ihn alle Leute überaus freundlich, und das war natürlich dem Burschen nichts als recht. Er war aber auch einer, der es mit allen Geschöpfen, sei's Mensch, sei's Tier, herzlich gut meinte, und hold gesinnt war er der ganzen Welt, und das sahen ihm die Leute an, die ja immer sogleich alles von Weitem merken. Ehrbar und leise sagte er jedermann sein: Guten Abend, denn der schöne Edelknabe Abend schlich mit Goldhänden und Goldaugen bereits zwischen den Häusern und Bäumen herum, und aus nah und fern tönte der Klang der Glocken. Wie nun der Bursche an einer Wiese vorbeiging, streckte ihm ein Kälbchen seinen Kopf dar und gab ihm zu verstehen, dass es etwas von ihm haben wolle. Oder vielleicht wollte es Freundschaft mit ihm schliessen, ihm etwas sagen, ihm etwas von seinem Kälbchenleben erzählen. »Ich habe nichts, du gutes Tier. Gern gäbe ich dir etwas, wenn ich etwas hätte,« sagte der Bursche und ging weiter, aber im Weitergehen musste er immerfort an das Kälbchen denken, das etwas von ihm haben wollte. Etwas später ging er an einem prächtigen Bauernhaus vorbei, das am Waldrand lag. Da rannte mit lautem Gebell ein grosser Hund gegen ihn los, dass er ganz ängstlich wurde. Aber die Ängstlichkeit war überflüssig; der Hund sprang wohl hoch an ihm auf, aber nicht zornig, sondern freundlich, und das Gebell war die deutliche Kundgebung der Freude, und die gute Bäuerin hätte nicht nötig gehabt, dem Tier von weit her zuzurufen, es solle nicht Leute so unmanierlich anfallen. »Was willst du von mir, du gutes Tier? Ich sehe wohl, dass du etwas von mir haben möchtest, aber ich habe leider Gottes nichts. Gerne gäbe ich dir etwas, wenn ich etwas hätte,« sagte der Bursche, den der grosse Hund in den Buchenwald hineinbegleitete, als wolle er Freundschaft mit ihm schliessen und ihm von seinem Tierdasein allerlei erzählen. Als indessen der Hund sah, dass sein Freund weiter und weiter ging, hielt er mit Begleiten inne und kehrte wieder zum Bauernhaus und zu seiner Pflicht zurück, und der Bursche wanderte weiter, aber im Weiterwandern musste er immerfort an den Hund denken, der sich so zutraulich an ihn anschloss und der gewiss etwas von ihm haben wollte. Nach einer guten Weile, unten im Tale, traf der Bursche auf der schönen breiten Landstrasse eine Ziege an, die, als sie ihn sah, sogleich auf ihn zukam und sich ihm freundlich zugesellte, wie wenn sie ein freundschaftsbedürftiger Mensch wäre und ihm Vielerlei aus ihrem armen Ziegenleben hätte anvertrauen wollen. »Du möchtest wohl etwas von mir haben, aber ich habe nichts. Gerne gäbe ich dir etwas, wenn ich etwas hätte, du gutes Tier,« sagte er voll Mitleid und ging weiter, aber im Weitergehen musste er immerfort an die Tiere denken, die etwas von ihm haben wollten, an die Ziege, an den Hund und an das Kälbchen, die da Freundschaft mit ihm hatten schliessen und ihm von ihrem stummen, geduldigen, dumpfen Dasein hatten erzählen wollen, die keine Sprache haben und nicht reden können, die zum Nutzen der Menschen gefangen und geknechtet in der Welt stehen, denen er gut war, wie auch sie ihm wieder gut waren, die er von Herzen gern mit sich genommen hätte, die ihn vielleicht gerne weithin begleitet hätten, die er gerne aus dem engen armen Tierreich in eine freiere, bessere Existenz hätte hinüberziehen helfen mögen. »Aber ich bin ja nichts, kann ja nichts, habe in Gottes Namen nichts, und in dieser weiten grossen Welt bin ich nur ein armer, schwacher, machtloser Mensch,« sprach er, und wie er die Welt so schön sah, und wie er so an die Tiere dachte, und daran, dass er und alle seine Freunde, Menschen und Tiere, so hilflos seien, konnte er unmöglich weitergehen. Er legte sich, unweit von der Strasse, in die Wiese, um sich satt zu weinen, so ein dummer Bursche!

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Herausgegeben von
KONRAD FALKE

Raschers Jahrbuch I

Volksausgabe. Preis broschiert Fr. 3.50, gebunden Fr. 4.80

Aus dem Inhalt: CHARLOT STRASSER, Das Tanzfest im Kamesseh, Erinnerungen aus Japan (mit Abbildungen) - CARL FRIEDRICH WIEGAND, Trauermarsch (Gedicht) - ROBERT FAESI, Alfred Kerrs Theaterkritik - ADOLF FREY, Bergaufenthalt (Gedicht) - DOMINIK MÜLLER, Feliza (Novelle) - OSCAR WETTSTEIN, Bundespolitik - JOSEF VICTOR WIDMANN, Berner Geschichtli (3 Gedichte) - HANS SCHULER, Die Förderung des schweizer. Aussenhandels - CARL ALBERT LOOSLI, Der Hubbauer (Novelle) - JULIUS FREY, Die finanzielle Kriegsbereitschaft der Schweiz - ALFR. HUGGENBERGER, Das Höflein (Gedicht) - OTTO KOLLBRUNNER, Paraffinprothesen - GOTTFRIED BOHNENBLUST, Weltensturm (Gedicht) - MARIA WASER, Künstlerische Handschrift (mit Abbild.) - HANS MÜHLESTEIN, Wieder klar (Gedicht) - EDUARD FUETER, Eine natürliche Weltsprache - EMANUEL VON BODMANN, Herbstlicher Garten (Gedicht) - CARL ALBRECHT BERNOULLI, Nietzsches Lou-Erlebnis - MAX GEILINGER, Überraschung (Gedicht) - CARL FRIEDRICH WIEGAND, Detlev von Liliencron - HERMANN HESSE, Trauer (Gedicht) - HECTOR G. PRECONI, Die Legende von Gabriele d'Annunzio - CHARLOT STRASSER, Hochzeitscarmen (Gedicht) - etc. etc.


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KONRAD FALKE

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Herausgegeben von
KONRAD FALKE

Raschers Jahrbuch
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I. Romane, Novellen und Essays.

BARBAT, J., Nietzsche, Tendances et Problèmes Fr. 7.—
BILLETER, Goethe's Wilhelm Meister's theatral. Sendung 2.—
DICKENS, CHARLES, Weihnachtsabend. Ein Prachtband mit farbigen und schwarzen Illustrationen von Arthur Rackham, zirka 13.35
ENDERLIN, FRITZ, Adolf Frey, Ein Kunsterlebnis 1.80
ESCHER, Dr. KONRAD, Kunst, Krieg und Krieger zur Geschichte der Kriegsdarstellungen. Ein Prachtband mit 20 Bildertafeln, gebunden zirka 6.70
FALKE, KONRAD, Drei Essays 1.—
FALKE, KONRAD, Kainz als Hamlet, Ein Abend im Theater, gebunden 6.—
FALKE, KONRAD, Wenn wir Toten erwachen, Ein Beitrag zur Kenntnis Ibsens 1.—
FALKE, KONRAD, San Salvatore, Novelle, gebunden 3.60
FAESI, ROBERT, Carl Spitteler, Eine Darstellung seiner dichterischen Persönlichkeit 1.70
FEDERER, HEINRICH, Der Herrgott und der Schweizer, Legende —.70
FEHR, Apostolo Zeno und seine Reform des Operntextes 4.65
FESTSCHRIFT der Philologentage in Zürich, broschiert 6.—
gebunden 7.—
GANZ, HANS, Peter das Kind, gebunden 4.—
GOLDSCHMIDT, Dr. HUGO, Die Musikaesthetik des 18. Jahrhunderts 12.—
GRIEDER, AD., Die Seide 2.—
HUNZIKER, Dr. FRITZ, Glattfelden und Gottfried Kellers grüner Heinrich 4.—
JAHRBUCH für Kunst und Kunstpflege in der Schweiz, hrsg. von Prof. Dr. Paul Ganz, illustriert, gebunden 8.70
KESSER, HERM., Unteroffizier Hartmann, Novelle, mit einem Originalholzschnitt von Ernst Würtenberger 2.—
MAEDER, Dr. ALPHONSE, Ferdinand Hodler. Eine Skizze der seelischen Entwicklung des Künstlers und seine Bedeutung für die schweizerisch-nationale Kultur, mit 8 ganzseitigen Illustrationen 2.70
MARKUS, Dr., Geschichte der schweizerischen Zeitungspresse zur Zeit der Helvetik 1798–1803 10.—
MESSLENY, Prof. Dr. R., Genfer Maler, Heft I, illustriert 1.50
SCHWEIZER. NOVELLEN- UND SKIZZENBUCH mit Beiträgen von Jakob Bosshart, Konrad Falke, Heinrich Federer, Charles Gos, Charlot Strasser, R. von Tavel, Robert Walser und Marie Waser, gebunden 5.35
ODERMATT, ESTHER, Die Seppe, Eine Geschichte aus Unterwalden, gebunden 3.80
RASCHER'S JAHRBUCH für Schweizer Art und Kunst, Bd. I, Volksausgabe, gebunden 4.80
RASCHER'S JAHRBUCH für Schweizer Art und Kunst, Bd. II und III, von Konrad Falke, gebunden je 6.70
RASCHER'S JAHRBUCH für Schweizer Art und Kunst, Bd. IV: Schweizer. Novellen- und Skizzenbuch, geb. 5.—
RUDOLF, Dr. DORA, Konrad Meyer 3.—
SIEBEL, JOHANNA, Odendahls, Roman in 1 Band gebunden 4.50
STEIGER, Dr. A., Spittelers Sprachkunst —.80
VALLOTTON, BENJAMIN, Familie Profit, Roman, deutsch von S. Fischer, gebunden 5.35

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Schriften für Schweizer Art und Kunst

Unter diesem Titel veröffentlicht der unterzeichnete Verlag eine Sammlung von Schriften in Broschüren- oder Buchform, in welcher vor allem nationale Fragen, die in der jetzigen Zeit das grösste Interesse beanspruchen, behandelt werden. Doch sollen auch rechtswissenschaftliche, nationalökonomische, philosophische, geschichtliche und literarisch-künstlerische Abhandlungen, Novellen und Gedichte in dieselbe aufgenommen werden, sofern ihnen allgemein schweizerische Bedeutung zukommt. Für die einzelnen Hefte ist kein einheitlicher Preis festgesetzt, damit nicht der Verfasser an einen bestimmten Umfang der Schrift gebunden ist. Die Redaktion der Sammlung übernimmt der Verleger, ohne jedoch zum Inhalt der einzelnen Broschüren Stellung zu nehmen.

Heft 1 KONRAD FALKE, Der schweizerische Kulturwille. Ein Wort an die Gebildeten des Landes. Fr. 1.—
2 CARL SPITTELER, Unser Schweizer Standpunkt. Vortrag, gehalten in der Neuen Helvet. Gesellschaft, Gruppe Zürich. 60 Cts.
3 Dr. EUGEN GROSSMANN, Professor der Finanzwissenschaft an der Universität Zürich, Die Deckung der schweizerischen Mobilisationskosten. 80 Cts.
4 OSKAR HÖHN, Ingenieur, Ratschläge zur Berufswahl. Eine nationale Frage, 60 Cts., billige Volksausgabe 30 Cts.
5 J. C. BLUNTSCHLI, Die schweizerische Nationalität. Eine politische Studie, 60 Cts.
6 Professor Dr. LAUR, Industrie und Landwirtschaft.
7 Dr. C. A. SCHMID, Internationale Armenfürsorge. Eine nationale Frage, 50 Cts.
8 Professor Dr. LAUR, Die Wehrkraft des Schweizervolkes und der Bauernstand. 60 Cts.
9 Dr. HANS TÖNDURY, Professor an der Universität Genf, Wirtschaftliche Unabhängigkeit, 60 Cts.
10 Dr. ERNST GAGLIARDI, Die Entstehung der schweizerischen Neutralität, 60 Cts.
11/13 Dr. ROBERT FAESI, Carl Spitteler, eine Darstellung seiner dichterischen Persönlichkeit, Fr. 1.70.
14/15 Professor Dr. M. GROSSMANN, Nationale Forderungen an die schweizerische Mittelschule. Fr. 1.—
16/17 KONRAD FALKE, Das demokratische Ideal und unsere nationale Erziehung. Fr. 1.—
18/19 Dr. C. A. SCHMID, Unsere Fremdenfrage, Fr. 1.20.
20 ED. BOOS-JEGHER, Unsere Absatzverhältnisse, 80 Cts.
21/23 HELVETICUS, Die Schweizer. Bahnen, Posten und Telegraphen, Fr. 2.—.
24/25 Dr. ROBERT DURRER, Kriegsbetrachtungen, Fr. 1.—.
26/27 RAPPARD, Professor an der Universität Genf, Zur nationalen Verständigung, Fr. 1.—.
28 KELLER, ADOLF, Pfarrer, Von der innern Erneuerung, 60 Cts.
29 HUBER, Prof. Dr. Max, Der schweiz. Staatsgedanke, 40 Cts.
30 FEDERER, Heinrich, Unser Herrgott u. der Schweizer, 70 Cts.
31/34 MAEDER, Dr. ALPHONSE, Ferdinand Hodler. Eine Skizze der seelischen Entwicklung des Künstlers und seine Bedeutung für die schweizerisch-nationale Kultur, mit 8 ganzseitigen Illustrationen, ca. Fr. 2.—
35 KARL SCHEURER u. Prof. Dr. LUCIEN GAUTIER, Pflicht und Wille - Devoir et VolontéZofinger Stimmen - Paroles Zofingiens, 80 Cts.
36/37 Dr. HEINRICH FLACH, Professor am kantonalen Lehrerseminar in Küsnacht-Zürich, Die Bestrebungen der Helvetischen Gesellschaft des XVIII. Jahrh. Fr. 1.20.
38 STOCKER O., Sekretär für Lehrstellenvermittlung in Basel, Erfahrungen in der Berufsberatung, 60 Cts.
39/40 Dr. C. BENZIGER-Bern, Schweiz. Verkehrsprobleme, Fr. 1.
41/42 Dr. ERNST RÜST, Professor an der kant. Handelsschule in Zürich, Eine schweizerische Versuchsstätte und Beratungsstelle für Industrie und Gewerbe, ca. Fr. 1.20.
43 Lieut. OSCAR BOSSHARDT, Stabssekretär des Generals, Durchhalten! Schweizerpflichten – Soldatenpflichten. 60 Cts.
44/45 GOTTFR. KELLER, Der Landvogt von Greifensee, kart. ca. Fr. 1.—, in Geschenkband ca. Fr. 2.—
46 R. VON TAVEL, D'Glogge vo Nüechterswyl, kart. ca. Fr. —.80, in Geschenkband ca. Fr. 1.60
47/48 KONRAD FALKE, Der Marienmaler, kart. ca. Fr. —.80, in Geschenkband ca. Fr. 1.60
49 CHARLOT STRASSER, In Völker zerrissen, kart. ca. Fr. —.80, in Geschenkband ca. Fr. 1.60
50 JAKOB BOSSHART, Das Erbteil, kart. ca. Fr. —.80, in Geschenkband ca. Fr. 1.60
51/52 HELVETICUS, Aktuelle Fragen des Schweizerischen Gewerbestandes, ca. Fr. 1.20
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55 ROBERT WALSER, Prosastücke, mit Umschlagzeichnung von Karl Walser, kart. ca. Fr. —.80, in Geschenkband ca. Fr. 1.60
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58 MARIA WASER, Das Jätvreni, kart. ca. Fr. —.80, in Geschenkband ca. Fr. 1.60

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Spittelers Sprachkunst

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Dr. phil. A. STEIGER, Professor an der Kantonsschule in Zürich. Preis 80 Cts.


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Die heutigen Ereignisse vom Standpunkte der romanischen Schweiz. 60 Cts.


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