Title: Die Luftschiffahrt der Gegenwart
Author: Hermann Hoernes
Release date: April 10, 2013 [eBook #42489]
Most recently updated: October 23, 2024
Language: German
Credits: Produced by Peter Becker, Odessa Paige Turner and the
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DIE
LUFTSCHIFFAHRT
DER
GEGENWART.
Von
Hauptmann HERMANN HOERNES.
MIT EINER TAFEL UND 161 ABBILDUNGEN.
WIEN, PEST, LEIPZIG.
A. HARTLEBEN'S VERLAG.
1903.
ALLE AUTOREN-RECHTE, INSBESONDERE DAS RECHT DER ÜBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN VORBEHALTEN.
DRUCK VON FRIEDRICH JASPER IN WIEN.
Nimmt man verschiedene Zeitungsblätter zur Hand, so stößt man fast jeden Tag auf irgend eine Notiz aëronautischen Inhaltes. Betrifft diese »sportliche Fahrten mit Ballons« oder Berichte über »lenkbare Ballons«, »Flugmaschinen« oder »simultane Ballonfahrten« u. dgl. m., stets wird dem Leser zugemutet, auf einem Gebiete bewandert zu sein, das, nach Ansicht des Laien, eigentlich noch gar keine Berechtigung hat, das Tagesgespräch zu bilden, ist doch dem Menschen die Beherrschung des Luftozeans noch immer nicht gelungen! Die rege Beteiligung der Presse an einem Schmerzenskinde der Menschheit läßt uns aber erkennen, wie tief das Interesse an der Sache der Luftschiffahrt trotzdem allenthalben ist.
Es äußert sich nicht nur in der Beteiligung an den zahlreichen Luftschiffer-Vereinen und Aëro-Klubs, an den Auffahrten und wissenschaftlichen Untersuchungen etc., sondern wird auch bestätigt durch die zahlreichen, stets wiederkehrenden Projekte, Anfragen und Nachrichten aus dem Laien-Publikum. Die Erfahrung lehrt, wie schwierig es solchen Personen, welche nicht fachmännisch gebildet sind, wird, aus dem großen Wuste der widersprechendsten Nachrichten sich zurecht zu finden.
Es war daher meine Absicht, in einer allgemein verständlichen Weise den Umfang und das Wesen der aëronautischen Bestrebungen der letzten Jahre zu erläutern, den Leser mit den hervorragenderen Leistungen auf dem Gebiete des sogenannten Kunstfahrens bekannt zu machen und ihn in weiterer Folge über die Bestrebungen der Aëronautik (Ballontechnik) und Aviatik (Flugtechnik) der allerletzten Jahre zu informieren.
Von einer Behandlung der Militär-Aëronautik wurde abgesehen, weil sie später in einer eigenen Schrift erörtert werden soll.
Eine rein theoretische Behandlung des Stoffes schien demnach von vorneherein ausgeschlossen.
Die vorliegende Schrift wendet sich somit nicht so sehr an die Fach-Aëronauten, obwohl sie auch diesen, wegen der darin enthaltenen Übersichtlichkeit des Stoffes und als Nachschlagebehelf nicht unwillkommen sein dürfte, sondern an den großen Kreis jener, welche den Bestrebungen der Luftschiffahrt überhaupt sympathisch gegenüberstehen.
Entschieden hat bis jetzt ein in deutscher Sprache abgefaßtes Werk, welches die vielen Gebiete der Luftschiffahrt in einer auch dem Laien verständlichen Weise erörtert, gefehlt. Diese Lücke soll durch die Herausgabe dieses Buches nach Möglichkeit ausgefüllt werden.
Als hauptsächlichste Quellen wurden benützt: vor allen die »Illustrierten, aëronautischen Mitteilungen«, dann die »Zeitschrift für Luftschiffahrt«, »Velo«, »l'Auto-Velo«, »Allgemeine Sportzeitung«, »l'Aérophile«, »Aeronautics«, »The Aeronautical Annual« und meine eigenen Schriften.
Der sehr rührigen Verlagsbuchhandlung danke ich bestens für ihre warme Unterstützung.
So möge denn dieses Werk hinaus in alle Welten wandern und dem Leser verkünden, was die Luftschiffer treiben, wie sie den Gelehrten nützen und was die Flugtechniker arbeiten, um einst dem entzückten, nimmer ruhenden Menschen freibestimmend das Antlitz der Erde aus dem Reiche der Lüfte zu zeigen.
Korneuburg.
DER VERFASSER.
I. Kapitel. | ||
Vorbegriffe. | ||
Seite | ||
1. Die Luft | 1 | |
2. Der Wind | 2 | |
3. Der Luftwiderstand | 3 | |
A) Allgemeines | 3 | |
B) Experimente | 5 | |
C) Resultate | 6 | |
D) Folgerungen aus dem Luftwiderstandsgesetze | 7 | |
4. Motoren | 8 | |
5. Luftschrauben | 14 | |
6. Materialien | 18 | |
II. Kapitel. | ||
Interessante Fahrten mit Kugelballons. | ||
1. Einleitendes | 21 | |
2. Zielfahrten | 22 | |
3. Hochfahrten | 26 | |
4. Weitfahrten | 35 | |
5. Dauerfahrten | 43 | |
6. Fahrten bei Windstille | 49 | |
III. Kapitel. | ||
Besonders interessante Ballonfahrten. | ||
1. Die Andréesche Nordpol-Ballonexpedition | 50 | |
2. Ballonfahrten über die Alpen | 63 | |
3. Bersons Hochfahrt in England | 68 | |
4. Graf de la Vaulx' Fahrt über das Mittelländische Meer | 74 | |
5. Fahrt über die Sahara | 82 | |
6. Fahrt über den Großen Ozean | 83 | |
7. Jagd nach dem Ballon | 86 | |
IV. Kapitel. | ||
Meteorologische Ballonfahrten. | ||
1. Einleitendes | 90 | |
2. Beobachtungen vom Fesselballon aus | 91 | |
[S. viii] | ||
3. Registrierballons (Ballons sondés) | 94 | |
4. Die Instrumentenfrage | 101 | |
5. Simultane Ballonfahrten | 107 | |
V. Kapitel. | ||
Der lenkbare Luftballon. | ||
1. Einleitendes | 116 | |
2. Wesen und Theorie des lenkbaren Ballons | 125 | |
3. Parallelballons | 130 | |
4. Überlastete Ballons | 133 | |
5. Die lenkbaren Ballons von Zeppelin, Severo, Dumont etc. | 136 | |
6. Neueste Ballonprojekte | 145 | |
7. Schlußwort zu den lenkbaren Ballons | 150 | |
VI. Kapitel. | ||
Drachen. | ||
1. Einleitendes | 154 | |
2. Verschiedene Drachenkonstruktionen | 155 | |
Eddy-Drache | 155 | |
Hargrave-Drache | 158 | |
Lamson-Drache | 162 | |
Zimmermann-Drache | 166 | |
Russische Drachen | 167 | |
Nickelscher Drache | 167 | |
Kabel und Kabelwinde | 171 | |
3. Drachenaufstiege | 172 | |
4. Drachen-Observatorien | 176 | |
5. Drachenaufstiege mit Menschen | 176 | |
VII. Kapitel. | ||
Der persönliche Kunstflug. | ||
1. Lilienthals Versuche | 174 | |
2. Der Leiterdrache | 181 | |
3. Die vielflügelige Gleitmaschine | 184 | |
4. Die Doppelflächen-Gleitmaschine | 194 | |
5. Die Doppeldeck-Gleitmaschine | 198 | |
6. Wrights Grundsätze für den Gleitflug | 199 | |
7. Weitere Entwicklung des persönlichen Kunstfluges | 201 | |
[S. ix] | ||
VIII. Kapitel. | ||
Flugmaschinen. | ||
1. Allgemeines | 203 | |
2. Drachenflieger | 208 | |
Die Kreßschen Drachenflieger | 228 | |
3. Schraubenflieger | 237 | |
4. Schaufelradflieger | 240 | |
5. Segelradflieger | 244 | |
6. Flügelflieger | 246 | |
Schlußwort | 250 | |
Sachregister | 256 |
Figur | Seite | |
1 | Friedrich Ritter von Loessl, der bis jetzt erfolgreichste Experimentator auf dem Gebiete des Luftwiderstandes | 5 |
2 | Der Röhrenkessel von Maxims Drachenflieger | 9 |
3 | Hiram Maxim, seinen leichten, 170 pferdestarken Dampfmotor hebend | 10 |
4 | Herrings leichter Motor für Flugmaschinen | 12 |
5 | Santos-Dumont, den Buchet-Motor seines Ballons betrachtend | 13 |
6 | Schrauben- und Drachenfliegermodell von Hargrave | 16 |
7 | Blick in die aëronautische Werkstatt von Lachambre in Vaugirard | 18 |
8 | Schematische Skizze des Wasserstofferzeugungs-Apparates von Tissandier | 20 |
9 | und 10, Plaquette für die Sieger der aëronautischen Wettflüge in Paris 1900. Besitzer Graf Henry de la Vaulx | 22 |
11 | Auffahrt im Park von Vincennes. Abfahrt des Herrn Nirolleau | 25 |
12 | Ballonfüllung im aëronautischen Park von Vincennes am 24. Juni 1900, 8 Uhr früh | 28 |
13 | Gefüllte Ballons zum Aufstiege bereit im aëronautischen Park von Vincennes, am 24. Juni 1900, 3 Uhr nachmittags | 29 |
14 | Gaston Tissandier, berühmter französischer, aëronautischer Schriftsteller | 30 |
15 | Gefüllte Kugelballons im aëronautischen Park von Vincennes zur Hochfahrt bereit | 32 |
16 | Dr. Süring erreichte am 31. Juli 1901 mit Berson zusammen die bis jetzt größte erstiegene Höhe von 10.500 m | 34 |
17 | Ansicht der Encinte von Paris mit der Ballonhalle und einem gefüllten Ballon im Park von Vincennes aus einer Höhe von etwa 600 m | 36 |
18 | Blick aus 200 m Höhe von einem auffahrenden Ballon aus auf dem Auffahrtsplatz, wo noch acht gefüllte Ballons zur Fahrt bereit stehen | 40 |
19 | Bilder der berühmtesten, französischen Kugelballons-Luftschiffer der Gegenwart und zwar von links nach rechts: Graf Castillon de St. Victor, Hervieu, Balsan, Faure, Graf de la Vaulx, Juchmès, Maison | 44 |
20 | Halbgefüllte Ballons im aëronautischen Park von Vincennes am 17. Juni 1900, 9 Uhr früh | 46 |
[S. xi] | ||
21 | Füllung der Ballons im aërostatischen Park zu Vincennes am 17. Juni 1900, 9 Uhr früh | 47 |
22 | Andrée, der Führer der ersten Luftballon-Nordpolexpedition | 52 |
23 | Fränkel, Teilnehmer an der Andrée-Expedition | 53 |
24 | Strindberg, Teilnehmer an der Andrée-Expedition | 54 |
25 | Niels Ekholm, ist von der Andréeschen Luftballon-Nordpolexpedition zurückgetreten | 56 |
26 | Ballonhalle mit gefülltem Ballon im Viragohafen | 57 |
27 | Viragohafen mit Umgebung. Auffahrtsstelle der Andrée-Expedition | 59 |
28 | Der Ballonkorb des Andréeschen Ballons | 60 |
29 | Der Ballon »Wega« zur Abfahrt über die Alpen bereitgestellt | 63 |
30 | Blick vom Ballon »Wega« aus einer Höhe von 4100 m bei seiner Fahrt über die Alpen 1899 auf die Rhonetalgletscher | 65 |
31 | Blick vom Ballon »Wega« aus auf den Genfer See und dessen Umgebung | 66 |
32 | Spelterinis Auffahrt vom Rigi aus | 67 |
33 | Ballonauffahrt von Turin aus | 68 |
34 | Porträt von Berson | 70 |
35 | Gefüllter Ballon an Bord eines französischen Schiffes | 75 |
36 | Die Ausrüstung des Ballonkorbes des »Méditerranéen Nr. I«, am Vorabend der Auffahrt | 77 |
37 | Der »Méditerranéen« auf seiner Fahrt über dem Mittelländischen Meere | 79 |
38 | Weg einiger Ballons über den Ärmel-Kanal | 84 |
39 | Fallschirmballon von Louis Capazza | 88 |
40 | Ballon mit Drachenflächen | 92 |
41 | Drachenballon aus der Ballonfabrik A. Riedinger in Augsburg auf der Jubiläums-Ausstellung in Wien. Konstruktion von Parseval und Bartsch von Sigsfeld | 93 |
42 | Wilfrid de Fonvielle, berühmter, aëronautischer Schriftsteller | 95 |
43 | Instrument zum Messen der Temperatur in großen Höhen (Thermophore) | 102 |
44 | Enveloppe meteorologischer Instrumente für Ballons sondées | 103 |
45 | Instrument zum Messen des Luftdruckes in großen Höhen (Barograph) | 104 |
46 | Enveloppe meteorologischer Instrumente für Ballons sondées | 105 |
47 | Originalkurven von den selbstregistrierenden Instrumenten vom 19. September 1897 aufgenommen | 106 |
48 | Major Moedebeck | 111 |
49 | Hauptmann Groß | 112 |
50 | Henry Giffard, der Erbauer des ersten »lenkbaren Dampf-Luftballons« (1852) | 116 |
[S. xii] | ||
51 | Drei berühmte, französische Ballon-Konstrukteure (Dupuy de Lôme, Renard, Krebs) | 117 |
52 | Porträt von Charles Renard | 118 |
53 | Renard-Krebsscher Ballon vom Jahre 1884, erreichte 6 m Geschwindigkeit pro Sekunde und kam unter sieben Fahrten fünfmal wieder auf seinen Auffahrtsplatz zurück | 119 |
54 | Die Gondel des »lenkbaren Ballons« Schwarz von vorne gesehen | 120 |
55 | Die Gondel des »lenkbaren Ballons« Schwarz von rückwärts gesehen | 122 |
56 | Graf von Zeppelin | 123 |
57 | Das Luftschiff des Grafen von Zeppelin in der Luft | 124 |
58 | Querschnitt durch die schwimmende Ballonhalle des Grafen von Zeppelin mit ausziehbarem Floß, auf dem der Ballon montiert war | 125 |
59 | Verschiedene Typen »lenkbarer Ballons«, und zwar: 1. sphäroidaler Ballon von Giffard mit Tragstange, 2. zylindrischer Ballon von Haenlein, 3. fischförmiger Ballon von Renard-Krebs | 126 |
60 | Lenkbarer Ballon von Campbell aus dem Jahre 1889 | 127 |
61 | Lenkbarer Ballon von Debayeux | 128 |
62 | Der Doppelballon von Rozé | 131 |
63 | Blick in den Zwischenraum des »lenkbaren Ballons« Rozé | 132 |
64 | Santos-Dumont, der Gewinner des Deutsch-Preises | 137 |
65 | Santos-Dumont auf seiner Fahrt zum Eiffelturm | 138 |
66 | Santos-Dumont in seinem Ballontraggerüste des Ballons Nr. 5, aus seiner Ballonhalle im Aëro-Klub ausfahrend | 139 |
67 | Landung des »Santos-Dumont« Nr. 2 im Jardin d'Acclimation in Paris, am 18. März 1899 | 141 |
68 | Aufstieg des lenkbaren Ballons von Santos-Dumont | 142 |
69 | Santos-Dumonts lenkbarer Ballon Nr. 5 auf der Fahrt über dem Bois de Boulogne | 143 |
70 | Lenkbarer Ballon von Santos-Dumont von unten gesehen | 144 |
71 | Der Ballon von Santos-Dumont in der Bucht von Monte Carlo manövrierend | 145 |
72 | Lenkbarer Ballon »Bartolomeu de Gusmão« von Severo | 146 |
73 | Severo | 147 |
74 | Generelle Längs- und Querschnitte von Severos Ballon »Pax« | 148 |
75 | Deutsch de la Meurthe | 149 |
76 | L'Hoste, französischer Luftschiffer, welcher den Kanal La Manche mehrmals mit seinem Ballon überflogen hat | 150 |
77 | Schematische Skizze von L'Hostes »Lenkbarem Ballon« | 151 |
78 | Lenkbarer Ballon Cuyer | 151 |
79 | P. J. Janssen, Direktor des physikalisch-aëronautischen Observatoriums zu Meudon | 152 |
[S. xiii] | ||
80 | Eddy-Drache, wie er von Baden-Powell zum Aufheben von Menschen Verwendung findet | 156 |
81 | Dom- oder Haubendrache | 158 |
82 | Hargrave-Drache | 158 |
83 | Hargrave-Drache | 159 |
84 | Hargrave-Drache | 159 |
85 | Hargrave Zellen-Drache | 159 |
86 | Hargrave-Drache | 160 |
87 | Zwei Hargrave-Drachen neuesten Modells | 161 |
88 | Hargrave-Drache | 162 |
89 | Chanutes System von gewölbten Schachteldrachen | 162 |
90 | Vielzelliger Drache von Lecornu | 163 |
91 | Hargrave, australischer Flugtechniker | 164 |
92 | Lamsons Multiple Folding-Drache | 165 |
93 | Lamsonscher Drache | 165 |
94 | Lamsonscher Drache in der Luft | 166 |
95 | Seitenansicht von Zimmermanns Drachen | 166 |
96 | Russischer Drache | 167 |
97 | Nickels Registrier-Drache. Ansicht von unten | 168 |
98 | Vorbereitungen zum Aufstieg vom Nickelschen Drachen | 169 |
99 | Der Nickelsche Drache im Aufsteigen begriffen. Links vor dem Drachen steht Offizial Hugo Nickel | 171 |
100 | Kurven, welche von an Drachen befestigten Apparaten aufgenommen werden | 174 |
101 | Aufstieg eines Beobachters mit Hilfe von Hargrave-Drachen | 180 |
102 | Drache von Millet mit Korb für einen Beobachter | 181 |
103 | Ingenieur Otto Lilienthal | 183 |
104 | Lilienthal mit seinem Fächerfallschirmapparate | 184 |
105 | Lilienthal im Momente des Abspringens mit seinem Fallschirmapparate | 184 |
106 | Lilienthal mit einem seiner ersten Fallschirmapparate in den Lüften | 185 |
107 | Lilienthal mit seinem Fallschirmflieger im absteigenden Aste seiner Flugkurve von unten gesehen | 187 |
108 | Lilienthal mit seinem Doppelsegelapparate in den Lüften | 187 |
109 | Percy S. Pilcher | 188 |
110 | Der amerikanische Flugtechniker Octave Chanute | 190 |
111 | Leiterdrache von Chanute (Ladder Kite) | 191 |
112 | Chanute macht im Jahre 1896 den Absprung | 192 |
113 | Die vielflügelige Gleitmaschine | 193 |
114 | Fallschirmflieger von Chanute aus dem Jahre 1896 | 194 |
115 | Die Doppelflächen-Gleitmaschine | 195 |
[S. xiv] | ||
116 | Querschnitt durch eine Gleitmaschine | 196 |
117 | Flugapparat von Butusow | 197 |
118 | Kochs Flügelflieger | 198 |
119 | Wilbur Wrights Flugdrache | 198 |
120 | Lamsonscher Flieger | 199 |
121 | Patrick Alexander, aëronautischer Schriftsteller | 204 |
122 | Aëroplan von Pénaud aus dem Jahre 1872 | 215 |
123 | Drachenflieger von Henson | 216 |
124 | Hiram Maxim | 218 |
125 | Maxims Drachenflieger aus dem Jahre 1889 | 219 |
126 | Maxims Drachenflieger, Querschnitt-Modell 1889 | 219 |
127 | Landungsvorrichtung bei Maxims Drachenflieger | 220 |
128 | Die Unterseite des Maximschen Drachenfliegers mit einer Gruppe von Besuchern | 220 |
129 | Maxims Drachenflieger auf der Rollbahn | 221 |
130 | Maxims Drachenflieger, letzte Type | 221 |
131 | Flugapparat von Ader | 222 |
132 | Langley, amerikanischer Flugtechniker und Mitglied des Smithsonian-Institutes in Washington | 223 |
133 | Langleys Aërodrom | 224 |
134 | Drachenflieger von Carelli, Seitenansicht | 225 |
135 | Draufsicht auf den Drachenflieger von Carelli | 225 |
136 | Carellis Drachenflieger, von unten gesehen | 226 |
137 | Drachenflieger von Karos, von der Seite gesehen | 227 |
138 | Drachenflieger von Karos, von oben gesehen | 227 |
139 | Die drei Ansichten des von Samuelson ausgeführten Modelldrachenfliegers | 227 |
140 | Hofmanns Drachenflieger mit Stelzenapparat | 228 |
141 | Flugtechniker Wilhelm Kreß | 229 |
142 | Von Kreß projektierter Drache | 229 |
143 | Von Kreß projektierter Drache, im zusammengelegten Zustande | 230 |
144 | Kreßscher Drachenflieger, Projekt aus dem Jahre 1894 | 230 |
145 | Kreßscher Drachenflieger | 230 |
146 | Kreßscher Drachenflieger, Modell 1899-1901. Von der Seite gesehen | 231 |
147 | Kreßscher Drachenflieger, Modell 1900-1901. Von oben und rückwärts gesehen | 232 |
148 | Seitenansicht des Kreßschen Drachenfliegers. Die Tragflächen sind noch nicht montiert. Modell 1902 | 233 |
149 | Ansicht des Kreßschen Drachenfliegers, Modell 1902. Von rückwärts gesehen | 234 |
150 | Ansicht des Kreßschen Drachenfliegers und seiner Bauhütte. Modell 1902. Von vorne gesehen | 235 |
[S. xv] | ||
151 | Perspektive Ansicht des projektierten Drachenfliegers von Rosborg und Nyberg mit Eiskufen | 236 |
152 | Drachenflieger von Whitehead (Weißkopf) | 236 |
153 | Schaufelflieger von Koch | 240 |
154 | Kochs Schaufelrad-Flugmaschine. Seitenansichten und Vorderansicht | 241 |
155 | Schaufelrad von Kochs Schaufelrad-Flugmaschine | 241 |
156 | Stahldrahtgerüste des Schaufelradfliegers von Koch, nach einer Originalphotographie | 242 |
157 | Kochs Schaufelrad-Flugmaschine. Draufsicht | 243 |
158 | Längs- und Querschnitt des Segelradfliegers von Wellner | 245 |
159 | Flügel-Fliegermodelle von Pichancourt 1889 | 246 |
160 | Motor eines Flügelfliegers mit führenden Mechanismen | 247 |
161 | Flügelradflieger. Modell von Major Moore | 248 |
Das Studium der Eigenschaften der atmosphärischen Luft bildet die Basis aller flugtechnischen Betrachtungen.
Im gewöhnlichen Leben nimmt man von der Existenz der Luft nicht viel Notiz. Sie als einen wirklichen Körper zu betrachten, fällt uns in der Regel nicht ein und doch muß man dies, denn die einzelnen Flugobjekte durchfliegen nicht nur die Luft, sondern diese ist auch jenes wichtige und gewichtige Medium, welches einerseits die erforderliche Tragkraft liefert, anderseits den zu überwindenden Widerstand leistet.
Es kann nicht Aufgabe dieser Zeilen sein, die für die Flugtechnik so wichtigen Eigenschaften der Luft alle detailliert zu besprechen. Ihre eingehende Behandlung fällt teils in das Gebiet der Physik, teils in jenes der Meteorologie und würde für sich allein einen stattlichen Band ausmachen. Nur flüchtig soll daher auf das weite Gebiet dieses Themas hingewiesen und jedem ernsten Flugtechniker ans Herz gelegt werden, sich wohl vertraut zu machen, nicht nur mit der Zusammensetzung der Luft, sondern auch mit den so variierenden Temperaturverhältnissen, der Abnahme der Wärme mit der Höhe, den Vorsichten bei der Messung der Temperaturen, dem Drucke und dem Gewichte der Luft, dem Einflusse der einzelnen Faktoren auf die verschiedenen Eigenschaften der Luft, der Feuchtigkeit, respektive dem Wassergehalte der Luft, der Bildung der Niederschläge, der Bewölkung etc. Auch die akustischen, optischen und elektrischen Erscheinungen der Atmosphäre, sowie insbesondere die Elastizität der Luft, sind Eigenschaften, welche den Luftschiffer intensiv interessieren.
Man nahm einst an, die Verhältnisse zwischen Luft und Wasser seien sehr ähnlich, was jedoch nicht in dem Maße der Fall ist, als man, besonders früher, glaubte. Abgesehen davon, daß ja die Luft circa 777mal leichter als das Wasser ist, ist sie weit leichter zusammendrückbar als letzteres und ihm an Elastizität unendlich überlegen. Deshalb sind, wie neuere Forschungen immer mehr dartun, die von Experimenten mit Wasser herrührenden Erfahrungsresultate keineswegs so ohne weiteres auch auf die Luft zu übertragen.
Von besonderer Bedeutung ist das mit der Höhe abnehmende spezifische Gewicht der Luft. Dieses ist sehr variabel, also bei weitem kein konstanter Wert, sondern abhängig von der jeweilig herrschenden Temperatur und dem Barometerstande, in geringem Maße auch von dem vorhandenen Grade der Feuchtigkeit.
Ein weiteres, sehr beachtenswertes Element, mit dem die Flugtechnik rechnen muß, ist der Wind.
Dieser ist nichts anderes, als in Bewegung begriffene Luft. Er entsteht durch Druckunterschiede in der Atmosphäre, indem Luft aus den Bereichen höheren, in die niederen Druckes fließt.
Während die Meteorologie sich zumeist mit der Ermittlung der Hauptwindrichtung und der durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten, deren täglichen Perioden, der Verteilung des Windes auf der Erde und dem gesetzmäßigen Auftreten beider, den Schwankungen u. dgl. befaßt, studiert die Flugtechnik außerdem noch die Einwirkung des Windes auf die Flugobjekte, die in kleinen Intervallen auftretenden primären und sekundären Schwankungen des Windes, der vertikalen und horizontalen Richtung und der Geschwindigkeit nach.
Bezüglich der Windarten unterscheiden wir zwischen gleichmäßig wehendem Wind, welcher in der Natur zumeist nur für wenige Augenblicke vorkommt und zwischen stoßweisem Wind, welcher, wenigstens in der Nähe der Erdoberfläche, als die Regel angenommen werden muß.
Alle Berechnungen können sich nur auf die erstere Gattung des Windes beziehen; jedoch muß man sich die letztere Eigenschaft des Windes dabei stets vor Augen halten. [S. 3]Die Unbeständigkeit der Luftströmungen zeigen uns (in größeren Höhen) nicht nur die Wolken und die Ballonfahrten an, sondern auch (in den niederen Schichten der Atmosphäre) der aus den Schornsteinen aufsteigende Rauch, die wirbelnden Blätter, der Staub, das Treiben des Schnees, das Wogen der Saatenfelder, das Rauschen der Wälder etc.
Zum Messen der Windgeschwindigkeiten hat man in neuester Zeit besonders sinnreiche Apparate konstruiert, welche auch die in kleinen Zeiträumen wiederkehrenden Fluktuationen des Windes zu beobachten gestatten. Es sei hier unter anderem auf die Apparate von Lilienthal, Wellner und Langley kurz verwiesen, sowie auf meine in der Broschüre »Ballonbeobachtungen und deren graphische Darstellung« enthaltenen Anweisungen darüber.
Versuche und Messungen ergeben, daß die Windgeschwindigkeiten innerhalb nur weniger Sekunden sehr bedeutend differieren, so daß (wenn man sich die Zeiten auf einer Abszissenachse, die Geschwindigkeiten auf einer Ordinatenachse aufträgt) selbe durch größere oder kleinere Wellenlinien wiedergegeben werden, in deren auf- und absteigenden Ästen wieder sekundäre Schwankungen auftreten.
Die bisherigen Versuche zeigten, daß der Ablenkungswinkel gegen die mittlere Windrichtung oft 10-20 und mehr Grade beträgt, die Differenzen des Neigungswinkels der jeweiligen Windstriche gegen die Horizontale übersteigen nicht selten selbst im ebenen Terrain 5-6 Grade. Eine mechanische Ausnützung dieses Umstandes durch Flugobjekte ist schwer denkbar. Trotzdem muß man diese Eigentümlichkeit des Windes sich stets gegenwärtig halten. Wer weiß übrigens, ob diese sekundären Schwankungen für schnell fliegende Luftschiffe wirklich von Belang sind?
Von besonderer Wichtigkeit ist die Geschwindigkeit und die Richtung des Windes, welche für die Bahn des Luftschiffes über der Erde von entscheidendem Einflusse wird.
Gleichmäßig wehender Wind ist wohl auf die vertikale Bahn des Flugobjektes ohne Einfluß, weil letzteres die Geschwindigkeit des Windes annimmt und alle Rechnungen bezüglich der Tragfähigkeit, Bahn etc. so auszuführen sind, als ob gänzliche Windstille herrschen würde, doch variiert die Geschwindigkeit des zurückgelegten Weges sehr bedeutend, je nachdem Mit- oder Gegenwind weht. Es ist ein alter Erfahrungssatz, daß gerade für Anfänger die sogenannte Windfrage meist eine Klippe bildet, über die zu kommen, bei der großen Zahl der auf diesem Gebiete existierenden[S. 4] Schriften höchst fraglichen wissenschaftlichen Wertes, oft recht schwer fällt.
Detaillierte Angaben über Richtung und Geschwindigkeit des Windes, dessen Häufigkeit und Wechsel, respektive Zunahme mit der Höhe und alle für Luftschiffahrt in Betracht kommenden Faktoren findet man in meinem Buche »Lenkbare Ballons« auf den Seiten: 59-93, ferner auf den Seiten 188-203.
Der Luftwiderstand ist die Ursache der in der Luft verzögerten Bewegung von Flugobjekten im Gegensatze zur Bewegung im luftleeren Raume.
Das Luftwiderstandsgesetz ist jener analytische Ausdruck, welcher den Einfluß sämtlicher, die absolute Größe des Luftwiderstandes bestimmenden Elemente rechnungsmäßig darstellt.
Hervorgerufen wird der Luftwiderstand dadurch, daß das Flugobjekt an die Luft eine bestimmte Menge Energie überträgt.
Wie aus Obigem hervorgeht, ist der Luftwiderstand eine Kraft, welcher bei Bewegung des Flugobjektes an demselben wirkt und einen Verlust an Energie hervorbringt. Dieser Verlust muß, nach dem bekannten Satze von der Arbeit, wonach die Aktion stets dasselbe Maß an Reaktion hervorbringt, gleich sein der auf die Luft übertragenen Energie-Menge.
Wie an jeder Kraft, ist auch an dem Luftwiderstande zu unterscheiden zwischen der Größe und der Richtung derselben. Diese Elemente hängen, wie eine einfache Überlegung lehrt, ab von:
a) der Geschwindigkeit der Bewegung;
b) den Dimensionen des Körpers;
c) der Gestalt des Körpers;
d) der Lage der jeweiligen Achse;
e) dem Zustande der Luft.
In der Flugtechnik befassen wir uns im allgemeinen nur mit Geschwindigkeiten bis zu 50, eventuell 80, im Maximum 100 Meter per Sekunde, also mit geringen Größen im Gegensatze zur Ballistik.
Die Gestalt der zu betrachtenden Körper ist meist eine flächenartige oder doch eine aus einer Kombination von Flächen zusammengesetzte. Nur selten werden Rotationskörper in Anwendung kommen.
Zur Ermittlung des Luftwiderstandsgesetzes wird ausschließlich der experimentelle Weg eingeschlagen. Es würde zu weit führen, alle Methoden und darauf bezügliche Daten hier auch nur auszugsweise wiederzugeben. Die Vornahme dieser Experimente soll stets in großen, geschlossenen Räumlichkeiten geschehen. Die Resultate der in der freien Atmosphäre veranstalteten Experimente sind infolge von Wind und sonstigen Witterungserscheinungen so voll von Fehlerquellen, daß sie wenig brauchbar werden. In diese Kategorie gehören Versuche von Langley, Wellner, Cailletet, Collardeau, Touche, Lilienthal u. a. Die Experimente selbst teilen sich in solche mit Rundlauf- und in solche mit Wageapparaten gemachte ein, über deren Gebrauch und Verwendung man in von Loessls ausgezeichneten Schriften, besonders in seinem Hauptwerke: »Die Luftwiderstandsgesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug«, Wien 1896, die Seiten 3-23 nachlesen wolle.
Bei allen werden ebene, dünne Flächen in gleichmäßige Bewegung gesetzt und die sich hierbei ergebenden Widerstände ihrer Größe nach durch wiederholt angestellte Versuche ermittelt. Diese Messungen erfordern einen großen Aufwand von Zeit, Mühe, Geduld, Fleiß, Accuratesse, Geld u. dgl. mehr und sind viele Jahre hindurch in geradezu mustergiltiger Weise von Loessl ausgeführt worden.
Ein Blick auf die hier beigefügte Tafel, welche eine Anzahl von diesem hervorragenden Experimentator verfertigter Versuchsmodelle im Bilde enthält, läßt die aufgewendete Arbeitsleistung ahnen.
Infolge der oben besprochenen Gründe anerkennt man heute als einwandfrei nur jene Resultate, welche von Loessl bei seinen minutiösen Luftwiderstandsmessungen gefunden hat.
Um die Ergründung dieses Luftwiderstandsgesetzes machten sich außerdem noch folgende Experimentatoren verdient:
Newton, Bernoulli, Euler, Borda, Robins, Thibault, du Buat, Poncelet, Kummer, Didion, Piobert, Robin, Rouse, Hutton, Vince, Helie, Virlet, Majewski, Bashfort, Krupp, Wellner, Lilienthal, Langley, Maxim, Weisbach, Renard, Eytelwein, Gerlach, Lord Raleigh, Smeaton etc. etc.
Aus dieser Aufzählung allein kann man schon ermessen, wieviel auf diesem Gebiete experimentiert wurde; trotzdem sind noch bei weitem nicht alle Fragen einspruchsfrei beantwortet.
Die Größe des Luftwiderstandes ist innerhalb jener Geschwindigkeitsgrenzen, welche uns interessieren, gleich groß, ob sich nun eine Fläche mit einer bestimmten Geschwindigkeit in ruhender Luft vorwärts bewege, oder ob dieselbe Fläche im Raume feststehend, von immer gleichförmig bewegter Luft mit derselben Geschwindigkeit getroffen werde. Stets kommt es auf die relative Bewegung zwischen Luft und Flugobjekt an.
Mit Hilfe von Experimenten, indem man Flächen von bekannter Größe mit variablen Geschwindigkeiten umlaufen ließ, hat man gefunden, daß der Luftwiderstand proportional der Größe der bewegten Fläche sei und mit dem Quadrate der Geschwindigkeit der Luft wachse.
Von einem gewissen Einflusse ist auch das Gewicht der Luft, in dem die Flächen- oder Körperbewegungen vor sich gehen. Hierbei muß man sich gegenwärtig halten, daß das Gewicht der Luft von der Temperatur und dem Luftdrucke abhängig ist.
Die geometrische Figur der Experimentalfläche hat einen mehr untergeordneten Einfluß.
Vor der Fläche bildet sich ein sogenannter Luftkegel, das ist ein Kegel ruhender komprimierter Luft, welche sich im Zustande des statischen Gleichgewichtes befindet und der die bewegte Luft gleichsam keilförmig ablenkt.
Über die äußere Luftreibung liegen noch sehr wenige Daten vor, im allgemeinen vernachlässigt man sie.
Überhaupt ist dieses Gebiet, so grundlegend das Luftwiderstandsgesetz für die theoretische Behandlung des Gegenstandes genannt werden muß, noch ein viel zu wenig durchforschtes.
Allgemein ausgedrückt, ist der Luftwiderstand direkt proportioniert einem Produkte, bestehend aus dem spezifischen Gewichte der Luft, der Fläche, einem dieser entsprechenden Koeffizienten, dem Quadrate der Geschwindigkeit und umgekehrt proportioniert der Accelleration der Schwere.
Im algebraischen Gewande lautet diese Formel:
R = γg ξ F v2 , worin bedeuten:
R | = | den Luftwiderstand in kg einer Fläche von beliebiger Gestalt; |
γ | = | das spezifische Gewicht der Luft in kg, bei der jeweilig herrschenden Temperatur und dem betreffenden Barometerstande; |
g | = | die Accelleration der Schwere; |
F | = | die Fläche in m2; |
ξ | = | einen von der Form und Lage der Fläche abhängigen Koeffizienten. Bei ebenen Flächen, welche geneigt sind, ist ξ = sin α, d. h. gleich dem Sinus des Neigungswinkels; |
v | = | die relative Bewegung zwischen Luft und Fläche in Meter per Sekunde. |
Die Arbeitsgleichung des Luftwiderstandsgesetzes gibt uns wertvollen Aufschluß über die für flugtechnische Probleme so wichtigen Arbeitsleistungen. Die Experimente lehren uns, daß die Arbeit mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit wächst, was wohl zu beherzigen ist.
Aus den einzelnen, hier nicht wieder gegebenen Formeln lassen sich eine ganze Reihe höchst wichtiger Gleichungen entwickeln, welche nicht nur über die Natur des Luftwiderstandsgesetzes vieler einschlägiger flugtechnischer Fragen Auf[S. 8]klärung geben, sondern uns überhaupt neue Bahnen bei Behandlung dieses Gegenstandes eröffnen.
Wer sich für dieses Kapitel intensiv interessiert, den verweise ich auf das Loesslsche Werk über die Luftwiderstandsgesetze pag. 149-178 und auf meine Schrift: »Das Loesslsche Luftwiderstandsgesetz und dessen Anwendung auf die Flugtechnik«, Sonderabdruck aus den »Technischen Blättern« in Prag.
Wir wollen nun eine kurze Umschau über die für ballon- und flugtechnische Zwecke brauchbaren Motoren halten. Die Motoren müssen die Widerstandsarbeit leisten. Um ein Gutachten über die verschiedenen Kraftspender abgeben zu können, und die richtige Wahl zwischen verschiedenen zu treffen, muß man Maschinentechniker sein. Aber selbst diesem fällt die Abgabe eines Urteiles bezüglich der Brauchbarkeit des einen oder des anderen Motors oft recht schwer.
Die Bedingungen, welche ein solcher erfüllen muß, sind meist recht komplizierter Natur, oft bis knapp an die Grenze des Erreichbaren gehend. Bekanntlich unterscheiden wir zwei Hauptgruppen von Motoren, es sind dies:
1. die Accumulatoren,
2. die eigentlichen Motoren.
In erstere legen wir künstlich Energie hinein, (wir laden sie), die theoretisch gleich der zu leistenden Arbeit, praktisch infolge der zahlreichen Effektsverluste natürlich stets bedeutend größer sein muß. Dies sind künstliche Accumulatoren. Die zweite Gattung leistet eine Arbeit infolge Verwertung von natürlichen Accumulatoren, wie z. B. von Kohle, Gas, brennbaren Ölen etc.
Für Zwecke der Luftschiffahrt kommen von künstlichen Accumulatoren in Betracht:
Maschinen mit komprimiertem Gas,
Natronlaugenmaschinen,
Dynamos mit elektrischen Accumulatoren.
Von eigentlichen Motoren:
die Dampfmaschinen,
die Gas-, Petroleum- oder Benzin-Motoren,
Dynamos mit Primärbatterien,
Dampfturbinen.
Welchen Bedingungen sollen die für flugtechnische Zwecke gebauten Maschinen entsprechen?
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten; ich will versuchen, die Hauptbedingungen aufzuzählen.
Die Punkte 1 und 2 lassen sich so zusammenfassen, daß man sagen kann: Eine Flugmaschine soll pro effektiver Ballon- oder Flugmaschinen-Stundenpferdestärke ein Minimum an Gewicht erfordern.
Da es zu weit führen und dem Zwecke dieser Zeilen nicht entsprechen würde, wenn ich hier diese ganze Frage eingehend behandeln wollte, was einer anderen Arbeit vorbehalten sein soll, so will ich dieses Thema nur in großen Zügen besprechen.
Bei der Verwendung von Dampfmaschinen müssen auf dem Luftschiffe Platz finden:
a) der Dampferzeuger, (Dampfkessel),
b) die Speisung für a u. zw.:
α) Heizmaterial (Kohle, Gas), β) Wasser,
c) der eigentliche Dampfmotor (die Maschine),
d) die diversen Nebenbestandteile, wie Armatur, Pumpen, Injektoren etc. etc.
e) der Kondensator.
Diese Unterabteilungen zeigen, wo man bei den einzelnen Bestandteilen an Gewicht sparen kann.
Derzeit sind wohl die Wasserrohrkessel die relativ leichtesten; Maxim hat eine geradezu brillante Form derselben in die Flugtechnik eingeführt.
Zu brauchen sind auch Serpollets Generatoren, vielleicht werden sich auch die Wärmetransmissionskessel von Herz für unsere Zwecke verwenden lassen. Der Tätigkeit des Kesselbauers eröffnet sich da ein neues und weites Feld.
Das Wasser wird nur im chemisch reinen Zustande mitgenommen werden dürfen. Kohle oder Kohlenstaub wird man nicht verwenden, vielleicht dagegen Heizölfeuerung. In ausgiebigster Weise wird man aber von Petroleum und Benzinfeuerung Gebrauch machen. Die Verbrennungen müssen vollkommene sein. Dem Leichterwerden des Luftschiffes durch Verbrauch an Brennmaterial ist Rechnung zu tragen.
Außer den vorbenannten natürlichen Accumulatoren kommen noch die Gasfeuerungen in Betracht, u. zw. dies besonders dann, wenn es sich um lenkbare Ballons handelt, die ihren Gasvorrat mit sich führen.
Besonders großen Heizwert besitzt das Wasserstoffgas mit 34460 Wärmeeinheiten.
Wasserstoffgas im komprimierten Zustande für Heizzwecke mit sich zu führen, ist einerseits wegen der doch immer nicht ausgeschlossenen Explosionsmöglichkeit gefährlich und anderseits wegen des Gewichtes der Umhüllung nicht rentabel.
Für flug- oder ballontechnische Zwecke wird man Dampfmaschinen nicht für kleine Betriebe bauen, sondern nur von ca. 30-50 Pferdestärken angefangen.
Eine eingehende Betrachtung der Gewichtsverhältnisse lehrt nämlich, daß eine Dampfmaschine pro effektive Stundenpferdestärke gemessen, um desto leichter ist, je größer sie wird. Man hat bei derselben auf schnelle Gangart, möglichste Ökonomie des Dampfverbrauches, Freisein von Stößen, Vibration, und einfache Konstruktion zu sehen.
Dies führt auf die Verwendung von Compoundmaschinen. Ein Hauptaugenmerk wird auf die Anordnung einer entsprechenden Kondensation und zwar einer Oberflächenkondensation mit Luftkühlung zu richten sein.
Ein sehr interessantes und lehrreiches Beispiel eines Flugmaschinenmotors bietet der von Maxim konstruierte.
Die Röhrenkesselanlage samt Wasserinhalt soll 545 kg, die der zugehörigen Compoundmaschine 272 kg betragen, und einen Effekt von 363 HP geliefert haben.
Der Dampf- und Kohlenbedarf beträgt nach meiner Quelle »North American Review« pro Pferdestärke und Stunde 11·3 kg.
Es würde sich somit das Gewicht des ganzen Motors samt Brennmaterial und Wasserbedarf für eine ganze Stunde auf circa 15-17 kg belaufen.
Einen anderen ebenfalls sehr leichten Dampfmotor hat Herring gebaut. Er wiegt nur etwa 1·2 kg und soll 7 gebremste Pferdestärken leisten. Seine Admissionsspannung beträgt dabei 16 Atmosphären und die Tourenzahl 40 Umdrehungen pro Sekunde.
Eine andere Serie Motoren bilden die Dampfturbinen. Sie haben den großen Vorteil, rotierende Dampfmotoren und äußerst kompendiös zu sein.
In neuester Zeit hat besonders De Lavals Dampfturbine sehr gute Resultate aufzuweisen.
Als ein Übelstand muß die große Anzahl von Umlaufszahlen (20.000-30.000 pro Minute) angesehen werden.
Dies verlangt ausgiebige Übersetzungen ins Langsame und dadurch hervorgerufene große Effektsverluste.
Auch ist der Dampfbedarf ein etwas größerer, als bei normalen Dampfmaschinen. Es soll aber schon gelungen sein, ihn gegenwärtig auf 11·6 kg herabzubringen. Immerhin ist durch den Entfall der hin- und hergehenden Massen und dadurch, daß das Eigengewicht des Motors auf ein Minimum reduziert werden kann, diese Dampfturbine für flugtechnische Zwecke beachtenswert.
Ein 20pferdiger De Laval-Motor wiegt z. B. nur 340 kg und nimmt samt dem Übersetzungsgetriebe einen Flächenraum von 75/55 cm ein.
Das Turbinenrad besitzt hierbei nur 15 cm Durchmesser. Die 8·8 mm dicke Welle macht 22.000 Umdrehungen, die auf 2200 Touren zum Betriebe von Dynamomaschinen heruntergebracht wird.
Nur kurz sei der Natrondampfkessel gedacht; sie erzeugen weder Gase noch Rauch und haben den Vorteil, stets eine gleiche Gewichtsquantität zu besitzen.
Die Wärmequelle bildet die konzentrierte Natronlauge. Die Natronlösungen besitzen die Eigenschaft bei gewisser Konzentration und dadurch bestimmtem Siedepunkt Wasserdampf unter Wärmeentwicklung aufzunehmen, sie können mithin benützt werden, den Auspuffdampf einer Maschine zu kondensieren und durch die dabei entstehende Erhitzung[S. 13] Wasser zu verdampfen. Demnach findet bei dem Natronkessel ein Kreislauf statt, der solange fortgesetzt werden kann, bis die Lauge bei einer bestimmten Verdünnung ihren Siedepunkt erreicht hat und aufhört, den Auspuffdampf aufzunehmen.
Durch Verbindung mit Wärmetransmissionskesseln dürften sich, wie ich glaube, günstige Resultate erzielen lassen.
Eine andere Art von für flugtechnische Zwecke ins Auge zu fassenden Motoren sind die Gas-, Petroleum- und Benzinmotoren, welche in die Gruppe der Explosionsmotoren rangieren. Sie haben den Vorteil, keinen eigenen Kessel und ein sehr geringes Gewicht an Betriebsstoff (circa 0·5 kg pro Pferd und Stunde) zu benötigen.
Auch kann der Luftkondensator, der einen geringen Vorrat von Kühlwasser hält, circa drei- bis viermal so leicht sein, als bei einer gleich starken Dampfmaschine.
Da aber, entweder im Vier- oder im Zweitakt, nie doppelwirkend, gearbeitet wird, so fällt der eigentliche Motor schwerer aus, als die analoge Dampfmaschine.
Nachteilig erscheint die komplizierte Steuerung, die Mischung mit Luftzündung und der Bedarf an Kühlwasser.
Sie sind die ausgesprochenen Luftschiffmotoren der Zukunft. Ihre dermalige Ausgestaltung verdanken sie unstreitig ihrer Verwendung im Automobilbau. Liest man ihre Eigengewichte, wie sie die einzelnen Maschinenwerkstätten angeben, so glaubt man, der jahrelange Traum der Luftschiffer nach dem leichten Motor habe sich endlich verwirklicht. So finden wir z. B. das Gewicht einer Pferdestärke von Buchet-Motoren von 6·3-7·8 kg differierend angegeben, je nachdem man eine 20, 30 oder 40 pferdestarke Maschine in Betracht zieht. Mors liefert die Pferdestärke zu einem Gewichte von 3·2 bis 6·2 kg bei Motoren von 90-200 Pferden. Bourdiaux und Dela[S. 14]lande gar zu 2·1-3·3 kg bei Motoren von 50, respektive 20 Pferden. Es schwindelt einem förmlich bei diesen Zahlen. In der Wirklichkeit jedoch stellen sich die Verhältnisse etwas anders. Zu dem Gewichte des eigentlichen Motors kommen nämlich noch die Gewichte all der Nebenbestandteile etc. etc., ohne welche der Motor nicht funktioniert, so daß wir heute noch mit Gewichten von 17-20 kg pro 1 Luftschiffpferdestärke rechnen müssen. Immerhin schon ein ungeheuerer Fortschritt gegen frühere Jahre, wo eine solche Pferdestärke z. B. bei Giffards Ballon (1852) noch 290 kg, bei Tissandiers Ballon (1883) noch 186 kg, bei Renard-Krebs (1884) 77 kg und bei Zeppelin, Daimler (1900) 30 kg wog.
Auf dem Gebiete der Explosivmotoren wird erst seit circa 30 Jahren intensiver gearbeitet und lassen die bis nun erzielten großen Erfolge wohl noch eine weitere ersprießliche Entwicklung erwarten.
Von den elektrischen Motoren dürften in erster Linie die Accumulatoren in Betracht kommen, doch sind sie gegenwärtig noch ziemlich schwer.
Das Gewicht der elektrischen Motoren setzt sich zusammen aus dem der Dynamos, Getriebe, Accumulatoren, Regulatoren und Schaltern.
Aus diesen wenigen Andeutungen geht klar hervor, daß die Luftschiffahrt und die Flugtechnik an die Motoren zum Teile mit ganz neuen, bis jetzt fast bei keinen anderen Betrieben (Torpedoboote und Automobile ausgenommen) gestellten Anforderungen herantritt, welche ein intensives Studium, eigene Versuche und separate Erprobungen erfordern. Schon jetzt ist Aussicht vorhanden, daß die Maschinentechnik die ihr hier gestellten Aufgaben mit Erfolg lösen wird.
Die Luftschrauben gehören strenge genommen auch zu den Motoren, sie haben den Zweck, die eigentliche Energieabgabe an die Luft zu veranlassen und bewirken so die Fortbewegung des Fahrzeuges.
Bei den Luftschrauben dient die Luft als Schraubenmutter, ähnlich wie das Wasser bei den Wasserschrauben.
Die Luftschrauben erhalten von den sie betreibenden Motoren die Kraft, das Luftschiff entweder zu heben oder[S. 15] zu ziehen, respektive vorwärts zu treiben, oder beides zugleich.
Diese Wirkungsweise erfolgt je nachdem die Achse der Luftschraube entweder vertikal, horizontal oder schief gestellt ist.
Demnach läßt sich die Einteilung treffen in:
a) Hubschrauben mit vertikaler Achse,
b) Zugschrauben mit horizontaler Achse,
c) Druckschrauben mit horizontaler Achse,
d) Universalschrauben mit geneigter Achse.
Die Gattungen b) und c) lassen sich auch als Vortrieb oder Triebschrauben kurzweg zusammenfassen.
Entscheidend für die Arbeitsleistung ist neben der wirkenden Kraft auch die Geschwindigkeit der Schrauben.
Als Maß derselben gilt einerseits die minutliche Zahl der Umdrehungen, anderseits die Größe der Geschwindigkeit des Druckmittelpunktes.
Wenn sich eine Schraube bewegt, so ist klar, daß die Bewegung im Mittelpunkte Null, die an der Peripherie am größten sein wird.
Zur rechnungsmäßigen Verwertung aber ist allein jene Geschwindigkeit geeignet, welche dem Druckmittelpunkte zukommt.
Es sollen hier nur kurz jene Punkte angeführt werden, welche bei der Konstruktion von Schrauben hauptsächlich Beachtung finden müssen.
Es sind dies vor allen jene Elemente, die auf die Entstehung der Schrauben Bezug haben, wie die Schraubenlinie, die Schraubenfläche, der Schraubengang, die Erzeugungslinie und die Richtlinie.
Hiervon ist die Erzeugungslinie von besonderer Wichtigkeit; einige empfehlen flachgewölbte, dem Vogelflügel ähnlich gebaute zu verwenden, andere hingegen ebene. Wie sie auf die Achse aufzusetzen sind, ob senkrecht oder unter welchen anderen Winkel, ist ebenfalls eine offene Frage.
Bezüglich des Schraubenflügels unterscheidet man die Art und Zahl der Gänge, die günstigste Flügelzahl, die Fläche, Lage, das Material und die Stärke der Flügel, sowie die Schraubennabe und die Befestigung der Flügel.
Meist wird es wohl ziemlich einerlei sein, ob man rechts- oder [S. 16]linksgängige Schrauben verwendet, oft und besonders bei Hub- und Universalschrauben werden beide Gattungen gewählt werden müssen.
Die Zahl der Gänge darf zwei nicht überschreiten. Eigene Versuche ergaben das mich anfangs überraschende, aber sehr wohl erklärliche Resultat, daß auch einflügelige, gehörig ausbalanzierte Schrauben mit Erfolg zu verwenden sind.
Bezüglich der günstigsten Flächen der Flügel, der Flügelkreisflächen, der abgewickelten Flügelfläche, der projizierten Flügelfläche und dem Bruchteil der Ganghöhe liegen bei Luftschrauben noch gar keine Erfahrungen vor.
Die abgewickelte Flügelfläche soll in der Nähe der Achse möglichst wenig Fläche besitzen, desto mehr gegen das Ende der Flügel zu, um den Trägheitshalbmesser möglichst groß zu bekommen. Sie kann Dreiecks- oder Trapezform erhalten, meist wird sie länger als breit ausfallen.
Sehr empfehlenswert sind nachstehend abgebildete Schraubenformen, welche für große Tourenzahlen berechnet sind.
Entschieden ist auch noch nicht die Frage, ob viele kleine Flügel, oder wenige, große Flügelflächen vorteilhafter sind. Beide Arten haben ihren Vertreter.
Auch bezüglich des Schraubendurchmessers sind sehr geteilte Meinungen vorhanden.
Während z. B. Pichault und Jarolimek nur solche von höchstens bis zu 0·5 m Durchmesser empfehlen, hatten nachfolgende ausgeführte Schrauben folgenden Durchmesser:
Giffard | 3.5 m |
Dupuy de Lôme | 9.0 m |
Haenlein | 4.6 m |
Tissandier | 2.9 m |
Renard, Krebs | 7.0 m |
Maxim | 5.43 m |
was einem tatsächlichen Mittel von 5.4 m entspricht.
Auf einer Achse kann endlich entweder nur eine Schraube oder ein System unter sich versetzter Schrauben aufgebracht werden. Auch darüber fehlen leider Versuche, obgleich dies eine der allerwichtigsten flugtechnischen Fragen ist.
Es ist besonders zu bestimmen, wie groß die Entfernung der einzelnen Flügel voneinander sein soll, und wie viele man auf eine Achse überhaupt aufsetzen kann.
Sehr verschieden ist der Wirkungsgrad einzelner Schrauben; die besten bis nun konstruierten hatten circa 50-60%.
Hervorzuheben ist die vermehrte Hebewirkung der Hub- und Universalschrauben bei Wind.
Die einzelnen Umlauf-Geschwindigkeiten betrugen bei den bis jetzt ausgeführten Schrauben bei:
Giffard (1852) | 3.5 m |
Dupuy de Lôme (1872) | 9.0 m |
Haenlein (1872) | 4.6 m |
Tissandier (1883-84) | 2.85 m |
Renard-Krebs (1884-85) | 7.0 m |
Maxim (1894) | 80.0 m |
Über die Anbringung der Schrauben, ihre Inbetriebsetzung, ob durch Riemen oder mit Seilen, bei denen ein empfindlicher Effektverlust durch Gleiten unvermeidlich ist, oder durch Friktions-, eventuell Zahnräder, welche wieder ein bedeutendes Gewicht beanspruchen, ist noch fast gar nichts kalkuliert worden.
Trotzdem ist die Schraubenfrage eine der wichtigsten, welche, wie alle vorbenannten, dringend eines eingehenden Studiums bedarf.
Nicht zuletzt kommt die Frage nach der besten Konstruktion der Luftschrauben überhaupt, ob nicht etwa gefächerte Flügelflächen, und welches Material dabei in Anwendung kommen soll. Wie man sieht, eröffnet sich hier der Tätigkeit des Experimentators ein weites Feld.
Die hauptsächlichsten Eigenschaften, welche flugtechnischen Zwecken dienende Materialien besitzen sollen, sind:
Von den einzelnen Werkstätten für aëronautische Zwecke wollen wir hier nicht weiter sprechen. Die Figur 7 läßt uns einen Blick in das Luftschifferatelier von Lachambre, einem Pariser Etablissement, tun, wo die lenkbaren Ballons von Santos Dumont erzeugt wurden. Solche Werkstätten gibt es in Paris mehrere, die hervorragendste ist jene von Surcouf, dann nenne ich noch das Atelier Godard, Mallet Yon und Besançon; in Augsburg befindet sich das ausgezeichnete, derartige Etablissement von August Riedinger.
Was die einzelnen Baumaterialien betrifft, so ist das relativ leichteste, d. i. das bei gleichem Gewichte und gleicher Festigkeit leichteste Material der Stahl, ihm dürfte aber in dem Magnalium ein erfolgreicher Konkurrent erstehen.
Für flugtechnische Zwecke finden hauptsächlich Verwendung:
Bei Yon in Paris sah ich eine sehr gute Kombination aus Furnierholz, Seide und Stahlnetzen, das Ganze geleimt und in eine cylindrische Form von circa 8 m Länge und 30 cm Durchmesser gebracht. Ich konnte diese Stange mit einer Hand leicht heben. Trotz ihrer Leichtigkeit hatte sie dabei augenscheinlich eine ziemlich bedeutende Festigkeit.
Sehr leichte Flügelflächen für Modelle können auf folgende Art hergestellt werden:
Man nimmt eine Eschenstange, setzt kammförmig in Abständen von 2-3 cm Mittelrippen von 1-1.2 m Länge ein, und überklebt sie mit Papier, Seide u. dgl. Diese Rippen erhält man aus Blättern ostindischer Palmen, welche auf den Schiffen zur Verpackung überseeischer Güter benützt werden. Aus diesen circa 1-1.2 m langen Blättern wird die Hauptrippe herausgeschnitten und abgeschält. Sie hat eine Stärke von 3-5 mm und spitzt sich nach den Enden hin auf circa 1 mm zu.
Die Elastizität der Materialien spielt beim Bau der Luftschiffe eine bedeutend größere Rolle als anderswo. Die Schrauben-Tragflächen, die mit der Luft in Berührung kommen, erfordern ein inniges Anschmiegen an die Luftmoleküle zur Vermeidung von Wirbelbildungen. Stöße und Erschütterungen sind speziell beim Landen unvermeidlich, weshalb spröde, glasharte Körper nicht in Verwendung kommen dürfen.
Zur Gewichtserleichterung wird es sich fast ausnahmslos empfehlen, die Achsen, Wellen etc. hohl, und von Versteifungsdrähten den ausgedehntesten Gebrauch zu machen.
Auch dieses Kapitel ist noch sehr wenig durchgearbeitet, worauf hier nur kurz verwiesen wird.
Bei den heutigen Maschinen kann das Fundament fast immer sehr massig gemacht werden; auf eine leichte Bauart wird im allgemeinen nur bei den hin- und hergehenden Massen der Dampfmaschinen gesehen, während sonst förmlich eine Verschwendung an Material platzgreift, welches die vielen auftretenden Stöße aufnehmen soll und daher eher gesucht als vermieden wird.
Bei der Flugtechnik ist dies anders, sie wandelt auch auf diesem Gebiete, gleich der Automobilindustrie, neue Bahnen.
In dieses Kapitel gehört auch die Erzeugung des für lenkbare Ballons erforderlichen Traggases. Dieses ist entweder das leichteste aller Gase: Wasserstoffgas, oder: Leuchtgas, oder: Wassergas. Über die Darstellungsart dieser Gase enthält das oben angezogene Buch »Lenkbare Ballons« hinreichende Daten.
Auch heute noch oft angewendet ist die Erzeugung von Wasserstoffgas aus Schwefelsäure durch Fällung mit Eisenfeilspänen. Die Figur 8 zeigt eine schematische Skizze der hierbei erforderlichen Apparate, wie sie der berühmte Luftschiffer Gaston Tissandier bei Füllung seiner Ballons anwendete. Nach und nach wird diese, ich möchte sagen, durch ihren unsinnigen Materialverbrauch barbarische Darstellungsart, immer mehr durch das elektrische Verfahren verdrängt, welches auch den Vorteil hat, das Gas reiner, also tragfähiger und nicht durch arsenikhaltige Beimischungen vergiftet, zu liefern.
Nachdem es heute noch keinen brauchbaren »lenkbaren Ballon« gibt, so müssen wir uns, 118 Jahre nach der Erfindung des Kugelballons durch Montgolfière, oder wenn man will, 193 Jahre nach Bartolomeu Lourenço de Gusmão, welchen manche als ersten Luftschiffer betrachten (weil er sich in Lissabon im Jahre 1709 mit einem Ballon bis an die Decke der Casa del India erhoben hatte) noch immer dieses unbeholfenen Fahrzeuges bedienen, wenn wir unseren Weg durch die Luft nehmen wollen.
Es verlohnt sich der Mühe, eine Reihe von Ballonfahrten, welche innerhalb der letzten acht Jahre — die früheren bemerkenswerten Kugelballonfahrten setze ich als mehr oder weniger bekannt voraus — mit Kugelballons unternommen wurden, hier gesammelt unseren verehrten Lesern vorzuführen.
Ein richtiger Luftsport hat sich, wenigstens bei uns, doch erst in den letzten Jahren entwickelt, wozu die Gründungen der einzelnen Aëroklubs wohl das meiste beigetragen haben.
Ein besonderes Interesse bieten die gelegentlich der letzten Pariser Weltausstellung veranstalteten Ballonwettfahrten. Sie wurden von verschiedenen Gesichtspunkten aus inszeniert und unterscheiden sich je nach dem Zwecke, den sie verfolgen, in:
Im Jahre 1900 fanden von Paris aus, gelegentlich der Wettflüge, 156 Ballonfahrten statt.
Außer Geldprämien wurden künstlerisch von Vernon ausgeführte Plaquettes und von Durois entworfene Medaillen an die Sieger ausgeteilt. Von den schönen Plaquettes geben die Fig. 9 und 10 gute Abbildungen.
Den großen Preis, Plaquette in Gold und 1000 Francs erhielt Graf Henry de la Vaulx. Er erhielt auch die goldene Medaille mit der Inschrift »France-Russie« 30. September - 1. Oktober 1.237 km. — 9.-10. Oktober 1922 km 35 Stunden 45 Minuten für die längste Dauer- und Weitfahrt.
Im gleichen Wettfluge erhielten die vergoldete Silbermedaille: Jaques Balsan, die silberne Medaille: Graf Castillon de St. Victor.
Für die Hochfahrt am 23. September erhielt J. Balsan und sein Gehilfe Louis Godard die goldene Medaille für eine erreichte Höhe von 8417 m.
Bei den Zielfahrten gilt es, mit Kugelballons in der größtmöglichen Nähe eines annähernd in der Richtung des Windes[S. 23] liegenden, vorher gegebenen Punktes zu landen. Es kann dabei auch gefordert werden, in einem oder in zwei Zwischenpunkten zu landen und eine oder mehrere Personen daselbst auszusetzen. Abgesehen davon, daß dies sehr große Ansprüche an den Ballonführer stellt und ihn zwingt, alle seine Kenntnisse für die Lösung der gestellten Aufgabe zu verwerten und dadurch zu einer ganz besonders guten aëronautischen Schule wird, kann dieser Fall auch im Kriege vorkommen. Frankreich ist so glücklich, über sehr viele Fachaëronauten zu verfügen, welche im Ernstfalle ihrer Aufgabe voll und ganz genügen werden.
Für die Zielfahrt mit Zwischenlandung hat das sportliche Ausstellungskomitee folgende Regeln festgestellt:
Der eigentliche Bestimmungsort der Zielfahrt wird in einer Entfernung von Vincennes, dem Auffahrtsorte der Ballons, fixiert, welche der von dem herrschenden Winde in zwei Stunden zurückgelegten Distanz gleich ist. In zwei Dritteln dieser Entfernung wird ein Punkt für die Zwischenlandung bestimmt. Wer nicht zweimal landet, wird disqualifiziert. Die Dauer des Aufenthaltes am ersten Landungsort darf eine Stunde nicht übersteigen.
An den Zwischenlandungsort und an den Bestimmungsort werden von der Jury Kommissäre abgesandt. Die Konkurrenten haben in Bezug auf Ballast und Absetzen von Passagieren gänzlich freie Hand. Auch können sie sich nach der ersten Landung remorquieren lassen, nur müssen sie in diesem Falle auf ihren Zertifikaten die Strecke angeben, wie weit sie sich auf diese Weise transportieren ließen. Ein Konkurrent, der nach der ersten Landung nicht mehr imstande ist, aufzusteigen, wird disqualifiziert.
Diese Zielfahrten sind eine wichtige Probe für die Tüchtigkeit des Luftschiffers und kann ihre Ausübung, solange wir noch keinen lenkbaren Ballon besitzen, besonders den Militärluftschiffern, nicht warm genug empfohlen werden.
Am 15. Juli 1900 gab es die erste Zielfahrt, an der elf Ballons teilnahmen. Jedem waren nur zwei Stunden Fahrt gestattet. Erster wurde Geoffroy, welcher 400 m weit vom Ziele zur Erde kam, Zweiter wurde Graf de la Vaulx, der 800 m entfernt vom Ziele landete, und Dritter Graf Castillon de St. Victor, welcher 7 km vom Ziele entfernt blieb.
Bei der am 16. September 1900 von Vincennes bei Paris aus unternommenen Zielfahrt, konnte sich jeder Konkurrent[S. 24] selbst sein Ziel aussuchen. Diesem kam de La Valette mit seinem Ballon »Ariel« am nächsten. Er landete in »Le Prieuré« 800 m vom Ziele.
Die vielumstrittene Zielfahrtkonkurrenz mit Zwischenlandung, welche am 19. August 1900 von Vincennes aus stattfand, gestaltete sich sehr interessant. Um die Leistungen der Konkurrenten zu vergleichen, zog die Jury auf der Generalstabskarte sowohl um den Zwischenlandungsort Dammartin-en-Goële wie um das Endziel Nanteuil-le-Haudoin Zonen, und zwar die erste mit einem Halbmesser von 10 km; die Radien der weiteren Zonen wuchsen um je 5 km. Neunzehn Fahrten waren so einzuteilen, während drei Konkurrenten disqualifiziert wurden, weil sie den Fahrtbedingungen nicht entsprachen. Faure war der einzige, der bei der Zielfahrt vom 19. August sowohl in der Gemeinde des für die Zwischenlandung bestimmten Ortes, als in der zum Ziel gewählten Gemeinde gelandet ist. Er hat, um Dammartin zu erreichen, nicht gescheut, eine günstige Luftströmung in 3000 m Höhe aufzusuchen. Jacques Faure war der Erste mit der besten Gesamtleistung, Zweiter wurde Graf de La Vaulx und Dritter Mr. Pietri.
Eine sehr interessante in dieses Kapitel gehörige Fahrt machte M. Carton vor einigen Jahren nach einem genau nördlich von Paris gelegenen Schlosse der Ehrenlegion in Ecouen. An dem Tage, an welchem diese Fahrt stattfand, wurden zwei verschiedene, übereinander liegende Strömungen ausgelotet. In den unteren Regionen strömte die Luft von Süd-West nach Nord-Ost und in größeren Höhen von Süd-Ost nach Nord-West. Die beiden Strömungen bildeten also fast einen rechten Winkel miteinander. M. Carton stieg in seinem kleinen, bloß 400 m3 fassenden Ballon »Gay-Lussac« mit nur vier Säcken Ballast auf. Er wurde zuerst von der unteren Strömung nach Nord-West getragen. Durch Auswurf von 12 kg Ballast traf er in einer Höhe von 1200 m die Nord-Ost-Strömung. Durch mehrmaligen Übergang aus den höheren in die tieferen Schichten gelang es Carton, sich Ecouen bis auf ungefähr 2 km zu nähern. Er sah bereits den für die Landung festgesetzten Zielpunkt vor sich liegen, merkte aber gleichzeitig, daß bei der Beibehaltung des unteren Kurses der Ballon ungefähr 500 m westlich vom Zielpunkte niedergehen würde; rasch entschlossen warf Carton einen halben Sack Ballast aus und erhob sich nochmals auf eine Höhe von 1200 m, ließ sich durch den Südostwind einige[S. 25] Minuten in der Richtung zum Schlosse hin abtriften und landete genau im Schloßhofe, der als Ziel bestimmt wurde!
Interessant ist auch die Fahrt, welche M. Carton am 14. Juli 1892 in dem 800 m3 fassenden Ballon »Urania« von Calais aus unternahm; er wollte den Ärmelkanal überfliegen und in England niedergehen. Der in den unteren Schichten der Atmosphäre herrschende Südwind trug aber den Ballon in die Nordsee hinaus, und an die Möglichkeit einer Landung in England war absolut nicht zu denken. Vor seiner Auffahrt hatte M. Carton die, wie sich zeigen wird, sehr wertvolle[S. 26] Beobachtung gemacht, daß die Cirruswolken von Nord-Nord-Ost nach Süd-Süd-West zogen. Da eine Landung mitten im Meere bei dem eingeschlagenen Kurse unvermeidlich schien, setzte M. Carton alles daran, um die obere Strömung zu erreichen; er warf so lange Ballast aus, bis er in einer Höhe von etwa 4000-4200 m die süd-süd-westliche Strömung erreichte, welche ihn wieder an die französische Küste zurücktrug. Nach Verlauf von drei Viertelstunden erfolgte die Landung sehr glatt beim Kap Gris-Nez.
Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, daß der derzeitige Präses des Wiener Aëroklubs, Viktor Silberer, wiederholt sehr gute Zielfahrten absolviert hat, so unter anderem am 11. September 1889, wo er den bekannten Sportsman Herrn Nikolaus von Szemere im Ballon vom Aufstiegplatze auf der Feuerwerkswiese im Prater direkt zu der Vollblutlizitation in der Freudenau, und zwar genau mitten unter die versammelten Turfmen in den engen, schmalen Hof des Etablissements Weißhappel, wo die Versteigerung stattfand, brachte. Herr von Szemere stieg dort aus, mit den übrigen Insassen des Ballons wurde aber die Reise fortgesetzt.
Die Fig. 11 gibt ein Bild des aëronautischen Parks von Vincennes, wo eben Monsieur Nirolleau auffährt, während ein anderer Ballon im Abwägen begriffen, nach einigen Minuten dem ersten Ballon in das Reich der Lüfte folgt.
Wir leben am Grunde eines gewaltigen Luftmeeres, gegen welches das Wassermeer, was den Rauminhalt betrifft, fast verschwindet. Je höher wir steigen, desto dünner wird die Luft, desto ungeeigneter unser Organismus, unter diesen Verhältnissen zu existieren.
Die Höhe der Luftsäule beträgt wohl über 100 km (bis gegen 130 km) — die genaue Höhe anzugeben, wird trotz aller wissenschaftlichen Methoden, welche dazu angewendet werden, diese zu erforschen, niemals gelingen — aber schon in einer Höhe von circa 5000 m ist die Dichte der Luft so gering, daß bei jedem Atemzuge nicht mehr jenes Quantum Sauerstoff der Lunge zugeführt wird, das für die normale Respiration unbedingt erforderlich ist. Die Folgen der ungenügenden Sauerstoffzufuhr sind beängstigende Atembeschwerden, Schwindel und Erbrechen; auch nimmt die Muskel[S. 27]kraft sehr bedeutend ab; die Aëronauten werden schließlich ganz apathisch und sind kaum noch imstande, die Ventilleine zu ziehen.
Um diesen Gefahren zu entgehen, wendet man jetzt die Sauerstoffinhalation an. Der Sauerstoff wird in stark komprimiertem Zustande in einem Metallgefäße mitgenommen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die direkte Einatmung reinen Sauerstoffes durch den Mund mit Hilfe eines Kautschukschlauches, welcher mit dem Sauerstoffgefäße verbunden ist, gewisse Nachteile besitzt. Die meisten Menschen atmen nämlich in normalen Fällen nicht durch den Mund, sondern durch die Nase. Der durch den Schlauch in die Mundhöhle geleitete Sauerstoff gelangte infolgedessen nur teilweise in die Lungen, und die Atmung der Luftschiffer verbesserte sich deshalb oft nur sehr wenig.
Der Cailletetsche Inhalationsapparat soll nun diesem Übelstande abhelfen. Der Apparat besteht im Wesen aus einer Stahlflasche, welche mit flüssigem Sauerstoff gefüllt ist. In diesen Sauerstoffbehälter münden zwei Kautschukschläuche; an dem einen derselben ist ein kleiner Kautschukballon angebracht, wie solche allgemein zur Zerstäubung von Flüssigkeiten verwendet werden; das andere Kautschukrohr endigt unter einer Maske. Diese besteht aus einem dünnen Aluminiumbleche, welches innen mit Samt gefüttert ist und den Zweck hat, ein Anfrieren der Maske an die Haut zu hindern, was bei der niedrigen, in großen Höhen gewöhnlich herrschenden Temperatur, leicht möglich wäre. Die Maske bedeckt nur Nase und Mund, so daß die Augen frei bleiben, und wird mit Bändern, die sich am hinteren Teile des Kopfes schließen, befestigt. Der Apparat funktioniert in folgender Weise: Zuerst wird durch den kleinen Kautschukballon in das Gefäß, in welchem sich der flüssige Sauerstoff befindet, Luft eingetrieben und hierauf der Hahn, welcher das andere Kautschukrohr abschließt, geöffnet. Der Sauerstoff, welcher in Gasform aus dem Gefäß entweicht, tritt zunächst gemischt mit Luft in ein schlauchartiges, größeres Reservoir und gelangt aus diesem unter die Maske. Die Beimischung von Luft ist deshalb notwendig, weil der Sauerstoff, rein eingeatmet, Angstgefühle und Üblichkeiten erzeugt.
Graf Castillon berichtet: »Ich habe die Maske fast zwei Stunden lang anbehalten und atmete während dieser Zeit Sauerstoff mit einem gewissen Zusatze gewöhnlicher Luft ein. Dank dieser Vorrichtung befand ich mich fortwährend ganz[S. 28] wohl, während meine Genossen, welche den Sauerstoff in der bisher üblichen Weise einatmeten, leidend waren.«
Am 24. Juni 1900 fand in Paris die erste Ballonhochwettfahrt statt, an der acht Ballons teilnahmen. Die Luftschiffer hatten 25% des Kubikinhaltes in Kilogramm als Ballast zur Verfügung. Hierbei erreichte Balsan als Erster eine Höhe von 5500 m, Faure als Zweiter eine solche von 4250 m. Es sind dies sehr mäßige Ergebnisse.
Bei der ersten Hochwettfahrt waren 25% des Ballonvolumens (in Kubikmetern) als verfügbarer Ballast (in Kilogramm), bei der zweiten Hochwettfahrt 20% gestattet; der zur Regelung des Auftriebes nötige, übrige Ballast durfte nicht zum Auswerfen verwendet, sondern mußte in den plombierten Säcken nach Vincennes zurückgebracht werden.
Die Ballons der ersten Serie sollten nach den Programmbestimmungen keine zu ungleichen Volumina besitzen.
Der Auftrieb wurde mit 1% festgesetzt.
Jeder Teilnehmer führte zwei Höhenbarometer mit sich, eines, welches die Höhen bis 5000 m, ein zweites, welches die Höhen zwischen 2000 und 6000 m angibt.
Die Fig. 12 zeigt den Vorgang bei der Füllung von Ballons im aëronautischen Park von Vincennes bei Paris gelegentlich der Ballonwettfahrten.
Der rechte Ballon wurde eben zu füllen begonnen, während der rückwärtige Ballon schon halb voll ist.
Die Fig. 13 zeigt drei zur Auffahrt bereite, vollgefüllte Ballons. Mit diesen Ballons lassen sich aber keine großen Höhen erreichen, weil das Gas keinen Raum hat, sich auszudehnen.[S. 29] Will man hoch steigen, so muß man mit halbgefüllten Ballons auffahren. Diese dehnen sich während des Aufstieges von selbst immer mehr und mehr aus, weil die Luft oben dünner ist und auch das Gas dünner wird, also Raum zu seiner Ausdehnung haben muß. In der Tat gelangten die Ballons bei den ersten Hochfahrten, weil sie zu voll gefüllt waren, nicht in besonders große Höhen.
Am 29. Juli 1900 fand die zweite Hochwettfahrt statt. Das Wetter war vor der Abfahrt sehr ungünstig; durch starken Regen wurde die Manipulation der Füllungen stark gehemmt.
Diesmal verlegten sich die Aëronauten nicht, wie bei der ersten Hochwettfahrt, aufs Warten, sondern sie trachteten, durch sofortiges Auswerfen von Ballast sobald wie möglich in große Höhen zu kommen und noch denselben Abend zu landen. Die Leistungen waren demzufolge auch im allgemeinen besser als am 24. Juni, doch blieb der damalige Sieger Balsan diesmal um 300 m hinter seinem eigenen Rekord zurück.
Bei der dritten Ballonhochwettfahrt am 23. September wurden schon bessere Resultate erzielt. Von den zwölf Konkurrenten erreichte Balsan eine Höhe von 8357 m, Juchmès als Zweiter eine solche von 6817 m und Graf de La Vaulx eine Höhe von 6769 m. Die Höhen sind in dem Berichte bis auf Meter genau angegeben. Es ist dies aber ein Irrtum, weil es gegenwärtig noch nicht möglich ist, die Höhe mehr als auf 20-30 m genau zu bestimmen.
Bei dieser Fahrt war Balsan von Godard begleitet. Die große Entschlossenheit, welche beide Aëronauten hierbei gezeigt haben, ist von Interesse. Bei jeder Hochfahrt wird, wie oben berichtet wurde, reiner Sauerstoff in eigenen Tuben mitgenommen, welcher in größeren Höhen zum Teil permanent eingeatmet werden muß; dies weist schon auf den gefährlichen Charakter der Hochfahrten hin, bei denen Ohnmachten nicht selten vorkommen. Auch Balsan wurde von diesem Schicksal erreicht. Als er in Ohnmacht gefallen war, flößte ihm Godard aus seinem eigenen Sack Sauerstoff ein;[S. 31] Balsan erwachte darauf und fand nun Godard in Ohnmacht; er sprang ihm in derselben aufopfernden Weise bei. Für den bewiesenen Mut wurde Balsan ein Separatpreis — eine goldene Medaille — zugesprochen. Mit einer gleichen Medaille wurde Balsans Begleiter, Louis Godard, ausgezeichnet. Balsans Fahrt reichte nahe an die vielbesprochene Hochfahrt von Sivel, Crocé-Spinelli und Gaston Tissandier heran, der Fahrt, welcher die beiden Erstgenannten am 15. April 1875 zum Opfer fielen. — Balsans Notizen entnahm ich noch Folgendes:
»Um 3 Uhr 55 Minuten erreichen wir 5800 m mit einem Ballastvorrat von 400 kg. Wir fühlen uns unwohl. Die Zahl der Pulsschläge ist von 67 auf 81 gestiegen; wir halten nasse Tücher vor den Mund. Unsere Gesichtsfarbe ist blaß; wir sehen trübe. Wir führen drei Sauerstoffsäcke mit uns. Es ist beschlossen, daß, wenn einer ohnmächtig würde, sofort der Andere die Ventilleine ziehen solle.
Um 4 Uhr 18 Minuten schweben wir auf 6450 m. Die blasse Farbe und das Unwohlsein sind mehr oder minder verschwunden. Wir atmen beide Sauerstoff ein; sobald ein Sack leer wird, füllen wir ihn gleich wieder aus dem Cylinder mit Sauerstoff. Wir werfen zwei Säcke Ballast aus.
Um 4 Uhr 20 Minuten zeigt das Barometer 6690 m an. Es ist sehr kalt; die Temperatur beträgt 18°-20° unter Null. Wir werfen noch zwei Säcke aus und kommen um 4 Uhr 24 Minuten auf 6820 m.« —
Für einen Montgolfièren-Wettbewerb, welcher für den 1. Juli festgesetzt war, sind keine Nennungen erfolgt. Diese Konkurrenz mußte demnach entfallen.
Als Rekordhochfahrt wird noch immer von vielen diejenige von James Glaisher mit dem Aëronauten Coxwell am 5. September 1862 von Wolverhampton aus unternommene Fahrt betrachtet, bei der sie angeblich 11.000 m hoch kamen.
Aßmann hat nachgewiesen, daß die Instrumente, deren sich Glaisher bediente, ganz unrichtige Resultate ergaben.
Die einwandfreie größte Höhe, die von einem Menschen je erreicht wurde, beträgt 10.500 m. Sie wurde von dem in Berlin lebenden Österreicher A. Berson und von Dr. R. Süring am 31. Juli 1901 mit dem Ballon »Preußen« erreicht.
Dieser von der Continental Kautschuk- und Guttapercha-Compagnie in Hannover erbaute, 8400 m3 fassende Ballon ist Eigentum des aëronautischen Observatoriums des königlich preußischen Institutes in Potsdam, welches ihn vom Bau[S. 32]meister Enders zum Geschenk erhielt. Se. Majestät, der deutsche Kaiser widmete 10.000 Mark für die damit anzustellenden Experimente.
Über die Fahrt selbst berichtet Berson Folgendes:
»Um 10 Uhr 50 Minuten erhob sich der Ballon bei ganz schwachem Nordwind und heiterer sommerlicher Witterung. Mit einer Vertikalgeschwindigkeit von rund 1 1/2 m per Sekunde stieg er, bis er bei 4500 m prall voll war; von jetzt an wurden in kurzen Intervallen meist zwei Säcke gleichzeitig[S. 33] abgeschnitten und dadurch ein für die meteorologischen Ablesungen sehr günstiges stufenweises Emporgehen erzielt. Die Luft war nach unten sehr klar, jedoch hinderten zahlreiche kleine Kumuli, die sich am Horizont zu einer festen Mauer zusammenschlossen, die weite Fernsicht, welche in der Maximalhöhe bei idealen Verhältnissen ein Areal von etwa dem Umfange des Königreiches Preußen hätte umfassen können. Die Cirrusbewölkung nahm im Laufe des Tages zu, die Sonnenstrahlung war infolgedessen relativ gering; über 10.000 m befanden wir uns ungefähr in gleichem Niveau mit den Cirren. Diese Beobachtung wird durch die Wolkenhöhenmessungen am Potsdamer Observatorium bestätigt.
Da alle körperlichen Arbeiten im Korbe möglichst eingeschränkt wurden, war unter 6000 m ein Bedürfnis nach Sauerstoffatmung kaum vorhanden; trotzdem wurden alle Vorkehrungen zum Schutze gegen die großen Höhen recht frühzeitig getroffen. Bis gegen 9000 m war in dieser Weise der Zustand relativ behaglich; jedoch machte sich zuweilen — zum Teil wohl gerade begünstigt durch die Bequemlichkeiten im Korbe — etwas Schlafbedürfnis geltend, das sich vollkommen ungezwungen durch die vorangegangene kurze Nachtruhe von kaum 3-4 Stunden und den ermüdenden Aufenthalt auf dem Ballonplatze seit 6 Uhr früh erklären läßt. Diese Müdigkeit ging jedoch allmählich in eine nicht unbedenkliche Apathie, in ein vorübergehendes, unbeabsichtigtes Einschlummern über, von dem man sich allerdings durch Aufruf oder Schütteln erweckt, sofort wieder völlig erholte, so daß alsdann die Beobachtungen mit etwas Überwindung, aber doch ohne besondere Anstrengung ausgeführt werden konnten. Das Einsaugen von Sauerstoff erwies sich zur vollen Belebung als ganz ausreichend. Irgendwelche schwere Bewußtseinsstörungen oder Krankheitssymptome traten bei beiden Insassen bis zur letzten Beobachtungsreihe in 10.250 m Höhe nicht ein, Quecksilber-Barometer und Aneroïd ließen sich bis auf Zehntel-Millimeter ablesen; das Bild des Aspirations-Psychrometers erschien im Fernrohr ganz klar und machte — trotzdem es umgekehrt war — keine Schwierigkeit bei der Ablesung; die Notizen sind von denen in geringerer Höhe in der Schrift kaum verschieden. Die Erschöpfung bei körperlicher Arbeit, z. B. dem Aufziehen des Uhrwerkes am Psychrometer, Aufsteigen auf den Sitzkasten des Korbes, oder dem Durchschneiden einer Leine, nahm dagegen rapid zu.«
Über 10.250 m sind die Vorgänge den Teilnehmern nicht mehr völlig klar. Jedenfalls zog Berson, als ihm der Schlafzustand bei Süring bedrohlich erschien, zweimal das Ventil und zwang dadurch den Ballon zum Abstieg, brach jedoch dann ohnmächtig zusammen. Vor oder nach diesem Ventilziehen versuchte auch Süring in lichten Augenblicken seinem schlafenden Kollegen durch verstärkte Sauerstoffatmung aufzuhelfen, aber vergebens. Schließlich werden vermutlich beide Insassen ihre Atmungsschläuche verloren haben und dann in eine schwere Ohnmacht gesunken sein, aus welcher sie ziemlich gleichzeitig bei etwa 6000 m wieder erwachten.
Die Maximalhöhe, welche der Ballon erreicht hat, läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Nach dem Barographen wären mindestens 10.800 m erreicht; jedoch war die Tinte eingefroren, so daß die Aufzeichnungen über 10.000 m derartig lückenhaft und schwach sind, daß man sie nicht als einwandfreies Dokument gelten lassen kann.
Unmittelbar vor dem Ventilziehen las Berson mit schnellem Blick am Quecksilber-Barometer einen Stand von 202 mm ab, was einer Höhe von rund 10.500 m entspricht. Der Ballon befand sich aber noch im Steigen, denn es waren eben vorher zwei Sandsäcke abgeschnitten. Jedenfalls ist man berechtigt mindestens 10.500 m als Maximalhöhe anzunehmen. Die Temperatur betrug bei 10.000 m -40° C.; es ist das ein wenig wärmer, als für diese Höhe im Juli normal sein dürfte. Es muß übrigens betont werden, daß nach der noch vorhandenen Ballastmenge, der »Preußen« unter genügender[S. 35] Reservierung von Abstiegsballast, noch sicher 1000 m mehr erreichen konnte, also eine Maximalhöhe von 11.500 m bis 12.000 m.
Damit jedoch Menschen in so großen Höhen dauernd ungefährdet verweilen können, ist außer Sauerstoffatmung noch die Mitnahme einer hermetisch abgeschlossenen Ballongondel erforderlich, welche nur mit großem Gewichtsaufwand hergestellt werden kann. Dies führt uns aber auch hier zum Gebrauche von Riesenballons von etwa 10.000-15.000 m3. Daß es höchst gefährlich erscheint, in solche Höhen vorzudringen, braucht man kaum besonders zu betonen. Mit Recht bewundern wir den Mut und die Energie, mit welcher die Männer der Wissenschaft in derem Dienste, gleich Soldaten im Felde, ihr Leben zum Wohle der Menschheit aufs Spiel setzen.
Die weiteste Luftreise, welche bis vor drei Jahren gemacht wurde, war durch Jahrzehnte jene geblieben, welche 1870 während der Belagerung von Paris der Ballon »La ville d'Orléans« vollbrachte, mit dem die beiden Franzosen Paul Rolier und Deschamps von Paris bis nach Norwegen kamen.
Im Jahre 1899 haben zwei Herren des Pariser Aëro-Klubs eine Fahrt unternommen, mit der sie die obige Leistung überboten, indem sie von Paris aufstiegen und bis nach Schweden kamen, wobei die von ihnen zurückgelegte Strecke größer war als jene im Jahre 1870. Die Herren, welche diese besonders weite Ballonfahrt vollführten, sind: Graf de Saint-Victor und M. Mallet. Über ihre Reise lieferten sie folgenden interessanten Bericht:
»Wir sind mit unserem 1600 m3 fassenden Ballon »Centaure« Samstag, den 30. September 1899 um 1/4 7 Uhr abends aufgefahren. Das Wetter war an jenem Tage nicht ermutigend; schon der Vormittag war schlecht, ebenso ein Teil des Nachmittags, so daß wir uns kaum recht an die Füllung trauten. Die vom meteorologischen Amt herausgegebene Karte brachte, wie gewöhnlich, nur ziemlich unbestimmte und unvollkommene Angaben über die atmosphärischen Verhältnisse.
Um 3 Uhr nachmittags besinnt sich das Barometer endlich und steigt ein wenig, die Witterung scheint sich auf[S. 36]heitern zu wollen, der Wind läßt nach, und so entscheiden wir uns denn.
Wir nahmen außer unserem Proviant und den Instrumenten auch drei Schleifleinen in den Korb mit, deren Längen 90, beziehungsweise 50 und 35 m betragen, dann einen Anker und 400 kg Ballast. Wir verzichteten aber auf Wasseranker und Flaschenposten, da sie uns für die kurzen Überfahrten, die wir beabsichtigten, nicht nötig erschienen.
Nach der Abfahrt erhebt sich der „Centaure“ alsbald in eine Höhe von 500 m, die er übrigens auch während der Nacht annähernd beibehält. Die Fahrtrichtung ist Nord-Ost. Der Himmel hellt sich auf, und bald zeigen sich alle Sterne. Doch Eines beunruhigt uns: am nördlichen Horizont bemerken wir in kurzen Zwischenräumen Wetterleuchten, welche Erscheinung übrigens bis Mitternacht völlig verschwunden war. In rascher Fahrt geht es über Compiègne, Noyon und St. Quentin hinweg; dann ändert sich die Natur: ringsumher strahlen die Lichter der Städte, Fabriken und der Hochöfen; die Tätigkeit der Menschen gibt sich lärmend kund.
Jetzt kommen wir über die Grenze. Drei Schüsse belehren uns darüber, daß uns die Grenzwache signalisiert. Der[S. 37] »Centaure« aber kümmert sich nicht um Grenzen, Wache und Verwaltung; er setzt ruhig seine Reise fort. Nach und nach wird es dunkel; Lichter und Lärm sind hinter uns verschwunden. Jetzt spiegeln sich plötzlich die Sterne auf der Erde, in breiten Kanälen: wir müssen in Holland sein. Es ist ein merkwürdiger Dekorationswechsel, den wir da sehen. Wirklich ein ergreifender Effekt! Und jetzt weite, überschwemmte Flächen; wir setzen über einen Fluß, jedenfalls ist es der Rhein, und nun wieder unermeßliche, öde, zum Teil mit Wasser bedeckte Ebenen.
Um 1/2 5 Uhr beginnt es Tag zu werden; die Landschaft ändert sich nicht; aus dem Plan entnehmen wir, daß wir uns über den Moorländern von Hannover und Oldenburg befinden.
Wir fliegen mit einer Schnelligkeit von mehr als 100 km; das Aneroïd zeigt 500 m Höhe, das Thermometer zeigt 6° Wärme.
Wir geben uns ganz den Eindrücken der pfeilschnellen Fahrt hin, sorgenlos und vertrauend auf unseren Ballon und die vielen Säcke Ballast.
Wir fliegen noch immer nach Nord-Ost, müssen also die Eventualität einer Meerfahrt ins Auge fassen. Wir erwägen die Chancen, und bald sind wir entschlossen: wenn es darauf ankommt, setzen wir übers Meer hinweg. Wir erkennen den Hafen von Bremen, wir kommen über die Elbe.
Endlich bemerken wir in der Ferne eine graue Färbung, die sich dann in Blau verwandelt; nach und nach können wir deutliche Umrisse einer Küste unterscheiden. Wir haben die Ostsee vor uns. Links, 20 km von uns entfernt, liegt ein Hafen; wir schauen mit dem Fernrohr hin und erkennen an den Kriegsschiffen den Kieler Hafen.
Um 9 Uhr geht der »Centaure« über die Meeresfläche, wieder nicht achtend der Hindernisse und Gefahren. Wir hören das dumpfe Läuten einer Turmglocke, Barken lösen sich vom Ufer los und scheinen uns zu Hilfe kommen zu wollen, während wir in unserer Gondel auf das Gelingen der Überfahrt lustig Champagner trinken. Die Feuchtigkeit und die Kälte ober dem Meere verdichten in kurzer Zeit das Gas, wodurch der Ballon rasch ins Fallen kommt. Wir haben uns aber für diesen Umstand vorgesehen, der Ballast ist bereit. Wir hemmen also das Sinken bei 400 m über dem Meer. Der Ballon steigt nun und bekommt sein Gleichgewicht in einer Höhe von 1500 m.
Wir haben eine Insel passiert; jetzt sehen wir ringsumher die blaue Unendlichkeit, nur links am fernen Horizont einen gelben Streif; das muß die Insel von Kopenhagen sein. Wir bewundern diese ewig schöne Szene auf hoher See, ein Bild, das von 2000 m Höhe noch feenhafter erscheint; das Auge verliert sich in der Unendlichkeit.
Das Meer kommt uns wie ein riesenhafter Spiegel vor, in dem sich unser Ballon abbildet.
Mit dem Fernglase werden wir einiger Schiffe gewahr, die wie Kinderspielzeuge aussehen. Hier bei diesem mächtigen Anblick tritt es uns so recht vor Augen, wie schwach wir sind, anvertraut einem gebrechlichen Weidenkorb und den blinden Elementen. Von unserer Träumerei werden wir durch die Wolken erweckt, die sich jetzt bilden; es sind leichte Flocken, die zerfließen, sich wieder formen, sich ballen; die Flocken tun sich zusammen, sie verdichten sich schließlich — wenn ihrer nur nicht zu viele werden!
Glücklicherweise erlauben uns zahlreiche Lücken in der Wolkenschichte, das Meer zu beobachten.
Endlich erblicken wir Küsten, denen wir uns rapid nähern; nach dreieinhalbstündiger Überfahrt schwebt der »Centaure« ober dem Schwedenlande und setzt seine Reise in der gleichen Schnelligkeit fort. »Immer vorwärts« so scheint er uns zuzurufen. Die Wolken vermehren sich; um sie zu meiden, müssen wir uns auf eine Höhe von 3000 m begeben, welche die Maximalhöhe unserer Reise darstellt.
Nur in seltenen Zwischenräumen ist es uns vergönnt, die Erde zu sehen; wir bewundern dann die Seen und die Waldungen, die dem Lande den sanften, lieblichen Charakter verleihen. Mehr als vier Stunden schwebt der »Centaure« so dahin, bis sich die Wolken in dem Augenblick, wo sich die Sonne schon unter den Horizont neigt, verlieren und wir dadurch freien Ausblick gewinnen: wieder das Meer. Eine Insel in der Ferne gibt uns über unsere Position Aufschluß.
Sollen wir noch einmal unser Glück versuchen? Sollen wir uns übers Meer wagen? Von dem Ballast bleiben uns noch 24 kg, aber die Lebensmittel sind bald zu Ende; es bleiben nur noch eine Leberpastete und eine Flasche Champagner. Mit der Richtung, in der wir uns bewegen, müßten wir die Ostsee in ihrer ganzen Länge überqueren und im nördlichen Finnland, in diesen verlassenen Sümpfen, niederkommen. Nein, diesmal würden wir keinen Erfolg haben; sehr bewegten Gemütes entschließen wir uns zur Landung.
Wir suchen geeignete Flächen, sehen aber nur Wälder. Doch das Meer kommt näher, wir müssen hinunter; schon einige Male sind wir über Wasser, über die Arme eines Fjords geflogen. Also nicht lange besinnen; wir ziehen auf gut Glück die Ventilleine, lassen beide Schleifleinen, die wir bis jetzt nicht gebraucht haben, hinunter, ebenso den Anker. Unser Korb senkt sich weich in die Zweige einer prachtvollen Tanne nieder. Der Ballon legt sich zur Seite; eine zweite Tanne durchdringt ihn teilweise. Ohne jeden Stoß ist die Landung vor sich gegangen.
Allerdings erübrigt es uns noch, von dem gastlichen Baum herunterzugelangen. Wir verlassen die Gondel und beginnen unseren Abstieg auf den Ästen. Mit vieler Mühe und mit dem Gefühle, daß der Baum recht hoch sei, klettern wir; endlich sind wir unten. Die Nacht ist eingebrochen, wir müssen menschliche Wohnungen finden. Wir irren im Walde umher, aber umsonst; wir finden nicht einmal einen Weg. Nach einer halben Stunde Suchens waren wir stark ermattet, und mit einer gewissen Angst fragten wir uns, ob wir denn noch einmal auf unseren Baum hinauf sollten, um im Korbe die Nacht zu verbringen.
Endlich sehen wir mit großer Freude in der Dunkelheit einige Laternen funkeln. Wir rufen, man antwortet uns; es ist eine brave Schwedenfamilie, die uns zu Hilfe gekommen ist. Die Leute gestikulieren lebhaft und glauben, es sei Andrée, der wiederkehre, so sehr hoffen sie darauf, ihren mutigen Landsmann eines Tages zurückkommen zu sehen. Wir enttäuschen sie leider. Nichtsdestoweniger nehmen sie uns gastfreundlich auf.
Den nächsten Morgen benützten wir dazu, den Ballon von den Bäumen herunterzuholen und uns in die nächste Stadt zu begeben, den Hafen Vestewick, wo uns zahlreiche Reporter erwarten und wir großartig empfangen werden. „Vive la France!”
Wir waren 23 1/4 Stunden in der Luft gewesen und haben den Weltrekord geschlagen, indem wir 1330 km zurücklegten.«
In den Weitfahrten stehen die Franzosen obenan.
Gelegentlich der Ballonwettfahrten im Jahre 1900 fand am 12. August die erste Weitfahrt statt, wobei sieben Ballons starteten. Sieger wurde Juchmès mit dem Ballon »Touring-Club«, [S. 40]zweiter: Graf Castillon de St. Victor. Dadurch, daß der Wind in der Richtung zum Atlantischen Ozean wehte, wurde den Fahrten ein vorzeitiges Ziel gesetzt.
Am 9. September 1900 fand die zweite Weitfahrt statt, bei der 14 Ballons starteten. Sieger wurde Graf de La Vaulx, der 473 km in 22 Stunden zurücklegte. Zweiter wurde Balsan, Dritter: Faure.
Am 30. September 1900 erfolgte wieder eine Weitfahrt, an der zehn Ballons teilnahmen, eine Konkurrenz, welche in Bezug auf die allgemeine Durchschnittsleistung ein großartiges Resultat ergab. Diese Ballons landeten nämlich in Rußland, in Preußen, in Russisch-Polen, in Schleswig-Holstein, in Holland und in Westfalen. Balsan kam nach Danzig, Graf de La Vaulx nach Rußland, nur Contour landete in ganz entgegengesetzter Richtung, in Hâvre, was auf die in verschiedenen Höhen verschieden wehenden Winde weist — eine Erscheinung, mit welcher der wissenschaftlich gebildete Luftschiffer rechnet.
Bei der kombinierten Weit- und Dauerfahrt vom 9. September überflog Graf de La Vaulx in 35 Stunden 45 Minuten von Paris aus ganz Deutschland seiner geographischen Länge nach und landete in Kiew. Er legte die[S. 41] 1925 km lange Linie in 35 Stunden 45 Minuten zurück, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 41 Stundenkilometern oder 11·4 m per Sekunde entspricht. Über diese hochinteressante Fahrt des Ballons »Centaure« und die seines nächsten Konkurrenten des »Saint Louis«, geführt von Jacques Balsan, der in 27 Stunden 15 Minuten 1350 km zurücklegte, werden folgende interessante Daten berichtet:
Das verwitterte Logbuch des »Centaure« zeigt in den Eintragungen dieser Fahrt als größte Höhe 5200 m, als niedrigste Temperatur 24 Zentigrade unter Null. 24 Stunden nach der Auffahrt brechen die Notierungen ab; eine von Graf de La Vaulx und Graf Castillon unterschriebene Bemerkung sagt, daß die beiden Aëronauten die Aufzeichnungen wegen der arktischen Kälte und des Schlafbedürfnisses nicht mehr fortsetzen können. Mehrere Male erhob sich der Ballon auf 5000 m. Jedesmal, wenn 4000 m erreicht waren, begannen die Luftschiffer Sauerstoff zu inhalieren, wovon sie einen ziemlichen Vorrat mitgenommen hatten. Nach 35 3/4 Stunden ununterbrochenen Wachens entschlossen sie sich zu landen, obwohl sie noch 2 1/2 Säcke Ballast und viel Proviant besaßen. Sie hätten außer den 2 1/2 Säcken Sand auch Seile und andere schwere Gegenstände auswerfen und auf diese Weise weiterfahren können. Sie waren aber begreiflicherweise durch die lange, anstrengende Fahrt ganz erschöpft und beendeten darum ihre Reise. Sie landeten glücklich drei Werst von Korostischew.
Der »Centaure« hatte infolge seiner partiellen Füllung mit Wasserstoff (1400 m3 Wasserstoff, 200 m3 Leuchtgas) eine große Hubkraft, nämlich 1680 kg; dadurch ist es den Aëronauten möglich gewesen, 1100 kg Ballast mitzunehmen, während Jacques Balsans Ballon »Saint-Louis« (3000 m3), welcher viel größer ist als der »Centaure« (1630 m3), aber mit Leuchtgas gefüllt war, eine Tragkraft von 2100 kg besaß und nur 1120 kg hochnehmen konnte. Der »Saint-Louis« hat also im Verhältnis bedeutend weniger Ballast mitgenommen als der »Centaure« und man muß diesen Umstand zur Beurteilung von Balsans Leistung mit in Rechnung ziehen.
Von der Fahrt des »Saint-Louis« erzählt Louis Godard, Balsans Begleiter, Folgendes:
»Gegen 7 Uhr morgens (10. Oktober) erreichte der »Saint-Louis« Koblenz, nachdem er die Nacht hindurch in[S. 42] einer Höhe von 1400-1600 m gefahren war. Die Sonnenhitze brachte den Ballon auf 4000 m. Wir sahen den „Centaure” aus einer Wolke vor uns herausragen, und die zwei Ballons wanderten nun den ganzen Tag über miteinander. Der »Saint-Louis« verlor eine Menge Ballast infolge von Temperaturschwankungen, hervorgerufen durch häufige Verdunkelung der Sonne durch Wolken.
Um 3 Uhr nachmittags schwebten der »Saint-Louis« und der »Centaure« in einer Höhe von etwa 6000 m und waren voneinander kaum 12 km entfernt. Balsan machte alle möglichen Versuche, um die hohen Schichten zu vermeiden, denn unser Sauerstoffvorrat ging zur Neige. Wir arbeiteten den ganzen Tag und hatten kaum Zeit zu essen. Um 4 Uhr gelangte der »Centaure« in eine neue Luftströmung, welche ihn bald unseren Blicken entführte.
Wir kamen darauf in die Nachbarschaft von Posen oder Breslau. Es blieben uns kaum 90 kg Ballast übrig. Der Ballon schien sich in 500-700 m Höhe langsam zu bewegen. Die Nacht brach herein.
Wir setzten über die deutsch-russische Grenze, doch nicht ohne Gefahr. Wir hörten vier Gewehrschüsse und die Kugeln zischten in unangenehmer Nähe an dem Ballon vorbei, der jetzt mit einer Geschwindigkeit von 70 km östlich fuhr. Hinter uns erhob sich ein Sturm. Um 8 Uhr 15 Minuten hatten wir nur mehr 30 kg Ballast, welche den Regen, der auf den Ballon niederfiel, nicht kompensieren konnten.
Unter diesen Umständen war es angezeigt, zu landen; M. Balsan zog zu diesem Zwecke die Ventilleine. Trotz des starken Windes brachten wir ohne Schwierigkeit den „Centaure” zum Stillstande. Es waren bald einige Bauern zur Stelle. Der Ballon wurde nach Opoczno befördert.«
Die beiden Aëronauten wurden dort sehr freundlich aufgenommen und fuhren am Morgen des 11. Oktober nach Warschau, um sich da von dem französischen Konsulat Reisepässe ausstellen zu lassen. Die Luftschiffer hatten nicht erwartet, in jener Gegend zu landen, und hatten daher keine derartigen Pässe mitgenommen.
In der folgenden Tabelle sind die sechs besten Weitfahrten übersichtlich zusammengestellt.
Weitfahrten:
Kilometer | Balloninhalt Kubikmeter | |
De La Vaulx, 9. Oktober 1900 | 1925 | 1630* |
J. Balsan, 9. Oktober 1900 | 1350 | 3000 |
Rolier, 24. November 1870 | 1336 | 3000 |
Castillon, 30. September 1899 | 1330 | 1630* |
J. Faure, 9. Oktober 1900 | 950 | 1550 |
H. Silberer und E. Carton, 23. September 1901 | 805 | 1200 |
* Mit Wasserstoffgas!
Anschließend daran, erinnere ich, daß in Rußland landende Luftschiffer mit einer amtlich beglaubigten Legitimation versehen sein müssen, die ihre Identität bezeigt. Luftschiffer, welche sich mit derartigen Bescheinigungen nicht ausweisen können, sowie jene Personen, welche in Ballons nach Rußland kommen, um militärische Rekognoszierungen vorzunehmen, werden angehalten und ihre Ballons verfallen der Beschlagnahme. Die für Militärs hierfür bestehenden Vorschriften sind diesen ja bekannt. Die Legitimationen für Zivilluftschiffer werden in der Weise hergestellt, daß auf die Rückseite einer Photographie in Kabinetformat die Mitgliedskarte geklebt und mit der Identitätsbestätigung seitens der k. k. Polizeidirektion versehen wird.
Dauerfahrten sind jene, bei welchen der Ballon — unbekümmert um den zurückgelegten Weg — am längsten in der Luft bleibt. Nachdem der Ballon durch die Hubkraft seines Traggases sich in die Luft erheben und in ihr schweben kann — so ist es erklärlich, daß jene Ballons am längsten fahren werden, welche die gasdichtesten Hüllen besitzen. Nachdem das Gas stark diffundiert — Wasserstoffgas diffundiert mehr als Leuchtgas — so werden theoretisch Wasserstoffgasballons bei gleicher Tragkraft weniger weit fahren als Leuchtgasballons. Hat man aber Ballons von gleichem Volumen, so wird natürlich ein Wasserstoffgasballon viel länger fahren können, weil er circa über 5/11 mal mehr Ballast verfügt als sein Konkurrent. Lassen sich daher zwei Ballons von verschiedenem Füllgas in eine Wettdauerfahrt ein, so sind alle diese Verhältnisse wohl zu erwägen; hierzu kommt dann allerdings noch ein sehr gewichtiger Faktor: die Kunst des Ballon[S. 44]führers, jedem Fahrthemmnisse rechtzeitig und mit den besten Mitteln Herr zu werden.
Die Konkurrenten haben sich selbstverständlich mit allem ausgerüstet, was für eine lange Reise ins Ungewisse notwendig ist. Nebst Konserven und Getränken haben sie warme Überkleider, Decken, viele meteorologische Instrumente und selbstverständlich verschiedenes Geld mit, die meisten auch elektrische Lampen, kleine Feldbetten und für alle Fälle Schwimmgürtel. Last not least: recht viel Ballast. Einer der Konkurrenten führte den Sand nicht in Säcken mit, sondern einfach auf dem Boden der Gondel — wie in einem Vogelkäfig — ausgestreut; er schöpfte den Sand nach Bedarf heraus.
Die sechs längsten Ballonfahrten, welche die Geschichte der Luftschiffahrt verzeichnet, sind derzeit:
Dauer | Balloninhalt | Kilo | ||
Stund. | Min. | Ballast | ||
De La Vaulx, 9. Oktober 1900 | 35 | 45 | 1630 | 1100 |
J. Balsan, 16. September 1900 | 35 | 09 | 3000 | ? |
De La Vaulx, 20. Oktober 1899 | 29 | 05 | 1630 | ? |
J. Balsan, 20. Oktober 1899 | 27 | 05 | 3000 | 1120 |
M. Farman, 9. Dezember 1900 | 26 | 30 | 1850 | 670 |
Carton, H. Silberer, 30. Aug. 1901 | 23 | 24 | 1200 | 370 |
Die fünf ersten Fahrten wurden von Paris aus unternommen, die letzte von Wien aus.
Herbert Silberer beschreibt diese Fahrt in der Allgemeinen Sportzeitung vom 8. September v. J. Die hierbei beobachteten Aureolen werden folgendermaßen charakterisiert:
»Die erste Form trat um 1/2 1 Uhr auf. Um diese Zeit schien der Schatten des Ballons mitsamt der Gondel von einem sehr großen Regenbogen (Aureole) ganz umgeben. Bald ging die Erscheinung in die zweite Form über. Der Farbenkreis ober dem Schatten des Ballons selbst verblaßte, und der Schatten unserer Gondel wurde der Mittelpunkt eines kleineren Kreises, der rechts, links und unter der Gondel intensiv, ober der Gondel, wo der Ballonschatten auffiel, aber blaß gefärbt war. Der Farbenkreis war meist dreifach sichtbar. Rot, orange, gelb, grün, lichtblau, indigo und violett dreimal in dieser Reihenfolge so angeordnet, daß violett immer wieder in rot überging.
Die dritte Form der Aureole, welche erst von 3/4 2 Uhr an auftauchte, ist folgende: Der Ballon und die Gondel werden scheinbar nicht in ihrer Form als Schatten projiziert, sondern es bildet sich um die Sehachse des beschauenden Auges als Achse (beziehungsweise um den Augpunkt als Mittelpunkt) ein Strahlenkreuz; die Strahlen sind schattenartig dunkel und reichen bis zu einem sehr großen weißlichen Ring hinaus. Dieser Ring umfaßt im Durchmesser vielleicht 90 Grad, vom Auge des Beschauers an gemessen. Er ist rein weiß (keine Spur von Spektralfarben) und hebt sich ziemlich stark von der übrigen Wolkenfläche ab. Mit etwa 1/4-1/5 des Radius von diesem Ring ist der äußere Kreis der dreifachen Aureole selbst beschrieben. Die Aureole erstreckt sich nach innen ziemlich weit bis zum Mittelpunkt. Die oben genannten, dunklen Strahlen dringen durch die Aureole durch und gehen, immer blasser werdend, bis zu dem großen Ring hinaus. Die Strahlen bewegen sich, wenn der Beschauer seine Stellung ändert.«
Interessant ist, was Graf de La Vaulx über das bei seiner Dauerfahrt am 26. August 1900 Gesehene, speziell über die in der Nacht beobachteten Leuchttürme schreibt. Er hielt sich ober den Wolken auf und glaubte in nordsüdlicher Richtung der Westküste der Halbinsel Cotentin entlang gefahren zu sein. Nach der Farbe und Stellung der Leuchtfeuer zu urteilen, ist er jedoch über die Minquiers im Süden von Jersey gekommen und durch dieselbe Luftströmung[S. 46] wieder auf das Festland gebracht worden, von welcher Juchmès nach Mayennes getrieben wurde.
Die erste Wettfahrt am 17. Juni 1900 war eine Dauerfahrt, an der elf Ballons teilnahmen. Der größte davon hatte 2226 m3, der kleinste 540 m3 Inhalt. Das Handicap erfolgte in der Weise, daß der Ballast nach dem kubischen Inhalte des Ballons berechnet wurde, und zwar durfte jeder Ballon nur ein Fünftel seines Kubikinhaltes in Kilogramm Sand mitführen, d. h. also ein Ballon von 2000 m3 Rauminhalt durfte 400 kg Freiballast mitführen, ein Ballon von 1000 m3 200 kg und ein Ballon von 600 m3 120 kg. Was der Ballon mehr an Gewicht im Korbe benötigte, mußte in plombierten Säcken mitgenommen werden, die uneröffnet und unbenutzt wieder zu Hause abzuliefern waren.
Die beiden Figuren 20 und 21 geben uns eine Vorstellung von dem bewegten aëronautischen Leben im Park von Vincennes gelegentlich der Ballonwettfahrten in den Jahren 1900.
Der Sieger in dieser ersten Fahrt wurde Balsan mit 18 Stunden 4 Minuten, Zweiter: Faure mit 16 Stunden 47 Minuten.
Am 26. August fand die zweite Dauerfahrt statt. Es zeugt von den großen Fähigkeiten und dem außerordentlichen persönlichen Mute der Pariser Amateurluftschiffer, daß trotz des herrschenden Sturmes nicht weniger als zehn Ballons auffuhren. Selbstverständlich konnte bei diesen ungünstigen Witterungsverhältnissen von einer großen Dauer der Fahrt keine Rede sein. Sieger wurde Juchmès mit 11 Stunden 52 Minuten.
Am 16. September starteten in Paris 25 Ballons — noch nie waren an einem Tage zuvor gleichzeitig so viele in die Luft gestiegen.
Während der Auffahrten des Abends wurden Versuche mit elektrischen Scheinwerfern gemacht, die vortrefflich gelangen. In den Gondeln der Ballons waren elektrische Glühlampen angebracht; die fliegenden Lichter ließen sich natürlich leicht und weit verfolgen. Zum Schlusse wurden Ballons steigen gelassen, welche Feuerwerkskörper enthielten und die Nacht mit ihren bunten Feuergarben wunderhübsch erleuchteten.
Von diesen 25 Ballons machten 17 eine Zielfahrt, acht Ballons je eine Dauerfahrt, wobei Balsan 35 Stunden 9 Minuten in der Luft blieb.
Am 9. September gab es die letzte und großartigste Fahrt, nämlich eine kombinierte Weit- und Dauerfahrt, bei welcher keine Beschränkung im Ballast stattfand. An dieser Fahrt nahmen sechs Ballons teil. Hiebei wurde die größte bisher zu verzeichnende Leistung erzielt: Graf de La Vaulx legte nämlich in 35:45 nicht weniger als 1925 km zurück und landete in Kiew (Rußland). Alle sechs Ballons aber kamen erst außerhalb Frankreichs zur Erde. Balsan machte 1350 km in 27:15, Faure 950 in 19:25, Maion 650 in [S. 48]16:30, Hervieu 585 in 18:58 und Juchmès 550 km in 16:35. Es ist daher kein Luftschiffer unter 500 km weit gefahren und keiner unter 16 Stunden oben geblieben.
Graf de La Vaulx berichtet, daß er bei der Landung noch mehr als 100 kg Ballast im Korbe hatte und mit Leichtigkeit noch weiter hätte fahren können. Er beendete seine Fahrt nur deshalb, damit er nicht über die Grenzzone hinaus, ins innere Rußland käme, wo er dann durch die Formalitäten der Ausstellung eines Passes lange aufgehalten worden wäre und an der bevorstehenden Dauer- und Weitfahrt nicht hätte teilnehmen können. Die lokalen Behörden haben nämlich nicht die Befugnis, Reisepässe fürs Ausland auszustellen, ohne daß diese von St. Petersburg aus bestätigt werden. Graf de La Vaulx wäre demnach zu einem sehr unliebsamen Aufenthalt in Rußland gezwungen worden, umsomehr, als er leicht in die ungeheueren, spärlich bewohnten Wälder Innerrußlands getrieben worden wäre, wo der Transport des Ballons große Schwierigkeiten verursacht hätte.
Die russischen Bauern, die zur Landung herbeigeeilt waren, glaubten zuerst, der Aëronaut sei ein Deutscher; als sie aber hörten, er sei ein Franzose, konnten sie sich vor Enthusiasmus nicht halten; sie stürzten sich auf de La Vaulx und küßten ihm die Hände. Der überraschte Kapitän des »Centaure« konnte sich ihrer kaum erwehren. Die Konversation ging anfangs nicht gar leicht von statten; einige sprachen de La Vaulx auf polnisch an, andere auf russisch, auf deutsch und auf schwedisch. Endlich fand sich ein Edelmann aus der Nachbarschaft, der französisch konnte.
Die Fahrt von Frankreich nach Rußland war seit der Alliance schon oft versucht worden, aber niemals gelungen; Graf de La Vaulx ist der Erste, der sie zuwege gebracht hat. Vom Pariser Aëro-Klub wurde ihm zur Erinnerung an die schöne Fahrt eine Medaille verliehen.
Von einem anderen Konkurrenten, Jacques Faure, der mit dem Ballon »Aëro-Klub« auffuhr, wird folgende interessante Landungsszene berichtet: »Um 5 Uhr morgens erwärmten die ersten Sonnenstrahlen den „Aëro-Klub“; dieser erhob sich auf 5000 m, wo er bis 9 Uhr blieb. Nun hatte Faure nur mehr einen halben Sack Ballast übrig und war infolgedessen gezwungen, herunterzugehen. Der Wind wehte noch ziemlich stark, doch ging die Landung glatt von statten. Um sich noch ein wenig oben zu halten und die Reise zu verlängern, warf Faure, als er dem Boden nahe war, kurz entschlossen seinen Proviant und die mitgenommenen Champagnerflaschen[S. 49] aus, denen bald auch die Reisedecken und Überkleider folgten. Nun begann sich Faure auch auszuziehen, bis er schließlich in sehr sommerlicher Toilette und nach einer kurzen Schleiffahrt über etwa 300 m auf einem Acker landete. Er war nur wenige Kilometer weit von der russischen Grenze entfernt; die von Paris aus zurückgelegte Strecke betrug 1250 km. Faure hatte zu seiner Fahrt ungefähr 20 Stunden gebraucht.
Absolute Windstille ist ein Zustand, den unsere Atmosphäre eigentlich nicht kennt.
Wenn man also von Windstille spricht, so meint man so schwache Windströmungen, welche unserem Gefühle kaum merkbar sind. Es sind dies Geschwindigkeiten, die 1/2-1 m per Sekunde nicht überschreiten und in unseren Gegenden etwa an 20-30 Tagen im Jahre vorkommen.
Daß man bei lange dauernden Ballonfahrten keine weite Weglänge zurückzulegen braucht, erfuhr schon mancher Luftschiffer zu seinem Leidwesen. Nach Beispielen dieser Art darf man nicht lange suchen. So kam Oberleutnant Sojka im Jahre 1890 in 23 Stunden nur von Wien nach Tulln, wogegen ich selbst einige Tage vorher (in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli 1890 mit dem Ballon »Radetzky« in Gesellschaft des Leutnants Eckert) in kaum 12 Stunden in einer Nacht von Wien über Ungarn, Galizien, Rußland bis fast an die Ostsee gekommen war.
Graf de la Vaulx landete nach 15stündiger Fahrt am 4. Juni 1900 im Weichbilde der Stadt Paris, von wo er aufgefahren war. Graf de la Vaulx stieg in Begleitung von Herrn und Frau Fugué de la Fauconnerie gegen 5 Uhr früh mit seinem Ballon »Le Rêve«, der 1000 m3 faßt, in der Gasanstalt zu Landy auf. Der Ballon erhob sich rasch auf eine Höhe von 1500 m. Infolge des Zusammentreffens von ganz eigentümlichen, meteorologischen Umständen kreiste gerade zu jener Zeit ein mächtiger Zyklon über der Hauptstadt, so daß es den Aëronauten nicht gelang, sich aus dem Bannkreise von Paris zu entfernen. Da man vor Eintritt der Nacht die Landung bewerkstelligen wollte, zog Graf de la Vaulx gegen 9 Uhr die Ventilleine. Als der Ballon ungefähr in einer Höhe von 30 m schwebte, warf man den Anker aus.
Den Nordpol zu erreichen, wurden schon die verschiedensten Mittel angewendet. Weil es auf dem Eise schwer geht über das massenhaft übereinander aufgestapelte, nasse Element zu gelangen, will man ober und auch unter dem Eise vorwärtsdringen. Eine Expedition mit Hilfe von Unterseebooten gegen den Nordpol ist eben in Vorbereitung begriffen.
Der Gedanke, den Luftballon in der arktischen Forschung zu verwerten, hängt, wie Moedebeck in den »Illustrierten aëronautischen Mitteilungen« des Näheren ausführt, innig mit der Geschichte dieser Forschung selbst zusammen. Als Franklin im Jahre 1845 mit den Schiffen »Erebus« und »Terror« zur Erforschung der nordwestlichen Durchfahrt England verließ, wies gleichzeitig der französische Luftschiffer Dupuis-Delcourt in einem Berichte an sein Ministerium darauf hin, wie man mit Hilfe des Ballons leicht den Nordpol erreichen könne, und dem »L'Aëronaute« zufolge haben noch andere, wie Mareschal, Silbermann und Gustave Lambert, auf die Vorzüge des Ballons für die Überwindung aller den Nordpolfahrern sich bietenden Hindernisse, aufmerksam gemacht.
Während der zahlreichen Expeditionen zur Aufsuchung des unglücklichen Franklin in den Jahren 1848-1850 wurden den Schiffen große Mengen kleiner Nachrichtenballons mitgegeben, die ein Engländer Shepherd erfunden und mit Erfolg in England probiert hatte. Mit Tausenden von bedruckten farbigen Papierzetteln versehen, wurden sie dem Spiel der Winde überlassen, um ihren hilfekündenden Inhalt über die arktische Inselwelt Amerikas auszustreuen. Ver[S. 51]mochten diese Rettungsboten dem längst Toten auch keine Hilfe mehr zu bringen, so bewiesen sie doch den ausgesandten Rettern, wiewohl sie dazu befähigt gewesen wären, denn man fand zufällig derartige Zettel auf, in Entfernungen von 50 englischen Meilen von ihrem Auflaßorte.
Wenn auch die einmal angeregte Idee der Polarforschung mittels Luftballons in verschiedenen Romanen fortglomm, so treffen wir das erste wissenschaftliche Projekt dieser Art doch erst im Jahre 1866, wo Dr. E. Meissel, Direktor der städtischen Realschule zu Kiel, den Nordpol mit Hilfe eines kombinierten Leuchtgas- und Warmluftballons und verschiedener Luftströmungen erreichen wollte.
Der Leuchtgasballon sollte 22.500 m3, die unter ihm befindliche Montgolfière 3750 m3 Inhalt haben. Gasverluste wollte Meissel durch auf 12·5 Atmosphären komprimiertes, flüssiges Ammoniakgas ersetzen.
Zwölf Mann sollten von Petersburg aus in 7 1/2 Tagen nach dem Nordpol gelangen. Im ganzen waren für die Reise 24 Tage und Proviant für 40 Tage vorgesehen.
Der bekannte französische Luftschiffer Sivel legte der »Société française de navigation aérienne« ein interessantes Projekt zur Prüfung vor. Er gedachte sich eines Wasserstoffgasballons von 18.000 m3 Inhalt zu bedienen. Abgesehen von der Sorgfalt in der Wahl und Dichtung des Ballonstoffes, wollte Sivel den Gasballon außer mit einem Netze, noch mit einer darüber befindlichen, glockenartigen äußeren Hülle umgeben, an deren unterem Ende ein mit atmosphärischer Luft gefüllter, stark gebauter, ringförmiger Sack (couronne) befestigt war.
Der Polarballon sollte an einem 500-600 m langen Schlepptau fahren. Die Gondel war gedeckt und gleichzeitig als Boot und Schlitten eingerichtet, eine Vereinigung, die dadurch erzielt werden sollte, daß man dem Boote zwei Kiele gab. Für die Landung war eine Ausrüstung mit Land- und Wasserankern projektiert. Für die Expedition waren zehn Personen in Aussicht genommen. Die Ausrüstung mit Lebensmitteln wurde für drei Monate vorgesehen. Der Ballon sollte nicht über 800 m steigen, was der Luftring im Vereine mit dem Schlepptaue automatisch zu bewirken hatte.
Ein englischer Seeoffizier, John P. Cheyne, wollte, gleich Sivel mit dem Schiff, soweit als möglich vordringen und dann aber mit drei übereinander gefesselten Ballons, von nur je [S. 52]900 m3, mit sieben Personen den Nordpol erreichen.
Im Jahre 1892 traten die bekannten französischen Luftschiffer Hermite und Besançon mit einem Projekte hervor, von Spitzbergen aus mit fünf Personen in 5 1/2 Tagen den Nordpol mit Ballon zu erreichen. Der Ballon sollte 15.000 m3 besitzen und 16 kleine Gasballons, von je 180 m3 Inhalt, als Gasreservoirs, die sich bei 830 m Höhe öffneten, mitnehmen. Der Ballon sollte ein 3000 m3 großes Ballonet haben und eine 1600 m lange Schleifleine mit sich führen. Proviant war für 80 Tage vorgesehen.
Der erste aber, und hoffentlich auch der letzte, welcher wirklich mit einem Kugelluftballon die Reise nach dem Pol angetreten hat, war Andrée mit seinen Reisegefährten Fränkel und Strindberg.
Nachdem Andrée schon im Jahre 1896 in Spitzbergen den Ballon gefüllt, aber weil günstige Winde nicht eintraten, die Abfahrt auf das nächste Jahr verschoben hatte, trat er[S. 53] die Reise in das ewige Eis und damit gleichzeitig, wie wir heute leider als bestimmt annehmen müssen, in das Jenseits, am 11. Juli 1897 an.
Vom 19.-22. Juni wurde der 5000 m3 fassende Ballon mit Wasserstoffgas in 89 Stunden gefüllt.
Andrée trat mit seinem Vorschlage, den Nordpol mit Hilfe des Luftballons zu erreichen, zuerst am 13. Februar 1895 in einem Vortrage in der »Königlich schwedischen Akademie der Wissenschaften« und zwei Tage später in einem ähnlichen Vortrage in der »Gesellschaft für Anthropologie und Geographie« in Stockholm hervor.
Vier Bedingungen stellte er, als zur glücklichen Erreichung des Zieles erforderlich, hin:
»1. | Der Ballon muß eine so große Tragkraft besitzen, daß er drei Personen mit ihrem Gepäck, alle zu den Beobachtungen erforderlichen Instrumente, Lebensmittel für vier Monate, Geräte, Werkzeuge, Waffen u. s. w. und Ballast tragen kann; alles zu einem Gesamtgewichte von 3000 kg berechnet. |
2. | Der Ballon muß so gasdicht sein, daß er während 30 Tage sich in der Luft schwebend halten kann. [S. 54] |
3. | Die Füllung des Ballons mit Gas muß in den Polargegenden geschehen können. |
4. | Der Ballon muß bis zu einem gewissen Grade lenkbar sein.« |
Um die erste Bedingung zu erfüllen, schlägt er einen mit Wasserstoff gefüllten Ballon von doppelter, gefirnißter Seide und 6000 m3 Volumen, vor. Dadurch glaubt er auch die zweite Bedingung ohne Schwierigkeit erfüllen zu können, wenn er den Ballon durch Schlepptaue so balanziert, daß derselbe in einer mittleren Höhe von etwa 250 m über der Erdoberfläche schwebt.
Die wahrscheinliche, mittlere Geschwindigkeit des Ballons in dieser Höhe während der Polarfahrt berechnet er zu 7·5 m in der Sekunde, d. h. 27 km in der Stunde oder 648 km in einem Tage.
Den Grund, warum Andrée eine Minimalzeit von 30 Tagen festgestellt hat, während welcher der Ballon schweben müßte, finden wir in den folgenden Worten:
»Wenn die Fahrt während 30 Tage fortgeht, so wird der durchlaufene Weg, nach den oben mitgeteilten Berechnungen über die wahrscheinliche mittlere Geschwindigkeit[S. 55] des Ballons, etwa 19.400 km betragen. Die Reise aber von Spitzbergen nach der Behringsstraße, eine Strecke von 3700 km, erfordert nicht mehr als sechs Tage, d. h. ein Fünftel der Zeit, während welcher der Ballon schweben kann.«
Andrée verlangte also von dem Ballon als Minimum eine fünffache Sicherheit.
Die erforderliche Lenkung des Ballons wollte Andrée mit Hilfe eines Segels und durch Verschiebung des Befestigungspunktes der Schlepptaue erreichen.
Ursprünglich sollte auch Dr. Niels Ekholm mit Andrée fahren. Er trat jedoch zurück, weil letzterer der Bedingung hinsichtlich der Gasdichtheit des Ballons nicht zur Genüge zu entsprechen vermochte. Nach Ekholms Ansicht wäre der Ballon für das Unternehmen zu klein gewesen und hätte nach der Probefüllung, welche am 27. Juli 1896 vollendet war, zuviel Gas verloren.
Nach Messungen von Ekholm betrug die Abnahme der Tragkraft 509 kg in 20 Tagen, obgleich während dieser Zeit 780 m3 Wasserstoff nachgefüllt wurden. Rechnen wir für 1 m3 Wasserstoff eine Tragkraft von 1·1 kg, so beträgt also die ganze durch die Nachfüllung bewirkte Vermehrung der Tragkraft 858 kg und der ganze Verlust an Tragkraft in den 20 Tagen 1367 kg oder 68·3 kg pro Tag.
Aus diesen Daten ergibt sich ein Verlust an Tragkraft in den ersten drei Tagen, also vor der Firnissung von etwa 100 kg pro Tag, in den acht letzten Tagen aber (8.-16. August) von nur 60 kg pro Tag.
Wenn wir dagegen versuchen, diesen Verlust nur aus der Nachfüllung in den 18 Tagen vom 27. Juli bis 14. August zu berechnen, so ergibt sich ein täglicher Verlust von 43 m3 Wasserstoff, entsprechend einem Tragkraftverluste von nur 47 kg pro Tag.
Ekholm berechnete aus diesen Messungen, daß der Ballon statt der geforderten 30 Tage, nur 17 Tage sein Gas in entsprechender Weise tragfähig halten könne.
Er teilte die Hauptpunkte seiner Bedenken rechtzeitig am 26. September 1896 der Physikalischen Gesellschaft in Stockholm in einer Abhandlung »Über das Gleichgewicht und die Bewegung des Andréeschen Polarballons« mit, in welcher er auch ausführte, daß die wahrscheinliche Dauer der Ballonreise von Spitzbergen nach Asien oder Nordamerika etwa einen Monat und bei ungünstigen Winden noch mehr betragen würde. Wegen der Krümmungen der Windbahnen[S. 56] und der geringen Lenkbarkeit des Luftschiffes mußte nämlich die durchlaufene Bahn wenigstens zwei- bis dreimal länger als der gerade Weg zwischen diesen Ländern werden.
Schließlich war auch die von Andrée konstruierte Ablenkungsvorrichtung wenig befriedigend. In der Tat befanden sich der Befestigungspunkt der Schlepptaue und der Mittelpunkt des auf das ganze System wirkenden Winddruckes fast in derselben Vertikallinie, wodurch ein unbestimmtes und vielleicht selbst labiles Gleichgewicht des Luftschiffes um diese Vertikallinie entstehen mußte. Dieser Fehler wurde schon im Frühjahr 1896 von Strindberg und Ekholm bemerkt; Andrée versprach zwar demselben soweit als möglich abzuhelfen. Der Fehler schien aber noch im Sommer 1896 unverbessert und blieb auch noch später bestehen, weil das Luftschiff beim Abfahren eine Umdrehung machte, so daß der Befestigungspunkt der Schleppleinen sich voran, d. h. an[S. 57] die Leeseite stellte. Hierdurch wurde natürlich die ganze Ablenkungsvorrichtung in Unordnung gebracht.
Das unbedingte Vertrauen, das Andrée seiner Ballonausrüstung schenkte, zeigte sich unter anderem auch darin, daß er das Anerbieten der freigebigen Mäcenaten: Alfred Nobel und Oskar Dickson, alle für die von Ekholm geforderten Verbesserungen nötigen Geldmittel zu seiner Verfügung zu stellen, ablehnte. Alfred Nobel selbst schlug Andrée vor, einen neuen, größeren Ballon bauen zu lassen. Ebensowenig genehmigte Andrée den nicht nur von Ekholm, sondern auch von seinen anderen Freunden gemachten Vorschlag, die Tragkraft und Undurchdringlichkeit des alten Ballons in Stockholm oder Paris dadurch zu prüfen, daß er denselben in einem Ballonhaus mit Wasserstoff füllen und während zweier Monate wägen sollte.
Im Winter des Jahres 1896-1897 vergrößerte Andrée das Volumen seines Ballons um circa 300 m3, indem er den Ballon längs des Äquators entzweischnitt und zwischen die beiden Halbkugeln ein ringförmiges, gefirnißtes Seidenband von 1 m Breite einfügte.
Die Füllung des Ballons war am 22. Juni 1897 in Spitzbergen um 11 Uhr abends beendet. Am 24. Juni wurden 100 m3 Gas ausgelassen, bis 11. Juli im ganzen 1050 m3 Gas nachgefüllt. In den ersten 12 Tagen verlor der Ballon, wie Messungen ergaben, etwa 47 m3, in den letzten 5 Tagen zirka 70 m3 Gas durch Diffussion. Durch den am 7. und 8. Juli herrschenden Sturm wurde die Hülle durch Andrücken und Reiben an der Halle leider stark beschädigt, so daß er noch mehr Gas pro Tag einbüßte. Es ergibt sich somit ein täglicher Verlust an Tragkraft von 111 kg.
Wahrscheinlich war der Verlust während der Reise noch größer, denn erstens erhielt der Ballon bei der Abfahrt einen heftigen Stoß gegen einen Balken, zweitens wird natürlich der Verlust infolge der Erschütterungen und des Winddruckes vermehrt.
Dazu kam noch das Mißgeschick, daß Andrée schon bei der Abfahrt zwei Drittel der Schlepptaue, also 667 kg, verlor, die auch als Ballast dienen sollten. (Im ganzen rechnete Andrée mit 1749 kg Ballast.) Dadurch stieg der Ballon schon nach einigen Minuten statt auf 300 m bis auf 700-800 m Höhe. Wir müssen also auch im günstigsten Falle dieses Gewicht von dem disponiblen Ballastvorrate abziehen, indem wir annehmen, es sei Andrée gelungen, die verstümmelten Schlepptaue durch die 404 kg Ballastleinen zu reparieren; es bleiben also noch 1082 kg, welche, durch 111 kg dividiert, nicht völlig zehn Tage geben, während welcher der Ballon schwebend erhalten werden konnte. Nehmen wir ferner noch an, es wurden, im äußersten Notfalle, die Gondel samt deren Inhalte, die Segel und fast alles vom Inhalte des Tragringes fortgeworfen, was jedoch für die Reisenden eine ernste Gefahr in sich barg, so konnten noch 650 kg geopfert werden, folglich der Ballon noch weitere sechs Tage schweben, d. h. nahezu 16 Tage im ganzen.
Diese Berechnungen aber gelten nur, wenn es Andrée gelungen ist, die Schlepptaue zu reparieren, in welchem Falle er also durch die Freiluftfahrt nicht mehr als 667 kg Ballast verloren hätte, sonst würde die Tragkraft des Ballons noch viel früher erschöpft worden sein.
Hieraus geht hervor, daß die Expedition von Anfang an keine Aussicht hatte, das ganze Polargebiet, wie es Andrée ursprünglich beabsichtigt hatte, zu durchqueren.
Nach der Auffahrt Andrées, Fränkels und Strindbergs am 11. Juli 1897 segelte um 2 Uhr nachmittags der »Oernen«[S. 59] (Adler), welcher die Expedition nach Spitzbergen gebracht hatte, vom Virago-Hafen, dem Ausgangspunkte der ganzen Expedition (unter 79° 43·4' nördlicher Breite und 10° 52·2' östlicher Länge von Greenwich gelegen), ab.
Die Geschwindigkeit des Windes wurde etwa auf 44 km geschätzt. Folglich wäre, wenn der Ballon fortwährend in dieser Weise sich bewegt hätte, der Nordpol nach 25 Stunden und die Behringsstraße nach 83 Stunden (3 1/2 Tagen) erreicht worden.
Am 17. August 1897 kam die erste Nachricht von Andrée. Sie lautete:
»13. Juli, 12 Uhr 30 mittags, 82° 2' nördlicher Breite, 15° 5' östlicher Länge. Gute Fahrt nach Ost, 10° Süd. An Bord alles wohl. Dies ist meine dritte Taubenpost. Andrée.«
Die Trägerin dieser Nachricht wurde am 15. Juli vom Kapitän des norwegischen Fangschiffes »Alken« unter dem 80° 44' nördlicher Breite, 20° 20' östlicher Länge geschossen.
Eine am 14. Mai 1899 an der Küste von Island unter 65° 34' nördlicher Breite und 21° 28' westlicher Länge ge[S. 60]fundene Andrée-Boje enthielt folgende von Strindbergs Hand geschriebene Mitteilung:
»Boje Nr. 2. Diese Boje wurde von Andrées Ballon abgeworfen, um 10 Uhr 55 Minuten abends. G. M. T., am 11. Juli 1897 auf etwa 82° Breite und 25° Länge, Greenwich. Wir schweben 600 m hoch. Alles wohl. Andrée, Strindberg, Fränkel.«
In derselben Boje befand sich eine Karte mit dem in Blei eingetragenen Kurse, den der Ballon bisher genommen hatte, welcher in gerader Linie vom Auffahrtspunkte Virago-Hafen nach dem 82° nördl. Breite, 19 1/2° östl. Länge hinzeigt.
Der neueste Fund ist im nördlichen Norwegen, am Meeresufer der Provinz Finnmarken, bei Skjervoe Ende[S. 61] August 1900 gemacht worden. Man fand eine Andrée-Boje mit einem Zettel folgenden Inhaltes:
»Boje Nr. 4 als erste am 11. Juli 10 Uhr abends Greenwicher Normalzeit geworfen. Die Reise ist bis jetzt gut gegangen. Wir fahren fort, in einer Höhe von ungefähr 250 m zu segeln. Richtung anfangs nördlich, zehn Grad östlich, später nördlich, 45° östlich. Vier Brieftauben wurden um 5 Uhr 45 Minuten nachmittags abgesandt. Sie flogen westlich. Wir sind jetzt über dem Eise, das sehr verteilt nach allen Richtungen ist. Wetter herrlich. Laune ausgezeichnet. Andrée, Strindberg, Fränkel«.
Der Ballon war also nach fast zweitägiger Fahrt nicht weiter als 220 km gefahren.
Aus der Andréeschen Depesche scheint hervorzugehen, daß der Wind am 13. Juli um Mittag in 82° nördl. Breite und 15° östl. Länge, d. h. 220 km gerade nördlich von West-Spitzbergen, N z W war. Nach Schiffsleutnant Celsing wehte gleichzeitig an der Dänen-Insel ein mäßiger Nordwest.
Aus dem Tagebuche des Eismeerschiffers Edward Johannesen sind die folgenden für Andrée wichtigen Windverhältnisse entnommen:
»Am 11. Juli (dem Tage der Abfahrt Andrées) Südwest, am 12. Stille, dann frischer West, am 13. Westnordwest, dann Süd, am 14. Süd, am 15. starker Südwind, am 16. frischer Süd, am 17. West, dann Süd, am 18. starker West, am 19. bis 24. Süd und Südwest, vom 25. ab während langer Zeit nördlich.«
Aus diesen Windverhältnissen geht, wie Ekholm berichtet, mit großer Wahrscheinlichkeit, hervor, daß eine Cyklone (barometrisches Minimum) vom 11. bis 13. Juli nördlich von Spitzbergen von Westen nach Osten vorüberging. Ihre Gestalt war mutmaßlich länglichrund mit der Längsachse in Nordsüd.
Der Ballon, der bei der Abfahrt 2/3 der Schlepptaue verloren hatte und deshalb in einer Höhe von etwa 700 m frei schwebte, folgte genau demselben Wege wie der Wind, d. h. schief nach innen gegen das Zentrum, wo er nach einigen Stunden still blieb und sich nahezu auf den Boden senkte, indem die an der östlichen Seite des Zentrums herrschende trübe Witterung mit Niederschlägen das Ballongas abkühlte. In dieser Weise dürfte der Ballon bis zum Abende des 12. oder zum Morgen des 13. Juli still geblieben sein. Wir können annehmen, diese Zeit wurde von Andrée dazu benutzt die Schlepptaue und die Ablenkungsvorrichtung in Ordnung[S. 62] zu stellen, was vielleicht durch die Worte »Alles wohl an Bord« angedeutet wird. Dann wurde der Ballon von den westlichen oder nordwestlichen Winden erfaßt, die an der Rückseite der Cyklone wehten, und befand sich am Mittage des 13. Juli, als das Telegramm abgesandt wurde, in dem Gebiete dieser frischen Winde. Am Nachmittage desselben Tages drehte sich der Wind aber wieder nach Süden zurück, was offenbar daher rührt, daß, wie es der Fall zu sein pflegt, eine neue Cyklone aus Westen nahte. Durch ihren Einfluß wurde der Ballon wieder eine Strecke nach Norden getrieben, bis er auch in der zentralen Stille dieser Wirbel eine Weile ruhig blieb. Vielleicht gelang es Andrée, bis zu einem gewissen Grade vermittelst der Ablenkungsvorrichtung den zentralen Teil zu vermeiden, in diesem Falle würde das Vordringen gegen Norden etwas weiter gehen als sonst. Jedenfalls aber hat bei der Ostwärtsbewegung der neuen Cyklone die zentrale Stille den Ballon bald erreicht, so daß er wieder eine Zeitlang unbeweglich verweilen mußte. Dann dürfte eine neue Cyklone ihn abermals vorwärts getrieben haben u. s. w. Die wahrscheinliche Bahn des Ballons ist also eine zickzackförmige Linie mit Anhaltspunkten bei den Winkeln. Das in dieser Weise gewonnene Fortschreiten in geradliniger Richtung war offenbar verhältnismäßig sehr langsam. Wenn wir die Dauer der Reise nach der Strecke von 120 Seemeilen berechnen, die in den ersten zwei Tagen durchflogen wurden, so bekommen wir eine Zeit von 33 Tagen, bis der Ballon die 2000 Seemeilen von Spitzbergen nach dem östlichen Sibirien oder Alaska durchlaufen hätte.
Der Ballon aber hatte, wie wir sahen, nicht das Vermögen so lange in der Luft zu bleiben. Die Reisenden mußten also früher herunter und auf den mitgenommenen Schlitten die Heimreise aus der Eiswüste antreten.
Die englische Expedition Jackson hat auf Franz Josefs-Land, der Berliner Lokal-Anzeiger und die schwedische Expedition selbst auf Spitzbergen genügend Lebensmittel hinterlassen, deren Aufbewahrungsort den Luftschiffern bekannt war.
Ob die Armen schließlich von Eskimos ermordet wurden, wie eine Version lautet, oder auf andere Weise ihrem Schicksale zum Opfer fielen, wer wird das je ergründen? Wir beklagen dieses Verhängnis, ohne es ändern zu können. Vor Ausführung der Expedition ertönten von berufenster Seite genug warnende Rufe, welche leider ungehört verhallten.
Die Alpen in ihrer ganzen Breite in den Lüften mit dem Ballon zu überqueren, wurde schon vielfach versucht, ist aber eigentlich noch immer nicht gelungen. Trotzdem sind einige recht interessante, in dieses Gebiet gehörige Fahrten zu verzeichnen.
Die Fahrt der »Wega« über die Alpen, welche am 3. Oktober 1898 von Spelterini als Ballonführer mit Professor Heim und Dr. Maurer von Sitten aus unternommen wurde, gehört in dieses Gebiet.
Der Ballon »Wega«, Fig. 29, hatte 18·44 m Durchmesser, und einen Fassungsraum von 3350 m3, bei 1065 m2 Oberfläche. Er bestand aus sechsmal gefirnißter Seide, trug einen Ballonkorb von 1·03 m Höhe, 1·85 m Länge und 1·43 m Breite und war mit 1525 kg Sandballast ausgestattet, von denen 1465 kg während der Fahrt verbraucht wurden.
Zur Erzeugung des erforderlichen Quantums Wasserstoffgases wurden 30.000 kg Schwefelsäure und 20.000 kg Eisenfeilspäne verbraucht, d. h. um circa 1 kg Steigkraft zu erhalten, mußten 12 1/2 kg feste Materialien verwendet werden — ungerechnet bleiben dabei die erforderlichen Behältnisse.
Über die Fahrt selbst ist von Dr. Heim ein sehr interessanter Bericht erstattet worden, aus dem ich Nachfolgendes entnehme:
»Unsere Ballonfahrt ist weder die höchste, noch die weiteste, die bisher ausgeführt worden ist. Aber sie ist die erste, die ein bedeutendes Gebirge überquert hat und sie ist auch die erste, deren Bahn nicht nur auf wenige Momente, sondern sehr lange und sehr weit sich in Höhen über 5000 und 6000 m gehalten hat. Sie war »Hochfahrt«, »Weitfahrt«, »Schnellfahrt« und »Dauerfahrt« zugleich.«
In geradezu klassischen Worten, die jedem Luftschiffer aus der Seele geschrieben sind, schildert Heim die Bilder, welche sich den kühnen Fahrern darboten.
»In einer unendlichen Pracht umgibt uns die Welt, und im Vordergrunde aller Gefühle steht die staunende Bewunderung. Niemand kann Worte finden, dieses selige Genießen im Schauen zu schildern. Man ahnt auf dem Boden unten nicht, wie schön dies Gewebe von Wald und Wiese, von Feld und Wasser, Berg und Tal, Fels und Schnee ist, wie duftend, wie freundlich und lieblich die Dörfer und Städte aussehen, als wäre in ihnen eine Sünde unmöglich, und wie freundschaftlich und traulich die Straßen und Wege die Wohnstätten der Menschen miteinander verbinden. Es ist wie eine herrliche Dichtung, was unter unserem Auge vorüberzieht. Ja, ich erkenne die Dörfer, die Täler, die Berge; sie sind mir ja alle vertraut, aber sie sind doch anders, sie sind wie verklärt, so rein, so farbenduftig. Ist alle diese Pracht wirklich Wahrheit? Ich taste am Fahrkorb, an den Seilen, ich taste an den Gefährten, um zu versuchen, ob ich vielleicht bloß in einem schönen Traume schlafe, oder ob greifbare Wirklichkeit mich umgebe. Im Schauen gebannt, ist es schwer, anderes über die Lippen zu bringen, als nur beständige Ausrufe der Be[S. 65]wunderung und des Entzückens. Ich habe es gesehen, wie manche in eine Art Glücksrausch, in ein Gefühl unaussprechlicher Seligkeit verfallen. Manche lachen, andere weinen, wieder andere werden stumm. Es ist schwer, den Geist zur wissenschaftlichen Beobachtung zu sammeln. Man darf fast sagen: vor Staunen und Entzücken steht einem der Verstand still. Die paar Stunden sind verronnen wie ebenso viele Minuten. Wir haben auf manches Einzelne genau geachtet, aber in einer Art Sinnesbetäubung durch die Pracht, habe ich, trotz Vorsatz, noch viel mehr zu beobachten, übersehen. Das Entzücken lähmt. Ich glaube, der Dichter ist einmal im Ballon gefahren, der den Adler hoch in den Lüften sagen läßt: „Ach war' doch immer das stolze Glück, ach müßt' ich doch nimmer zur Erde zurück.“
Die Fig. 30 gibt uns ein schwaches Bild des herrlichen, vom Ballon aus geschauten Panoramas. An der Fig. 31 erkennt man, in welch großer Höhe der Ballon geschwebt haben muß, wenn der Ausblick so gewaltig weit erscheint.
»Beim Blick vom Ballon herab auf das Land, klare Luft und hellen Himmel vorausgesetzt, überrascht stets am meisten die wunderbare Kraft und Harmonie der Farben. Die Wälder sehen aus, wie das schönste, saftigste Moos, die verschiedenen Farbentönungen verschiedener Baum- oder[S. 66] Waldarten sind viel klarer zu sehen, als in der Regel unten auf der Erde. Die Farbunterschiede von Kulturwiese und Naturwiese, von verschiedenen Feldern, Obstbäumen etc. bilden ein herrliches Gewebe. Dazu kommt, daß vom Ballon gesehen, man häufig jeden Baum sich noch von seinem eigenen Schatten abheben sieht.
Die Seen erscheinen mehr in ihrer tiefen blauen oder grünen Eigenfarbe, wenn wir nahe über denselben stehen, während sie uns, unten an der Erde betrachtet, stets zu einem mehr oder weniger großen Teil oder auch ganz gespiegelte Himmelsfarben bieten. Alle Farbenunterschiede in der Landschaft erscheinen vom Ballon aus viel stärker und lebhafter, viel farbenfrischer, die Luftperspektive ist viel geringer als unten. Dennoch ist das ganze nicht grell, sondern ein wunderbarer harmonischer Duft durchwebt es. Steigen wir höher und höher, so werden die Farbunterschiede geringer, ein feiner Dunstschleier legt sich allmählich zwischen uns und die Landschaft zu unseren Füßen. Bei über 4000 m Höhe hat er eine blaßviolette Färbung. Bei über 6000 m schien mir das ganze Land unter uns stets leicht blaß, violett, dumpf abgetönt zu sein. Es ist ein viel größerer Genuß, in geringer Höhe, in 1000 bis 2000 m, über dem Boden zu fahren, als in 3000 bis 5000 m.«
Am 1. August 1900 stieg Spelterini vom Rigifirst aus, 1450 m über dem Meere, zu einer Fahrt über[S. 67] die Alpen auf. Die Fig. 32 zeigt das malerische Bild der Situation, in welcher sich der Ballon vor der Auffahrt befand.
Zu allen den Schwierigkeiten des Hinaufschaffens des gesamten Ballonmaterials und der 200 Gasflaschen, aus denen der Aërostat gefüllt wurde, trat auch noch schlechtes Wetter ein. Die für den 29. Juli projektierte Fahrt konnte deshalb erst am 1. August vor sich gehen. Zum Glücke gelang es, den Ballon über die Wartezeit gefesselt zu erhalten. Bei dieser interessanten Auffahrt war Spelterini noch von Emile Gautier, einem Mitarbeiter des Pariser »Figaro«, und von Julius Ernst aus Winterthur begleitet. Der Ballon flog nach Nordosten und erhob sich nach einer Stunde auf ungefähr 4160 m. Entzückend soll der Anblick der vielen Gletscher vom Mont Blanc bis zur Ortlergruppe gewesen sein.
Am wunderbarsten empfindet man im Kugel-Ballon die vollständige Ruhe und dazu die feierliche Stille in der Höhe. Beide wirken geradezu erhebend. Ob der Ballon rasch steige oder falle, ob er mit mehr als Schnellzugseile dahinfahre, das alles kann man gar nicht empfinden. Man fühlt sich selbst in der absolutesten Ruhe. Erst wenn man Punkte auf der Erde unten fixiert, sieht man dieselben sich verschieben, um so langsamer in je größerer Höhe man fährt; oder der Erdboden scheint langsam tiefer zu sinken oder gegen uns heraufzusteigen, die Bäume scheinen größer zu werden. Erst durch Überlegung erkennt man daraus, daß[S. 68] man selbst fährt, steigt oder sinkt. Nur ganz selten, etwa bei plötzlichem Windwechsel oder Übergang von einer Windschichte in eine andere, fühlt man einen Moment ein Wehen. Sonst bemerkt man selbstverständlich nicht den leisesten Luftzug, da man ja gleich schnell mit dem Wind geht. Das Luftschiff pustet nicht und raucht nicht, es schwebt stumm dahin, sanft, still, ohne Zittern, ohne Schwanken. Bei 2000 m über dem Boden vernimmt man noch den Lokomotivenpfiff oder das Rasseln des Bahnzuges über eine Brücke. Bei 5000 m wird es fast vollständig still. Man bemerkt zuerst mit Erstaunen, wie es überhaupt ist, wenn gar kein Geräusch ans Ohr schlägt, ein Zustand, den wir unten auf der Erde kaum jemals erleben.
Auffahrten, welche von Italien aus unternommen werden, führen oft in das Alpengebiet, es ist bis jetzt aber noch nie gelungen etwa von der Po-Ebene aus über die Alpen nach Deutschland zu fliegen. Solch eine Lufttour bei klarem Wetter zu veranstalten, müßte in hohem Grade lohnend sein.
Eine der interessantesten Hochfahrten, welche je gemacht wurden, beschreibt Berson in der Zeitschrift für Luftschiffahrt unter dem Titel: »In den Fußstapfen Glaishers.«
Bis zum Jahre 1894 gebührte dem englischen Gelehrten Glaisher und dem englischen Luftschiffer Coxwell der Ruhm, am höchsten in die Atmosphäre eingedrungen zu sein. Durch die Fahrt des »Phönix« am 4. Dezember 1894 durch Dr. Berson wurden sie darin geschlagen. Damals war Berson von Staßfurt aus allein aufgestiegen und der Ballon mit 2000 m3 reinem Wasserstoffgas gefüllt worden. Schon 1 1/2 Stunden nach der Abfahrt erreichte er eine Höhe von 6750 m bei -29°. Hier begann er das erstemal mit der Sauerstoffeinatmung, was von vorzüglicher Wirkung begleitet war, doch durfte die künstliche Atmung von circa 8000 m an, ohne Schwindel und gefährliches Nachlassen der Kräfte zu empfinden, auf keine kürzere Zeit als auf höchstens fünf Sekunden unterbrochen werden. Bei 8500 m war die größte Erhebung erreicht, die Glaisher am 5. September 1862 an seinem Barometer ablas, worauf er in tiefe Ohnmacht fiel, aus der er erst erwachte, als Coxwell den Ballon am weiteren Steigen gehindert hatte. In 9000 m Höhe wurden die Cirrostratuswolken durchschritten, welche merkwürdigerweise nicht, wie man gemeiniglich annimmt, aus Eiskristallen, sondern aus wohlgebildeten kleinen Schneeflocken bestanden. 2 1/3 Stunden nach der Abfahrt waren 9150 m Seehöhe erreicht, die Temperatur hatte -47·9° und der Luftdruck betrug nur mehr 231 mm gegen 762 mm am Meeresspiegel.
Berson fühlte sich, wie er sagte: »lächerlich wohl, viel wohler, als kurz vorher,« dennoch durfte er nicht höher steigen, wollte er nicht leichtsinnig und aëronautisch durchwegs inkorrekt handeln. Er landete, nachdem der Ballon drei Stunden gefallen war, wohlbehalten in Schönwald, westlich von Kiel.
Um die in den Sechzigerjahren von Glaisher und Coxwell unternommenen Hochfahrten zu kontrollieren, wurde beschlossen, unter ganz ähnlichen Voraussetzungen wie bei Glaisher, außer in Deutschland auch in England eine Auffahrt zu machen.
Über diese, im höchsten Grade interessante, am 14. September 1898 ausgeführte Hochfahrt berichtet Berson u. a. folgendes:
»Fünf Minuten nach 2 Uhr fing mit einem Male der Kristallpalast an mit den beiden ihn flankierenden Türmen in die Tiefe hinabzusinken, ein Gewirr von Stimmen tönte herauf, und ehe wir uns recht umsehen konnten, lag eine Provinz von Häusern und Straßen, mit hundert wirr durch[S. 70]einander laufenden Eisenbahnlinien, Strom und Landschaft und der fern verschwindende, parkartige Horizont Südenglands, rasch sich verkleinernd, tief zu unseren Füßen.
Wir hatten infolge der, auf den nahen und hoch gelegenen, mit seinem imposanten Zentralbau und seinen Türmen selber eine bedeutende Erhebung darstellenden Kristallpalast, wehenden Windrichtung beim Verlassen der Erde einen kräftigen ersten Auftrieb nehmen müssen, der wohl auch ein wenig stärker als nötig ausgefallen war; denn der Ballon schoß mit gewaltiger Geschwindigkeit nach oben. Es rauschte ordentlich in der birnenförmig herunterhängenden Stoffmasse, zwischen deren Falten das rapid zur Ausdehnung gezwungene Gas mit mächtigem Drucke einströmte, die Leinen des Netzes streckten sich und knisterten, der schnellen Gestaltänderung des Ballons nachgebend, der Korb war in einem dauernden leichten Zittern begriffen. Der in der Luft im untern Teile des Ballons, teilweise auch im Füllgase mitgerissene Wasserdampf kondensierte sich rasch in der rapid zunehmenden Abkühlung und strömte von Zeit zu Zeit wie weißlicher Qualm aus dem Füllansatze heraus. Schnell überflog das Auge das ihm neue, von dem mir gewohnten nord- oder mitteldeutschen grundverschiedene Landschaftspanorama — und so oft es zu den Apparaten zurückkehrte, fand ich das Thermometer um eine ganze Reihe von Graden gefallen. Der »Exzelsior«, wie unser Ballon — nebst zahlreichen seiner Brüder — hieß, stieg zeitweise mit einer vertikalen Geschwindigkeit von 5 bis 6 m per Sekunde empor — und als er nach genau einer halben Stunde die Höhe erreicht hatte, in welcher er voll und auch der erste Auftrieb von circa 80 kg verbraucht war, befanden wir uns bei einem Barometerstande von 315 mm und einer Temperatur von -26 1/2° in rund 7200 m, so daß die mittlere[S. 71] Geschwindigkeit seines Aufwärtsfluges noch immer 4 m in der Sekunde betragen hatte. Eine halbe Stunde lang stiegen wir also in jeder Sekunde um ein Stockwerk höher.
Schon vorher, bei etwa 6000 m, hatte mir M. Spencer zugerufen, er fange an, sich »so komisch« zu fühlen; ich wußte wohl aus früherer Erfahrung, was das zu bedeuten habe und gab ihm den Rat, sogleich mit der Sauerstoffatmung zu beginnen. Er tat es mit ausgezeichnetem Erfolge und wenige Minuten später folgte ich seinem Beispiele. Ich kann es angesichts gegenteiliger, meist vom grünen Tische aus geäußerter Ansichten nicht kräftig genug betonen, in welch ausgezeichnetem Maße ich noch bei jedem, mit dem ich Fahrten in große Höhen unternommen habe, und bei mir selber, die erfrischende, kräftigende, Energie und Wohlbefinden in gleicher Weise hebende Wirkung der künstlichen Sauerstoffzuführung festgestellt habe.
In langsamer Vorwärtsbewegung hatte der Ballon indessen beinahe einen Halbkreis beschrieben und schon vor drei Uhr unter Ballastauswurf 8000 Meter Höhe überschritten. Die Temperaturabnahme, welche zunächst nur in den untersten 1000 Metern, in der Nähe der stark erhitzten Erde, schnell erfolgte, dann aber bis über 4500 Meter mäßig war (wenig über 1/2° per 100 m) nahm nun über diesen mittelhohen Schichten immer mehr zu, bis auf 0,8 und O,9° per 100 m — und rasch sah ich, trotz England und ozeanischem Klima, trotz einer Wärme von 27° unten und barometrischem Maximum und südwestlicher Luftströmung, meine Thermometer (Quecksilber- und Alkohol-) den in diesen Höhen gewohnten, und von uns auch erwarteten, tiefen Kältegraden zueilen. Schon unterhalb von 8000 m war die Temperatur unter -30° gesunken und fiel noch immer rasch weiter. Wir hatten die Themse östlich von London, ja noch östlich der „Isle of Dogs“ überflogen und schienen nun beinahe mit rein westlichem Winde zu gehen. Aber diese Feststellungen waren nur das Ergebnis längerer, genauer Verfolgung des Weges; für den unmittelbaren Blick des Auges war weder eine Bewegung des Ballons bemerkbar, noch auch hatte man aus dieser ungeheuren Höhe den Eindruck über einem vereinzelten Punkte der Landschaft, einem Dorfe oder Stromarme, zu schweben. Dazu war denn doch das vom Auge mit einem Male umspannte Panorama zu groß. Noch schien ganz London zu unseren Füßen zu liegen und doch glaubten wir in unmittelbarer Nähe der[S. 72] meeresartig sich verbreiternden Themsemündung zu sein; in tiefen Einschnitten griff die See mit den Buchten von Chatham und Whitstable, von Maldon, Colchester und Ipswich in das Land hinein, von dem wir die Empfindung hatten, daß es uns gewissermaßen unter unseren Füßen weggezogen werde. Während dem kundigen Ballonführer aus geringeren Höhen eine nur leicht gewellte Hügellandschaft sich in Schatten und Farbenstufen verrät, waren aus dieser Erhebung die Downs sowohl, wie der Wald und die Hügel von Hertfordshire und Essex förmlich glattgestrichen; in mächtigem Bogen umspannte das Meer mit mattsilbernem Spiegel Südengland, breit ausladend sah man den Kanal von der Straße von Dover gen Südwesten sich öffnen und aus dem weißlichen Dunst des durchsonnten Horizontes in feinen, scharfen Umrissen den dunkleren Küstenstrich jenseits, das Land zwischen Dünkirchen und Dieppe sich abzeichnen. Ich habe auf hohen Alpengipfeln oft das Wort »unvergeßlich« gebraucht; aber noch nie hatte ich es mit soviel Recht vor mich hingemurmelt, als bei diesem, Länder und Meere umfassenden Anblicke.
Vier Minuten nach drei hieß es »Halt!«, nach und nach hatten wir den verfügbaren Ballastvorrat verbraucht und nur vier mäßige Sandsäckchen von insgesamt 60 kg Gewicht waren übrig, die denn doch für den Abstieg aufbewahrt werden mußten. Wir befanden uns in 8320 m Höhe bei 271 mm Luftdruck und -34·1° Lufttemperatur, beide bei Sauerstoffatmung, die ich sogar gelegentlich auf volle Minuten aussetze, wenn sie mich bei der Hantierung mit den Apparaten störte, ganz wohl und munter, wenn auch freilich in der eigentümlichen, mit Worten nicht wiederzugebenden Verfassung, in welche der gesamte Organismus, der physische wie der geistige, in dieser dünnen und kalten Luft trotz aller Palliative versetzt wird. Als nun der Ballon nach ganz geringem Fall wieder umbog und wir uns andauernd in dieser großen Höhe hielten, wurde bei der schon tiefstehenden Sonne die Kälte besonders empfindlich, um so mehr, als wir uns im Drange der Vorbereitungen zur Abfahrt gegen dieselbe gar nicht vorgesehen, sondern die Pakete mit warmer Wollwäsche friedlich auf dem Rasen der Anlagen zurückgelassen hatten und genau so gekleidet waren, wie es für einen heißen Sommertag in London eben paßte — was bei einer Wärmeabnahme von 61° C. allerdings nicht mehr genügte. Zur Entschuldigung muß ich hinzufügen, daß ich nur sehr geringe Hoffnung hatte, zu[S. 73] zweien mit dem nicht sehr großen Ballon tatsächlich so erhebliche Höhen und damit so tiefe Temperaturen erreichen zu können.
Aber bald ging der Ballon wieder von selber herab, was wir nun geschehen ließen; ja, als uns ein kurzes Studium der scharf gezeichneten Landkarte unter uns zu verraten schien (bei der großen Höhe und sehr langsamen Vorwärtsbewegung war es schwer, Sicheres festzustellen), daß wir uns nun mit zunehmender Geschwindigkeit dem gewaltigen, breiten Wassergeäder der Themsemündung (dem »Sea Reach« der Londoner) näherten, beschleunigten wir durch Ventilziehen geflissentlich seinen Fall. Ein kräftiger Aufprall auf die Erde ist ja noch immer dem Hinausgetragenwerden auf das offene Meer — der schlimmsten, einzigen großen Gefahr für den Luftschiffer — vorzuziehen. Nun, dieser Aufprall blieb uns denn auch nicht erspart; der Ballon durcheilte einen Kilometer nach dem anderen nach unten zu, die oberen 4000 Meter in 16, die untere Hälfte, unter dem mildernden, doch nicht ganz nach Wunsch erfolgenden Einflüsse des sukzessive über Bord geworfenen Ballastsandes, in 20 Minuten. Es gelang mir während des Abstieges noch eine kurze, doch zur Kontrolle durchaus genügende Reihe von Beobachtungen auszuführen und meine Instrumente beim schnellen Heraneilen der Erde so gut wie möglich zu verpacken. Ich werfe einen Blick nach unten; verschwunden sind wieder See und Küste und schließlich sogar die Themse, im Fluge dehnen sich und wachsen Felder und Wälder und Weiler in die Breite, wir überfliegen noch das Doppelgeleise einer Bahnlinie, der Schleppgurt legt sich ringelnd auf den Boden — ein Krach, ein Ruck nach oben und wieder ein Aufprall, kräftig, doch nicht zu arg; eine Minute später schaue ich auf meine Uhr und sage zu Mr. Spencer: »um 3.55 sind wir gelandet«.
Dann folgen die gewöhnlichen Begleitbilder einer Ballonlandung: atemlos an den Korb herankeuchende und fragende Menschen, vor Aufregung hochrote Kindergesichter, wirre Kommandorufe beim Verpacken des Aërostaten, kichernde Dorfmädchen, ein liebenswürdiger Reverend, der uns mit seiner Familie herzlichst zum Tee einladet, alles wie bei uns, alles ohne eine Spur von dem bei uns in Gesprächen so beliebten »englischen Phlegma«.
Es wird Höhe gerechnet und Temperatur beobachtet (noch immer 24°) und telegraphiert und gekabelt, Tee getrunken, »cake« und »jam« gegessen und zum Bahnhof[S. 74] gefahren; und während alledem Fragen, Fragen und endlose Fragen beantwortet und Gefühl von Hitze und dicker, dumpfer Luft.
Schon am nächsten Tage schwamm ich auf der Nordsee, der Heimat zu; den gestern von oben so glatten Spiegel bedeckte eine frische Ostbrise mit ganz artigen Wellenköpfen.«
Bedeutend ungefährlicher als die Andréesche Ballon-Nordpol-Expedition ist eine Überquerung des Meeres. Zu wiederholten Malen ist zum Beispiel der Kanal »La Manche« überflogen worden und wenn dabei auch schon Menschenleben zum Opfer fielen, so ist der wahrscheinliche Prozentsatz für ein Verunglücken doch viel geringer als bei arktischen Ballonfahrten, bei denen das Opfer dreier, mutiger Männer hoffentlich für alle Zeit genug ist.
Will man mit Hilfe des Kugelballons über ein Meer gelangen, so bieten sich uns zwei Mittel dar. Man benützt dazu entweder einen Kugelballon als frei schwebendes Luftschiff und vertraut sich nach genauen Studien der meteorologischen Verhältnisse dem günstigen Winde an, hoffend er bewahre die Treue, oder man verankert den Ballon mittels Derivatoren im Meere und macht so aus dem freien Ballon einen Fesselballon. Im letzteren Falle können uns Schiffe folgen, und wenn der Wind nachläßt oder es sonst nötig erscheint, uns aufnehmen.
Die größte Dauerfahrt, welche je unternommen wurde, ist die in ihrer Endabsicht eigentlich mißglückte Fahrt des Grafen de la Vaulx, am 12. Oktober 1901 von Toulon aus begonnen, mit dem Vorhaben, in Afrika zu landen. Er ist bei dieser Fahrt 41 Stunden in der Luft gewesen.
Über dieses gewiß sehr interessante Unternehmen, welches eine Art Gegenstück des Andréeschen darstellt, ist folgendes zu berichten:
In dem Ballon, Méditerranéen genannt, war ein zweiter kleiner Ballon angebracht, welch letzterer von der Gondel aus mit Luft aufzublasen war, um dem großen Ballon bei Gasverlust die Form zu bewahren.
Der Ballon besaß zwei Ventile; ein großes Ventil für die Landung und ein Manövrierventil. Zur größeren Sicherheit war auch eine Reißvorrichtung vorhanden. Die Maße [S. 75]des Korbes betrugen 280 × 320 cm. Er war mit wasserdichtem Stoff ausgelegt und derart eingerichtet, daß er sich für den Fall seines Aufsetzens auf das Meer, lange Zeit wie ein Boot an der Oberfläche halten würde.
Leider traten, wie wir aus den Berichten des l'Aérophile entnehmen, bei dem Versuche zahlreiche Schwierigkeiten auf, welche nur zum Teile behoben werden konnten.
Schon bei der Füllung, welche durch einen fahrbaren Wasserstoffgaserzeuger bewirkt wurde, ergab sich die Tragfähigkeit des Wasserstoffgases, statt, wie berechnet, zu 1·1 kg, nur zu 0·84 kg Auftrieb pro Kubikmeter.
Infolge dieses Umstandes mußte ein großer Teil der Apparate zurückgelassen werden. Unter dem Eindrucke der ungeduldig harrenden Zuschauermenge und der Befürchtung, daß ein neuer Sturm ihnen alles in Frage stellen könne, haben die Luftfahrer sich dann trotzdem entschlossen, die ganz anders gedachte und geplante Fahrt auszuführen. So verlief die Fahrt unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen.
Von den Schwimmapparaten wurde nur die große Holzschlange von 600 kg Gewicht (serpent stabilisateur) und der kleinere Abtreibanker, der noch nicht erprobt war, mitgenommen. Jeder Komfort, elektrische Zeichen, Waffen, Munition, Öl zur Beruhigung der Wellen, der stark wirkende Abtreibanker u. s. w. mußten zurückgelassen werden.
Am Abend des 12. Oktober fand mit 540 kg Ballast in Toulon von der »Rade des Sablettes« aus die Auffahrt des »Méditerranéen« statt. Die Versuchsballons, welche Graf de la Vaulx eine halbe Stunde vor der Abfahrt steigen ließ, zeigten einen in der Richtung zwar günstigen, aber sehr schwachen Wind an. Um 10:50 stiegen Graf de la Vaulx, der Führer der Expedition, und seine drei Begleiter, Graf Castillon de Saint-Victor, Ingenieur Henri Hervé und Schiffsleutnant Tapissier in die geräumige Gondel, M. Mallet leitete die Auffahrt. Um 11:09 ertönte sein »lâchez tout!« und majestätisch erhob sich der riesige Ballon in die mondlose Nacht. Man hoffte mit dieser Ballastmenge bei entsprechender Dichtigkeit des Ballons sich fünf Tage in den Lüften halten zu können.
Gleich bei der Abfahrt versenkten die Luftschiffer den Stabilisationsapparat ins Meer, der sie in einer Höhe von etwa 25 m ober dem Meeresspiegel im Gleichgewichte hielt. Der Ballon glitt dahin, die Holzschlange auf dem Wasser schleppend. Der folgende Kreuzer »Du Chayla« konnte anfangs den still im Dunkeln dahinfliegenden Ballon mit seinem Scheinwerfer nicht finden; später fuhr er, ihn fortwährend beleuchtend, mit 1000 m Abstand hinterher. Der Abtreibanker veranlaßte einen Abtrieb von etwa 30°. Er schwamm in einer Tiefe von 5-6 m. Man setzte ihn ein, als erkannt wurde, daß man sich der Küste nähere. Seine Wirkung war überraschend.
Der Ballon wurde sorgfältig ausgerüstet. Die Gondel war sehr stabil aufgehängt und zwar so, daß sie bei normalem Winde stets in horizontaler Lage blieb. Über der Gondel war ein Stück Leinwand mit einer Hängematte als Schlafzimmer für die Luftschiffer ausgespannt und außer[S. 77]halb der Gondel ein elektrischer Accumulator für den Austausch der Signallichter mit dem Begleitschiff, dem Kreuzer »Du Chayla«, angebracht.
Die beschränkte Lenkung des Ballons sollten die sogenannten Deviatoren bewerkstelligen, von welchen es zweierlei Typen gab.
Maximal-Deviatoren, das sind gebogene Holzplatten, die wie die Leisten der Fensterjalousien, drehbar zwischen[S. 78] zwei Parallelstangen befestigt sind und wagerecht von der Gondel ins Wasser herabhängen und deren Stellung vom Luftschiff aus geregelt werden kann. Sind sie in das Wasser hinabgelassen, so füllt und belastet das Wasser die Höhlung der Platten derart, daß sie, wie vorhergegangene Versuche in der Seine erwiesen haben, dem Ballon eine Kursänderung von 80° gegen die von der Luft auferlegte Richtung geben können. Die Deviatoren sollen nur bei ziemlich ruhiger See versucht werden.
Die zweite Art sind die Minimaldeviatoren, d. h. flache, in derselben Art angebrachte Holzplatten, die je nach ihrem von den Luftschiffern gestellten Neigungswinkel dem Wasser zwar weniger Widerstand leisten, die aber den Kurs des Ballons, namentlich hinsichtlich der Geschwindigkeit, immer noch erheblich beeinflussen können.
Eine zweite, besondere Vorrichtung sind die Stabilisatoren. Diese sollen die Höhe des Ballons während der Fahrt regeln. Hierzu dient zunächst die sogenannte Stabilisatorschlange, eine Art hölzerner Schlauch von 4 1/2 m Länge und schwerem Gewicht. Die Schlange schwimmt vertikal im Wasser. Soll der Ballon sinken, so wird ein Teil der Schlange aus dem Wasser gezogen. Das dadurch entstehende Mehrgewicht bewirkt ein Sinken des Ballons. Ein Steigen wird natürlich umgekehrt bewirkt.
Ein zweiter hydraulischer Stabilisator sollte die Wirkung ausgleichen, welche die Ausdehnung des Wasserstoffgases durch die strahlende Sonnenwärme hervorruft und die ein starkes Steigen des Ballons zur Folge haben würde. Dieser Stabilisator besteht aus zwei zylindrischen Röhren, die je 150 l Wasser fassen können. Die Röhren sind an beiden Enden durchbohrt und offen, ohne jeden Verschluß. Sie werden ins Wasser hinabgelassen und können mittels einer Luftpumpe entleert werden. Die Folge ist, daß sofort das Wasser in sie einströmt.
Durch eine andere Einrichtung sind die Luftschiffer auch in der Lage gewesen, selbst das Meerwasser als Ballast zu verwenden.
Der Fregattenkapitän Serpette hatte den Auftrag, mit dem Kreuzer »Du Chayla« dem Ballon zu folgen. Der »Méditerranéen« hatte übrigens noch einen zweiten Begleiter, nämlich die »Jeanne Blanche« eine Vergnügungsyacht eines M. Faulquier aus Montpellier.
Längere Zeit konnte man noch den Ballon, den der mächtige Scheinwerfer des »Du Chayla« beleuchtete, vom Ufer aus sehen, dann verschwand er in süd-südwestlicher Richtung.
Eine Ballondepesche, durch Brieftauben überbracht, meldete: »Schwache Brise Ost. Gute Route. Bewegung sehr langsam auf die Balearen zu.«
Am zweiten Abende der Fahrt wurde der Ballon durch einen starken Ostwind nach der Pyrenäengegend getrieben. Als die Aëronauten erkannten, daß eine Landung an der algerischen Küste nicht mehr möglich wäre, faßten sie im Angesichte der felsigen, spanischen Küste um 4 Uhr 20 Minuten den Entschluß, sich auf dem Meere in der Nähe des sie begleitenden Kriegsschiffes »Du Chayla« niederzulassen. Mit einiger Mühe gelang das Manöver in der Gegend von P. Venders, unweit der spanisch-französischen Grenze. Die Aëronauten bestiegen den »Du Chayla«, der sie nach Toulon zurückbrachte. Die Luftfahrt hatte 41 Stunden gedauert.
Am 13. Oktober 4 Uhr 40 Minuten hatte man noch keinen Ballast ausgeworfen, was entschieden für die Güte des Stoffes spricht. Die Ortsbestimmung mit dem Sextanten durch Tapissier am 4. Oktober 7 Uhr vormittags gelang gut.
Mit der Aufnahme der Passagiere des Méditerranéen an Bord des »Du Chayla« war die Fahrt dieses Luftschiffes beendet, das Ziel — in Afrika zu landen — aber nicht erreicht.
Graf de la Vaulx ließ sich durch diesen Mißerfolg nicht abschrecken und unternahm am 22. September 1902 um 4 Uhr 30 Minuten früh mit einem anderen Ballon, dem »Méditerranéen Nr. 2«, eine neue Auffahrt, diesmal jedoch von Palavas les Flôts bei Montpellier aus.
Der »Méditerranéen Nr. 2« faßt 3400 m3. Seine Hülle besteht aus französischer Seide. Ein Ballonet, d. i. ein kleinerer Innenballon von 1100 m3 Fassungsraum soll die Permanenz der Form erhalten. Eine riesige, 33 m hohe Ballonhalle in Palavas les Flôts bei Montpellier, von M. Carlier erbaut, nahm das Gefährte auf, bis ein günstiger Wind seine Abfahrt erlaubte.
Vom französischen Marineminister wurde dem Grafen de la Vaulx der Torpedojäger »l'Épée« unter dem Kommando des Schiffsleutnants Moulé vom 11. September an zur Verfügung gestellt. Die mechanische Ausrüstung des »Méditerranéen Nr. 2« wurde im Atelier Duhanot erzeugt. Es waren dies vor allem der Stabilisator, welcher aus schweren Holzblöcken im Gesamtgewichte von 500 kg bestand, welche untereinander durch zwei Ketten zusammenhingen. Beginnt der Ballon zu steigen, so hebt er soviel Blöcke aus dem Wasser, als es seiner jeweiligen Auftriebskraft entspricht. Er wird daher belastet und am weiteren Steigen gehindert. Sinkt der Ballon, so legen sich die Blöcke ins Wasser und der Ballon wird entlastet, sinkt also in der Folge nicht soviel, als ohne Gebrauch des Stabilisators, welcher auf diese Weise den Ballon stets einige Meter ober dem Meere hält. Die auch mitgenommenen Hervéschen Deviatoren sollten im Vereine mit einer sieben Meter im Durchmesser haltenden Luftschraube, welche mit ihrem Gobron-Brillié-Motor vor der Gondel angebracht ist, dem Ballon eine Kursveränderung von ca. 90° gestatten. Der Motor war 22 Pferde stark und wog dabei nur 147 kg, wenn die Angaben meiner Quelle (l'Auto-Velo) richtig sind. Es kämen da auf eine Pferdestärke nur etwa 6·6 kg, was ganz gut möglich ist. Die Flügel der Schraube, welche von dem bekannten Konstrukteur Hervé gebaut wurde, bestehen aus schmalen, um einige Zentimeter voneinander abstehenden, parallelen Metallamellen.
Infolge der Verwendung des Propellers ließ man den Ventilator, welcher bei dem ersten Ballon Verwendung finden sollte, entfallen.
Bei dem Aufstiege selbst, war Graf de la Vaulx noch von dem Grafen Castillon de Saint-Victor, Ingenieur Hervé, M. Laignier und M. Duhanot begleitet. Ein Detachement von Soldaten des 2. Genie-Regimentes unter dem Kommando des Leutnants Magnet leisteten bei der Auffahrt die erforderlichen Handgriffe.
In der Höhe von ca. 300 m wurde mit Hilfe von Versuchsballons und Strohrauch reiner Nordwind konstatiert, welcher jedoch an der Oberfläche des Meeres eine mehr nordöstliche, gegen Spanien zu wehende Richtung besaß.
Der Ballon, welchem man aus fahrtechnischen Gründen keine größere Höhe erreichen lassen wollte, segelte, in der oben angegebenen Weise verankert, in einer Entfernung von nur 6 m ober dem Wasser in der Richtung gegen Spanien dahin. Um sechs Uhr früh driftete der Ballon infolge bis dahin eingetretenen, günstigeren Windes nach Cette und Cap d'Agde ab. Dichter Nebel entzog den »Méditerranéen Nr. 2« um 10 Uhr früh den Blicken der zahlreichen am Lande anwesenden Zuschauer. Er befand sich damals etwa 40 km südlich der französischen Küste.
Am Morgen des 23. September wurde der Ballon von einem mittlerweile eingetretenen, ausgesprochenen Südwinde erfaßt und an die französische Küste zurückgetrieben.
Um drei Uhr 45 Minuten nachmittag landete er mit Hilfe der Reißleine — einer bei den Franzosen sehr selten in Gebrauch genommenen Vorrichtung — bei Capite ca. 5 km von Marseille entfernt, auf einem sehr ungünstigen Landungsterrain inmitten von Weingärten.
Auf der ganzen Fahrt hatte sich der Méditerranéen nicht auf mehr als 74 km von der Küste entfernt. Es war das am 23. September um 10 Uhr vormittags, um welche Zeit ihn dann ein heftiger Südwind gegen »Terres Grâces« trieb. Die Gesamtdauer der Fahrt betrug nur 35 Stunden 45 Minuten, d. i. um 5 1/2 Stunden weniger als am 12. Oktober vorigen Jahres, gelegentlich der Auffahrt des »Méditerranéen Nr. 1.« Von dem Hervéschen Deviator wurde kein Gebrauch gemacht. Graf de la Vaulx will im Sommer 1903 seine Mittelmeerfahrt wiederholen. Die große Ballonhalle in Montpellier wurde am 1. Oktober 1902 durch einen Wirbelwind vollständig zerstört.
Interessant sind die Bemerkungen des Präsidenten des Wiener »Aëro-Klub«, Viktor Silberer, bezüglich des Überfliegens des Mittelländischen Meeres. Er führte in einem Vortrage im Wiener »Aëro-Klub« seine Ansicht dahingehend aus, daß es weit leichter sei, mit dem Ballon von Afrika nach Europa, als umgekehrt von Europa nach Afrika zu gelangen, erstens wegen der in ersterer Richtung beständiger herrschenden Winde und zweitens weil man an der Südküste Europas leichter wirtliche Gestade — also gute Landungsplätze — als an der Nordküste von Afrika anträfe.
Ich muß gestehen, diese Ansicht hat viel für sich.
Auch zum Übersetzen von Wüstengegenden soll der Ballon dienen. Schon viele Jahre studierte man die Frage des Überfluges der Sahara. Dieses Projekt, die Sahara mittels des Ballons zu überqueren, ist gegenwärtig in ein neues Stadium getreten. Nach dem ersten Entwurfe, von dem französischen Hauptmann Debureaux im Jahre 1894, würden die Kosten dieser auf circa 2000 bis 2500 km Weglänge veranschlagten Ballonfahrt (Aufstieg in Sabes, Tunis, Landung im Flußgebiet des Niger projektiert) sich auf circa 300.000 Franken belaufen.
Der hierzu ausersehene Ballon hätte hiebei 14.000 m3 Fassungsraum. Man will nun vorerst einen unbemannten, aber mit selbstregistrierenden meteorologischen Instrumenten ausgerüsteten Ballon diesen Weg machen lassen. Dieser, der Probefahrt dienende Aërostat, ist mit einem automatischen Gleichgewichtshälter und einem Ballastentleerer versehen, welche den an Bord fehlenden Aëronauten ersetzen sollen. Zur Herstellung des Gleichgewichtes dient ein schweres, starres Lenkseil aus Stahl (von 500 kg für einen Ballon von 3000 m3). Der automatische Ballastauswerfer besteht aus einem 2400 kg Wasser fassenden Behälter. Nähert sich der Aërostat auf mehr als 50 m der Erde, so löst sich auf automatischem Wege 70 kg Wasserballast in einem Zeitraume von einer halben Minute aus. Ferner ist der Ballon auch mit einem automatischen Ballonet versehen. Wenn man die ungünstigsten Bedingungen annimmt, so würde der Ballon mindestens zwölf Tage in der Luft sein.
Aus den Beobachtungen der Sahara-Forscher geht übereinstimmend hervor, daß die Nord-Nordwestwinde von Oktober[S. 83] bis April jeden Jahres sehr konstant über der mittleren Sahara-Gegend wehen, wobei auch das Wetter vollkommen gleichmäßig und schön ist. Diese Winde werden das Lenkseil mit einer mittleren Geschwindigkeit von 20 km per Stunde mitziehen. Auf diese Weise kann der Ballon in 24 Stunden 480 km zurücklegen, er könnte daher die erforderliche Strecke in rund fünf Tagen durchfliegen.
Würde der Ballon während dieser Zeit Schiffbruch erleiden, so nimmt man an, daß der eine oder der andere der in der Wüste lebenden Nomadenstämme dieses Phänomen bemerken würde und sich so durch Erzählungen darüber die Nachricht, welchen Weg der Ballon zurückgelegt hat, verbreiten könnte. Man hofft auf diese Weise ein Bild der Wegrichtung, welche der Ballon genommen hat, zu erhalten, um die Spur desselben, sowie diesen selbst samt dem wertvollen in den Registrierapparaten enthaltenen Beobachtungsmateriale wiederzufinden. Dieser besprochene, projektierte Versuchsballon würde nur den zwanzigsten Teil eines großen Ballons kosten und auch im Falle des Mißlingens der Fahrt keine Menschenopfer fordern. Die französische Militärverwaltung hat Debureaux einen Ballon von 980 m3 zur Verfügung gestellt, welcher, von Mallet ausgerüstet, zur Zeit der Ost-West-Passate lanciert werden soll.
Für mich steht es außer Zweifel, daß man in kommenden Tagen statt des Wasserweges den Luftweg zu Passagierreisen wählen wird. Über das »Wann« wollen wir hier nicht unnötige Worte verlieren. Die Ballonfahrten, welche man heute über Meeresflächen ausführt, bergen wegen der unendlichen Wasserfläche noch vielfach Gefahren in sich, die nicht unterschätzt werden dürfen. Schon mehr als ein Luftschiffer hat sein nasses Grab in salziger Flut gefunden.
Nichtsdestoweniger wird auch diesem Sporte, denn mehr kann man es heute noch nicht nennen, gegenwärtig ziemlich viel gehuldigt. Die Tatsache kann aber nicht geleugnet werden, daß Meere im allgemeinen der Luftschiffahrt Schranken setzen.
Zumeist ist es die Meerenge des Kanal »La Manche«, welche zu überfliegen den Ehrgeiz der Luftschiffer bildet.
Als erster, welcher den Weg über diese Wasserstraße in der Luft nahm, wird uns Blanchard genannt, L'Hoste hat drei solcher Fahrten unternommen.
L'Hoste war der erste Luftschiffer, welchem es glückte [S. 84]von Boulogne s. M. aus nach England über den Ärmelkanal zu fahren. Das erstemal war dies am 9. September 1883, das zweitemal am 7. August 1884 der Fall.
Bei einem im Vereine mit dem Luftschiffer Mangot unternommenen Versuch am 13. November 1887 sind diese beiden Aëronauten leider verunglückt.
Bei seiner dritten Fahrt von Cherbourg aus (1886) benutzte L'Hoste einen Schwimmer und ein Segel. Die Überfahrt selbst verdankte er aber auch diesmal lediglich einem günstigen Winde, weil, wie die Erfahrung ergab, das Segel zu klein war, um irgend einen Effekt zu erzielen.
Im September desselben Jahres machten nun Hervé und Alluard eine Fahrt von 24 Stunden Dauer von Boulogne aus mit einem (déviateur aquatique) Wasser-Abtrieb-Apparat und anderen Apparaten für eine teilweise Lenkbarkeit, die zu bedeutend günstigeren Resultaten führten. Es gelang den kühnen Fahrern, nach den Angaben Hervés,[S. 85] einen Ablenkungswinkel von 65-79° zu erreichen und nur diesem glücklichen Umstande verdanken sie ihre schließliche Landung bei Yarmouth.
Ein anderer Luftschiffer, Jacques Faure, hat von London aus eine mit seltenem Wagemut ausgeführte Überfahrt über den Ärmel-Kanal unternommen.
Faure traf am 1. September mit seinem Freunde Graf Kergarion in London ein und begann am Nachmittage um 2 Uhr mit der Füllung seines 1043 m3 großen Ballons »L'Orient«. Die Aussicht auf die geplante Überfahrt war anfänglich wegen südlicher Winde bei strömendem Regen eine sehr geringe. Als abends gegen 6 Uhr der Regen aber aufhörte und der Wind aus Westen blies, wurde der Entschluß gefaßt, die Fahrt zu wagen. Erst um 7 Uhr 30 Minuten abends konnte das Kommando »Los!« erfolgen. Bei der inzwischen eintretenden Dunkelheit hielt Faure sich niedrig, um den Kurs zu erkennen. Der Leuchtturm von Chatham, sowie die von ihm überflogene Stadt Canterbury gaben den Luftfahrern die Sicherheit, daß sie auf rechter Straße sich befanden. Gegen 11 Uhr abends erreichten sie die Meeresküste. Bei nebeligem Wetter flogen sie in einer Höhe von etwa 700 m weiter. Es war nichts zu erkennen als die Lichter der Leuchttürme der englischen Küste und diejenigen der unter ihnen fahrenden Schiffe. Um 2 Uhr 30 Minuten früh erkannten sie die Lichter von Boulogne. Der Ballon war etwas gegen Süden abgetrieben worden und landete im Dorfe Alettes in der Nähe von Pas-de-Calais.
Doch alle diese Fahrten sind Kinderspiele gegen die von Graf de la Vaulx geplante Mittelmeerfahrt, welche aber noch nicht gelungen ist, und gegen eine von Godard projektierte Atlanticfahrt.
Dieser will von New York aus den Atlantischen Ozean im Luftballon übersetzen. Die Distanz zwischen dem europäischen und amerikanischen Festlande beträgt circa 5000 km. Godard hat hierbei die Möglichkeit erwogen, daß der Ballon im Falle unerwarteter Windströmungen die Fahrt in einem Dreieck zurückzulegen hätte, dessen Ecken New York, das Nordkap und das Kap der guten Hoffnung bilden. Die Fahrtdistanz würde dadurch auf 7500 km ausgedehnt werden. Der Ballon, mit dem Godard diese Reise durch die Lüfte unternehmen will, soll ein Volumen von 11.000 m3 besitzen. Mit reinem Wasserstoffgas gefüllt, besäße er eine Tragkraft von 12.100 kg.
Diese Tragkraft soll in folgender Weise ausgenutzt werden: das komplette Ballonmaterial wägt 5250 kg, das Gewicht der Apparate und eines Bootes beträgt 1150 kg. Nach Einrechnung des Gewichtes der zehn Luftschiffer (800 kg) und der Lebensmittel für zwei Monate (1500 kg) bleibt noch ein freier Auftrieb von 4400 kg, welcher teilweise durch Ballast ausgeglichen werden muß. Die Gondel wird 3 m lang, 2·5 m breit und 2 m tief sein. Die Herstellungskosten des Ballons werden auf etwa 200.000 Franken veranschlagt. Die Ballonhülle wird aus doppelter Seide hergestellt.
Godard berechnet, daß sein Ballon im Laufe von je 24 Stunden etwa 1·5% seines Kubikinhaltes an Gas verlieren dürfte. Das würde einen täglichen Verlust von 165 m3 Gas und von 181·5 kg Auftrieb geben. Diese Verluste abgerechnet, bleibt dem Ballon eine Reisefähigkeit von 27 Tagen. Godard glaubt, daß er die Fahrt bei schwachem Winde in acht Tagen, und bei unvorhergesehenen Abweichungen von der Geraden, in zwölf Tagen werde zurücklegen können.
Sosehr ich den Enthusiasmus der Berufsluftschiffer für solche extravagante Fahrten mitfühle, so kann ich als klar denkender, praktischer Luftschiffer doch nicht diesen Enthusiasmus teilen. Schon die Mittelmeerfahrt des Grafen de la Vaulx zeigte uns die große Menge von Schwierigkeiten, mit welchen so eine Ballonfahrt zu kämpfen hat. Andrée hat seinen — ich sage es frei heraus — unzeitgemäßen Wagemut mit seinem eigenen und dem Tode seiner zwei Gefährten bezahlt.
Der Kugelballon ist nicht geeignet, den Kampf mit dem nassen Elemente in der Weise, wie es ihm hier zugemutet wird, aufzunehmen. Er ist als Fesselballon verwendet, zu schwach, Stürmen zu trotzen, und frei schwebend gebraucht ein Spielball der Winde.
Darum bescheiden wir uns mit der großen Rolle, welche ihm trotzdem noch immer zufällt und lassen von Bemühungen ab, die einmal gelingen können und zehnmal mißlingen werden. Wenden wir unsere Kräfte daran, den Gasball lenkbar zu machen, dann können mit viel mehr Beruhigung und Wahrscheinlichkeit eines guten Gelingens, Meere und Wüsten überflogen werden.
Vielen Luftschiffern ist wohl schon, gleich mir, der Fall passiert, daß nach seinem Ballon geschossen wurde, sei es[S. 87] bei Überschreiten der Grenzen oder beim Überfliegen von großen Forsten. Dieser Verirrungen übereifriger Grenzwächter oder unbedachter Jäger sei mit diesen Zeilen kurz gedacht, sie sind es aber nicht, welche uns im Nachfolgenden beschäftigen sollen.
Unter »Jagd nach dem Ballon« oder »Ballonjagd« kurzweg verstehe ich das Einholen eines von einem bestimmten Punkte aufgefahrenen Freiballons durch Zweiräder oder Automobile.
Der »Touring-Club de France« besitzt seinen eigenen Ballon, der den Radfahrern Gelegenheit bietet, ihre Ausdauer und Findigkeit durch Verfolgung seines Fluges und Auffinden seiner Landungsstelle zu schulen, aber es hat den Anschein, als ob diese Art der Verbindung von Aëronautik und Radfahrsport nicht recht lebenskräftig wäre. Den Anstrengungen der Verfolgung eines Ballons sind doch immer nur wenige, gut trainierte Radfahrer gewachsen und letztere wieder sind lediglich gewohnt, stumpfsinnig ihren »pace makers« nachzuradeln. Bei Verfolgung eines Ballons ist der Radler gezwungen, neben Kraft und Ausdauer auch Intelligenz zu zeigen; er muß sich orientiert halten im Gelände, um ohne Aufenthalt die kürzesten und besten Straßen zu finden, die in der Windrichtung liegen, welcher der Ballon folgt, abgesehen davon, daß er sich selbstverständlich bemühen muß, den Ballon nicht aus dem Auge zu verlieren; andernfalls muß er seiner Spur durch Auskundschaften der Landbewohner folgen, was immerhin Aufenthalt und Mißverständnis in sich schließt.
Diese Jagd nach dem Ballon mit Zweirädern ist sehr schwierig, und heute schon durch die Ballonjagd mit Automobilen verdrängt.
Der Automobilwagen ist imstande, einem Ballon auf weite Entfernungen zu folgen. Er gestattet den Mitfahrenden, in Ruhe die beste Straße, die sie zur Verfolgung wählen müssen, für jeden Fall rechtzeitig zu erwägen, und er besitzt fast immer die nötige Geschwindigkeit, um einem Ballon folgen zu können.
Für den Automobilsport allein liegt die Aufgabe und der Reiz darin, zuerst am Landungsplatze des Ballons zu sein. Den Balloninsassen können die Automobilgenossen hierbei oft eine wünschenswerte Hilfe sein.
Anderseits kann dem Ballonführer die Aufgabe gestellt werden, sich nicht erreichen zu lassen, und ein Versuch in[S. 88] dieser Beziehung ist vor kurzem von Eugène Godard und dem Comte de la Valette von Épernay aus gemacht worden. Der Ballon, anfangs von Godard geführt, landete mitten in einem Walde, um der Verfolgung durch die Automobile des Herrn Lemaître zu entgehen; aber es war umsonst, Godard wurde gefangen genommen.
Nicht besser erging es dem Grafen de la Valette, welcher demnächst die Führung des Ballons übernahm. Nach Angabe der Luftschiffer wäre die Windgeschwindigkeit eine zu ge[S. 89]ringe gewesen und dadurch die Aufgabe dem Automobilwagen sehr erleichtert worden. Der letztere soll eine auf 100 km pro Stunde geschätzte Geschwindigkeit erreicht haben.
Sehr interessante Versuche hat der französische Luftschiffer Louis Capazza gemacht. Er stieg von Brüssel aus auf, nahm an, diese Stadt sei vom Feinde belagert und er solle (ähnlich wie es in Paris 1870/71 tatsächlich der Fall war) Depeschen aus dieser Stadt befördern und die Rückantwort durch Brieftauben spedieren. Vor den Toren der Stadt warteten Automobile auf den Ballon, um ihn abzufangen. Capazza erhob sich zu beträchtlicher Höhe, ließ sich von den oben bekanntlich stärker wehenden Winden schnell forttreiben, verwandelte dann den Ballon durch Zerreißen in einen Fallschirm und bewerkstelligte auf diese Art stets erfolgreich und schnell seinen Abstieg und konnte sich so seinen Verfolgern entziehen.
Man sieht, die Jagd nach dem Ballon hat für beide Teile ihre ausgesprochenen Reize, übt Blick und Gewandtheit, und kann einst im Ernstfalle — womit der Krieg gemeint ist — gute Früchte tragen.
Die Änderungen der Witterungserscheinungen, womit sich die Meteorologie befaßt, wird durch Veränderungen der einzelnen meteorologischen Elemente, wie der Temperatur, der Feuchtigkeit, des Druckes, der Elektrizität in der Atmosphäre etc. bedingt. Es muß daher dem Meteorologen zur Erfüllung seiner Aufgabe von hoher Wichtigkeit sein, den Gang und die Tendenz dieser Änderungen rechtzeitig zu erfahren und womöglich vorausahnend zu bestimmen.
Um zur Kenntnis der Vorgänge in der Veränderung der Atmosphäre zu gelangen, begnügte man sich bis vor kurzem, Beobachtungen bezüglich der betreffenden, Einfluß ausübenden, primären Erscheinungen auf der Erde selbst anzustellen. Hierbei handelte es sich zumeist darum, den Gang der Temperatur, des Druckes, sowie der Feuchtigkeit der Luft und den Wechsel des Windes durch chronometrische Registrierungen auf der Erdoberfläche zu bestimmen. Nun leben wir aber auf dem Grunde eines ungeheuren Luftmeeres und nehmen infolgedessen nur die Ausläufer oder die Anfänge der meteorologischen Einflüsse wahr. Diese selbst vollziehen sich im allgemeinen in viel höheren Regionen. Man errichtete daher auf den Gipfeln hoher Berge meteorologische Observatorien, wie z. B. auf dem Sonnblick, Mont Blanc, Brocken, Säntis, Pic du Midi, Pikes Peak, Ben Nevis etc., anderseits zog man auch hochaufragende Türme, so besonders den Eiffelturm, zu diesen Zwecken heran.
Da die Gipfel der hohen Berge weit in die Luftmasse hineinragen, geben die dortselbst angestellten Versuche verläßlichere Daten, weil sie weniger von der umgebenden Erde[S. 91] beeinflußt sind. Dennoch macht sich auch bei diesen Bergstationen die Nähe der festen Erde störend fühlbar. Die Messungen zeigen nicht die wahren Werte der Temperatur, Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit der Atmosphäre, sondern sind sehr stark durch die Bodenbedeckung und lokale Erscheinungen beeinflußt. Auch kann man von diesen Hochobservatorien nicht den Gang der Änderungen der meteorologischen Elemente — die Transformationen, denen die Luftteilchen auf ihrem Wege durch den Luftraum unterworfen sind — verfolgen.
Dazu eignen sich einzig und allein vom Luftballon aus unternommene Beobachtungen.
Anfangs benützte man dazu Fesselballons, und zwar gewöhnliche Kugelballons, welche an einem Seile mit meteorologischen Instrumenten hochgelassen wurden; in neuester Zeit dagegen Drachenballons nach dem System Parseval-Sigsfeld.
Der in den Jahren 1892-1894 in Berlin in Verwendung gestandene gefesselte Kugelballon »Meteor« hatte, sowie alle übrigen Kugelballons, den großen Nachteil der geringen Stabilität, das heißt er war großen Schwankungen unterworfen, und die gefundenen Daten gaben daher auch nur Durchschnittswerte. Ein längeres Verweilen in einem solchen Fesselballon endete fast stets mit einer Seekrankheit, während dieser Fehler bei dem Drachenballon Parseval-Sigsfeld, wie er von Moedebeck und Hergesell in Straßburg und in Berlin von Aßmann zu Beobachtungen verwendet wird und den Wienern von der Jubiläumsausstellung her bekannt ist, bedeutend verbessert erscheint.
Es hat ziemlich lange gebraucht, bis man von der Erkenntnis der Unzweckmäßigkeit des schädlichen Verhaltens des Kugelballons zu einer Konstruktion gelangte, welche diese Übelstände nicht besaß. Zuerst versuchte man oberhalb des Ballons eine Drachenfläche anzubringen. Der auf sie ausgeübte Luftdruck sollte mit seiner hebenden Komponente den Gasdruck vermehren und so zu der gewünschten Stabilität verhelfen. Der Umstand jedoch, daß die erforderlichen Tragflächen sehr große Dimensionen erhalten mußten, um ausgiebig zu wirken, brachte Sigsfeld und Parseval auf die Idee, dem Ballon eine längliche Form zu geben, welche sich[S. 92] erfahrungsgemäß von selbst in die Richtung des herrschenden Windes einstellt.
Damit sich aber bei den naturgemäß eintretenden Erschütterungen die Hülle stets prall erhalte, mußte eine Vorrichtung ersonnen werden, welche dies bewirkt. Die beiden genannten Ballonkonstrukteure erreichten diesen Zweck durch die Anbringung einer verhältnismäßig einfachen und, was die Hauptsache ist, automatisch wirkenden Vorrichtung. Sie fügten in den rückwärtigen Teil des Ballons eine schief verlaufende Querwand, welche durch einen herumgelegten Füllsack nach Bedarf mehr oder minder aufgebaucht werden konnte, das Gas somit mehr oder weniger, wenn auch nur ganz schwach komprimieren konnte und so die Gestalt der Ballonform beständig erhielt. Der Füllsack hatte vorne auf[S. 93] der dem Winde zugekehrten Seite ein nach innen sich öffnendes Ventil, welches den Füllsack jederzeit straff gespannt erhält. Auf der Rückseite des Füllsackes befindet sich ein Sicherheitsventil, welches sich jederzeit dann automatisch öffnet, wenn der Luftdruck im Füllsacke eine bestimmte Grenze überschreitet. Derart kann also stets die abschließende Hülle sich nach Bedarf ausdehnen und zwischen der Kompression im Wasserstoffgasballon und zwischen jener im Luftsacke automatisch das richtige Verhältnis bestehen.
Beiderseits des Ballons angebrachte Lappen und Windruten, ähnlich dem Schwanze der bekannten Spielzeugdrachen, helfen die Stabilität erhöhen. Steigt man mit solchen Drachenballons auf, so spürt man ein beständiges Zerren, Schütteln, Reißen und Brausen, das einer wohltätigen Ruhe Platz macht, sobald sich der Drachenballon, was selten vorkommt, seiner Fessel eigenmächtig entledigt und eine Freifahrt antritt.
Leutnant Milczewski des Colbergschen Grenadier-Regimentes Nr. 9 und Oberleutnant Tauber der österreichischen Luftschifferabteilung lieferten diesbezüglich interessante Berichte (S. III. aëron. Mitt. 1902, pag. 109 und 110. A. Riedinger: »Wie verhält sich der Drachenballon bei einer Freifahrt«).
Diese Drachenballons haben sich sehr gut bewährt und trotz ihrer unästhetischen Gestalt Eingang in alle Militärluftschiffer-Abteilungen gefunden. Sie sind ein sehr gutes Hilfsmittel in Höhen von 400-1000 m.
Einen Erfolg ersten Ranges hat der französische Forscher Teisserenc de Bort mit dem Drachenballon erreicht, den er bis zu der bisher von keinem dieser Ballons erstiegenen Höhe von 4360 m auffahren ließ.
Eine andere Art, sich Kenntnis über die Vorgänge der Witterungserscheinungen in der freien Atmosphäre zu verschaffen, besteht in der Anwendung von »Ballons sondés«, auch »Ballons perdus« genannt.
Es sind dies kleine, unbemannte Ballons, welche nur ihr eigenes Gewicht und das der ihnen anvertrauten meteorologischen Instrumente (also keine Beobachter oder Passagiere) hochzunehmen haben.
Der erste Urheber der Idee des unbemannten Ballons soll der, leider für die Wissenschaft zu früh verstorbene Pariser Luftschiffer, Gaston Tissandier, gewesen sein, der dem Geheimrat Assmann schon 1886 diese Idee enthusiastisch auseinandersetzte. Doch sollten noch 10 Jahre bis zur Verwirklichung vergehen.
Anfänglich ließ man die auch als Kinderspielzeug bekannten, kleinen Pilotballons als »ballons perdus« aufsteigen, um aus ihrer Fahrt die Richtung des Windes kennen zu lernen. Nach und nach fabrizierte man sie auch in größeren Dimensionen.
Besonders waren es auf diesem Gebiete, die bekannten Franzosen G. Hermitte und G. Besançon in Paris, welche seit dem Jahre 1892 von dem Balkon ihrer Wohnung auf dem Boulevard de Sébastopol aus fast täglich kleine, nur einen Kubikmeter fassende Ballons mit Fragekarten in die Luft sandten und dabei neben interessanten Resultaten über die Richtung und Stärke des Windes der oberen Luftströmungen die wichtige Erfahrung machten, daß wenigstens die Hälfte dieser Ballons in dem Umkreise von 150 Kilometer wieder gefunden wurden.
Dies führte zu dem Gedanken, solche Ballons mit selbstregistrierenden Instrumenten auszurüsten. Es wurden zu diesem Zwecke größere Ballons aus mit Petroleum getränktem Papier von 26 bis 113 Kubikmeter Inhalt hergestellt, welchen primitive Registrierapparate für Luftdruck und Temperaturextreme anvertraut wurden. Nach mehreren mißlungenen Versuchen gelang es am 11. Oktober 1892, einen aus Goldschlägerhaut gefertigten Ballon von nur 0·5 Kubikmeter[S. 96] Inhalt mit einem 150 Gramm schweren Registrierapparate bis zu einer Höhe von 1200 Metern steigen zu lassen, wobei der Ballon eine Strecke von 75 Kilometern nach Ost zurücklegte. Am 28. November desselben Jahres erreichte man eine Höhe von 9000 Metern.
Hierbei wurde man bald auf die wichtige Einwirkung der Wärmestrahlung aufmerksam, welche durch Erwärmung der Ballonhülle und dadurch auch des Gases die Ballons in höhere Schichten trieb, als sie ihrer Größe und ihrem Gewichte nach hätten erreichen können. Infolgedessen entschlossen sich die unermüdlichen Forscher, wie W. de Fonvielle in seinem interessanten Buche: »Les ballons sondés de Mrs. M. Hermitte et Besançon et les ascensions internationales, Paris 1898« es näher ausführt, an Stelle des bisher bevorzugten Papieres die zwar teueren, aber außerordentlich leichten und viel mehr Wärmestrahlen absorbierenden Goldschlägerhäutchen zu verwenden. So entstand der erste 113 Kubikmeter fassende Ballon »L'Aërophile«, ohne Zweifel ein Muster an Leichtigkeit, welches schwer zu übertreffen ist. Seine Hülle wog nur 11 kg, das Netz 1 kg, die Apparate 6 kg.
Dieser Ballon erreichte am 21. März 1893 bei seiner ersten Auffahrt eine Höhe von roh 15.000 m und verbrannte nach seiner zweiten Auffahrt. Es wurde nun ein neuer 180 m3 fassender Ballon gebaut »L'Aërophile II«, der in den Jahren 1895 bis 1896 aufstieg und bei 15.000 m eine Temperatur von nur -70° antraf. Am 5. August 1896 stieg in Paris wieder ein neuer Ballon »L'Aërophile III« genannt, auf, der aber aus gefirnißter Seide verfertigt wurde, 380 m3 Inhalt hatte und am 14. November zum erstenmale gleichzeitig mit ähnlichen Ballons in Straßburg, St. Petersburg und Berlin auffuhr.
Die Versuche der Franzosen auf diesem Gebiete wurden bald in Deutschland aufs eifrigste verfolgt und es entspann sich ein edler Wettstreit, von welchem die Wissenschaft in hohem Maße profitierte. Jeder dieser beiden Nationen gebührt in gleichem Maße der Ruhm, zur Entwickelung der wissenschaftlichen Ballonfahrten beigetragen zu haben. In Deutschland war es besonders der Berliner »Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt«, welcher unter der genialen Führung Dr. Aßmanns und der tätigen Anteilnahme des Hauptmanns H. Groß, sowie Dr. Bersons und anderer, mit echt deutscher Ausdauer und Gründlichkeit sich dieses neuen Zweiges der Wissenschaft bemächtigte.
Anfänglich legten diese Ballons sondés auch ganz beträchtliche Entfernungen zurück. Sie betrugen z. B. in einem Falle 1000 km, in einem anderen 900 km. Diese Wege wurden von dem deutschen Registrierballon »Cirrus« durchmessen, welcher einmal in Bosnien, ein andermal in Rußland niederging und auch in Dänemark und Österreich landete.
Die erreichten Höhen bei dem Registrierballon »Cirrus« betrugen am 6. September 1894 18.500 m, am 27. April 1895 rund 22.000 m. Diese letztere ist die größte aller bis jetzt gewonnenen Höhen. Der Ballon setzte damals auf der dänischen Insel Laaland auf.
Die Minimaltemperatur betrug bei 9150 m Höhe -47·9° Celsius und bei der Höhe von 18.500 m -67° Celsius, bei 16.325 m -53° Celsius.
Diese Ballons sondés kapseln sich gleichsam in die Luftschichten, in denen sie schweben, ein und nehmen ihre Geschwindigkeit an. Sie schweben auch während der größten Stürme vollkommen ruhig in der Luft. Der Ballon ist nur dann sehr heftigen perpendikulären Schwankungen ausgesetzt, wenn er innerhalb großer Kumuluswolken in Wirbelstürme gerät, was aber ungemein selten ist. Eine solche Luftfahrt machte ich in Gemeinschaft mit dem damaligen Leutnant Groß von Berlin aus im September 1888 mit. (Siehe darüber mein Buch: »Lenkbare Ballons«, pag. 270.)
Somit eignet sich der Ballon vorzüglich zum Höhenobservatorium. Ein Steigen und Fallen des beobachtenden Ballons ist durch Ballastauswurf leicht zu bewerkstelligen.
Diese freien, wenn auch in Bezug auf die Richtung unlenkbaren Ballons, werden selbst dann noch für meteorologische und physikalische Zwecke von Wert sein, wenn das »lenkbare Luftschiff« längst erfunden ist.
Von erhöhtem Nutzen sind diese Ballonbeobachtungen, wenn sie zu gleicher Zeit von verschiedenen Orten aus unternommen werden.
Bei Registrierballons, auch »Ballons sondés« genannt (das sind solche Ballons, welche man mit Instrumenten versehen, ohne Bemannung, hochläßt), hat man statt der direkten Ablesung solche auf photographischem Wege oder mit Hilfe mechanischer Übertragungsvorrichtungen bewirkte angewendet. Je komplizierter aber ein Apparat ist, desto näher rückt die Gefahr des Versagens. Es darf daher den einzelnen Beobachtungen im Ballon kein sehr hoher Wert beigelegt werden. Erst die Vergleichung mehrerer Beobachtungen wird[S. 98] zu sicheren Schlüssen berechtigen. Oft wird es das Richtige sein, mehrere, in nicht weit auseinander liegenden Zeitpunkten bei ähnlichen Barometerständen gemachte Thermometerablesungen zu einem Mittel zu vereinigen, desgleichen die Barometerstände etc., um auf diese Weise die annähernde Durchschnittstemperatur (oder Druck, Feuchtigkeitsgehalt etc.) einer Luftschichte von ziemlicher Dicke und mittlerer Höhe zu erhalten.
Wie man sieht, wirken bei diesen Ballonbeobachtungen außerordentlich viele Umstände zusammen, welche alle berücksichtigt werden müssen und deren Kenntnis und richtige Beurteilung von hohem Werte sind. In dieser Hinsicht verdienen die Aßmannschen Beschreibungen und Zusammenstellungen der Resultate der Ballonbeobachtungen geradezu mustergültig genannt zu werden.
Am 5. Mai 1902 wurde der 213. Registrierballon der internationalen Kommission hochgelassen.
Wir haben weiter oben die Tatsache verzeichnet, wonach Ballons sondés oft recht weite Fahrten zurückgelegt haben. Diese sind jedoch nicht das Ideal der Meteorologen.
Die Erforschung der freien Atmosphäre wird in vielen Fällen viel besser durch Apparate bewirkt, welche schnell emporsteigen, hierbei die Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit, Elektrizität, Gehalt der Luft etc. etc. beobachten, u. zw. wo tunlich, in größeren, übereinander gelegenen Schichten, und dann wieder unweit ihrer Aufflugsstelle landen, so daß sie ihre Resultate rasch abliefern.
Dieses ersehnte Ziel aller Meteorologen ist im aëronautischen meteorologischen Observatorium in Tegel bei Berlin von Aßmann und Berson in geradezu idealer Weise erreicht worden.
Gelegentlich der dritten Sitzung der »Internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftfahrten« führte Geheimrat Aßmann einen Gummiballon vor, der nach einer neuen Methode von der »Continental Caoutchouc Company« in Hannover hergestellt worden ist und ein Non plus ultra von Ausdehnungsfähigkeit darzustellen scheint. Bei dem Versuch, ihn durch einen Blasebalg mit Luft aufzupumpen, zeigte er sich bei 32 cm Durchmesser leicht angespannt, aber erst bei einer Vergrößerung des Durchmessers bis auf 134 cm platzte er. Das ergibt die 68fache Vermehrung des Volumens und bei Anwendung von Wasserstoffgas einen Auftrieb, welcher den[S. 99] Ballon vor seiner Vernichtung in Höhen bringen würde, in denen ein Druck von nur 12-13 mm herrscht, d. i. auf 38 km!
Während die gebräuchlichen Gasballons von jeher durch den Füllansatz offen gehalten werden und offen gehalten werden müssen, daher beim Aufstiege konstante Gasverluste erleiden, beständig Auftrieb verlieren und zuletzt in eine Gleichgewichtslage gelangen müssen, die ein weiteres Steigen verbietet, vermag ein vollständig geschlossener Gasballon, weil er bei Erwärmung und Druckverminderung sich aufbläht, sehr schnell in große Höhen, wo der Widerstand immer geringer wird, zu steigen. Allerdings ist schließliches Platzen sein Los; aber dies Platzen ist beabsichtigt und dadurch in die Berechnung gezogen, daß die mitgeführten Instrumente durch Vermittlung eines Fallschirmes sanft zur Erde gelangen. Der Erfolg hat diesen Erwägungen, nach allen Richtungen vollständig Recht gegeben. Die Auftriebkraft eines solchen sich blähenden Ballons nimmt beständig zu statt ab, und es ist durch den Grad der Füllung ziemlich genau im voraus festzustellen, wann der mit großer Geschwindigkeit steigende Ballon von seinem Schicksal erreicht werden wird. Der Aufstieg dauert selten mehr als eine Stunde und in höchstens zwei Stunden ist der Ballon, wenn er nicht durch den Wind allzuweit verschlagen wird, stets mit interessanter Botschaft aus den höchsten Regionen wieder da.
Den das aëronautische Observatorium am 22. Mai l. J. in Tegel besuchenden Mitgliedern der »Internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftfahrten« stellte Geheimrat Assmann seine Gummiballons vor, deren drei zum Aufstiege in der Ballonhalle bereit waren. Nr. 1 stellte ein kleineres Modell von 1·80 m Durchmesser im natürlichen, d. i. unausgedehnten Zustande dar, welches nur um einen geringen Betrag, nämlich bis auf 2 m Durchmesser, ausgedehnt und daher noch recht bedeutender Aufblähung und zu entsprechend hohem Steigen fähig war. Geheimrat Assmann erklärte die sehr einfache Einrichtung des Ballons. Vom Äquator desselben und dort an drei symmetrisch am Umfange verteilten Punkten befestigt, hängen drei Schnüre etwa 5 m tief herab, in welche der aus weißem Stoff hergestellte Fallschirm so eingehackt ist, daß die Hacken sich von selbst aushacken, sobald nach dem Platzen des Ballons der Winkel, den jene Schnüre für gewöhnlich mit dem korrespondierenden des Fallschirmes bilden, sich vergrößert. Etwa 3 m unter dem Fallschirm, also 8 m unter dem Ballon, hängt der die Instrumente enthaltende[S. 100] Apparat, mit einem großen Plakat beklebt, das dem Finder Belohnung verspricht und ihm Anleitung für Behandlung des Fundes und dessen Rücksendung gibt. Der so vorgestellte Ballon wurde alsbald und mit aller Bequemlichkeit aus der Ballonhalle herausgelenkt und aufgelassen. Er stieg mit großer Geschwindigkeit unter dem Einflusse des Windes in schräger Richtung aufwärts und verschwand, nachdem er sich für das Auge bis zu einem sehr kleinen Scheibchen verkleinert, bei etwa 2000 m Höhe in den so tief herabhängenden Wolken. Gleich darauf gelangte auch Ballon Nr. 2, etwa unter denselben Verhältnissen zum Aufstiege. Er war mit 2 m natürlichem Durchmesser, etwas größer als Nr. 1, aber bei seiner Füllung gar nicht ausgedehnt worden, so daß er etwa 4 m3 Gas enthielt, mit einem Auftrieb = 4 1/2 kg. Nach Abzug des Eigengewichtes von 3 kg, einschließlich der Instrumente, war im Anfangsstadium ein Netto-Auftrieb von 1 1/2 kg vorhanden, der sich aber durch die Ausdehnung des Ballons, welcher den vierfachen Durchmesser erreichen kann, ohne daß der Ballon platzt, sehr bedeutend vermehrt.
Was die Beobachtungsergebnisse mit Hilfe dieser Ballons sondés anbelangt, so sind sie in vieler Hinsicht wissenswert. Leider gestattet es der Raum dieses Buches nicht, darauf näher einzugehen, deshalb nur kurz folgendes. Eine der interessantesten Beobachtungen, welche mit ihrer Hilfe angestellt wurde, berichtete Herr Teisserenc de Bort aus Paris in Berlin und zwar machte er dortselbst Mitteilungen über die Temperaturabnahme in den hohen Regionen auf Grund der Beobachtungen an 258 Ballons, die 11 km erreicht oder überschritten haben, und hieran anschließend über die Luftströmungen oberhalb der Depressionen und der Gebiete hohen Luftdrucks. Alle diese Aufstiege sind zur Vermeidung der Sonnenstrahlung bei Nacht erfolgt, im ganzen bisher 540, von denen die oben bezeichnete Zahl bis in die größten Höhen eindrang. Das übereinstimmende, bemerkenswerte Resultat ist, daß in der Schicht über 8 bis 9 km Höhe die Temperaturabnahme ungleich langsamer erfolgt, daß sie in der Höhe von 11 km ganz aufhört und daß darüber hinaus sogar Erwärmung eintreten kann, jedoch mit geringen Schwankungen von 1-3° auf und ab, mit der Wirkung, daß die Temperatur durchschnittlich die gleiche bleibt. Im Sommer scheint diese isotherme Schicht etwas höher zu liegen, nämlich erst bei 13-14 km. Sie liegt niedriger in Zeiten der Depression, aber bis 4 km im Vergleich höher in Zeiten hohen Druckes.[S. 101] Die Zone dieser Vorgänge liegt höher als die Cirrus-Wolken. Als niedrigste Temperaturen sind zur Zeit hohen Druckes -67° und -72°, im März auch ausnahmsweise -75° beobachtet worden. Ob damit ein absolutes Minimum der Lufttemperatur erreicht ist, bedarf der weiteren Prüfung. Über die Ursachen der auffälligen Erscheinung gibt es zunächst nur Vermutungen. Liegt die Wirkung eines sozusagen grandioseren Charakters der Luftverhältnisse in diesen großen Höhen vor, in welche die Wirbelbewegung der unteren Schichten nicht hinaufreichen und die großen Strömungen ruhiger verlaufen, oder soll man mit Maxwell annehmen, daß es Stadien der Molekularbewegungen gibt, in denen die Schwere und ihre Begleiterscheinungen aufgehoben sind?
Auch Geheimrat Assmann ist, unabhängig von dem französischen Gelehrten, der die oben aufgeworfenen Fragen aufgestellt hat, zu ähnlichen Ergebnissen gelangt. Er führte aus:
Oberhalb 10 km herrschen in der Tat schwankende Temperaturen und es scheint, daß die Wärmeabnahme aufhört; doch sind jenseits der veränderlichen Schicht in Höhen von 17 km und in jüngster Zeit von 19 1/2 km wieder Temperaturabnahmen konstatiert worden, so daß die Möglichkeit eines absoluten Temperaturminimums keineswegs fraglich erscheint.
Zur Beobachtung der meteorologischen Elemente in großen Höhen, wo die einzelnen Werte bedeutende numerische Verschiedenheiten gegen jene an der Erdoberfläche aufweisen, mußten die betreffenden Instrumente erst entsprechend ihrem neuen Zwecke vervollkommnet werden.
Wie schon früher erwähnt, handelt es sich bei den wissenschaftlichen Ballonfahrten darum, die einzelnen meteorologischen Grundelemente, wie die Temperatur, den Luftdruck, die Feuchtigkeit und Elektrizitätsmenge etc. auf ihrem Wege durch die Luft genau kennen zu lernen.
Die Werte dieser Größen müssen uns in jedem Zeitteilchen mit möglichster Schärfe bekannt werden. Hierzu bedarf es aber einer Reihe äußerst subtiler Instrumente, welche in vielen Fällen überdies noch selbst registrierend sein müssen. Solche Instrumente gab es früher nicht, sie mußten erst geschaffen werden und sind zum Teile noch zu[S. 102] erfinden. So sehen wir auch hier, wie sehr neue Ideen wieder neuer Mittel zu ihrer Durchführung bedürfen.
Um nicht zu weitläufig zu werden, will ich hier nur kurz die Mittel und Wege anführen, welche man benützt, um gute Temperaturbeobachtungen zu erhalten. Diese sind einerseits notwendig, um die wahre Ballonhöhe (die auch bei sorgfältiger Instrumentenbeobachtung auf kaum mehr als 30 m genau bestimmt werden kann, wie der Münchener Gelehrte, Prof. Sohnke, nachwies) zu ermitteln, anderseits um dieses meteorologische Element selbst genau kennen zu lernen.
Beim gewöhnlichen Thermometer ist infolge des Nachsinkens die Bestimmung der Wärmezustände sehr schwer. Eine Temperaturdifferenz von 1° wird, wie äußerst sorgfältige Beobachtungen lehrten, etwa binnen einer Minute bis auf 0·2° ausgeglichen. Lange Zeit meinte man mit der freien Aufhängung des gewöhnlichen Thermometers genug getan zu haben, um Werte von wissenschaftlicher Bedeutung zu gewinnen. Nach und nach kam man jedoch zu der Überzeugung, daß ihre Angaben den vielfach wechselnden übrigen Bedingungen nicht entsprechen.
Alle Temperaturbeobachtungen vom Ballon aus haben zwei mächtige Feinde: die Wärmeausstrahlung der [S. 103]Sonne und die nahezu vollkommene Luftruhe, in welcher der Ballon und mit ihm alle Instrumente sich befinden. Dies hatte man früher nicht beachtet. Die Folge davon war die beinahe völlige Wertlosigkeit der damaligen wissenschaftlichen Ballonfahrten.
Um dies an einem Beispiele zu illustrieren, sei erwähnt, daß der Direktor Rotch des meteorologischen Observatoriums auf dem »Blue Hill« bei Boston in Nordamerika im Jahre 1891 im »American Meteorological Journal« einen diesbezüglichen Bericht über die Angaben des Thermographen von Richard Frères in Paris und des Schleuderthermometers veröffentlichte, welches er bei zwei Ballonfahrten erprobte. Der Thermograph war am Ringe des Ballons aufgehängt und wurde soviel als möglich gegen die Sonne geschützt; das Schleuderthermometer aber wurde möglichst weit außerhalb des Korbes mittels einer Schnur schnell geschwungen. Hierbei ergaben die beiden, stets zu gleicher Zeit abgelesenen Instrumente nachstehende, total verschiedene Daten:
Thermograph: | 16·2°, | 17·3°, | 16·5°, | 17·4°, | 15·4°, | 16·0°, | 15·5° |
Schleuderthermometer: | 11·0°, | 10·0°, | 9·5°, | 9·6°, | 10·0°, | 10·1°, | 8·8° |
Differenz: | 5·2°, | 7·3°, | 7·0°, | 7·8°, | 5·4°, | 5·9°, | 6·7° |
Bedenkt man, daß die verwendeten Instrumente ausgesucht vorzügliche waren, und die Ablesungen genau die gleichen Werte ergeben sollten, und daß die Meteorologen sonst Aufzeichnungen, welche nur um Zehntelgrade voneinander abweichen, als unbrauchbar ausscheiden, so wird man daraus ersehen, wie völlig wertlos die Ablesungen an gewöhnlichen Thermographen im Ballon sind.
Auch das Schleuderthermometer, welches von den Amerikanern und Franzosen als Normalthermometer bei ihren Ballonfahrten verwendet wurde, ergibt um 1° bis 3° zu hohe Temperaturen, wie man später nachwies. Die Ursache davon ist folgende:
Der unlenkbare Ballon fliegt in der Luft eingekapselt dahin, besitzt daher genau dieselbe Geschwindigkeit wie der Luftstrom, in welchem er schwebt, und befindet sich im Verhältnis zu der ihn umgebenden Luft in völliger Ruhe. Nun nimmt der Ballon zufolge der Sonnenausstrahlung bedeutende Wärme* auf (es wurden im Innern des Ballons selbst Temperaturen bis zu 53° beobachtet), aber nicht nur der Ballon, sondern[S. 105] auch der Korb, die Instrumente und der Beobachter selbst nehmen eine abnorm hohe Eigentemperatur an, welche die den Ballon umgebende Luft erwärmt. Infolgedessen ist diese Luft bedeutend wärmer als diejenige Luftmasse, in welcher der Ballon schwebt und welche beobachtet werden soll.
* Diese Wärmezufuhr ist jedoch wieder dem Aëronauten sehr erwünscht, sie dehnt das Gas aus, macht es daher tragfähiger. Man schlug aus diesem Grunde vor, den Ballon schwarz zu färben, damit er möglichst viele Strahlen absorbiere.
Um nun diese schädliche Wärmeausstrahlung tunlichst zu eliminieren, erscheint einerseits künstliche Bewegung der die bestrahlten Körper umgebenden Luft, also ausgiebige Ventilation durchaus notwendig, anderseits hat man die Instrumente außerhalb der direkten Wirkungssphäre des Ballons anzubringen.
Diese Erkenntnis führte zur dauernden Aspiration der Instrumente im Freiballon durch ein automatisch wirkendes Blasewerk. In weiterer Folge wurden auch die Instrumente an ein 2 1/2 m langes Gestänge außerhalb der Gondel angebracht, was wieder die Notwendigkeit einer Fernrohrablesung mit sich brachte. Um die Konstruktion dieser Aspirationsthermometer machten sich in erster Linie der Berliner Meteorologe Assmann und der Mechaniker Fuess u. a. verdient.
In Paris ist es besonders der ausgezeichnete Mechaniker Richard Frères, welcher der Instrumentenfrage, unterstützt von[S. 106] den hervorragenden dortigen Gelehrten, sein Augenmerk zugewendet hat. Die Figuren 43 und 45 zeigen derartige von Richard Frères stammende Instrumente. Auch in München befaßte man sich erfolgreich mit dieser Frage. So kommt es, daß man in der kurzen Zeit von 10 Jahren schon auf einem ungleich fortgeschritteneren Standpunkte steht als vordem, wo die Erkenntnis, daß alle Beobachtungen mit möglichst gleichmäßig zeigenden Instrumenten zu machen seien, sich noch nicht an allen Orten Bahn gebrochen hatte.
Bei Besprechung der meteorologischen Ballonfahrten dürfen die Verdienste von Hauptmann, jetzt Major Moedebeck, Professor Hergesell und Hauptmann von Sigsfeld nicht unerwähnt bleiben. Es war keine kleine Aufgabe, all die oft widerstrebenden Naturen und benachbarten Nationen zu gemeinsamer Arbeit unter einen Hut zu bringen.
Ist es schwer, Instrumente zu bauen, welche in großen Höhen sicher und schnell funktionieren, so ist es auch keine leichte Aufgabe, diese Instrumente bei ihrer Landung auf der Erde vor Beschädigungen zu bewahren.
Dieser Zweck wird durch entsprechende federnde Aufhängung der Apparate innerhalb eigens für sie gebauter Hüllen, von denen die Figuren 44 und 46 ein Bild geben, erreicht.
Außerdem erhielt aber jeder Ballon noch eine Art Fahne, welche die in verschiedenen Sprachen abgefaßte Aufforderung an den Finder enthält, die Instrumentenkasten uneröffnet an das nächste meteorologische Institut zu senden, von wo ihm eine Belohnung von 20 Mark eingehändigt wird.
Die Figur 47 veranschaulicht die für Meteorologen so wichtige Wärme-Luftdruck- und Feuchtigkeitskurven, wie sie die in einem Ballon am 19. September 1897 hochgenommenen betreffenden Apparate automatisch aufgezeichnet haben. Man sieht, wie bei der oberen und unteren Kurve der Schreibstift für kurze Zeit seine Funktion eingestellt hat und uns also über die dortselbst herrschenden extremen Verhältnisse unorientiert ließ. Ein Fall, der leider öfter als lieb ist, vorkommt.
Schon im August des Jahres 1894 hat das internationale meteorologische Komitee in Upsala, auf Antrag Dr. Assmanns aus Berlin, betont, daß es der Untersuchung der Atmosphäre mittels systematischer Ballonfahrten den größten Wert beilegt. Hiermit war der Ballon offiziell als Hilfsmittel moderner, meteorologischer Forschung erklärt. Es war dies eine Folge der zu Anfang der Neunzigerjahre in Deutschland systematisch durchgeführten Ballonaufstiege.
Im September 1896 fand in Paris die alle fünf Jahre wiederkehrende Konferenz der Direktoren der verschiedenen meteorologischen Beobachtungsstationen statt. Diese Versammlung verfolgt den Zweck, durch internationale Vereinbarungen eine gewisse Einheit und Gleichmäßigkeit in die meteorologischen Beobachtungen der ganzen Erdoberfläche zu bringen. Auf Anregung der französischen Luftschiffer beschäftigte man sich auch unter anderem mit der Frage der internationalen Ballonfahrten, wobei sich, unter dem Präsidium Mascarts, die Franzosen Mr. de Fonvielle, Teisserenc de Bort, Hermitte und Besançon, die Deutschen Bezold, [S. 108]Erk und Hergesell, sowie der Amerikaner Rotch beteiligten.
Das Resultat dieser Besprechung war in erster Linie die Anerkennung der Notwendigkeit simultaner Ballonfahrten von verschiedenen Stellen der Erdoberfläche aus. Die Konferenz war aber noch nicht in der Lage, bestimmte Beobachtungsmethoden mit besonderen Instrumenten zu empfehlen, sondern ließ den einzelnen Forschern in dieser Hinsicht völlige Freiheit, wünschte jedoch, daß bei den gleichzeitigen Auffahrten auch möglichst identische Instrumente verwendet werden. Sie betonte, daß die tunlichst schleunige Veröffentlichung der rohen Beobachtungen von besonderer Wichtigkeit sei. Die Ausführung dieser Beschlüsse war keine leichte Aufgabe. Es gelang aber der Tatkraft der aus dieser internationalen meteorologischen Konferenz hervorgegangenen Spezialkommission, vieler Schwierigkeiten Herr zu werden.
Im Jahre 1898 tagte die internationale aëronautische Kommission zu Straßburg, bei welcher unter anderen die Herren Dr. Hergesell (Vorsitzender) und Moedebeck (Straßburg), Assmann und Berson (Berlin), Besançon, Cailletet, Fonvielle (Paris), Erk (München), Kowanko, Rykatchew (St. Petersburg), Rotch (Boston) anwesend waren. Außerdem folgten 20 andere hervorragende Fachmänner dem Rufe der Kommission und nahmen an den Beratungen teil.
Der Schriftführer Wilfrid de Fonvielle wies in seiner Antrittsrede darauf hin, daß die Kommission durch die vier bis dahin stattgehabten, internationalen Aufstiege allein schon im moralischen Sinne einen glücklichen Erfolg erzielt habe, indem die von der modernen Physik erforschten Gebiete der Atmosphäre durch diese Auffahrten in ungeahnter Weise erweitert wurden. Sowie die Bojen des Meeres dem Ansturm der Wogen siegreich trotzen, widerstehen diese neuen Bojen des Luftmeeres dem Anprall der Stürme. Das habe in jüngster Zeit der Straßburger Ballon bewiesen, welcher anläßlich eines gewaltigen Orkanes im Atlantischen Meere triumphierend der enormen Last niederdrückender Schneemassen widerstand.
Der Eröffnungsrede des Rektor Professor Dr. Windelband ist folgender Passus entnommen:
»Die internationale Organisation der meteorologischen Forschung bedeutet einen neuen Schritt in jener allmählichen Ausweitung des geistigen Horizontes der Menschheit, welche die Geschichte der Wissenschaften ausmacht. Erwachsen ist das menschliche Denken in den engen und getrennten Vorstellungskreisen der einzelnen Völker; eine ausgleichende und[S. 109] überschauende Einheitlichkeit hat es zuerst in der Mittelmeerkultur gefunden; aber erst im Zeitalter der Renaissance ist es dem Menschen gelungen, den ganzen Planeten in seinen geistigen Besitz zu bringen und seine Stellung im Weltall zu verstehen. Auf zahllosen Wegen hat seitdem die Wissenschaft daran gearbeitet, auf diesem unseren Lebensgrunde uns immer sicherer zu orientieren, nun sind Sie, meine Herren, am Werke, auch die Atmosphäre, die ihn umgibt, zum Besitz und zur Werkstatt der Wissenschaft zu machen. Die Einsicht der Naturforschung und die Feinheit der Technik, welche unser Jahrhundert geschaffen, verwenden Sie, um dem beweglichsten der Elemente die festen Gesetze seiner Bewegung abzufragen. Allein dies vermögen Sie nur durch eine gemeinsame Tätigkeit, welche, über weite Strecken nach einheitlichem Plane verteilt, keine Grenzen der Völker oder der Staaten kennt; so kommt es in ihrer Organisation beinahe symbolisch zum Ausdruck, wie die Wissenschaft den Menschen, der von Natur »glebae addictus« ist, in eine höhere Schicht geistiger Gemeinschaft emporhebt.«
Die vorzüglichsten Ergebnisse der Konferenz bestanden teils in der Anweisung über den Gebrauch und die Einrichtung der Registrierballons, teils in der Einigung bezüglich der Grundprinzipien in der so wichtigen Instrumentenfrage. Man hielt es jedoch für verfrüht, sich für irgendwelche bestimmte Instrumente zu entscheiden. Unter Aufrechterhaltung der auf Grund allseitiger, allgemeiner Erfahrungen aufgestellten Prinzipien, sollte jeder einzelne mit möglichst vielseitigem Instrumentarium arbeiten.
Was die sogenannten wissenschaftlichen Aufstiege betrifft, so sind vom historischen Standpunkte aus in erster Linie die Aufstiege der Franzosen und Engländer zu nennen. Besonders sind da die Auffahrten des berühmten englischen Gelehrten und kühnen Luftschiffers Glaisher, sowie des Franzosen Tissandier zu nennen, welche viel Beachtung fanden. Die neuesten Untersuchungen aller dieser Aufstiege haben jedoch zu der Erkenntnis geführt, daß ihre wissenschaftliche Ausbeute eine sehr bescheidene genannt werden muß.
Es ist hier gewiß am Platze, auf den großen Aufschwung, den die meteorologische Luftschiffahrt im Deutschen Reiche genommen hat, hinzuweisen.
An drei Orten entwickelte sich diese, eine zeitlang unabhängig voneinander, und zwar: in Berlin, München und Straßburg.
In Berlin fanden sich drei einander ergänzende Faktoren zusammen, welchen die Wissenschaft der Physik der Atmosphäre ihren glänzenden Aufschwung verdankt. Es sind dies ein großer Mäcen, große Gelehrte und die dortige Militär-Luftschifferabteilung.
Schon zu Ende der Achtzigerjahre wurde, angeregt durch Major Buchholz und unter der tatkräftigen Mithilfe von Moedebeck u. a., eine Reihe von Ballonfahrten durchgeführt, welche ursprünglich militärischen Zwecken dienend, auch die Bestimmung meteorologischer Verhältnisse in ihr Programm aufnahm. Mit einem Worte, es wurde schon damals daran gedacht, diese Ballonfahrten auch wissenschaftlichen Zwecken dienstbar zu machen. Daß man die gewonnenen Resultate von über 100 Ballonfahrten nicht verwenden konnte, lag in der Verwendung ungeeigneter Instrumente zur Bestimmung der Temperatur-, Luftdruck- und Feuchtigkeitgehalts-Verhältnisse. An diesem Fehler kranken alle vor den Neunzigerjahren ausgeführten Ballonfahrten, welche inklusive der berühmten Glaisherschen Hochfahrten deshalb nur mehr historisches Interesse verdienen. Die Erkenntnis dieses Fehlers wurde aber trotzdem nicht zu teuer bezahlt. Man mußte also darauf bedacht sein, entsprechende Instrumente zu finden, was, nach den Anstrengungen vieler Beteiligter, endlich Professor Assmann und seinen Mitarbeitern gelungen ist. Dazu aber gehörte vor allem auch Geld zu Versuchen, und dieses stellte Kaiser Wilhelm II., als hochherziger Mäcen, in reicher Weise bei, indem er mehr als 100.000 Mark aus seiner Privatschatulle für einschlägige Versuche zur Verfügung stellte. Desgleichen forderte die königlich-preußische Luftschifferabteilung mit allen ihren reichen Kräften das Unternehmen, sowie die Herren des meteorologischen Institutes (allen voran der Direktor desselben, von Bezold), welche der Sache ihre wärmsten Sympathien entgegenbrachten. Von großem Werte war es auch, daß das königliche meteorologische Institut nicht nur aus seinen Beständen viele Instrumente und Apparate leihweise überließ, sondern auch alle seine Beobachter von den Stationen höherer Ordnung dazu veranlaßte, bei jeder Auffahrt, von deren Stattfinden sie telegraphisch benachrichtigt wurden, Beobachtungen ihrer Instrumente in kurzen Zwischenräumen auszuführen. In den Jahren 1893 und 1894 fanden von Berlin aus nahe an 50 Auffahrten statt, wovon 6 von dem Ballon »Humboldt« und nach dessen Verbrennung (hervorgerufen durch ein elektrisches Phänomen bei der Lan[S. 111]dung) 22 Fahrten von dem Ballon »Phönix« ausgeführt wurden. Diese beiden Ballons hatten sehr große Dimensionen und waren eigens für diesen Zweck gebaut. Ein besonderes Verdienst um die Luftschiffahrt im allgemeinen und um die Förderung der meteorologischen Luftschiffahrt in Deutschland im speziellen gebührt dem kgl. preuß. Major Moedebeck, dem Gründer und Herausgeber einer der gediegensten Luftschifferzeitschriften der Welt: der »Illustrierten Aëronautischen Mitteilungen«, dessen Bild wir in Fig. 48 bringen.
Die »Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt« hat unter der direktesten und ausgiebigsten Förderung Sr. Majestät des Deutschen Kaisers im verflossenen Decennium eine große Reihe von Ballonfahrten veranstaltet, die im höchsten Grade interessant waren und auf dem Gebiete der Meteorologie geradezu epochemachende Ergebnisse zutage förderten. Als Resultat dieser zahlreichen Studienfahrten erschien ein drei Bände starkes Werk, das den Titel führt: »Die wissenschaftlichen Luftfahrten von R. Aßmann, W. Berson, und H. Groß.« Das Werk ist mit Unterstützung des deutschen Kaisers erschienen und ihm auch gewidmet. Es enthält eine Geschichte der wissenschaftlichen Luftschiffahrten überhaupt und schildert dann 75 wissenschaftliche Luftfahrten, die in Berlin in den Jahren 1888-1899 stattgefunden haben. Es bietet die genaue Beschreibung dieser Fahrten, sowie der ganzen Ausrüstung der dabei gebrauchten Ballons, der gemachten Aufzeichnungen etc. etc., enthält einen großartigen Atlas mit graphischen Darstellungen der Flugbahnen und zahllosen Illustrationen und Tabellen mit allen Beobachtungen über Luft, Temperatur, Verteilung des Wasserdampfes, Wolkenbildung, Geschwindigkeit und Richtung des Windes, Sonnenstrahlung, Luftelektrizität u. s. w.
Die nächste internationale Konferenz fand im Jahre 1900 während der Weltausstellung in Paris statt. Dort wurde beschlossen, daß vom November 1900 an am ersten Donnerstag eines jeden Monats in Paris, Trappes, Straßburg im Elsaß, München, Wien, Krakau, Przemysl, Bath, Berlin und St. Petersburg zugleich Aufstiege von bemannten und unbemannten Ballons stattfinden. Diese Auffahrten werden Simultanfahrten genannt und bezwecken die wissenschaftliche Erforschung der Erdatmosphäre und der Veränderungen, denen diese unterworfen ist.
Zu dem Behufe werden die Ballons sämtlich mit Instrumenten zur Messung des Luftdruckes, der Temperatur und der Feuchtigkeit ausgerüstet.
Die unbemannten Ballons tragen in einem leichten, zum Schutz gegen die Sonnenstrahlung mit Silberpapier überzogenen Korb verpackt, selbstregistrierende Apparate und steigen mit diesen in Höhen, welche, wenigstens mit den jetzigen Hilfsmitteln, für Menschen unerreichbar sind.
In den bemannten Ballons besteht die meteorologische Ausrüstung in einem Quecksilberbarometer, einem Aspirationspsychrometer, einem Haarhygrometer und, was auch nicht vergessen sein darf, in einer Uhr. Das Aspirationspsychrometer ist ein Thermometer, dem durch ein Windrädchen mit Uhrwerk immer frische Luft zugeführt wird, damit tatsächlich die Lufttemperatur und nicht die strahlende Sonnenwärme gemessen wird. Das Haarhygrometer dient zur Bestimmung des perzentuellen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft. Die Ablesung und Registrierung besorgt ein Herr des meteorologischen Institutes.
Alle Resultate der Beobachtungen, sowohl die der bemannten als auch die der unbemannten Ballons, werden von den meteorologischen Anstalten der genannten Städte, wo Simultanfahrten stattfinden, an das Straßburger Institut geschickt. Dort werden sie gesammelt und von Professor Dr. Hergesell wissenschaftlich verarbeitet. Vereinzelt haben die Beobachtungen, wie schon erwähnt, ziemlich wenig Wert.
Um von den schon zahlreich ausgeführten Simultanfahrten nur eine zu erwähnen, führe ich kurz die vom 12. Mai 1901 vor. Das hierbei durchforschte Gebiet hat eine Ausdehnung von fast zwölf Parallelgraden und über fünfzehn Längegraden. Der Hauptzweck der Fahrten war die Beobachtung der atmosphärischen Verhältnisse und Veränderungen zur Zeit der »Eismänner«, deren Einfluß nach den Berichten des Grafen de la Vaulx, dem Lenker des Pariser Ballons »Aëro-Klub«, auch in den höheren Regionen sehr stark fühlbar war. Die Beobachtungen wurden im »Aëro-Klub« von M. Vallot, dem Direktor des Montblanc-Observatoriums, in einer Höhe von 3500 m angestellt.
Ich freue mich, konstatieren zu können, daß Österreich sich sehr lebhaft an diesen Simultanfahrten beteiligt, was in erster Linie ein unbestreitbares Verdienst des Leiters der militär-aëronautischen Anstalt, des Hauptmanns Hinterstoißer und der Wiener Meteorologen (Dr. Margules, Trabert, Valentin u. a.) ist. Seine k. und k. Hoheit Herr Erzherzog Leopold Salvator, welcher der Luftschiffahrt ein großes Interesse entgegenbringt und schon viele Freifahrten absolviert hat, stellt zu diesen Auffahrten seinen Ballon »Meteor« bei. Auch der »Wiener Aëro-Klub«, unter der Leitung des Altmeisters der österreichischen Luftschiffahrt, Viktor Silberer, beteiligt sich an diesen wissenschaftlichen Luftfahrten.
Diese Simultanfahrten besitzen einen ganz außerordentlichen Wert und es ist nur sehr zu wünschen, daß dies auch in der Zukunft von allen beteiligten Kreisen stets in so warmer Weise empfunden werde, wie es gegenwärtig der Fall ist. Dann wird das große, internationale Streben einst von herrlichem Erfolge begleitet sein.
Im Jahre 1902 tagte die »Internationale Kommission für wissenschaftliche Luftfahrten« vom 20. bis 25. Mai in Berlin. Ohne Anspruch auf Vollzähligkeit seien folgende Namen von Teilnehmern genannt:
Cailletet (Paris), Kovanko (St. Petersburg), Palazzo (Rom), Rotch (Boston), Rykatschew (St. Petersburg), Valentin (Wien), Ebert (München), Teisserenc de Bort (Paris), v. Schrötter jun. (Wien), Violle (Paris), Alexander (Bath), Köppen (Hamburg), Bruce (London), de Fonvielle (Paris), Vives y Vich (Madrid), Assmann (Berlin), Berson (Berlin), Linke (Potsdam), Süring (Berlin), Hergesell [S. 114](Straßburg), Neureuther (München).
Die Verhandlungen begannen unter dem Ehrenpräsidium Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Heinrich am 20. Mai vormittags 10 Uhr, im Sitzungssaale des Reichstagsgebäudes.
Die Ergebnisse der diesjährigen Kommission waren sehr befriedigend.
Es wurden unter anderem folgende Beschlüsse gefaßt:
»Die Kommission drückt den Wunsch aus, daß auf diplomatischem Wege Verhandlungen gepflogen werden, um ihr zu ermöglichen, bei ihren Auffahrten alle notwendigen wissenschaftlichen Apparate unbehindert mitzuführen. Sollten bei Landungen auf fremdem Gebiete photographische Platten ausnahmsweise Anlaß zur Beanständung bieten, so wären diese einer zuständigen Behörde, welche der internationalen Kommission namhaft zu machen ist, zur Entwicklung und Beurteilung abzuliefern.
Die Kommission hält es für eine dringende Notwendigkeit, daß ein offizielles Publikationsorgan geschaffen wird, in welchem das Beobachtungsresultat der Simultanfahrten so schnell als möglich veröffentlicht wird.«
Mit großem und verdientem Beifalle wurde die Mitteilung des Herrn Palazzo (Rom) aufgenommen, daß Italien demnächst an der internationalen wissenschaftlichen Erforschung der hohen Atmosphäre teilnehmen werde. Es sind drei Stationen, hauptsächlich für Drachenbetrieb, in der Einrichtung begriffen, eine 2265 m hoch am Monte Cimone, eine 2942 m hoch auf dem Ätna und eine dritte in Mittelitalien in der Nähe des Forts von Monte Mario. Auch sei vom Kriegsministerium befohlen, daß die Auffahrten der Offiziere der Luftschifferabteilungen an den Tagen der internationalen Fahrten stattfinden sollen. Ferner wurde Mitteilung gemacht von dem in Einrichtung begriffenen neuen Observatorium für die Physik der Atmosphäre auf dem Monte Rosa, das bei 4560 m Höhe in seiner Höhenlage nur durch das französische Institut auf dem Mont Blanc übertroffen wird.
Auch über die Vornahme luftelektrischer Messungen über Verwendung von Drachen und die Mittel zur Positionsbestimmung von Freiballons und über viele andere einschlägige Gegenstände wurden Beratungen und interessante Meinungsaustausche gepflogen.
Die künftigen Ziele der internationalen aëronautischen Kommission bewegen sich innerhalb weiter Grenzen.
Nur über einen kleinen Teil Europas gelangten bisher die simultanen Ballonfahrten zur Ausführung. Erst in diesem Jahre hat Italien seinen Beitritt dazu angemeldet und ist so Repräsentantin des Südens geworden. Es gilt aber auch die nördlichen Länder und besonders England heranzuziehen, damit sich nach und nach über den ganzen Erdball ein Netz von Beobachtungsstationen verbreite. Auch der Ozean muß diesen Zwecken dienen. Nordamerika zeigt großes Interesse für diese Forschungen und auch Japan hat durch die Entsendung eines Delegierten in die Kommission bewiesen, wie ernst ihm diese Kulturbestrebungen sind.
Alles in allem genommen, bemerkt auch der fernstehende Beobachter, welche mächtige Rolle der Ballon im Dienste der Physik der Atmosphäre übernommen hat, und mit welchem Geschicke sie ausgeführt wird.
Der schöne Wahlspruch unseres erhabenen Monarchen »Viribus unitis« hat sich hoch oben in den Lüften glänzend bewährt.
Wir wollen nun von den Bestrebungen sprechen, den Luftozean uns dienstbar zu machen.
Will man von einem Punkte der Erde nach einem anderen gelangen, so bedarf man irgend einer Straße, auf der sich das Fuhrwerk bewegt. Auf Wasserwegen geschieht die Fortbewegung mit dem kleinsten Widerstande, die Fahrzeuge fassen große Lasten, die Transportkosten sind billig.
Auf Landstraßen können nur kleine Lasten in kleinen Quantitäten auf einmal befördert werden, die Straßen müssen gebaut und erhalten werden. Die Fortbewegungsgeschwindigkeit ist eine geringe, die Transportkosten sind teuerer.
Auf den Eisenbahnen ist die Geschwindigkeit eine große, aber die Bau- und Betriebskosten sind sehr bedeutend und der Verkehr ausschließlich an den Schienenweg gebunden.
Beim Verkehr durch die Luft entfällt eine gebaute Straße auf der Erde ganz, also auch die Kosten für deren Anlage und Erhaltung. Man bedarf nur fast überall leicht errichtbarer Abfahrts- und Ankunftsbahnhöfe und des Vehikels[S. 117] selbst. Dabei ist die voraussichtliche Geschwindigkeit eine kaum hinter jener der Eisenbahn zurückbleibende. Einmal entriert, wird die Luftschiffahrt wohl bald gewaltige Umwälzungen hervorrufen, die aber mehr in einer Erweiterung als in einer Abnahme des Verkehrs von anderen Transportmitteln, sich dokumentieren dürfte.
Es liegt mir ferne, hier eine Entwicklung der Luftschiffahrt geben zu wollen, es sei nur darauf hingewiesen, daß die Fachaëronauten sich in zwei Lager teilen, in solche, welche die Frage mit Hilfe von »lenkbaren Ballons« und in solche, die sie mit Hilfe von »Flugmaschinen« lösen wollen.
Wenden wir uns zunächst den lenkbaren Ballons zu.
Als ich vor einigen Jahren behufs Quellenstudiums die Bände der »Zeitschrift für Luftschiffahrt« durchblätterte, fiel mir die Tatsache besonders merkwürdig auf, daß in ihren ersten Jahrgängen fast durchwegs Projekte über lenkbare Ballons besprochen wurden, die alle anderen Themen in den Hintergrund drängten. Nach und nach werden jedoch diese Artikel immer seltener und machen solchen über dynamische Luftschiffe Platz.
An diesem Rückschlage war besonders die Nichterfüllung der vielen Hoffnungen, die man auf frühere Luftschiffprojekte setzte, schuld. Wohl wird (darüber, glaube ich, ist man sich heute schon einig) der lenkbare Ballon nie ein allgemeines[S. 118] Lasten-Verkehrsmittel werden, dazu würde er schon aus rein finanziellen Gründen untauglich sein, aber er ist für sportliche, postalische, militärische und wissenschaftliche Zwecke gut brauchbar. Vorausgesetzt natürlich, daß er Geschwindigkeiten erlangen könne, welche ihn befähigten, die weiter oben geforderten Bedingungen zu erfüllen.
Als unterste Grenze seiner Leistungsfähigkeit würde ich eine Eigengeschwindigkeit von 14 m per Sekunde durch drei Stunden hindurch nominieren.
Früher befaßten sich die Franzosen (siehe Figuren 50 bis 52) sehr viel mit dem Baue lenkbarer Ballons, auch in Deutschland und Österreich wurden vereinzelt, praktische Versuche unternommen, letztere konnten aber hauptsächlich[S. 119] wegen Geldmangel nicht zu einem gedeihlichen Abschlusse gebracht werden.
Man darf nicht erwarten, ein solch großes Unternehmen, wie es die Ausführung eines lenkbaren Ballons ist, müsse[S. 120] mit einem Wurfe gelingen. Dazu gehört vielmehr jahrelange systematische Arbeit. — Vieles muß erprobt und dann ohne Zaudern verworfen werden, wenn man besseres ersann. Das Geld für Experimente darf nicht fehlen. Das Personale, welches an dem Ballon arbeitet, wird sich erst im Laufe der Zeit die nötige Routine den erforderlichen Blick erwerben können. Deshalb müssen jene Faktoren, die an der Herstellung des lenkbaren Ballons ein Interesse haben, diese Umstände gut berücksichtigen und vordenken.
Die Fortschritte in der Motorentechnik und in der Ballon-Konstruktion sind seit einigen Jahren sehr große, so daß man in Bezug auf lenkbare Ballons wieder mit Vertrauen in die Zukunft blickt.
Die Versuche mit lenkbaren Ballons währen schon drei Jahrhunderte hindurch. Es gibt eine große Klasse Flugtechniker und wir finden Kapazitäten unter ihnen, deren Namen in der wissenschaftlichen Welt von ganz bedeutendem Klange sind, die versichern, es sei ganz unmöglich, dieses Problem jemals zur Zufriedenheit zu lösen. Dies war der Grund, weshalb ich in meinem Buche »Lenkbare Ballons« diese einer eingehenden, kritischen Studie unterzogen habe, welche als Resultat ergab, daß bei voller Berücksichtigung [S. 121]der Wind- und sonstigen Verhältnisse eine gedeihliche Lösung der so lange gesuchten Probleme schon mit den heutigen Mitteln der Technik ganz gut erwartet werden kann.
Daß es zu Ende des vorvorigen Jahrhunderts nicht möglich war, ein praktisch verwertbares lenkbares Luftschiff zu bauen, ist einleuchtend. Damals waren die Motoren noch sehr schwer; die Technik befand sich auf einer gegen heute relativ tiefen Stufe; anders stand die Sache schon zu Ende des kurz verflossenen Jahrhunderts. Wir datieren daher den Anfang ernster zu nehmender Projekte erst mit den Versuchen Renard-Krebs 1884, deren Ballon unter sieben Fahrten fünfmal an den Anfangspunkt wieder zurückgekommen ist.
Anfangs überschätzte man nicht nur in Frankreich die Erfolge von Renard-Krebs bedeutend, bis nach und nach eine große Ernüchterung eintrat und die Erkenntnis von der[S. 122] mit unzulänglichen Mitteln unternommenen Bewältigung dieser Frage sich Bahn brach.
Trotz der Erfolge von Santos-Dumont bleibt aber bis heute das Renard-Krebssche Luftschiff in seinen Grundzügen noch der relativ beste lenkbare Ballon, welcher sich in die Lüfte erhoben hat.
Das Aluminiumluftschiff des Österreichers Schwarz, von dessen Gondel und Traggestänge die Figuren 54 und 55 ein recht anschauliches Bild geben, war mehr ein technisches Kunstwerk, denn ein wirklich Erfolg versprechendes Vehikel. Es ist im übrigen, wie speziell betont werden soll, nicht so, wie es sein Erfinder projektierte, in die Luft gestiegen, sondern ohne Hubschraube, also ohne einen seiner integrierendsten Bestandteile. Auch hat sein Führer, ohne je eine Freifahrt gemacht zu haben, jener technischen Fertigkeit entbehrt, welche zur Beherrschung eines solchen Fahrzeuges absolut erforderlich ist.
Was endlich das Luftschiff des Grafen von Zeppelin (Fig. 57-58) anbelangt, so ist es unter drei Fahrten einmal wieder an seinen Ausgangspunkt zurückgekommen und hat damit gezeigt, daß unter entsprechenden Verhältnissen auch dieses, mit großen Kosten gebaute und mit manchen technischen Neuerungen ausgestattete, ebenso instruktive wie interessante Luftschiff zu reussieren imstande ist.
Im großen und ganzen hat es sich aber, so wie bei seinen Vorgängern, nur um ein Experiment gehandelt, allerdings um eines, bei dem die Reklametrommel — nicht von Zeppelin selbst, und nicht auf seine Veranlassung, wohl aber von manchen seiner Freunde — allzuviel gerührt worden ist.
Wer sich für dieses Luftschiff interessiert, den erlaube ich mir auf meine genau detaillierte Beschreibung in der Zeitschrift des österr. Ingenieur-und Architekten-Vereines (auch bei Lehmann und Wentzel, Wien, in Separatabdruck erschienen) und auf die Seiten 35-52 meines Buches »Der lenkbare Ballon, Rückblicke und Aussichten« zu verweisen. Der Ballon wurde mit vieler Fachkenntnis ausgeführt und war gewiß, das steht außer allem Zweifel, ein recht interessantes Studienobjekt. Es ist eine Verurteilung desselben ebensowenig am Platze, als dessen Verhimmlichung; die Wahrheit bleibt, wie bei so vielen anderen Dingen, so auch hier, ziemlich in der Mitte. Es wäre sehr instruktiv, wenn das Projekt Zeppelin, die relativ starke Ballonhülle betreffend, systematisch weiter verfolgt würde.
General von Hahnke überreichte bei Gelegenheit eines Vortrages des Grafen von Zeppelin demselben im Namen des deutschen Kaisers den Roten-Adler-Orden 1. Klasse und eine kaiserliche Kabinettsordre, in welcher Kaiser Wilhelm II. den Grafen beglückwünschte und der militärischen Luftschifferabteilung den Befehl erteilte, die Versuche des Grafen auch fernerhin in jeder Weise zu unterstützen.
Graf von Zeppelin hat an den Vorstand des »Vereines deutscher Ingenieure« das Ersuchen gerichtet, den Ausschuß, der im Jahre 1896 die technischen und wissenschaftlichen Grundlagen seines Luftfahrzeuges geprüft und dem Vorstande darüber ausführlich berichtet hatte, von Neuem einzuberufen[S. 124] und ihn mit der Prüfung der seitdem durch die Arbeiten Zeppelins gewonnenen Erfahrungen und Fortschritte auf dem Gebiete der Luftschiffahrt zu beauftragen. Der Vorstand wird diesem Ersuchen unter der Voraussetzung entsprechen, daß Graf von Zeppelin dem Ausschusse die erforderlichen Mitteilungen und Berichte zur Verfügung stellt, und die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Arbeiten, wie schon früher verabredet, zur Erweiterung unserer Kenntnisse der Allgemeinheit zugeführt werden sollen.
Man darf nicht vergessen, daß alle Fahrten mit lenkbaren Ballons, welche bisher unternommen worden sind, nur Versuchsfahrten waren, welche gar nicht den Anspruch auf Vollkommenheit erheben. — Die in Rede stehenden [S. 125]Luftfahrzeuge waren alle nur Modelle und Studienobjekte, an welchen wir die Entwicklung der Frage studieren können.
Die großen Verdienste, welche sich ihre Erbauer um die Luftschiffahrt erworben haben, sind von mir an anderen Orten eingehend besprochen worden, weshalb hier nur darauf verwiesen werden soll.
Wer sich für das Wesen und die Theorie des »Lenkbaren Ballons« interessiert, den erlaube ich mir auf mein vor einigen Monaten abgeschlossenes Werk: »Lenkbare Ballons, Rückblicke und Aussichten« erschienen bei W. Engelmann in Leipzig, zu verweisen, wo ich die in Rede stehende Frage ausführlich behandelt habe.
Der Rahmen dieses Büchleins erfordert ein, wenn auch nur flüchtiges Eingehen auf dieses interessante Gebiet der Luftschiffahrt, welcher ich eine große Zukunft verheiße.
Jeder lenkbare Luftballon besteht aus einer Reihe von Bestandteilen, welche sich in folgende vier Gruppen zusammenfassen lassen:
1. Hülle samt Netz und Haltetaue,
2. Traggerüst zur Aufnahme des Motors und der Nutzlast,
3. Motor, inklusive Schrauben, Steuer etc.,
4. Nutzlast.
ad 1. Die Hülle hat den Zweck, das erforderliche Traggas in sich aufzunehmen. Sie wird von den einzelnen Konstrukteuren in sehr verschiedener Form gebaut. Die Figuren 59 veranschaulichen einzelne solcher Grundformen.
Allgemein gibt man der Hülle, welche je nachdem aus gefirnißtem Perkal, Seide, Kautschukstoff, Aluminium oder dgl. gefertigt wird, eine längliche Gestalt, damit der Stirn[S. 126]widerstand so gering als möglich ausfalle. Die zur Verfügung stehende Auftriebskraft soll ziemlich groß, der zu überwindende Widerstand dagegen möglichst klein werden.
Diese Hülle, welche entweder das Gas in nur einer Kammer (Ballon) oder in einem System von Kammern enthält, überdeckt man mit einem Netz (Giffard), welches der flächenartigen, leichten Hülle die erforderliche Festigkeit verleiht, oder mit einem Netzhemd (Renard-Krebs) oder man schließt eine Serie von Ballons in eine große, gitterförmig gebaute Röhre ein (Zeppelin), und befestigt das Netz mit Hilfe von Auslaufleinen oder Haltestricken, oder die Röhre mit Gitterträgern (Schwarz) an das Traggerüst des Ballons.
ad 2. Dieses Ballontraggerüst hat sehr verschiedene Formen. Es besaß z. B. bei Giffard, Dupuy de Lôme die Form einer Gondel, bei Zeppelin die Form von zwei Pontons. Bei Renard hatte das Ballontraggerüst das Aussehen einer aufgehängten Landungsbrücke und Dumont gab ihr eine ähnliche aber modifizierte Gestalt.
Wie verschiedenartig oft so ein Ballontraggerüst beschaffen sein kann, davon geben die Figuren 53, 55, 60, 61 und 66 gute Beispiele.
ad 3. Aus diesen Abbildungen kann auch ersehen werden, wie verschieden die Anbringung der Triebschrauben sein kann.
Bei Campbell sehen wir zur Vorwärtsbewegung des Luftfahrzeuges sowohl vorn als auch rückwärts Triebschrauben angeordnet und unter der Ballonmitte eine wohl recht untechnisch konstruierte Hubschraube, ähnlich, wie sie schon von Haenlein in den Sechzigerjahren projektiert und patentiert wurde.
Beim Luftschiffe von Debayeux ist von dem Ballontraggerüste ausgehend eine eigene Vorrichtung zur Ballonspitze angeordnet, welche es ermöglicht, die Triebschraube an der Ballonhüllenachse anzusetzen.
Was den Motor selbst betrifft, so kann er je nachdem entweder ein Dampf-, Explosiv- oder ein elektrischer Motor sein.
Die Anzahl der Pferdestärken (eine Pferdestärke ist jene Arbeitseinheit, welche ausgegeben wird, wenn 75 kg in einer Sekunde einen Meter hochgehoben werden, oder, jene Leistung, die verbraucht wird, um ein Kilogramm in einer Sekunde 75 m hoch zu heben), also seine Energiemenge richtet sich nach dem zu überwindenden Widerstande.
In meinem Buche über »Lenkbare Ballons« ist dieses Thema auf den Seiten 130-133 ausführlich behandelt.
ad 4. Was die zu befördernde Nutzlast betrifft, so soll sie stets in einem gewissen Verhältnisse zur verausgabten Auftriebskraft stehen. Ich selbst nehme sie mit 10-20% dieser letzteren an.
Renard-Krebs haben schon 1884 mit ihrem Ballon »La France« eine Eigengeschwindigkeit von 6 m per Sekunde erreicht.
Damit haben seine Erbauer das Problem der Lenkbarmachung des Ballons eigentlich schon gelöst. Dies ist aber der ungleich leichtere Teil, der vor uns liegenden Aufgabe. Der schwerere und bis jetzt noch nicht gelöste Teil besteht in der Erreichung einer praktisch verwertbaren Geschwindigkeit, d. h. es handelt sich heute darum, die Geschwindigkeit des Luftschiffes von 8 m, welche Santos Dumont erreicht hat, auf mindestens 14 m per Sekunde zu erhöhen.
Der Vorwärtsbewegung des Luftballons stellt sich der durch die Vorwärtsbewegung hervorgerufene Luftwiderstand entgegen; diesen zu überwinden, ist Sache des Motors. Der Ballon muß, nicht nur sich selbst und die Nutzlast, sondern auch den Motor mit in die Lüfte nehmen. Je geringer der Motor bei gleicher Stärke an Gewicht wird, desto kleiner kann der Ballon sein, desto weniger Widerstand wird er finden, desto schneller also kann er sich vorwärtsbewegen.
Theoretisch verhalten sich, zwei gleiche Ballons und gleichstarke Motoren vorausgesetzt, wovon der eine Motor 1 q, der andere 2 q wiegt, die Geschwindigkeiten wie 3√ q 1 zu 3√ q 2 .
Alteriert wird dieses Verhältnis durch den Wirkungsgrad der Maschine.
Weiters wächst der Luftwiderstand mit der ersten Potenz der Fläche und mit dem Quadrate der Geschwindigkeit, die Arbeit dagegen mit dem Kubus der Geschwindigkeit.
Um eine möglichst große Geschwindigkeit zu erzielen, muß also die Arbeitsleistung des Motors beim geringsten Eigengewichte eine möglichst hohe sein und anderseits soll die Widerstandsfläche möglichst klein werden.
Ersteres ist Sache des Maschinentechnikers und soll hier nicht weiter behandelt werden. Letzteres bildet das Bestreben des Ballontechnikers.
Dieser kann zu seinem Ziele auf zwei Arten kommen; entweder wird er die Widerstandsfläche überhaupt möglichst klein machen oder ihr durch eine entsprechende Konstruktion eine solche Form zu geben trachten, daß der effektive Stirnwiderstand so klein als möglich ausfalle.
Das erstere läßt sich durch eine Verlängerung der Form (Zeppelin), das letztere durch eine möglichste Versteifung und zugespitzte Gestalt des Ballons (Renard) erzielen.
Wieviel da noch zu machen ist, zeigt am deutlichsten der Umstand, daß der Reduktionskoeffizient bei den besten bisher konstruierten Wasserschiffen 1/20-1/30, bei den Luftschiffen dagegen gegenwärtig nur 1/5-1/6 beträgt.
Es fragt sich aber, ob es möglich ist, bei in der atmosphärischen Luft sich fortbewegenden Mechanismen, überhaupt so kleine Reduktionskoeffizienten (der Reduktionskoeffizient ist das Verhältnis zwischen dem Widerstande eines ebenen zu dem eines entsprechend zugespitzten Körpers, bei gleicher Fortbewegungs-Geschwindigkeit) zu erzielen.
Um diesen Zweifel zu beheben, wären diesbezüglich Experimente mit dem Loesslschen Wageapparate vorzunehmen und sollen die hierbei allein in Frage kommenden Rotationskörper aus absolut formbeständigen, ganz glatten Versuchsobjekten bestehen.
Man hat getrachtet, dem Problem der Lenkbarmachung des Ballons auf alle mögliche Art und Weise beizukommen.
Das Eingehen in die hier herrschenden Verhältnisse hat unter allen Umständen etwas Verlockendes an sich.
Bei allen diesbezüglichen Kalkulationen handelt es sich darum, mit dem geringsten Konstruktionsgewichte auszukommen.
Die zu erreichende Geschwindigkeit soll mindestens 14 m pro Sekunde betragen. Dazu soll der Stirnwiderstand tunlichst klein, die motorische Kraft entsprechend groß sein.
Verschiedene Ballonkonstrukteure glauben dieses Ziel mit Hilfe von Parallelballons erreichen zu können.
Wenn man statt einer Hülle, zwei Hüllen anwendet, so kann man diese entweder übereinander oder nebeneinander anbringen. Die erstere Art ist meines Wissens bei lenkbaren Ballons noch nicht versucht worden; sie dürfte an der schwierigen Konstruktionsdurchführung scheitern. Letztere Art wurde von Rozé (Fig. 62-63) angeordnet.
Ein großer Nachteil ist jedenfalls diesen Parallelballons nicht abzusprechen. Es ist dies der Umstand, daß im Falle einer Havarie auch nur einer Hülle, sich das ganze System schief stellt und eine bedenkliche Verlegung des Schwerpunktes eintritt.
Als Vorteile dieser Konstruktion lassen sich anführen: floßartige, große Stabilität (im Falle die Hüllen konstant und stets gleich tragfähig bleiben), günstige Situierung der Motoren und Schrauben, ihre zentrale Lage etc.
Nehmen wir an, wir würden zwei Ballons nach Type I (»125 Ballons« meines Werkes »Lenkbare Ballons«, Seite 94-117) mit einem vorderen Durchmesser von 10 m und einer Rumpflänge von 60 m als Parallelballons verwenden, so ergibt dies eine Oberfläche von rund 3900 m2, das heißt, man braucht zur Herstellung von Hüllen für einen Fassungsraum von 8500 Kubikinhalt 3900 m2 Stoff. Hierbei beträgt der größte, dem Gegenwinde ausgesetzte Querschnitt 157 m2. (Siehe Tabelle 1a auf pag. 107 »Lenkbare Ballons«.)
Eine einfache Rechnung zeigt, daß für gleiche Hubkraft und Rumpflänge bei Verwendung nur einer Hülle der Durchmesser des Ballons 13·5 m haben müßte und dabei [S. 131]nur 2850 m2 Stoff benötigt würde, das heißt um rund 1050 m2 weniger als bei Verwendung von zwei Parallelballons. Die größte Querschnittsfläche ergäbe sich dabei nur mit 144 m2.
Konstruiere ich aber den einfachen Ballon mit nur 40 m Rumpflänge, so fordert er bei gleicher Tragkraft einen Durchmesser von ca. 16 m und eine Hülle von 2500 m2, also noch weniger Stoff; dabei betrüge aber die größte Querschnittsfläche rund 200 m2.
Um 157, respektive 144 oder 200 m2 mit einer Geschwindigkeit von 14 m pro Sekunde vorwärts zu bewegen, dazu bedarf es rund 115, 105, 145 oder bei Berücksichtigung aller Widerstände 230, 210, respektive 290 Ballonpferdestärken.
Setzt man das Gewicht einer solchen Ballonpferdestärke mit 20 kg in Rechnung, so ergibt dies einmal ein Mindererfordernis von 400 kg, das andere Mal ein Mehrerfordernis von 1200 kg bei gleicher Eigengeschwindigkeit des Ballons für den einfachen Ballon gegenüber dem Parallelballon.
Dagegen erzielt man an Gewichtsersparnis bei der Hülle allein für den einfachen Ballon im ersten Falle, bei dem Einheitsgewichte eines Quadratmeters Hülle von 1 kg angenommen, 1050 kg, beim zweiten Falle 1300 kg, das heißt, der einfache Ballon wäre bei gleich großer Eigengeschwindigkeit und Hubkraft im ersten Falle um 1450 kg und im zweiten Falle um mindestens 150 kg leichter herzustellen.
Diese kleine Ausführung soll nur zeigen, wie interessant sich diese Verhältnisse und Gegenüberstellungen unter gewissen Annahmen gestalten. Näher darauf einzugehen, fehlt hier der Platz. Ein ganz klares Bild über die herrschenden Gewichtsverhältnisse können allein graphische Darstellungen geben.
Der Ballon Rozé sollte sich im Herbste 1901 in die Luft erheben. Er war als Doppelballon konstruiert, bestehend aus zwei zigarrenförmigen Ballons von je 45 m Länge und 7·5 m Durchmesser.
Die Hüllen waren in einem Aluminiumröhrengerüste untergebracht. Dieses hatte 45 m Länge und war aus konzentrischen, kreisförmigen Röhren aus gehärtetem Aluminium in verschiedenen Stärken ausgeführt. Jedes Gerüst scheint durch fünf Zwischenwände in sechs Abteilungen geteilt gewesen zu sein. Demgemäß bestand der ganze Ballon aus zwölf Hüllenkörpern von je 5 m Länge. Die beiden Ballons waren durch sechs hohle Tuben, in welchen Gas kommunizieren konnte (was schon 1875 von Popper vorgeschlagen wurde), von 5 m Länge vereinigt. An diesen Tuben war auch die Gondel an 14 Aluminiumträgern aufgehängt. Sechs mit Kautschukrädern versehene Füße, welche noch durch Federn elastisch gemacht waren, erlaubten eine glatte Fortbewegung des Ballons auf dem Boden.
Die Gondel hatte zwei Etagen und 12 m Länge. Sie war halb ober-, halb unterhalb der drei inneren Traversen angebracht und spitz zulaufend. Das Luftschiff besaß fünf Steuer und vier Schrauben; zwei Schrauben sollten zur Erreichung der Höhe, je eine zur Vor- und Rückwärtsfahrt dienen.
Zwischen den beiden Ballons und über den drei oberen Traversen ist ein 4 m breiter, fixer Rahmen von 12 m Länge montiert.
Dieser ist in 12 Teile geteilt und aus Aluminiumtraversen geformt. An diese 12 Traversen sind 12 Seitenflächen von je 1·10 m Breite angebracht, welche wieder an einem anderen inneren, beweglichen Rahmen befestigt sind und zwar derart, daß eine Art Rolette gebildet wird, welche einerseits von der Gondel aus dirigiert werden kann und anderseits selbsttätig ihre Stellung reguliert. Die Schrauben besitzen 3·1 m Durchmesser, 5 m Steigung und eine Tourenzahl von 300. Dieses Luftschiff hat keine freie Fahrt gemacht, weil es zu schwer ausfiel und soll im Spätherbste 1902 demontiert worden sein.
Man könnte, um nur noch ein Beispiel anzuführen, auch drei Ballons miteinander koppeln, deren Achsen so wie die Spitzen eines gleichseitigen Dreieckes gegeneinander situiert sind, damit wäre die Frage der praktischesten Schraubenanbringung vielleicht am einfachsten gelöst. Die Gondel käme in die Mitte und die Schraube würde auch tatsächlich im Widerstandsmittelpunkte angreifen können. Durch entsprechende Präparierung der Hüllen wird man selbe feuerbeständig machen können und so die Gefahr einer Entzündung hintanhalten. Allerdings hätte diese Konstruktion aber wieder andere Nachteile im Gefolge.
Während der lenkbare, statische Ballon sein ganzes Gewicht allein vermöge des Gasauftriebes hebt und seine volle mitgeführte maschinelle Kraft ausschließlich zur Überwindung des Luftwiderstandes verwendet, wird bei den lenkbaren, entlasteten und bei den überlasteten Ballons nur ein Teil dieses Gewichtes durch das mitgeführte Gas getragen, ein anderer Teil hingegen durch die Arbeitsleistung des mitgenommenen Motors.
Man machte dem lenkbaren, statischen Ballon den Vorwurf, bei seinem Mangel an aktivem Gewichte, besonders große Widerstandsflächen zu besitzen und keine praktisch verwertbaren Geschwindigkeiten erlangen zu können. Arbeitet seine Maschine nicht, so wird er ganz zum Spielball der Winde.
Der lenkbare, entlastete Ballon ist in Verbindung mit einer drehbaren Drachenfläche gedacht. Bewegt sich dieser Ballon alsdann in Wellenlinien seinem Ziele entgegen, so nennt [S. 134]man ihn Wellenflieger.
Die Zahl seiner Anhänger ist groß, weil man von der, im übrigen, irrigen Ansicht ausgeht, daß dadurch ein großer Teil des Stirnwiderstandes eliminiert und die beim schiefen Abstiege erzeugte, lebendige Kraft zur fast vollen Bewältigung des aufwärtssteigenden Astes der Flugkurve ausgenützt werden könne.
Diese ältere Methode findet ihre Verfechter in manchen französischen Aviatikern, dann in Miller von Hauenfels, Platte u. a.
Als Vorteil des überlasteten, als Wellenflieger gedachten Ballons, wird von seinen Verteidigern angeführt:
1. er finde weniger Stirnwiderstand als der statische Ballon;
2. seine Unterfläche könne zum Tragen mit herangezogen werden.
Wer sich näher über diese Ballontypen unterrichten will, den verweise ich auf die Projekte von Clark 1865, Platte 1886 und 1893, Wellner 1886 und Miller von Hauenfels 1890.
Platte situierte anfänglich eine Fläche zwischen einem Kugelballon und der Gondel, dann machte er einen fischbauchförmigen Ballon und umgab ihn in der Längsachse mit einer drehbaren Tragfläche etc.
Wellner endlich konstruierte einen keilförmigen Ballon mit breiter Unterfläche und schneideförmigem Bug.
Nicht zu verwechseln mit diesen vorerwähnten, entlasteten Ballons ist der überlastete oder dynamische Ballon, welcher im Zustande der Ruhe vermöge seines Traggases allein nicht aufsteigen kann. Um sich zu erheben, bedarf er einer motorischen Kraft. Meist ist diese durch eigene Hubschrauben wirkend gedacht; Santos-Dumont ordnet statt dieser schiefe Tragflächen um den Ballon an, welche im Vorwärtsfluge die erforderliche Hubkraft liefern sollen. Der überlastete Ballon fährt nicht in Wellenlinien, sondern in gerader Bahn. Das Durchschnittsgewicht des rein statischen Ballons beträgt ungefähr dasselbe wie jenes der atmosphärischen Luft, in welcher er schwebt, beim dynamischen Ballon ist dasselbe größer.
Untersucht man die lebenden Flugtiere bezüglich des spezifischen Gewichtes, so findet man die mit Bezug auf obiges gewiß merkwürdige Tatsache, daß dieses fast niemals die Zahl 0·7 übersteigt, bei weniger kräftigen Tieren aber oft nur 0·2, ja bei den Insekten noch bedeutend kleiner wird.
Da nun das absolute Gewicht von der Größe des spezifischen Gewichtes abhängig ist, so verfolgt die Natur damit, daß sie den Flugtieren ein so verschiedenes Gewicht erteilt, den Zweck, das absolute Gewicht nach der jeweiligen Muskelkraft genau zu regeln.
Platte, der Hauptvertreter des entlasteten Ballons, argumentiert weiter (siehe »Aëronautische Beobachtungen« 1879 und »Flugtechnische Betrachtungen« 1893):
»Für die Menschen ist das wohl ein nicht zu übersehender, sehr deutlicher Fingerzeig dafür, was sie zu tun haben, um ihr absolutes Gewicht nach der Kraft der Maschine zu regeln; sie müssen eben das spezifische Gewicht des Flugkörpers genau so groß machen, daß sodann das absolute Gewicht des Flugkörpers nicht größer ist als der Druck, welchen die Maschine auszuüben vermag.
Sei es nun wie immer; besitzt der Mensch die technischen Mittel, um den Körper, seinem Flugapparate angemessen, seiner Kraft zu entlasten, so wird er — das begreift jedes Kind — sich von flacher Erde durch eigene Kraft in die Luft erheben können; besitzt er diese Mittel nicht, so ist keine Aussicht vorhanden, das Flugproblem zur Lösung zu bringen.
Die Mittel, welche uns zur Verfügung stehen, um die Flugapparate einerseits recht leicht und doch fest zu gestalten und anderseits Maschinen zu bauen, welche bei geringem Gewichte eine große Leistungsfähigkeit entwickeln, sind, wie uns die bisherigen Erfahrungen lehren, nicht ausreichend, um Kraft und Last in das richtige Verhältnis zueinander zu setzen; wir müssen daher notwendig zu dem einzigen noch übrigen Mittel, die Herbeiführung der notwendigen Gewichtsentlastung durch den Auftrieb leichter Gase zu erzwingen, greifen.«
Diese Zeilen sind jedenfalls recht interessant, sie dokumentieren auch, wie getrennt man sich in den Lagern der Flugtechniker noch mit den Ansichten gegenübersteht.
Was die dynamischen Ballons, welche sich nicht in Wellenlinien fortbewegen, anbelangt, so halte ich sie für sehr aussichtsvoll und zukunftsverheißend, wenn auch noch kein bedeutendes derartiges Projekt bis jetzt veröffentlicht wurde.
Solche oder ähnliche Ballons sind entweder mit fixen oder beweglichen Drachenflächen verbunden gedacht (Santos-Dumonts neuestes Projekt, oder jenes von Parseval Riedinger), oder vielleicht noch besser in Verbindung mit Hubschrauben allein (Haenlein, Schwarz). Diese liefern jenes[S. 136] Maß von Auftrieb, welches der Ballon zu seiner Erhebung noch bedarf.
Dazu sind natürlich wieder eigene Motoren erforderlich. Es handelt sich darum, Gewicht zu ersparen.
Das Gewicht, welches die Motoren, Schrauben, Transmissionen etc. bedürfen, um ein gewisses Maß von Auftrieb zu liefern, muß kleiner sein als das Gewicht des Überschusses der Hülle, gegenüber einem statischen Ballon und das durch das größere Volumen bedingte Mehrerfordernis an motorischer Vortriebskraft.
Auch dieses Gebiet ist sehr interessant und noch fast gänzlich unbearbeitet.
Nach meinen auf dem Reißbrette durchgeführten Konstruktionen und eingehenden Rechnungen muß ich dem dynamischen, lenkbaren Ballon, wie schon oben erwähnt, eine große Zukunft verheißen. Es ist bedauerlich, daß gerade hierüber fast immer nur Skizzen veröffentlicht werden. Das ist zwar allerdings sehr einfach, fördert jedoch die Sache nicht, weil eine befruchtende Kritik unmöglich ist.
Angehenden Luftschifftechnikern kann zur Einschulung nicht dringend genug das Entwerfen ganzer Ballon-Konstruktionen und jenes von Konstruktions-Details empfohlen werden.
Gleich nach der, wenn ich so sagen darf, endgiltigen Erfindung des Luftballons durch die Gebrüder Montgolfière wurde die Welt mit einer Unmasse von Projekten lenkbarer Ballons überschwemmt. Die damalige Zeit war in Bezug auf industrielle Erzeugnisse noch nicht so weit, daß sie den an sie gestellten Anforderungen genügen konnte. Anfangs der Fünfziger- und Siebzigerjahre des verflossenen Jahrhunderts und dann um die Mitte der Achtzigerjahre gaben Giffard, Haenlein und Renard-Krebs der Luftschiffahrt neue Impulse. Die Bestrebungen Zeppelins sind noch in aller Erinnerung. Nach und nach gelangte die Industrie auf einen derartigen Standpunkt, daß sie in der Lage war, auch weitergehenden Ansprüchen der Aëronauten zu genügen. Dies ist der eigentliche Grund, warum die Versuche von Santos-Dumont, von welchen in der Folge die Rede sein soll, von größeren Erfolgen als die seiner Vorgänger begleitet waren.
Was Santos-Dumont selbst anbelangt, so ist er sicher einer der beherztesten, kühnsten und verwegensten Luftschiffer,[S. 137] die es je gegeben hat. Die Art, wie er von allem Anbeginn mit seinem Fahrzeuge hantierte, ließ sofort eine ganz seltene Unerschrockenheit erkennen, und was er seither damit geleistet, wie er nach jedem Unfalle, den er erlitten, stets sofort wieder aufs neue startete, zeigt von einem ganz außerordentlichen Mute und einer höchst seltenen Zähigkeit. Dieser junge Brasilianer, klug und ausdauernd in seinen Bestrebungen, entwarf in der kurzen Zeit von drei Jahren, der Reihe nach acht verschiedene Luftschiffe. Er begann mit dem [S. 138]Baue eines ganz kleinen Ballons von nur 400 m3 Inhalt, auf dessen Tragstange er eine Art Sattel anbringen ließ und so bei seiner ersten Fahrt durch die Luft ritt. Zu wiederholten Malen platzte sein Ballon und einmal äußerte er sich sehr befriedigt darüber, er sei in einem Ballon aufgefahren und, nachdem dieser hoch in den Lüften gerissen war, mit einem Fallschirme herabgekommen.
Im Frühjahre 1901 erhielt er vom Pariser Aëro-Klub die Interessen des Deutsch-Preises pro 1900 mit 4000 Franken zugesprochen.
Santos-Dumont umkreiste den Eiffelturm mit seinem Ballon zu wiederholten Malen und gewann schließlich den[S. 139] Deutsch-Preis mit 100.000 Franken, wovon er sofort 50.000 Franken an die Armen von Paris verteilte und das andere an Persönlichkeiten, die sein Unternehmen durch Wort und Tat unterstützten.
Der 100.000 Franken-Preis, von Henri Deutsch de la Meurthe gestiftet, sollte bekanntlich dem Besitzer jenes Luftvehikels zufallen, das vom Parke des Aëro-Klubs oder von einem gleich weit vom Eiffelturme entfernt liegenden Punkte aus aufsteigend, nach der Umkreisung der Turmspitze innerhalb 30 Minuten wieder am Aufstiegsorte landet. Die zurückzulegende Strecke beträgt ungefähr 11 km; die mittlere Fahrgeschwindigkeit des Luftschiffes, das den Preis erringen sollte, mußte also wenigstens 22 km pro Stunde oder 6 1/9 m pro Sekunde betragen.
Von den bisher von Santos-Dumont veranstalteten Ballonfahrten sei einiger der interessanteren hier gedacht.
Am 12. Juli stieg Dumont mit dem Ballon Nr. 4 von seinem bei Saint-Cloud gelegenen Luftschiffpark gegen vier Uhr morgens auf und unternahm eine fünfmalige Rund[S. 140]fahrt oberhalb des Rennplatzes Longchamps und des Bois de Boulogne. Das Luftschiff kehrte dann zum Aufstiegorte zurück. Santos-Dumont steuerte hierauf sein Vehikel gegen den Eiffelturm; in der Nähe desselben riß aber eines der Tragseile, so daß der Aëronaut gezwungen war, an die Landung zu schreiten; diese erfolgte beim Trocadéro. Nachdem der Schaden auf der Straße ausgebessert war, erhob sich Santos-Dumont zum zweiten Male bis zur letzten Etage des Eiffelturmes und segelte um denselben herum, worauf er zum Aufstiegsorte in Saint-Cloud zurückkehrte.
Der am 8. August unternommene Aufstieg endigte mit einer Katastrophe. Der Aufstieg erfolgte bei vollkommener Windstille. Das Luftschiff nahm seinen Kurs in der Richtung zum Eiffelturme, umkreiste den Turm zweimal und fuhr dann in einer Höhe von ungefähr 350-400 m wieder nach Saint-Cloud zurück. Als das Luftschiff das Bois über La Muette passierte, bemerkte man plötzlich, daß die Fluggeschwindigkeit rapid abnahm; gleichzeitig senkte sich der Ballon sehr rasch, bis schließlich das Sinken sich in einen förmlichen Niedersturz verwandelte. Der Ballon fiel auf ein sechs Stock hohes Haus auf dem Quai de Passy und wurde vollständig zerrissen. Die Gondel blieb an einer Mauer hängen, und erst nach einer halben Stunde gelang es der Feuerwehr, den kühnen Aëronauten aus seiner höchst unbehaglichen Situation zu befreien.
Am 6. September stieg Santos-Dumont mit einem neuen Ballonluftschiffe, das schon seit mehreren Tagen fahrbereit stand, abermals auf. Der Aufstieg selbst ging glatt vor sich. Von Saint-Cloud aus steuerte Santos-Dumont sein Vehikel gegen den Rennplatz von Longchamps, kreuzte mehrmals über demselben und landete wenige Minuten später am Eingange des Kaskaden-Restaurants des Bois de Boulogne. Nach kurzer Zeit stieg Santos Dumont wieder auf und wollte nach Saint-Cloud zurückfahren. Der Ballon soll anfangs auch faktisch gegen den freilich kaum merkbaren Wind geflogen sein. Im Rothschildparke blieb aber die tief herabhängende Schleifleine in den Zweigen eines Baumes hängen. Da es nicht gelang, die Leine wieder los zu machen, entleerte Santos-Dumont den Ballon und stieg auf den Baum nieder, wobei die Gondel einige unbedeutende Havarien erlitt.
Mit einem rekonstruierten Ballonluftschiffe stieg Santos-Dumont am 10. Oktober erneuert auf. Mehr als eine Stunde manövrierte Santos-Dumont oberhalb des Rennplatzes von[S. 141] Longchamps nach allen Richtungen, wobei der Ballon dem Steuer mit großer Präzision gehorchte. Die Verbesserungen, welche Santos-Dumont an dem Motor anbringen ließ, hatten sich in jeder Hinsicht bewährt, der Motor funktionierte diesmal tadellos. Santos-Dumont machte sich den Spaß und lud seine Freunde für drei Uhr zum Tee im Kaskadencafé und versprach im Ballon dortselbst einzutreffen; er langte auch faktisch fast in demselben Augenblicke am Rendezvousplatze an, wie seine Freunde mit ihren Automobilen.
Rasch bestieg Santos wieder den Korb seines Vehikels und fuhr nach Longchamps zurück; er setzte in einer Höhe von etwa 200 m über die Seine, flog ein wenig über den Park d'Aérostation hinaus, kehrte aber plötzlich um und lenkte sein Vehikel zum Aufstiegplatze zurück. Die Landung erfolgte ganz glatt, knapp neben der Ballonhalle.
Wilfrid de Fonvielle hielt der »Société de Navigation-Aérienne« einen Vortrag über das in Rede stehende Luftschiff, Type 6, wobei er sich sehr richtig äußerte, daß das neue Luftschiff, wenn man von der Ballonhülle absieht, im großen und ganzen eine Wiederholung des Ballons »La France« sei, welcher seinerzeit von Renard-Krebs konstruiert worden ist. Das Verdienst des jungen Brasilianers ist es, den elektrischen Motor, der in den Jahren 1884-1885 Verwendung fand, durch einen zeitgemäßen Benzinmotor ersetzt zu haben. Santos-Dumont hat mit einem Ballon, dessen kubischer Inhalt nur ein Drittel des Renardschen Ballons ausmacht, eine um ein Sechstel größere Geschwindigkeit als Renard erzielt. Dabei wiegt Dumonts Motor nur ein Zehntel des Renardschen und kann trotzdem zehnmal so lang arbeiten wie dieser.
Vielfach wird darauf hingewiesen, daß der Gewinn einer Fahrtgeschwindigkeit von 1 m gegen die Experimente von Renard-Krebs kaum ein Fortschritt zu nennen sei. Sehr richtig erwidert darauf Viktor Silberer in der »Allgemeinen Sportzeitung«: Man dürfe bei der Beurteilung der Leistungen des Vehikels von Santos-Dumont nicht einzig und allein die erreichte mittlere Eigengeschwindigkeit ins Auge fassen, sondern bedenken, daß Santos-Dumont an einem vorher angegebenen Tage eine ganz genau vorgeschriebene Bahn[S. 143] zurückgelegt hat, während bei der berühmten Fahrt der »La France« vom 9. August 1884 diese Forderungen nicht gestellt waren. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, bedeutet die letzte Fahrt um den Eiffelturm ganz zweifellos einen Fortschritt gegenüber den Fahrten der »La France«.
Wie groß die Ehren sind, die Dumont durch den Gewinn des Deutsch-Preises einheimste, geht aus nachfolgenden Aufzeichnungen hervor, die gewiß von zeitgenössischem Interesse sind.
Der panamerikanische Kongreß, der in New-York tagte, beglückwünschte Santos-Dumont in einer eigenen Kabeldepesche.
Der Stadtrat von Saint-Cloud hat den Beschluß gefaßt, eine der Straßen, welche zum Ballonpark führen, nach Santos-Dumont zu benennen.
Am 9. November gab die »Alliance Française« zu Ehren Santos-Dumonts eine Soirée, an welcher gegen 2000 Personen teilnahmen.
Der Präsident der Republik Brasilien, Campos-Sallas, ließ eine goldene Ehrenmedaille für Santos-Dumont prägen.
Der brasilianische Kongreß hat in einer außerordentlichen, am 13. November abgehaltenen Sitzung eine Summe von 125.000 Franken für Santos-Dumont votiert, als Anerkennung seiner außerordentlichen Verdienste um die Förderung der Luftschiffahrt.
Dumont hat seine Versuche mit seinem Luftschiffe in diesem Frühjahre in Monaco fortgesetzt und fünf Fahrten über dem Meere unternommen.
Die Auffahrten fanden vom Hangar Bed de la Condamine aus, das ist einer am Meeresufer erbauten 51 m langen, 11 m breiten und 15 m hohen Ballonhalle statt. Die Füllung des Ballons begann am 22. Januar und dauerte ungemein lang. Man spricht von zwei Tagen.
Dumont machte folgende Auffahrten: Erste am 28. Januar um 10 Uhr 45 Minuten bei Windstille; zweite Auffahrt dauerte 40 Minuten, dritte am 10. Februar um 2 Uhr 10 Minuten, Dauer 23 Minuten. Wind blies »ziemlich stark«; vierte am 12. Februar 2 Uhr nachmittags, Dauer 30 Minuten; fünfte und letzte Auffahrt am 14. Februar. Ballon platzte in der Luft und sank ins Meer.
Der Motor und ein Teil des Ballontraggerüstes fielen dabei Neptun zum Opfer. Glücklicherweise konnte Santos-Dumont selbst gerettet werden.
Damit hatten die Monakoer Fahrten des Brasilianers ihr Ende erreicht. Bekanntlich beabsichtigte Santos-Dumont im Monate Februar (inklusive einer zweistündigen Rast auf Korsika) die Fahrt von Monako nach Calvi auf der korsi[S. 145]kanischen Insel, d. i. 400 km in 10 Stunden hin und zurückzulegen.
Bis zu der Zeit, wo diese Zeilen geschrieben wurden, hat Dumont geplant, einen neuen Ballon zu bauen, und wollte gelegentlich der Krönungsfeierlichkeiten in London, in Brighton und in New-York auffahren. Von einer Durchführung dieser Absichten hat bis jetzt nichts verlautet.
Endlich sei erwähnt, daß nach Santos-Dumonts System ein Engländer, Mr. Spencer, mit einem bei Lachambre in Paris gebauten Ballon am 19. September 1902 eine erfolgreiche Luftfahrt über London (Abfahrt in Sydenham, Ankunft in Yarrow) unternommen hat.
Weiters hatte New-York am 1. Oktober 1902 das seltene Schauspiel, zwei lenkbare Ballons sich zu gleicher Zeit in der Luft begegnen zu sehen. Der eine war der von Santos-Dumont an Mr. Edward C. Bosce verkaufte letzte Apparat, welcher in einer Höhe von 300 m um das nördliche Ende von Brighton Beach-Hotel und Island segelte und nach 2 1/2 K ohne Unfall landete. Der zweite Apparat wurde von einem Mr. Stevens gesteuert.
Unzweifelhaft hat die Aëronautik durch Santos-Dumont neue Impulse erhalten. Vermehrt wurden diese noch durch[S. 146] die Ausschreibung großer Preise, so durch den Preis von Deutsch (100.000 Franken) und jenen von St. Louis (200.000 Dollars), welch letzterer im Jahre 1904 zur Vergebung kommt, u. a.
Ebenso augenscheinlich ist aber auch das Mißgeschick, welches die Sache der lenkbaren Luftschiffe seit dem Mißerfolge Dumonts in Monako verfolgt. Da ist in erster Linie der Tod des bedeutendsten deutschen Aëronauten Bartsch von Sigsfeld gelegentlich einer scharfen Landung in diesem Frühjahre zu verzeichnen und der Absturz des Luftschiffes »Pax«, bei dem sein Erbauer Severo und dessen Mechaniker Saché den Tod fanden.
Severo, gleichfalls ein Brasilianer, verfolgte Dumonts Triumphe mit lebhaftem Interesse, meinte aber die Lenkbarkeitsfrage in besserer Weise durch ein eigenes Projekt fördern zu können.
Schon vor einigen Jahren baute er ein »lenkbares Luftschiff« (Figur 72), das die Antriebpropeller in der Ballonachse und ein festes Ballontraggerüst besaß, in Buenos-Ayres. Dieser Ballon soll zu schwer ausgefallen sein. Auf eigene Kosten konstruierte er dann im Jahre 1902 in Paris sein Luftschiff »Pax« (Figur 74), welches sich durch gedrängtere Bauart und manche interessante Details, wie zum Beispiel ein festes Gerüst im Balloninnern mit darüber gestülpter Hülle, horizontale Steuerschrauben etc. auszeichnete.
Die Arbeiten scheinen aber zu überhastet betrieben [S. 147]worden zu sein, auch hatten die beiden Lenker des »Pax« in der Führung eines Luftschiffes nicht die erforderliche Routine. Ein Hauptfehler lag in der Anwesenheit des mit explosiven Gasen vollen Schlitzes, knapp unter welchem die beiden Motoren arbeiteten. Durch eine unvollständige Explosion scheint ein Funke diese Gase entzündet und so die Katastrophe herbeigeführt zu haben. Man spricht davon, daß die brasilianische Regierung das Projekt Severos durch eigene Ingenieure in besserer Form ausführen lassen will.
Diese Regierung hat sich auch gelegentlich des Unglücks in großartiger und hochherziger Weise der Hinterbliebenen angenommen und Severo ein glänzendes Begräbnis veranstaltet. Den Angehörigen Sachés ließ sie ein Legat von 25.000 Franken einhändigen; Severos Witwe und Kinder wurden von Staats wegen versorgt.
Ein interessantes Projekt ist gegenwärtig in Paris in Ausführung begriffen. Es hat den bekannten Großindustriellen Deutsch de la Meurthe zum Urheber, und den gewiegten Aëronauten Tatin als ausführenden Konstrukteur. Dieses Luftschiff, dessen Hülle aus chinesischer Seide besteht, soll ein Volumen von 2100 m3 bei einer Länge von 60 m und einem Durchmesser von 8 m erhalten. Die treibende Kraft liefert ein 63 Pferde starker Mors-Motor von 370 kg Gewicht. Er macht 930 Umdrehungen in der Minute und soll nur 25 kg pro Stunde verbrauchen.
Die Hülle besitzt drei Abteilungen und zwei Ballonets, welche für die Permanenz der Form gewährleisten sollen.
Die Gondel ist 7 m von der Hülle entfernt und auf 40 Stahldrähten von je 2 mm Durchmesser aufgehängt. Sie mißt 30 m in der Länge, wiegt 200 kg, besteht aus 21 Holztraversen und ist mit Drähten versteift. Die Gondel ist mit einem feinen Seidenstoff überzogen, damit sie der Luft möglichst wenig Widerstand bietet. Ein Balancegewicht von 250 kg kann im Innern der Gondel auf einer 12 m langen Schienenbahn ver[S. 148]schoben werden. Die zweiflügelige Schraube hat 7 m Durchmesser, wägt 100 kg und ist zum Teil aus Stahl gebaut.
Man sieht im übrigen, daß sich auch dieses neueste Luftschiff auf althergebrachter Bahn bewegt. Es verfügt, im Vergleich zu früheren Projekten, über eine gewaltige Arbeitsmenge und wird daher größere Eigengeschwindigkeiten als jene erzielen können, wenn sonst alles klappt.
Ähnliches gilt von dem Luftschiffe, welches L'Hoste projektierte und das in Figur 77 schematisch dargestellt ist.
Es besitzt zwei wohl miteinander verbundene, aber doch unabhängige Gondeln, von denen jede ihren eigenen 30 Pferde starken Motor und Schraube besitzt. Die vordere Schraube ist verstellbar. Auffallend groß ist das Steuerruder.
Der Ballon ist durch Querwände geteilt, damit das von vielen Seiten beobachtete, schädliche Schwanken des Gases hintangehalten werde. Die Querwände bestehen aus einem starken Gerippe von drei konzentrischen Ringen aus Röhren. Diese Röhren sind durch Speichen, welche ihrerseits wieder mit Schrauben reguliert werden, fixiert. Ein Stabilisator soll die stets horizontale Lage des Luftschiffes sichern.
Zum Schlusse soll noch ein recht abenteuerlich gestaltetes Luftschiff Erwähnung finden. Es ist dies der lenkbare Ballon von Cuyer, welcher seinem Äußeren zufolge das Aussehen eines umgestürzten Pontons besitzt. Die untere breite Fläche ist als Drachenfläche verwertbar gedacht. Zwei mächtige Luftschrauben, welche ihren Impuls von starken, unter der Hülle situierten Motoren erhalten, sollen die Vorwärtsbewegung bewirken.
Ein anderes zeitgenössisches Projekt stammt von einem Engländer Barton, dessen Beschreibung man in meinem Werke »Lenkbare Ballons«, Seite 312, nachlesen wolle. In diesem Buche finden sich im übrigen noch die, wenn auch mitunter kurzen Beschreibungen von circa 100 »lenkbaren Ballons«. Siehe die Seiten: 13-58, 233-245, 306-314.
Zum Schlusse sei noch des Ballons Bradsky Erwähnung getan, welcher nun mit dem Tode seines Erfinders der Geschichte angehört. Sein kleines Volumen von 850 m3, die geringe Anzahl der mitgeführten Pferdestärken (16 bei einem Durchmesser des Ballons von d = 6 m), das Vorhandensein nur einer Vortrieb- und einer Hubschraube, gaben von allem Anfange an in Fachkreisen wenig Hoffnung auf guten Erfolg. Auch hier wurden, sowie bei Severo, an dem fertigen[S. 150] Ballon nachträglich viele Änderungen durchgeführt, so an der Hülle, an der Aufhängevorrichtung etc. Zwei Segeln von 12 m Länge und 1 1/2 m Breite beiderseits des Äquators zur Verhinderung des Stampfens angebracht, gaben Veranlassung, daß man von einem Ballon sprach, welcher mit der Luft nicht vollkommen equilibriert sei. Im großen ganzen bewegte sich das Luftfahrzeug in der althergebrachten Form der lenkbaren Ballons, nur wurde infolge des geringen Ballonvolumens überall aufs äußerste an Gewicht gespart. Darum ersetzte Bradsky auch die Halteleinen durch Klaviersaitendraht. Alle zusammen trugen anstandslos das Gewicht des 17 1/2 m langen, armierten Trägers, in welchem die 5 m lange Gondel untergebracht war. Als jedoch die Hubschraube zu arbeiten begann und das Kräftespiel sich fühlbar machte, wurden diese Drähte durch Torsionskräfte und durch die schlagartigen Erschütterungen stark überanstrengt, so daß einige Drähte rissen, worauf die anderen, zu schwach, die Last zu halten, nun umso schneller ihren Dienst versagten.
Der Tod der beiden unglücklichen Luftschiffer ist tief zu beklagen, aber man kann sich der Überzeugung nicht entschlagen, daß auch hier, wie bei Severo, recht untechnisch vorgegangen wurde. Kapital aus diesen Katastrophen gegen die lenkbaren Ballons im allgemeinen zu schlagen, wäre schon deshalb unbillig, weil es sich hier um ganz vereinzelte Versuche handelt, gegen welche schon vor der Realisierung von berufener Seite, wie man jetzt sieht, berechtigte Einsprache erhoben wurde.
Noch im Bau begriffen sind die Luftschiffe der Gebrüder Paul und Pierre Lebaudy, Marquis de Dion, Dr. Barton und Charles Mary.
Das Kapitel »Lenkbare Ballons« möchte ich nicht gerne schließen, ohne nochmals hervorzuheben, welch große Zukunft ich diesen Fahrzeugen dort prophezeie, wo es gilt, relativ größere Lasten in die Luft zu erheben.
Wohl ist der Leidensweg, den sie bisher zurücklegten, ein langer und dornenvoller gewesen, und vielfach mit Leichen bedeckt; aber doch sehe ich in nicht weiter Ferne eine glückliche Zukunft winken.
Auch in weiteren Kreisen fängt die Erkenntnis seiner praktischen Verwendbarkeit zu reifen an. Man hat sich besonders durch den Triumph der Automobile und den der drahtlosen Telegraphie gewöhnt, an die Realisierung des Unerhörtesten zu glauben. Warum soll der lenkbare Ballon sich nicht auch als nützlich und ausführbar erweisen?
Keine Naturerkenntnis spricht gegen ihn. Im Gegenteile! Auf Grund vieler Berechnungen habe ich gezeigt, daß vom theoretischen Standpunkte aus nichts der Verwirklichung dieses fast ältesten, menschlichen Traumes entgegenstehe. Nach und nach verlieren auch die Baumaterialien, die Motoren etc. ihre gefürchteten und abschreckend hohen[S. 153] Gewichte. Sein Wesen ist durch viele Experimente und Studien uns nicht mehr so fremdartig wie früher. Männer von großem Opfermute finden sich, um ihn zu realisieren, alles Bedingungen, welche ein glückliches Prosperieren dieses Stiefkindes der Technik mit Bestimmtheit erwarten lassen.
Der berühmte französische Gelehrte Janssen, Mitglied der Akademie, sprach gelegentlich der Eröffnungsrede des internationalen, aëronautischen Kongresses am 15. September 1900 in begeisterten Worten über die Zukunft der Luftschiffahrt und ihre Aufgaben. Aus dieser glänzenden Rede sollen nachstehende Zeilen hierhergesetzt werden, welche beweisen mögen, wie ernst man in hochwissenschaftlichen Kreisen von der Realisierbarkeit der Beschiffung des Luftozeans überzeugt ist.
»Schon im Altertum hatten große Geister die ganze Macht des flüssigen Elementes in den Beziehungen der Nationen vorausgesehen. Themistokles sagte: „Der Herr des Meeres ist der Herr der Erde.“ Hat nicht dieser geniale, schon zu jener Zeit wahre Ausspruch, in unseren Tagen eine noch viel packendere Wahrheit? Welche Übermacht hat eine benachbarte Nation nicht aus der Überlegenheit ihrer Flotten zu ziehen gewußt, welche die Meere beherrschen, die Erdteile einschließen und es dahin zu bringen, Herren fast aller telegraphischen Verbindungen auf dem Erdball zu sein!
Wenn nun das Meer der Nation, die sich seiner zu bemächtigen verstand, eine solche Macht gab, wie groß erst wird die Gewalt derjenigen sein, die sich zur Herrin der Atmosphäre aufschwingt? Das Meer hat seine Grenzen und Schranken, die Atmosphäre kennt keine. Das Meer gibt dem Schiffer nur eine Oberfläche, der Luftschiffer gebietet über die ganze Tiefe des Luftraumes. Das Meer trennt Erdteile, die Atmosphäre verbindet und beherrscht alles.
Man fragt sich nun, was aus den politischen Grenzen, aus den Schranken zwischen den verschiedenen Staaten werden soll, wenn Armeen in luftfahrenden Flotten dieselben mit völliger Gefahrlosigkeit werden überschreiten können?
Wir sind ohne Zweifel noch weit entfernt von den Tagen, die solche Resultate sehen werden, aber seien Sie überzeugt, daß diese Tage kommen und daß der Mensch nicht eher nachläßt, als bis ihm die vollständige Eroberung des Luftraumes, des letzten seinem Tätigkeitsdrang gebliebenen Bereiches, gelungen ist.«
In neuester Zeit wurden Drachen vielfach zu meteorologischen Beobachtungen herangezogen. Die großen Erfolge sowohl technischer als auch wissenschaftlicher Natur, rechtfertigten ein näheres Eingehen in ihr Wesen.
Schon im Jahre 1752 stellte Franklin seine bekannten Drachenversuche an, und vor etwa mehr als 60 Jahren bildete sich in Philadelphia eine Gesellschaft, der »Franklin Kite-Klub« genannt, dessen Mitglieder den Drachenflug auf mehr oder minder wissenschaftliche Weise betrieben.
Ernster wurden diese Versuche aber erst im letzten halben Decennium in Angriff genommen. Speziell sind es die Experimente der Amerikaner W. A. Eddy, Rotch u. a., welche unser lebhaftes Interesse erregen. Es gelang diesen Männern, sowie Teisserenc de Bort in Paris und Assmann in Berlin nicht nur außerordentlich große Höhen zu erreichen, sondern auch selbst registrierende, meteorologische Apparate stundenlang in großen Höhen zu erhalten.
Um diese Instrumente auf eine Höhe von 3000 m und darüber zu heben, haben Drachen, sobald Wind herrscht, über Ballons nach A. Laurence Rotch, Direktor des Blue Hille-Observatoriums (Amerika), folgende Vorteile:
Jedermann kennt den typischen Drachen, womit unsere Knaben sich besonders zur Herbstzeit vergnügen. Tiefer Sinn liegt oft im kindlichen Spiele, bewahrheitet sich auch bei dem Drachen.
Heute ist der Drache aus den Kinderhänden in die der Gelehrten übergegangen und hat seine Form hundertfach variiert.
Im Folgenden will ich nur einige der bekannteren Typen kurz beschreiben.
Douglas Archibald baute, gestützt auf die bekannte Tatsache des Zunehmens der Winde mit größeren Höhen, im Jahre 1884 zwei seidene Drachen, die an derselben Leine derart übereinander befestigt waren, daß der obere hinter dem darunter befindlichen festgemacht wurde. Er erreichte hierbei eine Höhe von 670 m und nahm ein Anemometer hoch. Hierbei zeigte sich jedoch der Nachteil, daß der untere Drache in seinen Bewegungen durch die Stöße des oberen stark beeinträchtigt wurde.
Dies veranlaßte Eddy, im Sommer 1890 in Bergen Point Versuche mit sechseckigen, geschwänzten Drachen anzustellen, von denen aber jeder mit einer besonderen Leine versehen war, welche dann ihrerseits wieder in progressiven Abständen an der Hauptleine befestigt wurden. Bei einer ganz geringen Windgeschwindigkeit von nur 5 m pro Sekunde erreichte Eddy schon eine Höhe von 1200 m.
Im weiteren Verlaufe seiner Experimente kam er dazu, sogenannte malaysche Drachen, das heißt solche ohne Schwanz und mit etwas gewölbter Unterfläche zu verwenden. Diese »Eddy Malay Tailless Kite«, wie er selbst sie nennt, sind leichter und können sich nicht mit den Schwänzen bei schwachen Winden ineinander verwickeln. Sie steigen auch steiler in die Höhe und müssen nicht, wenn der Wind an Stärke zunimmt, (etwa von 4 bis zu 18 m) zur Erde geholt[S. 157] werden. Außerdem können sie bei sehr geringen Windstärken oder selbst bei Windstille, wenn nur die haltende Person sich bewegt, läuft, reitet oder fährt, Verwendung finden. Sie bestehen nur aus zwei leichten, gekreuzten Stäben und sind mit japanischem Papier und chinesischer Seide überdacht. Wer die Weltausstellung in Chicago besuchte, hatte täglich Gelegenheit, viele solcher Drachen über dem malayischen Dorfe in der Luft stehen zu sehen, wie sie die Malayen in ihrer Heimat benützen.
Der malaysche Drache erreicht die erforderliche Stabilität durch eine sehr sorgfältige Konstruktion.
Ein in Straßburg verwendeter, derartiger Drache war 2 m lang und breit. Die Querstange wurde in einer Entfernung von 0·36 m von der vorderen Spitze der Längsachse befestigt und nach rückwärts umgebogen. Diese Umbiegung ist sehr wichtig, weil sie das Abfließen des Windes überhaupt möglich macht. Das Gestell war aus Bambus, der Überzug aus japanischem Papier.
Über die auf dem Blue-Hill-Observatorium in Gebrauch gestandenen Eddy-Drachen gibt die folgende Tabelle Aufschluß.
Bezeichnung des Drachen | Länge der | Querschnitt der Stangen | Beiläufige Größe der Drachenfläche | Totalgewicht des Drachens | Gewicht pro Quadratmeter | |
Mittel- stange | Quer- stange | |||||
Meter | Millimeter | Quadratmeter | Kilogramm | |||
5 Fuß Drachen | 1·52 | 1·52 | 6·3 × 12·7 | 1·07 | 0·4 | 0·37 |
6 » » | 1·83 | 1·83 | 9·4 × 19·0 | 1·53 | 0·7 | 0·44 |
7 » » | 2·13 | 2·13 | 12·7 × 22·1 | 2·00 | 1·1 | 0·55 |
9 » » | 2·74 | 2·74 | 12·7 × 25·4 | 3·30 | 1·8 | 0·55 |
Eine ganz eigenartige Drachenkonstruktion ist der sogenannte Dom-Drache, welcher in der Fig. 81 abgebildet erscheint. Er besteht aus einer über einem Gerüste gestülpten Haube, in die sich der Wind ordentlich hineinlegen kann. Dadurch erklärt sich die große Hubwirkung dieses Drachen. Er besitzt 2·9 m Länge und trägt einen Mann mit Leichtigkeit. Zu seiner Vorwärtsbewegung jedoch würde er sehr viel[S. 158] motorischer Kraft beanspruchen, deshalb ließ Chanute, der amerikanische Flugtechniker, die Experimente mit diesem System fallen.
Einen bedeutenden Impuls gab Hargrave in Australien der Drachenkonstruktion durch die Erfindung der Kastendrachen. Er fand die mit »Z« bezeichneten vielflügeligen Drachen von 0·102 × 0·381 m Fläche, welche mit ihren Flügeln um 108° gegeneinander geneigt waren, obwohl sie relativ gut flogen, doch nicht stabil genug.
Besser entsprachen solche mit gewölbten Flächen, am besten aber kastenförmig gebaute. Die Fig. 83-87 geben einige der versuchten Typen wieder. Diese Drachen werden an einem Stabe angebracht und sind einer Honigzelle ähnlich[S. 159] geformt. Es soll ziemlich einerlei sein, was für Abteilungen und welche Zahl die Zellen haben. Die rechtwinkeligen Zellen sind am leichtesten zu konstruieren, wenn der Stock zwischen den beiden Zellen in der Mitte angebracht ist. Es sei auch gleichgiltig, welche Seite nach oben kommt.
Diese Drachen haben einen größeren Winkel als diejenigen, welche Kinder steigen lassen und die unter einem Winkel von 45° hochgehen.
Beim Drachen E ist die obere Fläche konvex nach aufwärts gebogen. Dieser Drache hat einen doppelt so großen Zug als ein gleich gebauter und gleich schwerer Drache (F), dessen obere Fläche aber eben ist. Der Drache A war ähnlich wie der Drache B geformt, nur noch mit sieben[S. 160] innerhalb der äußeren Hülle angebrachten, runden Zellen gefüllt.
Die folgende Tabelle gibt einige Daten über diese z. T. oben abgebildeten Hargrave-Drachen.
T: Type Z: Zahl der Zellen in jeder Sektion (Abteilung) L: Länge jeder Zelle parallel zu dem betreffenden Stab in Zentimetern B: Breite jeder Zelle in horizontaler Lage in rechten Winkeln, in Zentimetern H: Höhe jeder Zelle in der Vertikalen mit Bezug auf die rechten Winkel des Stabes, in Zentimetern R: Radius der horizontalen, mit Kurven versehenen Oberfläche, in Zentimetern S: Länge des Stabes zwischen den Abteilungen, in Zentimetern Material: Material, aus dem die Oberflächen gemacht sind P: Der Befestigungspunkt der Schnur ist entfernt von der vorderen Abteilung in Zentimetern G: Gewicht des Drachen in Gramm | |||||||||
T | Z | L | B | H | R | S | Material | P | G |
A | 7 | 5·0 | 9·5 | 9·5 | — | 60·9 | Papier | 10·1 | 71 |
B | 1 | 14·0 | 33·0 | 33·0 | — | 83·8 | Aluminium | 27·9 | 419 |
C | 16 | 7·6 | 7·6 | 7·6 | — | 55·8 | Kartenrand | 16·5 | 30 |
D | 3 | 10·1 | 33·7 | 10·1 | 14 | 80·0 | Holz und Papier | 30·5 | 32 |
E | 1 | 10·1 | 29·0 | 16·0 | 14 | 54·5 | » » » | 19·0 | 92 |
F | 1 | 10·1 | 29·0 | 16·0 | — | 54·5 | » » » | 19·0 | 92 |
Der Hargravesche Kastendrache, wie er auf meteorologischen Stationen sehr häufig angewendet wird, besteht aus vier Flächen und läßt sich am besten mit einem oben und unten geöffneten Kasten vergleichen. Neuerdings hat Hargrave noch eine Form, die in Fig. 87 dargestellten Drachen, konstruiert.
Ein in Straßburg verwendeter Hargrave-Drache, beiläufig nach Fig. 88 gebaut, hatte folgende Dimensionen: Ganze[S. 161] Stablänge: 1·4 m, Breite 1·1, respektive 0·4 m, Zwischenraum zwischen den beiden Teildrachen 0·6 m. Auf dem Blue Hill-Observatorium kamen bis 1897 folgende Hargrave-Drachen in Verwendung:
Weite des Drachen in Metern | Länge des Drachen in Metern | Tiefe der Zellen in Metern | Weite der Zellen in Metern | Hubfläche in Quadratmetern | Quer-Abteilung der Stangen in Millimetern | Totalgewicht des Drachen in Kilogrammen | Gewicht pro Quadratmeter der Hubfläche in Kilogr. | |
lateral | longitudinal | |||||||
1·52 | 1·80 | 0·57 | 0·58 | 3·58 | 240 | 320 | 2·47 | 0·69 |
1·12 | 1·32 | 0·46 | 0·41 | 1·84 | 200 | 200 | 1·56 | 0·85 |
0·91 | 1·22 | 0·41 | 0·41 | 1·49 | 40 | 80 | 0·82 | 0·55 |
1·22 | 1·82 | 0·46 | 0·46 | 2·13 | 110 | 110 | 1·64 | 0·77 |
Solche Schachteldrachen verband Chanute zu einem ganzen Drachensystem (Fig. 89). Es war nur 0·76 m breit und bestand aus zwölf einzelnen Hargrave-Drachen zu einem Ganzen verbunden. Seine Oberfläche hatte etwas mehr als 0·9 m2. Trotzdem betrug das gehobene Gewicht bei einem Winde von circa 56 km pro Stunde, das ist circa 16·5 m pro Sekunde rund 24·5 kg inklusive des Eigengewichtes des Drachen von 1·8 kg.
Der in der Figur 90, abgebildete vielzellige Drache von Lecornu erhielt im Jahre 1900, gelegentlich des aëronautischen, internationalen Kongresses den ersten Preis. Er maß etwa 1·2 m im Gevierte und hatte 16 Zellen.
Der Hargrave-Drache ist gelegentlich seiner Versuche, welche den persönlichen Kunstflug betrafen, von Clayton noch vereinfacht und an ihm eine Vorrichtung angebracht worden, durch welche bei zunehmendem Winde die Oberfläche des Drachen erheblich verkleinert werden konnte. So wurde er stabiler und eignet sich vorzüglich dort, wo häufige Wirbelwinde auftreten. Er kommt daher wegen dieser seiner[S. 163] größeren Stabilität von nun an als Gipfeldrache in Verwendung.
Der Kieldrache ist ein verbesserter malayischer Drache, mit einem an der Vorderseite in der Längsachse angebrachten Kiel; der Lamsonsche Drache besitzt Rippen und eine gekrümmte Oberfläche. Die Zahl der Drachen und die Wahl ihres Systems muß jederzeit von der zu erreichenden Höhe und der Art des Windes abhängig gemacht werden, erfordert daher schon bedeutende Fachkenntnis. Das Gewicht des Drachen betrug etwa 760 g für den Quadratmeter hebende Oberfläche.
Von den genannten Experimentatoren wurden zahlreiche Versuche über Vorzüge der einzelnen Drachentypen angestellt. Sie bezogen sich auf deren Größe, Stabilität, Steighöhe und Tragfähigkeit. Um nur eines ihrer Resultate herauszugreifen, sei erwähnt, daß bei einer Windstärke von 10 m per Sekunde per Quadratmeter Drachenfläche ein Zug von durchschnittlich 5 kg ausgeübt wird.
Der Lamsonsche Drache ist eine aus dem Hargrave-Drachen hervorgegangene Konstruktion. Ihre Form ist aus der Figur 93 zu ersehen. Diese Lamsonschen Drachen sollen[S. 164] sich nach Berichten von Direktor Rotch als die tragfähigsten erwiesen haben.
Die Abmessungen des in der Figur 93 dargestellten Drachens sind folgende: Weite oder Flügelspannung 3·35 m, ganze Länge 3·50 m, Breite der Stirntragefläche vorn und hinten etwa 0·77 m, Abstand zwischen den oberen und unteren Flächen 0·72 m und der Raum zwischen der Stirn- und der hinteren Fläche 1·25 m. Die Tragfläche beträgt etwa 6·5 m2, das Gewicht 6·3 kg.
Die Stirnflächen sind vermittelst der 12 Längsrippen scharf gekrümmt und so gesetzt, daß sie der Oberfläche eine leichte Drehung oder Schraubenform geben, ähnlich wie die Flügel eines Vogels sie haben. Die Kurvenhöhe beträgt etwa 3·7 cm, sie nimmt nach den Spitzen hin ab. Die Leine ist etwa in der Mitte zwischen der Spitze und dem Hauptarm befestigt.
Das Gestell ist aus amerikanischem Tannenholze gefertigt und wird durch Klaviersaitendrähte in seiner Form gehalten und gespannt. Überzogen ist es mit dicht gewebtem, baumwollenem Battist.
Lamson versendet solche Drachen zu einem Preise von 40 Dollars.
Außer den vorbeschriebenen Drachen gibt es noch eine große Anzahl, auf die wir leider aus Mangel an Platz nicht näher eingehen können.
Interessant sind auch die Kiel-Drachen, so genannt nach ihrem in der Mitte befindlichen, flächenartigen Kiele, wodurch der Drache eine bedeutende Stabilität erhält.
Oft sind diese Drachen auch recht abenteuerlich gestaltet. Man betrachte z. B. die Figur 95.
Gewiß ist es aber erstaunlich, wieviel in der kurzen Zeit auf dem Gebiete der Drachen geleistet wurde.
Eine von der vorhergehend beschriebenen, ganz verschiedene Art von Drachen sind die russischen. Ein solcher ist in der Figur 96 abgebildet. Sie sollen sich als sehr stabil und tragfähig erwiesen haben. Nach einem aus dem Russischen von Huther übersetzten Berichte, wird er in zwei verschiedenen Größen gebaut. Die erste Art dient Aufstiegen bei einem Winde von 7 bis 9 m, die zweite Art solchen, bei denen der Wind größer als 9 m ist. Letzterer ist natürlich schwer gehalten. Die in der Figur 96 bemerkbaren Stäbe sind in eine Hülse von Perkal oder Schirting eingesteckt. Eine genaue Beschreibung zweier solcher Drachen findet man auf den Seiten 15-16 des Jahrganges 1899 der »Illustrierten aëronautischen Mitteilungen«.
Der Drache besitzt einen Schwanz aus mehreren Winddüten. Die Leine greift an einem Haltestrick an, welcher an einem unterhalb des Drachen situierten Querstabe (einem Zaum) angebracht ist.
Eine eigene Kategorie unter den Drachen bilden die Nickel-Drachen (Wien).
Der Nickelsche Drache, von welchem die Figuren 97 bis 99 ein deutliches Bild geben, sind nach dem Prinzipe der Flächenteilung konstruiert und mit einem Doppelsteuer, d. h. einem horizontalen und einem vertikalen Steuer versehen.
Dimensionen der Type A sind folgende: Länge 8 m, [S. 168]Breite 4 m, Gesamtfläche 12·2 m2. Das Hauptgestell besteht aus zwei mäßig in der Drachenebene gebogenen Fichtenstäben und senkrecht darauf, beiderseits befestigten Querstäbchen, welche (untereinander und mit den beiden Stäben durch ein brückenartiges Gitterwerk aus Stahldraht verbunden) die Achse bilden und ihr eine große Steifheit verleihen. Auf der Achse sind in bestimmten Abständen 6 Paar flügelförmige, aus Schirting und Weidenruten hergestellte Drachenflächen angebracht, welche wieder untereinander mit der Achse und mit den beiden Steuern fest verbunden sind. Das Gewicht dieses Drachen beträgt bloß 7 1/2 kg. Trotz dieses geringen Gewichtes ist er verhältnismäßig fest und widerstandsfähig.
Die ersten Versuche mit diesem Drachen wurden am 19. August 1899 auf dem nächst Krzeszowice (in Galizien) östlich gelegenen Hügel Vinica vorgenommen. Es wehte ein mäßiger Nordost, dessen Geschwindigkeit zwischen 3-5 m schwankte. Schon beim Transporte konnte man die ganz bedeutende Hebekraft des Drachen wahrnehmen. Auf dem Hügel angelangt, wurde der horizontal bewegliche und mit einer Bandbremse versehene Haspel an einem in die Erde getriebenen Pfahl befestigt und von der auf 100 kg Zug erprobten Leine in der Windrichtung circa 100 m abgewickelt. Nachdem der Drache angebunden und die Leine straff gespannt war, wurde er langsam mit der Spitze von der Erde gehoben. Schon bei einem Neigungswinkel von 45° erhob er sich[S. 169] rauschend in die Höhe und blieb bei steiler Leine vollkommen ruhig stehen. Nun konnte die Leine bei kontinuierlichem Höhersteigen des Drachen langsam bis auf ihre ganze Länge von 340 m nachgelassen werden.
Überraschend war, wie Nickel berichtet, der erste Aufstieg hauptsächlich deshalb, weil die sogenannte Wage sich selbst unter den günstigsten Winkel einstellte, was er einfach auf die Art erzielte, daß der Knoten der rückwärtigen Wageschnur nicht festgeknüpft, sondern verschiebbar befestigt wurde. Mehrfach vorgenommene Ballastproben ergaben bei einem Winde von circa 5 m eine Tragfähigkeit von 8 bis 10 kg, wobei die Leine mit 45 kg nicht mitgerechnet erscheint.
Der Nickelsche Drache Type C ist ähnlich wie das oben beschriebene System der Type A konstruiert, hat aber etwas größere Ausmaße u. zw. 8·2 m Länge, 4·5 m Breite, 16 m2 Tragfläche und 15 kg Gewicht.
Das Gerippe besteht aus einer zweiteiligen, aus oblonggekrümmten, überkantigen Stangen gebildeten Achse, welche mittels bikonvex profilierten Traversen und darin eingelassenen Stützen eine gitterartige Stahlverspannung trägt, wodurch sie steif und torsionsfest erhalten wird. Auf dieser Achse sind nebst dem Horizontal- und Vertikalsteuer mittels Schrauben[S. 170] sechs Armträger befestigt, welche beiderseits je drei parabolisch nach abwärts gekrümmte Rippen tragen, auf deren Enden die mit Ledertaschen versehenen Flächenüberzüge aus mit Wachs imprägniertem Marzellin aufgesteckt werden können. Das Horizontalsteuer ist 10° zur Drachenebene geneigt. Auf der Spitze ist noch ein kleines, dreieckiges Segel angebracht. Mittels aushängbarer Stahldrähte sind die Flächen und beide Steuer so mit der Achse fixiert, daß eine Verschiebung in der Drachenebene vermieden wird.
Der Drache ist leicht zerlegbar und kann von drei Mann in zehn Minuten montiert werden.
Einen der subtilsten Teile bildet die sogenannte Wage, richtiger das Gehänge. Dieses ist dreiteilig und so eingerichtet, daß sich der hintere Teil durch eine eingeschaltete Federwage bei Windüberdruck verlängert, wodurch der Neigungswinkel verkleinert wird.
Das Hochlassen erfolgte ursprünglich durch einfaches Hochheben der Spitze bis zu circa 45° gegen den Wind. Bei dem größeren Gewichte, der Länge der Achse und der Steifheit der Tragflächen war dies nur schwer möglich und konnten namentlich Seitenstöße des Windes gar nicht pariert werden, was bei der Unstetigkeit der Windrichtung wiederholt ein Kentern und in den meisten Fällen eine Beschädigung des Drachen nach sich zog.
Aus diesem Grunde befestigte Nickel auf der Spitze der Achse eine kleine Aluminiumfahne, so daß sich deren Stange stets vertikal stellen konnte, wodurch es ermöglicht war, in jedem Augenblicke die Windrichtung wahrzunehmen und die Korrektion des Standes zu bewirken.
Um weiters das unheilvolle Kentern zu verhindern, wurden nahe der Spitze zwei circa 10 m lange Sturmleinen befestigt und zum Hochheben des Drachen eine 5 m lange, mit einer Gabel versehene Bambusstange verwendet. Am Steuerhals ist überdies eine 20 m lange Landungsleine angebracht.
Das Hochlassen erfolgt nunmehr in folgender Weise. Nachdem vom Haspel ein genügendes Stück Stahldraht in der Windrichtung abgewickelt wurde, kann das Drahtende mittels Karabiner an dem Gehänge befestigt werden. Sodann wird der Meteorograph daran gehängt und mittels der Stange die Spitze gehoben. Der Steuermann hält das Vertikalsteuer am Boden fest und je ein Mann ergreifen die Sturmleinen. Auf das Kommando: »Einrichten!« visiert der Steuermann über die Windfahne und läßt so lange den Drachen rechts[S. 171] oder links bewegen, bis die Drachenachse und der Stahldraht mit dem Haspel in der Richtung der Windfahne stehen, worauf er »Fertig!« ruft. — Darauf läßt man die Sturmleinen solange nach, bis der Drache freischwebt. Ist der Wind günstig, wird »Los!« kommandiert, wobei die Sturmleinen gleichzeitig freigelassen werden, und der Drache ruhig in die Höhe steigt.
Mit dem Nickelschen Drachen wurden bei Windstille, von einer acht Meter hohen Terrainwelle abspringend, Gleitflüge bis auf 30 Meter Entfernung gemacht.
Bis zum Jahre 1896 verwendete man hanfene Drachenleinen. Diese besaßen aber viele Nachteile; sie rissen bei größeren Windstößen ab, waren teuer und boten durch ihre verhältnismäßige Dicke dem Winde eine sehr große Angriffsfläche. Dies führte zur Verwendung von Klaviersaitendraht. Dieser ist doppelt so fest und außerdem um die Hälfte billiger als Hanfleinen von demselben Gewichte. Dadurch, daß der Durchmesser der Saite nur etwa 1/6 so groß ist als derjenige der Hanfleine, wurde die dem Winddrucke ausgesetzte Oberfläche auch bedeutend reduziert.
Ein solcher Stahldraht besitzt einen Durchmesser von 3/4 mm und etwa 130 kg absoluter Festigkeit — eine horrende[S. 172] Ziffer — dabei wägt ein Kilometer nur 4 1/2 kg. Gegen eine gleich tragfähige 3000 m lange Hanfleine ist bei diesem Stahldraht um 11 1/4 m2 weniger Fläche dem auf sie einwirkenden Winde ausgesetzt.
Der praktische Erfolg bei Anwendung dieses Stahldrahtes zeigte sich dadurch, daß bei der gleichen Anzahl von Drachen nunmehr doppelt so große Höhen erreicht wurden.
Hier sei noch eines elektrischen Phänomens Erwähnung getan, welches sich anläßlich dieser Versuche zeigte. Sobald die als Leine dienende Klaviersaite auf circa 1000 m aufgelassen war, bemerkte man elektrische Funken, die von ihr ausgingen und unliebsame Schläge erzeugten, weshalb man die Drahtleine mit der Erde in leitende Verbindung setzen mußte. Diese Funken waren bei Schneestürmen besonders stark, zeigten sich aber auch bei klarem und bei bedecktem Himmel.
Von großer praktischer Bedeutung war endlich die Verwendung einer Dampfwinde an Stelle der bisher gebrauchten von zwei Mann bedienten Handwinde. Das Auflassen und Einholen der Drachen ist infolge der sich in der langen Leinenleitung progressiv fortsetzenden Stöße mit Schwierigkeiten verbunden und erfordert große Vorsicht. Es darf nur ganz allmählich geschehen, um den Erschütterungen Zeit zu lassen, sich auszugleichen. Mit Hilfe der Dampfwinde wird diese Manipulation gleichmäßiger, wesentlich erleichtert und das Material geschont. Hierzu trägt auch ein an der Winde angebrachter Apparat bei, der ohne weiteres die Länge des abgelaufenen Kabels und die Höhe des Drachen unter Berücksichtigung der Seildurchhängung abzulesen gestattet.
Als das eigentliche Vaterland jener Drachen, welche uns hier speziell interessieren, müssen wir Amerika bezeichnen.
Dortselbst prüfte Eddy vom 27. Juli bis 6. August 1894 die malayischen Drachen in größerem Umfange auf dem bekannten, meteorologischen Observatorium, das auf dem 195 m über dem benachbarten Atlantischen Ozean gelegenen »Blue Hill« bei Boston errichtet ist. Am 1. August glückte es ihm, ein System von sieben Drachen 1080 m hoch steigen zu lassen. Einige Tage später wurde ein für diese Zwecke umgeänderter Richardscher Thermo[S. 173]graph mitgenommen. Das Instrument blieb volle vier Stunden in der Höhe von 425 m.
Über die hierbei gemachten, meteorologischen Beobachtungen, bei welchen auch das Vorkommen großer Luftwirbel unterhalb Kumuli-Wolken nachgewiesen wurde, berichtet der Meteorologe Helm Clayton ausführlich.
Am 6. August versuchte man bei schwachen, westlichen Winden Drachen in die Höhe zu bringen und hatte es auch durch Hin- und Herziehen der Leine erreicht, einen Drachen von 1 1/2 m Durchmesser in einer geringen Erhebung vom Erdboden zu erhalten. Als nun um 2 Uhr 20 Minuten eine ziemlich große Kumulus-Wolke sich dem Zenith näherte, begann der Drache plötzlich in fast senkrechter Richtung zu steigen, solange, bis die Leine gänzlich abgelaufen war; er folgte dann der Wolke eine kurze Strecke über den Zenith hinaus, um hierauf schnell auf die Erde hinabzustürzen. Die Höhe, welche der Drache erreicht hatte, betrug beiläufig 350 m über dem Erdboden.
Die interessanten und sehr instruktiven Ergebnisse dieser Drachenversuche veranlaßten Herrn A. L. Rotch, den bekannten Meteorologen und Besitzer des Blue-Hill-Observatoriums, dieselben weiter fortzusetzen. Unter seiner Leitung haben nun nach einem Berichte der Boston »Commonwealth« vom 9. Mai 1896 seine Assistenten, Helm Clayton, Fergusson und Sweetland, zahlreiche und mühsame Untersuchungen angestellt, die sich zunächst auf die Art der zu verwendenden Drachen bezogen.
Hierbei sind nach drei Seiten hin erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Diese beziehen sich auf die Anwendung neuer Drachensysteme, eines Stahldrahtkabels und einer Dampfwinde.
Ausgerüstet mit allen diesen trefflichen Apparaten, erzielten die Amerikaner Resultate, welche die Welt in gerechtes Erstaunen versetzten. So gelang es ihnen schon bei dem am 15. Oktober 1897 unternommenen Versuche den Meteorographen, welcher zugleich die Temperatur, den Luftdruck und die Feuchtigkeit automatisch registrierte, 3370 m hoch über den Erdboden zu bringen. Der Gipfeldrache stieg noch 40 m höher in die Luft. Am Ende des Kabels befand sich ein Lamsonscher und ein verbesserter Hargrave-Drache von 6·6, beziehungsweise 3·35 m2 Oberfläche, während die beiden anderen kleineren Drachen Hargravescher Konstruktion [S. 174]von je 2·13 m2 Fläche in Entfernungen von 2000 bis 2500 m am Haltedraht befestigt waren. Die gesamte hebende Oberfläche belief sich demnach auf mehr als 14 m2. Die Gesamtlänge des abgelaufenen Kabels betrug 4600 m, und den Maximalzug zeigte der Dynamograph mit 68 kg an. Ausgestattet mit dem vorzüglichen von Fergusson gebauten Baro-Thermo-Hydrographen wurde so der Drache ein wertvolles Inventarstück des meteorologischen Observatoriums.
Am 26. August 1898 erreichte ein Lamson-Drache 3400 m über seinem Aufstiegsort oder 3680 m über dem Meeresspiegel. Mehrere kleinere Hargrave-Drachen wurden an der Hauptleine 1600 m unterhalb des Leitdrachens befestigt, um beim Heben des Drahtes mitzuwirken.
Am 19. Juli 1900 erreichte auf dem Blue-Hill eine Gruppe von sechs Drachen die Höhe von 4846 m. Die Drachen trafen bei ihrem Aufstiege keine Wolken an, jedoch war der höchste Drache schließlich kaum mit freiem Auge zu sehen. 7600 m Stahldraht wurden als Kabel ausgegeben. Der Meteorograph erreichte eine Höhe von 4815 m über dem Meere. Die Temperatur sank hier bis auf den Nullpunkt. Gleichzeitig herrschte große Trockenheit und ein Nordwestwind von 12 m per Sekunde.
Es konnte nicht fehlen, daß die auf dem Blue-Hill angestellten Versuche in Fachkreisen und darüber hinaus die größte Aufmerksamkeit erweckten, um so mehr, als die in kurzer Zeit hierbei gewonnenen Resultate weit über das hinausgingen, was man von diesen Experimenten zunächst erwarten zu können glaubte. Die Beschäftigung auf diesem Gebiete der Aëronautik hat infolgedessen einen neuen und mächtigen Impuls erhalten, ganz besonders in der Heimat dieser Versuche, den Vereinigten Staaten von Nordamerika. So sind kürzlich eine Anzahl Gelehrter, an deren Spitze der Direktor des Harvard-Observatoriums, Professor Pickering, und der frühere Präsident des Vereines amerikanischer Zivilingenieure[S. 175] O. Chanute stehen, in Boston zu einer Vereinigung zusammengetreten, welche die Vervollkommnung der Drachentechnik zu ihrer Aufgabe gemacht und zur Förderung dieses Zweckes Preise für die besten Lösungen verschiedener spezieller Fragen ausgesetzt haben.
Professor Marvin hat im Laufe der Zeit in den Vereinigten Staaten 16 Drachen-Stationen über das Land verteilt und eingerichtet, von denen wichtige Förderung für den Dienst der Wetterprognose zu erwarten ist. Allerdings mußten einige Stationen wegen Mangel an Wind wieder aufgelassen werden.
Mit Freude und Genugtuung erfüllte es Mr. Rotch und seine Mitarbeiter am Blue Hill-Observatorium, daß die im Jahre 1896 in Paris tagende Konferenz von Direktoren meteorologischer Institute den Entschluß faßte, die Anstellung von Drachenversuchen, wie solche auf dem Blue-Hill-Observatorium gemacht werden, auch anderwärts als sehr wünschenswert zu empfehlen.
Der rührige Straßburger Luftschiffahrtsverein, unter der bewährten Führung von Dr. Hergessel und (damals) Hauptmann Moedebeck, ist meines Wissens der erste, der diesem Aufrufe gefolgt ist und die mühsamen, aber auch Erfolg verheißenden Drachenexperimente auf dem Kontinente in Angriff genommen hat. Hierauf hat Teisserenc de Bort in seinem »Observatoire de Météorologie dynamique« in Trappes bei Paris sich diesem Forschungszweige unter Aufwendung beträchtlicher, eigener Mittel mit hervorragendem Erfolge zugewendet.
Einen großen Fortschritt in Drachenaufstiegen hat Rotch dadurch erzielt, daß er in antizyklonalem, fast windstillen Wetter Drachen auf einem Dampfschiffe emporschickte. Am 22. August 1901 stiegen auf einem Dampfer, der von Boston aus mit 4 1/2 m p. S. unter einem Winkel von 45° gegen den Wind fuhr, drei Hargrave-Drachen 800 m hoch, bei einer Kabellänge von 1100 m. Leider war nicht mehr Kabel an Bord. Die Versuche wurden zweimal — am Morgen und am Abend desselben Tages — ausgeführt. Die Drachen erhoben und senkten sich so leicht und stetig, daß keinerlei Gefahr für Drachen oder Apparate vorhanden war. Rotch will nun, wie er auf dem letzten aëronautischen Kongreß detailliert ausführte, den Atlantischen Ozean in der Richtung auf die afrikanische Westküste kreuzen, um aus diesen Breiten, von deren Verhältnissen in den hohen Schichten der Atmosphäre wir so gut wie nichts wissen, womöglich Beobachtungen über [S. 176]die Gegenpassate zu sammeln.
In gewohnter energischer Weise wurden die Drachenaufstiege auch in Berlin begonnen und dazu ein eigenes Etablissement gegründet, welches Geheimrat Prof. Assmann leitet.
»Das aëronautische Observatorium des königl. meteorologischen Institutes« am Tegeler Schießplatze bezweckt, an Stelle der bisher nur gelegentlich ausgeführten, wissenschaftlichen Luftschiffahrten eine feste Organisation mit bestimmten, ihr im Budget zugewiesenen Mitteln zu setzen, um mit Hülfe von Drachenballons und Drachen regelmäßig und ohne Unterbrechung meteorologische Untersuchungen der erreichbaren Schichten der Atmosphäre vorzunehmen.
Für diesen Zweck wurde ein Grundstück an der Grenze des Tegeler Schießplatzes zugewiesen, auf dem später die vom Tempelhofer Felde nach Tegel verlegte militärische Luftschiffer-Abteilung Nachbarin wurde.
Die Errichtung dieses Gebäude-Komplexes, dessen regelmäßiger Betrieb im Jahre 1901 eröffnet wurde, ist nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten vor sich gegangen. Professor Assmann und Dr. Berson, die vor endgiltiger Feststellung der Baupläne in Paris waren, um das dort vorhandene Vorbild zu studieren, erkannten bei dieser Gelegenheit schon, daß die Nachbarschaft hoher Bäume und eines viel benutzten Schieß- und Exerzierplatzes besondere Maßnahmen notwendig machen würden, um die Kabel der Ballons und Drachen vor Beschädigung zu schützen und Klagen wegen Störung der militärischen Übungen zu verhüten.
Es mußte deshalb, abweichend von Paris, wo das Institut auf einer ringsum freien Ebene gelegen ist, ein Turm von 27 m Höhe in den Bauplan aufgenommen werden, von dessen Plattform der Aufstieg unbehindert vor sich gehen kann. Nächstdem hat auf dem Gelände ein Dienstgebäude mit den nötigen Arbeitsräumen, sowie Wohnungen für einen Ballonwärter und zwei Ballongehülfen, eine Ballonhalle und ein Windenhaus Platz gefunden.
Letzteres, ein 3 1/2 m im Durchmesser haltendes, achteckiges Gebäude mit Glasdach, enthält die Winde zum Auflassen und Einholen der Ballons und Drachen. Zum Betriebe dieser Winde dient eine im Souterrain des Dienstgebäudes aufgestellte Dampfmaschine, die aus der Fabrik des leider[S. 177] viel zu früh dahingerafften Otto Lilienthal hervorgegangen ist.
Die Dampfmaschine betreibt eine an derselben Stelle befindliche Dynamomaschine, welche die Anstalt mit elektrischem Lichte versieht und zugleich eine Accumulatorenbatterie speist, von der nach Bedarf Elektrizität zum Antriebe eines die Winde betätigenden Elektromotors entnommen wird. Die letztere besitzt, außer genauen Registriervorrichtungen, die in jedem Augenblicke die Länge des abgelaufenen oder noch nicht aufgelaufenen Kabels festzustellen erlauben, als besonders wichtigen Teil eine den Zug des Kabels aufzunehmende Rolle, wodurch bewirkt wird, daß letzteres in geringer und stets gleichbleibender Spannung von der Trommel ab- oder auf sie aufläuft. Dies ist notwendig, weil zeitweise bis 10.000 m Draht auf der Trommel Platz finden, welche sich durch Hineindrücken der oberen in die unteren Lagen verwirren würden, falls ein starker Zug auf den ab- oder aufwickelnden Draht ausgeübt würde. Natürlich ist auch für ein ganz gleichmäßiges Auflaufen, Windung neben Windung, automatische Umkehr nach Vollendung einer Lage, stets gleichbleibende Umfangsgeschwindigkeit u. s. f. gesorgt.
Von der Winde aus geht das den Ballon oder Drachen tragende Kabel nach der Plattform des Turmes. Dort befindet sich die bei anderer Anordnung neben der Winde stehende, sogenannte Erdrolle, deren Einrichtung gestattet, sie in jeder Richtung einzustellen, die der herrschende Wind vorzeichnet. Die Hinaufbringung der Aërostaten auf den Turm, sowie beim Einziehen ihre Herabführung auf die Erde, hat besondere Vorrichtungen nötig gemacht, welche indessen, nach den Berichten von Assmann, so zufriedenstellend funktionierten, daß eine Berührung mit dem Turme, die leicht Aufenthalte und Beschädigungen zur Folge haben könnte, ganz vermieden wird. Im übrigen ist durch nachträgliche Verbreiterung des Grundstücks auf 100 m ein Operationsraum von nahezu 50 m rechts und links des Turmes gewonnen worden.
Der zur Zeit vorhandene, mit Wasserstoff gefüllte Drachenballon hat eine Länge von 10 m. An Drachen kommen alle möglichen Systeme in Verwendung, u. a. viele Hargrave-Drachen von 2 1/2-5 m2. Als Kabel dient beim ersteren verzinnter Tiegelgußstahldraht von 1.3 mm Durchmesser, bei den anderen solcher von 0.7 mm Durchmesser.[S. 178] Der erstere besitzt eine Festigkeit von 300 kg und wägt pro 1000 m 10 kg, der letztere hat die Reißfestigkeit von 90 kg und wägt 3.7 kg pro 1000 m.
Die mit Registrierung versehenen Instrumente für meteorologische Beobachtungen hängen vom Kabel etwas unterhalb seiner Befestigung am Ballon oder Drachen herab.
Schwieriger als das Auflassen von Drachen ist häufig das Einholen, namentlich wenn inzwischen der Wind abgeflaut hat, weil dann, um das Fallen zu verhüten, durch sehr schnelle Drehung der Windentrommel künstlich Wind erzeugt werden muß. Umgekehrt macht eingetretene Verstärkung des Windes das Einholen, welches einer weiteren Verstärkung des Windes gleichkommt, öfters zu einer, mit großer Vorsicht und sehr langsam zu bewirkenden, oft schwierigen Arbeit, weil für das Kabel die Gefahr der Überanstrengung und somit des Bruches naheliegt.
Von großem Interesse sind die anschaulichen Schilderungen der Tätigkeit dieses aëronautischen Observatoriums, wie sie Geheimrat Professor Assmann gelegentlich der Sitzung des letzten internationalen aëronautischen Kongresses entworfen hat.
Daß bei dem Inslebenrufen einer so neuen und eigenartigen Schöpfung auch kleinere Unfälle sich ereigneten, ist wohl selbstverständlich. So z. B. rissen bei einem Aufstiege auf 4360 m fünf Drachen mit circa 6000 m Draht ab und verletzten dabei einen Knaben nicht unerheblich. Die beiden obersten Drachen machten eine 140 km lange Fahrt nach Forst in der Lausitz.
Am bedenklichsten schien bei dem Abreißen der Drachen die Gefahr, daß der fortschleifende Draht sich auf die Drähte der dem Observatorium bis auf 800 m genäherten elektrischen Bahnen lege. Es sind deshalb die nächstgelegenen Bahnlinien mit seitlichen, zur Erde abgeleiteten Schutzdrähten versehen, welche ein sofortiges Durchbrennen eines diese und die Starkstromleitung berührenden Drachendrahtes bewirkt, worauf er stromlos herabfällt.
Außerdem wird künftig dafür Sorge getragen werden, Drähte, beziehungsweise Kabel von größerer Bruchfestigkeit zu verwenden, und in das Kabel, außer den Hauptdrachen, noch Drachen mit Leinen von geringerer Festigkeit einzuschalten, damit eventuell durch das Abreißen dieser »Sicherheitsdrachen« der Zug am Kabel verringert werde.
Die in Berlin erzielten Resultate reihen sich den Erfolgen der Amerikaner auf diesem Gebiete würdig an die Seite. So[S. 179] erreichten 60 Drachen schon eine Höhe von 5000 m und 35 eine noch größere Höhe.
Leider fehlt es an Platz, hier auch noch eingehender die einschlägigen Bestrebungen der Franzosen zu behandeln. Es genügt, zu sagen, daß auch sie den Drachen in ihren Dienst gestellt und vorzügliche Resultate mit ihm erreicht haben. Besonders ist es wieder Teisserenc de Bort, der darin Hervorragendes leistete.
Im Jahre 1892 begann der bekannte englische Aëronaut Baden-Powell systematische Versuche mit großen Drachen, um festzustellen, ob man sie an Stelle von Fesselballons zum Hochnehmen von Menschen verwenden könne. Seine früheren Versuche hatten zu folgenden Ergebnissen geführt:
1. Ein Schwanz, wie er im allgemeinen bei Kinderdrachen angebracht wird, ist unnötig.
2. Bei stürmischem, böigen Winde kann man Drachen vollkommen stabil in der Luft halten, wenn man sie an zwei Leinen befestigt, deren Haltepunkte auf der Erde etwas voneinander entfernt sind.
3. Die beste Drachenform, mit Hinsicht auf geringes Gewicht, leichte Zusammenlegbarkeit, große Hebekraft, ist ein Sechseck, in welchem das Gestell aus drei Stangen von gleicher Länge besteht, deren eine senkrecht stehend von den beiden andern gekreuzt wird.
Schon im Jahre 1894 gelang es Baden-Powell am 27. Juli einen Menschen mit Drachen in die Luft zu heben. Bei einer Versuchsreihe benützte er Drachen an zwölf verschiedenen Tagen, indem er »das Wetter nahm, wie es gerade kam«. Hierbei wurde an neun Tagen ein Mensch durch den Apparat emporgehoben, während nur an drei Tagen hindurch der Wind zu schwach war. Oftmals stiegen alle Drachen bis zu 100-130 m empor, welche einen Menschen zu heben vermochten.
Baden-Powell fand bei »gewöhnlichem« Wetter eine Drachenfläche von circa 50 m2 ausreichend, um das Gewicht eines Menschen zu heben. Bei hohen Aufstiegen befestigte er einen Fallschirm über der unter dem Drachen aufgehängten Gondel, in welcher der Beobachter Platz nahm.
Man kann entweder einen Drachen oder fünf kleine benützen. Das Gewicht des ganzen Apparates beträgt kaum[S. 180] fünfzig Kilogramm und kann in einer Rolle von 4 m Länge durch 2-3 Männer überallhin transportiert und in wenigen Minuten (2-3) wieder zum Aufstiege klar gemacht werden.
In London erhält man solche Drachen für circa 1200 Kronen.
Die Fig. 101 zeigt einen Drachen nach System Hargrave, welcher einen Beobachter, den Leutnant Wise, hochhebt.
Major Baden-Powell nahm seine Drachen auch nach Afrika mit.
Im Aëronautical-Journal teilt er mit, welch große Schwierigkeiten es zunächst bereitet hat, sie überhaupt nach dem Kriegsschauplatze zu befördern. Nachdem sie als persönliches Gepäck zurückgewiesen worden waren, ist es nur möglich geworden, sie unter der Bezeichnung von »ärztlichen Zubehörstücken« nach dem Kaplande zu befördern.
Major Baden-Powell hat sodann im Lager am Modder-River verschiedene Versuche gemacht, besonders mit Photographieren vom Drachen aus. Diese Versuche sollen erfolgreich gewesen sein.
Weiterhin ist der Drache zufällig für die Telegraphie ohne Draht sehr nützlich gewesen, weil die damit beauftragten Militärs bei ihrer Ankunft nichts vorbereitet fanden, um die Empfangsdrähte hochzunehmen. Unter diesen Verhältnissen waren die Baden-Powellschen Drachen von unschätzbarem Werte, denn sie erlaubten, bald über 137 km weit die Telegraphie aufzunehmen, während die Marconischen Apparate andernfalls vollkommen nutzlos im Lager gelegen hätten.
Einen anderen Drachen, womit Menschen aufgehoben wurden, baute Millet. Bei diesem in Fig. 102 abgebildeten Drachen soll ein Mann imstande sein, im Falle des Reißens der Leine den Drachen sofort in einen Fallschirm zu verwandeln, indem die großen Seitenflächen heruntergeklappt werden und nun die Luft fangen. Ferner soll der Insasse es in der Hand haben, zu steigen oder zu fallen.
Der Korb hängt deshalb auf einer losen Rolle und man kann ihn mittels Tauen näher an die Hochlaßleine heranziehen oder ihn ablassen. Dadurch wird die Lage des Schwerpunktes unter der Drachenfläche geändert und der Drache bietet dem Winde seine Fläche unter einem größeren oder kleineren Winkel dar; er steigt also oder fällt.
Sehr intensiv scheint man sich in Rußland für Drachenaufstiege mit Menschen zu interessieren. Als Beweis dafür setze ich nachstehenden Bericht, welchen ein Freund der »Illustrierten aëronautischen Mitteilungen« diesen sendete, hierher. Er schreibt u. a.:
»Es wurden vier flache, sechseckige Drachen des Luftschifferparks, die zum Aufheben eines bemannten Korbes ausreichen, hochgelassen. Nachdem 400 m des Seils abgelassen worden waren, ergab sich ein Zug von 220 kg. (Dynamometer Konstruktion Garut.)
Herr Ulianin führte zwei sehr große Drachen vor, die eine Abänderung der Hargrave-Drachen bilden und etwa 60 m2 tragender Oberfläche besitzen. Beide wurden hochgelassen und ihre Seile miteinander verbunden. Am Verbindungsknoten befestigte man eine leichte Gondel, von der zum Anziehen zwei Hilfsstricke nach unten liefen.
Die Aufstiege, welche viele Liebhaber fanden, waren nicht hoch, etwa 60 m und dauerten je 5 Minuten. Sie wurden 20mal wiederholt. Unter anderen Mitgliedern der Konferenz hob man auch den Herrn Generalleutnant Anossow, Kommandant der Stadt Kiew, hoch. Alle die aufgestiegen waren, erklärten einen solchen Aufstieg für völlig ungefährlich. Die Drachenkonstruktion erregte wegen ihrer großen Stabilität in der Luft bei Anwendung von zwei oder drei Drachen Aufsehen.
Gleichzeitig wurde auch ein Drachenfallschirm-System [S. 182]Niezchdanowsky gezeigt, das sich ebenfalls bewährte.«
Durchblättert man die Geschichte der Luftschiffahrt, so wird man schon im grauen Altertume Sagen von fliegenden Menschen finden, so z. B. bei den Scythen und anderen Völkern.
Obwohl die Nachrichten hierüber nicht reichlich fließen, so läßt doch manche Andeutung darauf schließen, daß mehr als ein Experiment in dieser Hinsicht mit Erfolg gemacht worden ist.
Diesen Ausspruch dokumentieren nicht allein die uns aus allen Weltteilen und von allen Völkern überlieferten Sagen über »fliegende Menschen«, sondern auch eine Reihe meist unglücklich verlaufener Bestrebungen, welche geschichtlich beglaubigt sind. Der Raum ist hier zu beschränkt, um durch Namen und Zahlen diese Behauptung ausführlicher zu erhärten. Deshalb sollen nur die in dieser Richtung in den letzten Jahren erzielten Erfolge besprochen werden.
In erster Linie ist hierbei eines Mannes zu gedenken, der einen großen Teil seines Lebens, und zuletzt dieses selbst, der Flugfrage opferte und es auch schließlich dazu gebracht hatte, über 300 m weit sich in der Luft fortzubewegen.
Es ist dies der Berliner Maschinenfabrikant Otto Lilienthal, dem alle Flugtechniker die größte Bewunderung und Dankbarkeit zu zollen Ursache haben. Lilienthal hat seine Vorgänger in der Ausführung des Schwebefluges bedeutend überholt, er war der erste, der ihn systematisch betrieb, und Tausende von Flugversuchen mit erstaunlicher Kühnheit und Sicherheit ausführte.
Das Prinzip, welches er verfolgte, ist die Ausführung des sogenannten Drachenfluges, wobei er von einer Anhöhe[S. 183] aus mit Hilfe eigens zu diesem Zwecke konstruierter Segelflächen den Flugsprung begann.
Anfangs baute Lilienthal kleinere Apparate und fügte den einfachen Segelflächen ein schwanzartiges, horizontales und ein darauf senkrecht stehendes, vertikales Steuer hinzu, um hierdurch eine bessere Einstellung gegen den Wind zu erreichen. Im Laufe der Jahre konstruierte er dann eine große Anzahl von verbesserten und stets selbst erprobten Apparaten. Sein im Jahre 1891 hergestelltes Modell bestand aus einem flügelartigen Weidenholzgestelle, das mit wachsgetränktem Schirting überzogen war. Die Flügelfläche wölbte sich im Verhältnisse 1 : 12 parabolisch, hatte die Gestalt aus[S. 184]gebreiteter Vogelflügel und maß von Spitze zu Spitze sieben Meter Länge, 2 1/2 m der Breite nach und hatte 14 m2 Areal.
In diese ziemlich primitive, 20 kg schwere Vorrichtung hängte er sich mit seinen beiden Unterarmen in entsprechende Polsterungen des Gestelles ein, erfaßte zwei Handgriffe, nahm[S. 185] einen Anlauf gegen den Wind und schwebte kurze Zeit darauf in der Luft über die Köpfe der nie fehlenden Zuschauer hinweg. Von fünf Auffahrtsplätzen, welche aus 15 bis 30 Meter hohen Hügeln bestanden, unternahm Lilienthal im Laufe von zehn Jahren seine immer vollkommener sich gestaltenden Versuche.
Die Lenkung bewirkte er durch einfache Verlegung des Schwerpunktes des Körpers nach vorne oder rückwärts. Durch[S. 186] dessen Verlegung nach links wurde sofort das infolge des stärkeren Luftdruckes gehobene linke Flügelpaar gesenkt oder umgekehrt das rechte durch Verlegung des Schwerpunktes nach rechts.
Mehr als einmal wurde bei den Versuchen die Ablenkung von der geraden Flugrichtung soweit getrieben, daß Lilienthal zeitweilig auf seinen Ausgangsplatz zuflog. Sehr unangenehm machten sich bei diesen Versuchen jedoch stärker auftretende Windstöße fühlbar, weil dabei die Gefahr vorlag, daß diese Stöße, wenn auch nur einen Augenblick, den Apparat von oben treffen könnten, wodurch er unfehlbar in die Tiefe gestürzt und zerschellt worden wäre.
Sollte bei mäßigem Winde gelandet werden, so mußte der Apparat durch das Zurücklegen des Körpers vorne gehoben und die Beine, wie beim Sprunge, unmittelbar darauf schnell vorgeworfen werden. Bei etwas stärkerem Winde senkte sich der Apparat ganz sanft zur Erde.
Zu Beginn seiner Experimente, also in der Periode der Lernzeit, waren unangenehme Fälle, Verstauchungen und Verrenkungen nicht selten; stets aber waren sie, wie Lilienthal selbst humoristisch erzählte, »rasch wieder geheilt« und er begann seine Luftfahrten aufs neue mit ungebrochenem Mute.
Eine stattliche Reihe von Momentphotographien, alle Phasen dieses Schwebefluges darstellend, haben sowohl Lilienthal selbst, als ihm befreundete Herren zum Gegenstande.
Oft erhob sich Lilienthal, dank glücklich ausgeführter Luftsprünge, viel höher, als es der Höhe der Abfahrtsstelle entsprach, er machte kleine Bögen nach rechts und links oder stand zeitweilig in der Luft ganz still. Die Dauer dieser Luftsegelpartien betrug 10 bis 30 Sekunden, der Fall 1 : 10, manchmal sogar noch mehr.
In weiterer Folge baute Lilienthal einen Apparat, der zwei Tragflächen von je 9 m2 besaß, welche übereinander angeordnet waren, nur 5 1/2 m Spannweite besaßen und von welchen die obere Fläche die untere etwas überragte.
Auch mit diesem Vehikel, das leichter gegen den Wind zu dirigieren war, wurden zahlreiche Luftfahrten veranstaltet. Eben ging Lilienthal daran, die Flügel beweglich zu gestalten und mit Hilfe eines kleinen Motors, der mit allem Zubehöre nur 40 kg wog und während vier Minuten 2 1/2 Pferdestärken leistete, den Ruderflug der Vögel zu imitieren, als den kühnen, zielbewußten Mann, zur Trauer aller Flugtechniker, sein Schicksal am 9. August 1896 ereilte.
Er stürzte aus 15 m Höhe mit seinem Apparate kopfüber zur Erde und brach das Rückgrat. Ob ein plötzlicher, starker Windstoß, oder ein Gebrechen an den Flügeln, oder eine andere Ursache das Unglück veranlaßte, ist bis heute nicht recht aufgeklärt.
Lilienthal hat schon zu seinen Lebzeiten viele Nachahmer und Abnehmer seiner Apparate gefunden. Nach seinem Tode forschte man den Ursachen seines Unglückes nach, und glaubte, ein Stabilitätsgebrechen habe die Katastrophe herbeigeführt.
Ein Schüler Lilienthals, der englische Flugtechniker Pilcher, welcher mit ähnlichen Apparaten wie ersterer zu Stanford Park bei Market Harborough manövrierte, fiel leider gleich diesem einem gleichen Schicksale am 30. September 1900 zum Opfer.
Neu ist die Methode, wie Pilcher sich künstlich vermehrten Wind schuf. Der Apparat war an einer 3-400 m langen Leine befestigt, und wurde durch ein Pferdegespann mit einem losen Flaschenzuge gegen den Wind gezogen. An seinem Todessturze war ein in der Luft gebrochenes Steuer schuld. Die Fallhöhe des sich jäh nach vorne überschlagenden Apparates betrug nur 10 m. Percy Sinclair Pilcher war seit 1897 eines der eifrigsten Mitglieder der »Aeronautical Society of Great Britain« und beschäftigte sich seit 1894 mit Lilienthalschen Apparaten, von denen er einen käuflich erwarb.
Angeregt durch die erfolgverheißenden Versuche Lilienthals, beschäftigten sich in Amerika Chanute und Herring mit der Frage des persönlichen Kunstfluges. Es lag nahe, sich zuerst ähnlicher Apparate wie der Berliner Flugtechniker zu bedienen, speziell gilt dies von Herring, welcher direkt solche Apparate gebaut hat. Bald jedoch wandelten sie eigene Pfade, und zeigte es sich auch hier, daß der Schüler den Meister übertraf.
Schon bevor Lilienthal verunglückte, gaben sie die Flugversuche mit seinen Apparaten auf, weil sie ihnen zu wenig stabil erschienen. Sie stellten die Frage nach der erforderlichen Stabilität allen anderen Gesichtspunkten voran und behaupteten mit Recht, daß zur Förderung der Sicherheit die Stabilität das erste Problem sei, welches, unter zeitweisem Ausschluß aller anderen Probleme, gelöst werden müsse.
Das hauptsächlichste Streben sollte dahin gerichtet sein, eine automatische Stabilität durch entsprechende Konstruktion der Maschine selbst zu erreichen. Wir bemerken da zwei wohl zu beachtende Unterschiede. Während Lilienthal die Stabilität seiner Maschine durch entsprechende Körperbewegungen erzielte, blieb Chanute in ihr fast unbeweglich, zwang dafür aber seine Maschine, durch selbsttätige Verstellung ihrer Flächen, sich automatisch in der richtigen Lage zu erhalten. Diesem Gedankengange folgend, bauten die Amerikaner Chanute und Herring ihre Maschinen zur Vornahme der Gleitflugversuche. Sie gingen von dem sogenannten Leiterdrachen, der bei jeder Windstärke große Stabilität gezeigt hatte, aus.
Diese Leiterdrachen bestehen dem Wesen nach aus drei hintereinander gestellten Hargrave-Zellen. Jede Zelle ist, um[S. 190] zwei Flügel herzustellen, in zwei Teile geschnitten. Die Wurzel jedes Flügels ist an dem Hauptrahmen derart mit Angeln befestigt, daß der Flügel an demselben in horizontaler Richtung nach vor- oder rückwärts schwingen kann. Diese Bewegung wird jedoch durch Gummischnüre entsprechend gehemmt. Der Hauptrahmen selbst ist in Scharnieren beweglich und kann nach Bedarf aus einer rechteckigen Form in eine rhombische übergehen. Selbstverständlich folgen die Drachenflächen diesen Bewegungen des Hauptrahmens und bilden eine Art von Stufen, daher der Name der Drachen.
Die Flügel sollen rückwärts und vorwärts, innerhalb gewisser Grenzen, wie der Wind wechselt, schwingen und auf diese Art die Stellung des Luftdruckmittelpunktes und auch den Einfallswinkel des Drachen verändern.
Der Drache fliegt nach Chanute mit einem Einfallswinkel von ungefähr 30°, »wie wenn er am Himmel befestigt wäre«.
Nach diesem Prinzipe bauten die beiden Amerikaner eine Anzahl von Apparaten, welche abwechselnd von ihnen selbst und von zwei Assistenten gelenkt, in den öden, unfruchtbaren Sanddünen, 48 km von Chicago (Illinois) entfernt, erprobt wurden. Sie berichteten über ihre Flüge folgendes:
»Die Maschine schwankte im Winde und erforderte von dem Ausübenden große Schnelligkeit und Beweglichkeit um das Gleichgewicht zu bewahren. Nachdem die Maschine sehr häufig gebrochen und wieder hergestellt war, haben wir sie endlich gänzlich fallen lassen, nicht ahnend, daß binnen sechs Wochen Lilienthals bedauerlicher Unfall unsern Entschluß als den richtigen bestätigen würde.«
Durch diese Mißerfolge ließen sie sich aber nicht entmutigen, sondern trachteten ihrem Ziele auf eine andere Weise beizukommen.
(Multiple-winged-Gliding Machine.)
Eine ihrer interessantesten Maschinen, die sie in der Folge bauten, war die »Multiple-winged«, welche aus zwölf übereinander gelagerten Flügeln mit einer Gesamtfläche von 16·45 m2 bestand. Nach und nach eliminierte man die Zahl der Flügel, konzentrierte nur vier Paar bewegliche Flügel von 11·57 m2 Fläche in der Front und setzte darüber eine feste, konkave Drachenfläche von 1·77 m2. Hinten befindet sich noch ein Paar Flügel (2·74 m2) so angebracht, daß der rückwärtige Teil beweglich ist. Der Rahmen besteht aus geradgemaserter Pechtanne, die Flügel sind mit japanischer Seide überzogen und [S. 193]mit Pyroxilin- (Schießbaumwolle-) Firnis überstrichen, welche die Eigenschaft hat, alle damit behandelten Fabrikate einschrumpfen zu lassen. Der ganze Apparat wiegt einschließlich des Sitzes von Netzwerk und zweier Bügel, die den Zweck haben, die Flügel mit den Füßen rückwärts und vorwärts zu bewegen, 15·25 kg. Auch hier hing der Ausübende mit den Achselgruben über dem Hauptrahmen.
Mit dieser Maschine wurden circa 200 Gleitflüge mit einem Fall von 1 : 4 gemacht. Der Apparat war im Winde bis zu 12 m in der Sekunde ganz sicher und lenksam, auch waren die Bewegungen des Fahrenden auf 50 mm reduziert statt auf 125 mm, wie bei den früheren Maschinen.
Noch bessere Resultate erzielten die beiden Experimentatoren mit einem im Nachfolgenden beschriebenen Fallschirmflieger.
Der Apparat Fig. 113 bestand in seiner endgiltigen Entwicklung aus vier Paar Flügeln, vorn übereinander gestellt und mit Bändern zusammen verbunden, die 11·57 m2 Fläche mit einer Höhlung von 1/16 ihrer Breite haben. Die Flügel sind mit ihrer Wurzel mittels einer vertikalen Stange verbunden, die in Kugellagern ruht, damit sie sich rückwärts und vorwärts bewegen können, welch letztere Bewegung durch entsprechende Federn eingeschränkt wird. Eine konkave, feste Drachenfläche, 1·77 m2 groß, wird über das Ganze befestigt, um die tragende Fläche bis auf 13·34 m2 zu vermehren. Es dürfte, wie Chanute berichtet, vielleicht besser sein, diese ganze Fläche in den Flügeln zu konzentrieren.
Diese Flügel sind in der Praxis nicht benützt worden, da die Dauer der Gleitflüge (7-8 Sekunden) ihre Anwendung nicht gestattete; der Ausübende hing mit den Achselgruben[S. 194] über dem Hauptrahmen. Die Hauptidee dieses Apparates ist, wie oben gesagt, die, daß der Ausübende ruhig bleiben kann, und die Bewegung von den Flügeln ausgeführt wird.
(Double surfaced.)
Bessere Resultate wurden mit der Doppelflächen-Gleitmaschine erzielt, welche mit dem Regulierapparat des Mr. Herring versehen war. Sie glitt weiter und mit flacherem Einfallswinkel als der »Vielflügel-Apparat« (multiple winged). Sie zeigte sich leicht lenkbar, richtete sich selbst nach den Veränderungen des Windes derart, daß sie denselben Einfallswinkel beibehielt, und trug mit Leichtigkeit ein Gesamtgewicht von 81 kg (70 kg des Lenkers) bei Winden, die eine Geschwindigkeit von 7-14 m pro Sekunde hatten. Mit dieser Maschine wurden Hunderte von Gleitflügen gemacht. Die folgenden sind von einer Versuchsreihe ausgesucht, die bei einem Winde von 13·8 m pro Sekunde gemacht wurden.
Die umstehende Tabelle gibt uns Kunde von der Zeitdauer und Weite der einzelnen Flugsprünge.
Länge in Metern | Zeit in Sekunden | Einfalls-winkel | Gesamtfall in Metern | Anlage des Falls | Kilogramm-meter pro Sekunde |
60·6 | 8·0 | 10° | 10·5 | 1 zu 5·75 | 106·31 |
71·3 | 8·7 | 7° 30' | 9·3 | 1 » 7·67 | 86·58 |
78·0 | 10·2 | 8° | 10·9 | 1 » 7·18 | 86·55 |
109·5 | 14·0 | 10° | 18·9 | 1 » 5·75 | 109·35 |
Mit dieser Maschine, sowie mit der noch besseren in der Fig. 115 abgebildeten »Double surfaced« mit dem Regulierungsapparate von Herring, wurden in den Jahren 1897 und 1898 viele Hunderte von Gleitversuchen gemacht, die trotz des oft bis 14 m starken Windes jederzeit ganz gut ausfielen. Die Handhabung der Apparate ist sehr leicht zu erlernen, so zwar, daß jeder gewandte junge Mann sie in einer Woche gebrauchen und gleichmäßig sichere Gleitflüge und Landungen ausführen konnte. Diese Gleitflüge hatten gewöhnlich eine Länge von 100 m, mit einem Fallwinkel von 9 1/2°. Der Sport war so beliebt, daß man den Apparat sofort wieder auf den Hügel, von dem aus man abflog, hinauftrug, sobald ein Mann seinen Flugsprung beendet hatte.
Es ist leicht, durch geringe Bewegungen des Körpers und der Beine, den Flug wellenförmig zu gestalten. Eine von den vor mir liegenden Momentaufnahmen zeigt eine geringe Steigung, eine andere zeigt eine Fahrt, wo ein Ausübender in die Höhe gleitet, um einigen Zuschauern auszuweichen. Da er hierbei an Geschwindigkeit verliert, gewinnt er sie wieder, indem er seine Füße vorwärts wirft, wodurch er die vordere Kante der Maschine herunterbringt.
Durch Seitenbewegungen kann man nach rechts oder links steuern, sogar beinahe, wie Chanute behauptet, rechtwinklig gegen den Wind. Dieses ist manchmal notwendig, um Bäumen auszuweichen, welche, wie die Photographien zeigen, viel zahlreicher sind, als den Fliegern angenehm ist. Das Landen wird ebenso wie bei Lilienthal ausgeführt. Der Körper wird 10-15 cm zurückgeworfen, wodurch die vordere Kante des Apparates gehoben und der Flug verlangsamt wird.
Noch eine dritte Maschine wurde zur selben Zeit auf Chanutes Kosten gebaut. Es ist dies jene von Mr. William Paul Butusow.
Sie bestand aus einem bootartigen Rahmen, Fig. 117, der mit Öltuch bedeckt war. Der ganze Apparat hatte 24·7 m2 Oberfläche und wog 72·5 kg. Mit weiterer Detailausrüstung kam er auf 85·5 kg.
Der Apparat von Mr. Butusow, sowie der seinerzeitige von Le Bris (1876), hatte die Nachahmung des Fluges des Albatros als Grundgedanken. Er wog mit seinem Lenker 145 kg und stieg in einem Winkel von 2° gegen eine Windgeschwindigkeit von circa 10-12 m pro Sekunde auf.
Chanute schreibt in seinem interessanten Aufsatze: »Recent experiments in gliding flight« in »The Aëronautical Annual« 1897, pag. 53:
»Ich weiß nicht, wie viele solcher Versuche ich noch auf ähnliche Weise anstellen werde. Sie waren alle auf meine Kosten, nur im Drange des Wissens ohne Rücksicht auf pekuniären Gewinn gemacht. Es scheint mir auch unmöglich, daß in kürzerer Zeit eine wirklich vollkommene Maschine gebaut werden wird; dazu sind noch viele Forschungen notwendig. Ich habe diese meine Arbeiten und Versuche hiermit niedergelegt, so daß ein anderer Forscher vielleicht hier findet, was er braucht.«
(Doubledecked.)
Im weiteren Verlaufe ihrer Experimente kamen die Amerikaner auf den Standpunkt, daß der komplizierte Schwanz an ihrer Maschine überflüssig sei. Es genügte ihnen, an seinerstatt eine schwach schief gestellte Fläche. Die beiden Hauptflächen können von den Fahrern nach Belieben unter gewissen, aber beschränkten Winkeln während der Fahrt selbst verstellt werden.
Auch liegt der Luftschiffer in dem Flugapparate, ähnlich wie es schon vor mehreren Jahren Koch (siehe Fig. 118) vorgeschlagen hat. Die Doppeldeckmaschine Chanutes ist in der Figur 119 schematisch dargestellt.
Die Steuerung der Doppeldeckmaschine wird durch eine verschiedene Neigung der Flächen bewirkt. Versuche mit diesem Apparate, welcher von zwei Startern in der Höhe abgelassen wurde, fanden 1900 in Nord-Carolina in Kitty Hawk[S. 199] bei einem Winde von circa 30-35 km pro Stunde statt. Der Apparat hatte 15·3 m2 Fläche, von 3° Neigung. Bei stärkerem Winde wurde er als Drache aufsteigen gelassen und hebt bei einer Flächen-Neigung von 15-20° einen Mann.
Die Flüge gingen folgendermaßen von statten. Bei einem Winde von 26-32 km wurde von einem circa 30-35 m hohen, 10° geneigten Sandhügel beim »Rill Devil« ein Anlauf genommen, nach wenigen Schritten schon schwebte die Doppeldeckmaschine, in der der Fahrende lag, in der Luft und glitt dann ruhig und sicher bergab. Schon dem leichtesten Drucke des Steuerruders folgte der Apparat, der jederzeit wieder glatt unter einem Winkel von 9-10° und ohne Chok landete. Die Versuche werden fortgesetzt.
Eine ähnliche Maschine hat Lamson erdacht. Ihr Äußeres zeigt die Figur 120, über ihre Funktion verlautet bis jetzt noch nichts Bestimmtes.
Ein französischer Luftschiffer, Capitaine Ferber, Mitglied des Pariser Aëro-Klub und Kommandant der 17. Gebirgs-Batterie, hat eine dem Doppeldeckapparate ähnliche Maschine gebaut und damit in Nizza im Ganzen mit Erfolg experimentiert, wenn auch im Laufe der Experimente ein oder das andere Mal Havarien stattfanden. Er liegt in seinem Flugapparate, welcher aus zwei übereinander gelagerten Flächen mit dem dazu erforderlichen Gestelle besteht. Vier Männer lancieren die Maschine von einem circa 20 m hohen Hügel derart, daß sie mit ihr gegen den Wind laufen und sie dann im gegebenen Augenblicke freilassen. So fliegt sie[S. 200] eine ziemliche Strecke gegen den Wind. Ferber hofft den Rekord von Wright von 150 m noch zu übertreffen.
Wright, ein amerikanischer Flugtechniker, stellt folgende Sätze für Gleitflugmaschinen auf.
Die weitere Entwicklung dieses Sportes dürfte sich, wie ich schon im Jahre 1898 in der Wochenschrift »Die Zeit« ausführte, etwa folgendermaßen gestalten:
Nach und nach wird man von immer größeren Höhen immer weitere Luftsprünge, wie man diesen Flug nennen kann, unternehmen. Die Länge eines solchen Sprunges hängt nämlich nur von der Absprunghöhe, sowie von der Stärke des Luftstromes und von der Geschicklichkeit des Insassen ab.
Gelingt es, diesen Apparaten eine entsprechende Stabilität zu geben, so können von hohen Bergen, ja selbst vom Luftballon aus, Sprünge von einigen Kilometern Weite anstandslos bewirkt werden. Es kann daraus, wenn nicht früher ein brauchbarer Flugapparat erfunden wird, ein neuer, interessanter und beliebter Sport entstehen.
Diese Versuche, insoweit sie (ich sehe da von dem sportlichen, der Unterhaltung dienenden Zwecke ab) die Konstruktion und Verbesserung derartiger Apparate betreffen, sind sehr zeitraubend und äußerst mühevoll. Erst dann, wenn endlich alle Konstruktionsfehler ausgemerzt sein werden, wird man daran gehen können, Motor- und Forttreibapparate anzuwenden.
Eben als der bedauerliche Tod Lilienthals viele Luftsegler geneigt machte, dessen Methode in Mißkredit zu bringen und sowohl gleitende Versuche als auch Apparate mit konkaven, übereinandergestellten Flächen zu verwerfen, haben Chanute und Herring gezeigt, welch bedeutender Verbesserungen diese Apparate fähig sind. Ein neuer Gedanke gab der ursprünglichen Erfindung frische Impulse.
Vom theoretischen Standpunkte aus ist für uns Menschen nur die Ausführung des Gleitfluges denkbar, wollen wir mit Hilfe unserer Muskelkraft allein den Flug durch die Lüfte wagen. Dieser Gleitflug wird durch Abspringen von hochgelegenen Punkten aus begonnen und hierbei ein gewisses Maß lebendiger Kraft angesammelt, welche Arbeit dann, unter Ausnützung günstiger, äußerer Umstände (wie stoßweise, entgegenwehender Wind, der Schwerkraft und derjenigen minimalen Flugarbeit, die der Mensch mit Hilfe seiner Muskeln, durch Verschiebung der Körperlage, leisten kann), verwertet wird. Dieser Flugsprung präsentiert sich als[S. 202] eine Nachahmung des Fluges der Flugbeutler, Flughörnchen, Heuschrecken u. dgl. Tiere. Ein wirklicher Fortschritt in der bezeichneten Frage wäre nur durch Zuhilfenahme eines leichten Motors zu erwarten.
Auch auf diesem Gebiete wird fleißig gearbeitet; die Versuche von Stentzel, Moore etc. bieten für die Flugtechniker, wie wir später sehen werden, manches Interesse. In ein entscheidendes Stadium sind diese Experimente aber dermalen noch nicht getreten. Es gibt eben in dieser Frage kein Hasten und kein Überstürzen, sondern nur ein gründliches und konsequentes Experimentieren, welches gepaart mit energischem Handeln allein zum Ziele führen kann.
Wenden wir nun unsere Blicke einem anderen Zweige der Luftschiffahrt, der Aviatik zu, das ist die Lehre, ohne Hilfe eines Ballons den Weg durch die Luft zu finden. Beim Ballon ist es das Traggas, welches die hebende Kraft liefert und der Schwerkraft der Erde entgegenwirkt. Es handelt sich bei den Ballons nur darum, ihnen eine entsprechende Eigengeschwindigkeit in horizontaler Richtung zu verleihen.
Bei den Flugapparaten muß die gleiche Art der Vorwärtsbewegung erzielt werden, aber es kommt noch eine Arbeit zur Überwindung der Schwerkraft hinzu, welche ebenfalls geleistet werden muß. Diese Arbeit kann nur in der Betätigung einer Kraft, welche der Schwerkraft entgegenwirkt, bestehen, und diese Kraft muß erst durch maschinelle Mittel geweckt, also künstlich erzeugt werden.
Nachdem sich der Flugapparat in der Luft fortbewegt, so liegt es nahe, die Kraft des Luftwiderstandes für diese Zwecke auszunützen und zwar derart, daß man sich einen Luftwiderstand künstlich schafft, durch dessen Überwindung die erforderliche Hubarbeit geleistet werden kann.
Eine zweite Methode besteht in der Ausnützung der Reaktionswirkung explosiver Präparate, womit z. B. Geschosse, Raketen etc. durch die Luft getrieben werden. Zur Beförderung der Menschen ist diese letzte Methode aber dermalen nicht tauglich, deshalb wird hier auch nur der erste Fall behandelt.
Ein Luftwiderstand kann durch jede Bewegung einer Fläche, besitze dieselbe welche Gestalt immer, hervorgebracht[S. 204] werden, diese Fläche braucht nur gegen die Fahrtrichtung eine schiefe Stellung einzunehmen. Die Art und Weise, wie die Flächen sich durch die Luft bewegen, ist charakteristisch für die Benennung der einzelnen Flugapparate.
Bleibt die Fläche im allgemeinen starr und dabei gegen die Fahrtrichtung etwas nach aufwärts gerichtet, so haben wir es mit Drachenfliegern zu tun; rotieren diese Flächen um eine vertikale oder etwas schief gestellte Achse, so nennen wir solche Flugapparate Schraubenflieger; bewegen sich die Flächen schlagartig auf und ab, etwa um eine horizontal oder annähernd horizontal gestellte Achse, so haben wir es mit Flügelfliegern zu tun. Die Flächen können aber auch um eine horizontale oder annähernd horizontale Achse rotieren und dabei ihre Lage zum Horizont stetig ändern — in diesem Falle kommt ein Schaufelradflieger zum Vorschein.
Jede dieser Arten läßt sich in ungezählten Variationen ausführen und nicht nach Hunderten, sondern nach Tausenden zählen in jeder dieser Gruppen die Projekte, von welchen man eine Lösung der langgestellten Frage erwartet.
Die Literatur über Flugmaschinen ist ziemlich reichhaltig, leider aber fehlen meist genaue Konstruktionspläne und sind nur Skizzen über viele interessante, ausgeführte Experimente vorhanden. Wer sich eingehender mit diesem Thema befassen will, der sei auf folgende zwei Werke verwiesen: Griffith Brewer und Patrick Y. Alexander: »Aeronautics«, welches Buch viele Patente auch über lenkbare Ballons enthält, und Chanute »Progress in Flying Machines«, welches viele Flugmaschinen in sehr ausführlicher Weise behandelt.
Im November des Jahres 1901 fand im Velodrome des »Parc des Princes« in Paris eine Ausstellung aviatischer Apparate statt, welche mit einem Wettbewerbe verbunden war. An diesem Wettbewerbe, welcher von den Brüdern Delagneau, mit Unterstützung des »Aéro-Club de France«, der »Société Française de navigation aérienne« und des Direktors des meteorologischen Observatoriums zu Trappes, Teisserenc de Bort, veranstaltet wurde, konnten sich alle ballonfreien, dynamischen Flugapparate (appareils d'aviation plus lourds que l'air) beteiligen.
Alle an dem Wettbewerbe teilnehmenden Apparate wurden in eine der folgenden drei Hauptklassen eingeteilt:
I. Schraubenflieger (hélicoptères). Zu dieser Klasse gehören alle Apparate, welche ihren Auftrieb einzig und allein durch Schrauben erhalten.
II. Flügelflieger (orthoptères). In diese Klasse wurden alle jene Apparate eingereiht, welche sich mittels Flügelschlägen nach Art der Vögel erheben.
III. Drachenflieger (aéroplanes). Zu dieser Gruppe wurden alle Apparate gerechnet, bei denen die Tragkraft durch Luftverdichtung unterhalb unbeweglicher, rasch durch die Luft vorwärts bewegter Drachenflächen entsteht.
Für die an dem Wettbewerbe teilnehmenden Apparate galt folgendes Reglement:
I. Schraubenflieger.
1. Apparate, welche sich durch Eigenkraft erheben.
a) Modelle von Schraubenfliegern, angetrieben durch Motoren, deren Betriebskraft Dampf, Benzin, komprimierte Luft u. s. w. bildet.
b) Schraubenflieger-Spielzeuge, angetrieben durch gespannte Federn, tordierte Kautschukfäden, künstliche Schmetterlinge, fliegende Kreisel.
2. Apparate, welche sich nicht durch Eigenkraft erheben.
a) Schraubenflieger, welche sich, getrennt von ihrem Motor, nur ein einziges Mal erheben;
b) Spielzeuge von Schrauben ohne unabhängigen Motor: Spiraliferen, Stropheors u. s. w.
II. Flügelflieger.
a) Künstliche Vögel, deren Kraftmaschine durch Dampf, Benzin, komprimierte Luft u. s. w. gespeist wird.
b) Wissenschaftliche Spielzeuge mit beweglichen Flügeln, angetrieben durch gespannte Federn, Kautschukfäden u. s. w.
III. Drachenflieger.
1. Freie Drachenflieger.
a) Drachenflieger, angetrieben durch einen Dampf- oder Benzinmotor etc.
b) Drachenflieger-Spielzeuge, bewegt durch gespannte Federn, tordierte Kautschukfäden etc.
c) Schleuder-Äeroplane: Pfeilflieger, Boomerangs.
2. Kaptivdrachen.
a) Drachen zur Anstellung meteorologischer Beobachtungen.
b) Kinderdrachen von jeder beliebigen Konstruktion: orientalische, japanische, chinesische Drachen, rotierende Drachen etc.
Alle an dem Wettbewerbe teilnehmenden Apparate wurden in folgende zwei Hauptgruppen eingeteilt:
1. Gruppe: Apparate wissenschaftlichen Charakters.
2. Gruppe: Apparate zur Demonstration oder Spielzeuge.
An der Konkurrenz konnten nur Apparate teilnehmen, welche sich vom Boden erheben.
Die Jury nahm bei der Prüfung Rücksicht auf die Konstruktion, die Festigkeit und das Gewicht der ausgestellten Apparate und stellte genaue Messungen an über:
1. das gehobene Totalgewicht;
2. die Zeit, während welcher der Apparat sich in der Luft erhält;
3. die erreichte Höhe;
4. die durchflogene Strecke.
Auch die Stabilität der Apparate wurde einer speciellen Prüfung unterzogen.
Aus dieser gewiß nicht uninteressanten Aufzählung ersieht man schon die große Mannigfaltigkeit dieses Gebietes der Luftschiffahrt.
Um nicht zu weitschweifig zu werden, sei vorerst in einleitender Weise nur einiger, der von der Presse am häufigsten erwähnten Flugapparate gedacht.
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war es keinem Experimentator geglückt, Flugapparate von auch nur 50 g Gewicht mit mechanischen Mitteln durch die Luft zu treiben und alle diesbezüglichen Versuche beschränkten sich auf unbedeutende Spielereien. Zu Anfang der Siebzigerjahre konstruierten die Franzosen Pénaud (ein Schüler des durch seine Momentphotographien und hochinteressanten, physiologischen Studien auf dem Gebiete des Vogelfluges bekannten Professors Marey), Hureau de Villeneuve und Jobert ihre ersten mechanischen Vögel, welche sich aber alle ebenfalls in sehr bescheidenen Größenverhältnissen bewegten und nicht mehr als einige Zehntel Kilogramm wogen.
1879 verfertigte Pichancourt ein ähnliches Modell von fast 3/4 kg Gewicht, und Tatin konstruierte einen vertikal aufsteigenden Aëroplan, welcher durch zwei, mit komprimierter Luft angetriebene Schrauben bewegt wurde und etwas über 1 kg wog.
Nachfolger dieser Franzosen finden wir von nun an in Deutschland, England und Österreich (Kreß) mit ähnlichen Flugmodellen.
In Italien kultivierte 1877 Forlanini die reinen Schraubenflieger. Das von ihm mit Hilfe von zwei Schrauben und einer vertikalen Fläche mit Dampf betriebene Modell wog 3·5 kg, hob sich 13 m hoch und schwebte 20 Sekunden lang in der Luft.
In Amerika arbeitete Phillips an jalousienartigen Drachenfliegern, in Australien Hargrave an Flügelfliegern, beide mit relativ günstigem Erfolge. Die Maschine des letzteren flog im Jahre 1889 mit einer Gesamtbelastung von 1·6 kg mit 46 Flügelschlägen 156 m in horizontaler Richtung durch die Luft. Dieser kleine Apparat wurde durch Dampf in Bewegung gesetzt. Ein anderes fliegendes Modell von Hargrave wog 1·85 kg.
Auch Maxims und Langleys Apparate zählen in diese Gruppe.
Alle Anhänger der dynamischen Luftschiffahrt behaupten übereinstimmend: »Zum Fliegen gehört in erster Linie Gewicht.« Ein Ballon sei ein Spielball des Windes. Ihr, von de la Landelle ausgegebenes Schlagwort lautet daher: »Plus lourd que l'air!«
Unter den Methoden, welche mittels dieser Art das Fliegen realisieren wollen, haben die Drachenflieger die meisten Anhänger. Sie alle haben das gemeinsam, daß sie gegen den Horizont schräggeneigten Flächen, durch motorischen Antrieb (vermittels Schrauben) eine Geschwindigkeit erteilen, welche einen Auftrieb hervorrufen, der groß genug ist, um die ganze auf dem Apparate untergebrachte Last im Schweben zu erhalten. Die Form der Ausführung kann unendlich verschieden sein. Nach dem Vorbilde der großen Flieger soll die Breitenform die der Länge überwiegen. Als Hauptvorteil gegenüber den Ballons wird der geringe zu überwindende Stirnwiderstand hervorgehoben; dadurch soll große Geschwindigkeit erzielt werden, welche großes Tragvermögen hervorruft.
Um bezüglich dieser drei Punkte klar zu sehen, gebe ich folgende kleine Zusammenstellung, bezüglich der Tragkraft und des Stirnwiderstandes einer unter verschiedenen Neigungswinkeln und verschiedenen Geschwindigkeiten vorwärts bewegten Ebene. Angenommen, wir hätten eine ebene Fläche von 100 m2 Inhalt. Diese sei einmal 1°, dann 5° und dann 10° gegen den Horizont geneigt und werde in jeder dieser Positionen einmal mit 10 m, dann mit 20, 50 und 100 m Geschwindigkeit durch irgend eine auf sie wirkende Kraft vorwärtsgetrieben. Wir nehmen weiters der Einfachheit wegen an, die Fläche sei eine mathematische, ebene und habe eine Länge und Breite von 10 m.
Wieviel kann die Fläche in jedem der einzelnen, gegebenen Fälle tragen? Also wieviel kann ihr Eigengewicht mehr der motorischen und Nutzlast betragen und wie groß ist in jedem dieser einzelnen Fälle der zu überwindende Stirnwiderstand? Das Gewicht darf — horizontalen Flug vorausgesetzt — offenbar die größte Vertikalkomponente des geweckten Luftwiderstandes nicht übersteigen, sondern muß ihr gleich sein.
In der folgenden, nach den Loesslschen Grundformeln berechneten Tabelle bedeuten die oberen Ziffern den ge[S. 209]weckten Vertikalwiderstand Ry, also den Auftrieb oder das in Schwebe gehaltene Gewicht, die unteren den geweckten Horizontal-, also den Stirnwiderstand Rx; beide in Kilogrammen.
Neigung der Fläche gegen die Horizontale | Auf- Vor- Trieb | Geschwindigkeit in Meter per Sekunde | |||
10 | 20 | 50 | 100 | ||
1° | Ry | 21·7 | 86·8 | 542·5 | 2170·0 |
Rx | 0·4 | 1·54 | 9·5 | 38·0 | |
5° | Ry | 108·0 | 432·0 | 2700·0 | 10800·0 |
Rx | 9·4 | 37·6 | 235·0 | 940·0 | |
10° | Ry | 214·0 | 856·0 | 5350·0 | 21400·0 |
Rx | 37·5 | 150·0 | 937·5 | 3750·0 |
Sehr leicht läßt sich daraus zum Beispiel für horizontale Fahrt die erforderliche motorische Arbeit (Anzahl der Pferdestärken [N]) rechnen. In der folgenden Tabelle bedeuten die eingesetzten Ziffern die Anzahl Pferdestärken, welche nötig sind, um diesen Stirnwiderstand zu überwinden.
Flächen-Neigungswinkel gegen die Horizontale | Pferde- stärke | Bei einer Horizontalgeschwindigkeit von x-Meter resultiert ein Aufwand an Pferdestärken | |||
10 | 20 | 50 | 100 | ||
1° | 0·05 | 0·2 | 1·3 | 5·1 | |
5° | N | 1·3 | 5·0 | 31·0 | 130·0 |
10° | 5·0 | 20·0 | 125·0 | 500·0 |
Trägt man auf der Abszissenaxe für einen bestimmten Grad die Geschwindigkeiten und auf der Ordinatenaxe die Hebekräfte, respektive den zu überwindenden Widerstand und die dazu nötige Anzahl von Pferdestärken auf, so erhält man in der dadurch entstehenden Kurve ein übersichtliches Bild über deren Verlauf.
Diese wenigen Andeutungen werden genügen, um den für die Sache sich interessierenden, besonders wenn er selbst Bleistift und Zirkel in die Hand nimmt, über die nötigen Anhaltspunkte zur Beurteilung der bei Drachenfliegern auftretenden, hauptsächlichsten Faktoren, das sind über die Flächenwinkel, die Geschwindigkeit, Arbeitskraft und Hebewirkung, zu orientieren.
Das genaue Einstellen und das Beibehalten des Flächenwinkels gegen die Horizontale wird wohl praktisch schwer möglich sein; es ist dies aber nicht von so großem Belange als man meinen sollte. Der praktische Flugtechniker sagt: »Die Flächen stellen sich von selbst in diejenigen Winkel ein, die ihren Bewegungs- und Stabilitätsverhältnissen eben entsprechen.« Darauf einzugehen, würde hier zu weit führen.
Will man mit Aëroplanen höher oder tiefer steigen oder horizontal fahren, so gelten nachfolgende Relationen:
Es muß beim Horizontalfluge Ry = G
» fallenden Fluge Ry < G
» steigenden Fluge Ry > G sein.
Die Erzeugung von Ry, d. i. dem Auftriebe, liegt in der Hand des Aëroplanführers, d. h. je nachdem er seine Maschine stärker oder schwächer arbeiten läßt, also schneller oder langsamer fährt, wird er mehr oder weniger Hebekraft erzielen. Ist der Drachenflieger mit einer Schraube ausgestattet, so lehrt eine einfache Überlegung, daß einer gewissen Umdrehungszahl der Horizontalflug, einer geringeren der abwärts gerichtete, einer größeren aber der Aufwärtsflug entsprechen müsse.
In die mathematischen Relationen bei den verschiedenen Luftschiffen einzugehen, liegt nicht im Zwecke dieser Schrift, es soll aber nicht versäumt werden, darauf hinzuweisen, wie wichtig sie für dieses Fach sind. Kein Flugtechniker darf daher diese Studien vernachlässigen.
Wenn man für eine bestimmte Leistung die Größe des Drachen rechnet, so findet man meist, daß sie sehr voluminös ausfallen werden. So große Flächen zu konstruieren hält aber schwer. Man ist daher bestrebt, diese Flächen kleiner zu bauen und durch entsprechende Konstruktionen die gleich große Hebekraft zu erzielen.
Den gewölbten Flächen schreibt man eine solche Eigenschaft zu. Luftwiderstandsversuche mit gewölbten Flächen ergaben bei deren Vortrieben, im Vergleiche zu ebenen, einen unverhältnismäßig größeren Auftrieb, welcher wächst, je kleiner der Neigungswinkel zur Horizontalen wird. Allerdings wächst damit auch die Größe der erforderlichen Arbeit.
Eine zweite Art, kleinere Flächen zu erlangen, besteht in ihrer Teilung. Diese kann nun im horizontalen Sinne geschehen, durch Nebeneinandersetzen mehrerer Flächen, oder dadurch, daß man die Flächen übereinander setzt.
Experimente über die Abstände, welche solche Flächen im vertikalen Sinne einnehmen sollen, sind nur sehr spärlich und lückenhaft veröffentlicht. Meist nimmt man an, der Abstand solle das Doppelte der Breite betragen, damit bei einer Fortbewegung im horizontalen Sinne, die Summe der beiden Flächen geradesoviel trage als eine einzige.
Breite Flächen haben mehr Stirnwiderstand als lange, auch darüber sind die Daten sehr spärlich. Einen großen Einfluß hat auch hier der Reduktionskoeffizient.
Behufs Erzielung der nötigen Stabilität werden vertikale Flächen angeordnet oder gegen die Längsachse schief geneigte. Diese sind zur Verminderung der sonst unausbleiblichen Schwankungen stets anzuwenden.
Die Vorwärtsbewegung endlich ist fast ausschließlich mit Hilfe einer oder mehrerer Schrauben mit horizontalen oder schwach gegen die Horizontale geneigten Achsen gedacht.
Der Haupteinwurf gegen die Drachenflieger besteht in ihrem Unvermögen, in der Luft stille zu stehen und in der Gefährlichkeit des Landens. Auf freiem Lande verankert, widerstehen sie halbwegs schärferem Winde noch viel weniger, als der von den Aviatikern so sehr verlästerte Ballon.
Die Hauptbedingung für ihre tadellose Funktionierung ist eben das schnelle Hinschießen im Luftozean! — Was geschieht aber dann, wenn irgend ein wichtiger Bestandteil bricht oder die Maschine versagt? — Die zur Abfahrt erforderliche Geschwindigkeit kann durch schnelle Fahrt auf der Erde, vielleicht auf Schienen oder dergleichen erreicht werden; wie aber soll die Landung vor sich gehen? Gewiß werden heftige Stöße unvermeidlich sein. Lassen sie sich so abschwächen, daß sie der Konstruktion nicht schaden und wenn Vorrichtungen dazu angebracht sind, wird der Führer Zeit und auch stets die Geistesgegenwart haben, sie anzuwenden?
Man sieht, welche Fülle von Fragen da zu beantworten ist und daß die Theorie allein auf sie keine genügende Antwort erteilen kann. Theorie und Praxis müssen Hand in Hand gehen, um Erfolge zu erzielen, wenn solche auf diesem Gebiete überhaupt möglich sind.
Dr. W. Köppen erörtert im 4. Hefte der »Illustrierten aëronautischen Mitteilungen« vom Jahre 1901 Flugmaschinen[S. 212] und Drachen in lichtvoller Art. Im Nachstehenden folgen wir auszugsweise seinen Darlegungen und werden dabei in instruktiver Weise in dieses interessante Gebiet weiter eingeführt.
In Bezug auf Stabilität sind die an Drachen gestellten Forderungen ähnlich, aber weitergehend, wie die an Flugmaschinen zu stellenden. Denn erstens muß ihre Stabilität eine völlig automatische sein, während bei der Flugmaschine die Handlungen des Insassen zu ihrer Erreichung mitwirken können; zweitens aber ist ein Drache zeitweise einer viel größeren relativen Luftbewegung ausgesetzt, als eine Flugmaschine es sein würde, denn er muß seine Stabilität auch in einem Winde von 20 m per Sekunde wahren, während eine Flugmaschine in der Luft kaum auf eine relative Bewegung von mehr als 10-15 m per Sekunde eingerichtet zu sein braucht.
Bei Wind von weniger als 10 m per Sekunde fliegen aber auch weniger vollkommene Drachen stabil, die stärkeren Wind nicht vertragen, und es ist ein bekanntes Verfahren, Drachen, die bei starkem Winde herabzuschießen drohen, dadurch zu beruhigen, daß der die Leine haltende Mann die Spannung in dieser verringert, indem er einige Schritte mit dem Winde läuft. Wir werden also sicher gehen, wenn wir von jeder Flugmaschine verlangen, ihre Stabilität durch ruhigen Flug als Drache unter verschiedenen Windstärken zu beweisen.
Als einfachstes Mittel, eine Flugmaschine vor dem Abfluge in geeignete Höhe zu heben, ist deren Aufstieg als Drache anzusehen. In dieser Weise können auch ohne Motor oder mit sehr einfachem Motor (fallendem Gewicht) Flugmaschinen auf die Gesetze ihres Fluges und dessen Steuerung untersucht werden.
Als weitere Forderung ist an eine Flugmaschine die Bedingung zu stellen, daß sie genügende Tragfläche besitze, um den Insassen auch ohne sein Zutun und ohne Motor, als Fallschirm, unbeschädigt zu Boden befördern zu können.
Ferner muß die Flugmaschine den Insassen in sich aufnehmen können und ihn nicht unter ihr hängend befördern, weil die letztere Lage sowohl in der Luft als beim Landen die weit gefährlichere ist. Von geringerer Bedeutung ist es, wenn an der Flugmaschine beim Landen gelegentlich einige leicht zu ersetzende Stangen brechen.[S. 213] Zudem müssen Schwerpunkt und Druckmittelpunkt annähernd zusammenfallen. Man bedarf daher keiner »Gondeln«. Der Aufenthalt des oder der Insassen muß im Innern des Gerüstes, zwischen den tragenden Flächen sein.
Daß alle diese Forderungen erfüllbar sind, hat sich bei den Drachenaufstiegen, welche die Seewarte in Hamburg zu meteorologischen Zwecken veranstaltete, gezeigt. Im Herbste 1901 hatte sich nämlich ein großer Hargrave-Drache (Marvin-Modell, Tragfläche 6 1/3 m2) zweimal losgerissen und den in ihm befindlichen, zart gebauten Meteorographen in 6, beziehungsweise 8 1/2 Minuten aus einer Höhe von 1470 m, beziehungsweise 1650 m zum Erdboden hinabgetragen und ihn 6·9, beziehungsweise 9·8 km vom Aufstiegsorte unbeschädigt gelandet. Dies ergibt einen Fallwinkel von 12°, respektive 9° 30'. Auch ein Nickelscher Drache hat sich in einem ähnlichen Falle gut bewährt.
Der Drache selbst hat bei oder nach dem Landen wohl einige leicht zu reparierende Verletzungen erlitten, der im Drachen untergebrachte Meteorograph aber ist beide Male völlig unverletzt geblieben und hat, während des Fluges und auch auf dem Boden liegend, die Änderungen von Luftdruck, Temperatur und relativer Feuchtigkeit aufgezeichnet; und zwar zeigen die Aufzeichnungen mit dem Augenblicke des Abreißens von der haltenden Leine ein Aufhören der heftigen Bewegungen und Erschütterungen, denen der Drache bis dahin im starken Winde ausgesetzt gewesen war; der freie Flug ist mithin in sehr ruhiger Weise vor sich gegangen.
Die Geschwindigkeit des Falles betrug nach Obigem durchschnittlich 4·1 und 3·3 m per Sekunde, und zwar nahm sie während des Falles von 4-5 m per Sekunde auf etwa 2 m per Sekunde ab. Die durchschnittliche, horizontale Geschwindigkeit des Fluges war dagegen in diesen beiden Fällen 14·2 und 15·5 m per Sekunde. Ausführlicheres über beide Flüge findet man in der Zeitschrift »Prometheus«, Nr. 589 und 590 (XII 17 und 18). Ebendort ist von Köppen auch die Frage der Steuerbarkeit eines solchen Drachen besprochen.
Eine Flugmaschine soll, nach Köppen, auch ohne Motor die Fähigkeit besitzen, sich relativ zur umgebenden Luft, wenn auch nicht aufwärts, so doch vorwärts und rückwärts zu bewegen und nach links und rechts zu wenden.
Wahrscheinlich wird sich ferner auch für den freien Flug aviatischer Flugmaschinen ein Hülfsmittel von Vorteil erweisen, das beim Drachenfluge unter Umständen sehr gute Ergebnisse liefert: Die Fesselung mehrerer Drachen aneinander. Diejenige Fesselungsweise bietet am meisten Aussichten, bei welcher die Leine des oberen, kleineren Drachen an den Rücken des größeren, mit einem Insassen bemannten Drachen, befestigt ist.
Um dieses System von Drachen, beziehungsweise diesen Drachenflieger willkürlich nach Lösung der Verbindung mit dem Erdboden seine Höhe erhalten oder vergrößern zu lassen, dazu wird im allgemeinen ein Motor erforderlich sein.
Was die Form der Drachen, beziehungsweise Drachenflieger betrifft, so wäre es das Ratsamste, zunächst bei dem so vielseitig erprobten Modell des Hargrave-Drachen, beziehungsweise einer seiner Modifikationen stehen zu bleiben.
Über die Dimensionen eines Drachenfliegers zum Tragen eines Mannes und des Zubehörs geben folgende Tatsachen einen Anhalt: Fallschirmen zum Tragen einer Person (durchschnittlich 70 kg) pflegt man eine Fläche von 38 bis 113 m2 zu geben. Auf der Versammlung der russischen Naturforscher im Jahre 1898 wurde, wer wollte, durch zwei Hargrave-Drachen von 60 und 40, zusammen 100 m2, vom Boden emporgehoben. Baden-Powell dagegen verwendet zum Heben eines Mannes 4 oder 5 Drachen von je 52 oder 65 m2. Chanute gibt 0·15 m2 Tragfläche für jedes Kilogramm Last als richtiges Verhältnis für den Gleitflug an. Es genügen also etwa 100 m2 Tragfläche, sowohl zum Heben eines Menschen mittels Drachenwirkung, als zum nachfolgenden Herabschweben. Diese Fläche wird man zweckmäßig so verteilen, daß etwa 70 m2 auf den Hauptdrachen 23 m2 auf den oberen Drachen und 7 m2 auf einen, diesen aufhebenden Pilotdrachen kommen.
Der mehrfach erwähnte Marvin-Drache der Hamburger Seewarte hält 6 1/3 m2 Tragfläche bei je 2 m Länge und Breite und 82 cm Höhe. Will man für den freien Flug beide Zellen mit je drei Flächen versehen, so würden, um die elffache Tragfläche zu erreichen, die Dimensionen dieses Drachen nur zu verdreifachen sein, auf je 6 m Breite und Länge und 2 1/2 m Höhe.
Als Halteleine für das ganze Drachengespann genügt ein Stahldraht von 16fachem Querschnitt des für den Marvin-Drachen benutzten, also von 1/2 × 16 = 8 mm2, beziehungsweise von 3·2 mm Durchmesser, oder ein Kabel von gleicher Festigkeit. Als Verbindungsleine zwischen dem Hauptdrachen und dem Oberdrachen wäre, der leichteren Behandlung wegen, Hanfschnur von 5-6 mm Durchmesser zu nehmen.
Ich führe nun im Folgenden einige tatsächlich ausgeführte Modelle vor, welche wirklich sich in die Luft erhoben haben und Zeugnis geben von dem Fleiße, mit dem gerade dieses Kapitel der Flugtechnik behandelt wird.
Pénauds erstes Modell im Jahre 1871 gebaut und Planophore genannt, besteht aus zwei symmetrischen Flächen, welche an einem Stabe befestigt waren. Diese Flächen bildeten das tragende Element, während eine kleine mit Kautschuk betriebene Schraube den ganzen Apparat vortrieb. Er flog in 13 Sekunden 60 m weit.
Pénaud stellte mehrere Variationen solcher Flieger her, welche auch mit kleinen, vertikalen Steuern ausgerüstet waren und bei geschickter Handhabung selbst im Kreise durch Türen, Fenster u. dgl. hereinflogen. Diese Pénaudschen Flieger sind niedliche Spielzeuge und im gewissen Sinne auch Studienbehelfe. Die in dem Kautschuk aufgespeicherte Kraft ist eine relativ große.
Tatin baute 1879 größere, mit Schrauben betriebene, aufwärtssteigende Aëroplane. Bei einem Modelle war die Schraube in der Mitte angebracht und durch Kautschukschnüre betrieben, bei dem andern Modelle, das in Meudon gezeigt wurde, waren seitlich zwei mit komprimierter Luft betriebene Schrauben angebracht. Die Geschwindigkeit des Aufstieges betrug 8 m in der Sekunde.
Das interessanteste der bis nun in kleinem Stile gebauten Drachenflieger sind aber unstreitig die von Mr. Lawrence Hargrave in Sydney.
Es handelt sich laut Veröffentlichungen im »Engineering« sowohl um Drachen-, als auch um Flügelflieger. Eines dieser Modelle hatte eine Größe von 1·2 m2 bei 1 kg Eigengewicht. Bei einer durch Gummibänder ausgeübten Arbeitsleistung von 30 kg flog der Apparat etwa 60 m horizontal.
Auch Kreß, ein Schüler der Franzosen, und Oberingenieur Gerstner in Wien, bauten ähnliche Apparate, welche zu wiederholten Malen in Vortragssälen geflogen sind.
Von der zahlreichen Menge ausgeführter oder projektierter, großer Drachenflieger seien nur einige erwähnt, weil sie für die Geschichte der Drachenflieger von hervorragender Bedeutung geworden sind.
Eines der ältesten Projekte stammt von Henson aus dem Jahre 1842. Diese Flugmaschine sollte etwa 3000 kg wiegen, eine Drachenfläche von 1370 m2 und 25-30 Pferdestärken besitzen.
Eine andere Drachen-Konstruktion, die ein Vorbild Maxims gewesen sein mag, stammt von Stringfellow (1868). Sie hatte bereits drei übereinander gelegene Drachenflächen.
Schon Wenham machte 1866 den Vorschlag, statt einer einzelnen Aëroplanfläche, deren mehrere, übereinander liegende anzuwenden. Die Luft ist ein außerordentlich elastisches Medium, das sehr leicht zu Wirbelbildungen geneigt ist, und diese wieder verursachen Tragkraftverluste. Die Luft muß bei ihrer Benützung mit ganz besonderer Vorsicht behandelt werden, was bei kleinen Flächen viel leichter ankommt als bei großen.
Deshalb schenkte auch Philipps diesen geteilten Flächen eine besondere Aufmerksamkeit. Vor 30 Jahren baute er Tragflächen von 3/4 bis 1 m Breite, fand jedoch, daß selbst diese anscheinend so geringe Dimension noch zu breit sei und stellte nun bei seinen letzten Versuchen Tragflächen zusammen, die er horizontal stellte und stark parabolisch krümmte, vorne dick, rückwärts aber ganz dünn auslaufen ließ. Er nennt diese Tragelemente »Mates«. Sie besitzen nur eine Breite von 38 mm und sind 6·7 m lang. 80 solcher Mates sind zu einem Traggerüste vereint. Von besonderer Wichtigkeit ist die Entfernung zweier Latten voneinander. Diese beträgt bei Philipps 50 mm, also nur circa 1·3 der Breitendimension.
Diese 80 Mates sind nun in einen eisernen Rahmen eingespannt und geben so dem Apparate das Aussehen einer großen Jalousie. Die Fläche würde nach der Rechnung 20·4 m2 betragen. In den betreffenden Publikationen im »Engineering«, »l'Aéronaute« etc. ist selbe mit 13·2 m2 angegeben. Es ist bedauerlich, daß bei Veröffentlichung gerade solcher, lehrreicher Experimente die Angaben von Zahlen so stark differieren.
Diese Flächen montierte er auf einem auf Schienen im Kreise fahrenden Wagen und ließ diesen durch eine Luftschraube vorwärtstreiben. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 18 m per Sekunde hob sich der mit 25, (respektive bei einem anderen Versuche mit 36 kg) belastete Wagen vom Geleise ab. Er erhielt auf diese Art wenigstens approximative Anhaltspunkte über die Wirkung und das Verhalten seiner Tragflächen.
Zu Ende der Achtziger- und anfangs der Neunzigerjahre baute Maxim mehrere Drachenflieger, dessen letzte[S. 218] Type mit besonders großem Kostenaufwande hergestellt wurde.
Schon das in Fig. 125 dargestellte Modell läßt die gewaltigen Konzeptionen des auf dem Gebiete der Schnellfeuerkanonen bekannten Erfinders erkennen. Wir bemerken zwei große Drachenflächen in der Mitte, je zwei seitlich ausladende, schief gestellte Flugflächen und unten den Motor, welcher zwei mächtige, vierflügelige Schrauben antreibt. Der ganze Apparat steht auf Rädern und bewegt sich auf einer großen Schienenbahn in Baldwins-Park, dem Experimentierplatze des Luftschiffers, fort.
Ein anderes Modell desselben Erfinders zeigen die Figuren 126-130, von welchen die Figur 129 den Apparat in schneller Bewegung über die Schienen darstellt. Soviel mir bekannt ist, flog diese Maschine nicht.
Der Apparat besaß nur eine einzige, aber große Fläche. Je zwei zweiflügelige Schrauben, von einem Motor bewegt, trieben die Maschine, so wie es die Figur anzeigt, auf dem Geleise nach vorwärts.
Der Apparat war in einem großen Schupfen untergebracht. Besuchte jemand Maxim, dem er sein Studienobjekt zeigen wollte, so ließ er, wie die Zeitungen seinerzeit berichteten, den Kessel, sobald der Passagier an Bord gekommen war, heizen. Bald begann die Dampfentwicklung. Wenn sie die nötige Spannung besaß und dadurch die Maschine mit den Schrauben in Rotation versetzt hatte, wurde das Seil, womit der Apparat verankert war, losgelassen und im selben Augenblicke flog er schon über das Geleise.
Hierbei ging ein eigenartiges Beben und Zittern durch alle Teile des Gerüstes, was durch den, an den vielen Röhren und Leinen hervorgerufenen Luftwiderstand und die rotierenden Schrauben verursacht wurde.
Am Endpunkte des Geleises angelangt, erfolgte das Anhalten des Apparates durch das Stoppen der Maschine und die über das Geleise gelegten Seile, verhältnismäßig ziemlich ruhig. Der Apparat wurde hierauf wieder in den Schupfen zurückgeschoben.
Ganz naturgemäß ist also diesem Flugapparate ein Rückwärtsbewegen nicht möglich und auch nicht nötig. Ein Wenden in der Luft besorgt das Steuer.
Die Fig. 128 gewährt uns in die Details des Flugapparates Einblick. Man bemerkt das gewaltige Gerüst, welches die Fläche und die Schrauben stützte, und aus feinen Stahlröhren gebaut war.
Die heiklichste Frage bei den Drachenschwebern ist die Art der Landung. Wie diese entsprechend gelöst wird, ob durch möglichst geringe Flächenbelastung, durch Flächenverstellung, Fahren gegen den Wind oder sonstwie, darüber verlautet noch wenig.
Aus dem besagten Aufsatze ist die in der Fig. 127 wiedergegebene Landungsvorrichtung entnommen. Mit ihrer Hilfe soll der Chok der Maschine bedeutend gemildert werden.
Viele Details wären sehr interessant, müssen aber Platzmangels halber unerwähnt bleiben. Nur über die so wichtige Mitnahme des Kondensationswassers soll bemerkt werden, daß oben am Gerüste ein Kondensator angebracht war, welcher die Aufgabe hatte, den von der Maschine verbrauchten Dampf wieder zu kondensieren. Maxim hat auf diesem Gebiete sehr viele Versuche gemacht. Ein Teil ist in einer sehr schönen Abhandlung, in der luxuriös ausgestatteten, hervorragendsten französischen Zeitschrift »Revue de l'Aéronautique« abgedruckt. Die seit dem Jahre 1892 angekündigte Fortsetzung ist leider bis heute noch nicht erschienen.
Maxim experimentierte mehrere Jahre und hat eine Reihe von Modellen ausgeführt und erprobt. Natürlich machte er sich bei den späteren stets die Erfahrung der ersteren zu Nutze und so stellt jede neue Type im gewissen Sinne[S. 221] einen Fortschritt gegen frühere dar. Es ist wohltuend, die Frage mit einer derartigen Gründlichkeit und Konsequenz behandelt zu sehen.
Das letzte Modell von Maxim, in gewaltigen Dimensionen ausgeführt, bringt die Fig. 130 zur Darstellung.
Der Apparat hatte in der Mitte eine große Tragfläche und seitlich noch fünf Paar weit hinausreichende Flügelflächen angeordnet. Die Spannweite wird mit 31·4 m angegeben. Bei dem letzten Versuche standen nur zwei Paar Flügel in Verwendung, so daß die Gesamttragfläche sich auf 372 m2 belief. Diese Flächen hatten 7° 15' Neigung gegen die Fortbewegungsrichtung und wurden mit fast 18 m per Sekunde vorwärts bewegt. Hierbei ergab sich ein Auftrieb von 4536 kg.
Vom Motor wog der Dampfkessel mit Wasserinhalt 545 kg. Die beiden Kompoundmaschinen 272 kg. Dieser nur 817 kg schwere Motor soll 363 Pferdestärken geliefert haben, ein kaum glaublich geringes Motorengewicht. Die beiden zweiflügeligen Schrauben hatten je 5·43 m Durchmesser.
Das Gerüst des Drachenfliegers besteht aus einzelnen Röhren von 2·5 bis 7·5 und 12 cm Durchmesser, welche teils durch Muffen, teils durch Stricke miteinander verbunden sind.
Zur Erzielung eines möglichst geringen Widerstandes sollten sie bei späteren Ausführungen eine elliptische Gestalt bekommen.
Von der Verwendung des Aluminiums dazu, ist Maxim abgekommen, nachdem es sich herausstellte, daß diese Röhren von gutem Stahl bei gleicher Widerstandsfähigkeit leichter gemacht werden können. Auch bezüglich der Dicke sind die Röhren nicht gleich; sie variieren von 0·3 bis 5 mm.
Sehr bemerkenswert ist die Abfahrtsart des Flugobjektes. Nachdem dasselbe erst bei größeren Geschwindigkeiten als etwa 16-18 m den erforderlichen Auftrieb besitzt, und diese Geschwindigkeit nicht von der Stelle aus auf einmal erreicht werden kann, so folgt notgedrungen — und dies gilt für alle Aëroplane — daß der Apparat, bis diese Geschwindigkeit erlangt ist, sich auf dem Boden fortbewegen muß.
Es ist nichts natürlicher, als das Bestreben, dabei die Reibungswiderstände möglichst zu verringern, was darauf führt, den Aëroplan auf Räder zu stellen, welche auf einer[S. 223] gleitsamen Unterlage laufen. Die Spurweite wählte Maxim mit 4 m. Das Geleise hatte eine Länge von 600 m.
Da sein Apparat jedoch vorläufig noch in steter Erprobung stand, so wurden über die unteren Schienen in Abständen von 10 cm, ein zweites Paar Schienen gelegt, die das Niederhalten des etwa durch den Auftrieb erfolgten Aufstieges des Flugmodelles bezwecken sollten.
Auch ermöglicht dies allein ein genaues Beobachten der erzielten Resultate. Um aber auch ein Auffliegen von dieser Bahn zu gewährleisten, reicht das obere Schienenpaar nur bis zu einer Länge von 450 m.
Beim letzten Versuche trieb die starke Maschine den Flugapparat derart kräftig vorwärts, daß er nicht nur sein großes Gewicht tatsächlich in die Luft erhob, sondern noch einen so starken Auftrieb entwickelte, daß er im Auffluge die starken Schienen, welche dieses Emporheben verhindern sollten, durchbrach und durch die Luft schoß, freilich nur kurze Zeit, dann kippte der Apparat um, stürzte zu Boden und zerbrach.
Im Gegensatze zu den Apparaten von Maxim und Richet, welche mit ebenen Flächen experimentierten, baute der Franzose Ader einen Flugapparat, welcher gebogene, fledermausartige Flugflächen besaß. Er klafterte 15 m und wog leer 258 kg, vollständig belastet jedoch fast 500 kg; so daß auf 1 m2 Fläche 16-20 kg entfallen, ein gewiß recht ansehnliches Gewicht. Zwei Motoren von je 20 Pferdestärken bewegten je eine vierflügelige Schraube, welche gegenläufig und voneinander vollkommen unabhängig laufen. Die hohe Lage des Luftkondensators wirkte auf die Stabilität sehr nachteilig. In der Tat kippte der Apparat beim Versuche um, so daß über sein Funktionieren nichts berichtet werden kann.
Eines der gelungensten von allen bis jetzt unternommenen Flug-Experimenten ist das mit Langleys »Aërodrom« ausgeführte, welches im Jahre 1896 in Amerika am Patomakflusse die erste Fahrt zurückgelegt hat.
Dieses Flugmodell besitzt vier leichte, unbewegliche Flügel, welche aus einem mit Seide überzogenen Stahlgerippe gebildet sind. Die Länge dieser Flügel beträgt von Spitze zu Spitze gemessen etwa 3·9 m, ihre Breite 1 m. Zwei Propellerschrauben von je 1·2 m Durchmesser und 5 cm Steigung drehen sich in der Minute ca 800-1200mal um ihre Achse. Vorne befindet sich eine Art konisch zugespitzter, mit Luft gefüllter Zylinder, welcher den Apparat, im Falle einer Landung auf dem Wasser schwimmend erhalten sollte.
Eine in einem gewissen Sinne originelle Maschine hat Graf Carelli entworfen: Zwei gewölbte Tragflächen von fast 25 m2 Fläche werden nebeneinander an einem Gestelle, welches auf Rädern ruht, angebracht und von je einer Schraube durch die Luft gezogen. Zur Erhaltung der Stabilität dient eine große Scheibe von 7 m2 Fläche, welche an einer vertikalen, durch den Schwerpunkt placierten Achse steckt und durch ihre Rotation die schädlichen, kleinen Schwankungen hintanhalten soll.
Das Gesamtgewicht des Apparates, dessen Draufsicht und Seitenansicht die Figuren 134 und 135 wiedergeben, soll inklusive eines Menschen 150 kg betragen. Über im großen angestellte Versuche verlautet nichts. Im kleinen erbaute Modelle ergaben günstige Resultate.
Bei dem in Fig. 136 abgebildeten, nach Carellis Prinzip gebauten Drachenflieger befindet sich ober der gewölbten Fläche, welche von einer zweiflügeligen Schraube gezogen wird, eine rotierende Scheibe.
Dieses Modell wog 8·0 kg, hatte einen 2·5 kg schweren Motor und flog ca. 100 m weit. Rückwärts sieht man ein horizontales und ein vertikales Steuer. Dieser Drachenflieger[S. 226] wurde von Leutnant Vialardi Evaristo gebaut, dem Herausgeber der italienischen Fachzeitschrift »L'Aeronauta«.
Ein anderes von ihm gebautes Modell von 5 kg Gewicht und 6 m2 Fläche hat in 20 m Höhe einen Weg von 350 m zurückgelegt.
In ein anderes System reihen sich die Drachenflieger von Karos ein.
Bei diesen Apparaten werden die Tragflächen durch zwei parallel nebeneinander rotierende, flächenartige Scheiben oder schwachgeneigte, jalousieartige, aufstellbare Flächen ersetzt. Vor diesen Flächen ziehen zwei gegenläufige Schrauben den Flieger durch die Luft. Ich hätte wohl sagen sollen: die Schrauben sind bestimmt den Apparat durch die Luft zu ziehen, denn auch er ist, so wenig wie seine Vorgänger, wirklich im Großen ausgeführt worden und geflogen.
Das Erheben von der Erde aus ist mit Hilfe der jalousieartig, etwas aufgeschlossenen, schraubenartig wirkenden Flächen gedacht. In der Höhe angelangt, werden die vorne befindlichen Zugschrauben in Bewegung gesetzt. Der Apparat soll dann in Wellenlinien seinem Ziele zueilen.
Diese Wellenflieger haben mehrere Vertreter, obwohl sich die Vögel des Wellenfluges in der Natur nur auf ganz kurze Strecken bedienen. Ich halte ihn für ganz aussichtslos.
Ein kleines, fliegendes Modell von 1 m2 Segelfläche und 1·67 kg Gewicht hat Oberingenieur Samuelson in Schwerin hergestellt, um mit seiner Hilfe einige bei Drachenfliegern giltige Gesetze zu finden. Er hat mit diesem Apparate aufs neue den folgenden, von ihm schon 1880 entdeckten Satz bestätigt gefunden: »Beim schrägen Fortschreiten eines dünnen, flächenartigen Körpers ist der Normaldruck der Luft an der Vorderkante am größten, nimmt proportional der Entfernung von der Hinterkante ab, und ist in letzterer gleich Null, so daß bei rechteckiger Gestalt des Flächenkörpers die Mittellinie des Normaldruckes in 1/3 der Länge von der Vorderkante entfernt liegt.«
Ein anderes von Samuelson aufgestelltes Flugprinzip lautet: »Der Normaldruck, welchen ein in schräger Richtung[S. 228] fortschreitender ebener Flächenkörper durch die Luft erleidet, ist unabhängig vom Neigungswinkel.«
In Berlin hat J. Hofmann das Modell eines Flugapparates konstruiert, auf welches er viele Hoffnungen setzt. Es wiegt 3·5 kg und flog wiederholt 10 m weit. Ein kupferner Wasserkessel von 72 Röhrchen und eine für 11 1/2 Atmosphären Druck ausgestattete Verbundmaschine liefern die zur Überwindung des Luftwiderstandes erforderliche Arbeit. Ein Stelzenapparat ist bei der Abfahrt, respektive Landung behilflich. Ein zehnmal größeres Modell soll in Ausführung begriffen sein.
Kreß, ein Russe, der lange Jahre in Petersburg, dann in Paris lebte und dort ein Schüler Pénauds war, beschäftigt sich, gegenwärtig in Wien domizilierend, seit mehr als 30 Jahren mit der Konstruktion von Drachenfliegern.
Schon im Jahre 1880 gab er eine Broschüre »Aéro-véloce« heraus, in welcher er einen Drachenflieger projektierte. Im Jahre 1896 verfertigte Kreß den in der Fig. 142 abgebildeten Drachen von 0·4 m2 Fläche und 0·3 kg Gewicht, welcher unter einem Winkel von 4-6° sehr stabil in der Luft schwebte. Seit dieser Zeit verbesserte er seine Apparate kontinuierlich. In seiner aëronautischen Werkstätte finden[S. 229] wir alle möglichen Flugmodelle. So in erster Linie natürlich eine Reihe von Drachenfliegern, dann aber auch Flügel- und Schraubenflieger-Modelle.
Eine besondere Vorliebe bekundet Kreß für die Drachenflieger. Seiner Beharrlichkeit verdankte er es schließlich, unterstützt von dem bekannten Forscher auf aërodynamischem Gebiete, Chefingenieur von Loessl und einigen seiner Freunde, die Mittel zum Baue von zwei großen Drachenfliegern.
Verfolgen wir die Figuren 142-150, so bemerken wir, wie Kreß ganz richtig kontinuierlich vom kleinen ins größere projektierte und, als er in die Lage kam, seine Pläne zu verwirklichen, auch ausführte.
Die Figur 144 zeigt das Projekt eines Kreßschen Drachenfliegers aus früheren Jahren. Auf einem bootartigen Schlitten baut sich ein Traggerüst auf, das zwei dortselbst angebrachte, gewölbte Flächen trägt. Schon hier bemerken wir ein horizontales Steuer. Eine Balancefläche B bildet eine Art vorderes, horizontales Steuer. Der Apparat ist durch Schrauben vorwärts getrieben gedacht.
Aus dieser, nicht ausgeführten Konstruktion entstand der Plan zu dem nach Fig. 146 gebauten Drachenflieger.
Die gewölbten Tragflächen B1 B2 B3 B4 präsentieren sich uns hier im Querschnitte. Zwei gegenläufige Schrauben E[S. 230] treiben den Apparat vorwärts. Das Vertikalsteuer D erhielt viel kleinere Dimensionen. Das Horizontalsteuer bekam eine fächerförmige Gestalt und überragte das untere Steuer.
Wie auf dem Bilde zu sehen, ist das Flugschiff auf zwei schlanken Aluminiumgondeln montiert, die zugleich einen Schlitten bilden. Über diesem Schlittenboote ist ein Gerüst aus dünnwandigen Stahlröhren, mit Drähten versteift, hergestellt und mit leichtem Ballonstoff überzogen. Der vordere Teil bildet einen glatten, spitzen Keil, wobei die untere Seite eine nützliche Drachenfläche darstellt. Über diesem Keile sind drei gewölbte Tragflächen stufenweise angeordnet, vorne die kleinste, rückwärts die größte.
Zwischen der zweiten und dritten Tragfläche befinden sich die beiden elastischen Segelluftschrauben. Rückwärts ist ein horizontal liegendes Steuer von 14 m2 angebracht, mit welchem oben ein Luftkiel, respektive eine Wetterfahne, fest verbunden ist. Darunter befindet sich das vertikal stehende Steuer und an derselben Achse noch ein kleines Eis- oder Schneesteuer.
Das horizontale, sowie auch das vertikale und Eis-Steuer werden mittels eines Hebels durch die Hand in Tätigkeit gesetzt. Die Wölbung der Tragflächen zur Sehne beträgt 1/12, aber die Enden der Rippen sind elastisch und nachgiebig. Die drei gewölbten Tragflächen mit der Schnabelspitze haben zusammen 90 m2 (ohne das horizontale Steuer). Der ganze Flugapparat wiegt ohne Motor circa 300 kg, mit Motor und zwei Personen sollte er nicht über 650 kg wiegen.
Damit das Flugschiff das Wasser verlassen kann, ist nach Kreß eine Minimalgeschwindigkeit von 10 m pro Sekunde erforderlich. Diese Geschwindigkeit denkt sich Kreß auf dem Wasser dadurch erzielt, daß, sobald der Flugapparat in Bewegung kommt, die großen Tragflächen einen Auftrieb (z. B. bei 4 m 100 kg), erhalten. Es wird also bei 4 m Geschwindigkeit pro Sekunde das Schlittenboot um 100 kg entlastet. Die Gondeln heben sich um soviel aus dem Wasser, weshalb der eingetauchte Querschnitt kleiner wird. Es resultiert daraus auch ein kleinerer Widerstand und ein Wachsen der Geschwindigkeit. Infolgedessen wächst aber wieder der Auftrieb und so fort, bis die Last, welche zuerst das Wasser trug, bei einer Geschwindigkeit von ca. 10 m pro Sekunde allmählich von der Luft übernommen wird. Hat sich einmal der Drachenflieger in die Luft erhoben, so erreicht er, nach Kreß' Behauptung, mindestens eine Geschwindigkeit von 16 m pro Sekunde.
Wer die im Reservoir des Tullnerbachtales ausgeführte mächtige Flugmaschine, wie ich, im Baue sah, mußte beim ersten Eindrucke von der präzisen, fachgemäßen, manuellen technischen Arbeit entzückt sein. Es bot sich dem erstaunten Blicke des Ingenieurs in der Tat etwas völlig Neues, Bestrickendes dar. Dieser gigantische, weitausragende Bau mit seinen mächtigen Flügeln schien nur des Augenblickes zu warten, um sich dem ihm vorher bestimmten Elemente anzuvertrauen.
Beim eingehenden Studium jedoch stiegen der Zweifel viele auf, ob diese starren, leicht gebauten Formen es auch[S. 232] mit der Gewalt des künstlich zu erzeugenden Windes werden aufnehmen können.
Die erforderliche Anfangsgeschwindigkeit von 10-12 m pro Sekunde soll durch schnelles Fahren über das Wasser erzielt werden. Will der Apparat funktionieren, so müßte er auch bei stärkerem Winde aus seiner schützenden Hütte ausfahren können. Ein Geleise schreibt ihm dabei genau die zu wandelnde Bahn vor, bis er auf dem Wasser sich selbst überlassen ist.
Bei ruhiger Luft geht alles ganz glatt, aber da erzielt auch der geschmähte, lenkbare Ballon ganz gute Resultate und erhebt Lasten, die bis jetzt noch keine Flugmaschine ungefährdet wieder landete. Wie sich die Sache aber bei Wind verhält, darüber lassen sich nur Vermutungen aufstellen, nachdem Kreß sich bis jetzt wohlweislich hütete, seine viele Quadratmeter messenden Flächen bei einem solchen zu lancieren.
Der von einem 35 pferdestarken Motor getriebene Apparat machte bei stets sehr schwachen Winden auf dem Becken des Tullnerbaches mehrere Versuchsfahrten. Bei einer solchen Probefahrt kenterte am 3. Oktober 1901 der Flugapparat infolge zu geringer Stabilität und versank in die Tiefe.
Förderer der Luftschiffahrt setzten Kreß in den Stand, einen, seiner Meinung nach, verbesserten Drachenflieger zu bauen.
Die neue Type ähnelt sehr der alten. Naturgemäß fanden alle beim Baue des vorhergehenden Apparates gemachten Erfahrungen bei dieser neuen Maschine Verwertung.
Dieser neueste Apparat von Kreß erhielt eine um 1 1/2 m größere Länge als sein Vorgänger, ist also 17 1/2 m lang. Statt der bisherigen drei Flügelflächen sind vier angeordnet, und zwar wird, wie aus Fig. 148 ersehen werden kann, eine neue vierte Tragfläche unter die bisherige dritte gesetzt.
Diese beiden rückwärtigen Flächen haben, ähnlich wie die Hargrave-Drachen, noch vertikale Wände, welche den Flugapparat stabilisieren helfen sollen.
Die Gesamtfläche wird um rund 20 m2 vermehrt werden, so daß mehr als 100 m2 Fläche für Tragzwecke ausgenützt erscheinen. Es kommen dann beiläufig 9 kg auf 1 m2 Fläche zu heben. Die beiden Aluminiumgondeln, welche eine zu schwankende Basis bilden, hat Kreß durch ein breites Boot ersetzt, welches vorne und rückwärts mit Luft ausgefüllte, wasserdichte Schoten bekommen soll, damit im Falle eines Kenterns der Apparat nicht wieder versinke. Der Daimler-Mercedes-Motor, welcher bei der vorigen Flugmaschine[S. 234] eingebaut war und in die Tiefe des Tullnerbach-Reservoirs versank, wurde wieder verwendet. Er leistet 35 Pferdestärken bei 370 kg effektivem Gewichte.
Die Fig. 148-150 geben ein Bild des Gerippes dieser neuen Flugmaschine, Type 1902, welche am Neusiedlersee ihren Wert erweisen soll. Gewiß begleiten Kreß auch dorthin unsere besten Wünsche. Möge er die in der Zeit von vier Jahren beim Baue seines ersten Apparates gemachten Erfahrungen zu Nutzen und Frommen der Flugtechnik ausnützen und vor einer Sysiphusarbeit bewahrt werden.
Ich selbst zweifle gar nicht daran, daß es gelingen kann, mit diesem Drachenflieger sich aus dem Wasser zu heben und auch eine glückliche Landung auf dem Wasser halte ich nicht für ausgeschlossen — wenngleich ich nicht meine, dies werde die Regel sein — aber trotz [S. 235]alledem glaube ich nicht an die Zukunft der Drachenflieger in ihrer jetzigen Form. Gerne gebe ich aber zu, daß die auf diesem Gebiete veranstalteten Versuche für die Flugtechnik von großem Interesse werden können.
Der in Fig. 151 abgebildete Drachenflieger von Rosborg und Nyberg soll vom Eise weg seinen Abflug ausführen.
Nähere Daten über diese etwas phantastische Maschine fehlen bisher. Ist sie so gemacht, daß der Wind ihr Motor[S. 236] ist, so mag sie unter Umständen gute und schnelle Dienste, aber nur auf dem Eise, leisten können.
Wenn sich die von den »Illustrierten aëronautischen Mitteilungen« im 4. Heft 1901 gebrachten Mitteilungen bewahrheiten, so hat sich nachfolgend beschriebene Flugmaschine von Whitehead (zu deutsch Weißkopf), durch ihre beiden 2·25 Meter im Durchmesser haltenden Schrauben getrieben, tatsächlich über 1 km weit mit einem Insassen vom Boden erhoben, ist also die erste Flugmaschine, welche einen Menschen infolge der ihr innewohnenden, motorischen Kraft vom Boden durch die Luft geführt und wieder glücklich gelandet hat.
Gustav Weißkopf, ein Deutscher aus Ansbach in Bayern, sandte den »Illustrierten aëronautischen Mitteilungen« aus Bridgeport in Amerika folgenden, sehr interessanten Bericht:
»Meine Maschine ist im wesentlichen einem Vogel nachgebaut, [S. 237]hat einen Körper von 4·8 m Länge, 0·9 m Höhe und 0·75 m größter Breite. Dieser Körper ruht mit vier Rädern am Boden auf. Der Durchmesser dieser Räder beträgt 1 m. Die Vorderräder werden von einer zehnpferdekräftigen Maschine angetrieben, während die Hinterräder frei laufen.
An jeder Seite ist eine mit Bambusröhren versteifte und mit Seide überzogene Tragfläche angeordnet. Die Spannweite beträgt 10·8 m und der Flächeninhalt der Tragflächen 50 m2. Die Tragflächen sind an ihrer Unterseite stark konkav und weisen keinerlei schlaffe Stellen auf. In der Höhe der Tragflächen steht quer im Körper eine Zweifach-Expansionsmaschine von 20 Pferdestärken, welche zwei Propellerschrauben in entgegengesetzter Richtung mit 700 Touren in der Minute bewegt. Zur Erhaltung der Stabilität des Fahrzeuges in seiner Länge ist ein automatisch in Funktion tretender Apparat vorgesehen. Betriebsmaterial ist Calciumcarbid, beziehungsweise Acetylengas.
Der Motor wiegt 0·9 kg pro Pferdestärke und ist ein Wunder, was compendiöse Bauart betrifft. Ich machte zwei Versuchsfahrten mit meiner Maschine. Bei beiden Fahrten landete der Apparat, ohne im geringsten verletzt worden zu sein. Beim ersten Versuche wurden 100 kg Ballast aufgenommen, so daß das Gesamtgewicht 226·5 kg betrug. Als der Motor arbeitete, fuhr der Apparat circa 30 m, verließ dann den Boden und flog circa 1 1/2 Minuten. Beim zweiten Versuche (eine Stunde später), nahm ich den Ballast heraus und stieg selbst hinein. Das Gefühl, das ich hatte, werde ich nie vergessen. Der Erfolg war derselbe wie beim ersten Versuche. Die Dauer des Fluges war 1 1/2 Minuten und die durchflogene Distanz 1270 Meter.«
Eine weitere große Gruppe von Flugmaschinen bilden die Schraubenflieger.
Das Charakteristische dieser Flugmaschine ist der Umstand, daß sie ihr ganzes Gewicht allein durch eine einzige Schraube oder durch ein System von Tragschrauben in die Luft erheben und durch sie forttreiben lassen kann.
Soviel auf dem Gebiete der Drachenflieger experimentiert wurde, so wenig wurde verhältnismäßig jenes der Schraubenflieger kultiviert.
Nachdem es nicht Zweck dieses Buches ist, eine Geschichte der dynamischen Luftschiffahrt zu schreiben, so be[S. 238]gnüge ich mich, hier auf eine Anzahl von Projekten und Experimenten hinzuweisen, welche in dem sehr empfehlenswerten und interessanten, 1894 in New-York erschienenen Buche von Chanute »Progress in Flying Machines« näher beschrieben sind:
Ich erwähne von ihnen hier nur einige Namen: Lannoy & Bienvenu (1784), Degen (1816), Cossus (1845), Auband (1851), Bright (1859), de la Landelle (1865), Ponton d'Amécourt (1865), Pénaud (1870), Trouvé (1871), Dieuaide (1877), Melikoff (1877), Castel(1878), Forlanini (1878), Trouvé (1886), Jarolimek (1893), Koch (1902).
Nur die folgenden, besonders interessanten Experimente seien kurz angeführt:
Fast vergessen ist heute das schöne Experiment von Degen, welcher einen Hubschraubenflieger von 6 kg konstruierte; derselbe war mit einer leichten Gondel aus Rohr und Seide ausgerüstet und von einer zweiflügeligen Schraube betrieben, die durch ein Uhrwerk bewegt wurde. Im Juni 1817 stieg dieses hübsche Modell im Prater, nachdem es öffentlich gezeigt worden war, 160 m hoch. In der Höhe öffnete sich ein Fallschirm und die Gondel fiel langsam herab.
Cossus, 1845, baute einen »Großschraubenflieger« mit drei nebeneinander situierten, durch Dampf betriebenen Schrauben.
Als Beispiel eines gegenläufigen Schraubenfliegers kann das Modell von Le Bris 1850 und von Bright 1859 — so primitiv es ist — angesehen werden.
Die beiden Schrauben standen übereinander und bewegten sich jede in entgegengesetzter Richtung.
Viel Aufsehen erregte seinerzeit der gegenläufige Schraubenflieger von De Ponton d'Amécourt. Er war mit einem Schlangenrohrkessel und einer Maschine von Aluminium ausgerüstet, wog 2 kg, die Stärke des Motors betrug 1/2 Pferdestärke.
Der Schraubenflieger lief auf Rädern und bewegte sich bei Inbetriebsetzung seines Motors stoß- und sprungweise vorwärts.
De la Landelle baute 1863 einen Apparat mit Etagenflügeln.
Als erstes Beispiel einer Kaptivschraube ist der Apparat von Castel anzusehen. Auf einem Wagen mit hohem Gerüste befanden sich acht schmale Schrauben, wovon je zwei auf einer Achse befestigt waren. Je zwei solcher Etagenschrauben standen sich einander gegenüber.
Diese Schrauben wurden mit komprimierter Luft in Bewegung gesetzt, die ein Schlauch zugeleitet hatte. Dieser[S. 239] Schraubenflieger erhob sich und zerschellte beim Experimentieren an einer Wand.
Der von Prof. Forlanini im Jahre 1877 gebaute, mit vier Hubschrauben ausgerüstete Schraubenflieger war an einem Gerüste angebracht und wurde durch eine Maschine, die mittels überhitzten Wasserdampfes betrieben wurde, in rasche Rotation gesetzt.
Der Motor war eine Dampfmaschine. Als Übertragungsmechanismus wurden Zahnräder und Kurbeln angewendet.
Unten hing eine, mit überhitztem Wasserdampfe angefüllte Kugel. Das Gewicht dieses Generators betrug 1 kg. Die Schraubenoberfläche war 2 m2. Die vom Motor geleistete Arbeit betrug 1/3 - 1/2 Pferdestärke. Das Gesamtgewicht belief sich auf 3 1/2 kg. Bei acht Atmosphären Spannung erhob sich das Modell 13 m hoch und schwebte durch 20 Sekunden lang in einem Saale vorwärts. Auffallend erscheint das Fehlen von Nachrichten über weitere Versuche, nachdem dieser als gelungen bezeichnet werden muß.
Wenn wir diese Projekte studieren, und in das Wesen der Schrauben näher eingehen, so finden wir, daß die Hubschrauben und Universalschrauben stets kleine Neigungen, die Trieb- oder Zugschrauben stets große Neigungen bekommen müssen.
Vor Konstruktion eines Schraubenapparates muß die eingehende Erprobung der dabei verwendeten Schrauben, und zwar in natura vorausgehen, weil man hier nicht, so wie bei Wasserschrauben, aus Analogien schließen darf.
Es ist bedauerlich, daß fast gar keine Detailprojekte über Schraubenflieger veröffentlicht werden, an denen man Studien machen kann.
Für den geschulten Flugtechniker ist kein Gebiet so interessant, wie dieses. Kein anderes ist aber auch für den Laien so schwer verständlich, weil ohne in die Theorie der Schrauben und in mathematische Kalkulationen einzugehen, sein Verständnis sehr schwer fällt.
Vor der Ausführung von Schraubenfliegern müssen Detailversuche über die beste Schraubenform, über die Art und Zahl der Gänge, die Gestalt, die Lage, den Druckmittelpunkt der Flügel, Art und Größe der Steigung etc. vorangehen. Über die hier in Betracht kommenden Details siehe mein Buch: »Lenkbare Ballons« pag. 209-214, wo ein Teil dieser Dinge angedeutet erscheint.
Für den Fernerstehenden ist der Gedanke, ein Versagen auch nur einer einzigen Schraube könnte ein Unglück zur Folge haben, recht peinlich. Betrachtet man die Sache jedoch näher, so steht es nicht so schlimm. Man ist ja nicht genötigt, einer einzigen Schraube allein sein Leben anzuvertrauen, sondern kann ein System von Schrauben, die ja auch nicht alle von einem einzigen Motor getrieben werden müssen, anwenden.
Mir, für meine Person, scheint, wie ich schon an anderen Orten hervorgehoben habe, der Schraubenflieger unter allen Flugmaschinen die meiste Aussicht auf endgiltigen Erfolg zu besitzen.
Denkt man sich eine Drachenfläche durch ein Schaufelrad vorwärts bewegt, dessen Achse senkrecht oder etwas schief zur Fahrtrichtung gestellt ist, so erhält man den Typus eines Schaufelradfliegers.
Die Schaufeln können nun entweder senkrecht zur Achse des Rades oder schief gegen dieselbe gestellt sein.
Darnach lassen sich folgende Typen aufstellen:
Nach der Lage der Radachse zur Fahrtrichtung:
a) Schaufelradflieger mit normal gestellten Achsen;
b) Schaufelradflieger mit ebenen, schief gestellten Achsen;
c) Schaufelradflieger mit räumlich schief gestellten Achsen.
Nach der Anordnung der Schaufeln am Rade:
d) Schaufelradflieger mit parallel zur Achse gestellten Schaufeln;
e) Schaufelradflieger mit schief zur Achse gestellten Schaufeln.
Offenbar kommen auch hier, wie bei den Segelradfliegern, nur 2/5 aller Flächen zur Wirkung.
Es laufen somit stets 3/5 derselben tot mit.
Das ganze Gewicht der Schaufeln wird immer ein sehr großes sein; eine rationelle Ausnützung aller Flächen der Schaufeln ist also unmöglich.
Um einigermaßen günstige Resultate zu erzielen, wird man Etagenflächen anwenden.
Der bekannte Flugtechniker Gustav Koch in München hat sich nebst vielen anderen Zweigen seines Faches auch dem Studium der Schaufelradflieger zugewendet.
In der Figur 155 sehen wir ein dem Oldhamrad nachgebildetes Schaufelrad mit beweglichen Schaufeln, welche, bei[S. 242] ihrer Umdrehung auf die Luft schlagend, den erforderlichen Auftrieb liefern sollen. Welche Dimensionen aber ein solches Luftschaufelrad erhalten soll, erkennt man bei Betrachtung der Figur 156. Dabei ist es noch fraglich, ob der durch dasselbe hervorgerufene Effekt wirklich genügt, oder ob man das Rad im gegenteiligen Falle nicht noch größer und damit noch ungelenkiger machen solle? Dies ist der Grund, warum sich Koch neuerdings auch den Schraubenfliegern zugewendet hat.
In den Figuren 154 und 157 ist das Modell eines von Koch entworfenen und von dem Ingenieur Alexander [S. 243]Schirmann konstruierten Flugrades abgebildet. Koch gibt dazu einen ausführlichen Motivenbericht, dem wir auszugsweise nachfolgendes entnehmen:
»Das im Velocipedradsystem konstruierte, innerhalb eines doppelten Stahlrohrrahmens gelagerte Schaufelrad ist zugleich Lauf- und Schwungrad, an dessen Achse der mehrzylindrige Benzinmotor, wie überhaupt das ganze Gewicht des Apparates aufgehängt erscheint.
Der dem Rade adjustierte, sogenannte Oldham-Mechanismus bewirkt, daß die Schaufeln während der Rotation des Rades sich auch ihrerseits drehen und zwar in dem der Rotationsrichtung des Letzteren entgegengesetzten Sinne und so, daß die Schaufeln während einer vollen Umdrehung des Rades nur je eine halbe Tour machen.
Infolgedessen funktioniert der untere Teil der Schaufeln, wie die das Wasser treffenden Schaufeln des Raddampfers, rein vortreibend, während die oberen die Luft mehr oder weniger flach durchschneiden und die vorderen und hinteren Schaufeln wie die Flügel der Luftschraube wirken.
Die das Umkippen am Boden verhindernden, mit Laufrollen versehenen, schiefstehenden Ständer sind an ihrem oberen Ende in der Längsrichtung des Fahrzeuges beweglich, so daß der Führer desselben den Neigungswinkel der feststehenden, ähnlich wie beim Gleitapparate angeordneten, circa 100 m2 messenden Tragflächen und damit den Grad des Auftriebes während der, den Flug einleitenden kurzen Fahrt, am Boden beliebig regulieren kann.
Der Führer ist hinter dem Schaufel- und Laufrade, durch eine Barriére davon getrennt, postiert, da er an dieser Stelle den geringsten Luftwiderstand findet und durch das Rad nicht am Ausblicke gehindert ist, indem dessen Schaufeln und Speichen bei deren rascher Rotation für das Auge verschwinden.«
Hat die Fahrt am Boden eine gewisse Geschwindigkeit erreicht (etwa 15 m pro Sekunde), wozu nach Kochs Meinung nur einige Sekunden Zeit und wenige Pferdestärken erforderlich sind, so vergrößert der Führer des Fahrzeuges die Neigung der hinteren, durch die Reaktionswirkung des Motors niedergedrückten Ständer, das Vehikel kommt dadurch in eine drachenartig nach hinten geneigte Stellung und muß infolge des nun auftretenden Luftdruckes gegen die Unterseite der Tragflächen wie ein Drache aufsteigen.
Mit dem Verlassen des Bodens entwickelt der Motor erst seine volle Kraft, circa 24 Pferdestärken, welche, nach Kochs Meinung, sowohl nach den gepflogenen theoretischen Ermittlungen, als auch gemäß den gemachten, praktischen Erfahrungen mehr als hinreichen, das Fahrzeug durch Beibehaltung der bei der Fahrt am Boden erlangten Geschwindigkeit in der Luft schwebend zu erhalten.
Während die bis nun besprochenen Systeme schon fast eine hundertjährige Geschichte hinter sich haben, ist der Segelradflieger noch nicht zehn Jahre alt.
Professor Wellner führte ihn in der Versammlung des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines am 15. Dezember 1893 das erste Mal vor, und der Enthusiasmus, mit dem er aufgenommen wurde, war so groß, daß sich sofort ein Komitee konstituierte, das Professor Wellner bei Ausführung seiner Versuche materiell unterstützte.
Die Folge davon war die Aufstellung und Erprobung eines Modellsegelrades im großen.
Das Segelrad besitzt im Kreise trommelartig um die Achse angeordnete Tragflächen, deren Vorderkanten sich bei der Rotation jedesmal in den oberen Positionen nach außen, also nach oben, und in den unteren Positionen nach innen, also ebenfalls nach oben stellen.
Dies geschieht am bequemsten durch Anbringen eines festen Exzenters mit Exzenterstangen. Während die festen[S. 245] Radarme umlaufen, schieben die Exzenterstangen die gelenkig drehbaren Tragflächen derart in die richtigen Lagen, daß die Vorderkanten abwechselnd auswärts und einwärts gegen den mittleren Umlaufskreis zu stehen kommen. Auf diese Art wird sowohl im oberen als im unteren Segelradhalbkreise in günstiger Weise Hebekraft geliefert. Die Mittelstellungen sind Übergangspositionen oder Leitlagen.
Der Mechanismus der Segelräder ist demjenigen der Morganräder bei Raddampfern analog, nur ist die Wirkungsweise der schwingenden Flächen eine andere.
Wellner hält den Segelradmechanismus für ganz ausgezeichnet, gerade für die Zwecke, welche eine dynamische Flugmaschine zu erfüllen hat. Die Luft wird von oben und von den Seiten herangezogen und nach unten geworfen, wie es die Linien und die Pfeile auf dem Bilde andeuten. Beizufügen wäre noch, daß das Luftmedium in dieser Richtung ungemein empfindlich ist, und eine geringfügige Änderung der Gangart eines Motors schon genügt, um relativ bedeutende Ablenkungen zu erzeugen.
Wellner hat mit Hilfe eines Probesegelrades recht interessante Versuche gemacht. Er ist von einer weiteren Ausführung abgekommen, weil die Schwierigkeiten seiner Herstellung im großen, bei den heutigen Baumaterialien noch unüberwindliche sind. Wer sich näher für diese Apparate interessiert, den verweise ich auf Wellners Originalabhandlung in der »Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines« 1893, pag. 661-666, 1894 pag. 561-566 und 573-575 und auf meine Besprechung in den »Technischen Blättern«, Prag 1895, XXVI. Jahrgang, 3. und 4. Heft, wo auch die Versuchsresultate Wellners kritisch beleuchtet sind.
Die Flügelflieger sind Flugapparate, welche ihre ganze motorische Kraft durch das Schlagen von eigenen Flächen (Flügeln) erzeugen. Das Charakteristische dabei ist das Wachsen der Geschwindigkeit von Null bis zur Maximalgröße und dann wieder ein Erheben, um den Schlag erneuert auszuführen.
Die meisten Vögel und ein Teil der Insekten bedienen sich mit großem Erfolge dieses Flugvorganges. Die Flügel der Tiere sind aber außerordentlich komplizierte Gebilde, teils von Muskeln, Adern, Nerven durchzogen, mit Tastorganen (Fledermäuse) ausgestattet, die sich jedem Lufthauche anschmiegen können, respektive jedem Winde accomodieren.
Ganz anders liegt die Sache bei von Menschen erzeugten Flügeln. Diese sind auf einem relativ ungelenkigen Gerüste mit starren Flächen bedeckt, ohne Gefühl ausgestattet. Deshalb ist es so schwer, wirklich praktisch verwendbare Flügel zu bauen.
Einen Motor samt dazugehörigem Übersetzungsmechanismus, welcher solche Flügel in Bewegung versetzt, stellt die Fig. 160 dar. An einem zweiarmigen Hebel sind die Flächen entsprechend montiert.
Modelle von kleinen Flügelfliegern haben u. A. Jobert (1871), Pénaud (1872), Hureau de Villeneuve (1872), Kreß gebaut. Größere Projekte stammen von Trouvé (1878), Frost (1890), Middleton etc.
Pichancourt hat die in der Figur 159 dargestellten Modelle angefertigt. Auch andere haben sich auf diesem Gebiete mit Erfolg versucht, so z. B. Stentzel in Hamburg, Hargrave in Australien, Moore in England; einen durchschlagenden Erfolg hat aber noch niemand erzielt, obwohl es eine bekannte Tatsache ist, daß der durch Schlagwirkung erzeugte Luftwiderstand viel mehr Auftriebskraft liefert, als wenn dieselbe Fläche mit stets gleicher Geschwindigkeit sich vorwärtsbewegt.
Die von Stentzel konstruierte Flugmaschine gleicht äußerlich ziemlich genau einem riesigen Vogel. Die aus Stahlrippen mit Mosettig-Battist überzogenen Flügel, welche später durch seidene ersetzt wurden, hatten eine Spannweite von 6·36 m und 1·68 m Breite, waren im Verhältnis 1 : 12 gewölbt und besaßen inklusive Steuer 8·125 m2 Fläche. Sie konnten eine Schlagwirkung von einem Winkel von 90° ausführen. Ihr Gewicht betrug inklusive der starren Achse 10 kg. Leider mußte ihr Konstrukteur die Versuche wegen Geldmangels einstellen.
Der 17·5 kg schwere Motor von drei Pferdestärken bewegte den Apparat, welcher auf einem 18 m langen Stahlkabel auf Rädern lief. Die Versuche ergaben nach Stentzel folgendes Resultat: Um das Gesamtgewicht von 34 kg zum freien Fluge zu bringen, brauchte der Apparat 6·5 Atm. = 1·5 HP. Dabei machte er pro Sekunde 1·4 Flügelnieder[S. 248]schläge, die so kräftig waren, daß eine Person von 75 kg Gewicht momentan in Schwebe gehalten wurde. Die Flügel drücken auf die Luft nach unten mit einer Kraft von 1·5, nach oben mit 0·5 derjenigen Kraft, mit der eine ebene Fläche von gleicher Größe und bei gleicher Geschwindigkeit auf die Luft drückt. Die zu erlangende Geschwindigkeit soll im Mittel 15 m pro Sekunde betragen = 54 km pro Stunde.
Stentzel schreibt seinem Apparate folgende Vorzüge zu: »Eine völlig willkürliche Anwendung des Apparates in Bezug auf motorische Kraft, Flügelgeschwindigkeit, Schlagwinkel, das beliebige Übergehen vom Arbeits- in den Ruhezustand, d. h. vom Fliegen zum Schweben und umgekehrt, die große Stabilität und Sicherheit der Konstruktion.«
Ein anderer Experimentator: Moore, hat sich den Flughund (Pteropos) als sein Vorbild genommen.
Das Durchschnittsgewicht eines Kalongs beträgt 1350 gr; die Flügelspannweite 1·20 m bei einer Leibeslänge von 40 cm, die Fläche der Flughäute 814·9 cm2; die Länge der einzelnen Flügel 52·1 cm.
Auf Grund zahlreicher Messungen hat Major Moore Formeln entwickelt, welche die Veränderungen der Werte für Fläche und Länge der Flügel bei verändertem Gewichte ergeben.
Für ein dem Flughund gleiches Tier von 90 kg Gewicht erhalten wir eine Länge der Flügel von circa 2·30 m und eine [S. 249]Fläche von je 1·60 m2.
Die Beobachtungen eines gefesselten Kalongs in Bezug auf die Schnelligkeit, mit der die Flügelschläge ausgeführt wurden, ergaben drei Schläge pro Sekunde, wobei ein Weg von 6·3 m zurückgelegt wurde; bei einmaligem Auf- und Abwärtsschlagen demnach 2·1 m. Ungefesselt in freier Luft ist die Geschwindigkeit eines Kalongs natürlich eine weit größere.
Auf Grund eingehender Studien der Flugwerkzeuge fliegender Tiere entwarf Moore mehrere Apparate. Bei seinem ersten Modelle hatten die Flügel eine Neigung von 11° gegen den Horizont. Mit einem Elektromotor erzielte er 144 Flügelschläge. Der von ihm gebaute Flügelflieger soll vier Flügel besitzen und je ein horizontales und ein vertikales Steuer.
Das Gesamtgewicht berechnet er auf ca. 113 kg, die Fläche der vier Flügel auf 9 m2; demnach kommen 12 1/2 kg Gewicht auf 1 m2. Die Geschwindigkeit der ersten Flugapparate sei auf 23 km pro Stunde zu veranschlagen.
Nach diesen Ausführungen erübrigt es mir nur mehr, auf die Frage einzugehen, ob es dem Menschen je gelingen wird, ohne Zuhilfenahme eines Motors wirklich zu fliegen. Dies glaube ich nach meinen Studienergebnissen mit einem bedingungslosen »Nein« beantworten zu müssen. Ich befinde mich damit in voller Übereinstimmung mit vielen Aviatikern, wie z. B. Jarolimek, von Loessl, Popper etc. Allerdings gibt es auch Vertreter der gegenteiligen Ansicht, so z. B. Freiherr von Wechmar und andere, welche behaupten, der Mensch könne mit Hilfe seiner Arm- und Fußmuskeln allein künstliche Flügel in Bewegung setzen.
Eine ziemlich einfache Vergleichsrechnung zeigt, daß die Flügel in einer Größe von 10 bis 15 m2 hergestellt und mit einer Geschwindigkeit von circa 12 m per Sekunde bewegt werden müßten. Die hierzu nötige Arbeit könnte selbst von einzelnen, besonders starken Individuen auch nur wenige Sekunden lang nicht aufgebracht werden. Die hierbei zu leistende Arbeit betrüge etwa 200 Sekunden Kilogrammeter. Dies wäre selbst die Muskelkraft des stärksten Athleten nicht zu leisten imstande. Der Mensch ist eben von der Natur genetisch nicht zum Fliegen vorbereitet.
Es folgt daraus in klarster Weise, daß ein persönlicher Kunstflug, wie ihn der Vogel und die Fledermaus ausüben, dem Menschen mit Hilfe eines einfachen, durch keine besonderen Kräfte bewegten Flugapparates, nicht auszuführen möglich ist, weil kein Mensch imstande ist, auch nur Flügel[S. 250] von 10 kg Gewicht — und diese wären schon ein Meisterwerk der Technik — mit der nötigen Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer zu bewegen.
Wer sich für Aviatik interessiert, wird unzählige Male die Klage hören, es sei seit hundert Jahren kein nennenswerter Fortschritt auf dem Gebiete der Luftschiffahrt und auf dem der Flugtechnik zu verzeichnen. Dem oberflächlichen Beobachter erscheint dieser Ausspruch auch berechtigt, denn tatsächlich war bis heute, die in bescheidenen Grenzen gehaltenen »lenkbaren Ballons« ausgenommen, noch niemand imstande, ein großes Luftfahrzeug durch mehrere Stunden frei und nach eigenem Willen in einer vorher bestimmten Richtung im Luftozeane zu lenken.
Und dennoch wird der geschätzte Leser, nachdem er den Inhalt dieses Büchleins sich zu eigen gemacht hat, sich gestehen müssen: auf dem Gebiete der Luftschiffahrt sei gerade in der letzten Zeit ganz außerordentlich viel gearbeitet und auch vieles erreicht worden.
Freilich, der unlenkbare Ballon weist noch immer seine alte Gestalt, die so sehr an eine Kugel erinnert, auf. Doch ist an Material und Ausgestaltung unzweifelhaft ein großer Fortschritt zu verzeichnen.
Die Wissenschaft, insbesondere die Physik der Atmosphäre, hat sich seiner bemächtigt und groß, ja im gegenwärtigen Momente überhaupt nicht absehbar groß, ist der Nutzen, welchen er ihr brachte. Mit seiner Hilfe ist es uns gelungen, den Schleier der Geheimnisse über die Vorgänge in den hohen Regionen zu lüften.
Dem Ballon getreulich zur Seite steht der Drache, welcher über alle Erwartungen in der kurzen Zeit von circa 10 Jahren sich zu einem außerordentlich wichtigen Instrumentarium meteorologischer Forschungen entwickelt hat und selbstregistrierende Instrumente in Höhen von mehr als 5000 m nahm. Eben ist er daran, auch unsere Kenntnisse bezüglich der atmosphärischen Vorgänge über den Ozeanen in ausgiebiger Weise zu bereichern.
So sehen wir Ballon und Drachen im edlen Wettstreite miteinander verbunden, um uns Kunde von den Veränderungen in der hohen Atmosphäre zu bringen, deren Wichtigkeit heute wohl der Meteorologe allein ganz zu beurteilen vermag. In ihren Endresultaten kommen sie aber zweifellos allen Menschen zugute.
Was die lenkbaren Ballons anbelangt, so ist durch die Fortschritte der mechanischen Technologie und jene auf dem Gebiete des Motorbaues die Aussicht, endlich praktisch verwendbare Geschwindigkeiten zu erzielen, recht nahe gerückt.
In meinem Buche: »Lenkbare Ballons, Rückblicke und Aussichten«, erschienen bei Wilhelm Engelmann in Leipzig, habe ich auf Grund von über 20.000 Rechnungen, vielen Konstruktionen und eingehenden Detailstudien dargetan, welcher großen Zukunft auf diesem Gebiete die Luftschiffahrt entgegengehe. Alle unsere Studien ermuntern uns, auf den betretenen Pfaden fortzuschreiten und nicht zu ruhen, bis das ersehnte Ziel erreicht ist.
Ein anderes Gebiet, welches auch unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, sind die Flugmaschinen.
Die an Enttäuschungen reiche Geschichte der Luftschiffahrt berichtet getreulich von allen Arten dieser Flieger. Die Namen ihrer Projektanten und »Erfinder« sind zahllos wie der Sand am Meere, und dabei tauchen diese, meist abenteuerlichen Projekte nur auf, um alsbald wieder im Dunkel zu verschwinden.
So wie in der Natur wenige der im Frühlinge geborenen Blüten der Frucht entgegenreifen, so gelangen auch nur wenige, der voll idealer Hoffnungen und kühner Erwartungen entstandenen Pläne zur Ausführung.
Eine Unmasse von Laien hatte sich seit jeher diesem phantastischesten aller Gebiete, welchem ein eigener Zauber innewohnt, zugewendet, und vielleicht war eben die Hingebung dieser Unberufenen und die daraus resultierende Aussichtslosigkeit des Gelingens schuld daran, daß, mit wenigen Ausnahmen, Männer der Wissenschaft sich ferne hielten. Seit einigen Jahren ist hierin ein unleugbarer Fortschritt zu verzeichnen. Man kann dermalen auch schon von einer beachtenswerten Entwickelung im Baue von Flugmodellen sprechen.
Von den nur 0·2 kg schweren, mit Kautschukschnüren betriebenen Spielzeugen ausgehend (1871), ist man heute[S. 252] bis zu sechzigfach schwereren, mittels Dampf betriebenen Modellen gekommen, deren zurückgelegte Weglänge und Zeitdauer sich verhundertfachten.
Gedenken wir noch jener rapiden Vervollkommnung der Technik, welche unserem Jahrhundert den Stempel aufdrückt, so läßt sich auch daraus für die Flugtechnik ein günstiger Schluß ziehen. Alljährlich gelingt es, kräftigere und dabei leichtere Motoren zu erzeugen, Baumaterialien ohne größere Gewichtszunahme fester zu gestalten. Die Gesetze der Stabilität und des Luftwiderstandes werden immer eingehenderen Forschungen unterzogen. In nicht mehr ferner Zeit werden alle Vorbedingungen geschaffen sein, um den Triumph der Flug- und Ballontechnik zu vollenden.
Noch hält die Finanzwelt sich im allgemeinen ferne und abwartend, ehe sie fördernd eingreift, denn noch erscheinen die reellen Erfolge gering im Vergleiche zu den Summen, welche die Versuche verschlingen. Aber auch hierin beginnt ein gedeihlicher Umschwung einzutreten, weil die Erkenntnis reifte, ohne pekuniäre Opfer sei kein Fortschritt erzielbar. Die Technik verlangt vor allem grundlegende Experimente. Die hiefür aufgewendeten Mittel werden sich, wenn richtig verwendet, bald reichlich verzinsen. Excelsior!
Die gebräuchlichsten Formeln zur Berechnung von lenkbaren Ballons und Drachenfliegern.
A = ξ γg F v3 = R v
N = 175 ξ γg F v3 = 175 ξ γg π d2 4 v3
No = C d2 v3
d = √ No / (C v3)
v = 3√ No / (C d2)
ξ = N C1 d2 v3
Hierin haben die Buchstaben γ, g, F, v die auf Seite 7 angeführte Bedeutung. Ferner bedeuten:
A | = | die erforderliche Arbeitsgröße zur Fortbewegung einer Fläche F mit v Meter Geschwindigkeit, | ||
N | = | die erforderliche Anzahl von Pferdestärken hierzu. | ||
ξ | = | Reduktions-Koeffizient; siehe Seite 129. | ||
C | = | ein Koeffizient, | } | deren Wert, Bedeutung und Herkunft man in meinem Buche: »Lenkbare Ballons«, pag. 181 und 132 nachsehen wolle. |
C1 | = | ein Koeffizient, |
Für gewölbte Flächen ist F in den folgenden Formeln noch mit einem Koeffizienten μ zu versehen, dessen Wert von der Größe des Winkels α abhängig ist. Siehe darüber »Lilienthals Versuche« und pag. 106 der 1. Auflage von Moedebecks »Taschenbuch für Flugtechniker und Luftschiffer«.
R = γg F v2 sin α
Rγ = γg F v2 sin α cos α = G
F = gγ · G (v2 sin α cos α)
v = √ g / γ · G / (F sin α cos α)
Rx = gγ F v2 sin2 α
A = gγ F v3 sin2 α = Rx v
N = 175 · gγ F v3 sin2 α = C F v3 sin2 α
F = NC v3 sin2 α
v = 3√ N / (C F sin2 α)
sin α = √ N / (C F v3)
Hierin bedeuten noch:
G = das in Schwebe gehaltene Gewicht,
α = Neigungswinkel der Drachenfläche zur Fahrtrichtung,
C = ein Koeffizient, der aus 175 · gγ entstanden und bei
γ : g = 1 : 8 gleich 1 : 600 ist.
»Illustrierte Aëronautische Mitteilungen«, erscheint seit 1897; monatlich in Straßburg bei O. Trübner. 10 Mark.
»Wiener Zeitschrift für Luftschiffahrt«, erscheint seit 1902, monatlich in Wien, Annahof, 12 Kronen.
»L'Aéronaute«, erscheint seit 1866, monatlich in Paris, 10 rue de la Pépinière. 8 Franken.
»Revue de l'Aéronautique«, erscheint seit 1888, vierteljährig in Paris bei Masson, Boulevard St. Germain 120. 10 Franken.
»L'Aérophile«, erscheint seit 1893, monatlich in Paris, 84 Faubourg Saint-Honoré. 12 Franken.
»L'Aéronautique«, erscheint seit 1802, vierteljährig in Paris, 89 rue Chevallier. 1·5 Franken.
»The Aeronautical Journal«, erscheint seit 1897, vierteljährig in London, W. 19, Campden House Road, Kensington. 4 Schilling.
»Flying«, erscheint seit 1901, vierteljährig in London, Oliffe & Sons. 3 Bride Street E. C. 10 Schilling 8 d.
»The Aeronautical World«, erscheint seit 1902, monatlich in Glenoville, Ohio U. S. A. 2 Dollars.
»L'Aeronauta«, erscheint seit 1900, monatlich in Mailand, 14 Corso Loreto. 12 Lires.
»Az Aeronauta«, erscheint seit 1902, monatlich in Budapest, VI. Izabella-utcza. 6 Kronen.