Title: Der Bucheinband: Seine Technik und seine Geschichte
Author: Paul Adam
Release date: April 28, 2018 [eBook #57065]
Language: German
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Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der 1890 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht; ungewöhliche und altertümliche Wortformen wurden nicht verändert, sofern die Verständlichkeit des Textes dadurch nicht berührt wird.
Im Original wurden Umlaute in Großbuchstaben durch deren Umschreibungen dargestellt (Ae, Oe und Ue); in der vorliegenden Fassung wurden dagegen die Umlaute direkt verwendet (Ä, Ö und Ü). Die Verwendung des ‚scharfen s‘ (ß) wurde nicht vereinheitlicht und entspricht auch nicht in allen Belangen den heutigen Rechtschreibregeln.
Zwei verschiedene Abbildungen tragen im Original jeweils die Bezeichnung ‚Fig. 39‘ sowie ‚Fig. 40‘. Um eine eindeutige Verbindung zum Text zu gewährleisten, wurden die entsprechenden Dubletten in ‚Fig. 39a‘ und ‚Fig. 40a‘ umbenannt. Im Namens- und Sachregister wurde die alphabetische Reihenfolge einiger Listenpunkte wiederhergestellt; Entsprechendes gilt auch für die korrekte Reihenfolge der Illustrationen im Verzeichnis der Abbildungen.
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SEEMANNS KUNSTHANDBÜCHER
VI.
DER BUCHEINBAND
VON
PAUL ADAM.
SEINE TECHNIK UND SEINE GESCHICHTE
VON
PAUL ADAM
BUCHBINDERMEISTER IN DÜSSELDORF.
MIT 194 ILLUSTRATIONEN
LEIPZIG
VERLAG VON E. A. SEEMANN
1890.
Der Vorläufer unseres heutigen Bucheinbandes ist das im römischen Altertum und im Mittelalter gebräuchliche Diptychon. Dasselbe bestand aus zwei mit Wachs überzogenen Schreibtafeln von Holz oder Elfenbein, die mittels metallener Ringe oder Pergamentstreifen zusammengehalten wurden und auf der äußeren Seite mit Schnitzwerk reich verziert zu sein pflegten. Von der Zeit an, in welcher die Pergamenthandschriften üblich wurden und größeren Umfang annahmen, heftete man jedoch ganz ähnlich wie in neuerer Zeit die Lagen mit Zwirn an Pergamentstreifen in der Weise, daß der Faden von innen durch den Bruch der Lage gestochen, um den Pergamentstreifen herum und in die innere Seite zurückgeführt wurde.
So entstand der sogenannte Bund, wie er noch heute bei allen Bänden üblich ist, die auf Bund geheftet sind.
Man wird kaum irren, wenn man annimmt, daß die Entstehung der heutigen Buchform mit dem Beginn des Christentums zusammenfällt, während vordem vorzugsweise die Papyrusrolle zur Herstellung von Handschriften diente. Die Lagen der Pergamentbogen wurden je nach der Zahl der ineinander gesteckten Doppelblätter als Ternen, Quaternen, Quinternen und Sexternen bezeichnet. Die Vierzahl wird indeß die üblichste gewesen sein, denn späterhin wurde die Lage schlechtweg stets als Quaterne bezeichnet, und der neufranzösische Ausdruck für Heft — cahier — (quayer im altfranzösischen) hat sich aus quaternus entwickelt.
Der heute bei den Fachleuten für Kalbspergament gebräuchliche Ausdruck Velin, Vellum oder Velum ist die Bezeichnung für das lateinische membranae, dessen Paulus in seinem Briefe von Timotheus (II) erwähnt (τὰς μεμβράνας).
Die für besonders wertvoll erachtete Handschriften übliche Elfenbeindecke, deren Ursprung auf die Diptycha des Altertums zurückzuführen ist, wurde im Laufe der Zeit durch Holzplatten ersetzt, die man indeß auch durch reiche Verzierung mit Metall, Edelsteinen u. s. w. zum Kunstwerk zu gestalten suchte. Wir werden im zweiten Teile dieses Werkes auf die geschichtliche Entwickelung der Buchdecke des Näheren zurückkommen.
Um die auf Pergamentstreifen gehefteten Lagen besser zusammenzuhalten, bediente man sich eines breiten Stückes Leder, mit welchem der Rücken und auch die beiden Holzdecken seitlich bis zur Hälfte oder einem Drittel überklebt zu werden pflegten. Die Bundriemen (Pergamentstreifen) wurden bei diesem Verfahren durch die Deckel gezogen. Eine handwerksmäßige Herstellung der Einbände kannte das Mittelalter nicht. Vielmehr war jeder Buchschreiber in den Klöstern sein eigener Buchbinder, und nur bei kostbareren Bänden wurde die Hilfe des Goldschmiedes oder des Elfenbeinschnitzers in Anspruch genommen.
Das Papier, das den Chinesen lange vor Christus bekannt war, brachten uns die Araber bei ihrer Ausbreitung über die Küsten des Mittelmeeres im 8. und 9. Jahrhundert. Im Orient bildete es das einzige Schreibmaterial, und alles, was von Werken orientalischer Literatur auf uns gekommen, ist auf diesen Stoff geschrieben. Zu der Zeit, da man bei uns noch lange auf Pergament schrieb, wurden im Orient schon die schönsten Miniaturmalereien auf einem Papier ausgeführt, das in Bezug auf Festigkeit wie auf Glätte nichts zu wünschen übrig läßt. Mit der Einführung des Papieres kam auch das Beschneiden der rauhen Ränder auf und damit allgemach auch das Runden der Rücken, wodurch die äußere Form des Buches eine gefälligere wurde. Die gewöhnlichen Handschriften in den Klosterbibliotheken hatten anfangs nur Pergamentumschläge, die zu beiden Seiten lang genug waren, um über einander geschlagen werden zu können. Die hintere Seite lief dann meist in eine Spitze, eine Art dreieckiger Klappe aus, an welche wohl auch Bänder oder Riemchen genäht waren, um das Ganze mehrmals umschlingen und zubinden zu können (Fig. 1).
Den Übergang von diesen weichen Bänden, welche bis ins[5] 15. Jahrhundert hinein üblich waren, zu den späteren, mit seitlich überstehenden Holzdeckeln versehenen, bezeichnet eine Art Schutzdecke, die noch in vielen Beispielen aus dem 15. Jahrhundert erhalten ist. Der Band ist auf Lederbünde geheftet, an denen vorher mit Leder eingefaßte Deckel befestigt sind. Der äußere Lederbezug ist jedoch nicht nach innen eingeschlagen, sondern steht nach allen Richtungen soweit über, daß er die Bogenränder — Schnitt darf man wohl noch nicht sagen — völlig deckte. Zur besseren Befestigung ist er an den eingefaßten Kanten festgenäht (Fig. 2).
Wir sehen also schon eine ganz merkliche Veränderung, während der leitende Gedanke — Schutz gegen eindringenden Staub — derselbe blieb. Bei dieser Gelegenheit sei auch des Buchbeutel gedacht. Ähnlich wie der eben erwähnte Band gestaltet, zeigt diese Einbandform nur darin einen Unterschied, daß das überstehende Leder am Unterschnitte soweit verlängert ist, um am Ende zusammengefaßt und in einen Knoten verschlungen werden zu können; dieser Knoten trug einen Metallring zum Anhängen an den Leibgurt.
Wir kennen eine ganze Reihe von bildlichen Darstellungen des Buchbeutels auf Gemälden, Miniaturen, an Holzschnitzereien etc., doch sind in Wirklichkeit nur fünf Buchbeutel bis jetzt bekannt, von denen der schönste in[6] Nürnberg (Anzeiger d. Germ. Mus. 1862, Spalte 324) die anderen in München, Nürnberg, Frankfurt a/M. (v. Bethmann) und in Düsseldorf sich befinden.
In der Folge fiel dies überstehende Leder weg; es wird glatt um die Kanten her geschlagen, ja es ist wohl möglich, daß man von den Buchbeuteln selbst das Überstehende abschnitt, sofern keine Veranlassung mehr vorlag, das Buch als fahrende Habe mit sich zu führen. Damit sind wir denn bis zu der Form des Einbandes gekommen, die im großen ganzen noch heute im Gebrauch ist.
Älteste Einrichtung der Lagen. — Aufthun. — Aus dem Falz schlagen. — Planieren. — Flicken. — Falzen. — Karton. — Kleben. — Einpressen.
Zu der Zeit, wo die Herstellung der Handschriften hauptsächlich in Klöstern von schreibkundigen Mönchen, die nicht selten auch Künstler waren und die Schrift mit buntem Zierat, Initialen und Miniaturen versahen, betrieben wurde, blieb auch die Sorge für den Schutz der Handschrift durch eine Umhüllung dem handwerklichen Geschick der Klosterbrüder vorbehalten.
Der handwerksmäßige Betrieb der Buchbinderei begann naturgemäß erst mit der Erfindung des Buchdruckes. Die gedruckten Bogen kamen, wie es noch heute der Fall ist, roh (in albis) zum Buchbinder. Da man die Glättpresse nicht kannte, mußte der Buchbinder zunächst das durch den Druck rauh gewordene Papier glätten. Er bediente sich dazu des »Schlaghammers«. Der technische Ausdruck für diese Vorarbeit war: Aus der Lage schlagen oder Aus dem Falz schlagen. Von der Mitte beginnend wurde die Lage Schlag an Schlag nach dem Rande zu behandelt. Dadurch setzte sich der Druck und das in der Mitte stärkere (Bütten-) Papier wurde kräftig zusammengeschlagen und eine gleichmäßigere Stärke erzielt. Der eiserne Schlaghammer hatte bis zu zwölf Pfund[8] Gewicht. Als Unterlage für die Papierlage diente ein Steinblock, dessen obere Fläche geschliffen war. In Ermangelung dessen benützte man wohl auch Gußplatten, die in einem Holzklotz eingelassen waren. Noch heute sind Schlaghammer und Schlagstein vielfach angewendete Werkzeuge, wenngleich sie durch die glatten und fest satinierten Maschinenpapiere und durch zweckmäßige Maschinen fast ganz entbehrlich geworden sind.
Eine andere vorbereitende Arbeit war das jetzt nur noch ausnahmsweise vorkommende Planieren der rohen Druckbogen, eine Arbeit, die dem Schlagen vorhergehen muß. Die Druckpapiere waren früher ungeleimt, hauptsächlich wohl aus dem Grunde, weil ungeleimtes Papier die Druckfarbe leichter annimmt. Um solchem Papiere besseren Halt und »Griff« zu geben, wird es vor dem Binden mit kochendem Leimwasser durchtränkt, welches, um das Aneinanderkleben der Bogen zu verhüten, während des Kochens einen Zusatz von Alaun erhält, was das Verseifen des Leimes zur Folge hat.
Außer dem Alaun wurden dem Planierwasser auch wohl noch andere Stoffe zugesetzt, wie Eisenvitriol oder eine Coloquintenabkochung, wodurch dem Wurmfraß, der namentlich im Orient zerstörend auftritt, vorgebeugt werden sollte — schwerlich mit Erfolg.
Das beste Planierwasser für Druckpapiere besteht aus ½ Pfd. Leim (besten hellen Kölnischen) der mit Wasser 24 Stunden eingeweicht und abgekocht wird, nebst 4 Liter kochendem Wasser. Damit alle Unreinigkeiten ausgeschieden werden, wird das Leimwasser durch grobes Sackleinen oder ein Haarsieb gegossen, in welches vorher ½ Pfd. Alaun geschüttet wurde. Durch diese Lösung wird das bedruckte Papier Lage um Lage, jede etwa 5 Bogen dick durchgezogen oder einige Zeit eingelegt, bis es sich vollgesaugt hat. Das Gefäß, in dem sich das Leimwasser befindet, soll flach sein und nicht aus Eichenholz, da dieses Holzsäure abgiebt, die dem Papier einen gelben Schein erteilt. Das Beste bleibt für alle Fälle eine große Mulde von Holz oder Metall, wie sie von den Fleischern benützt wird.
Sind alle Druckbogen planiert, so werden sie durch Auspressen von dem überflüssigen Wasser befreit. Nachdem man oben und unten abgängige Papiere zum Schutze vorgelegt hat, bringt man die feuchten Bogen auf das sogenannte Planierbrett. Dies ist ein starkes Brett, welches ringsumher mit Leisten versehen ist, die den Zweck haben, das wiederholt naß werdende Brett gegen das Ziehen zu schützen, und dazu dienen, das beim Pressen heraustretende Wasser zu sammeln, das dann an einer hierfür bestimmten Öffnung abgelassen wird. Das Brett hat eine Größe von etwa 40 zu 60 cm. Das Auspressen des Wassers geschieht mittels der Stock- oder Handpresse. Seit ältester Zeit, solange man überhaupt die Arbeit des Pressens verfolgen kann, kennt man die große Stockpresse genau[9] in der Anordnung, wie sie zum Keltern benützt wurde, und die kleinere Handpresse. Erstere besteht aus zwei starken Brettern die mittelst einer Hebelstange zusammengepreßt werden. Die Handpresse besteht aus zwei Pressbalken, die vermittelst Muttern, welche auf Spindeln drehbar sind, zusammengeschraubt werden. (Fig. 4.) Zu der Handpresse gehört dann noch der Pressbengel, eine Handhabe zum Anziehen oder zum Öffnen der Muttern.
Neuerdings wird auch die große Stockpresse, aber in Eisen ausgeführt, wieder mehr zur Anwendung gebracht; jede Maschinenfabrik, die Buchbinderwerkzeugmaschinen fertigt, liefert diese Pressen je nach der auszuübenden Kraft mit zwei oder vier Säulen.
Will man irgend etwas einpressen, so muß das zu Pressende zwischen Brettern liegen, die je nach der Größe als Median-, Folio-, Quart-, Duodez- oder Sedezbretter bezeichnet werden. Von jeder dieser Sorten unterscheiden wir, je nach dem Gang der Faser, Länge- oder Querbretter. Alle Preßbretter sollen aus Birnbaum, Ahorn oder Buche sein. Keines der weichen Hölzer eignet sich für diesen Zweck, ebensowenig Holz mit sehr harten Jahresringen, wie etwa Eichenholz sie aufweist. Die Preßbretter haben stets den Zweck, etwas eben und glatt zu pressen, und aus diesem Grunde sollen sie selbst glatt und eben sein. Deshalb ist bei der Behandlung dieses Werkzeuges alle Vorsicht nötig, um die ursprüngliche Glätte der Fläche zu erhalten.
Hat man nun planierten Druck einzupressen, so ist es nicht zu vermeiden, daß hierbei die Preßbretter durchnäßt werden, daß Papierreste, Leim oder andere Unreinigkeiten sich daran festsetzen. Deshalb ist es zweckmäßig, für diese Arbeit besondere Preßbretter bereit zu halten, um die anderen zu schonen. Man achte beim Einpressen mit der Handpresse darauf, daß die Richtung der Preßbalken sich mit der der Faser der obersten Bretter kreuzt, da andernfalls die Bretter springen oder gar brechen würden.
Preßt man den planierten Druck oder das Planier in einer Stockpresse aus, so genügt es, das oben beschriebene Planierbrett unten in die Presse zu setzen, die planierten Bogen mitten darauf aufzuschichten, ein Planierpreßbrett oben aufs Ganze zu legen und[10] nun fest zuzudrehen. Mit der Handpresse wird es freilich etwas umständlicher; da wird das nasse Planier ebenfalls in derselben Weise geschichtet, jedoch nicht in die Presse gehoben, wie wir dies später bei anderen Arbeiten sehen werden, sondern das Ganze zieht man etwas über die Tischkante vor und setzt die geöffnete Holzpresse so an, daß ein Balken unter, der andere über das Einzupressende zu liegen kommt, und nun zieht man mittelst des Preßbengels nach und nach abwechselnd beide Schraubenmuttern an, die man vorher leicht mit der Hand angedreht hatte. Neigt man nun die Presse ein wenig nach der Seite, an der im Unterlagsplanierbrett die Wasserausflußöffnung ist, so kann man dieses nach Belieben in einen untergestellten Topf oder eine Schüssel auslaufen lassen.
Nun erübrigt noch das Trocknen des nassen Druckes. Dies geschieht auf Schnüren oder auf dreieckigen Latten, auf welche die Bogen, ebenfalls in 4⁄6 Blatt starken Lagen aufgehängt werden. Früher hing der Buchbinder solchen nassen Druck in seiner Werkstatt auf. Die Folge war, daß ihm dabei das Werkzeug verrostete, und er selbst nebst seinen Arbeitern sich jedesmal einige Tage recht unbehaglich fühlte. Heute, wo diese Arbeit zur Seltenheit geworden ist, wird man auf einem Bodenraum gewiß einen Platz erübrigen können, auf dem sich einige Schnüre zum Aufhängen der Bogen spannen lassen.
In der Zeit, als man noch sehr viel Planier zu trocknen hatte, verwendete man Planierleinen aus gesponnenen Pferdehaaren, welche die Feuchtigkeit nicht annehmen und sehr leicht sauber zu halten sind, während Hanfleinen sehr häufig gewaschen werden müssen, wenn man dunkle Streifen auf dem Papier vermeiden will. Waren die Leinen niedrig gespannt, so hing man den nassen Druck über den linken Arm, löste mit der rechten Hand eine Lage um die andere ab und hing sie so auf, daß jede Lage das Ende der vorhergehenden ein wenig deckte; dies hatte seinen guten Grund darin, daß man nach dem Trocknen die Lagen von einem Ende nach dem andern, auf jeder Leine zusammenschieben konnte. Bei hochgespannten Leinen, die mit der Hand nicht zu erreichen sind, bediente man sich des Planierkreuzes, einer auf einer Stange rechtwinklig befestigten oben gerundeten Latte, mit welcher die Lagen emporgehoben und auf die Leine niedergelassen wurden.
Wenn sich beim Aufhängen herausstellt, daß einzelne Bogen nicht völlig vom Wasser durchtränkt sind, so müssen diese sofort ausgemerzt und in siedend heißes Wasser gelegt werden. Andernfalls würde sich auf der Wassergrenze ein Fleck bilden, abgesehen davon, daß das nicht gefeuchtete Stück des Papieres ungeleimt bliebe und leicht mit anderen Bogen zusammenklebt. Das kochende Wasser zieht den Leim wieder aus dem Papier heraus; es versteht sich von selbst, daß solche Bogen getrocknet und die Arbeit des Leimens[11] wiederholt werden muß. Häufiger als dieser Fehler kommt das Zerreißen der feuchten Bogen vor, und diese zu flicken ist nicht angenehm. Etwas gut und unauffällig zu flicken ist eine besondere Kunst, die große Geduld und peinliche Sauberkeit erfordert, Zweckmäßig ist es immer, den Druck nach dem Trocknen zu flicken, weil man dann sauberer arbeiten kann, die einzelnen Stücke auch besser trocken als naß zu handhaben sind. Man unterscheidet zwei Arten des Flickens: das Übereinandersetzen und das Anstoßen mit aufgelegtem Papier. Die erstere Art ist die beste, da man nachher fast nichts oder doch nur wenig bemerkt, wenn man sauber gearbeitet hat; leider kann man dies nur dann thun, wenn die Art des Schadens es gestattet. Ist ein Riß erfolgt, so daß die getrennten Teile gewissermaßen von einander geschält sind, daß also jeder Teil etwas auf den anderen übergreift, so wird jeder der beiden Teile mit ganz sauberem Kleister und vermittelst eines sauberen Falzbeines auf der Bruchstelle dünn, oder, wie der Fachmann sagt, »mager« angeschmiert, die beiden Teile genau auf einander gepaßt und in der Weise angerieben, daß man ein sauberes Blatt Papier unter, ein eben solches über die geflickte Stelle legt und nun mit den Fingerspitzen das Ganze, insbesondere die Bruchstelle vorsichtig anreibt. Keinesfalls darf man aber mit einem Falzbein anreiben; dies würde den Kleister aus den Fugen heraustreiben und die Flickarbeit von vornherein unsauber erscheinen lassen.
Nehmen wir nun den weniger günstigen Fall an, daß der Bruch glatt durchgeht, glücklicherweise aber an der Bruchstelle das Papier auf beiden Seiten unbedruckt ist, so kann man auf dieser unbedruckten Stelle sehr wohl einen Papierstreifen aufkleben, nachdem die beiden Bruchkanten etwas kräftigen Kleister erhielten und genau zusammengestoßen wurden. Nun ist es freilich unzulässig, auf diesen Riß einen Streifen Papier fest aufzukleben; man hilft sich aber dadurch, daß man ein Stückchen Papier, möglichst genau in Stoff und Farbe passend, über den zusammengestoßenen Bruch und darüber ein sauberes Makulaturblatt legt, und nun das Ganze mit den Fingern anreibt. Der Erfolg wird sein, daß der Kleister nicht allein die Bruchstelle des Papieres zusammenhält, sondern daß auch das Streifchen Papier an der geflickten Stelle noch teilweise haften bleibt. Nach dem völligen Abtrocknen reißt man dies Blättchen vorsichtig ab, und zwar so, daß das Papier selbst sich spaltet und nur einzelne Fasern des Stoffes haften bleiben, gerade hinreichend, um die schadhafte Stelle entsprechend zu verstärken. Auch wenn das Papier an der Bruchstelle auf beiden Seiten bedruckt ist, kann man ähnlich verfahren, muß aber Seidenpapier zum Auflegen nehmen, das man nach dem Trocknen sehr vorsichtig abreißt.
Wir haben nun das Planier trocken und wollen es, damit es sich besser falzt, einige Zeit fest einpressen, nachdem wir selbstverständlich[12] alle Bogen recht gleichmäßig, faltenlos und eben übereinander geschichtet haben. Da haben wir denn vollauf Muße, über das »Schlagen«, von welcher Arbeit wir den Abstecher zum Planieren machen mußten, noch einige Bemerkungen zu machen.
Wir unterscheiden das leichte Schlagen oder »Pumpen« und das eigentliche Schlagen. Ersteres hat den Zweck, das Papier nur obenhin und im großen Ganzen auf eine geringere Dicke zu bringen. Die Lagen können deshalb stärker sein als im anderen Falle. Von dem eigentümlich hohlen Geräusch hat diese Arbeit auch wohl den Namen erhalten. Will man aber dem Papier schärfer zu Leibe gehen und soll die Dicke desselben gehörig beschränkt werden, dann muss man es in wesentlich dünnere Lagen abteilen. Dies geschieht aber erst nach dem Falzen; wir verschieben daher das nähere Eingehen darauf bis nach dieser Arbeit und nehmen zunächst unsere Druckbogen wieder aus der Presse.
Ziehen wir irgend einen Bogen aus einem Druckwerk heraus, so finden wir meist oberhalb des Textes die Seitenzahlen angegeben. Es würde aber dem Buchbinder einige Schwierigkeiten machen, aus den Seitenzahlen sogleich die als erste Seite des Bogens bezeichnete herauszufinden und demgemäß den Bogen in richtiger Seitenfolge zu falzen. Deshalb ist in der sogenannten Signatur, die der Setzer anbringt, eine Einrichtung getroffen, welche das vordere Blatt eines jeden Bogens sofort erkennen läßt. Der aufmerksame Arbeiter wird also nicht leicht »verfalzen« können. Die Signatur zeigt die Reihenfolge der Bogen mit 1, 2, 3 u. s. w. oder (früher) mit Buchstaben a, b, c etc. am Fuße der Seite rechts an und die Zahl des ersten Blattes wiederholt sich, mit einem Stern versehen, auf dem zweiten Blatte (die sog. falsche Signatur) an derselben Stelle.
Faltet man ein leeres Blatt Papier zusammen, so wird man Kante auf Kante richten. Bei bedrucktem Papier ist dies anders; der weiße Rand ist für den Falzer völlig Nebensache, seine Aufgabe ist vielmehr, die einzelnen Kolumnen des Druckes, d. h. die von dem Letternsatz eingenommenen Flächen, genau auf einander zu bringen, so daß sie sich, wenn man sie gegen das Licht hält, decken. Zu dem Ende legt man die zu falzenden Bogen in einem nicht zu dicken Stoße mitten vor sich auf den Werktisch und zwar so, daß die rechte Signatur oben links auf der Unterseite, die falsche Signatur oben rechts auf der Oberseite der Falzlage sich befindet. Die rechte Hand, welche zugleich ein Falzbein führt, greift den Bogen am rechten Rande etwa in der Mitte und schlägt denselben so nach links zusammen, daß die Ränder einander etwa gleich stehen. In dem Augenblicke aber, wo die rechte Hälfte des Bogens links ankommt, greift die Linke so zu, daß der Zeigefinger zwischen die Blätter in der Nähe der Kolumnenecken zu liegen kommt, während Daumen und Mittelfinger von außen zu[13]fassen, den Bogen etwa in Augenhöhe bringen und hier so richten, daß die Kolumnen sich ganz genau decken; bei dieser Arbeit hilft die Rechte durch Hin- und Herschieben der beiden Bogenhälften nach, ohne das Falzbein fortzulegen (Fig. 5). Sind die Kolumnen in richtiger Lage, so legt man den Bogen nieder, und während die Linke denselben noch hält, streicht die Rechte den zu bildenden Bruch kräftig und mit einem sicheren Strich nieder, und zwar von unten nach oben, indem das Falzbein mit der Spitze etwas schräg nach links oben gerichtet gehalten wird (Fig. 6). Damit sich die Bogen leicht aufgreifen lassen, streicht man über den Stoß dann und wann mit dem Falzbein halbrechts aufwärts, wodurch sich die obersten Bogen in dieser Richtung etwas über die anderen hervorschieben, so daß die Rechte sehr wohl, ohne daß die Augen folgen, den jeweiligen obersten Bogen greifen kann. Dies wäre das erste »Tempo«, um mit unseren deutschen Unteroffizieren zu reden, und es wäre wirklich nicht übel angebracht, diese Arbeit, die mit einiger Übung ungemein rasch auszuführen ist, in völlig militärischem Sinne »nach Zählen blind geladen« zu erlernen; einstweilen aber wollen wir uns bemühen, die zweite Bewegung zu machen und den Bogen fertig zu falzen.
Indem man das Falzbein in der Gegend des Mittelsteges unter[14] den eben gemachten Bruch schiebt, ergreift man den Bogen mit Falzbein und Zeigefinger, und zwar so, daß man mit einer kurzen Drehung der Hand den Bogen zwischen Zeigefinger, Daumen und Mittelfinger fassen kann, oder besser gesagt, daß die beiden letzteren in dem Bogen um den ersteren herum einen Bruch formen können (Fig. 7). In diesem Augenblicke faßt die linke Hand mit dem Daumen den Bogen auf der anderen Seite, schlägt ihn gemeinschaftlich mit der Rechten zusammen, zieht denselben aber mit einem kurzen Griff nach dem Körper des Arbeiters zu, während die Rechte ihre Seite hochhebt und in Augenhöhe bringt, um die Seitenzahlen genau auf einander richten zu können. Es geschieht dies, indem das Auge von oben in den Bogen hineinsieht. Die Linke hat inzwischen den unteren Teil des Bogens verlassen und mit dem Zeigefinger zwischen dem Daumen und Mittelfinger außen am oberen Rande zugegriffen, um in derselben Weise, wie beim ersten Bruche beim Richten behilflich zu sein. Decken sich die Seitenzahlen genau, so werden noch die beiden oberen Kanten des Bogen genau aufeinander gerichtet, um in dieser Weise mit dem ersten Bruche einen genauen rechten Winkel herzustellen (Fig. 8). Der Bogen wird nun, wie oben, auf die Tafel niedergelegt und der Bruch von oben nach unten niedergestrichen, indem man das Falzbein mit der Spitze etwas nach links unten seitwärts hält. Bei Quartformat (8 Seiten) ist damit[15] die Falzarbeit beendet, während bei Oktavformat (16 Seiten) sich die letzterwähnte Bewegung noch einmal wiederholt. Es sei dazu bemerkt, daß sich namentlich bei kräftigem Papier leicht die Luft in den zuerst zusammengefalteten Seiten fängt und bei raschem Niederstreifen dann Quetschfalten in dem Papier entstehen. Diesem Übelstande muß der Arbeiter durch Vorsicht zu begegnen suchen.
Der fertig gefalzte Bogen wird mit der linken Hand nach links beiseite gelegt, und zwar in derselben Lage, in der er sich zuletzt befand, also mit dem Rücken nach rechts, die Seitenzahlen oben. Waren die Druckbogen vor dem Falzen schon in Exemplaren kompletiert oder geordnet, so müssen sie umgekehrt, also auf dem Kopf stehend, doch ebenfalls mit dem Rücken nach rechts liegend weggelegt werden, anderenfalls würden die Bogen von hinten nach vorn gelegt erscheinen und müßten nachträglich neu geordnet werden.
Neuerdings wird die Falzarbeit auch mittelst Maschinen verrichtet; doch hat die Maschine die Menschenhand bei dieser Arbeit noch nicht voll ersetzen können, weil ihre Bedienung besondere Aufmerksamkeit erfordert und sie in Bezug auf Schnelligkeit der Arbeit einen geübten Falzer nur um weniges überholt.
Verhältnismäßig selten werden heutzutage kleinere Formate als Oktav-Größe gedruckt. Bei Duodez sind noch 8 Kolumnen (4 Blatt) mehr angedruckt, welche abgeschnitten und in den Bogen eingesteckt werden müssen. Entweder muß man zu diesem Zwecke den angedruckten Teil mit einem Bruch umfalzen oder, wie man zu sagen pflegt, »abbiegen« und mit dem Messer abschneiden, oder aber man nimmt die Bogen »auf Nadeln« und schneidet danach den betreffenden Teil ab. Zwischen Hauptbogen und Einsteckbogen befindet sich beiderseits je eine durchstochene Stelle, die sogenannte Punktur, welche die Druckpresse beim Durchziehen der Bogen über die Walze hervorbringt. Legt man den Bogen auf den Tisch oder ein Brett, und schlägt durch jedes der beiden Punkturlöcher eine kräftige Nadel senkrecht ein, so ist man sehr wohl im stande, alle Bogen ganz genau dem Drucke nach aufeinander zu bringen, wenn man sie einzeln auf diese Nadeln mit den Punkturen »aufsteckt«. Hat man in dieser Weise eine entsprechende Anzahl — etwa 50 Stück — so können mit scharfem Messer am eisernen Lineal her die Einsteckbogen sämtlich mit einem Schnitt vom Hauptbogen abgetrennt werden. Beide Teile werden nun für sich gefalzt, der kleinere in den größeren, oben genau gleich gerichtet eingesteckt.
Über das Schneiden mit dem Messer sind hier noch einige erläuternde Bemerkungen zu machen.
Man benutzt hierzu fast ausschließlich sogenannte Papier- oder Buchbindermesser. Das Messer wird dicht an dem aufgelegten eisernen Lineal hergeführt, und zwar neigt man dasselbe mit dem Stiel soweit nach hinten, daß dessen Achse mit der Fläche des[16] Papieres etwa einen halben rechten Winkel bildet, während die Klinge selbst senkrecht steht. Man achte besonders darauf, daß man das Papier nicht schräg unterschneidet, wodurch man einmal einen faserigen und welligen Schnitt erhalten, dann aber auch die zu unterst liegenden Blätter mehr oder weniger neben der beabsichtigten Stelle zerteilen würde. Eiserne Lineale sind am meisten üblich; hölzerne, nicht zu dünne Schienen haben den Vorteil, daß sie fester auf dem Papier aufliegen und leichter sind, dagegen den Nachteil, daß sie dem Messer kaum einen Widerstand entgegenstellen und öfter abgerichtet werden müssen. Als Unterlage dient ein sogenanntes Schneidebrett von Birnbaum, Ahorn oder Weißbuchenholz. Alle weichen oder mit groben Adern versehenen Hölzer sind ungeeignet. In neuester Zeit sind auch Zinkplatten als Unterlage in Gebrauch gekommen.
Beim Falzen kommt es sehr häufig vor, daß der Buchbinder genötigt wird, die Fehler anderer zu verbessern; dies ist z. B. der Fall bei ungenau angelegten (»überdruckten«) Bogen. Am besten würde jeder schief gedruckte Bogen ausgeschieden; wo dies nicht angeht, muß man durch ein vermittelndes Zusammenfalzen den Fehler möglichst wenig sichtbar werden lassen, indem man die Richtungspunkte — Seitenzahlen oder Kolumnenecken — so aufeinander richtet, daß die passende Zahl genau zwischen die beiden nicht auf-, sondern nebeneinander stehenden gerichtet wird. Ist der Bogen sehr arg überdruckt, so zerschneidet man denselben in 4 Teile, falzt jedes Blatt besonders und steckt dieselben nach der Zahlenfolge genau ineinander.
Eine andere Korrektur, die dem Buchbinder zufällt, ist der Karton, d. h. ein besonders oder an den letzten, bez. den Titel-Bogen angedrucktes Blatt, das als Ersatz für ein anderes in dem Werke befindliches Blatt dient, dessen Entfernung wegen eines Fehlers oder aus irgend welchem Grunde dem Verfasser oder Verleger wünschenswert erscheint. Ist der Karton auf einzelne oder, wie gewöhnlich, auf Doppelblätter gedruckt, so werden diese entweder aufgenadelt oder zusammengefalzt und mit dem Messer am Lineal her durchgeschnitten. Ist der Karton an den letzten Bogen angedruckt, so muß er nach dem Falzen desselben abgeschnitten werden. Um die Kartonblätter nun an ihre Stelle einzukleben, schmiert man etwa je 20, nachdem man sie aufgeschoben hat, auf einmal am Rücken ganz schmal mit Kleister an. Das Aufschieben, d. h. ein terrassenförmiges Übereinanderlegen der Blätter, wird auf einfache Weise dadurch bewirkt, daß sie mit der Spitze eines Falzbeines quer über die Kante her wiederholt gestrichen werden; die obersten Blätter ziehen sich zuerst nach rückwärts und die anderen folgen alsbald nach. Man legt nun ein Blatt Makulatur vor und schmiert mit Kleister die Ränder, die in keinem Falle breiter als etwa je 2 bis 3 mm aufgeschoben sein dürfen, gut an. Der Pinsel soll dabei ebenfalls nur quer über die Blattränder, aber nie parallel mit den[17]selben geführt werden, da sonst Kleister zwischen die Blätter kommen würde. Damit nun während der Fortsetzung der Arbeit die angeschmierten Blätter mit den Rändern nicht aneinander kleben, macht man noch einige Striche mit dem Falzbein auf dem obersten Blatte nach hinten; durch diesen Handgriff gehen die Blätter ganz wenig auseinander, so daß sich die Kleisterränder nicht mehr berühren und nicht zusammenkleben können. Beim Anschmieren legt man die Blätter an die vordere Tischkante; ist dies geschehen, so werden sie zur weiteren Behandlung herumgedreht, so daß die Kleisterränder nicht mehr dem Arbeiter zugewendet sind, sondern nach hinten zu liegen kommen. Nun wird Blatt für Blatt ergriffen und an den betreffenden Bogen geklebt, aus dem vorher das Fehlblatt unter Zurücklassung eines kleinen Fälzchens, an welches der Karton anzukleben ist, herausgeschnitten wurde. Bei der Arbeit liegt mitten vor dem Arbeiter das, worauf man zu kleben hat, rechts liegen die angeschmierten Blätter und links werden die fertig geklebten Bogen »abgelegt«. Dies ist die Formel, nach der in allen Fällen verfahren wird, ob wir nun einen Karton zu kleben oder Teile eines Bogens anzufügen haben, wie überhaupt das Arbeiten von rechts nach links überall notwendig ist, besonders da, wo mehrere Personen sich gegenseitig in die Hand arbeiten müssen.
Hat man ein einzelnes Blatt ein- oder anzukleben, so legt man es an die Tischkante und ein Blatt Papier so darüber, daß ein schmales Rändchen stehen bleibt. Den Kleister trägt man dann mit dem Finger auf, und zwar mit dem rechten Mittelfinger, nicht mit dem Zeigefinger, den man zum Zugreifen bereit und deshalb von Kleister freihalten muß.
Nicht alle Druckwerke schließen mit ganzen Bogen glatt ab, sondern häufig finden sich am Anfang, besonders aber am Ende auch halbe und Viertel-Bogen, ja einzelne Blätter. Alle einfachen Blätter müssen angeklebt werden, ebenso die Doppelblätter, wenn das verwendete Papier nicht so stark ist, daß sie ohne Schaden mitgeheftet werden können.
Haben wir den rohen Druck gefalzt, so werden die Bogen fest eingepreßt, damit sich die Brüche gehörig niederdrücken, und die einzelnen Blätter gut aufeinandersetzen. Überhaupt darf man keine Gelegenheit, die halbfertigen Bücher einzupressen, ungenützt vorübergehen lassen, wenn man auf gute und schöne Arbeit Anspruch erheben will.
Vor dem Einpressen werden die Bogen selbstverständlich gleichgestoßen, indem man je einen Packen am Oberschnitt und dann am Rückenbruch auf den Tisch aufstößt. Es ist ratsam, die Päcke nicht zu groß zu nehmen; der Anfänger sollte zunächst nur 10 Bogen zusammen aufstoßen und danach je 5–6 Päcke wieder zusammen geradestoßen. Auch ist darauf zu achten, daß nicht einzelne Bogen[18] stecken bleiben, was bei dünnem Papier leicht der Fall sein kann; diese müssen dann vorgezogen und mit den anderen geradegerichtet werden. Vor dem Geradestoßen werden die Bogen, je nach der Dicke derselben, zu je 50 oder je 100 abgezählt.
Wir haben die Bogen nun packweise zwischen je zwei Bretter, beziehungsweise zwischen je zwei Päcke ein Brett zu bringen, und dürfen dabei so viel übereinander schichten, als wir glauben in die Presse bringen zu können. Die Presse wird rechts neben uns so auf den Tisch gestellt, daß der eine Spindelkopf ein wenig über die Tischkante hervorragt, die Balken der Presse etwa im rechten Winkel mit der Richtung des Tisches zu stehen kommen, und die Presse ein wenig nach vorn neigt. Die rechte Hand hebt den oberen Balken, in der Mitte desselben zugreifend, hoch, die linke hebt den einzupressenden Bücherstoß samt den Brettern in die Presse.
Nun werden die Muttern so weit mit der Hand zugedreht, daß ein Herausfallen des Stoßes nicht mehr zu befürchten ist; alsdann wird die Presse vom Tische gehoben, zwischen die Beine genommen und mit dem Preßbengel (s. o. Seite 9) fest angezogen. Bei schweren oder hohen Stößen muß ein zweiter Arbeiter den Preßbalken »aufhalten« und beim Einpressen zur Hand gehen.
Daß oben und unten Querbretter vorliegen müssen, ist schon erwähnt worden. (S. Seite 9.)
Das »Auspressen«, d. h. das Herausnehmen der eingepreßten Stöße aus der Presse, ist eine ziemlich einfache Arbeit.
Die Presse nebst Inhalt wird, nachdem man die Muttern etwas gelockert hat, auf Tischhöhe gehoben und mit dem unteren Preßbalken so quer an die Tischkante angesetzt, daß der eingepreßte Stoß auf derselben aufsteht. Die Muttern werden nun mit der Hand ganz aufgedreht, der Stoß mit der Brust durch die Presse durch ganz auf den Tisch geschoben und mit der Linken gehalten, während die Rechte die Presse zur Erde stellt.
Immer aber bedenke man, daß Einpressen vor Auspressen geht, denn
gut gepreßt, ist halb gebunden.
Karten, Tafeln, durchgehende Bilder, Atlanten. — Zusammentragen, Kollationieren. — Schlagen, Walzen. — Liniaturen. — Alte Bücher, Ausflicken und Reinigen.
Außer den Textbogen enthalten bekanntlich viele Bücher auch noch Bilder, Tafeln, Karten und dergleichen Zugaben, die man schlechtweg als Kupfer bezeichnet, gleichviel ob es sich um wirkliche Kupferstiche oder um auf andere Art hergestellte Blätter handelt.
Diese Kupfer erfordern ihre besondere Behandlung, bevor das Buch zum Heften vorbereitet ist.
Die einzelnen Kupfer werden zunächst passend geschnitten und, wenn sie ihren Platz im Text haben sollen, im Rücken schmal eingeklebt. Ist das Papier sehr kräftig, so werden sie vorher an einen festen Papierfalz angehängt, der dann in den Rücken eingefügt wird. Bilder am Anfang und Ende eines Buches sollen nie angeklebt, sondern bei gewöhnlichen Banden »umgehängt«, bei feineren Bänden in einer besonderen Weise mit der ersten Lage verbunden werden, von der später die Rede sein wird. Doch sehen wir uns zuerst die Tafeln selbst an. Nach Form und Aussehen verschieden, lassen sie sich in folgende Arten einteilen, in Tafeln mit einfachen rechteckigen Bildern in Hochformat, mit desgleichen in Querformat, mit Bildern in doppelter Breite, sogenannten durchgehenden Bildern, mit Bildern unregelmäßiger Form (anatom. Darstellungen, Maschinen etc.), mit Bildern, Karten oder anderen Darstellungen, welche über das Format des Buches hinausgehen und diesem erst angepaßt werden müssen.
Einfache Tafeln in Hoch- oder in Querformat werden dem Texte so angepaßt, daß die Ränder des beschnittenen Buches genau parallel mit den Rändern des Bildes laufen, jedoch mit der Maßgabe, daß der Raum im Rücken, also der innere weiße Steg (Rand) etwa um ⅓ weniger breit ist als der äußere, der obere ebenfalls etwa um [20]⅓ weniger breit als der untere.[1] Zu diesem Zwecke ist es notwendig, die Höhe und die Breite des Textes je auf einen Streifen Papier zu übertragen; hat man viele Karten in ähnlicher Größe, so ist ein Streifen Karton oder ein dünnes hölzernes Lineal dazu sehr geeignet. Diesen Maßen entsprechend werden die Karten auf Größe abgerichtet. Man berechnet genau, wie breit später das Buch beschnitten werden muß, überträgt rechts und links vom Breitenmaß, oberhalb und unterhalb vom Höhenmaß die Breite des weißen Randes ebenfalls auf den Maßstab, so daß in dieser Weise jetzt die genaue Höhe und Breite des Bildes festgestellt ist mit den Vormerkungen für die Textgröße im Werke. Diesem Maße entsprechend wird das Bild abgestochen, d. h. abgemessen und das Maß mit einer Zirkel- oder Messerspitze angedeutet. Zu diesem Zwecke legt man den Maßstreifen mitten quer, bezw. auch in der Höhe quer über das Bild. Am Rücken wird das Maß zweimal übertragen, einmal oben und einmal unten und diesem entsprechend das Bild abgeschnitten; oben genügt eine Marke, die Tafel wird hier einfach winkelig geschnitten; vorn und unten läßt man die Ränder stehen, da das Kupfer beim Beschneiden des ganzen Buches mitbeschnitten wird. Bei Hochformat ist die Lage, in der das Bild ins Buch kommt, von selbst gegeben, bei Querformat muß der untere Rand nach dem Schnitt, der obere nach dem Rücken zu gerichtet werden. Ebenso pflegt man, abgesehen von dem Titelkupfer, jedes Bild in das Buch recto einzufügen, d. h. es deckt im aufgeschlagenen Buche die rechte Seite.
Haben die Bilder doppelte Breite, also die Größe des aufgeschlagenen Buches, so werden sie dem Rande gemäß genau in der Mitte zusammengefalzt und nur oben auf Größe abgestochen; sie erhalten einen Papierfalz, mit dem sie in den Rücken eingefügt werden.
Am unbequemsten ist die Behandlung solcher Beigaben, welche wesentlich größer sind als das Format des Buches, und es lassen sich nicht einmal genaue Regeln für jeden einzelnen Fall vorschreiben. Nur vier Punkte sind es, die unter allen Umständen beachtet werden müssen. Erstlich darf der Spiegel der zusammengebrochenen Karte, bez. Zeichnung und Schrift beim Beschneiden nirgends vom Schnitt getroffen werden; zweitens sollen nie mehr Brüche gemacht werden, als unumgänglich nötig sind; drittens soll die durch das Zusammen[21]brechen gebildete Lage überall möglichst gleichdick sein; viertens soll in dem beschnittenen Buche von einer zusammengefalteten Beigabe möglichst wenig am Rande bemerkbar sein. Es erhellt hieraus, wie schwierig es ist, große Karten auf Buchgröße abzurichten, ohne daß beim Beschneiden ein Unglück passiert. Zum Glück bemühen sich die Verleger heutzutage um des besseren Aussehens willen alle Beigaben zu dem Texte so einzurichten, daß sie sich dem Formate des Buches bequem anschließen.
Eine Tafel, die in der Höhe oder in der Breite nur wenig über das Format hinausgeht, wird an dem unteren Ende, oder an der Vorderseite nur so viel eingeschlagen, als nötig ist, um beim Beschneiden nicht getroffen zu werden. Steht eine Karte nach beiden Richtungen über, so wird erst der untere Teil umbrochen, dann der seitliche; selbstverständlich müssen die beiden Brüche genau rechtwinkelig gemacht werden. Ist die Breite der Karte derart, daß ein einmaliges Zusammenbrechen noch nicht genügt, so muß sie so oft hin und wieder, d. h. einmal von rechts nach links, das nächste Mal von links nach rechts gebrochen werden, bis das Format erreicht ist. Schließlich bleibt dann mitunter noch ein Rest über, der nicht mehr die ganze Breite des Formates einnimmt; es ist deshalb gut, vorher den Zirkel zu nehmen und Höhe wie Breite einzuteilen, damit man möglichst glatt und gut auskommt. Jede derartige Beigabe wird, damit sie sich gut herauslegt und doch im Rücken genügende Befestigung findet, an einen Falz gehängt. Zuvor schneidet man an der Seite, welche in den Rücken eingeklebt wird, den Rand so aus, daß ein Streifen stehen bleibt, der nicht ganz die Länge der Formathöhe hat. Karten, die etwa die dreifache Höhe des Formates haben, werden von oben nach unten, dann von unten nach oben gebrochen, während am mittleren Teile der Falz zum Anhängen stehen bleibt. Das schließt jedoch nicht aus, daß die Tafel auch am oberen Ende angehängt werden kann; in diesem Falle bricht man die 2 unteren Teile nach oben, und zwar den mittleren zu-, den unteren aufklappend.
Nachstehende Schemata werden das Gesagte noch deutlicher machen.
Da die so zusammengebrochenen Karten das Buch in der Mitte aufbauschen würden, wenn sie im Rücken lediglich mit einem Falz in Papierstärke befestigt würden, so muß diesem Übelstande durch das Einheften blinder oder Füllfälze abgeholfen werden; man versteht darunter Papierstreifen, die, in der Länge einmal zusammengebrochen, bis zur Gesamtstärke der Karte ineinander gesteckt und als besondere Lage mit eingeheftet werden.
Kommt in einem Werke eine einzelne Tafel vor, welche auf ein Papier gedruckt ist, das nicht stärker als die übrigen Blätter aufträgt, so wird sie im Rücken ohne Falz angeklebt. Bei Doppeltafeln muß immer ein Falz zur Vermittelung dienen; nur die sogenannten durchgehenden Bilder in Illustrationswerken und Zeitschriften machen eine Ausnahme. Diese Bilder, die allemal auf das mittlere Doppelblatt des Bogens, den inneren Steg mitbedeckend, gedruckt sind, werden nachdem der Bogen gefalzt ist, herausgeschnitten indem man mit einem scharfen Messer die Brüche aufschlitzt. Den durch die Mitte des Bildes gehenden Bruch schmiert man alsdann äußerlich ganz schmal mit Kleister an und klebt so das Bild in den Bogen selbst ohne Falz ein, muß dabei jedoch um etwa 3–4 mm zurückrücken, damit erstlich sich die beiden Teile des Bildes beim Öffnen des Buches frei auflegen und damit zweitens das Bild beim Heften nicht von der Heftnadel getroffen wird.
Bücher mit lauter durchgehenden Karten haben wir in den Atlanten, die deshalb eine ganz aufmerksame Behandlung beim Binden erfordern, weil die Fälze im Rücken genau den durch die Karten bestimmten Raum ausfüllen müssen, damit das Buch eine gefällige Form erhält. Zu diesem Zwecke gibt es zwei Wege: entweder werden je 2 und 2 Karten im Rücken mit Fälzen aneinander gehängt und die entsprechenden Füllfälze eingelegt oder jede Karte wird an einen Falz angehängt, der so oft zusammengebrochen wird, wie nötig, um die Dicke der Karte zu erreichen. Dieser Weg ist der üblichere,[23] da er beim Heften besondere Vorteile bietet. Über diese Arbeit ist noch einiges zu sagen. Die Fälze, 3 cm breit, werden aus einem Papier geschnitten, das so dick ist als das der Karten, aber möglichst fest. Besser noch ist es, wenn man Papier auf Leinwand zieht und es dann zu Fälzen verschneidet. Will man nach der zuerst genannten Art arbeiten, also mit je zwei Karten an einem Falz, so bricht man die Fälze in der Mitte der Länge nach zusammen, hängt an jedes Teil eine Karte so an, daß der Falz an der Rückseite der gebrochenen Karte klebt, und legt einen ebenfalls zusammengebrochenen schmäleren Falz ein, der nur so breit ist, daß er den Raum zwischen den Karten wohl füllt, doch die Karte selbst nicht mehr berührt. Im anderen Falle wird an jede Karte rückwärts ein Falz angehängt, der Falz bis an die Karte heran einmal, dann noch einmal zusammengebrochen, so daß er vierfach liegt, ein Teil aber um so viel breiter ist, als zum Ankleben der Karte nötig ist, wie die beigegebene Figur zeigt; bei A wurde die Karte angeklebt.
In allen Fällen, wo im Rücken Fälze eingeklebt sind, wo also eine Verdoppelung des Papieres statt hat, muß der ganze Falz, soweit er eben aufträgt, mit dem Hammer niedergeklopft werden. Mit aller Vorsicht, ein Schlag dicht neben den anderen gesetzt, werden die einzelnen Lagen — nie stärker als etwa 3 mm — auf einem Stein oder einer eisernen Platte gut niedergeklopft. Die Blätter dürfen indes nicht mehr naß sein, während anderseits auch ein völliges Austrocknen nicht erwünscht ist. Zweckmäßig ist es, die Tafeln lagenweise mit dazwischen gelegten Blechen einzupressen.
In neuerer Zeit hat man auch dieses Verfahren noch vereinfacht. Man schneidet, genau in der Dicke der zu verarbeitenden Karten oder Tafeln, Streifen, je nach der Größe des Formates ½ bis 2 cm breit. Außerdem schneidet man, je nach der Stärke der Tafel, Papier- oder Leinwandfälze von ähnlicher Farbe, doppelt so breit als diese Einlagestreifen, und noch um so viel breiter, wie für das Anhängen der Karten notwendig ist. Der Stoff- oder Papierstreifen wird ganz angeschmiert, zwei Einlagestreifen nebeneinander in der Mitte, daran anstoßend die Karte aufgeklebt. Auf diese Weise legen sich die Tafeln sehr gut auf und der Band erhält die größte Haltbarkeit.
Wir haben noch einer Art der Behandlung des Buches im Rohzustande zu gedenken, die überall, wenn auch nicht gerade häufig vorkommt: das ist das Durchschießen des Buches mit Papier, das zu Bemerkungen, Zusätzen u. s. w. dienen soll. Zunächst ist[24] dabei für ein Papier zu sorgen, das dem des Werkes in der Farbe, besonders aber in Bezug auf das Format möglichst nahe kommt oder das sich beim Zerschneiden gut auf das Format einteilen läßt.
Das Papier wird in Doppelblätter zerschnitten; außerdem wird für jede Bogenmitte ein einzelnes Blatt gebraucht, das in derselben anzukleben ist. Sind alle Bogen mit dem innersten Blatt versehen, so beginnt das Einstecken der weißen Doppelblätter. Diese selbst müssen in der Mitte zusammengebrochen und danach wieder offengelegt werden; es kann dies in Lagen bis zu 6 Bogen geschehen, wobei der Bruch möglichst scharf niederzustreichen ist. Nun legt man die beiden offengelegten Lagensorten, Druck- und Durchschußpapier, vor sich auf den Tisch, Druck rechts, Papier links, und steckt das zusammengeschlagene innerste Blatt des Druckbogens in ein weißes Blatt, dieses in ein Blatt Druck und wechselt mit Druck- und weißem Papier ab, bis man das äußerste Blatt des Druckes außen um die Lage schlägt. Je einer um den anderen Bogen erhält dann noch ein weißes Blatt als äußeren Umschlag, damit auch zwischen den einzelnen Bogen sich Durchschußblätter befinden. Dies Verfahren ist dasselbe bei allen Formaten. Man achte nur besonders darauf, daß man nichts durcheinander bringt, damit der Bogenzusammenhang nicht zerstört oder die Bogen selbst durcheinander geworfen werden.
Bei dieser Gelegenheit wollen wir nachholen, was schon früher zu besprechen gewesen wäre, wenn wir den genauen Geschäftsgang eingehalten hätten. Ehe die einzelnen gefalzten Bogen eines Buches zum Heften gegeben werden, hat man sich zu überzeugen, daß alle Bogen in der richtigen Reihenfolge zusammenliegen, d. h. das Buch wird kollationiert. Dem Kollationieren voraus geht das Zusammentragen der Bogen, sofern eine Auflage oder ein Teil einer Auflage in rohem Zustande, jeder Bogen in einer bestimmten Anzahl, von der Druckerei geliefert und es dem Buchbinder überlassen wird, die Bogen zu Exemplaren zusammenzutragen. Das Zusammentragen wird erst vorgenommen, nachdem die Bogen gefalzt und auch anderweitig zum Heften vorbereitet sind. Man bildet dann Stöße von je 50 Bogen und setzt dieselben in der Reihenfolge der Signatur auf einem Tische nebeneinander.
Das Zusammentragen findet nun statt, indem man an dem Stoße mit den letzten Bogen beginnt und mit den mittleren Fingern der rechten Hand den obersten Bogen vom Stoß abzieht; die linke Hand nimmt denselben als untersten auf, dann folgt der nächste (vorletzte) Bogen, bis der erste Bogen mit dem Titel als oberster den Beschluß macht. Das fertig zusammengetragene Buch wird nun gleichgestoßen und gewöhnlich sofort von einem zweiten Arbeiter auf die Richtigkeit der Bogenfolge und der Vollständigkeit hin geprüft oder, wie der technische Ausdruck lautet, kollationiert.
Zum Zweck des Zusammentragens hat man in größeren Werk[25]stätten einen drehbaren, runden Tisch, der mittelst einer Triebkraft bewegt wird, und auf dem dann die Bogen aufgeschichtet werden; diese Einrichtung hat sehr wesentliche Vorteile, da der Arbeiter auf seinem Platze stehen bleiben kann, so daß er weniger ermüdet wird, während anderseits eine größere Anzahl Arbeiter, die den Tisch umstehen, sich an der Arbeit beteiligen können.
Beim Kollationieren werden die zusammengetragenen Bogen von der rechten Hand am oberen Rande erfaßt. Die linke Hand läßt dann, das Buch unten am Rücken fassend, Bogen für Bogen unter dem Daumen her weggleiten, während das Auge die Reihenfolge sowie die richtige Stellung der Bogenzahlen (Signaturen) beobachtet (Fig. 9). Der Handgriff des Abgleitenlassens der Bogen wird dadurch sehr erleichtert, daß man den ganzen Pack etwas nach hinten biegt und dadurch die vorderen Bogen in eine gewisse Spannung bringt, wodurch sie kräftig Bogen für Bogen zurückschnellen.
Bei aufgeschnittenen Werken und in allen Fällen, wo die Befürchtung vorliegt, daß die einzelnen Bogen durcheinander gekommen sind, genügt es selbstverständlich nicht, nur die Bogen zu kollationieren. Solche Werke müssen Blatt für Blatt nach den Seitenzahlen durchgesehen werden. Dies geschieht am besten mit Hilfe einer Nadel oder der Spitze eines Messers, mit der man die Blätter hebt, während die Fingerspitzen der linken Hand Blatt für Blatt aufgreifen. Das Buch wird dabei flach auf den Tisch und die linke Hand mit dem Ballen mitten darauf gelegt, so daß die Fingerspitzen für die ihnen zugedachte Arbeit frei sind.
Wir sprachen bereits oben vom Schlagen der ungefalzten Bogen. Nachdem diese zu Exemplaren zusammengetragen sind, wiederholt sich das Schlagen; es handelt sich aber um eine wesentlich genauere und stärker wirkende Arbeit. Zunächst müssen die Bände in entsprechend starke Lagen zu etwa 20 Bogen abgeteilt werden. Man zählt die Bogen indes nicht ab, sondern greift den Stoß nach dem Gefühl. Will man eine sehr starke Wirkung erzielen, was bei älteren Druckwerken nötig ist, so schlägt man das Buch wiederholt durch, indem man den zu unterst liegenden Bogen nach jedem Schlage obenauf legt und so oft von neuem schlägt, bis der erste Bogen wieder die ursprüngliche Stelle in der Lage eingenommen hat. Da durch das vielfache Umlegen der[26] Bogen und das Angreifen mit den Händen die Schlaglage leicht schmutzig oder unansehnlich wird, muß auf dem Steine eine Unterlage, ein kräftiges Stück Papier, noch besser ein sauberer Glanzdeckel vorhanden sein. Dem Buche selbst legt man oben und unten je einen Bogen Makulatur vor, der das Werk selbst vor Schmutzflecken schützt. Die Linke hält, dreht und wendet das Buch, während die Rechte den Hammer handhabt.
Beim Schlagen ist noch zu beobachten, daß die Schläge zunächst auf den Rändern und dann nach der Mitte zu fallen, und zwar ist am Rande der Schlag stärker zu führen als in der Mitte. Wird die Mitte zu stark getroffen, so bilden sich leicht Falten, die kreuz und quer nach der Mitte zu verlaufen, wie man dies bei alten, auf geschöpftem Papier von ungleicher Stärke gedruckten Werken häufig bemerkt. Der Handwerksausdruck für diesen Fehler ist: das Buch schneidet Gesichter.
Den Hammer führt man am besten, wenn man ihn so weit hebt, daß er nahezu senkrecht über dem Kopf steht, und nicht im Bogen, sondern senkrecht nach dem Stein zu hinabfallen läßt, wobei die Hand den Hammerstiel so dreht, daß die Bahn des Hammerkopfes flach auf das Papier aufschlägt. Es wird auf diese Weise ein wesentlich kräftigerer Schlag bewirkt, als durch das einfache Niederschlagen. Ist das Buch mehrere Male gehörig geschlagen, so stößt man es wieder glatt, was während des Schlagens auch öfter zu geschehen hat, und fühlt zwischen den Fingern der rechten Hand den ganzen Rand ab, um sich zu vergewissern, daß auch alles glatt, gleichmäßig und eben ist; anderenfalls muß durch wiederholtes Schlagen nachgeholfen werden. Nach dem Schlagen wird das Buch fest eingepreßt.
Leichter ist die Arbeit des Walzens. Hier erfolgt das kräftige Zusammenpressen der Bogen nicht mittelst des Hammers, sondern indem man Lagen von 8 bis 12 Bogen zwischen den beiden Cylindern eines Kalanders durchgehen läßt. Es ist zweckmäßig, dabei die Lagen vorher abzuzählen und in der natürlichen Reihenfolge etwas verschränkt übereinander zu legen. Während nun der Kalander in Bewegung gesetzt wird, legt ein Arbeiter zwischen je zwei Zinkbleche eine geradegestoßene Lage und schiebt diese zwischen die Walzen. Bevor die erste Lage die Walze verlassen hat, muß die zweite zum Einschieben schon fertig sein. Es ist ratsam, die Walzlagen ein wenig schräg einzustecken, dabei abwechselnd je eine mehr nach rechts, die andere mehr nach links, um womöglich die ganze Walzenlänge in Anspruch zu nehmen. Wollte man die Lagen parallel mit dem Schnitt einsetzen, so würden die Walzen nicht so glatt greifen, als wenn sie nur eine Ecke zu fassen haben. Sehr zu beachten ist bei diesem Verfahren, daß der Druck der Walzen nicht zu scharf ausfällt. Es ist daher gut, sobald die erste Lage durchgezogen ist, die Wirkung zu prüfen und die Walzenstellung in ange[27]messener Weise zu regulieren. Namentlich ist bei frisch gedruckten Werken größte Vorsicht erforderlich, weil die frische Farbe »abzieht« und bei sehr scharfer Pressung sogar das Zusammenkleben der einzelnen Blätter herbeiführen würde.
Es wird vielfach behauptet, daß ein gewalztes Buch sich auf die Dauer nicht so gut halte wie ein mit der Hand geschlagenes. Das ist ein Irrtum, der darin seinen Grund hat, daß schlecht gewalzte Bücher allerdings weniger gut ausfallen als gut geschlagene. Es kommt eben alles auf die sorgliche Benutzung der Maschine an.
Je besser und fester ein Band geschlagen oder gewalzt ist, desto dauerhafter wird er nachher sein und eine desto bessere Form wird er erhalten und behalten. Gleichwohl dürfen nicht alle Werke in dieser Weise behandelt werden. Bei Bänden, welche Kupfer enthalten, müssen diese vor dem Schlagen oder Walzen herausgelegt, bez. erst nach dem Schlagen eingefügt werden. Bei Werken, die ganz frisch aus der Druckpresse gekommen sind, ist es ratsam, die Bogen mit alter Makulatur zu durchschießen oder sie erst nachtrocknen zu lassen.
Bisher ist nur auf gedruckte Bücher Rücksicht genommen worden. Es ist aber der Vollständigkeit halber erforderlich, auch der für Schreibzwecke dienenden, mit Liniaturen und sonstigem Vordruck versehenen Bücher (Handlungsbücher, Notizbücher etc.) zu gedenken.
Früher war es notwendig, die liniierten Bogen einzeln zu falzen, und dann in entsprechender Anzahl zu Lagen ineinander zu stecken. Heute, wo die vervollkommneten Druck- und Liniiermaschinen mathematisch genaue Formulare liefern, kann in den meisten Fällen lagenweise gefalzt werden. Ausgeschlossen sind dabei die mit sogenannten durchgehenden Liniaturen versehenen Bogen, bei denen Linie auf Linie genau passen muß. Aber auch hier ist die Arbeit eine wesentlich leichtere als früher. Werden die Bogen einzeln gefalzt, so gilt die sogenannte Kopflinie als Richtschnur; die Bogen werden zusammengeschlagen, Kopf auf Kopf genau gerichtet, und der Bruch niedergestrichen. Sodann steckt man die Bogen so ineinander, daß sie am oberen Rande genau in einer Fläche stehen. Ist die Liniatur auf halbe oder Viertel-Bogen eingerichtet, so wird das Papier vorher auseinandergeschnitten. Es sei noch bemerkt, daß man, wenn man genötigt ist, die Bogen einzeln einzustecken, dafür sorgen muß, daß die Bogen recht fest im Rücken ineinander stecken, da sonst die geheftete Lage in ihren einzelnen Teilen beim Gebrauch bald lose werden würde. Das beste Mittel dagegen ist, daß man jede Lage nach dem Einstecken im Rücken mit dem Falzbein, besser mit einem dünnen, hölzernen Lineal fest einklopft. Dazu hält die Linke die etwas geöffnete Lage in der hohlen Hand, während die Rechte mit Falzbein oder Lineal im Rücken klopft.
Nachdem die Lagen durch Einstecken gebildet worden sind, werden sie sämtlich geradegestoßen, mit dem Rücken an die vordere[28] Tischkante gelegt und jede einzeln mit dem Falzbein im Bruch kräftig nochmals hin und her niedergestrichen, wobei man sämtliche Lagen mit dem Daumen der linken Hand etwas hebt und jede einzeln abschnellen läßt. Nach dem Falzen wird das Ganze einige Zeit eingepresst. Überdrucktes oder nicht liniiertes Schreibpapier wird in derselben Weise behandelt, nur richtet man sich beim Zusammenbrechen der Lage nach den Rändern.
Es erübrigt noch, des Falles zu gedenken, in welchem es sich um das Einbinden von bereits gehefteten oder um das Umbinden von gebundenen, schon im Gebrauch gewesenen Büchern handelt. Bei den letztgenannten muß, nachdem die Decke abgerissen worden, zunächst am Rücken der alte Klebstoff entfernt werden, was am besten durch Überstreichen mit heißem Wasser oder durch Auftrag einer dichten Lage Kleister geschieht. Nachdem die Feuchtigkeit einige Zeit eingewirkt hat, wird das überklebte Papier, Leder oder Stoff, abgelöst, der Leim so gut als möglich mit einem stumpfen Messer abgekratzt und die Bogen ihrem Zusammenhange nach einzeln abgelöst. Dies geschieht am besten, indem man die Fadenlagen über den Bünden mit dem Messer zerschneidet; man hat dann später nur nötig, die Fäden im Inneren des Buches zu entfernen, um den Bogen gut abheben zu können.
Ein Übelstand, der beim Ausreißen gehefteter oder gebundener Bücher aus der Schale sich oft einstellt, ist das Durchreißen eines Stiches, wenn der Zwirn vorher nicht entfernt wurde, und bei der heutzutage angewendeten Drahtheftung tritt dieser Fehler noch häufiger als früher auf. Ist der durch alle Blätter gleichzeitig und an derselben Stelle gehende Riß nur kurz, so läßt man, sofern nicht Blattteile mitweggerissen sind, den Schaden unberücksichtigt; der später eindringende Leim hält die Bogenteile schon zusammen. Ist aber eine Lage fast der ganzen Länge nach aufgerissen, so muß eine Vereinigung der getrennten Blätter stattfinden. Man schneidet zu dem Ende die einzelnen Blätter im Rücken glatt und hängt sie mit schmalen Papierstreifchen zusammen. Nach dem Trocknen werden die Blätter im Rücken wieder zusammengebrochen, ihrer Reihenfolge nach ineinander gesteckt und im Rücken mit dem Hammer etwas niedergeklopft.
Ist ein Band im Rücken so zerstört, daß er in fast lauter einzelne Blätter auseinanderfällt, so muß man die zusammengehörigen Blätter einzeln zusammenflicken, im Rücken und oben gerade und winkelig schneiden und zu Bogen formiert zusammenheften. Je soviel Blätter, als zu einem Bogen gehören, werden dabei im Rücken geradegestoßen und ganz knapp mit einer feinen Nadel und feinem weißen Zwirn überwendlings umstochen. Die Stiche sollen dabei nicht über einen Centimeter voneinander stehen. Dieses Umstechen darf später im fertigen Buche nicht zu sehen sein und daher nur 1½ bis 2 mm[29] breit ins Buch hereingreifen; es darf auch kein einzelnes Blatt zurückstehen. Die gehefteten Lagen werden dann in derselben Weise wie gewöhnliche Bogen behandelt.
Fehlende Ecken, fehlende Blatt- oder Bogenteile müssen möglichst gut ergänzt werden. Da es mitunter schwer fällt, zu altem passendes neueres Papier zu finden, so hilft man sich dadurch, daß man modernes Papier in etwas angefärbtes Wasser taucht, um es in der Farbe dem alten ähnlich zu machen.
Manche alte Bücher sind auch durch Wurmstich und Wasserflecken verunstaltet und verdorben. Diese beim Umbinden in einen einigermaßen guten Zustand zu bringen, erfordert viel Mühe und Sorgfalt. Gegen den Wurmfraß ist meist keinerlei Hilfe vorhanden und man muß sich begnügen, Blatt für Blatt mit einer weichen Bürste auszubürsten, um Hülsen von Insektenpuppen und anderen Schmutz zu entfernen. Sind größere Stücke von den Würmern zernagt, so tritt bei dem Versuche, sie auszuflicken, der Übelstand auf, daß die geflickten Stellen alle übereinander zu liegen kommen, unförmlich auftragen und dem Buch ein schlechtes Aussehen geben. Sofern der Wurmfraß sich an den Rändern findet, läßt sich der betreffende Teil des Blattes ganz abschneiden und durch einen Ansatz ergänzen.
Nicht viel weniger schlimm sind Wasser- und Rostflecken, von denen die Faser des Papieres oft arg angegriffen ist. Ein vorzügliches Verjüngungsmittel ist in diesem Falle das Eintauchen in kochendes, nicht zu schwaches Planierwasser, welches mit viel Alaun und etwas weißer Seife versetzt ist. Dadurch erhält das Papier einigermaßen seinen Zusammenhalt wieder, bleicht etwas aus und die vorhandenen Pilzsporen werden zerstört. Ist das Papier so dunkelbraun, daß es das Lesen des Druckes erschwert, so hilft ein Bad von unterschweflichsaurem Natron; stärker wirkt Chlorwasser, doch muß nach der Chlorbleiche der Band von neuem planiert werden.
Von andern Flecken, welche nicht bloß alte, sondern auch neuere Werke verunzieren und deshalb so gut als möglich ohne Schädigung des Druckes entfernt werden müssen, sind die Tinten- und Fettflecke die am häufigsten vorkommenden.
Frische Tintenflecke entfernt man am besten und ohne Schaden für das Papier durch Abreiben mit einer durchschnittenen Zitrone. Selten genügt dabei eine einmalige Behandlung; indess erwarte man das Abtrocknen des ersten Versuchs, bevor man zu einer Wiederholung schreitet. Ältere Tintenflecke behandelt man mit Kleesalz oder Salzsäure, freilich nicht immer mit Erfolg, denn manche Tintensorte läßt immer eine Spur von Farbe zurück. Eine natürliche Bleichung in der Sonne oder eine Chlorbleiche ist für diesen Fall anzuraten.
Fettflecke werden entfernt, indem man einen Brei von Benzin und angerührter Magnesia von beiden Seiten auf den Fleck aufbringt. Das Benzin bindet das Fett, das Magnesium nimmt dasselbe auf. Man vermeidet bei diesem Verfahren den unschönen Rand, der sich bisweilen durch Vertreiben der Fettteile in die Umgebung des Fleckes bildet. Frische Fettflecke weichen wohl auch, wenn weiches Löschpapier vor und hinter das betreffende Blatt eingelegt und der Bogen unter ein heißes Bügeleisen oder eine heiße Vergoldepresse gebracht wird. Das Löschpapier saugt in diesem Falle das Fett auf.
Ältere Heftung. — Alter Hanf- und Lederbund, Pergamentbund. — Heftung im Orient, im Abendlande mit angeheftetem Kapital. — Heftlade. — Vorsatz. — Einhängen. — Behandlung des gehefteten Buches. — Heftmaschinen, Heftvorrichtungen. — Runden, Abpressen, Beschneiden. — Leim und Kleister.
Die Grundbedingung eines guten Buchkörpers ist eine gute Heftung, sie schafft den festen Zusammenhang und Zusammenhalt der einzelnen Teile, und keine spätere Arbeit kann Nachlässigkeiten bei der Heftung ersetzen.
Seit unvordenklichen Zeiten wurden die zu einem Buche zu gestaltenden Bogen ihrer Reihenfolge nach auf Bünde geheftet, wie schon S. 3 erwähnt.
Der Bund ist das Mittel, welches dazu dient, die zusammengehefteten Bogen mit der Schale oder Decke des Buches zu verbinden. Er bestand anfangs aus einem Pergamentstreifen, der, über den Rücken der vereinigten Bogen gelegt, mit diesen durch Umnähung verbunden wurde. Die von innen durch den Bruch gestoßene Nadel führte dabei den Faden um den Bund herum und wieder von außen nach innen durch den Bruch des Bogens hindurch; bei dem folgenden Umstich wurde der nächste Bogen angereiht und so fort. Solcher Bünde finden sich bei kleinen Formaten zwei, einer oben und einer unten, bei großen Bänden, namentlich Folianten, drei, vier und mehr. Die überstehenden Enden des Bundes wurden, nachdem das Buch auf diese Weise geheftet war, durch Einschnitte im Deckel durchgezogen und außerdem durch Überkleben mit Stoff oder Papier an diesem befestigt.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts, etwa seit Erfindung der Buchdruckerkunst, tritt an Stelle des Pergamentstreifens die hanfene Schnur, welche sich zuerst in Büchern deutschen Ursprungs findet. Daneben kommt auch der Lederbund vor, und zwar von der Zeit an, wo das gegerbte Schweinsleder (Schweinspergament) als Überzug des Deckels Verwendung fand. Der Lederbund tritt meist als Doppelbund auf, d. h. der Lederstreifen wurde, soweit er auf dem Rücken des Buchkörpers auflag, aufgeschlitzt, während die freien Enden ganz[32] blieben. Man nahm vermutlich an, daß das Leder eine größere Haltbarkeit habe als die Hanfschnur. Daß dies ein Irrtum war, lehrt die Erfahrung, der zufolge der Lederbund sich an alten Büchern im Falz meist brüchig erweist. Nur Schweinslederbünde haben sich besser gehalten. Die weiteste Verbreitung hatte der Lederbund als einfacher Bund in Italien, als Doppelbund in Deutschland; dort bestand er meist aus Kalbleder und war mittelst zweimaligen Durchziehens am Deckel befestigt; hier aus Rinds- oder Schweinsleder und wurde mit Holzstiften auf hölzernen Deckeln aufgestiftet, nachdem das Holz an entsprechender Stelle in Bundbreite weggestochen war.
Der Doppelbund wird dann auch aus zwei vereinigten Hanfschnüren hergestellt und bleibt bis in unser Jahrhundert hinein in Übung, während der Doppellederbund kaum noch nach dem Jahre 1700 angewendet sein dürfte.
Das Handwerkszeug, welches dazu diente und noch heute dazu dient, die Heftschnüre aufzuspannen und die Bogen an diese anzusetzen und zu befestigen, heißt Heftlade. Ihre Einrichtung zeigt die beigegebene Abbildung. (Fig. 10.)
Der Gebrauch der Heftlade ist, wie es scheint, im Orient nicht bekannt gewesen. Denn die orientalischen Bücher sind ohne Bünde geheftet. Der Faden zieht sich in sehr einfacher Weise durch das Buch, indem er etwa im Drittel der Buchhöhe eingestochen, am zweiten Drittel wieder ausgeführt und in den nächsten Bogen einge[33]stochen wird. In dieser Weise windet sich der Faden im Zickzack durch das ganze Buch durch. Später, wenn das Buch beschnitten ist, werden am oberen und unteren Ende die Stiche gemacht, welche dazu dienen, dem Buche einen festeren Halt zu geben. Von dieser Sicherung des Zusammenhalts an den beiden Enden des Rückens wird später bei Erwähnung des Kapitals, wie die obere und untere Ziernaht genannt wird, die Rede sein.
Nicht sehr verschieden davon ist die älteste Heftung im Abendlande, bei welcher man das Kapital gleich mitanstach. Auch hierzu bediente man sich wohl noch keiner Heftvorrichtung. Wann der Gebrauch der Heftlade aufgekommen ist, läßt sich nicht feststellen. Zur Zeit, als man begann, die Buchbinderei im Abendlande handwerksmäßig zu betreiben, hat man die Heftung wahrscheinlich auch aus freier Hand bewirkt, und die Führung des Fadens ist ähnlich der im Orient gebräuchlichen gewesen. Das Kapital wurde dabei gleichzeitig mitangeheftet. Man führte den Faden (kräftigen Hanfzwirn) an einem Ende der untersten Lage ein, stach ihn am ersten Bunde wieder heraus, führte ihn um diesen herum wieder nach innen, von dort bis zum zweiten Bunde, wo er wieder umstochen wurde, dann zum dritten und so fort, bis er am anderen Lagenende wieder herauskam. Der Faden wurde dann am Ende des Rückens zweimal um ein Streifchen Leder oder rund gedrehtes Pergament herumgeschlungen und in den nächsten Bogen eingeführt, so also, daß an beiden Enden ein kleiner umwickelter Wulst quer über dem Schnitt lag. Dieser Wulst, aus dem später das Kapital hervorging, hinderte das Einreißen des Zwirns und diente den Bogen beim Heften als Richtschnur.
Nachstehende Figur zeigt bei a den oberen und unteren Wulst, bei b die um die Bünde herumgeführte Heftung.
Als man später eine größere Anzahl Bünde einführte, konnte das Heften nur noch mittelst der schon erwähnten Heftlade ausgeführt werden, die anfänglich wohl noch keine bewegliche, durch Schraubenmuttern verstellbare Querleiste hatte und an einem kleinen Tische befestigt war. Die Art der Heftung wurde mit dem Aufkommen dieser Neuerung eine andere, was mit dem Umstande zusammenhängt, daß man anfing, den Buchkörper zu beschneiden.
Schon vor dem Jahre 1450 finden wir beschnittene Bücher, und schon lange vor dieser Zeit kam man davon zurück, das Kapital mit anzuheften; an der Stelle, wo man vorher den Faden aus dem Bogen führte, that man dies auch später, doch nahm er seinen Weg nicht über das Bogenende und um das Kapitaleinlage-Streifchen herum,[34] sondern wurde sofort in den nächsten Bogen eingestochen. In dieser Weise entstand der sogenannte Fitzbund.
Mit Einführung der Doppelbünde (s. oben S. 32) wurde die Arbeit des Heftens noch umständlicher. Die Nadel wurde mit dem Faden, wie gewöhnlich, am Fitzbunde eingeführt zwischen den beiden Teilen des nächsten Doppelbundes heraus, um den ganzen Bund herum und wieder mitten durch den Bund in den Bogen und zum nächsten Bunde, der in derselben Weise wie alle übrigen umstochen wurde, so daß das Schema für die einzelne Lage das folgende ist:
Die Befestigung der Schnüre auf der Heftlade erfolgt durch Anhängen an die sog. Hefthaken, welche durch die obere verstellbare Leiste durchgesteckt sind; die Haken selbst lassen sich verschieben und mittelst eines Gewindes höher und tiefer stellen.
Am unteren Teile der Heftlade befindet sich eine bewegliche Leiste, welche, um das Dazwischenlegen der Bünde zu ermöglichen, herausgenommen werden kann. Damit diese aber nicht wieder herausrutschen, werden unten mit einer einfachen Umschlingung die sog. Heftstifte befestigt, die damit quer unter der Leiste und dem Lagerbrett zu liegen kommen.
Unsere deutschen Heftstifte werden durch eine Schlinge einfach vorgesteckt und haben die folgende althergebrachte Form, während die englischen Arbeiter sich eines anderen kleinen Werkzeuges, der Heftklammer, bedienen. Die oben angehängte Kordel wird glatt nach unten angespannt, die Heftklammer wird daran geschoben, und das unten hervorragende Ende der Kordel einmal darumgeschlungen, so daß der Bund fest angezogen bleibt, nachdem die Vorderleiste der Heftlade angesetzt ist.
Beim Heften liegt das Buch links von der Heftlade, der Titel nach unten; Bogen um Bogen wird mit der linken Hand abgenommen, geöffnet und so herumgelegt, daß der Kopf des Bogens nach links, das untere Ende nach rechts liegt. Der linke Arm liegt dabei völlig auf der Heftlade und übernimmt alle Thätigkeit hinter den Schnüren und im Inneren des Bogens. Die Rechte bleibt vor den Schnüren und behandelt den Bogen von außen.
Die Bünde müssen, bevor man zu heften anfängt, genau gerichtet werden, damit sie auf dem Buchrücken später auch da liegen, wo sie liegen sollen; sie müssen gleiche Abstände haben, und vor allem[35] gerade, d. h. rechtwinkelig mit dem Rücken über demselben liegen. Früher machte man dies in der Weise, daß von der Rückenlänge oben und unten so viel abgerechnet und mit einem farbigen Stifte vorgemerkt wurde, wie für das Beschneiden nötig erachtet wurde. Der übrige Raum wurde, je nach Zahl der Bünde, mit dem Zirkel in gleiche Teile geteilt und an jedem Teil mit Winkel und Rotstift ein Strich quer über den Rücken gezogen, der die Richtung für den Bund angab; etwa 1 bis 1½ cm von dem vorgemerkten Schnitt entfernt, wurde der Stich für den Fitzbund in derselben Weise vorgemerkt. Anfangs wurde der obere und untere Teil des Buches — Kopf und Schwanz — genau gleich lang gemacht; im 17. Jahrhundert begann man aber des besseren Aussehens wegen dem Schwanz eine größere Länge zu geben.
Ist die Arbeit des Heftens so weit fortgeschritten, daß der letzte (d. h. im fertigen Buche der erste Bogen) an die Reihe kommt, so wird das sogenannte Vorsatz (Vorsatzpapier) angeheftet. Dies besteht aus mehreren weißen oder auch farbigen Blättern, die einerseits mit dem Körper des Buches zusammenhängen, anderseits dessen Verbindung mit der Decke bewerkstelligen helfen.
Das Vorsatzpapier kommt selbstverständlich bei den Handschriften des Mittelalters nicht vor, weil die leeren Blätter geheftet wurden, ehe der Schreiber seine Arbeit begann, dieser also in der Lage war, eine beliebige Zahl von Blättern vorweg unbeschrieben zu lassen. Bei den ältesten gedruckten Büchern finden wir vorn und hinten je 2 Doppelblätter angeheftet, und zwar anfangs Pergament-, später Papierblätter. In letzterem Falle wurde jedoch ein etwa drei Finger breiter Streifen Pergament, mit einem schmalen Fälzchen um die Papierlage herumgeschlagen, als äußerstes Blatt nach außen mitgeheftet. Dieser stellte dann die eigentliche Verbindung zwischen Buch und Decke her. Im 17. Jahrhundert begann man in Italien, dann in Frankreich und Deutschland farbige Papiere zum Vorsatz zu verwenden, so daß die inneren Flächen des Deckels und die ihnen gegenüberstehenden Seiten farbig waren. Bei der Herstellung dieses Buntpapiers bediente man sich in Italien meist einer in Holz geschnittenen Druckform. In England und Frankreich wandte man marmoriertes Papier an, während in Deutschland der vom Buchbinder selbst gefertigte sogenannte Kleister- oder Wolkenmarmor allgemeine Verwendung fand, was im übrigen nicht ausschließt, daß die eine oder andere Sorte auch einmal außer Landes benutzt wurde. Später finden wir statt 4 nur noch 2 Vorsatzblätter als Regel, die in Frankreich und England nicht mehr besonders geheftet, sondern dem ersten Bogen vorgeklebt werden, während Italien immer noch vorheftet, aber, wie auch in Deutschland, in der Weise, daß das ganze Vorsatz mit einem schmalen Fälzchen um die erste Lage herumgelegt und mit dieser zusammengeheftet wird. Noch heute wird in[36] fast allen Buchbindereien Deutschlands das Vorsatz in dieser Weise behandelt; nur bei ganz gewöhnlichen Einbänden, namentlich bei den in Massen angefertigten, begnügt man sich mit einem Vorsatzblatte.
Das gewöhnliche Papiervorsatz wird in der Weise hergestellt, daß man, je nachdem das verwendete Papier es zweckmäßig erscheinen läßt, entweder ein Blatt in doppelter Breite zusammenbricht und einen etwa 3–4 Finger breiten Papierfalz ganz schmal daran klebt oder daß man, wenn das Papier sich in dieser Weise nicht günstig einteilen läßt, die beiden Blätter einzeln gemäß der Größe des Buches schneidet, an dem einen einen entsprechend breiten Flügel als Falz stehen läßt, diesen herumbricht und das andere Blatt hereinsteckt. Auf jeden Fall wird dann ein Fälzchen nicht breiter als 3 mm darangebrochen, und zwar nach der inneren Seite des Vorsatzes, während der Flügelfalz auf die äußere Seite zu liegen kommt. Das Blatt legt man, mit der Innenseite nach oben, quer vor sich auf den Tisch, biegt die Kante des Rückens etwa 3 mm mit beiden Daumen und den Zeigefingern etwas nach oben und läßt so das sich bildende Fälzchen zwischen den Fingern durchgleiten, indem man mit den beiden Händen nach rechts und links am Rücken entlang streicht.
Soll ein solches Vorsatz Leinwandfalz haben, so wird dieser vor das mittlere, sogenannte fliegende Blatt eingeklebt, ehe das Fälzchen angebrochen wird. Ist buntes Vorsatz beabsichtigt, so muß dieses vorher eingeklebt und auf das erste fliegende Blatt aufgepappt werden, da das Einkleben nachher niemals so sauber zu bewerkstelligen ist wie vorher; auch kann man es nicht so dicht in den Falz kleben, daß nicht noch ein schmales, weißes Rändchen zu sehen wäre.
Eine andere Art, das Vorsatz anzubringen, die vornehmlich in England üblich ist und den Vorzug hat, daß dabei Buch, Vorsatz und Decke unlösbar miteinander verbunden werden, besteht darin, daß man an den ersten und letzten Bogen je 2 Blatt weißes Papier anklebt und auf jedes der äußeren Blätter das farbige Vorsatzpapier aufpappt. Nachdem noch ein Leinwandfalz vorgeklebt ist, wird die ganze Lage so knapp wie möglich (höchstens 2 mm breit) umstochen. Man bedient sich hierzu einer dünnen Nähnadel und eines weißen, dünnen, aber sehr festen Zwirns. Dieses Umstechen geschieht mittelst der sog. Überwendlingsnaht. Die Stiche sollen dabei nicht weiter als 8–10 mm, je nach Größe des Buches, voneinander entfernt sein. Oben und unten werden die Fäden in einfacher Weise doppelt umschlungen. Sind die ersten und letzten Bogen sehr dick, so werden sie geteilt und vorn und hinten je zwei Lagen daraus gebildet und beide umstochen; auch sonst empfiehlt es sich, den zweiten Bogen ebenfalls zu umstechen. Es sei noch bemerkt, daß man in derselben Weise Kupfer mit dem zugehörigen Bogen verbindet, auch ganze Werke, die aus einzelnen, nicht zu starken Tafeln bestehen, in dieser Weise zu Lagen verbindet.
Die so vorbereiteten Endlagen werden in der gewöhnlichen Weise geheftet, wie wir weiterhin sehen werden.
In Deutschland scheint die Ansicht allgemein zu sein, daß man ohne Leinwand- oder Lederfälze im Rücken nicht auskommen könne. Die englischen und französischen Bände jedoch belehren uns eines besseren; diese zeigen am fertigen Buche Papiervorsätze ohne Stoff- oder Lederfälze so sauber und genau, wie dies bei unseren Leinenfälzen kaum besser sein kann. Dabei findet man verhältnismäßig selten einen Band, bei dem das Papier im Bruche geborsten ist.
Besonders lobenswert ist an den englischen Arbeiten die umstochene erste Lage. Soll nun Papiervorsatz ohne Stoffeinlage verwendet werden, so werden dieser ersten Lage zunächst zwei Blatt Vorsatz vorgeklebt, und hierauf das eine von zwei Blättern farbigen Papieres aufgepappt. Dies geschieht in der Weise, daß ein farbiges Doppelblatt, mit der farbigen Seite nach innen, zusammengebrochen wird. Das Äußere der beiden weißen Blätter wird angeschmiert, das farbige mit 3 mm weitem Abstand vom Rücken daraufgelegt, dieses gut angerieben und das Ganze kurze Zeit eingepreßt. Man kann diese Art des Vorsatzes auch dem bereits gehefteten Buche vorkleben.
Eine weitere Art von Vorsätzen, solche mit eingeklebten Fälzen, behandeln wir weiter unten und kehren nach dieser Unterbrechung zu der Beschreibung des Heftens zurück.
Der Hauptunterschied zwischen älterer und neuerer Heftweise liegt darin, daß bei ersterer die Bünde außen auf dem Rücken erhaben liegen, bei letzterer aber in Sägeschnitten eingelassen sind. Die Folge dieses Umstandes ist, daß die Bünde aus wesentlich schwächeren Schnüren bestehen, weil sonst der Rücken zu tief eingesägt werden müßte. Ein fernerer Unterschied besteht darin, daß früher der Bund umstochen wurde, neuerdings aber der Faden im Buche gerade durchgeführt wird, wobei er den Bund jedesmal faßt und hinter demselben her läuft.
Im übrigen stimmt die ältere und neuere Heftweise überein. Das Verschlingen am Ende eines jeden Bogens geschieht, indem man unter dem vorhergehenden die Nadel durchführt, ehe man zum nächsten fortschreitet. Die beiden ersten Bogen werden jedoch mit einem Knoten aneinander befestigt. Außerdem ist zu bemerken, daß das Heften mit dem letzten Bogen beginnt und nach vorn zu fortschreitet; in England herrscht jedoch das umgekehrte Verfahren. Ferner gilt die Regel, bei dem ersten Bogen auf der rechten Seite zu beginnen; da, wo wir links am ersten Bogen herauskommen, stechen wir in den zweiten wieder ein, um dann rechts zu endigen und an das aus dem ersten Bogen hervorragende Fadenende anzuknüpfen. Dieses Anknüpfen geschieht in sehr einfacher Weise, indem man mit dem Faden eine Schlinge bildet, durch diese hindurch das[38] erste Fadenende mit Daumen und Zeigefinger der Linken ergreift, dabei mit der Rechten die Schlinge fest anzieht. Derselbe Handgriff wird dann noch einmal gemacht, man erhält so den festen Schluß, wie er beistehend abgebildet ist (Fig. 11).
Am letzten Bogen verwahrt man das Ende des Fadens, indem man unter dem vorhergehenden Bogen statt einemmal zweimal anschlingt. Muß der Faden angeknüpft werden, so darf der Knoten nicht auf der Innenseite eines Bogens zu liegen kommen, sondern muß womöglich am Fitzbunde sich finden. Jedesmal, nachdem der Bund umstochen worden ist, wird der Faden kräftig angezogen und dabei darauf geachtet, daß die Bünde selbst nicht verzogen sind.
Es ist natürlich, daß durch die Fäden im Inneren der Bogen der Rücken stärker aufträgt als das übrige. Das Buch steigt, wie der Kunstausdruck lautet. Dies ist an sich kein Fehler, wenn nur die Bogen fest aufeinander sitzen, gut »niedergehalten« werden. Zu diesem Zwecke streicht man jeden soeben gehefteten Bogen mit der Nadel kräftig nieder. Sind die Bogen sehr dünn, so müssen sie kräftiger niedergehalten werden, zu welchem Zwecke eine Schere oder ein Zirkel dienlich ist, indem man mit diesem die Bogen niederklopft. Übrigens muß man sich hüten, hierin des Guten zu viel zu thun.
Zum Zweck des Einsägens werden die zu einem Bande gehörigen Bogen zunächst gerade gestoßen, wobei insbesondere darauf zu achten ist, daß die Bogen sowohl am Rücken als am Oberschnitt im rechten Winkel stehen. Das Buch wird dann zwischen zwei Bretter so in die Presse gesetzt, daß der Rücken etwa ½ cm hervorsteht. Meistens legt man den ersten und letzten Bogen vorher beiseite, jedenfalls aber, wenn man Vorsätze mit angebrochenem Fälzchen verwendet. Sollen aber die ersten Bogen mit dem Vorsatz umstochen werden, so können sie auch mit eingesägt sein. Oktavbände erhalten auf etwa alle 3, größere auf etwa alle 4 cm Rückenlänge einen Bund. Nachdem man für die spätere Verzierung an Kopf und Schwanz (oberem und unterem Ende) des Rückens 1, bezw. 2 cm in Abrechnung gebracht hat, wird je nach Anzahl der einzusägenden[39] Bünde der Rücken in gleiche Teile geteilt, an jedem Teil quer über den Rücken und genau rechtwinkelig Bleistiftstriche gezogen, denen gemäß nun die Sägeschnitte gemacht werden. Zu diesem Zweck muß die Presse flach liegen, der Rücken des Buches nach oben. Die beste Lage erhält die Presse vermittelst des sog. Preßknechtes. Dies ist ein Brett, etwas länger, als die Tischhöhe beträgt, das oben mit einem angeschraubten Ansatz versehen ist, auf welchem die Presse ruht, wenn man diesen Preßknecht etwas schräg als Stütze unter die Presse bringt (Fig. 12). Die Spindeln liegen dabei auf der vorderen Tischkante.
Als Säge dient am zweckmäßigsten ein sogenannter Fuchsschwanz, nur dürfen dessen Zähne nicht geschränkt sein.
Die Sägeschnitte für die Bünde sind so tief zu machen, daß diese noch gerade knapp darin Platz finden. Die Schnitte für die Fitzbünde, die lediglich den Zweck haben, den Faden aus dem einen Bogen in den anderen übergehen zu lassen und den austretenden Faden mit den vorhergehenden Lagen zu verbinden, sind weniger tief zu machen, da sie nur dazu dienen, für leichteres Durchstechen der Nadel eine kleine Öffnung zu schaffen.
Außerdem kommt noch der als Leimbund bezeichnete Sägeschnitt, den man nur bei ganz geringwertiger Ware anwendet, in Frage. Es ist dies ein kräftig eingesägter Bund zwischen je zwei gehefteten, der einen ebensolchen dadurch ersetzen muß, daß der Leim in den Schnitt eindringt. Beim Heften selbst bleibt er unberücksichtigt.
Außer der festen Heftung, wie sie oben beschrieben wurde, kommt für geringere Ware das sog. »Auf- und Abheften« zur Anwendung. Nachdem der Faden am Fitzbunde ein- und am nächsten ausgeführt wurde, wird der nächste Stich in den folgenden Bogen, der dritte wieder in den ersten, der vierte in den folgenden gemacht u. s. f. Demgemäß liegt jeder Faden wechselweise in zwei Bogen. Der Vollständigkeit halber sei noch die Broschürenheftung hier angeführt. Jeder Bogen wird hierbei nur mit einem kurzen Stich in der Mitte gegriffen, in der Weise, daß der Faden im Zickzack sich durch alle Bogen hindurchwindet, wie dies in ähnlicher Weise beim orientalischen Einbande der Fall ist (s. oben S. 32).
Bei der alten Heftweise konnte, wie schon bemerkt, nur immer ein Band auf der Heftlade geheftet werden. Bei eingesägten Bänden heftet man deren so viele übereinander, als der Raum der Heftlade gestattet, da sich später die einzelnen Bände auf den Schnüren auseinander ziehen lassen. Ehe man die Bünde zum Heften aufspannt, berechnet man die Zahl der Bände, welche die Heftlade aufnehmen kann, und richtet danach die Länge der Heftschnüre ein.
Um die erste und letzte Lage beim Heften mit dem Vorsatze zu verbinden, werden beide Teile entweder »umstochen«, wie Seite 36 angegeben ist, oder es wird an das Vorsatzpapier ein Fälz[40]chen angebrochen. In diesem Falle wird das Vorsatz den Endbogen so vorgelegt, daß das schmale, angebrochene Fälzchen nach innen zu um den Bogen herumgreift. Würde man nun bei dieser Art der Verbindung von Bogen und Vorsatz die Lage so anheften, daß man dicht am Bunde heraussticht und nach dem Umstechen des Bundes den Faden wieder in den Bogen eintreten läßt, so würden die Stichlöcher sehr groß und breit werden. Wir können an Bänden aus dem Anfange unseres Jahrhunderts diese unangenehme Eigenschaft beobachten, denn damals wurde, wie angegeben, verfahren. Man vermeidet den Übelstand jetzt, indem man in der Vorsatzlage den Faden etwa 3 mm vor und hinter dem Bunde ein- oder ausführt. Dabei sticht man den Bogen mit dem Vorsatz nicht genau in der Mitte des Bruches an, sondern ganz wenig nach dem Fälzchen zu seitlich, so daß man beim Öffnen des ersten Blattes den Stich selbst nicht mehr zu sehen bekommt; man nennt dies »Abstechen«.
Wenn die Heftlade ihre Dienste geleistet hat, werden die gehefteten Stöße herausgenommen und in die einzelnen Bände auseinander gezogen. Beim Auseinanderziehen legt man den Bücherstoß mit dem Rücken nach oben auf den Tisch und zieht die einzelnen Bände so weit von einander, daß für jeden entsprechend lange Bünde verbleiben; die Schere trennt dann die einzelnen Bände voneinander. Jeder Bund soll auf jeder Seite des Buches bei geringen Arbeiten nicht unter 3 cm, bei guten Halbfranz- oder Lederbänden nicht unter 8 cm vorstehen. Die Bünde werden nun aufgedreht, damit die Fäden lose werden. Lange Bünde dreht man mit den Fingern auf und hilft mit einem spitzen Gegenstande, etwa einer Ahle, nach; die nötige Breite erhalten die Bundenden zuletzt durch Aufschaben mit einem Messerrücken. Kürzere Bünde schabt man gleich mit dem Messer über ein sog. Aufschabebrettchen (von Holz oder Blech) möglichst fein auseinander. Die geschabten oder aufgedrehten Bünde werden thunlichst glatt auf die Seiten des Buches herübergelegt, damit sie keine Erhöhungen bilden.
Um die schmalen Fälzchen an den Vorsätzen, welche um den Endbogen geheftet sind, einzukleben, legt man das Buch mit dem Rücken an die Tischkante, schlägt den ersten Bogen zurück, gibt dem nun freistehenden Fälzchen mit dem Finger von beiden Seiten Kleister, schlägt den Bogen wieder zu, richtet denselben am Rücken so, daß er ein wenig vorsteht, während der Bogen im Inneren mit den anderen gleich stehen muß, und streicht mit einem Falzbein das Ganze nieder. Würde man die Lage ohne den kleinen Spielraum ankleben, so würden sich die ersten Blätter des gebundenen Buches nicht gut aufschlagen. Anders ist es bei den Vorsätzen, welche mit dem Endbogen umstochen sind. Diese werden in derselben Weise zurückgeschlagen und auf dem Buche selbst ein Blatt Makulatur vorgelegt, so daß noch ein Rand von etwa 3 mm frei bleibt. Dieser[41] Rand wird mit Kleister angeschmiert, der Bogen zugeschlagen, am Rücken genau geradegerichtet und mit dem Falzbein angerieben, wie vorhin.
Der Buchkörper, an dem alle Bünde scharf angezogen und über den Falz glatt herübergestrichen werden müssen, wird nun zum Leimen des Rückens platt auf ein hierzu bestimmtes Brett, das Leimbrett, gelegt, obenauf kommt ein schmäleres Brett, besser ein eisernes Lineal. Buch, Leimbrett und Leimlineal werden gleichgerichtet und der Rücken mit nicht sehr starkem, aber möglichst heißem Leim überstrichen. Damit der Leim ein wenig zwischen die einzelnen Bogen eindringt und auf dem Rücken keine merkliche Schicht bildet, wird er mit der Spitze eines Hammers eingerieben, und dann mit dem gut ausgestrichenen Pinsel möglichst viel von der außen auf dem Rücken sitzenden Masse wieder abgenommen.
Man kann in dieser Weise auch mehrere Bände zu gleicher Zeit leimen. Dieselben werden nach dem Leimen aber sofort wieder getrennt, wie denn überhaupt jeder Band nach dem Leimen mit dem Rücken freiliegend trocknen muß. Zu dem Ende legt man die Bände verschränkt übereinander, nachdem sie nochmals genau auf ihre gerade Richtung geprüft worden sind. Die Rücken werden dabei nach außen gewendet, so daß sie rechts und links nach außen über die vorhergehenden vorstehen. Wenn einzelne Bände beim Leimen verschoben werden, so entstehen Fehler, die nur schwer zu verbessern sind; fast immer wird ein solches Buch schief beschnitten sein.
Wie schon früher (S. 41) erwähnt, hat man in neuerer Zeit versucht, die Arbeit des Heftens durch Maschinen besorgen zu lassen. Die Drahtheftmaschine ist jetzt allgemein im Gebrauch, aber nur für die Massenproduktion bei Broschüren und ganz geringen Einbänden anwendbar. Ihre Einrichtung zeigt Fig. 13. Die Fadenheftmaschinen, deren verschiedene in den Verkehr gebracht worden sind, haben sich nicht bewährt. Es gibt indes auch Fadenheftvorrichtungen, die sich für den Kleinbetrieb eignen. Eine solche, von dem Buchbinder Schröder in Oppeln erfunden, bietet manche Vorteile, leidet aber an dem Übelstande, daß der Bund erst nachträglich eingezogen werden kann, die Sägeschnitte daher sehr weit sein müssen und infolgedessen mehr Leim, als gut ist, in den Buchrücken eindringt; eine andere Maschine derart ist erst ganz kürzlich von dem Buchbinder Carl Grundig in Görlitz zum Patent angemeldet und der vorigen sehr ähnlich.
Auch für die Arbeit des Einsägens gibt es in großen Buchbindereien maschinelle Vorrichtungen, deren Beschreibung wir uns ebenfalls ersparen können.
Die nächste Behandlung, der der Buchkörper, wenn es sich um einen Halbfranzband oder einen anderen besseren Einband handelt, unterworfen wird, ist die Rundung des Rückens. Ehe diese vorgenommen wird, muß der Rücken trocken geworden sein; er darf sich nicht mehr klebrig anfühlen, aber auch noch nicht alle Feuchtigkeit verloren haben, damit die Lagen beim Runden nicht voneinander brechen. Im Notfalle muß der Rücken mit einem Schwamme wieder etwas gefeuchtet werden.
Zum Rundklopfen des Buchrückens bedient man sich eines Hammers. Man legt dabei den Band quer vor sich, den Vorderrand nach dem Körper zu gerichtet, und klopft vorsichtig den Rücken herüber, während der Daumen der linken Hand sich gegen den Vorderschnitt stemmt und die übrigen Finger den oberen Teil des Rückens seitwärts herüberzerren. Man muß sich dabei hüten, den Falz des Buches zu stark mitzunehmen und den Rücken stärker zu klopfen, als gerade notwendig ist. Ist die eine Seite des Rückens genügend rund, so wird das Buch gewendet und von der anderen Seite in derselben Weise behandelt. Das Wenden geschieht so oft, wie zur Erreichung einer guten Rundung erforderlich ist, und dies ist der Fall, wenn die Rundung etwa dem dritten Teile eines Kreisbogens entspricht, dabei aber, und das ist die Hauptsache, weder Buckel noch Ecken zeigt und oben wie unten ganz gleichförmig ist. Hat der Band die richtige Form erlangt, so wird er zwischen zwei Brettern in die Presse gesetzt; die Bretter stehen so weit vom Rücken ab, daß ein schmaler, hinten wie vorn ganz gleichbreiter Falz entsteht. Die Breite dieses Falzes richtet sich nach Größe und Dicke des Buches, oder, richtiger gesagt, nach der Stärke der zur Verwendung kommen[43]den Deckel, die ja von der Buchgröße abhängt. Der Falz darf eher etwas kleiner, als notwendig, sein, nie größer, da sonst das Buch plump ausfällt und weniger haltbar wird.
Diese Arbeit heißt das »Abpressen des Buches«, und durch ihre sorgfältige Ausführung ist die Güte und Dauerhaftigkeit des Einbandes hauptsächlich bedingt.
Zu gutem Abpressen gehört
Um sich zu überzeugen, daß ein Band zum Abpressen gut eingestellt ist, wird die Presse mit beiden Balkenenden auf den Tisch gestellt, etwas gegen den Arbeiter zu geneigt und von diesem über die Rückenflächen hin verglichen und geprüft. (Fig. 14.) Dann richtet man die Presse auf und prüft die winkelige Lage der Oberschnitte, indem man das Auge in deren Höhe bringt und — gewissermaßen zielend — jedes einzelne Buch auf seine Lage prüft (Fig. 15.) Bei jedem Geraderücken hat man dann wieder zu prüfen, ob die anderen Bände nicht etwa verschoben wurden.
Das Abpressen der Bände hat nicht allein den Zweck, die Rundung des Rückens zu sichern, sondern auch, wie bereits oben bemerkt, den Raum für den anzusetzenden Deckel zu schaffen. Dazu dient der sog. Falz, d. h. die an beiden Längsseiten des Rückens durch das Herüberbiegen des letzteren entstehende Kante.
Um den Falz in der erwünschten Schärfe herüberzutreiben, bedient man sich wieder des Hammers, mit dessen spitzer Schlagfläche die äußeren Lagen seitlich über die Kanten der Preßbretter hinausgetrieben werden. Die Schläge sind dabei parallel der Rückenrichtung zu führen, da sich die Bogen sonst stauchen und in dem Buche Quetschfalten entstehen würden, die man nicht wieder beseitigen kann. Es handelt sich bei diesem Vornehmen nur um die ersten, bez. die letzten 5 bis 6 Bogen, da die mittleren von selbst folgen und deshalb nicht geklopft zu werden brauchen. Man macht das Papier fügsamer, wenn man den Rücken, bevor man ihn mit dem Hammer behandelt, etwas einkleistert; dadurch weicht der Leim auf, die Bogen geben besser nach, platzen nicht voneinander, und die etwa entstehenden Lücken werden sofort wieder mit Klebstoff ausgefüllt. Zum schärferen Herübertreiben des Falzes bedient man sich auch wohl besonders zugerichteter Bretter, die auf der hohen Kante mit einer in der Mitte ausgekehlten Eisenschiene versehen sind, so daß die Fälze sich stärker, als im rechten Winkel herüberlegen müssen. In England und Frankreich wird jedes Buch einzeln abgepresst, und zwar ohne vorheriges Einkleistern; haben Rücken und Falz ihre Form erhalten, so kommt das Buch sofort mit anderen in eine Presse[45] zwischen Bretter, und der Rücken wird dann erst eingekleistert und mit der Spitze des Hammers abgerieben. In England reibt man den Rücken auch wohl mit einem ausgehöhlten Stück Buchsbaumholz ab, um die Rundung recht glatt und gleichmäßig zu machen. Eine ähnliche Vorrichtung findet sich bei uns noch in dem sog. Cachiereisen, einem kurzen, nach beiden Seiten breit abgeflachten Eisen, dessen eine Seite in der Form des Buchrückens ausgerundet ist und zum Abreiben dient, dessen anderes Ende dagegen gerade und mit stumpfen Zähnen versehen ist, mit denen man den Falz herüberklopft (Fig. 16). Dies Werkzeug kann in der Hand eines ungeschickten Arbeiters für den Einband leicht verhängnisvoll werden, da mit demselben sehr leicht der Zwirn zerstört und Löcher und Falten in das Buch geschlagen werden können.
Die abgepressten Bände werden zu Stößen vereinigt, wieder eingepresst und dann in der bereits angeführten Weise gekleistert und abgerieben.
Etwas abweichend ist das Verfahren des Abpressens bei Halbleinwandbänden, die namentlich für Schulbücher der Billigkeit halber verwendet werden. Die Art der Verbindung des Buchkörpers mit der Decke, von der später die Rede sein wird, macht das scharfe Hinübertreiben der seitlichen Rückenteile überflüssig und nicht einmal wünschenswert. Der Rücken wird deshalb nicht mit dem Hammer bearbeitet sondern nur so weit gerundet, als dies durch das Abpressen sich von selbst ergibt (Vergl. Fig. 17 u. 18).
Für den Großbetrieb empfiehlt es sich, sowohl zum Runden des Rückens wie zum Abpressen sich der Maschinen zu bedienen, die zu diesem Zwecke in Leipzig und an anderen Orten gebaut werden. (Fig. 19 u. 20.)
Seine fernere Zurichtung erhält der Buchkörper nun durch das Beschneiden, sofern nicht etwa die rauhen Ränder stehen bleiben sollen, wie es von manchem Bücherliebhaber, der auf breite Ränder hält, beliebt wird. In manchen privaten Bibliotheken, namentlich in England, findet man die Bände nur oben mit einem Goldschnitt versehen, während seitwärts und unten die Ränder unbeschnitten sind.
Die ursprünglich allgemein übliche, am nächsten liegende Art[46] des Beschneidens geschah mittelst Messer und Lineal. Indes kam schon im 15. Jahrhundert der Buchbinderhobel in Gebrauch in der Form des sog. Scheibenhobels. Bei diesem besteht das Messer aus einer runden, ringsherum geschliffenen, 8 cm im Durchmesser haltenden Scheibe, die den Vorteil bietet, daß man durch Drehung eine stumpf gewordene Stelle durch eine scharfe ersetzen kann. Zweckmäßiger ist der in dem laufenden Jahrhundert in Gebrauch gekommene Zungenhobel, der seinen Namen von der zungenförmigen Gestalt der einseitig spitzgeschliffenen, 1–2 cm breiten Klinge hat, weil er ein rasches Wechseln der Klinge, wenn diese stumpf geworden ist, ermöglicht.
Die Einrichtung des Hobels und seine Handhabung wird aus der beigegebenen Abbildung (Fig. 21) zur Genüge ersichtlich. An dem unteren Pressbalken ist eine Schiene angebracht, an welcher der hintere Backen des Hobels hergleitet. Der Vorderbacken trägt die Zunge und wird mittelst eines Schraubengewindes während des Hin-[47] und Herfahrens langsam gegen den Hinterbacken hin bewegt, so daß das Messer immer tiefer in die Papierlage einschneidet, während die abgeschnittenen Späne unten herausfallen.
Jedes gerundete Buch, muß vor dem Beschneiden »aufgebunden« und wieder gerade gerichtet werden. Man schlingt deshalb ein breites Band etwa 2 cm vom Rücken entfernt fest um das Buch herum, und stößt dieses am Rücken wieder gerade. An den Bünden muß man dabei durch Zurückziehen derselben, sowie durch Klopfen mit dem Hammer auf die Mitte des aufgestellten Buchrückens nachhelfen, bis der Band am Vorderschnitt wie am Rücken völlig gerade geworden ist. Ist dies der Fall, so wird das »aufgebundene« Buch zwischen die Pressbalken gebracht und geradegerichtet.
Am Vorderschnitt wird nun ermessen, wie weit man mit dem Abschneiden gehen will. Selbstverständlich nimmt man, um die Ränder so breit wie möglich zu lassen, nur so viel ab, wie eben erforderlich ist, um alle Blätter mit dem Messer zu treffen. Das abzuschneidende Stück wird mit dem Zirkel genau »abgestochen« und die Schnittseite genau abgerichtet. Statt des Zirkels benutzt man auch ein sog. Punktiereisen. Dasselbe, aus einer schmalen, mit stellbarem Stift versehenen Eisenschiene bestehend,[48] ist jedoch nur noch wenig im Gebrauch. Zu demselben Zweck dient auch der sog. Sattel, dessen Einrichtung aus der beigefügten Abbildung (Fig. 22) ersichtlich ist und der, wie folgt, verwendet wird.
Das zuerst abgestochene, d. h. abgezirkelte Buch wird eingesetzt, die Presse festgedreht und auf der Rückseite der Sattel auf dem Rücken des Buches eingestellt und festgeschraubt. Man hat dann nur nötig, je einmal oben und unten am Rücken den Sattel aufzusetzen und das Buch gegen denselben anzustoßen, um ohne jedesmaliges Abstechen sämtliche Bände genau in derselben Breite zu beschneiden. Außerdem aber zeigt der Sattel noch, ob das Buch winkelig oder etwa nach einer Seite schräg verschoben ist. Diese Arbeit wird mit Absatteln bezeichnet.
Der Hobel wird gegenwärtig, in Deutschland wenigstens, nur noch beim Kleinbetriebe gebraucht. Der Großbetrieb bedient sich dagegen der Beschneidemaschine, die eine ähnliche, als Sattel bezeichnete Vorrichtung hat. Derselbe wird dabei mittelst einer Kurbel eingestellt, der Pressbalken alsdann niedergelassen und das Messer entweder mittelst einer Hebelvorrichtung oder auch mittelst eines Schwungrades in Bewegung gesetzt. (Fig. 23 u. 24.)
Neuerdings sind an den Beschneidemaschinen noch Vorrichtungen angebracht worden, die das selbstthätige Ausrücken und die selbstthätige Pressung bewirken, mit Maß am Sattel u. s. w. Jeder Fabrikant sucht darin Neues zu leisten und die Konkurrenz zu überbieten; doch erhöhen die Zugaben den Wert des Werkzeuges nur wenig, verteuern es aber um so mehr.
Um den Band oben und unten zu beschneiden, wird derselbe[49] mit dem Falz an die Kante eines Brettes angeschoben, zum Schutze des oberen Falzes aber ein genau rechtwinkeliges, kräftiges Stück Pappe aufgelegt, und zwar so, daß es genau mit der Stelle abgleicht, an welcher der Rand abzuschneiden ist. Es ist Gebrauch, den Unterschnitt vor dem Oberschnitt zu machen, und es genügt beim Maschinenschnitt, den oberen Rand am Sattel anzustoßen und diesen auf die Buchhöhe einzustellen. Auch kann die obere Pappe zum Schutze des Falzes an den Pressbalken angeklebt, oder eine ähnliche Vorrichtung angeschraubt oder mittelst Federn angeklemmt werden. Dieses Anstoßen am Sattel ist jedoch nur dann thunlich, wenn es sich entweder um ein Buch mit gefalzten Bogen handelt, oder um einen Band, der oben zuverlässig rechtwinkelig abgeschnitten wurde. Anderenfalls muß erst der rechte Winkel genau vorgezeichnet werden. Dieses kann geschehen an einem vorgelegten Winkel her mit Bleistift. Ein einfacheres Verfahren ist es, wenn man das erste Blatt des Buches in der Mitte leicht zusammenbiegt, den Vorderrand mit dem Falz geraderichtet und in der Nähe des Rückens mit dem Messer da einen Einstich macht, wo das Schneidemesser einsetzen soll; legt man[50] das Blatt wieder flach, so hat man am Rücken und am Vorderschnitt je eine Marke; eine dieselben verbindende Linie muß mit dem Rücken und dem Vorderschnitt im genauen rechten Winkel stehen, vorausgesetzt, daß diese selbst genau parallel sind. Diesen Marken nach wird das Buch eingesetzt und beschnitten.
Der Oberschnitt wird in der Maschine in allen Fällen angestoßen, da er dem unteren parallel werden muß.
Beim Beschneiden mit dem Hobel ist das Verfahren dasselbe, nur fällt das Anstoßen am Sattel fort, und das genaue Abrichten des Buches muß genügen. Erleichtert wird hier das Einsetzen noch durch das Auflegen einer genau winkelig geschnittenen Pappe, insbesondere wenn auf diese Auflegepappe eine zweite so aufgeleimt ist, daß dieselbe hinter dem Pressbalken an diesen anstößt. Man hat dann nur nötig, Unterlagsbrett, Buch und Auflegepappe so einzusetzen, daß die letztere von hinten mit dem Absatz gegen den oberen Pressbalken anstößt.
Zur Herstellung glatter und guter Schnittflächen sind scharfe Schneidemesser die erste Vorbedingung. Neuerdings werden in Fachzeitschriften alle möglichen Vorrichtungen angepriesen, welche das Einreißen an Kapital und Vorderschnitt verhindern sollen. Sie leisten vielleicht, was man erwartet, sind aber meist überflüssig, wenn nur das Werkzeug gehörig scharf, der Rücken nicht überrundet und der Falz nicht allzugroß ist.
In bezug auf besondere Fälle ist noch einiges über das Beschneiden zu bemerken. Es kommt häufig vor, daß Tafeln, Karten, Fälze, Photographien im Buche selbst Lücken verursachen, die beim Beschneiden Unannehmlichkeiten im Gefolge haben können, da das beste Messer da einreißen kann, wo das zu Beschneidende nicht unter Druck steht. Es ist deshalb notwendig, solche Stellen durch Einlagen von Karton oder Makulatur auszufüllen; diese Einlagen müssen vor dem Beschneiden eingelegt und erforderlichen Falles leicht befestigt werden, damit sie während der ganzen Arbeit des Bindens im Buche bleiben; später werden sie selbstverständlich herausgenommen.
In jeder Buchbinderei kommt es vor, daß Karten oder schmale Streifen geschnitten werden müssen. Geschieht dies mit der Hand am Lineal mit dem Messer, so werden auf dem obersten Bogen alle Schnitte ausgezirkelt und in höchstens 8 mm dicken Stößen geschnitten, wobei man darauf zu achten hat, daß die Messerführung stets eine ganz senkrechte ist. Ist eine Maschine zur Verfügung, so dürfen die Stöße wesentlich dicker sein; doch wird bei sehr schmalen Streifen (weniger breit als der Preßbalken) das Abrichten mit dem Sattel seine[51] Schwierigkeiten haben. Um diese zu heben, dient eine von der Firma Leo in Stuttgart in den Handel gebrachte Vorrichtung zum Schmalschneiden. Mehrere bewegliche Platten geben die Parallele an, und da dieselben durch Federn stets wieder nach oben gedrückt werden, dagegen auch jedem Druck der Presse nachgeben, so können schmale Stöße jeder Breite parallel am Sattel angestoßen werden, wenn diese Vorrichtung zwischen diesen und das Papier eingelegt wird (Fig. 25).
Zum Gelingen eines guten Einbandes tragen wesentlich gut bereitete Klebstoffe, Leim und Kleister, bei. Der beste Leim ist der als Kölner Leim in den Handel kommende; da er am ausgiebigsten ist, ist er auch der billigste — trotz seines höheren Preises. Die Leimtafeln werden in so viel Wasser eingeweicht, daß sie damit völlig bedeckt sind. Nach vierundzwanzig Stunden wird der aufgeweichte, gallertartige Stoff bei mäßiger Wärme, am besten im Wasserbade unter fortwährendem Umrühren zerlassen, nicht aber gekocht. Gekochter Leim hat den besten Teil seines Klebstoffes eingebüßt. Guter Leim soll geruch- und geschmacklos sein; minderwertige Leime werden gesalzen, um sie haltbarer zu machen. Übelriechende Leime sind aus verdorbenem oder unreinem Rohstoff hergestellt. Vor dem Zergehenlassen kann man einen Teil des Wassers abgießen, wenn ein sehr kräftiger Leim erzeugt werden soll, jedoch nicht zu viel, da der Klebstoff allmählich nachdickt und das Wasser verdunstet. Während des Gebrauchs hält man den Leim am besten in einem Gefäß, das durch den Wasserdampf eines zweiten, darunter befindlichen heiß erhalten wird. Die hier (Fig. 26) abgebildete Wärmvorrichtung hat noch den Vorteil, daß in deren unterem Teile Platz ist zur Erwärmung von Vergoldewerkzeugen, Streicheisen oder Glättkolben, deren Gebrauch wir später kennen lernen werden.
Der Kleister, zu dem nur die beste Weizenstärke verwendet werden sollte, wird ebenfalls nicht gekocht, sondern mit siedend heißem Wasser angebrüht. Die Stärke, mit etwas kaltem Wasser besprengt, zerfällt rasch und läßt sich dann zu einem honigdicken Brei verrühren. Im Winter soll das Gefäß etwas erwärmt, das Wasser zum ersten Anrühren lauwarm sein. Auf ein Teil Stärke nimmt man etwa fünf Teile siedendes Wasser für kräftigen, bis zu zehn Teile für schwachen Kleister. Das Wasser wird unter tüchtigem Rühren erst langsam, gegen Ende rasch zugegossen, damit die Umwandlung in Klebstoff recht gleichmäßig vor sich gehe und Knoten vermieden[52] werden. Ist so lange gerührt worden, bis das Ganze eine gleichmäßige Masse bildet, so setzt man auf jedes halbe Pfund Stärke etwa einen Theelöffel voll gewöhnliches Terpentin zu. Dieser Zusatz erhält den Klebstoff schimmelfrei und schützt die Bücher einigermaßen vor Wurmfraß, da die Milben den so zubereiteten Kleister scheuen.
Zur Aufbewahrung während des Gebrauchs dient eine glasierte Schüssel von Steingut, der Haltbarkeit wegen besser noch ein emaillierter eiserner Napf. Die oben genannte Fabrik bringt auch Kleistertöpfe in den Handel, die in der Mitte eine Vorrichtung zum Abstreichen und zum Auflegen des Kleisterpinsels haben.
Die Pinsel für Kleister dürfen nicht mit einer Eisenblechhülse, einem Eisenring oder Eisendraht versehen sein, da das Eisen leicht rostet und der Rost auf weißem Papier gelbe, auf Leder schwarze Flecke erzeugt. Bei Leimpinseln ist die eiserne Hülse unbedenklich, weil der Leim nicht ansäuert und keine Rostbildung veranlaßt.
Älteste Schnitte. — Neuere Schnitte. — Sprengschnitte, Kleisterschnitte, Farbschnitte. — Marmorschnitte. — Der Goldschnitt. — Doppelschnitte. — Verzierte Goldschnitte, ziselierte und bemalte Schnitte. — Das Kapital. — Älteste Kapitale, neuere Kapitale, unser jetziges Kapital, orientalisches Kapital.
Von gewöhnlichen Schulbüchern geringen Umfangs abgesehen, wird bei fast allen Büchern der Schnitt ringsum gefärbt oder vergoldet, da weißer Schnitt leicht schmutzt.
Die frühesten Schnitte an gebundenen Büchern sind einfarbig, meist zinnoberrot oder auch gelb. Der Goldschnitt kommt zuerst im 16. Jahrhundert auf, in der Regel schon als Zierschnitt, d. h. die vergoldete Fläche wurde unter Anwendung der Punze mit einem meist linearen Ornament versehen. Man begnügte sich indes nicht immer mit dieser einfachen Ornamentierung, sondern nahm auch die Farbe zu Hilfe, schabte die farbig zu behandelnden Stellen aus und malte mit dem Pinsel die Verzierung hinein. Diese Behandlung der Schnittfläche steigerte sich bei besonders kostbaren, bez. zum Gottesdienst bestimmten Werken nicht selten bis zu den herrlichsten Kunstleistungen, mit denen der berufsmäßige Maler dem Buchbinder ebenso zu Hilfe[54] kam, wie anderseits der Goldschmied bei der Verzierung des Deckels mit dem Silberbeschlag.
Die liebevolle Sorgfalt, welche das 16. Jahrhundert, die Zeit der Renaissance, auf den Schnitt verwendet, läßt im 17. Jahrhundert allmählich nach. Die Zeichnung des Ornaments vergröbert sich, immerhin werden die Schnitte aber wenigstens noch an den Ecken und am Kapital verziert. In Fig. 27–31 geben wir einige Zierschnitte des 16. und 17. Jahrhunderts in Abbildung.
Gegen Ende des 17. und im 18. Jahrhundert verschwindet nach und nach der gemalte Schnitt, die Punzierung wird nachlässiger und an deren Stelle tritt der Stempeldruck. Die Ornamentierung wird dabei von dem Geschmack der Zeit (Rokoko) beeinflußt, zeigt indes häufig noch klare, auf geometrischer Einteilung der Fläche beruhende Formen, wie aus der Abbildung (Fig. 32) zu ersehen ist.
Im Anfange des 18. Jahrhunderts findet sich bereits der Spreng- oder Sprenkelschnitt mit seinen Abänderungen als Kleien-, Sand-, Körner-, Wachs- und Stärkeschnitt, mehr aber noch der Kleisterschnitt und gegen Ende des Jahrhunderts der marmorierte Schnitt. — Das laufende Jahrhundert brachte uns in seinen ersten Jahrzehnten den untermalten und unterfärbten Goldschnitt, den Goldschnitt mit Marmorierung darunter und darüber, vor allem aber die vollkommenste Ausgestaltung des Marmorschnittes. In der neuesten Zeit kamen hierzu der Zierschnitt mit Überdruck, welcher sich aber für die Dauer nicht zu halten vermochte, und der Goldschnitt mit mehrfarbigem Golde.
Über das zur Herstellung der verschiedenen Arten des farbigen Schnittes anzuwendende, bez. früher angewandte technische Verfahren geben wir im folgenden das Nähere an. Unter allen Umständen muß vor dem Beginn der Arbeit der Vorderschnitt sowohl wie der Oberschnitt mit dem Messer abgeputzt, d. h. die beim Beschneiden zurückgebliebenen Unebenheiten beseitigt, auch die ersten und letzten vorgeschossenen Blätter mit dem Lineal, besser noch aus freier Hand etwas schräg nach außen abgeschnitten werden.
1. Der Sprengschnitt. Noch in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts stellte man die Bücherschnitte durch Spritzarbeit her, indem man eine Bürste mit etwas Farbe befeuchtete, und, mit dem Finger über die Borsten streichend, die Farbentröpfchen gegen den Schnitt spritzen ließ. Jetzt bedient man sich eines Gitters, über das man mit der Farbenbürste streichend, einen Staubregen farbiger Tröpfchen auf die eingepreßten Schnitte fallen läßt. Zu diesem Ende werden die Bücher, sofern es sich um Vorderschnitte handelt, in handlichen Stößen übereinander geschichtet, und so in die Presse gesetzt, daß die Schnittränder den Balken gleichstehen. Oben und unten fügt man eine sog. Spalte ein, d. h. ein schmales Brett, etwas länger als die zu bearbeitenden Bücher und ungefähr 6 cm breit. Das Brett ist aber der Breite nach nicht gleichdick, sondern verläuft keilförmig. Dies hat den Zweck, das Buch am vorderen Rande kräftiger zu pressen als an den übrigen Stellen. Solche Spalten sind überall da unentbehrlich, wo Schnitte unter scharfem Druck mit einem Zahn geglättet werden sollen. Bei der Färbung der Oberschnitte legt man die Bände verschränkt, so daß der Vorderrand im Falz des nächstfolgenden Bandes liegt; oben und unten wird je ein Längenbrett vorgelegt.
Je feiner die Farbentropfen auffallen, desto schöner der Schnitt. Damit nun nicht größere Tropfen oder gar Klexe auf den Schnitt kommen, ist es notwendig, daß schon in der Bürste die Farbe gleichmäßig verteilt ist. Dies geschieht, wenn man etwas Farbe auf einen Stein oder ein Brett schüttet und mit der Bürste verreibt; außerdem übt man die Vorsicht, die gröbsten Tropfen vorher noch über ein Stück Makulatur auszuspritzen. Als beste Farbe zum Sprenkeln empfiehlt sich Kasseler Braun oder Nußholzbeize, die in jeder Farbwarenhandlung käuflich ist, da sie nur mit Wasser angerührt wird und keines weiteren Bindemittels bedarf.
Außerdem verwendete man früher mit Vorliebe Rot, Blau und wohl auch Grün. Heute sind diese Farben seltener geworden, wie denn überhaupt gesprenkelte Schnitte allmählich außer Gebrauch kommen. Am meisten werden sie noch als sog. Sand- oder Kleienschnitte angewendet. Das Verfahren ist folgendes. Auf einen weißen Schnitt wird leicht gefeuchteter Sand, Sägemehl oder Kleie aufgestreut, diese Stoffe decken einzelne Teile des Schnittes zu,[57] welche weiß bleiben, während die unbedeckten Teile von der Farbe getroffen werden. Auf diese Weise entsteht eine Art marmorierter Schnitt (Fig. 33): Um Gleichmäßigkeit zu erzielen, hat man dafür zu sorgen, daß die aufgestreute Menge recht gleichmäßig verteilt ist, was mitunter die Nachhilfe mit einer Messerspitze erfordert.
Früher kannte man eine noch größere Auswahl von Sprengschnitten, deren Herstellung aber meist sehr umständlich ist. Dazu gehören Wachsschnitte (mit aufgetröpfeltem Wachs als Deckmittel), Körnerschnitte (mit aufgestreuten Körnern verschiedener Hülsenfrüchte) und Stärkeschnitte. Die letztgenannten werden noch heute dann und wann in Anwendung gebracht. Mit Geschick hergestellt, kann ein derartiger Schnitt recht gut aussehen und läßt mancherlei Abwechselungen zu. Die Stärke wird dabei zu einem honigdicken Brei mit Wasser angerührt und mit einem Pinsel aus Wurzeln, wie solche bei den Bürstenbindern zu kaufen sind, in groben Tropfen aufgespritzt. Nachdem die Tropfen ihre Feuchtigkeit an den Schnitt abgegeben haben und oberflächlich trocken geworden sind, wird die Farbe aufgesprengt, die Stärke später abgeklopft. Damit dies Abtrocknen schneller geht, überführt man den Schnitt vor dem Aufspritzen der Stärke mit einem Schwämmchen, das mit Spiritus getränkt ist; der Spiritus entzieht der Stärke den Wassergehalt. Um einen bunten Schnitt herbeizuführen, stellt man mehrere Näpfchen mit Stärke auf und gibt jedem einen Zusatz von Farbe, dem einen Blau, dem anderen Rot u. s. w. Die Stärke gibt dann einen Teil der Farbe an den Schnitt ab. Natürlich muß man darauf achten, daß schließlich noch einige Stellen von Farbe frei bleiben. Über das Ganze wird die Farbe dann recht kräftig dunkel aufgesprengt (Fig. 34).
Außerdem bediente man sich ehedem auch noch ausgeschnittener Schablonen, über welche der Schnitt gesprengt wurde, oder an ihrer Stelle durchsichtiger gemusterter Webstoffe. Als die sogenannte Spritzmalerei in den siebziger Jahren in Aufnahme kam, wurde dieselbe auch wohl auf Bücherschnitte mit Erfolg angewandt.
2. Der Kleisterschnitt. Älter als der Sprengschnitt ist der Kleisterschnitt. Die Schnittfläche wird bei Herstellung desselben[58] kräftig mit gefärbtem Kleister bestrichen. Bevor der Farbenauftrag trocknet, wird mit einem etwas zugespitzten Kork ein Bandornament gezogen, wodurch die Farbe an den betreffenden Stellen zum Teil entfernt wird und heller erscheint. Zwischen dieses Bandornament werden dann mit einem stumpfen Holz- oder Metallstift noch Blüten, Blattmotive, Ranken oder dergleichen eingezeichnet. Die Arbeit ist für Luxusbände, besonders für solche, die im Sinne früherer Zeiten gebunden und verziert werden sollen, durchaus passend, nur muß der Arbeiter etwas vom Zeichnen verstehen. Als Farbe dient am besten Indigokarmin für Blau, dem man jedoch etwas Braun zusetzt, damit die Farbe gedämpft werde, und das oben genannte Kasseler Braun. Helle und grelle Farben zur Anwendung zu bringen, ist nicht ratsam, da der Schnitt dadurch ein auffälliges, für das Auge unangenehmes, weil mit dem sonstigen Äußeren des Buches im Widerstreit stehendes Aussehen erhält. Nur bei marmorierten Schnitten bedient man sich ungebrochener und leuchtender Farben, weil diese in der Marmorierung nicht grell hervorstechen.
Der Kleisterschnitt wird stets am eingepreßten Buche gemacht; der Vorderschnitt kann sowohl in geradem, als auch, wenn der Band nicht zu dünn ist, in gerundetem Zustande auf diese Weise behandelt werden. Die Farbe soll dabei kräftig aufgetragen werden, jedoch nicht so dick, daß sie beim Aufblättern des Buches abspringt.
Es empfiehlt sich, ehe man die Verzierung ausführt, an beiden Seiten, gleichlaufend mit dem ersten Bogen, eine Linie zu ziehen und dadurch dem Ornamente einen Abschluß zu geben. Fig. 35–38 sind Beispiele solcher Kleisterschnitte.
3. Der Farbschnitt. Der Farbschnitt, d. h. der mit dem Pinsel durch Aufstreichung der Farbe hergestellte einfarbige Schnitt, ist, nachdem er jahrzehntelang von dem Marmorschnitte verdrängt war, in neuerer Zeit wieder allgemein üblich geworden. Außer dem Goldschnitt und dem Kleisterschnitt ist kein Schnitt so dauerhaft. Seine Herstellungsweise ist verhältnismäßig einfach. Die Farbe, vorher aufs feinste gerieben, wird mit einem Bindemittel, am besten mit Fischleim, Gelatine oder Leim (weniger gut mit Kleister oder Eiweiß) angerührt unter Zusatz einer nicht zu reichlichen Menge Wasser. Die Farbe muß so kräftig sein, daß sie die Schnittfläche deckt,[59] ohne daß ein zweiter Aufstrich notwendig wäre. Die Verwendung von Anilinfarben ist nicht ratsam, da diese unter dem Einfluß des Lichtes sehr bald verblassen.
Zum Aufstreichen der Farbe bedient man sich eines Haarpinsels. Der Band braucht dabei nicht eingepreßt zu werden; man hat nur nötig, ihn zwischen Spalten oder Brettern an die Tischkante zu legen und mit der linken Hand fest zusammenzudrücken. Schöner wird[60] der Schnitt allerdings, wenn er in der Presse recht fest eingepreßt und mit einer Ziehklinge geschabt wird, ehe der Farbenauftrag erfolgt.
Besteht der Band aus ungeleimtem oder halbgeleimtem Papier, so muß der Schnitt vor dem Färben mit einer dünnen Leimlösung, der etwas Alaun zugesetzt wurde, überfahren werden; indes genügt schon das Überfahren mit Alaunwasser allein. Geschieht dies nicht, so saugt das Papier die Feuchtigkeit der Farbe allzurasch auf, während diese selbst sich sehr dick außen aufsetzt und später abblättert.
Als Farbstoffe dienen Karmin, Indigo, Berliner Blau, das oben genannte Kasseler Braun und grüner Zinnober. Früher wurde auch Chromgelb vielfach verwendet, während heute sich dessen Gebrauch sehr vermindert hat; wenn wirklich noch ein gelber Schnitt verlangt wird, so erreicht man seinen Zweck durch eine Beize mit Pikrinsäure.
Für schwarze Schnitte, die bisweilen auch vorkommen, dient am besten chinesische Tusche; dieselbe ist so ergiebig, daß der Preis kaum ins Gewicht fällt. Einen besonderen Reiz hat der Graphitschnitt, zumal wenn er — wie wir weiterhin sehen werden — mit Stempeln vergoldet wird; zu seiner Herstellung kann man sich der Ofenschwärze unter Zusatz eines Bindemittels bedienen.
Jeder Schnitt, der mittelst Farbe hergestellt wird, muß nach dem Trocknen geglättet werden. Der Vorderschnitt wird dabei zwischen Spalten, Ober- und Unterschnitt zwischen Längebretter so eingepreßt, daß Schnitte und Spalten oder Bretter genau eine Fläche bilden, aber hinter der Oberfläche der Preßbalken etwa einen Finger breit zurückstehen. Dies hat den Zweck, ein schärferes Pressen zu erzwingen; würden die Bände mit dem Preßbalken Linie halten oder diese gar überragen, so wäre der Druck wesentlich geringer. Bei mangelhaftem Druck aber glätten sich leicht Runzeln oder Falten in das Papier.
Nach dem Einpressen wird jeder Schnitt durch Abbürsten mit einer harten Bürste von etwa anhaftenden Unsauberkeiten befreit; damit der Glättzahn gut gleitet, reibt man vorsichtig jeden Schnitt mit einem weichen, etwas gewachsten Lappen ab. Die Glättzähne sind entweder flach oder rund und bestehen aus Achat oder Blutstein. Der Zahn ist in eine Metallhülse gefasst und an einem hölzernen Stiele befestigt. (Fig. 39.)
Mit dem flachen Zahne allein läßt sich zur Not auskommen, da man auch den runden Vorderschnitt mit diesem, quer über den Schnitt gehend, glätten kann; nur muß man dann erst die eine und nach Drehung der Presse die andere Hälfte abglätten. Immerhin[61] ist es besser, nachträglich noch mit dem runden Zahne der Länge nach zu glätten. Das Hin- und Herfahren mit dem Zahne darf nicht zu schnell geschehen, sonst erwärmt sich dessen Oberfläche und zieht Streifen. Langsame Bewegung unter kräftigem Druck bei stetigem Zuge gibt den besten Erfolg, namentlich, wenn nach jedesmaligem Durchglätten mit dem gewachsten Lappen die Fläche abgerieben wird. Beim Glätten stemmt man das obere Ende des Holzgriffes gegen die Schulter und neigt den Körper so weit nach vorn, daß der Zahn, dessen unteren Teil man an der Metallfassung fest mit beiden Händen umfaßt, schräg, und zwar in einem Winkel unter 45° zum Schnitt steht. Die Presse ruht während der Arbeit mit ihren Spindeln auf der Tischkante und ihr unterer Balken wird durch den Preßknecht unterstützt. Gegen diesen stemmt man das eine Knie, wodurch der vorgeneigte Körper einen festen Halt gewinnt.
Die Arbeit hat mit schwachem Druck zu beginnen und erst beim zweiten oder dritten Durchglätten wendet man die volle Kraft an. Es genügt, wenn ein matter Glanz in möglichster Gleichmäßigkeit erzielt wird; Spiegelglanz, wie beim Goldschnitt, ist nicht erforderlich.
Ober- und Unterschnitt wird ebenfalls quer geglättet, können jedoch schließlich der Länge nach fertig geglättet werden.
Farbschnitte lassen sich sehr schön verzieren durch Goldornamente, die man ihnen mit Rollen und Stempeln aufdruckt. Nach dem Glätten, und während noch der Schnitt in der Presse steht, wird Blattgold aufgetragen, nachdem man den Platz für das Ornament abgezirkelt oder leicht vorgedruckt hat. Mit einem ganz schwach gefetteten Läppchen überfährt man den Schnitt und bringt mit einem sogenannten Anschießer das Gold auf, welches dann mit Watte leicht angedrückt wird. Man sieht nun durch dasselbe hindurch den Vordruck oder die Vormerkung, nach der man sich beim Aufsetzen der Stempel oder Rollen, die leicht angewärmt sein müssen, zu richten hat. Nach dem Aufdruck wird der Schnitt mit einem sauberen Lappen abgewischt, alles überflüssige Gold völlig abgeputzt, und kann nochmals leicht abgeglättet werden. Im übrigen verweisen wir auf den Abschnitt »Handvergoldung«; genau dasselbe Verfahren, wie dort beschrieben, kommt hier zur Anwendung, nur ist ein ebener Schnitt mit dem Farbgrunde leichter zu behandeln.
4. Der marmorierte Schnitt. Das Marmorieren des Papieres war ein schon im 16. Jahrhundert bekanntes Verfahren. Marmoriertes Papier wurde damals bereits zu Vorsätzen verwendet und als Nürnberger Papier in den Handel gebracht. Auf Buchschnitten findet sich die Marmorierung erst seit dem vorigen Jahrhundert, und zwar meist in großen, groben Mustern mit kräftigen Farbentropfen und groben Adern. Erst im 19. Jahrhundert, besonders in den sechziger Jahren, wurde das Verfahren[62] zur höchsten Vollendung gebracht. Es wird seitdem nicht allein in den Buntpapierfabriken, sondern auch in fast allen Großbuchbindereien von besonders darauf eingeübten Arbeitern (Marmorierern) als Spezialität betrieben. Das Wesentliche an der Sache ist, daß die auf einer schleimigen Flüssigkeit schwimmende Farbenschicht durch leichtes Eintauchen der Schnittfläche abgehoben wird und nun auf dieser sich festsetzt. Der Schleimgrund wird hergestellt durch eine Abkochung von Caragheenmoos oder Tragantgummi; früher nahm man auch Flohsamen oder Leinsamen dazu.
Die zum Marmorieren gebräuchlichen Farbstoffe sind gegenwärtig fertig im Handel zu haben.
Man unterscheidet zwei Sorten: die nach älterer Weise hergestellten, wie sie von den Buntpapierfabriken benutzt werden, und die sogenannten Halferschen Farben, die zum Zwecke des Schnittmarmorierens besonders bereitet werden. Sie decken zwar nicht so kräftig wie jene, sind dafür aber ungemein feurig und leuchtend. Es empfiehlt sich nicht, beide Sorten durcheinander zu benutzen, da sie sich nicht gut miteinander vertragen. Die Halferschen Farben haben noch den Vorzug, daß sie sich leichter verarbeiten lassen als die anderen und dabei sehr haltbar sind, während einzelne der nach der älteren Bereitungsweise hergestellten Farben gern sauer werden und verderben, mitunter auch den Ton ändern.
Gute Farbe muß ganz fein verrieben sein und im aufgesprengten Tropfen klar und gleichmäßig aussehen, darf also keine grieseligen, scheinbar gerinnenden Teile oder gar Körnchen zeigen. Der Grund wird folgendermaßen hergestellt: 10 gr. Caragheenmoos werden in ein sauberes Gefäß gethan, das noch keinem anderen Zwecke diente, mit einem Liter kochenden Wassers übergossen und staubfrei zugedeckt. Die Flüssigkeit wird, ehe sie völlig erkaltet ist, d. h. solange sich der Topf noch angenehm warm anfühlt, durch ein Tuch, besser durch ein Haarsieb geschüttet, damit alle ungelösten Teile zurückbleiben. Da der größte Feind des Marmorierers die Staubteilchen sind, welche sich auf die Oberfläche des Grundes setzen, so muß das Gefäß mit der Schleimflüssigkeit stets fest zugedeckt gehalten werden.
Der so gewonnene Grund arbeitet am besten am dritten Tage für dichten Farbenauftrag, nach dem fünften Tage für leichtere Marmorarten mit feinen Adern. Benutzt man Gummitragant, so wird im gleichen Verhältnis wie vorhin kaltes Wasser darübergegossen und bleibt bis zur Auflösung des Gummis stehen, doch muß die Flüssigkeit öfters, am besten durch Quirlen, durcheinander gerührt werden. Erst wenn alle Teile gelöst sind, kann man die Masse verwenden. Seiht man den Grund von den noch nicht ganz gelösten Teilen ab, so kann man ihn früher benutzen, während der Rückstand zur weiteren Lösung wieder zurückgeschüttet wird. Am besten ist[63] der Tragantgrund nach dem fünften Tage, bis zu welchem er fortwährend nachdickt. Tragant bleibt länger brauchbar als Caragheenmoos, ist aber etwas teurer.
Das Wasser, welches den genannten Stoffen zugesetzt wird, muß weich sein; am besten ist Regen- oder destilliertes Wasser.
Zur Aufnahme des Grundes während der Arbeit dient ein etwa 4 cm tiefes Becken von Zinkblech, das so lang ist, daß man selbst das längste Buch noch bequem eintauchen kann, und so breit, daß man so viele Bücher eintauchen kann, als man mit der geöffneten Hand zu fassen im stande ist. Das Verhältnis von 20 zu 50 cm dürfte vollauf ausreichen. An einem der schmalen Enden lasse man eine kleine Abteilung anbringen, welche den Farbenrückstand von jeder einzelnen Farbenschicht aufnimmt, der nach jedesmaligem Gebrauch entfernt wird. Damit dieses Entfernen der Oberfläche bequem zu bewerkstelligen sei, wird die Scheidewand zwischen beiden Abteilungen schräg eingesetzt, wie aus unserer Abbildung (Fig. 40) eines vollständigen Marmorierapparates zu ersehen ist. Um die große Abteilung bequem entleeren zu können, empfiehlt es sich, eine kleine Abzugsröhre seitwärts anbringen zu lassen, welche während des Gebrauchs mit einem Korkstopfen verschlossen bleibt.
Man muß so viele Farbennäpfe zur Hand haben, als man Farben anwendet. Die Näpfe sollen einen oberen Durchmesser von 8 cm haben, innen recht rund sein, damit sich die Farbe nicht in Ecken einsetzen kann und stets nach der Mitte zu läuft. Zu jeder Farbe fertigt man sich einen Pinsel von Reiswurzel, welches Material bei jedem Bürstenmacher käuflich ist, indem man um einen runden, hölzernen Stiel in Länge und Dicke eines Bleistiftes so viel von dem[64] Reisstroh mit festem Bindfaden anschnürt, daß ein kleiner Besen entsteht, der an der Bundstelle etwa fingerdick ist; die freistehenden Spitzen werden gleichlang abgeschnitten und müssen unterhalb der Bundstelle eine Länge von 5–8 cm haben. Die Pinsel sind stets sauber zu halten und nach jedem Gebrauch zu reinigen.
Einen besonders dicken Pinsel fertigt man, indem man ein kräftiges Bündel Wurzeln, so viel, als man deren mit Daumen und Zeigefinger umspannen kann, in zweidrittel der ganzen Länge zusammenbindet und unten glatt schneidet. Das Einsetzen eines hölzernen Stieles ist dabei nicht nötig, da der zusammengeschnürte obere Teil genügenden Widerstand leistet.
Wenn wir nun noch die Galle eines Ochsen zubereitet haben, so sind wir gerüstet, um marmorieren zu können.
Zu dem Ende läßt man von einem Metzger, von dem man überzeugt ist, daß er Ochsen schlachtet, eine Galle vorsichtig herausschneiden. Bevor man die Gallenblase öffnet, um die Flüssigkeit zu benutzen, wiegt man eine Halbliterflasche, bringt auf dieselbe einen gläsernen Trichter mit einem Einsatz von Filtrierpapier und öffnet über demselben die Gallenblase. Hat der Trichter alle Flüssigkeit aufgenommen, so wird Flasche, Trichter und Galle beiseite gesetzt, bis eine vollständige Filtration stattgefunden hat. Nun wird die Flasche abermals gewogen, um das Gewicht der erhaltenen reinen Galle festzustellen; den sechsten Teil dieses Gewichtes setzt man an reinem Weingeist zu, schüttelt die Masse durcheinander und kann am nächsten Tage schon die so zubereitete Galle benutzen. Der Gallenzusatz erfolgt tropfenweise. Aus diesem Grunde erscheint es zweckmäßig, etwas von der Galle in einem sogenannten Tropfgläschen zum Gebrauch bereit zu halten, während der Rest als Rückhalt und zum Nachfüllen dient.
Die Arbeit des Marmorierens wird nun an einem Tische vorgenommen, von dem man sich überzeugt hat, daß er durchaus feststeht. Im Umkreise von etwa einem Meter darf sich nichts befinden als das zur Arbeit erforderliche Material und Gerät. Das Marmorierbecken wird dicht an die Tischkante gestellt, mit der Schlammabteilung nach rechts. Hinter dem Becken stehen die Farbennäpfe, hinter diesen die Farbenflaschen, jede bei ihrem Napf.
Wir schütten nun von dem Marmoriergrunde so viel in das Becken, daß es beinahe gefüllt ist. In das erste Farbengefäß kommt etwas Farbe, nicht zu wenig, aber auch nicht mehr, als erforderlich, um den Pinsel bequem benetzen zu können. Die hellsten Farben beginnen den Reigen. Wie wir sehen werden, treibt jede Farbe die vorhergehende und schiebt sie zusammen. Sind nun die am meisten zusammengetriebenen Farben helle Farben, so werden sie sehr kräftig und leuchtend hervortreten. Jeder Farbe werden vor dem Gebrauch je nach der Menge 5 bis 10 Tropfen der präparierten Ochsengalle[65] zugesetzt. Dieser Zusatz bewirkt, daß der Farbstoff nicht untersinkt, wenn er auf den Schleimgrund getröpfelt wird, und sich nicht mit diesem mischt. Die Galle macht die Farben auf dem Grunde schwimmen und treibt sie nach Maßgabe der zugesetzten Menge auseinander.
Wir nehmen nun mit einem sauberen Pinsel etwas Farbe auf und lassen einen Tropfen auf den Grund fallen; derselbe wird schwimmen, ein wenig auseinander treiben, sich aber alsbald wieder zusammenziehen, wenn der Schleimgrund nicht vorher abgezogen wurde. Vor jedesmaligem Aufsprengen von Farbe muß die Oberfläche des Grundes abgezogen werden.
Der Schleimgrund bildet nämlich auf seiner Oberfläche nach nur einer Minute schon ein kaum bemerkbares Häutchen, welches das Ausbreiten der Farben verhindert; dieses Häutchen wird abgezogen, indem man mit einem Streifchen Papier, nicht unter 3 cm breit, die ganze Oberfläche abzieht oder eigentlich in die Schlammabteilung schiebt. Man faßt dabei das Streifchen mit beiden Daumen und Zeigefingern an den Enden, setzt es etwas schräg gegen die Oberfläche auf, drückt es an beiden Enden leicht gegen die Längsseiten und zieht es dicht auf der Oberfläche her, so daß gerade die oberste Schicht abgestreift wird. Auch kleine Staubteilchen, die ja fortwährend in der Luft herumschweben und sich auf der Oberfläche des Beckens niederlassen, werden in dieser Weise mit hinweggenommen.
In ähnlicher Weise streicht man auch den Grund mit einem Brettchen ab, welches, in der Breite des Beckens zurechtgeschnitten, sich leicht zwischen den beiden Seiten herziehen läßt. Doch entfernt der Papierstreifen sicherer alle Farbenreste.
Jeder aufgeworfene Farbentropfen dehnt sich auf dem abgezogenen Grunde sofort aus und zieht sich dann um ein weniges wieder zusammen. Geht die Farbe mehr als ein Sechstel des Durchmessers zusammen, so ist der Grund zu dick.
Ebenso müssen die Ränder des Farbentropfens völlig glatt sein. Sind die Ränder des Probetropfens nicht glatt, treiben sie vielmehr strahlenförmig in den Grund hinein, so ist dieser zu dick. Zu dicker Grund wird mit Regenwasser oder in Ermangelung dessen mit abgekochtem Wasser, welches stets Stubenwärme haben muß, verdünnt.
Treibt eine Farbe zu rasch, also etwa bis zu 8 cm Durchmesser, dann ist der Gallenzusatz zu stark; man gibt in diesem Falle etwas Farbe zu und versucht dann abermals.
Sind Grund und Galle in rechtem Verhältnis, so treibt der erste Tropfen bis zur Größe eines Fünfmarkstückes. Zu wenig Galle in der Farbe bewirkt, daß der Farbstoff untersinkt, wenn auch nur teilweise.
Ist die Farbe zu dick, so sinken Teile davon zu Boden, auch wenn der Gallenzusatz richtig ist.
Breitet sich ein Tropfen ganz plötzlich und fast über das ganze Becken aus, so ist der Grund für dichten Farbenteppich zu dünn und nur für Adermarmor verwendbar; es muß dicker Grund zugesetzt werden.
Nehmen wir an, daß die erste Farbe, es sei Rot, unseren Ansprüchen durchaus genügt, nachdem wir wiederholt Proben gemacht, Grund und Farben in Übereinstimmung gebracht, das Mangelhafte mit Papierstreifen oder Streichbrett stets von der Oberfläche entfernt hatten. Nun wird die zweite Farbe gerichtet, sagen wir Blau. Ein Tropfen dieser Farbe, die ebenfalls mit Galle versetzt ist, fällt mitten in einen roten Fleck und soll denselben so auseinander treiben, daß es selbst sich fast über die ganze Fläche ausdehnt, die das Rot einnahm, das nun als Ring den blauen Fleck einfaßt. Um diese Wirkung zu erzielen, ist die Zurichtung zwar dieselbe wie bei der ersten Farbe, nur hat man noch einen Tropfen Galle zuzusetzen.
Jede nachfolgende Farbe muß stärker treiben als die vorhergehende. Kommen viele Farben zugleich in Anwendung, so darf der Unterschied in der Triebkraft allerdings kein allzugroßer sein.
Diese Farbenproben müssen stets gemacht werden, ehe man die Arbeit beginnt, und selbst der erfahrenste Marmorierer läßt sie sich nicht verdrießen.
Beim Ausprobieren der Farben kommt es oft vor, daß eine oder die andere nicht stehen will, sondern abläuft, besonders Braun und Schwarz thun dies mit Vorliebe; man wechsele dann eine solche Farbe mit der vorhergehenden und probiere von neuem. Häufig wird es helfen, wenn man der zurückgesetzten einige Tropfen Galle zugibt.
Die Farben werden in der Reihenfolge der Treibfähigkeit hinter dem Becken geordnet, jedes Näpfchen erhält seinen Pinsel. Der Marmorierer, der beispielsweise nur mit zwei Farben, Rot und Blau, zu arbeiten hat, sprengt, nachdem er den Grund richtig abgezogen hat, der Länge nach auf die Mitte des Beckens eine Reihe großer, roter Tropfen, indem er den reichlich gefüllten Pinsel, der in der Nähe des hinteren Endes leicht gehalten wird, über den Zeigefinger der linken Hand schlägt. Statt des Zeigefingers kann man auch ein Stäbchen, einen Hammerstiel oder dergleichen benutzen, doch ist der Finger das Einfachste; vor Farbentropfen kann man die Hände doch nicht hüten.
Rasch, noch ehe die Hautbildung der Oberfläche eintreten kann, wird mit der zweiten Farbe aufgespritzt, so daß die Tropfen mitten auf und zwischen die vorhergehenden fallen und alle noch gebliebenen Zwischenräume ausfüllen. Nun wird der Schnitt vorerst mit Papier[67] abgehoben: ein Stück desselben, in der Größe des Beckens, wird, von einer Ecke beginnend, quer nach der gegenüberliegenden zu auf den Grund gelegt, unter Vermeidung von Luftblasen. In derselben Weise wird das Blatt abgehoben und muß nun die Farben völlig sauber, ohne daß sie verlaufen, aufweisen. Weiße Adern sollen, wenigstens in der Mitte, nicht sichtbar sein, sondern nur die Farben, welche man aufsprengte. Die Tropfen, welche den Grund bilden, welche also zuletzt aufgebracht wurden — in diesem Falle Blau — sollen annähernd gleichgroß und gleichmäßig verteilt sein, wie auch von den Adern dasselbe gilt. Ist dies alles erreicht und laufen die Farben nicht ab, so können die Bücherschnitte eingetaucht werden. Vorderschnitte werden zwischen »Spalten«, Ober- und Unterschnitte zwischen Brettern getaucht.
Erstere werden, soviel man deren bequem fassen kann, zwischen Spalten geradegestoßen und sofort getaucht. Das Geradestoßen erfolgt auf einem anderen Tische, auf einem Steine oder einer Eisenplatte. Das Eintauchen erfolgt, wie beim Papier, von einer Ecke nach der schräg gegenüberliegenden zu, damit keine Luftblasen entstehen. Besonders fest satinierte Papiere nehmen nicht gern Feuchtigkeit an; es empfiehlt sich deshalb in solchem Falle, die Schnitte mit Essig oder Alaunwasser zu überfahren, worauf sie die Farbe willig annehmen.
Sowie der Farbenteppich abgehoben ist, werden die Spalten von den Bänden entfernt und diese verschränkt übereinander gesetzt, damit der anhaftende Grund bequem ablaufen kann. In vielen Werkstätten werden sofort nach dem Abheben der Farbe die Schnitte in ein Becken mit klarem Wasser getaucht, um den Grundüberschuß abzuschwemmen; wieder andere Meister lassen die Schnitte abblasen oder mit einem großen Schwamme abtupfen.
Diese Art Marmor nennt man Großmarmor, da die Tropfen verhältnismäßig groß bleiben, oder auch türkischen Marmor. Als türkischen Marmor bezeichnet man jeden großaderigen Marmor, der nur aufgesprengt, nicht aber mittelst eines Kammes, eines Stiftes oder dergleichen gezogen wurde. In der That finden sich an orientalischen Bänden aus dem 17. Jahrhundert Vorsätze von derartigem Großmarmor.
Wie die zweifarbigen, werden auch die mehrfarbigen Schnitte behandelt, nur muß dabei das Abstimmen der Farben untereinander mit viel Sorgfalt geschehen; auch ist es notwendig, auf die Zusammenstellung der Farben zu achten, die wieder von der Farbe des Leders, Überzugs und Vorsatzes bedingt sein kann.
Wenn die Farben vor dem Abheben mit einem Hölzchen nach folgendem Schema quer, nachher mit einem Kamme, dessen Herstellung weiter unten angegeben ist, der Länge nach durchzogen werden, so entsteht der sogenannte Kammmarmor. Nur die Spitze des[68] Hölzchens darf dabei die Oberfläche des Grundes berühren; die Farben ziehen dem Stifte nach und folgen seiner Spur, und es entsteht die eigentümliche, federähnliche Verschiebung der Farben (Federschnitt). Zu diesem Zwecke müssen die Farben recht vorsichtig aufgesprengt werden, denn wenn statt zwei Farben ihrer fünf die Oberfläche decken sollen, darf jede einzelne nur ein Fünftel des Raumes für sich beanspruchen. Die Farben werden stets über die Mitte gesprengt; doch soll vor Aufsprengen der letzten Farbe nach den Rändern zu immer noch so viel Raum vorhanden sein, daß die getriebenen Farben sich noch ausbreiten können. Ist dies nicht der Fall, so laufen sie ab, da sie nicht mehr nebeneinander Platz finden, schieben sich übereinander und vermischen sich.
Man achte bei der Zusammenstellung auf hübsche Kontraste, sprenge auch zuletzt einige Tropfen einer Mischung von Galle und Wasser auf, um weiße Adern zu erzielen.
Wenn beim Durchziehen mit dem Stifte eine oder die andere Farbe nicht folgen will (Gelb z. B. schiebt sich gern in unregelmäßigen, krausen Linien zwischen die anderen hinein), so setze man sie hinter den folgsameren zurück. Ist sie aber schon die letzte, so wird sie mit etwas Wasser wenig verdünnt, erhält auch nötigenfalls einen Tropfen Galle.
Wenn der Grund zu kräftig ist, so folgen die Farben dem Stifte nicht genügend; fährt man zu tief in den Grund hinein, so werden durch die Bewegung des Grundes die Linien unruhig und schwankend, deshalb soll nur die äußerste Spitze die Farben führen. Ganz ebenso handhabt man den Marmorierkamm, über dessen Herstellung folgendes zu bemerken ist.
Zwei Pappstreifen, jeder 5 cm breit und so lang, wie das Becken breit ist, werden zugeschnitten. Der eine wird mit kräftigem Leim angeschmiert und auf demselben eine Anzahl langer Stecknadeln so geordnet, daß deren Köpfe etwa einen cm weit auf der Pappe kleben, die Spitzen aber über den Rand hervorsehen. Die Nadeln selbst werden genau in gleicher Entfernung aufgeklebt, und zwar so, daß auf je 10 cm Kammlänge etwa 35 Nadeln kommen. Man kann indes, je nachdem man die Musterung breit oder schmal halten will, die Nadelweite geringer oder größer machen. Die Köpfe werden sämtlich genau in eine Linie gerichtet, so daß auch die Spitzen in gleicher Länge hervorsehen. Der zweite Streifen wird ebenfalls angeschmiert, auf den ersten aufgeklebt und der so hergestellte Kamm[69] fest eingepreßt; später kann er dann noch mit festem Papier oder mit Leinwand überzogen werden.
Um die erste Farbe, welche aufgesprengt wurde, recht gleichmäßig in den ganzen Schnitt zu verteilen, durchzieht man diese vor dem Aufsprengen der weiteren Farben mit dem Stifte, wie dies vorhin gesagt wurde, jedoch nicht quer, sondern der Länge nach. Hat man die Farben für einander passend zugerichtet, so halte man auch stets dieselbe Reihenfolge genau ein; hat man eine Anzahl von Schnitten gemacht, so versäume man nicht, den ganzen Grund wieder umzurühren. Viele Marmorierer sprengen die Farben nicht nach der Mitte zu auf, sondern die erste auf die Mitte, die zweite längs den beiden Rändern, die dritte zwischen diese Farbenreihen; es hat dies allerdings einige Vorzüge, weil man die Farben kräftiger zur Wirkung bringt, dagegen den Nachteil, daß dieselben nicht so gleichmäßig verteilt sind, was besonders bei breiten Schnitten sich bemerkbar macht.
Eine beliebte Art der Marmors ergibt sich, wenn man die erste Farbe, Rot oder Blau, als Grundfarbe behandelt, der Länge nach durchzieht, und dann nur noch eine oder zwei dunklere Farben, die nicht allzukräftig treiben, einsprengt.
Der Kammmarmor läßt sich noch mit einigen Abänderungen ausführen, die eine besondere Kunstfertigkeit nicht voraussetzen.
Erstlich kann ein Kamm verwendet werden, dessen Nadeln nicht gleichmäßig stehen, sondern so, daß nach je einem oder zwei engen Zwischenräumen ein breiterer kommt.
Zweitens kann, indem man den Schnitt mit dem Kamme ein zweitesmal, aber in der entgegengesetzten Richtung durchzieht, der sogenannte zurückgezogene Kammmarmor hergestellt werden.
Drittens kann der Kammschnitt nochmals in bestimmten Formen gezogen werden, indem mit einem zweiten Kamme, ähnlich dem ersten, Figuren, Windungen oder Schnecken beschrieben werden. Der zu diesem Zwecke dienende Kamm wird nicht aus Nadeln, sondern aus hölzernen Stiften gebildet, die gleichweit, je 3 bis 6 cm, von einander stehen, weil der erste Marmor den Nadeln nicht genügend folgen würde. Der Kamm muß in diesem Falle schmaler sein als das Becken der freien Bewegung wegen, die man mit ihm auszuführen hat.
Der verwendbarste Marmor dieser Art ist der sogenannte Pfauenmarmor; er erfordert jedoch eine besondere Art Doppelkamm zum Durchziehen, der folgendermaßen angefertigt wird.
Ein kleines Brettchen, etwas kürzer als das Becken breit ist, wird mit zwei Reihen kleiner Bohrlöcher versehen, deren eins vom anderen etwa 2 bis 2½ cm entfernt ist; die Löcher der zweiten Reihe stehen jedesmal genau mitten zwischen denen der ersten. In jedes Bohrloch wird ein dünner, unten leicht zugespitzter Holzstift eingeleimt.
Mit dieser Vorrichtung wird der gewöhnliche Kammmarmor der Länge nach durchzogen, indem man jedoch zugleich eine Querbewegung nach Art einer Zickzacklinie macht, etwa so:
Stellt man sich in derselben Weise einen Kamm her, dessen Stifte nur halb so weit voneinander entfernt sind, und durchzieht man mit diesem den nur quer mit dem Stift, aber nicht mit dem gewöhnlichen Kamme gezogenen Farbenteppich, so erhält man den sogenannten Augenmarmor.
Der zum Durchziehen zu benutzende Stift besteht am besten aus einem etwa 4 bis 5 mm breiten und 2 mm dicken Stäbchen. Alle Werkzeuge, Pinsel, Kämme und Stifte müssen stets durchaus sauber gehalten und nach jedesmaligem Gebrauch gereinigt werden.
Die während des Marmorierens verwendeten Spalten und Bretter müssen nach jedesmaligem Tauchen sofort gut abgetrocknet werden; kommen sie nur noch etwas feucht bei einer neuen Partie mit dem Grunde in Berührung, so stoßen sie sofort die Farben beiseite und der Schnitt ist verdorben. Es empfiehlt sich deshalb, eine Reihe von Spalten und Brettern nacheinander zu benutzen; die Spalten werden dann wieder völlig trocken sein, wenn die Bretter ihren Dienst geleistet haben.
Ein etwas anderes Verfahren, als das für den Kammmarmor geeignete, erfordert der sogenannte Schmaladerschnitt, auch wohl französischer Marmor genannt, weil er meist die französischen Landesfarben, Blau, Rot und Weiß, zeigt.
Der Grund, wie er für Kammmarmor paßt, wird mit etwa dem vierten Teile Wasser verdünnt; desgleichen müssen auch die Farben durch Zusatz von Wasser verdünnt werden, so daß die Flüssigkeit um etwa ein Drittel vermehrt wird. Nötigenfalls werden auch einige Tropfen Galle zugegeben.
Die Arbeit wird wieder mit einer Probe eingeleitet, indem man einen Tropfen auf den Grund fallen läßt. Derselbe muß sich sofort bis zur Breite des Beckens ausdehnen, anderenfalls erhält er einen Gallenzusatz. Zieht er sich wieder stark zusammen, so ist der Grund zu dick und muß verdünnt werden. Erst wenn die Farbe ganz genau abgepaßt ist und mehrere aufgesprengte Tropfen das Becken fast bedecken, kann zum Treiben der Adern übergegangen werden. Man bedient sich dazu neuerdings des Seifenspiritus, der in jeder Kräuterhandlung zu haben ist, an Stelle der früher üblichen verdünnten Galle. Mit dem dicken Pinsel (Schlagpinsel), dessen Anfertigung oben (S. 64) beschrieben wurde, spritzt man lauter feine Tropfen auf den Grund, die auf diesem Augen bilden und alsbald die erste auf dem Grunde schwimmende Farbe zu mehr oder weniger feinen Adern zusammentreiben. Der Pinsel wird dabei lebhaft über eine Leiste geschlagen und das Augenmerk darauf gerichtet, daß die Tropfen gleichzeitig die ganze Breite des Grundes besprengen, damit nicht, wie es beim Aufsprengen mit dem kleinen Pinsel der Fall ist, die Farbe von der Mitte nach den Rändern zu treibt. Anderenfalls würde die sehr verdünnte Farbe nicht genügend zusammengetrieben werden. Um einen ganz feinen Marmor zu erzielen, bedient man sich statt des Schlagpinsels besser eines Sprenggitters nebst Bürste, mit deren Hilfe eine gleichmäßigere Äderung erreicht wird.
Ebenso kann man den Grund farbig machen, wenn man der letzten Farbe einige Tropfen Seifenspiritus zusetzt, wie auch bei weißem Grunde dem reinen Wasser; auf 1⁄10 Liter genügen etwa 20 Tropfen Seifenspiritus. Zu viel Seifenspiritus giebt keinen Schmaladerschnitt; die Farben können dann nicht dem kräftigen Triebe standhalten, haben aber auch nicht den Raum zum Ausweichen; sie werden deshalb von dem Grunde überlaufen und schwimmen vom eingetauchten Schnitte ab. Außerdem aber vereinigen sich die Spiritusteilchen mit dem Grunde und dieser läßt die Farben überhaupt nicht mehr zum Treiben kommen.
Gelingt der einfarbige Schnitt zur Genüge, so versucht man es mit einer zweiten Farbe, welche auf die erste recht gleichmäßig verteilt wird; die erste Farbe muß in gleichmäßigen Adern zwischen den Augen der zweiten verteilt sein. Im übrigen ist das Verfahren genau dasselbe. Mehr als zwei Farben für die Adern wendet man selten an; indes kann man durch besondere Kunstgriffe mancherlei eigentümliche Farbenwirkungen erzielen.
Gibt man z. B. als Grund eine dunkle Farbe, aber mit Galle ohne Anwendung von Seifenspiritus, und setzt einen bis zwei Tropfen gewöhnliches Terpentin zu, so erhalten die Augen ein eigentümliches, porphyrartiges Aussehen. Kremser Marmor, welcher rote und schwarze Adern mit graublauen Augen (verdünntes Schwarz mit wenig Blau) hat, wird in dieser Weise hergestellt.
Eine besondere Art der Schnitte, aber bei uns wenig in Anwendung, sind die sogenannten griechischen Schnitte; der Grund erscheint bei diesen in breiteren oder schmäleren Streifen abschattiert.
Ein türkischer Schnitt mit kräftigem, dunklen Grunde wird auf die Art hergestellt, daß der Schnitt während des Eintauchens, das ja von einer Ecke aus beginnt, absatzweise auf den Grund gebracht wird; dadurch kommt dieser in eine wogende Bewegung, und diese teilt sich dem Schnitte mit.
Wir haben hiermit die Kunst des Marmorierens in allen ihren Zweigen vorgeführt, ohne freilich das Kapitel erschöpft zu haben. Nur mit dem Pinsel in der Hand und den Farben vor sich kann man es zu einem geschickten Marmorierer bringen. Immerhin wird man dabei gewisse Erfahrungssätze verwerten können, die wir hier kurz zusammenfassen.
Mangelhaftes Treiben wird bewirkt durch zu geringen Zusatz von Galle, durch zu dicken Grund, zu dicke Farbe und durch zu niedrigen Wärmegrad (unter 13° Reaumur).
Zu kräftiges Treiben rührt von zu dünnem oder zu altem Grunde, oder fehlender Galle her.
Ablaufen der Farbe kommt von zu dicker Farbe her oder von ungenügendem Zusatz an Galle.
Blasse Farbe enthält zu viel Wasser oder Galle oder beides, oder der Grund ist zu dünn.
Untersinken der Farbe ist eine Folge zu dicker Farbe, auch eines ungenügenden Gallenzusatzes oder eines zu alten Grundes.
Daß Marmorschnitte ebenso wie andere farbige Schnitte geglättet werden müssen, bedarf kaum der Erwähnung.
Bei der Wahl der Farben zum Marmorschnitt richtet man sich am besten nach der Farbenzusammenstellung, die das zu verwendende Vorsatzpapier zeigt. Eine völlige Übereinstimmung braucht dabei nicht erzielt zu werden, aber wohl ist darauf zu halten, daß die Farben von Vorsatz und Schnitt harmonisch zusammenpassen.
5. Der Goldschnitt. Die Herstellung des Goldschnittes galt in früheren Zeiten für eine ganz besonders schwierige Arbeit, für eine Art Geheimnis. Heutzutage werden indes mit einfacheren Mitteln weit vollkommenere Goldschnitte hergestellt als in alten Zeiten, wo man nach einem Rezepte verfuhr, das viel überflüssige, ja selbst ungeeignete Zuthaten enthielt. Das Gelingen ist abhängig von der Beobachtung der größten Sauberkeit und von der Sorge für einen möglichst staubfreien Arbeitsraum. Sodann muß darauf gesehen werden, daß das Bindemittel für das Gold nicht zu dick ist. Beim Glätten muß man einen möglichst hohen Glanz zu erreichen suchen.
Der Vorderschnitt läßt sich sowohl in geradem wie in gerundetem Zustande vergolden. In ersterem Falle, der auch für Ober-[73] und Unterschnitt gilt, wird der Schnitt zuvörderst geschabt. Man bringt zu dem Ende das Buch nicht mit seiner ganzen Fläche, sondern nur mit dem dem Schnitte zunächstliegenden Teile in die Presse unter Vorlage der schon erwähnten keilförmigen Bretter (Spalten). Um das Bearbeiten des Schnittes zu erleichtern, legt man auf jeder Seite eine zweite Spalte vor. Während die am Buche liegenden Spalten mit diesem genau abgleichen, werden die Vorlegespalten um 3 mm zurückgesetzt. Dadurch wird erreicht, daß der Schnitt in der Presse etwas zurückgesetzt und dadurch schärfer gepreßt werden kann. (Fig. 40a.) Mehr, als angegeben, dürfen jedoch die Spalten nicht abstehen, da sonst der scharfe Druck verloren geht. Genau in derselben Weise wird auch der später zu behandelnde Hohlschnitt eingesetzt.
Vor dem Einpressen muß man sich überzeugen, daß die Spalten genau Linie halten, anderenfalls stößt man sie mit einem Tischlerhobel etwas ab, da dies in der Presse weniger gut möglich ist. Jetzt wird der ganze Schnitt mit einer guten, etwas biegsamen Ziehklinge geschabt. Die Klinge muß auf Vorder- und Rückseite einen Grat haben, der mit einem Stahle daran gestrichen wird. Sehr brauchbar zum Schaben sind abgebrochene Sägeblätter, die man bei Tischlern leicht erhalten kann. Klingen derart werden am Rande auf einem Drehsteine geradegeschliffen. Die Klinge wird dabei in der Richtung des drehenden Steines, niemals quer gehalten. Nicht jedes Mal, wenn die Klinge stumpf geworden, wird sie neu geschliffen, vielmehr hilft hier der Stahl nach, indem die Klinge an die Tischkante gelegt und der Grat nach dem Rande zu heruntergestrichen wird. Ist dies an beiden Seiten der Fall, so wird die Klinge auf die hohe Kante gestellt und der Grat nach rechts und links zurückgelegt.
Beim Schaben ist darauf zu achten, daß weder das Kapital noch das Ende am Vorderschnitte heruntergeschabt werde. Am Kapital, besonders wenn es sehr auseinandergetrieben ist, kann man mit einer Schlichtfeile etwas nachhelfen.
Während der Arbeit liegt die Presse flach, mit dem einen Ende des Balkens auf dem Tische, mit dem anderen auf dem Preßknecht. Damit die Presse ihre Lage nicht ändern kann, zieht man eine Schieblade etwas aus dem Tische heraus und legt die Presse darauf, so daß sie gegen die Tischkante fest anliegt.
Schnitt und Spalten müssen nach dem Schaben eine völlig ebene Fläche ohne Vertiefungen oder Scharten bilden. Man dreht deshalb die Presse, wenn das eine Ende geschabt ist, herum, um das andere Ende bequemer vollenden zu können. Ein gut geschabter Schnitt soll gleichmäßig blank sein, auch keine Spuren vom Beschneiden zeigen.
Das Schaben glättet einmal den Schnitt, hat aber den ferneren Zweck, die Poren des Papieres möglichst zu schließen. Um das Zudrücken derselben noch zu verstärken, wird der Schnitt mit Wasser, unter das ein wenig Kleister gerührt wurde, überfahren und mit einem Pack Papierspäne so lange fest abgerieben, bis die Fläche in hohem Glanze erscheint. Auf diesen ersten »Grund« kommt ein zweiter aus Bolus. Dieser ist durch Abschlämmen und vielfaches Reiben aus armenischem Bolus gewonnen und erscheint gebrauchsfertig im Handel. Ein wenig davon wird mit einem Messer in ein Gefäß geschabt und mit Schnitteiweiß — wir werden dessen Herstellung alsbald kennen lernen — angerührt, so daß eine gut streichende Farbe entsteht, die durchaus frei von Körnern oder Unreinigkeiten sein muß. Mit einem Haarpinsel wird diese Grundfarbe gleichmäßig aufgestrichen. Dieser Bolusgrund hat den Zweck, dem Golde mehr Feuer und Glanz zu erteilen.
Die Schnitte des vorigen Jahrhunderts sind meist ohne farbigen Untergrund hergestellt, dagegen rieb man sie mit einer Meerzwiebel statt des Kleisters ab; später, im Anfange unseres Jahrhunderts, wurden dem Kleisterwasser einige Tropfen Scheidewasser beigemengt.
Nach dem Abtrocknen des Bolusgrundes wird das Gold auf den letzten Grund — stark verdünntes Eiweiß — aufgetragen. Dazu muß das Gold genügend zurechtgeschnitten vor dem Arbeiter auf dem Kissen liegen. Das zum Vergolden dienende legierte Gold kommt als Blattgold in den Handel und bildet ein so ungemein feines Häutchen, daß der geringste Zugwind es fortführt. Deshalb muß der Vergolder darauf sehen, daß der Arbeitsraum ganz zugfrei ist. Selbst ein lebhafter Atemzug ist genügend, das Blättchen fortzutreiben. Damit von dem leichten, kostbaren Stoffe nichts verloren gehe, darf man ihn auch nicht mit den Fingern anfassen. Man bedient sich deshalb des sogenannten Goldmessers, das eine etwa 20 cm lange, zweischneidige, aber stumpfe Klinge hat, die mit dem Stahle etwas angeschärft wird, jedoch nur so weit, daß sie ein Blättchen zerschneidet, ohne das Kissen zu verletzen. Mit dem Goldmesser werden die Blättchen, die zwischen getalktem Seidenpapier in Büchelchen[75] liegen, auf das Kissen gebracht. Man fährt dabei mit dem abgerundeten Ende des Messers vorsichtig mitten unter das Goldblatt, hebt es in die Höhe, daß die beiden Enden rechts und links frei herunterhängen, und legt es auf das Kissen. Dabei dreht man das Messer ein wenig nach einer Seite, was zur Folge hat, daß das eine Ende des Goldes etwas tiefer herabhängt und das Kissen berührt; eine Drehung des Messers um sich selbst läßt das Goldblatt völlig eben auf das Kissen gleiten. Die Arbeit ist leicht, will aber einige Male geübt sein. Liegt das Blatt nicht ganz glatt auf, so hilft man dem Übelstande dadurch ab, daß man mit dem Messer auf das Kissen klopft oder leicht mitten auf das Blatt haucht. Das Goldkissen besteht aus einem mit nur ganz wenig unterpolstertem Kalbleder fest überspannten Brettchen. Das Leder zeigt dabei die rauhe Seite, die man, um das Anhängen des Goldes zu verhüten, mit Kreide oder Thonerde einreibt.
Zu Goldschnitten wird meist Rotgold, zu Handvergoldungen Orangegold genommen. Grüngold ist zwar billiger, sieht aber weniger fein aus.
Zum Zwecke des Vergoldens wird das Goldblättchen in Streifen zerlegt, die etwas breiter als der Schnitt selbst sind. Wie viele Streifen man für die ganze Länge des Schnittes haben muß, hat man im voraus zu berechnen, um während des Auftragens nicht erst neues Gold hervorholen zu müssen. Auch soll stets noch ein Streifchen im Vorrat liegen bleiben, damit man kleine Risse oder Fehler im Golde sofort mit einem Stückchen bedecken kann. Unmittelbar vor dem Auftragen wird der abgetrocknete Bolus mit einer scharfen Bürste gut abgebürstet, um Staub, Körnchen oder Pinselhaare zu entfernen.
Das Schnitteiweiß bereitet man, indem man das Weiße von einem Ei in ein Halbliter-Glas mit klarem Wasser schlägt und das Ganze schaumig quirlt. Wenn die Flüssigkeit gleich gebraucht werden soll, muß sie filtriert werden; hat sie einen Tag gestanden, so genügt es, wenn die obere Schaumschicht abgehoben wird. Wie der Bolus wird auch das Eiweiß mit einem Haarpinsel aufgetragen, der nur diesem Zwecke dienen darf und nach jedesmaligem Gebrauche gründlich gereinigt werden muß.
Das Eiweiß wird recht dick, sozusagen schwimmend aufgetragen, damit bis zum Aufbringen des Goldes stets noch ein reichlicher Überschuß an Feuchtigkeit vorhanden ist.
Zum Auftragen des Goldes dienen verschiedene Vorrichtungen, deren einfachste und zweckmäßigste der Anschießer ist. Unter diesem Namen ist in allen Farbenhandlungen ein handbreiter Pinsel von Dachshaaren zu haben, dessen Haare in ganz dünner Lage in gleicher Länge zwischen Karton gefaßt sind.
Mit einem solchen Anschießer wird einige Male durch das Haar gestrichen, damit dieses etwas von seinem Fettgehalt abgebe, und das[76] Gold vom Kissen abgehoben, indem man es mit den Haaren des Anschießers aufnimmt. Das Gold wird dann auf das Eiweiß gebracht, auf welchem es sofort haftet. Wenn nach und nach der ganze Schnitt mit Gold belegt ist und etwaige Fehlstellen mit einem Flickchen versehen worden sind, so läßt man den Überschuß des Grundes ablaufen, indem die Presse aufgehoben und quer auf den Tisch gestellt wird, bis das noch reichlich vorhandene Eiweiß unter dem Golde hervorgequollen und abgetropft ist. Danach erst wird die Presse zum Trocknen beiseite gesetzt, doch so, daß der Oberschnitt nach unten gekehrt ist. Dies hat seinen Grund darin, daß die Feuchtigkeit, die sich natürlich nach unten zieht, am Oberschnitte nicht so leicht in den Band eindringen kann als an dem rauhen Unterschnitte, an welchem auch das Papier meist weniger fest ist.
Das Auftragen kann auch mit einem in Rahmen gespannten Flor, mit zwei in Rahmen stellbaren parallelen Fäden oder mit Papierstreifen geschehen; diese letztere Art ist noch vielfach in Gebrauch und hat den bei einer größeren Anzahl von gleichgroßen Goldschnittbänden ins Gewicht fallenden Vorteil, daß sämtliche Goldstreifen zum Auftragen fertig vorbereitet und einer nach dem anderen sofort aufzutragen sind. Man verfährt dabei so, daß man die Papierstreifen, die mindestens so breit wie der Schnitt und einige cm länger als die Goldstreifen sind, leicht über das Haar streift und mit ihnen die einzelnen Streifen aufnimmt, doch so, daß das Gold etwa einen Messerrücken breit übersteht, damit die genaue Anlage des Goldes erfolgen kann.
Das Auftragen mit Flor geschieht oder geschah in ganz derselben Weise; es bietet den Vorteil, daß die ganze Schnittlänge auf einmal aufgenommen werden kann. Die Auftragerahmen mit Fäden finden beim Hohlschnitt, auf den wir noch zu sprechen kommen, zweckmäßige Verwendung.
Ist der Schnitt trocken, so beginnt das Glätten. Es erfordert einige Übung, dem Schnitte den richtigen Grad von Trockenheit anzusehen, und doch kommt viel darauf an, da bei zu geringer sowohl wie bei zu großer Trockenheit der Schnitt matt bleibt. Am besten zeigt das Anhauchen des Schnittes, ob man abglätten darf oder nicht. Steht der Hauch längere Zeit, so ist der Schnitt zu naß; verschwindet er sofort, so ist die Fläche zu trocken geworden. Den richtigen Zeitpunkt erkennt man daran, daß der Hauch nicht zu langsam vom Rande her nach der Mitte zu verschwindet, während nach dem hinteren Ende zu die Feuchtigkeit etwas länger sichtbar bleibt.
Der erste Akt beim Glätten ist das sogenannte Anglätten. Ein Stück Schreibpapier, das man zuvor erst leicht mit beiden Seiten über das Haar zieht, wird über den Schnitt gelegt und dann der Zahn in Bewegung gesetzt. Nach dem Anglätten überzeugt man sich, daß keine Fehler oder Risse vorhanden sind, welche sonst[77] durch aufgelegte Goldflicken ausgebessert werden müssen. Zu dem Zwecke wird auf die schadhafte Stelle gehaucht, und, solange der Hauch noch steht, das Gold aufgelegt und angeglättet oder mit dem Zahne leicht aufgeklopft — Schlag an Schlag.
Nachdem man den Schnitt mit einem Wachsläppchen leicht überfahren hat, wird die ganze Fläche Strich an Strich nicht zu kräftig und ohne Hasten abgeglättet, dann nochmals mit dem Wachslappen überfahren und beim dritten Male fertig geglättet. Finden sich dann noch schadhafte Stellen, die stets eine Folge unvorsichtigen Glättens sind, so müssen diese geflickt werden. Dabei wird auf die fehlerhafte Stelle ein Tropfen reiner Spiritus gebracht und dann der Fleck der Länge nach geglättet, während im übrigen, wie auch beim farbigen Schnitte, quer geglättet wird.
Stellen sich weiße oder graue Stellen ein, so ist der Schnitt noch zu feucht, oder aber er ist nicht genügend fest eingepreßt.
Sehr lange Goldschnitte pressen sich meistens in der Mitte schlecht, da die Preßbalken bei längerem Gebrauche die Neigung haben, sich zu biegen; man hilft sich, indem in der Mitte zwischen die erste und zweite Spalte Abschnitte von Aktendeckeln oder dünnen Kartons eingelegt werden.
Der Vorderschnitt wird, nachdem er vergoldet worden ist, wieder gerundet. Das Vergolden des Ober- und Unterschnittes erfolgt in gleicher Weise wie beim Vorderschnitte. Beim Einpressen hat man aber eine Vorsichtsmaßregel zu beobachten, damit der hohle Vorderschnitt keinen zu starken Druck erhält und infolgedessen sich verpreßt, d. h. runzelig wird. Dies geschieht, indem man eine zweite Spalte vorlegt, diese aber nicht allein hinter dem oberen Schnittrande, sondern auch hinter den Vorderschnitt etwas zurücksetzt, so daß dieser selbst keinen eigentlichen Druck erhält. (Fig. 41).
Man nimmt zum Einpressen von Oberschnitten meist zwei Querbretter, welche besonders zum Goldschnittmachen gehalten werden; diese müssen scharf in den Falz gesetzt sein. Zum Zurücksetzen werden dann Längebretter genommen, die nicht Gefahr laufen, abzubrechen.
Es ist hier noch nachzutragen, daß der Goldschnitt, wenn er[78] in geradem Zustande vergoldet wird, doch vorher gerundet und abgepresst sein muß; er wird zum Beschneiden dann aufgebunden. Immerhin kann es auch einmal vorkommen, daß ein Band vor dem Abpressen vergoldet werden muß. In diesem Falle ist es erforderlich, daß das Buch erst rundgeklopft und dann wieder geradegestoßen wird; geschieht dies nicht, so ist zu besorgen, daß die Bogen beim späteren Runden vorschießen.
Bei dem Vergolden des ausgerundeten Schnittes (Hohlschnitt) ist das Verfahren im allgemeinen dasselbe. Zum Schaben bedient man sich in diesem Falle einer Ziehklinge mit gerundeter Schneide, die bequem in die Rundung des Schnittes paßt und darin hin- und hergeführt werden kann. Bei Bänden, in denen Karten oder Photographien vorkommen, oder bei Photographie-Album-Bänden wird der Schnitt vorher ausgeraspelt. Es dient hierzu eine sogenannte Strohfeile, deren beide Enden nach oben gebogen und die dann mit Handgriffen versehen sind.
Zum Auftragen des Goldes kann man beim Hohlschnitt den Anschießer nicht gebrauchen. Statt seiner bedient man sich zweier Fäden, die auf ein leichtes Rähmchen von Holzstäbchen verschiebbar gespannt sind. Die Breite der Hohlkehle wird durch Einlegen eines Streifens Papier genau ausgemessen und mit einer Zugabe für ungenaues Auftragen auf die Fäden übertragen, d. h. die Fäden werden auf die gefundene Breite eingestellt. Ebenso wird in dieser Breite das Gold zugeschnitten; jedoch werden die Blattlängen nicht einzeln aufgenommen, sondern in der Ausdehnung des ganzen Schnittes aneinander gehängt. Ein Blatt wird ans andere so angeschoben, daß es das vorhergehende etwa 2 mm deckt, bis die lange des Schnittes erreicht ist. Die Ränder werden aneinander befestigt, indem man sie mit der flachen Kante des Messers an der Verbindungsstelle aufeinander drückt. Dieser lange Streifen wird nun mit dem Rähmchen, bez. mit den beiden Fäden, mit denen man wie bei dem Anschießer zuvörderst über das Haar fährt, an den Längsseiten aufgenommen. Damit nun das Gold in die Rundung paßt, werden die Fäden so weit zusammengeschoben, daß die Rundung der Goldstreifen ungefähr in die Höhlung paßt; auf genaues Passen kommt es dabei nicht an, da die Feuchtigkeit das Gold schon anzieht.
Die weitere Behandlung des Hohlschnittes ist dieselbe wie diejenige des flachen Schnittes.
Eine eigentümliche Verzierung wird dem Goldschnitt durch Untermalung (auch durch Unterfärbung und Untermarmorierung) gegeben, welche erst bemerkbar wird, wenn man das Buch aufschlägt und der Schnitt sich lockert. Die Bemalung, bez. Marmorierung geschieht dann nicht an dem festen Schnitte, sondern die Blätter des Buches werden ein wenig schräg aufgeschoben und in dieser Stellung durch ein Band festgehalten; die schräge Fläche wird ent[79]weder mit Aquarellfarben bemalt, in gewöhnlicher Weise marmoriert, oder mit dem Pinsel gefärbt. Eine besondere künstlerische Fertigkeit erfordert die erstere Art, während beim Marmorieren und Färben nur einige Vorsicht zu empfehlen ist, damit die Farben nicht in das Buch laufen; beim Färben darf der Pinselstrich nicht mit den Blättern gleichlaufen, sondern muß von oben über dieselben herabgeführt werden. Wer nicht selbst malt, sondern die Arbeit von einem Künstler fertigen läßt, der halte denselben dazu an, die Farben vorsichtig und sparsam aufzutragen, kräftige Deckfarben aber ganz auszuschließen. Anderenfalls kleben sehr leicht die Blätter aneinander, und nicht allein der darüber kommende Goldschnitt, sondern auch die Malerei leiden Schaden.
Ist ein solcher Schnitt völlig trocken geworden, so wird er aus der schrägen Stellung gelöst, gerundet oder in gerader Stellung in gewöhnlicher Weise vergoldet, wobei aber mit Vorsicht geschabt wird, damit keine Stellen der Untermalung verloren gehen. Diese Art Doppelschnitte, die sich erst während des Aufblätterns zeigen, sind erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Aufnahme gekommen und haben nie eine ausgebreitete Verwendung gefunden. Das Beste derart, was dem Verfasser bekannt geworden, ist eine im Besitze des Buchhändlers Lempertz zu Köln befindliche Geschichte des siebenjährigen Krieges mit Aquarellen in Chodowieckischer Darstellungsweise.
Ungleich bestechender auf den ersten Blick sind die punzierten Schnitte, deren Ausführung für den, der etwas zeichnen kann, eine verhältnismäßig leichte ist. Es gibt dabei zwei Arbeitsweisen mit verschiedenem Erfolge: Grund matt, Ornament hochglanz, und umgekehrt Ornament matt, Grund hochglanz.
Die Herstellung ist folgende. Genau zur Größe und Breite des Schnittes passend, wird eine Zeichnung entworfen und mit Pauspapier in der Weise übertragen, daß auf der mit Reißzwecken über dem in gewöhnlicher Weise hergestellten Schnitte befestigten Pause der Kontur mittelst eines stumpfen Metallstiftes nachgefahren wird. Die Zeichnung wird dann, wenn auch sehr leicht, doch deutlich sichtbar auf dem Schnitte stehen. Wenn die Vorderschnitte nicht zu schmal sind, können sie auch als Rundschnitte in dieser Weise behandelt werden. Derselbe Stift, mit dem die Zeichnung aufgepaust wurde, dient nun auch zum Punktieren des Konturs auf dem Schnitte selbst. Am besten macht man sich einen solchen Stift selbst aus einer stählernen Häkelnadel zurecht, indem man das kleine Häkchen an der Spitze abzwickt, die Spitze stumpf-kegelförmig anfeilt und auf einem Ölsteine durch fortwährendes Hin- und Herziehen unter drehender Bewegung poliert. Ein solcher Stift, der in einen handlichen Holzgriff eingesetzt wird, soll nicht kratzen oder reißen, vielmehr, auf dem Schnitte hingezogen, eine hochglänzende, wenig vertiefte Rinne hinterlassen.
Mit diesem Stifte drückt man, Pünktchen an Pünktchen, den Kontur der Zeichnung nach, so daß diese wie aus fortlaufenden Perlenlinien zusammengesetzt erscheint. Adern, Blattrippen können dann als gezogene Linien, also nicht punktiert, eingetragen werden, was sehr zur Hebung der Wirkung beiträgt. Das Mattieren des Ornaments, oder auch, wenn die umgekehrte Behandlung beabsichtigt ist, des Grundes, auf dem das Ornament steht, wird mit einem Mattierpunzen erzielt, indem dieser den Umrissen gemäß mit der linken Hand geführt wird, während die rechte ihn mit einem kleinen, leichten Hämmerchen von oben trifft. Die Schläge müssen ganz leicht geführt werden, da schon der leiseste Druck das Muster des Punzens in den Schnitt eindrückt und zu starker Druck Quetschungen des Papieres verursacht, die beim Aufblättern sichtbar werden. Je kleiner das Muster, desto schöner ist die Mattierung. Im allgemeinen ist es zweckmäßig, sofort nach Übertragung des Musters zu punzieren und dann erst den Umriß zu punktieren, da der vorher ausgeführte Kontur durch das Mattieren an Stärke verliert.
Durch Anbringen kleiner Stern- oder Ringpunzen an geeigneter Stelle kann noch vielfache Abwechselung in den Schnitt gebracht werden.
Im 17. und 18. Jahrhundert bediente man sich häufig gravierter Stempel zum Punzieren, die dann in vielfacher Abwechselung zum Abdruck gelangen konnten. (Fig. 42 und 43.) Doch erlangten solche Schnitte nie den Reiz der in obiger, ältester Weise verzierten Arbeiten.
Diese Zierschnitte lassen sich auch herstellen mit zweierlei Gold derart, daß der Grund oder das Ornament sich in der Goldfarbe unterscheiden. Die Arbeit ist ebenfalls nicht schwer, wenn auch etwas umständlich. Man wählt dazu ein Muster, das kräftige, nicht kleinliche Formen zeigt. Dieses wird auf Pauspapier übertragen und dann durch Ausschneiden eine Schablone hergestellt. Es leuchtet ein, daß man schon beim Entwerfen darauf bedacht sein muß, daß die einzelnen Teile genügenden Zusammenhang haben; deshalb ist[81] es zweckmäßig, den Grund der Schablone stehen zu lassen, das Ornament aber herauszuschneiden. Nachdem der Goldschnitt in einer Farbe (meist Dunkelorange) aufgetragen und fertig geglättet worden, macht man Gold zu einem zweiten Auftrage zurecht, am besten Zitron- oder Grüngold. Der ganze Schnitt wird nun rasch, aber reichlich mit klarem Brunnenwasser überfahren, die Schablone so aufgelegt, daß das Muster in der Mitte steht, nochmals das Ganze mit Wasser überfahren, das zweite Gold aufgetragen und der Band zum Abtrocknen beiseite gestellt. Sowie der Schnitt halbtrocken ist, beginnt die Schablone sich abzulösen; man glättet über dieselbe unter Auflage von glattem Papier den Schnitt an, läßt noch kurze Zeit abtrocknen, entfernt die Schablone und glättet fertig. Auf einem dunklen Grunde erscheint dann das hellere Ornament, welches jedoch erst durch das Konturieren und Punzieren den rechten Reiz erlangt. Die weitere Behandlung stimmt mit der oben angegebenen überein.
Das Bemalen, richtiger das Ausschaben und Ausmalen von Goldschnitten, ist eine Fortsetzung oder weitere Ausführung des punzierten Schnittes; einzelne Teile des Ornaments werden mit einem feinen Messer, dessen Spitze diesen Schliff hat ausgeschabt und mit Aquarellfarben ausgemalt. Es ist dabei zweckmäßig, den Grund zu mattieren, vom hochglänzenden Ornament aber überall da Teile stehen zu lassen, wo grelle Lichter oder etwa Blattrippen, einzelne Punkte oder dergleichen im farbigen Ornament stehen sollen. Selbstverständlich kann auch zweierlei Gold, wie vorstehend beschrieben, Verwendung finden.
Erwähnt sei hier noch, daß gegen das Jahr 1880 eine Neuerung auf dem Gebiete des Zierschnittes viel von sich reden machte. Aber so plötzlich sie auftauchte, so spurlos verschwand sie auch wieder; es war dies eine Art Überdruck auf den fertigen Schnitt. Eine gravierte Platte oder ein Klischee wird mit einem hellen Überdrucksfirnis eingewalzt und mit einer dünnen Leimhaut — Buchdrucker-Walzenmasse — bedeckt, so daß das Muster sich auf diese überträgt. Diese Leimhaut wiederum wird auf den Schnitt übertragen und das Muster durch leichtes Andrücken dort abgedruckt. Indem nun der ganze Schnitt mit Bronze eingestäubt wird, vollendet man die Musterung des Schnittes.
Wir tragen noch die Bemerkung nach, daß bei Photographie-Albums der Vorderschnitt, der des dicken Kartons wegen Absätze zeigt, mit einer sogenannten Rundschneide-Maschine ausgefräst wird. Auch zum Abglätten des Goldschnittes sind Maschinen erfunden, haben sich aber nicht einzubürgern vermocht.
Wir kommen nun zu der Besprechung des Kapitals oder Kapitälchens, der schon oft erwähnten Ziernaht am Kopf- und[82] Schwanzende des Buchrückens. Im allgemeinen wird heute das gewebte Kapital in solchem Umfange angewendet, daß es sich kaum verlohnen würde, die Anfertigung des von der Hand des Arbeiters durch Umstechen hergestellten Kapitals zu beschreiben, wenn nicht neuerdings wieder darauf Gewicht gelegt würde, daß besonders bei feinen Einbänden, namentlich guten Halbfranzbänden, das Kapital durch Handarbeit beschafft wird.
Schon oben S. 33 erwähnten wir, daß in frühester Zeit, wie auch beim orientalischen Bande, der unbeschnitten bleibt, das Kapitälchen während der Arbeit des Heftens angestochen wurde.
Das älteste Kapital war demnach ein Streifchen Leder oder Pergament, das an jeder Lage ober- und unterhalb mit angeheftet wurde. Später umwebte man dieses Kapital noch in der mannigfachsten Weise, und zwar:
schräg umflochten
gerade umstochen
Diese ältesten Kapitale sind stets mit durch den Deckel des Buches gezogen ganz in der Weise, wie es mit den Bünden der Fall ist. Sehr eigentümlich erscheint die Behandlung bei den Bänden, die in der uralten, aus 23 Klöstern bestehenden Mönchskolonie am Berge Athos, einem Vorgebirge der chalcidischen Halbinsel, hergestellt wurden, ebenso bei einzelnen frühen Bänden italienischen Ursprungs. Das Kapital ist hier erst nach dem Ansetzen der Deckel umstochen; die Einlage besteht aus einer kräftigen, gedrehten, auf der hohen Kante des Deckels etwa 5 cm langen, in eine kleine Rinne eingelassenen Hanfkordel, die durch ein Loch in den Deckel selbst hineingeklebt, auch wohl noch mit einem Holzpflöckchen darin[84] eingekeilt und dann erst mit dem Faden umnäht worden ist. Beim Überziehen des Deckels mit Leder wurde der Einschlag, soweit notwendig, unter dem auf der Deckelkante aufliegenden Kapitalstück durchgeschoben. Sehr zierlich sah es eben nicht aus; gehalten hat es aber. (Fig. 48.)
Die ältesten, mit Leder umflochtenen Kapitale sind nicht selten, nachdem der Einband fertig war, durch das Leder des Rückens hindurch angeflochten, was recht gut aussieht und dem Rücken vorzüglichen Halt gewährt.
Eine einfache Art, das Kapital am fertigen Buche anzubringen, findet man an alten Einbänden dadurch erreicht, daß der Einschlag des Rückens über ein in beiden Deckeln befestigtes Stück Hanfkordel eingeschlagen und nachher mit einigen großen Stichen durch Rücken, Einschlag und oberen Teil des Buches hindurch kunstlos durchnäht ist, wie etwa heute der Sattler die Kanten der Lederkoffer durchnäht. Diese Art war ebenfalls nicht schön, aber dauerhaft.
Aus jener Zeit — 14. Jahrhundert — kann man fast an jedem Bande eine andere, wenn auch auf demselben Grundsatz, nämlich dem der größtmöglichen Haltbarkeit beruhende Form des Kapitals finden. Dies änderte sich erst, als die Buchbinderei zu einem bürgerlichen Gewerbe wurde.
Das Kapital wird nun meist mit farbigem Leinengarn, oft mit Seide nach dem Ansetzen der Deckel umstochen, ohne daß schon beim Heften hierzu Vorkehrungen getroffen werden können. Noch heute wird in England und Frankreich in derselben Weise umstochen, und zwar der Hauptsache nach immer in gleicher Weise, wenn auch in der Anordnung Abänderungen vorkommen. Stets werden dabei zwei Seidenfäden von verschiedener Farbe verwendet, die an den Enden oder in der Mitte durch kurze, andersfarbige Zwischensätze unterbrochen werden. Das Kapital, das aus einem eingelegten Leder- oder Pergamentstreifen besteht, wird dabei lediglich mittelst der Seidenfäden am Buche festgehalten. Am schwierigsten ist der Anfang, bis die erste Befestigung zwischen Buch, Einlage und den umstechenden Seidenfäden hergestellt ist. Diese werden in dünne, lange Nadeln gefaßt, bleiben der ganzen Länge nach doppelt und werden an den Enden aneinander geknüpft. Mit dem ersten Bogen links wird begonnen und durch dessen Bruch vom Rücken her der eine Faden eingeführt; derselbe tritt dann auf dem Schnitte dicht am Rande heraus, wird bis an den Knoten durchgezogen und einstweilen beiseite gelegt; am besten hängt man den jeweilig nicht arbeitenden Faden mit Nadel in die Höhlung des Vorderschnittes. Zum Kapitalumstechen kann man den Band auf die hohe Kante stellen; besser ist es, den Band, etwas mit dem Rücken zurückgeneigt, in einen Vergoldeklotz zu spannen. (Fig. 49.) Das am Rücken heraushängende Ende wird über den aufrecht gestellten[85] Einlagestreifen weg durch den ersten Stich wieder nach außen und nochmals über die Einlage geführt; die Nadel wird an Stelle der ersten weggelegt. Der erste Faden übergreift jetzt den zweiten und zieht ihn als beginnendes Kettennähtchen in das Kapital herein, indem ersterer unter der Einlage nach außen geführt, angezogen, über die Einlage zurück und in der Nähe des zweiten Bogens durch den Rücken nach außen gestochen wird; nochmals umschlingt man die Einlage und wechselt die Nadeln. Der vorhergehende Faden übergreift den letzteren, zieht denselben ins Kettennähtchen herein, geht über die Einlage nach vorn durch den Bogen nach außen, umschlingt zum zweitenmale und wird von der anderen Nadel abgelöst. So geht es fort, bis am Schlusse die Fäden verknüpft, die Enden verklebt werden (Fig. 50).
In Deutschland machte man die Arbeit ein wenig anders. Am Rücken klebte man ein Stückchen dünnes Schafspergament so an, daß es am Kapital schmal überstand; an dieses wurde ein Streifchen Leder angelegt und in ähnlicher Weise wie vorstehend umstochen, nur mußte bei jedem Stich durch das Pergament durchgestochen werden; alle 3 bis 4 Stiche stach man tief in den Band unter dem Fitzbund, sonst aber nur unter der Einlage durch. Auch bei der vorgenannten französischen Art stach man nicht bei jeder Tour ein, sondern ließ ebenfalls einige Stiche vorübergehen.
Unsere jetzige, in Deutschland meist angewendete Art ist folgende. Ein Streifchen steifes Pergament oder rundgedrehtes Leder wird auf einen etwa 3 cm breiten, an einem Rande mit Kleister angeschmierten Streifen Baumwollzeug so geklebt, daß noch ein schmales Rändchen des Stoffes über die Einlage herüber eingeschlagen werden kann. Dadurch erhält man einen an einer Seite mit einem Wulst versehenen Streifen, der nach dem Abtrocknen am Rücken mit Leim festgeklebt und, an beiden Enden mit dem Falz abgleichend, passend geschnitten wird. Wie bei den ältesten Bänden ist auch hier eine bereits befestigte Grundlage für das Kapital geschaffen, welche, wie oben angegeben, umstochen wird.
Soll auf dem Kapital noch ein zweites Leistchen, also eine doppelte Einlage vorhanden sein, so wird ein dünnes Fädchen oder rundgedrehtes Lederstreifchen eingelegt und, bevor man den Faden nach vorn bringt, jedesmal zuvor umschlungen. An älteren griechischen Bänden findet sich eine ähnliche Weise, doch wurde jede Farbe mit 2 Nadeln gestochen, so daß im ganzen 4 Nadeln im Gange waren; es wurden von derselben Farbe dann etwa 6 Stiche hintereinander gemacht und bei jedem Stiche die eine Nadel der vorhergehenden Farbe oberhalb der Einlage mit umschlungen. Nach dem letzten Stiche jeder Farbe zog man die Nadel mit dem Faden bis ans Ende durch, welcher dann als zweite Einlage diente, und nun kam die andere Farbe in derselben Länge und in derselben Anwendung an die Reihe. Diese Kapitale sehen sehr regelmäßig und gut aus, sind aber nur für dickere Bände verwendbar.
Ein Gegenstück möglichst liederlicher Arbeit, leider deutschen Ursprungs, finden wir am Ende des 18. Jahrhunderts. In der Zeit der farbigen Pergamentbände wurde ein Streifchen Pergament, wenig überstehend, am Rücken angeklebt und mit einem farbigen Faden — meistens nicht einmal Seide — überwendlings und in recht langen Stichen übernäht, ohne daß auch nur einmal das Buch selbst angestochen wurde. Ein derartiges Kapital gab dem Buche keinerlei Halt, eine Verzierung war es ebensowenig.
Als besondere Eigentümlichkeit sei noch das orientalische Kapital vorgeführt. Während unsere abendländischen Kapitale das Bestreben haben, aufwärts zu stehen, so liegt das orientalische flach[87] auf dem Buchschnitte auf, und zwar mit Recht. Unsere Einbanddecken haben ausnahmslos vorstehende Kanten; der orientalische Band behilft sich ohne dieselben, die Deckel gleichen mit dem Buche völlig ab. Es wurde schon gesagt, daß das orientalische Kapital beim Heften der Blätter mit angeheftet wird. Die Art, wie dies geschieht, läßt unsere Abbildung (Fig. 51) erkennen.
Zwei verschiedenfarbige, zusammengedrehte Doppelfäden werden in der Mitte zusammengeschlagen und an einem Endbogen fest geheftet, durch jeden Bogen, über den Schnitt und zwischen den 4 Fäden durch wird der webende Seidenfaden geführt, so daß die gleichfarbigen Fäden je einmal über und einmal unter denselben zu liegen kommen, d. h. zu jedem Stich werden alle Fäden derselben Farbe hochgehoben und unter denselben der Faden durchgeführt; zum nächsten Stiche kommen dann die anderen hoch. Meistens liegt unter dem Ziermäschchen noch ein dünnes Streifchen Leder.
Unsere heutige Buchbinderei macht es sich mit dem Kapitale bequemer. Sie benutzt dazu sog. Kapitalband, das fertig im Handel zu haben ist und aus einem Streifen Baumwollgewebe, dem an einer Seite ein mit Seide übersponnener Wulst angewebt ist, besteht. In passende Stücke geschnitten, wird es ohne weiteres an den Rücken des Buches so angeklebt, daß der Wulst über dem Schnitte in der Rundung des Rückens liegt.
Wenig noch im Gebrauch sind Zeugkapitale aus gestreiftem Baumwollstoff, in den ein dünner Bindfaden als Wulst mit Kleister eingeklebt wurde.
In einigen süddeutschen Strichen blühte bis vor kurzer Zeit noch das Papierkapital, bei dem der Stoff durch das noch geringere Papier ersetzt wurde.
Zur vollständigen Ausstattung besserer Bände gehört noch das Zeichenbändchen. Schmales Seidenband, unter dem Namen Plattschlag bekannt, oder seidene Litze, am Ende mit einer kleinen Quaste versehen, ist am geeignetsten, doch werden bei großen und schweren Bänden auch wohl breite seidene Bänder verwendet.
Der Deckel des Buches und das Ansetzen. — Der Rücken und dessen Herstellung. — Das Leder; Ribbeln, Schärfen. — Das Insledermachen; Halbfranzband, Ganzlederband. — Das Überziehen, die Verlagsdecke und das Einhängen.
Die Decke des Buches, aus dem Rücken und den an diesen anschließenden beweglichen Deckeln (Vorder- und Hinterdeckel) bestehend, hat ursprünglich keinen weiteren Zweck als das Buch zu bewahren, es gegen Staub und Beschädigung zu schützen. Bei den ältesten Erzeugnissen der Buchdruckerpresse ist dieser Zweck der Decke auch in der technischen wie in der ornamentalen Behandlung deutlich ersichtlich, und erst in neuerer und neuester Zeit haben sich die Begriffe so weit verschoben, daß die Decke sehr häufig nur als Schmuckstück erscheint, dabei aber wenig mehr geeignet ist, ihren Dienst als Schutzvorrichtung zu erfüllen. Zum Teil erklärt sich diese Wandlung der Begriffe daraus, daß die sog. Inkunabeln (Wiegendrucke) aus der zweiten Hälfte des 15. und den ersten zwei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts meist in großen Formaten, Folio oder Quart, hergestellt wurden, und daher schwer zu handhaben waren, während heutzutage das handliche Oktavformat bei weitem vorherrscht. Es ist daher begreiflich, daß man, um Folianten und Quartanten einen kräftigen Schutz zu verleihen, auf Holztafeln verfiel, die einen Pergament- oder Lederüberzug erhielten. Diese Holztafeln fertigten sich im 16. Jahrhundert die Buchbinder noch selbst mit Säge und Hobel an, wie aus einem Holzschnitte von Jobst Amman ersichtlich, auf welchem eine Buchbinderwerkstatt damaliger Zeit abgebildet ist.
Während im Orient die Buchdeckel von jeher aus Pappe bestanden, die man an der afrikanischen Küste mittelst Zusammenklebens von Papierblättern, in der heutigen Türkei und Kleinasien aus geschöpfter oder gekautschter Masse herstellte, kam der Pappdeckel erst mit Beginn des 16. Jahrhunderts nach und nach im Abendlande in Gebrauch. Damit ging naturgemäß auch eine veränderte Befestigungsweise des Deckels am Buchkörper Hand in Hand.
Die Bünde, meist Doppelbünde aus starkem Leder oder Hanfschnüren (s. oben S. 31) wurden bei Verwendung der Holzdeckel in ersterem Falle ins Holz eingelassen und mit einem Holzpflock weiter befestigt, im anderen Falle zog man die Schnüre zweimal durch den Deckel und verkeilte die Löcher; soweit die Bünde im inneren Deckel lagen, ließ man sie ebenfalls ins Holz ein. Die Deckelkanten wurden an der inneren Seite abgeschrägt.
In der heutigen Buchbinderei kommen verschiedene Sorten von Pappdeckeln zur Verwendung. Die beste, zäheste ist die in England für besonders feine Bände verwendete, in den Papierfabriken aus alten Schiffstauen hergestellte Tauenpappe von sehr dunkler Färbung. Dieser am nächsten steht die unter dem Namen Spalt- oder Speltdeckel bekannte graue Buchbinderpappe, während die gelbe Strohpappe, spröde und brüchig, nur für geringere Einbände Verwendung findet. Außerdem sei die Holzpappe und die Lederpappe erwähnt; beide Sorten finden mehr für Kartonagen, weniger für Einbandzwecke Verwendung.
Nur selten wird heute noch die Pappe mit dem Messer am Lineal auf dem »Schneidebrett« zugeschnitten; rascher und einfacher, wenn auch nicht immer zuverlässiger, arbeitet die Pappschere, deren Einrichtung aus unserer Abbildung hervorgeht. (Fig. 52.)
Die Deckel werden entweder unter Zurechnung der Kantenbreite zum Buche »passend geschnitten« oder aber man richtet sie etwas größer zu, befestigt sie erst am Buche und schneidet sie nachher passend; der Fachmann nennt dies »Formieren«. Ober- und Unterkanten sollen je nach Größe und Dicke des Bandes 3–5 mm überstehen, während die Vorderkante meist noch einen mm breiter gelassen wird.
Vor der Befestigung der Deckel am Buche, welche Arbeit das »Ansetzen« heißt, werden dieselben für alle besseren Bände mit Papier beklebt, »gefüttert«, und zwar Halbfranzbände auf der inneren Seite allein, Ganzlederbände auf beiden Seiten. Das Papier, stets mit Kleister aufgeklebt, wird am hinteren Rande, der »Ansatzkante«, umschlagen, damit dieselbe sich nicht staucht.
In Frankreich und England wird, abweichend von der deutschen Weise, das geleimte und gerundete Buch vor dem Beschneiden angesetzt und mit den Deckeln beschnitten; wir kommen später hierauf zurück.
Man kann die Deckel auf dreierlei Weise ansetzen: »durchziehen«, »auf tiefen Falz ansetzen«, »auf die Bünde ansetzen«; das Durchziehen geschieht auf folgende Weise: 1 cm von der Ansetzkante entfernt wird mit dem Zirkel eine Linie hergestrichen und auf dieser die Durchstichstellen für die Bünde markiert; der Deckel wird dazu auf dem Buche genau in die Lage gebracht, welche er am fertigen Buche haben soll. Das Durchstechen geschieht mit[90] einer spitzen Ahle und in schräger Richtung nach der Vorderkante zu. Alsdann wendet man den Deckel um und sticht etwas rechts seitwärts und 1 cm weiter zurück zu jedem Bunde ein zweites Loch in derselben Weise. Die Bünde, deren lose Enden nicht unter 7 cm lang sein dürfen, werden zunächst in ganzer Länge gekleistert, einige Male durch die Finger gezogen, spitz gedreht, dann einer nach dem andern durch das erste Loch nach innen, und durchs zweite wieder[91] nach außen gezogen, während der Deckel aufrecht im Falz steht. Indem man nun das Buch dicht vor sich nimmt, zieht man die Bünde bei noch hochstehendem Deckel kräftig heran, legt den aufgeschlagenen Deckel auf eine Metallplatte und klopft die Bünde von beiden Seiten des Deckels mit dem Hammer gut nieder; das überstehende Ende wird glatt abgeschnitten und der Deckel vorsichtig zugelegt. Das Buch wird alsdann gewendet und die andere Seite genau ebenso behandelt. Damit später die Deckel sich gut und frei auflegen, wird schon vor dem Abpressen eine Lage Makulatur vor den Endbogen leicht angeklebt und bis zum Fertigmachen des Bandes mit bearbeitet; es ist dies unbedingt notwendig, denn nur so ist der wirklich schöne Falz zu erlangen, den wir mit Recht an englischen und französischen Bänden bewundern.
Einfacher ist das Ansetzen »auf tiefen Falz«. Die Deckel werden passend auf das Buch gelegt, die nicht mehr als etwa 4 cm langen Bünde mit einem Messer gleichmäßig auf den Deckel herübergestrichen und mit Kleister strahlenförmig und recht glatt festgeklebt; darüber kommt ein Streifen Papier, der die Bünde deckt. Nachdem die Rückseite in derselben Weise behandelt worden ist, wird der Band, am besten unter Vorlage von Zinkblechen, zwischen Brettern eingepreßt.
Wir erwähnten schon oben das »Formieren«, welches für gute Bände selbst in solchen Werkstätten noch üblich ist, die mit Pappscheren versehen sind, da der sehr glatte Schnitt des Messers selbst von der schärfsten Pappschere nicht erreicht wird. Zu dieser Arbeit dient ein »Kantenlineal«, d. i. ein dünnes, je nach Buchgröße längeres oder kürzeres Lineal, an dessen einem Längsrande eine schmale Schiene in der Breite der Buchkante aufgenietet ist.
Die eben erwähnte glatte Deckelkante erzielt man in England und Frankreich dadurch, daß man die Bücher oben und unten mit den Deckeln in der Beschneidepresse beschneidet; auch der Vorderschnitt wird meist nicht in der Maschine geschnitten. Während wir in Deutschland den Vorderschnitt zuerst machen, schneidet man dort die kürzeren Schnitte zuerst, indem man die durchgezogenen Deckel beim Unterschnitt nach oben, beim Oberschnitt nach unten zurückschiebt, mit Winkel und Bleistift die genaue Schnittlinie verzeichnet, den Band einsetzt und abschneidet; dadurch erreicht man eine genau parallele und an beiden Seiten gleich überstehende Kante. Zum Schneiden des Vorderschnittes schlägt man die Deckel zurück und macht das Buch wieder gerade, was in Frankreich unter Anwendung des sogenannten »Persierens« geschieht. Die Deckel werden zurückgeschlagen, das Buch zwischen zwei Spalten gefaßt und durch Hin- und Herdrücken mit den Spalten nach und nach in eine gerade Richtung gebracht, in der es eingesetzt und beschnitten wird. Etwas abweichend verfährt man in England; indem man den ganzen Band[92] mit dem Rücken auf den Tisch stemmt, drückt man mit den Deckeln den Band nach hinten, wonach man diesen selbst mit zwei eisernen Klammern, die oben und unten angeschoben werden, in der so erreichten geraden Lage festhält und zum Beschneiden einsetzt. In beiden Fällen wird die Vorderkante der Deckel am Lineal mit dem Messer geschnitten.
Bei geringeren Arbeiten setzt man die Deckel an, indem die Bünde auf den Flügelfalz, und auf diesen die Deckel aufgeklebt werden, welche letzteren man vorher etwa 4 cm breit mit Kleister auf der Innenseite anschmiert.
In jeden Falle, gleichviel welche Ansatzweise in Anwendung kam, wird der Band nach dem Ansetzen der Deckel einige Zeit, je länger desto besser, eingepreßt.
Schon früher (S. 45) haben wir bemerkt, daß der gewöhnliche Halbleinenband auf einfachere Weise mit sogenanntem »gebrochenem Rücken« hergestellt wird. Derselbe wird aus nicht zu dickem, aber kräftigem Stoff, am besten Aktendeckel gemacht. An demselben sind außer dem eigentlichen Rückenteil die Gelenke und je ein Flügel zum Ankleben unter den Deckel herzustellen. Ein Stück Aktendeckel, 2 cm langer als das Buch, 5 cm breiter, als der Rücken über der Rundung beträgt, wird an beiden Längsseiten mit scharfem Messer etwas verlaufend abgeschärft, damit unter dem Papier ein Absatz möglichst vermieden wird. Mit einem Streifen Papier wird die Rundung über den Rücken gemessen von Falz zu Falz, in den Zirkel genommen und oben wie unten auf die Mitte des Rückens übertragen. Diesen Punkten gemäß wird am Lineal her mit dem Falzbein ein Strich gemacht und der Ansatzflügel längs des Lineals in die Höhe gebogen und mit dem Falzbein hart daran hergestrichen. Sind beide Rückenbrüche in dieser Weise hergestellt, so biegt man die beiden Ansatzflügel auf den Brüchen vollends um und streicht sie recht fest nieder. Damit der Deckel sich aber recht frei auflege, wird ein zweiter Bruch, der sogenannte Falzbruch, gemacht. Das Lineal wird im Rücken parallel mit dem ersten Bruch, aber etwa ¼ bis ½ cm (je nach Größe des Buches) nach innen gerückt, angelegt und auf den herübergelegten Ansatzflügel ein zweiter Bruch an das Lineal herangerieben. Der innere Teil des Rückens wird mittelst Durchziehens unter dem Falzbein gerundet. Der nun zum Ansetzen fertige Rücken muß diese Form haben.
Die beiden Ansatzflügel werden angeschmiert, ans Buch geklebt und darauf die Deckel angesetzt, eingepreßt und nachher formiert, wenn die Deckel nicht vorher passend waren. Alles Kleben geschieht mit Kleister. Bei sehr dicken Bänden wird vor dem Ansetzen noch ein zweiter Streifen in den mittleren Teil des Rückens eingeklebt. — Somit sind wir schon am Rücken des Buches angekommen, haben jedoch noch einiges über diesen Bestandteil der Decke vorauszuschicken.
Der sogenannte »feste Rücken« war bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts allein üblich; das Leder wurde, nachdem der Rücken zwischen den Bünden mit weichen Pergamentstreifen bis auf den Deckel herüber überklebt worden war, fest aufgeklebt. Alles Kleben geschah mit Kleister, und es scheint, als sei der Leim dem Binder damaliger Zeit durchaus unbekannt gewesen und erst beim Aufkommen des Druckpapieres — mit dem Planieren — zur Verwendung gekommen; selbst ein »Leimen« des Rückens fand nicht statt, die Befestigung wurde mit Kleister erreicht. Die festen Bände mit den unverwüstlichen Rücken von weißem Schweinsleder sind männiglich bekannt; ihre Dauerhaftigkeit steht aber zur Bequemlichkeit beim Gebrauch im umgekehrten Verhältnis, denn wenn ein solches Buch nicht ein sehr großes Format besitzt, so schlägt es sich nie recht auf, und das geöffnete Buch muß auf beiden Seiten beschwert werden, um das Zuklappen zu verhindern. Auch alle späteren italienischen, französischen und englischen Einbände haben noch feste Rücken. Erst als das Pergament als Überzug der Decke in Gebrauch kam, änderte sich dies, da Pergament sich nicht so weit dehnt, daß es über die Bünde auf den Rücken geklebt werden kann. Die ersten Bände dieser Art finden sich gegen 1600 (der älteste, dem Schreiber dieses bekannte datiert London 1565), doch blieb bei Verwendung anderer Ledersorten der feste Rücken nach wie vor in Übung, bis der im 18. Jahrhundert eingeführte »Pappband« mit gebrochenem Rücken allgemein wurde. Auch der Lederband erhielt nun den »hohlen Rücken«, der den Vorzug hat, daß er beim geschlossenen Buche fest anliegt, beim Aufschlagen aber sich ablöst und ein Durchbiegen des inneren Rückens gestattet. Damit der Buchkörper an und für sich genügende Festigkeit erhält, wird der Rücken desselben mit einem weniger dicken, als zähen Schreibpapier überklebt, bei Halbleinenbänden mit gebrochenem Rücken vor dem Ansetzen, bei anderen Bänden nach dem Ansetzen in der Presse.
Schwieriger ist die Sache beim Halbfranzbande, denn hier wird der Rücken sofort beim Überkleben geformt. Zu diesem Zwecke wird jeder Band einzeln in eine Presse gesetzt, so daß der Rücken frei nach oben steht. Dieser wird mit Leim mäßig bestrichen, und ein besonders zähes Papier, welches etwas länger als der Band und etwa 5–6mal breiter als der Rücken ist, aufgeklebt, und mit einem Falzbein gut angerieben. Auf der einen Seite wird das Papier am Falz her mit einem Messer glatt weggeschnitten, am anderen Falz her wird das Papier über den Rücken zurückgebrochen. An der glatt geschnittenen Seite wird ganz schmal Leim gegeben und der herübergelegte andere Teil des Rückenpapieres hier angeklebt und gut angerieben. Jetzt wird abermals über den Rücken zurückgebrochen, aber der vorher gespannte Teil angeschmiert, das Ende aufgeklebt und angerieben. Am Falz wird abermals zurückgebrochen, aufgeklebt[94] und dies fortgesetzt, bis der Rücken eine der Schwere des Buches entsprechende Dicke erreicht hat. Wenn das Rückenpapier nicht allzudünn ist, genügen 5 geklebte Lagen für ein mittleres Buch. Am Falz der letzten Papierlage wird das Papier glatt weggeschnitten.
Hierbei ist zu bemerken, daß jede Lage die vorhergehende nicht überragen darf, sondern eher eine Kleinigkeit zurückstehen muß, damit der Rücken nicht höher wird als die Deckel. Soll ein solcher Band keine erhabenen Bünde auf dem Rücken erhalten, so ist er jetzt schon fertig zum Einledern, nachdem der Rücken oben und unten noch mit den Deckeln gleichhoch abgeschnitten wurde, was zweckmäßig mit einer Schere geschieht.
In gewöhnlichen Werkstätten, welche nach älterer deutscher Manier arbeiten, wird der Rücken einfacher hergestellt; ein Streifen Aktendeckel, so lang als die Deckel, wird auf die genaue Breite des Rückens von Falz zu Falz gemessen, zugeschnitten und gerundet, indem er unter dem Falzbein in wiegender Bewegung durchgezogen wird. An beiden Längsseiten schmal angeschmiert, wird er auf den Rücken passend angehängt; er soll sich überall genau an den Buchkörper anschmiegen und nirgends abstehen. Die weitere Behandlung deckt sich mit der vorher beschriebenen.
Wie früher, beim festen Rücken und mit umstochenen Heftschnüren, die Bünde sich erhaben abzeichneten, so kleben wir auch heute meistens »unechte Bünde« von schmalen Lederstreifen auf dem Buche auf, die möglichst die wirklichen Heftbünde decken sollen. Diese Art ist für alle besseren Leder- und Halbfranzbände zu empfehlen, wo nicht ganz besondere Zwecke einen glatten Rücken erfordern, wie etwa bei einzelnen Arten der Rokokobände.
Je schmäler der aufgeklebte Bund ist, desto schöner ist er. Die Streifen werden etwas länger als Rückenbreite zugeschnitten, genau rechtwinkelig zum Falz aufgeleimt und an diesem mit einem scharfen Messer so abgeschnitten, daß er vom Rücken nach dem Falz zu ganz dünn verläuft.
Das Überziehen, »Einledern«, häufiger »das Ledermachen« genannt, erfordert als Vorarbeit das »Schärfen« des Leders. Man versteht darunter das Verdünnen oder Abflachen des Leders nach den Enden zu und in den Fälzen. Dies hat den Zweck, zu verhüten, daß Ränder oder Enden auf die daran- oder darübergeklebten Teile zu stark »auftragen«. Zu dieser Arbeit dient das »Schärfmesser«, mit dem auf dem »Schärfstein« von Marmor oder Solenhofer Schiefer die entsprechende Behandlung vorgenommen wird. Je nach der Arbeitsweise unterscheiden wir das »Schärfen« und »Stoßen«, und demgemäß verwendet man die sogenannte Berliner und Offenbacher Form des Schärfmessers mit mehr schneidender, und die Pariser und Wiener Form mit mehr stoßender Bewegung, ähnlich dem Hobeln des Tischlers. Um bei der Arbeit[95] die Finger zu schützen, wird der hintere Teil des Messers bis zum Heft mit Leder umklebt. Der Schärfstein muß entweder genügend schwer sein, damit er beim Arbeiten nicht ausweicht, oder in einen Holzrahmen gefaßt werden, an dessen unterer Vorderkante eine angeschraubte Leiste gegen die Tischkante anstößt. Der Stein selbst ist nicht allein auf seiner Oberfläche geschliffen und poliert, sondern auch die Vorderkante ist sorgfältig gerundet, damit das zu verarbeitende Leder keine Marken oder Verletzungen erhält.
Gleichviel welcher Art das Schärfmesser ist, immer hält die linke Hand das Leder mit dem Daumen gegen die vordere Kante des Steines gepreßt, während die anderen Finger ausgespreizt das Leder an der zu bearbeitenden Stelle straff anspannen; die Rechte führt das Messer. Die Stoßmesser arbeiten Strich an Strich von rechts nach links, die Schärfmesser arbeiten stoßend und zugleich schneidend von links nach rechts. — Zur Zeit findet man in den besseren Werkstätten beide Arten von Messer vertreten, und zwar wird meist für dünnere Leder und zum schmalen Schärfen (die gewöhnliche Art) meist Offenbacher, für dickes Leder und zum breit Ausschärfen Pariser Form benutzt.
Man unterscheidet mehrere Arten des Schärfens: »Abstoßen«, »Einschlagschärfen«, »Ausschärfen« bei größeren Flächen. Erstgenannte Arbeit ist die leichteste; wie zu jeder Art des Schärfens wird das Leder erst »geribbelt«, d. h. der zu schärfende Lederteil wird nach der Fleischseite zu umgeschlagen und durch Hin- und Herrollen auf dem Stein unter den Fingern der rechten Hand mürbe, geschmeidig, und zum Schärfen geeigneter gemacht. Nur dünnere Sorten, Spalt-, Kalb-, Bastard- und Bockleder, werden abgestoßen, d. h. es wird davon ein etwa 1 cm breiter Streif nach den Kanten zu verlaufend abgenommen, während dickere Ledersorten breiter ausgeschärft werden müssen.
Wir müssen an dieser Stelle über das Zuschneiden des Leders noch einiges nachholen. Es kommt zuerst in Frage, ob der Band,[96] zu dem gerade Leder zuzuschneiden ist, in Ganz- oder Halbleder gebunden werden soll. In jedem Falle ist es zweckmäßig, zuvor ein Papiermuster zu schneiden, welches die Größe des Leders nebst der für den Einschlag erforderlichen Zugabe darstellt. Nach diesem Muster wird die Größe auf der Vorderseite des Felles mit einem Falzbein abgezeichnet und dann herausgeschnitten. Dies muß auf der Vorderseite geschehen, damit kleine Fehler oder Flecken im Leder entweder umgangen oder doch an eine Stelle gebracht werden können, wo sie nicht bemerkbar sind. Die Ecken werden so schräg abgeschnitten, daß das Leder, wenn es von beiden Seiten über den Deckel geschlagen ist, über der Ecke noch etwas übereinander geht.
Beim Schärfen muß auf die einzelnen Teile des Buches Rücksicht genommen werden. Wird bei dünnem Leder die Kante ringsherum auch nur wenig abgestoßen, so muß doch der Teil, der an den Kapitalen über den Rücken eingeschlagen wird, etwas breiter abgeschärft werden, damit hier das Leder am Rücken, der ja schon durch das angeheftete oder angeklebte Kapital eine Verstärkung erfahren hat, nicht nochmals verdickt wird.
In den Fälzen schabt man das Leder mit dem ziemlich flach gehaltenen Messer nur etwas aus, damit es geschmeidig wird. Es empfiehlt sich, vor dem Schärfen das Leder um das Buch herumzuschlagen und alle Kanten, sowie auch die Fälze mit einem Falzbein genau vorzuzeichnen, um beim Schärfen sich danach richten zu können.
Bei Verwendung dickerer Ledersorten muß der Einschlag breiter abgeschärft werden. Nachdem auch hier alle Kanten genau vorgemerkt sind und auch das Ribbeln sorgfältig ausgeführt ist, wird zunächst ringsherum die Kante abgestoßen; dann aber bis über den vorgezeichneten Strich hinaus, oder richtiger gesagt hinter der Vorzeichnung beginnend, das Leder breit ausgestoßen, so zwar, daß merkliche Unebenheiten, Vertiefungen oder stehen gebliebene Teile mit den Fingerspitzen nicht zu fühlen sind, auch an der Umschlagestelle das Leder sich weich und geschmeidig umlegen läßt; ebenso muß der Falz, sowohl vom Deckel als vom Rücken her, gut und gleichmäßig ausgestoßen sein.
Am schwierigsten ist es, ganze Rücken oder überhaupt größere Stücke auszuschärfen, wie dies bei Marokko oder echtem Saffian, auch bei Schweinsleder häufig vorkommt. Unter allen Umständen ist dies auch an sehr breiten Einschlägen bei Ganzlederbänden notwendig, die später mit innerer Kantenvergoldung versehen werden sollen.
Ein durchaus scharfes Messer, das wiederholt auf einem guten Ölstein abzuziehen ist, und eine sichere Handführung sind für diese Arbeit unbedingtes Erfordernis, vor allem aber lange und fleißige Übung. Wem die Zeit beim Schärfen zu lang wird, der kann diese[97] Arbeit, von der das saubere und gefällige Aussehen eines Bandes abhängig ist, nie erlernen. Deshalb lasse sich niemand, besonders im Anfang nicht, die Mühe verdrießen, an einer größeren Decke für den Rücken und dem 4 Finger breiten Einschlag einen halben Tag zu schärfen. Später geht die Arbeit schon schneller, und was beim Schärfen an Zeit verloren ging, wird beim Ledermachen und Vergolden reichlich wieder eingebracht. Die Ecken des Leders für Halbfranzbände müssen zunächst nach einer genauen Schablone zugeschnitten werden in der Form: Die lange Seite wird nur schmal abgestoßen, während alle anderen Seiten breiter ausgeschärft werden. Sehr dickes Leder wird gleichmäßig dünner geschärft.
Ehe das Ledermachen vorgenommen wird, werden die nach dem Falz zu liegenden Ecken der Deckel etwas gebrochen, indem ein Streifchen Zinkblech unter den Deckel geschoben und von diesem etwa ½ cm breit nach den Ecken zu mit einem scharfen Messer weggestochen wird. Das »Insledermachen«, wie der Kunstausdruck heißt, wird eingeleitet durch Anschmieren der Lederecken und des Rückens. Dann legt man die Ecken an dem Buche an, schlägt erst an Ober- und Unterkanten den Ledereinschlag nach innen, kneift an den Ecken das Leder ein wenig ein und schlägt den Einschlag der Vorderkante über den anderen weg. Beide Einschläge sollen sich nicht mehr, aber auch nicht weniger decken, als sie ausgestoßen sind, damit die sich deckenden Abschrägungen im inneren Deckel nur wenig zu sehen und kaum fühlbar sind.
Ist die Ecke am Buche festgemacht, so werden mit dem Falzbein alle Kanten noch genau scharf und winklig gerieben, damit das Ganze ja recht zierlich aussieht.
Der Rücken wird so über das Buch gezogen, daß er an beiden Seiten gleichbreit auf die Deckel herübergreift; sind erhabene Bünde vorhanden, so muß an diesen das Leder besonders kräftig angezogen werden, auch der Bund rechts und links mit einem Falzbein gut eingerieben werden. Mit Vorteil bedient man sich dabei eines besonders geformten Holzes von Buchsbaum; dieses trägt auf seiner unteren Seite eine Kerbe, in welche der Bund paßt, und mit dieser wird der Bund von beiden Seiten gleichzeitig eingerieben. Die Einschläge am Kapital werden nun nach innen umgeklebt. Es ist dazu notwendig, etwa zwei cm lang den Rücken an allen Fälzen vom Buche abzulösen, indem man mit einem dünnen, spitzen Falzbein unter den geklebten Rücken fährt und ihn in den Fälzen aufschlitzt. Während man mit der linken Hand den Buchkörper etwas aus den aufgeschlagenen Deckeln heraushebt, schiebt man mit der Spitze eines Falzbeins den Ledereinschlag unter dem Kapital in den inneren Rücken und das Buch ein, wobei sorgfältig jede Verunreinigung des Kapitals mit Kleister zu vermeiden ist. Dieser Einschlag muß völlig[98] glatt liegen, darf weder Falten haben noch zusammengeschoben sein. (Fig. 54.)
Sind beide Kapitaleinschläge ausgeführt, so legt man den Band quer vor sich, drückt die Fälze scharf ans Buch heran, jedoch so, daß sie oben wie unten völlig gleich, nicht etwa an einer Seite breiter sind, als an der anderen. Der Einschlag im Falz muß ebenfalls durchaus glatt und straff anliegen. War vor den Endlagen eine Lage Makulatur vorgeklebt, so kann der Deckel alsbald zugeschlagen werden, anderenfalls geschieht dies Verkleben nachträglich.
Die andere Seite wird in gleicher Weise zugerichtet und das Kapital dann äußerlich behandelt, zu welchem Ende der Band im Falz mit einem Zwirnfaden umschnürt wird. Dadurch wird an den Kapitalen das Leder nach innen geschnürt. Indem man nun dicht neben dem Faden mit der Spitze des Falzbeins in die Kapitalecke fährt, drückt man diese wieder nach auswärts. Den Band legt man flach auf den Schärfstein, drückt auch die Deckelkanten an der Umschnürung recht glatt und flach, reibt die Schnittkante des Deckels eben und winkelig und wiederholt dies an allen Kapitalecken.
Das Kapital selbst, das durch Herüberreiben mit der hohlen Hand recht gleichmäßig über den seidenen Saum herübergeholt werden muß, wird oben mit dem Falzbein gleichmäßig und nicht zu kräftig flachgerieben, so daß das Seidenkapital wie mit einer Haube bedeckt ist. Schließlich streicht man mit dem Falzbein unten einige Male um das Kapital herum, wodurch auch hier ein scharfes und sauberes Aussehen erreicht wird, und legt den Band zwischen Brettern mit frei herausragendem Rücken — etwas beschwert — zum Trocknen hin.
Ähnlich, nur noch etwas umständlicher ist der Ganzlederband zu bearbeiten, bei welchem noch mehr auf gutes Schärfen Gewicht gelegt werden muß. Das Leder wird mit Kleister angeschmiert, bleibt kurze Zeit liegen, wird noch einmal angeschmiert und das Buch dann so daraufgelegt, daß die beste Seite des Leders nach vorn kommt. Wird aber die Vorderseite reich verziert, während auf der Rückseite größere Flächen unverziert bleiben, so bringt man die bessere Seite nach hinten. Die ausgearbeiteten Fälze des Überzuges müssen genau mit den Buchfälzen übereinstimmen. Unter kräftigem Anziehen über die Bünde wird das Leder nach den Seiten herüber[99]geklebt, der Deckel halb geöffnet, an der Vorderkante der Einschlag ohne Rücksicht auf die Ecken nach innen geschlagen und der Deckel geschlossen. Das Leder zieht sich auf diese Weise recht glatt über die Bünde und den Deckel weg. Genau so wird die andere Seite behandelt. Man achte darauf, daß die dünn gearbeiteten Stellen für die Fälze sich nicht seitwärts auf den Rücken oder den Deckel verschieben, sondern gerade sitzen. Der Einschlag muß gleichfalls so zubereitet sein, daß die Abschärfung bereits auf dem Deckel beginnt, um die Kanten herum aber völlig dünn geschärft ist, so daß das Leder fast wie ein Kissen sich nach den Rändern zu verjüngt.
Hat man sich von der Richtigkeit der Arbeit überzeugt, so wird oben und unten eingeschlagen, zunächst wieder ohne Rücksicht auf die Ecken; vorher jedoch sind die Lederecken mit einem spitzen Schärfmesser schräg wegzustoßen, zu welchem Zwecke der Vordereinschlag teilweise wieder abgelöst wird. Je dünner der Deckel, desto näher an, je dicker der Deckel, desto weiter von der Deckelecke wird das Leder weggestoßen. Dazu wird die Klinge im halben rechten Winkel schräg gehalten und so an der Pappenecke vorbeigeführt, daß das Messer mit seiner flachen Seite den Deckel gerade noch streicht. Je dicker der Deckel ist, desto breiter wird also das Leder stehen bleiben.
Wird das Leder nun über die Kanten eingeschlagen, so muß es genau im halben rechten Winkel zusammenstoßen und sich so weit decken, als die Schrägung ausmacht. Die Ecke selbst kann auf zweierlei Weise behandelt werden; einmal kann sie, wie die Ecke des Halbfranzbandes, eingekniffen werden. Dann kann auch folgendes Verfahren eingeschlagen werden, sofern man ein besonders dehnbares Leder verarbeitet. Indem mit der hohlen Hand von der Außenseite her das Leder über die Ecke weggestrichen wird, schiebt sich dasselbe in einer Anzahl ganz kleiner Fältchen zusammen, und nach dem Trocknen sieht der Zusammenstoß fast wie aus einem Stück gemacht aus. In beiden Fällen werden die Kanten mit dem Falzbein rechtwinkelig und scharf angestrichen. Damit die Ecke selbst scharfkantig ausfällt, schlägt man den Deckel auf und legt ihn mit der Innenseite flach auf den Schärfstein, während man die Kanten mit dem Falzbein behandelt; die Verarbeitung des Kapitals bleibt dieselbe.
Dünnes Kalbleder, wie es neuerdings häufig im Handel vorkommt, wird meist nur an den Kapitalen, soweit solche in den Rücken eingeschlagen werden, geschärft, während der übrige Einschlag ungeschärft bleibt. Wir kommen später auf die weitere Behandlung des ungeschärften Einschlages zurück.
Über die Behandlung von Kalikobänden ist folgendes zu bemerken. Der Kaliko wird mit dem Messer und dem Lineal zugeschnitten, und zwar groß genug, damit die Einschläge später unter dem aufzupappenden Vorsatz gleichmäßig in der Breite von ½ cm[100] zu sehen sind. Einzelne Fäden, rauhe Stellen oder gar schräg geschnittene Einschläge dürfen nicht zu sehen sein. Das zugeschnittene Stück wird mit Leim angeschmiert, das Buch aufgelegt, der Kaliko angerieben und scharf eingeschlagen. Die Ecken werden mit der Schere schräg abgeschnitten, jedoch so, daß noch genug zum Einkneifen stehen bleibt; die Einschläge sollen sich an den Ecken nicht mehr als 2 mm decken.
Halbfranzbände werden, sobald der Rücken ganz trocken ist, mit Papier oder Kaliko überzogen. Ehe dies geschieht, wird das Leder am Rücken her und an den Ecken abgeschnitten. Mit dem Zirkel wird von der Vorderkante nach dem Leder zu die Breite des zu überziehenden Stückes abgestochen und durch einen Falzbeinstrich markiert; ebenso werden die Ecken mit Hilfe einer kleinen, auf die Ecke gelegten Schablone gleichmäßig gestrichen. Auf diesen Marken wird aus freier Hand mit einem scharfen Messer das Leder schräg nach der Mitte zu eingeschnitten und das Überstehende abgezogen. Der Überzug ist so zuzuschneiden, daß er auf allen Seiten — also am Rücken und den Ecken — ans Leder anstößt, dasselbe aber nur soweit deckt, als es schräg abgestoßen ist. Vor dem Zuschneiden des Papieres (meist marmoriert, seltener einfarbig und gepreßt) hat man zu überlegen, wie sich der einzelne Bogen am vorteilhaftesten einteilt. Für den Einschlag rechnet man nicht über 2 cm an den Vorder- und Oberkanten zu. Der Schnitt wird mit einem scharfen Messer am Lineal oder Winkel ausgeführt.
Das Ausschneiden der Ecken erfordert besondere Sorgfalt. Am zweckmäßigsten ist es, ein Überzugsteil dem Bande an das Leder anstoßend aufzulegen mit der erforderlichen Zugabe für den Einschlag. Die beiden unteren Ecken werden nach oben zurückgeschlagen und an den Stellen, wo sie an die Lederecken anzustoßen haben, wird ein scharfer Bruch gemacht. Streicht man nun mit der Hand scharf über die drei Kanten nach unten, indem die andere Hand das Blatt unverrückbar festhält, so erhält man eine genaue Marke, nach welcher das Ausschneiden der Ecke zu erfolgen hat. (Fig. 55.)
Die zugeschnittenen Überzugsteile werden nun mit Leim »angeschmiert«, zu welchem Zwecke sie genau geradegestoßen auf einer Unterlage, der »Anschmierpappe«, aufgelegt werden. Zweckmäßig dafür sind dicke, nicht zu große Pappen, die mit Papier, besser noch mit Wachstuch bespannt werden; ist das Papier wiederholt benutzt, so wird es von den Deckeln abgenommen, eingeweicht und der Leim ausgekocht. Von Wachstuch löst sich nach dem Trocknen der Leim von selbst ab. Auch Zinkblech wird als Unterlage zum Anschmieren benutzt mit ähnlichem Vorteil wie Wachstuch.
Nicht alle Bände werden angesetzt, in vielen Fällen werden Buch und Buchdecke gesondert hergestellt und ersteres dann in letztere »eingehangen«. Dies Verfahren wird hauptsächlich bei[101] den in Massen angefertigten Schulbänden eingeschlagen, ebenso bei den Bänden, zu denen der Verleger fertige Decken, »Verlagsdecken«, liefert, ferner auch bei den Photographie-Albums, auf deren Herstellung, da sie in das Gebiet der Portefeuille-Arbeit gehören, hier nicht näher eingegangen werden kann. Hat auch die Kunstbuchbinderei als solche mit der Verlagsdecke wenig zu thun, da diese ein Erzeugnis des Großbetriebes ist, so soll hier doch deren Herstellung der Vollständigkeit halber einen Platz finden.
Deckel wie Rücken werden nach Maßgabe des beschnittenen und abgepreßten Buches passend geschnitten. Der Überzugsstoff, meist Kaliko, wird unter Zugabe des Einschlages zugeschnitten, angeschmiert, Rücken und Deckel unter Berechnung des Falzes aufgelegt, der, je nach Dicke der Deckel, 1½ bis 3 mm beträgt. Die Kanten werden eingeschlagen, das Ganze durch die Anreibemaschine geführt, bei welcher die Decken zwischen zwei Gummiwalzen durchgehen. Sollen »Halbfranzbanddecken« (das Wort ist unrichtig, da ein Halbfranzband und Decken sich gegenseitig ausschließende Begriffe sind) hergestellt werden, so klebt man sowohl die Rückeneinlage als auch die Deckel mit Leim auf dem Lederrücken auf; eingeschlagen wird jedoch mit Kleister, damit die Gelenke nicht spröde werden. Dann werden Ecken angemacht und die Decken in üblicher Weise mit Papier oder Kaliko überzogen.
Soll ein Band in eine solche Decke möglichst haltbar befestigt werden, so ist dazu erstlich ein Kalikofalz im Vorsatz erforderlich, dann aber auch möglichst viele Bünde, bei 8o Format mindestens vier. Überhaupt muß man einen solchen Buchkörper behandeln, als sollte er in Halbfranz gebunden werden. Man macht zunächst aus Papier, besser aus Stoff eine »Hülse«, d. h. man biegt ein Stück Papier oder Stoff, das genau so lang wie der Rücken ist, von beiden Seiten in der Breite des Rückens zusammen, so daß sich die Ränder in der[102] Mitte treffen, wo sie übereinander geklebt werden. Beistehende Figur gibt das Schema.
Diese Hülse wird mit einer Seite fest auf den Rücken der Decke geklebt, während auf der anderen Seite der gut gerundete Buchrücken aufgeklebt wird. Zu weiterer Befestigung müssen die Bünde und die Fälze des Bandes recht sorgfältig und sauber am Deckel festgeklebt werden. Ein Blatt Vorsatzpapier, nach Maßgabe der Kanten passend geschnitten, deckt schließlich die Innenseite des Deckels.
Daß ein solcher Band trotz der vorhandenen Decke sich nicht »für wenige Groschen« herstellen läßt, sei hier ausdrücklich zum Troste der Fachleute betont. Für alle Fälle sollte ein wirklich gutes Buch gebunden und nicht eingehängt sein.
Anpappen — Offen Anpappen — Aufpappen des fliegenden Blattes — Tiefer Falz, Stoff- und Lederfalz — Seidenspiegel, Lederspiegel — Abglätten, Einpressen — Futteral und Karton.
Nachdem der Buchkörper mit der Einbanddecke, dem äußeren Teile des Buches, verbunden ist, werden die Deckel auch auf der Innenseite bekleidet. Diese Arbeit heißt das »Anpappen« und hat nicht allein den Zweck, die Spuren der vorhergehenden Arbeiten zu verdecken, sondern soll auch die Haltbarkeit des Buches in den Gelenken möglichst verstärken. Die einfachste Art, einen Band anzupappen, ist folgende: Das erste Blatt des Vorsatzes wird mit Kleister angeschmiert, der Deckel zugeschlagen, das Buch herumgewendet und die andere Seite in derselben Weise behandelt; das Buch wird danach sofort eingepreßt. Solange der Falz noch einigermaßen feucht ist, darf der Band nicht geöffnet werden, anderenfalls würden sich im Falz Falten bilden. Diese Art des Anpappens vertragen alle die Bände, welche nicht auf tiefen Falz angesetzt sind, die also weder durch den Deckel gezogene, noch äußerlich auf den Deckel geklebte Bünde haben. Dahin gehören außer den einfachsten Steifbänden die Halbleinen- und gewöhnlichen Halblederbände, sowie die Ganzleinen- und die »eingehängten« Bände ohne Leinenfalz.
Es empfiehlt sich sehr, die eingepreßten Bände nach einiger Zeit wieder aus der Presse zu nehmen, um, ohne daß der Band geöffnet wird, hinter die ersten fünf bis sechs Blätter vorn und hinten ein Zinkblech einzulegen, mit welchem die Bände dann von neuem in die Presse gebracht werden, in der sie mindestens über Nacht, womöglich noch länger verbleiben. Die Endlagen sowohl als auch der innere Deckel erscheinen infolge dieser Maßregel durchaus glatt und die Bünde zeichnen sich weniger scharf ab. Schließlich ist zu bemerken, daß nur Schreib- und Naturpapiere diese Art des Anpappens vertragen, alle anderen Vorsätze müssen »offen« angepappt werden.
»Offen anpappen« heißt das Buch in aufgeschlagenem Zustande anpappen und trocknen lassen; dies geschieht bei allen Bänden mit Buntpapier-Vorsätzen, bei den fabrikmäßig hergestellten, mit Draht gehefteten Bänden, und bei allen Bänden mit tiefem Falz.
Die Bände mit bunten Vorsätzen erhalten immer einen Leinenfalz; die Bünde werden bis auf etwa 2 cm Länge abgeschnitten, sehr glatt und gleichmäßig strahlenförmig auseinander gestrichen und mit Leim auf den Deckel herübergeklebt, wobei dieser fest gegen das Buch gedrückt wird; der Kalikofalz wird auf einem untergelegten Blatte Makulatur angeschmiert, stramm und gleichmäßig auf den Deckel herübergezogen und gut angerieben, wobei besonders auf die Ansetzkante des Deckels zu achten ist, da hier der Falz nicht gut haftet und leicht »hohl« wird.
Das Anpappen der fabrikmäßig hergestellten Bände ist gleich dem Verfahren, das bei Bänden mit tiefem Falz angewandt wird; im folgenden wird nur von diesem die Rede sein.
Schon oben (S. 35) sprachen wir von der Zurichtung der Vorsätze; doch ist es in vielen Werkstätten üblich, erst kurz vor dem Anpappen die Bunt- oder Brokatpapiere einzukleben. Notwendig ist dieses spätere Einkleben des farbigen Vorsatzes da, wo ein tiefer Falz ohne Kaliko- oder Lederfalz in Anwendung kommt.
In diesem Falle werden zwei Doppelblätter des erwählten Papieres, etwas größer als der Band mit der farbigen Seite zusammengebrochen, am Bruch 3 mm breit mit Leim angeschmiert und genau in den Falz, nicht aber auf den Falz und bis an den Rücken eingeklebt. Nach dem Anhängen des farbigen Papieres wird dieses zurückgeschlagen, das erste weiße Blatt mit mäßig dünnem Leim recht gleichmäßig und sauber angeschmiert, das bunte Blatt zugelegt und leicht angerieben. Nachdem die andere Seite des Buches in derselben Weise behandelt ist, wird der Band leicht eingepreßt. Ist das Geklebte etwas abgetrocknet, so wird ein Zinkblech zwischen die farbigen Blätter eingeschoben und am Buche her das Überstehende sauber abgeschnitten. Nun wird die andere Blatthälfte auf den Deckel »angepappt«, muß aber vorher passend geschnitten werden. Zu diesem Ende legt man dieselbe in der Lage, wie sie aufzukleben ist, auf den Deckel herüber und zeichnet mit dem Zirkel der Kante parallel ringsum eine Linie vor, deren Abstand von der Kante sich nach der Breite zu richten hat, die man dem inneren Rande geben will. In Fällen, wo dieser Rand vergoldet werden soll, hat man sich darauf Rücksicht zu nehmen. Diesem Zirkelstrich nach wird das Blatt auf einem untergelegten Zinkblech bis an den Falz abgeschnitten; in dem Falz selbst bleibt das Papier in ganzer Länge stehen, d. h. die auf dem Deckel aufgeklebte Hälfte wird oben und unten kürzer als das erste Vorsatzblatt und der Falz. An diesem her, genau in der Biegung, welche das Deckelblatt, der[105] »Spiegel«, um die Deckelkante macht, wird bis an den Zirkelstrich heran mit der Schere eingeschnitten, so daß der vorhergehende Messerschnitt mit dem Schereneinschnitt auf unserer Fig. (56) bei a zusammentrifft. Nun wird unter das beschnittene Blatt zum Schutze von Vorsatz und Buchschnitt Makulatur eingelegt, das Blatt sauber angeschmiert und auf den Deckel geklebt. Das Anschmieren muß, wie beim Aufpappen des ersten, sogenannten »fliegenden Blattes«, sehr gleichmäßig geschehen; besonders aber ist das Anhäufen von Leim im Falz nachteilig, weil erstlich das Gelenk unsauber, zweitens aber nicht trocken wird. Das angeschmierte Blatt wird vorsichtig auf den Deckel herübergezogen,[106] wobei der Falz nochmals recht genau zu richten, der Deckel beizudrücken ist. Zweckmäßig ist es, das Buch quer zu legen, die vordere Deckelkante gegen den Körper zu stemmen und mit Daumen und Zeigefinger beider Hände den Falz gut anzureiben; zu dieser Arbeit wird ein Stück Makulatur vorgelegt, über das angerieben wird. Unsere Abbildung (Fig. 57) zeigt das Anreiben des Falzes, doch ohne Papiervorlage.
In vielen Werkstätten wird diese Art des Vorsatzanpappens in der Weise gehandhabt, daß das Doppelblatt auf den Falz bis in den Rücken hereingeklebt wird. Das innere Blatt wird aufgepappt, und beide Doppelblätter am Buche ringsherum abgeschnitten. Auf eingelegter Makulatur wird angeschmiert und das nicht weiter abgeschnittene Blatt angepappt. Diese Weise hat den Nachteil, daß der scharfe Bruch in das Gelenk kommt und leicht durchreißt; zudem sieht das abgeschnittene Blatt auf dem Deckel bei der vorher genannten Weise besser und zierlicher aus. Vergl. Fig. 58.
In den Grundzügen genau dasselbe Verfahren beobachtet man bei den Bänden mit Kaliko- oder Lederfalz. Ersterer ist entweder mit dem Vorsatz bereits vorgeheftet oder wird jetzt eingeklebt; Lederfalz wird stets eingeklebt, und muß in allen den Fällen angewendet werden, wo im Deckel eine breite vergoldete Kante den ganzen Spiegel umfaßt. Die Breite des Lederfalzes richtet sich demgemäß auch nach der Breite der Vergoldung. Selbst in dem Falle aber, daß die hintere Deckelkante nicht vergoldet wird, muß der eingeklebte Falz (Leder oder Kaliko) auf den Deckel, wie auf das fliegende Blatt je 1 cm herübergehen. Lederfälze werden vor dem Einkleben durchaus dünn geschärft und mit Kleister eingeklebt. Kaliko wird mit Leim geklebt. Der Falz muß vorher auf Höhe passend, der auf den Deckel herüberreichende Flügel an beiden Enden etwas schräg nach innen abgeschnitten werden. Scharfes Anreiben und Beidrücken des Falzes ist hier genau wie bei der vorher erwähnten Weise erforderlich. Ein mit dem Vorsatz umstochener[107] Falz wird über sich selbst zurückgeklebt, so daß er in der Breite des Abpreßfälzchens doppelt liegt.
Wenn es sich darum handelt, die Kante ringsum zu vergolden, so muß beim Einkleben des Lederfalzes, wie folgt, verfahren werden. Der auf Höhe passend geschnittene Lederstreif wird eingeklebt, muß aber auf dem Deckel genau nach der Gehrung geschnitten werden, d. h. er muß mit den Rändern der Ober- und Unterkante im halben rechten Winkel wie ein Bilderrahmen zusammenstoßen. Würde man den Streifen einfach über den Kanteneinschlag des Deckels kleben, so läge das Leder an diesen Stellen doppelt und bildete eine Erhöhung. Zur Vermeidung dieses Übelstandes zeichnet man auf dem frisch geklebten Falze den Gehrungsschnitt vor und durchschneidet auf diesem Lederfalz und Einschlag bis auf die Pappe, indem man das scharfe, spitze Messer etwas schräg nach außen zu hält; dadurch wird der Falz etwas unterschnitten, der Kanteneinschlag etwas abgeschrägt. Indem der Falz nun ein wenig gehoben wird, löst man das darunter liegende Lederstückchen des Einschlages bis an den Schnitt ab und klebt den Falz so fest, daß er mit dem Einschlag zusammenstößt, aber denselben nur so viel deckt, als dies durch den schrägen Schnitt bedingt ist.
Nach dem Anpappen des ersten Falzes kann der ganze Band mit aufgeschlagenem Deckel gewendet und sofort der zweite Falz eingeklebt, bez. das Vorsatz angepappt werden, doch muß er nachher ruhig liegen bleiben bis zum vollständigen Abtrocknen, was beim Lederfalz natürlich länger dauert als beim Papier- oder Kalikofalz. Damit der unten liegende, zuerst behandelte Falz nicht leidet, wird ein Preßbrett untergelegt.
Bei eingeklebten Fälzen wird das Vorsatz hinterher so angehängt, daß es genau bis an den Abpreßfalz reicht; war ein Falz mit umstochen, so reicht es bis dicht an den zurückgebogenen Falz. Das Blatt für den Deckel wird entweder bis dicht an die hintere Deckelkante herangesetzt, oder aber, wenn die Kantenvergoldung ringsherum läuft, wird er dieser gemäß eingesetzt. Hiernach hat man sich beim Zuschneiden zu richten. Sollen die Kanten vergoldet werden, so hat dies vor dem Einkleben des Spiegels zu geschehen. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß gewisse Muster sowohl von marmorierten als gedruckten oder gepreßten Papieren, die eine nach aufwärts gehende Richtung haben, nicht auf den Kopf gestellt werden dürfen. Buntpapiervorsatz wird sofort nach dem Einkleben mit einem heißen »Glättkolben« (Fig. 59) »abgeglättet«, damit der Deckel sich nicht nachträglich wirft. Der Deckel soll nach dieser Arbeit völlig eben erscheinen, auf keinen Fall darf er sich nach außen Wölben, eher kann er nach innen zu eine leichte Wölbung haben.
Bei allen diesen Arbeiten wird auf den Arbeitstisch ein Tuch gelegt, um ein Verkratzen der Außenseite des Buches zu vermeiden.
Reich ausgestattete Bände werden auch auf der ganzen Innenseite vergoldet und erhalten demnach einen Lederspiegel. Besteht derselbe aus dünnem Leder, so wird er stets eingelassen, d. h. es wird ein etwas größer als notwendig zugeschnittenes Stück Leder an einigen Stellen des Deckels mit Leim befestigt, mit einem Zirkel die Kantenparallelen gezogen, diesen gemäß durch Spiegel und Einschlag hindurch bis auf die Pappe mit einem scharfen, spitzen Messer ein Schnitt gemacht, wobei in schon erwähnter Weise das Messer ein wenig schräg gehalten wird. Das unter dem Spiegel innerhalb des Schnittes klebende Leder wird abgelöst, der Spiegel angeschmiert und mit Kleister eingeklebt. Dickere Leder werden ringsherum geschärft, passend geschnitten und aufgeklebt. Das fliegende Blatt besteht dabei ebenfalls meist aus farbigem Papier. Seidenspiegel und fliegendes Blatt mit Seidenbespannung kommt ebenfalls vor, wenn jetzt auch seltener als früher. Seide wird stets gespannt, d. h. um ein Blatt Papier an den Kanten umgeschlagen, während die Fläche selbst hohl aufliegt. Für Spiegel und fliegendes Blatt wird je ein Blatt kräftiges, jedoch nicht allzudickes Papier genau zugeschnitten, dazu passend je ein Stück Seide nebst Zurechnung von 1 cm Umschlag. Die Rückseite dieser Papiereinlagen wird an den Kanten her 1 cm breit mit Leim angeschmiert, das Blatt mit der Vorderseite von hinten auf die Seide gelegt und deren Umschlag um die Kante geklebt. Zweckmäßig ist es, ein Blatt Papier unterzulegen, welches breit übersteht, mit diesem überstehenden Teile den Seideneinschlag um die Kante zu ziehen und anzureiben. Die Seide soll auf der Vorderseite durchaus glatt und ohne Falten oder sichtbare Brüche sein, muß deshalb nötigenfalls vorher ausgebügelt werden; ein besseres, dem weichen Stoffe angemessenes Ansehen gewinnt die Seide dadurch, daß auf das Papier erst eine dünne Lage Watte geklebt wird. Die so vorbereiteten Seidenteile werden auf dem Deckel sowohl, wie auf dem fliegenden Blatte aufgeklebt. Es ist zweckmäßig, das ganze Blatt aufzukleben und einige Zeit einzupressen. Durch die Feuchtigkeit des Leimes zieht die Seide etwas an, legt sich nach dem Trocknen in der Presse aber wieder glatt.
Bei jedem Einpressen der Bände auf tiefen Falz werden unter die Deckel Zinkbleche bis an den Falz eingeschoben; stehen weiße oder helle Seidenvorsätze in Frage, so schlägt man um die Bleche erst ein Blatt weißes Papier. Die Bretter werden nicht in den Falz[109] gelegt, sondern über denselben herausgerückt, die Presse nicht zu fest angezogen.
Auf jeden Fall bleibt der fertige Band längere Zeit, am besten über Nacht, in der Presse. Bände, welche nach dem Vergolden auch auf der Außenseite abgeglättet wurden — diese Arbeit wird später näher behandelt — preßt man zwischen vorgelegten Zinkblechen ein. Empfehlenswerter sind lackierte Eisentafeln. Das Lackieren muß jedoch im heißen Ofen besorgt worden sein, weshalb nicht jeder Lackierer, sondern nur gut eingerichtete Lackieranstalten brauchbare Tafeln zu liefern im stande sind.
Wertvolle Einbände, die man gern in der Weise erhalten will, wie sie aus der Hand des Buchbinders hervorgingen, bedürfen noch einer Schutzvorrichtung in Gestalt eines Futterals oder eines Kastens. Unsere Vorfahren in früheren Jahrhunderten bedienten sich zu dem Ende einer Büchse oder eines Kastens von Holz, auch wohl eines ledernen oder leinenen Sackes. Im vorigen Jahrhundert gab man dieser Schutzhülle die Form des Buches selbst und druckte auch wohl den Titel darauf. Gegenwärtig werden dergleichen Bände entweder mit einem Pappfutteral versehen, an dessen offener Seite der Rücken heraussieht, oder man legt den Band in ein pappenes Kästchen, das gewöhnlich als Karton bezeichnet wird. Um ein Futteral herzustellen, wird die Pappe nach Maßgabe der Größenverhältnisse des Buches geritzt und an den geritzten Stellen zusammengebogen. Die Kanten, mit denen die Seitenteile zusammenstoßen, werden überklebt und das Ganze entweder mit Papier oder besser mit Kaliko überzogen. In ähnlicher Weise wird der Karton hergestellt; doch kann man die einzelnen Teile auch aus der Pappe ganz herausschneiden und dann zusammenkleben; der Rückenteil wird beiderseits an Gelenke gehangen, so daß sich der Kasten flach auseinander legen läßt. Außerdem erhalten die Bände auch wohl noch Schutzumschläge von festem Papier, das, um es noch haltbarer zu machen, mit Stoff gefüttert zu werden pflegt.
Ritzarbeit und Punzung. — Lederschälarbeit. — Der Blinddruck.
Wenn man von den kostbaren Einbänden absieht, deren Zierat hauptsächlich der Goldschmied oder der Elfenbeinschnitzer oder beide vereint besorgten, so kann man von alters her zweierlei Arten der Musterung des Einbandes unterscheiden, die blinde und die farbige, zu der auch die Vergoldung zu rechnen ist.
Das Wesen des Blinddrucks, der selbstverständlich die gleichzeitige Verwendung von Gold und Farbe nicht ausschließt, beruht auf dem Umstande, daß durch den Druck eines erwärmten Stempels die von ihm getroffenen Stellen des zuvor gefeuchteten Leders einen dunkleren Ton annehmen und glänzend erscheinen. Ist der Stempel ein Hohlstempel, bei dem also die Zierform eingegraben (graviert) ist, so erscheint die Verzierung erhaben, in der Weise wie bei Siegelabdrücken, und der Grund blind; im entgegengesetzten Falle tritt der Grund heraus und die Verzierung erscheint blind.
Ehe wir auf das beim Blinddruck anzuwendende Verfahren eingehen, sei zuvor der Ritzarbeit und der Punzung des Leders gedacht, beides Techniken, die, vermutlich erst von anderen Lederarbeiten auf den Einband übertragen, oft gemeinsam angewandt wurden, um das Bild oder die Zierform in Umrissen darzustellen. Zur Herstellung der Ritzarbeit bedurfte man nur eines Messers und zur Punzung eines einfachen Punzens, dessen Fuß eine Höhlung hatte, die beim Einschlagen eine ganz kleine halbkugelförmige Erhöhung hervorbrachte. Schlag an Schlag gesetzt, wurde die Fläche auf diese Weise genarbt.
In neuester Zeit hat man die Ritzarbeit mit Glück wieder zu beleben gewußt, auch durch kräftige Modellierung der Formen, die sich unter Anfeuchtung des Leders von der Rückseite her durch eine Art Treibarbeit bewirken läßt, die alten Vorbilder noch zu überbieten versucht. Für Buchdecken wird diese Art der Lederverzierung aber immer nur eine beschränkte sein, schon weil sie ein künstlerisches Geschick erfordert, das sich nicht jedermann zu geben vermag.
In Figur 60 geben wir als Beispiel der Punzung ohne Ritzung einen Band, der aus einem der Klöster am Berge Athos stammt und vermutlich dem 16. Jahrhundert angehört. Er zeigt eine an Eisentechnik (Thürbeschläge) erinnernde, symmetrisch angeordnete Verzierung mit Knöpfen (Nagelköpfen), die mit größeren Punzen teils in den Grund, teils in das Ornament eingeschlagen sind. Eine gepunzte Ritzarbeit zeigt uns Fig. 61 in freier künstlerischer Anwendung der Technik. Dieser Einband ist deutschen Ursprungs und stammt aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts. Als drittes Beispiel (Fig. 62), auf dem zwei phantastische Bestien, wie sie das germanische Mittelalter gern bildlich darstellte, erscheinen, geben wir die Rückseite eines Pergamentbreviers vom Ende des 15. Jahrhunderts, das der Nürnberger Familie Löffelholz gehörte und wie der vorher erwähnte Band im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg bewahrt wird.
Für Lederschnitt eignet sich am besten Rindsleder, weniger gut Kalbleder. Maroquin und Schafleder sind dazu ganz ungeeignet.
Eine verwandte Technik ist die ebenfalls schon im 15. Jahrhundert geübte Lederschälarbeit, zu der sich jedoch nur Saffian oder Bockleder eignet. Die Konturen des Ornaments werden dabei ebenfalls mit dem Messer eingeritzt und dann die Oberhaut des Leders an einem Ende gehoben und abgeschält. Statt das Ornament auf diese Weise zu behandeln und hell erscheinen zu lassen, kann man auch die Oberhaut des Grundes abschälen, um die umgekehrte Wirkung zu erzielen. Ist diese Arbeit für die Außenseite der Decken auch wenig empfehlenswert, so ist sie doch gut anwendbar zur Verzierung der Spiegel auf den inneren Deckelflächen, wenn es sich um einen in nicht gewöhnlicher Weise auszustattenden Einband handelt.
Die umständliche und zeitraubende Ritzarbeit konnte ebenso wenig wie die Schälarbeit bei Büchern Anwendung finden, die in kurzer Frist und ohne erhebliche Kosten hergestellt sein wollten. Für diese diente das einfache Verfahren des Blinddrucks, zu dem auch die Verzierung mittelst glatter Linien zu rechnen ist, die vielleicht mit einem Falzbein am Lineal entlang gezogen wurden, um eine Einrahmung der inneren Fläche des Deckels herbeizuführen, dann auch um die innere Fläche rautenförmig zu mustern. Derartige gestrichene Linien finden sich auf unserer Abbildung Fig. 61. (Vergl. auch Fig. 67.)
Die Werkzeuge, welche zur Herstellung der Blindpressung des Leders dienen und, abgesehen von dem Streicheisen, auch bei der Handvergoldung gebraucht werden, sind folgende:
1. Das Streicheisen, von welchem schon die Rede war, zeigte nach einer Abbildung von Jobst Amman im 16. Jahrhundert die Form einer spitz zulaufenden Schaufel und zog auf der einen Seite einen doppelten, auf der anderen einen dreifachen Strich. Heutzutage unterscheidet man die deutsche und die französische Form. Erstere ist da zweckmäßig, wo es sich um gebogene Linien handelt, letztere (vergl. Fig. 64 unten links) ist vorteilhaft bei geraden Linien, besonders wenn bedeutende Kraft bei der Arbeit erforderlich ist. Die Streicheisen haben ein langes Heft, dessen Ende gegen die Schulter gestemmt werden kann. Beim Gebrauch werden sie erwärmt, da sonst der Strich nicht blank werden würde, dürfen aber nicht allzu heiß sein, damit sie den Grund nicht versengen. Zweckmäßige Wärmvorrichtungen für Streicheisen, Stempel u. s. w. liefert die Firma Wilh. Leo in Stuttgart. (Fig. 65).
Das Leder wird an den Stellen, die zu streichen sind, mit einem in reines Wasser getauchten Schwamme gefeuchtet. Sind nur einzelne Teile, Linien oder Bogen zu streichen, so wird die leicht vorgemerkte Stelle mit einem Haarpinsel gefeuchtet. Nachdem das Leder trocken geworden ist, werden alle Striche nochmals mit einem etwas wärmeren Eisen nachgestrichen. Der Strich erscheint dann auf hellem Leder dunkel und zeichnet sich bei dunklem Leder immer noch durch sein blankes Aussehen von dem Grunde ab. Wenn der Glanz mit dem wiederholten Streichen noch nicht erreicht wird, muß nochmals nach[116]gestrichen, nötigen Falls auch das Leder noch einmal gefeuchtet werden.
2. Die Stempel sind in Hartmetall graviert und mit einem hölzernen Handgriff versehen. Sie dienen dazu, kleine Figuren in das Leder einzudrucken. Diese Figuren stellen entweder ein kleines, geschlossenes Ornament von meist quadratischer, auch kreisrunder und länglicher Grundform dar, oder kleine Zierformen (Blüten, Blätter, auch Ranken oder sog. Schnecken), mit denen sich durch Neben- und Aneinanderdruck größere Verzierungen, wie sie gerade für den gegebenen Raum passen, zusammenstellen lassen. Die Stempelfläche ist nicht ganz eben, sondern nach der Mitte zu etwas erhaben, wodurch ein schärferes Ausdrucken des Musters ermöglicht wird.
3. Die Rolle ist eine kreisrunde Scheibe aus Rotguß bis zu 1½ cm dick und mit 4–8 cm Durchmesser, deren Achse eine Führung hat, die wiederum mit einem Hefte versehen ist (Fig. 64 rechts). Mit dem Hefte wird die Rolle wie ein Rad über das Leder bewegt, so daß sich das in die Umfangsfläche eingeschnittene Ornament abwickelt und auf dem Leder abdruckt. Ursprünglich war die Rolle nur für glatte Linien eingerichtet, an deren Stelle nach und nach eine mehr oder weniger reiche Musterung mit sich stets wiederholenden Motiven trat. Die gemusterte Rolle dient vornehmlich zur Herstellung der mit den Rändern des Deckels parallel laufenden Einfassungen oder Borden.
4. Die Filete (Fig. 64 in der Mitte) ist ein Druckwerkzeug in Form einer Leiste, jedoch mit etwas gebogener Druckfläche. Wie schon der Name erkennen läßt, ist die Filete französischen Ursprungs, und als Erfinder wird ein Pierre Gaillard genannt. Sie hat wie die Rolle auf der Druckfläche eine oder mehrere erhabene Linien oder aber ein fortlaufendes Ornament mit sich wiederholenden Motiven und wird mit Vorteil namentlich für die Ornamentierung des Buchrückens verwendet, ersetzt aber auch die Rolle.
Zu diesen vier Druckwerkzeugen kommt noch die gravierte Platte, die sowohl als abgepaßte Platte für bestimmte Buchgrößen oder als zusammenstellbare Platte für die verschiedensten Formate benutzt wird. Zum Aufdruck bedient man sich heutzutage nur noch eiserner Pressen mit Hebeldruck, Schwungrad oder Balancier.
Der Blinddruck mit Streicheisen, Stempeln u. s. w. erfordert außer der Vorzeichnung der Verzierung auf Papier und der Abzirkelung derselben auf der Decke keine besonderen Vorbereitungen. Etwaige Hilfslinien werden vor dem Druck mit Lineal und Falzbein vorgezogen. Beim Bedrucken der inneren Kanten der Decke ist es erforderlich, den Deckel zurückzuschlagen und flach auf eine feste Unterlage zu legen; der Druck erfolgt also bei offenem Deckel.
Beim Bedrucken des Rückens wird das Buch in eine sog. Klotzpresse gespannt, eine kleine hölzerne Vorrichtung, die auf den[117] Tisch gestellt wird. An ihrer Stelle benutzt man jetzt vielfach eine zum Anschrauben an die Tischkante eingerichtete Vorrichtung aus Eisen, die ein bequemes Drehen und Wenden des Oberteils mit dem eingespannten Buche gestattet (Fig. 66).
Zum Bedrucken des Rückens eignet sich, wie schon bemerkt, die Filete besser als die Rolle; für den glatten Liniendruck ist dabei die Filete dem Streicheisen vorzuziehen. Aus diesem Grunde ist es zweckmäßig, bei Anschaffung dieser Werkzeuge darauf zu sehen, daß Linienfileten und Streicheisen zusammenpassen. Beide müssen in der Werkstatt in verschiedenen Stärken, d. h. auf jede ein- oder mehrfache Linienfilete ein gleichartiges Streicheisen vorhanden sein. Die untenstehend bezeichneten Nummern 1–5 genügen für den gewöhnlichen Gebrauch. Weitere Nummern vereinfachen die Arbeit.
Am besten nimmt sich der Blinddruck auf naturfarbigem Schweinsleder (sog. Schweinssaffian) aus, steht auch gut auf mattem Kalbleder von nicht zu dunkler Färbung. Schafleder eignet sich nicht für Blinddruck.
Bevor man zum Bedrucken der Decke übergeht, hat man, wie schon oben bemerkt, einen Entwurf für die Verzierung auf Papier aufzuzeichnen und nach diesem die Linienabstände sowie die Anordnung der Stempel auf die Decke zu übertragen, wozu man sich des Falzbeins bedient. Die ganze Fläche wird nun mit einem mäßig nassen Schwamme leicht überfahren, so daß die Feuchtigkeit in kurzer Zeit wieder verschwindet. Nach etwa fünf Minuten wird das Feuchten wiederholt, und nun beginnt die Streich- und Druckarbeit, deren Verlauf wir an einem Beispiel, einem in gotischem Stile zu verzierenden Bande, erläutern wollen. Der Entwurf (Fig. 67) beschränkt sich, abgesehen von dem in Lederschnitt herzustellenden Mittelfelde, auf die Anwendung von drei Stempeln (Fig. 68 a, b und d) und der Dreilinie des Streicheisens. Die Dreilinie kommt zunächst an die Reihe.[118] Auf dem Wärmapparate heiß gemacht, wird sie in einer flachen Schale mit Wasser und einem Schwamme »abgelöscht«, d. h. mit dem letzteren in Berührung gebracht, wobei ein leicht zischender Ton sich bemerkbar machen muß; sodann streicht man sie über ein gewachstes Stück Leder und führt sie nun am Lineal der Vormerkung gemäß hin.
Das beste Material für das Lineal ist, nebenbei bemerkt, Zinkblech. Dasselbe liegt gut und fest auf dem Leder auf, ist leicht und nimmt, im Gegensatze zum Holz, keine Feuchtigkeit an, hinterläßt auch keine Flecken. Eiserne Lineale dürfen mit feuchtem Leder überhaupt nicht in Berührung gebracht werden, da der chemische Prozess, der sich dabei entwickelt, sogleich schwarze Flecke zur Folge hat.
Beim Ansetzen des Streicheisens darf man sich nicht lange be[119]sinnen. Wenn die Striche nicht flott hintereinander an den betreffenden Stellen gezogen werden, so verdunstet die Feuchtigkeit des Leders, der Strich wird nicht dunkel und nicht glänzend; das Feuchten und Streichen muß also wiederholt werden. Ist das Leder zu trocken oder das Eisen zu kalt, so wird der Zweck des Streichens verfehlt. Schlimmer als ein zu kaltes ist ein zu heißes Eisen, da dieses die Oberfläche verbrennt, so daß sie zusammenschrumpft und schwarz wird, ein Fehler, der sich auf keine Weise wieder gutmachen läßt. Auf naturfarbigem Kalbleder soll der Blinddruck glänzend kastanienbraun erscheinen.
Durch das wiederholte Anfeuchten werden die blindgedruckten Stellen wieder etwas heller, verlieren auch den Glanz. Doch schadet dieses insofern nicht, als nachträglich alles nochmals nachgedruckt wird.
Nachdem das Streicheisen seinen Dienst verrichtet hat, kommen die Stempel einer nach dem andern an die Reihe. Der dreieckige Stempel füllt die Rauten und die halben Rauten abwechselnd mit dem eine halbe Kreuzform darstellenden Stempel, der auch zur Umrahmung benutzt wird. Hier bildet er eine Reihe von Vielecken, die nachher mit der Rosette ausgefüllt werden. Wer noch ungeübt in der Handhabung der Stempel ist, thut gut daran, jeden Stempel zunächst ungewärmt und leicht vorzudrucken, dann das Leder nochmals zu feuchten und nun mit dem warmen Stempel den Druck zu wiederholen, bis der Farbenton die richtige Tiefe hat. Auf die Gleichmäßigkeit des Farbentons ist besonderes Gewicht zu legen, da der gefällige Eindruck der Verzierung zum Teil durch das gleichmäßige Aussehen bedingt ist.
Wie schon bemerkt, wird die ganze Decke, nachdem sie ihre vollständige Verzierung erhalten hat, noch einmal mit dem Streich[121]eisen sowohl wie mit den Stempeln übergangen, wobei die Werkzeuge etwas wärmer sein sollen als bei dem ersten Druck. Daß diese, wie vorher, jedesmal vor dem Ansetzen über ein gewachstes, auf ein Stück Pappe geklebtes Leder gestrichen werden müssen, braucht kaum besonders erwähnt werden. Das Streicheisen muß bei dieser nochmaligen Behandlung der Decke mit besonderer Vorsicht geführt werden, um das sog. Dublieren der Linien zu vermeiden, das der Arbeit ein liederliches Aussehen verleiht.
Das Bedrucken des Rückens erfolgt ganz in derselben Weise. Die Stempel werden vorgezeichnet, dann kalt und leicht vorgedruckt, und der Druck mit dem warmen Stempel wiederholt. In unserem Falle sind an den Bünden mit der Filete Doppellinien gedruckt, die sich bis auf die Decke fortsetzen.
Um zu zeigen, in welch verschiedener Weise ein und derselbe Stempel zur Bildung von Verzierungen verwendet werden kann, geben wir zwei Zusammenstellungen von zwei Stempeln, die bei dem uns vorhin beschäftigenden Bande zur Musterung verwendet wurden in der Kopfleiste S. 170 und in Fig. 69.
Zur weiteren Veranschaulichung der Kunst, mit dem Streicheisen und wenigen Stempeln den Deckel in Blinddruck zu verzieren, möge die Abbildung Fig. 70 dienen. Die hier verwendeten spitzenartigen Motive sind im Sinne der italienischen und französischen Renaissance gedacht.
Bei den im Stilcharakter der Gotik und Frührenaissance behandelten Bänden pflegt man die Kanten der Decke, namentlich wenn es sich um größere Formate handelt, abzuschrägen. Um der schrägen Kante ein mit der blinden Verzierung der Decke übereinstimmendes Aussehen zu geben, wird sie mit einem kleinen Glättkolben (Fig. 71), der zu diesem Zweck mäßig erwärmt werden muß, ausgeglättet. Selbstverständlich wird das Leder vorher mit dem Schwamme gefeuchtet und das Glätten, wenn nötig, wiederholt, bis der entsprechende dunkle Ton erreicht ist.
Auswaschen, Grundieren und Kleistern des Leders. — Ledersorten. — Rückenvergoldung. — Äußere und innere Deckelvergoldung. — Ledermosaik und Bemalung. — Pressendruck auf Leder, Kaliko, Samt. — Färbung und Marmorierung des Leders. — Verarbeitung des Pergaments und des Samts.
Die Handvergoldung, d. h. das Aufdrucken von Stempelverzierungen auf Leder unter Anwendung von Blattgold war schon in spätrömischer Zeit bekannt. Zur Verzierung von Buchdecken wurde sie zuerst im Orient verwendet, von dem das Abendland überhaupt die kunstvolle Bearbeitung des Leders erlernt hat.
Den ältesten Ledervergoldungen auf europäischem Boden begegnen wir in Italien. Sie erscheinen matt und grieselig, was sich aus dem Umstande erklärt, daß das Gold auf das feuchte Leder ohne vorherige Grundierung aufgetragen wurde. Erst im Laufe der Zeit kam man darauf, dem Leder einen Leim- oder Eiweißgrund zu geben, wie solcher noch heute angewendet wird.
Dem Grundieren voraus geht das Auswaschen und in bestimmten Fällen das Kleistern des Leders.
Das Auswaschen geschieht mit einem Schwamm und reinem Wasser, in besonderen Fällen auch mit Essig. Der Zweck des Waschens ist nicht nur, das Leder von etwa an demselben haftenden Unreinigkeiten zu befreien, sondern ihm den Grad von Feuchtigkeit zu verleihen, den es haben muß, wenn das Gold gut »halten« soll. Auf trockenem Leder läßt sich auch nicht der lebhafte Glanz des Goldes erzielen; es »steht« nicht, wie der Kunstausdruck lautet.
Zum Auswaschen bedient man sich auch mit gutem Erfolge einer Beize, die zu zwanzig Teilen aus Kornbranntwein, einem Teil Scheidewasser und einem Teil Meerzwiebelsaft besteht, und der man auch noch einige Tropfen Ammoniak zuzusetzen pflegt. Das Waschen mit dieser Beize erhält selbst an heißen Tagen den Grund einige Stunden lang frisch, so daß langsamer gedruckt werden kann.[123] Auch brauchen die Stempel weniger heiß zu sein, wodurch die Schönheit der Vergoldung wesentlich gewinnt.
Das Kleistern ist nur bei Ledersorten erforderlich, die geneigt sind, aus den Grundiermitteln die Feuchtigkeit schnell aufzusaugen, so daß sich der Klebstoff auf der Oberfläche als graue Schicht ablagert. Man nimmt dazu gewöhnlichen Kleister, der mit so viel Wasser versetzt wird, daß er einer Mehlsuppe gleicht. Zum Auftragen, das recht gleichmäßig zu geschehen hat, bedient man sich des Kleisterpinsels, und reibt dann mit dem Ballen der Hand, besser mit einem Hasenfuß, aus dem aber die Zehen ausgebrochen sein müssen, den Kleister in das Leder ein.
Die Grundierung erfolgt erst mit Leim und danach mit Eiweiß.
Der für den Leimgrund oder die »Leimtränke« dienliche Leim ist Fischleim, von dem man 4 bis 5 Tropfen auf eine halbe Tasse lauwarmen Wassers nimmt und mit diesem gut vermischt. Die Flüssigkeit wird leicht, aber gleichmäßig aufgestrichen. (Der unter der Bezeichnung »colle liquide« in den Handel kommende flüssige Gummi ist für diesen Zweck durchaus unbrauchbar.)
Den zweiten und letzten Grund stellt man mit einer Mischung her, die zu ⅔ aus Eiweiß und zu ⅓ aus Essig, Lagerbier oder Apfelmost besteht. Die Mischung muß gut durchgequirlt werden. Um sie haltbarer zu machen, setzt man ihr einige Tropfen Ammoniak oder ein Stückchen Kampfer zu.
Wir unterscheiden in bezug auf die Behandlung harte und weiche Leder, erstere müssen rasch und heiß, letztere mäßig warm und langsam gedruckt werden; dabei steht das Gold besser. Dazu gehören alle Saffiane.
Im nachfolgenden geben wir eine Übersicht über die verschiedenen Ledersorten und Stoffe, die zu Buchdecken verwandt werden, und bemerken bei jedem einzelnen Material die Art der Behandlung, der es vor der Vergoldung zu unterwerfen ist.
1. Schafleder. Man unterscheidet lohgares und gekörntes oder anderweitig appretiertes Schafleder. Ersteres, gefärbt oder ungefärbt, wird mit Wasser ausgewaschen, mit Kleisterwasser bestrichen, erst mit Fischleim und nach dem Abtrocknen mit Eiweiß grundiert. Letzteres wird mit Essig oder Beize ausgewaschen und dann ohne vorherigen Leimgrund mit Eiweiß behandelt.
2. Bockleder wird mit Essig oder Beize ausgewaschen und mit Eiweiß grundiert. Grüne, braune und die helleren, sog. Modefarben drucken sich leicht und halten gut, was bei schwarzem Leder weniger der Fall zu sein pflegt.
3. Bastardleder gleicht dem Bockleder, ist aber, wie der Kunstausdruck lautet, »glänzend gestoßen«. Die hellen Farben sind meist nicht waschecht. Dem Abfärben wird einigermaßen dadurch[124] vorgebeugt, daß man dem Leder erst einen Leimgrund und danach doppelten Eiweißgrund gibt.
4. Saffian (Maroquin [franz.] oder Levant Marocco [engl.]), d. h. genarbtes Ziegenleder, wird mit Wasser ausgewaschen und einfach mit Eiweiß grundiert. Nur in dem Falle, wo das Korn niedergeglättet worden ist, wird zweimal grundiert und bei sehr reichen Vergoldungen vorher ein Leimgrund aufgestrichen.
5. Schweinsleder. Bei diesem genügt das Auswaschen mit Wasser und einfacher Eiweißgrund. Wenn, wie das bei Schweinslederbänden meist der Fall ist, Golddruck in Verbindung mit Blinddruck zur Anwendung kommt, so ist ein weiteres Auswaschen nicht mehr nötig. Die Goldverzierungen werden vorgedruckt und halten nach nur einmaliger Grundierung mit Eiweiß sehr gut.
6. Kalbleder. Farbiges Kalbleder wird mit Wasser, ungefärbtes, sog. weißes Kalbleder ebenfalls mit Wasser, in dem aber ein wenig Kleesalz oder Zitronensäure aufgelöst ist, ausgewaschen.
7. Pergament wird zweimal mit gesättigter Alaunlösung abgewaschen und muß danach völlig austrocknen. Nachdem dies geschehen ist, wird es zweimal mit reinem Eiweiß grundiert. Der Eiweißgrund muß dann mindestens eine Stunde lang trocknen. Der Alaun bewirkt eine Verseifung der im Pergament enthaltenen Leimteile und erhält die Oberfläche sauber.
8. Kaliko wird mit Eiweiß einmal grundiert.
9. Seide, Samt und andere Webstoffe werden mit Pulver gedruckt, wovon weiter unten die Rede sein wird.
Bei allen Lederbänden werden die zu vergoldenden Stellen zuerst blind vorgedruckt und dann mit Eiweiß ausgepinselt. Bei größeren, dicht mit Ornamenten zu bedruckenden Flächen bedient man sich statt des Pinsels eines Schwämmchens. Da das Eiweiß gern schäumt, so begegnet man diesem Übelstande dadurch, daß man mit dem Pinsel oder dem Schwämmchen vor dem Eintauchen leicht über das Kopfhaar streicht. Das Haar gibt einige wenige Fettteile ab, die genügen, um das Schäumen zu verhindern.
Da nicht alle Ledersorten von gleicher Art durchaus übereinstimmende chemische oder struktive Eigenschaften haben, so können die oben aufgestellten Regeln nur als allgemeine Erfahrungssätze gelten, von denen unter Umständen auch abgewichen werden muß. Nur Übung und praktische Erfahrung lassen den Vergolder in jedem einzelnen Falle das Richtige treffen.
Die Rückenvergoldung. Die Rücken von einfachen Bänden, welche glatt, d. h. ohne Bünde ins Leder gemacht sind, erhalten entweder eine Bundeinteilung (Fig. 72, 73 u. 74), oder einen sog. langen Rücken (Fig. 75, 76 u. 77), oder auch einen liegend gedachten Rücken mit einem langen Felde, das den Titel enthält oder ornamentiert wird. (Fig. 78 u. 79.)
Die nach Bünden eingeteilten Rücken haben entweder gleich große oder verschieden große Felder. In beiden Fällen wird zunächst für die Verzierung des Kopfendes, je nach der Größe des Buches, eine Breite von ½ bis 1½ cm, für die Verzierung des Schwanzendes eine solche von 1 bis 3 cm vorgesehen. Die Felder werden abgezirkelt und der Bundstrich an einem Streifchen Karton oder Pergament mit dem Falzbein genau rechtwinkelig zu der Falzkante gezogen. Dieser Vorzeichnung folgt man mit einer Linienfilete, die wiederholt aufgedruckt wird, bis der Strich blank erscheint. Der Band, der in eine Klotzpresse oder Einspannvorrichtung (vgl. S. 117) fest eingeklemmt ist, muß bei dieser Arbeit genau quer vor dem Arbeiter mit der Rückenfläche etwa in Brusthöhe stehen. Die Druckbewegung muß leicht mit dem Handgelenk ausgeübt werden, nicht mit dem vollen Gewicht des Armes. Die Geschicklichkeit, mit der stark gewölbten Filete eine genaue gerade Linie über den in umgekehrter Spannung gebogenen Rücken zu drucken, wird nicht in einem Tage erreicht, sondern erfordert eine längere Übung. Die Hauptsache ist, daß der Anfänger sich gewöhnt, das Ende der Linie beim Drucken im Auge zu behalten, nicht aber mit dem Auge der sich über den Rücken neigenden Linie zu folgen oder gar von der Seite unter die Filete zu sehen.
Gewöhnlich nimmt man drei Linien für jeden Bund an, von denen die mittlere, mindestens doppelt so stark als die anderen, blind gedruckt wird. (Vergl. Fig. 72.) Hat man eine dreifache Filete, so wird mit dieser der Bund blind gedruckt und danach die beiden feinen Linien mit der Filete in Gold gedruckt. Bei solchen einfachen Bänden wird gewöhnlich an Kopf und Schwanz nur eine doppelte oder mehrfache Linie als Abschluß angeordnet; besser sieht es natürlich aus, wenn ein Ornament mit freien Endigungen (Spitzen- oder Blattwerk) den Rücken an beiden Enden abschließt, wie auf Fig. 72 u. 73.
Die Fileten haben je nach der Art des Ornaments, das durch den Aufdruck hervorgebracht wird, verschiedene Bezeichnungen. Die Linienfilete (einfach, doppelt, dreifach und in verschiedenen Stärken) lernten wir bereits kennen. Die Punkt- oder Tippelfilete bildet eine punktierte Linie. (Fig. 80 bei a.)
Die Filete mit laufendem Muster gibt ein bandartiges Ornament, bei dem keine bestimmte Richtung oder nur die seitliche (Wellenbewegung) betont ist. (Fig. 80 bei b, c, e, f, g und h.) Für die Verzierung des Kopf- und Schwanzendes dient die Schluß- oder Endfilete mit nach unten, bez. nach oben gerichtetem Muster (Fig. 80 bei i und k). Eine besondere Art bilden dann noch die Bundfileten, welche zur Vergoldung erhabener Bünde und Kanten verwendet werden (wozu übrigens auch jedes laufende Muster zu gebrauchen ist), und sich aus einfachen Linien, die senkrecht oder[126] schräg, auch wohl mit punktierten Linien wechselnd, dicht nebeneinander angeordnet sind, zusammensetzen. (Fig. 80 bei d.)
Kehren wir zur Rückenvergoldung zurück, so ist zunächst noch zu bemerken, daß man die Titelfelder auch seitlich mit einer Linie begrenzen, sowie auch die Bundlinien verdoppeln, bez. eine punktierte oder schmale Zierlinie anbringen kann, wie es eben dem Geschmack[129] des Arbeiters oder dem Wunsche des Bestellers entspricht. Nachdem sämtliche Linien vorgedruckt sind, kommt die Reihe an den Titel. Die Titel und sonstigen schriftlichen Bezeichnungen werden aus Schriftsatz gebildet. Die Schriften, d. h. die einzelnen zum Drucken dienenden Buchstaben, sind entweder aus Schriftgut, wie die Buchdruckerlettern, oder in Messing gegossen. Messingschriften sind selbstverständlich vorzuziehen, weil das Metall härter ist und nicht Gefahr läuft zu schmelzen. Die Lettern werden zum Zweck des Druckens in den Schriftkasten gesetzt, der in Deutschland mit sog. Zentralstellung eingerichtet ist (Fig. 81), während die ältere Form, bei der die Schrift an einem Ende eingeschraubt wird, nur noch selten gebraucht wird. Vor dem Gebrauch wird jede Zeile mit einem weichen Läppchen abgerieben.
Die Größe und Art der Schriften, die man im einzelnen Falle verwendet, richtet sich natürlich nach der Größe des Feldes, das mit Titel, Bandzahl u. s. w. zu bedrucken ist. Am besten nehmen sich bei Verwendung lateinischer Schrift (Antiqua) die sog. Majuskeln oder Versalien, Anfangs- oder großen Buchstaben aus, weil sie, abgesehen von der klaren und deutlichen Form, oben wie unten eine gerade Linie bilden. Bei der gotischen Schrift (Fraktur), die nur noch im deutschen und dänischen Sprachgebiet gebräuchlich ist, sind Majuskeln wegen der krausen, schwer lesbaren Form nicht anwendbar. Hauptsache bei einem Titel ist immer, daß er deutlich erscheint. Deshalb sind auch allzu schlanke Lettern (wie in Fig. 77), ebenso solche, die mit Zierat überladen oder zu Mißformen umgestaltet sind, vom Übel.
Bei dieser Gelegenheit ist noch zu bemerken, daß Lesezeichen (Interpunktionen) bei Titeln mindestens überflüssig sind. (Auf Fig. 74 ist ein Punktum und auf Fig. 76 sind zwei Kommata versehentlich stehen geblieben.) Nur bei Abkürzungen, wie bei Fig. 74 REC., darf der Punkt nicht weggelassen werden. Ferner sei darauf aufmerksam gemacht, daß ein Rückentitel um so ruhiger und deshalb gefälliger aussieht, je weniger die darauf angebrachten Schriften in der Form der Buchstaben von einander abweichen. Zu empfehlen sind für den Druck auf Leder und Kaliko namentlich die Schriften mit gleichstarkem Zuge, also ohne scharf abstechende Haarstriche. (Vergl. Fig. 72 und dagegen Fig. 74, wo der Zusatz »Rec. Frey« einen anderen Schriftschnitt zeigt als der Haupttitel, übrigens auch zu groß gegen jenen erscheint). Bei der Wahl der Schriften hat[130] man noch zu berücksichtigen, daß Titelzeilen von gleicher und annähernd gleicher Länge sich nicht gut ausnehmen, namentlich nicht, wenn sie unmittelbar unter einander stehen. Man hilft sich in gegebenem Falle durch Sperren mit Durchschuß (zwischen die Lettern gesetzten Metallplättchen, auch Spatien genannt) oder durch schmalere, bez. fettere Schriften, nur muß man sich hüten, nicht die Hauptsache durch kleinere oder weniger fette Schrift zur Nebensache zu machen.
Selbstverständlich ist es unmöglich, hier die Regeln für geschmackvolle und verständige Anordnung von Titeln zu erschöpfen, da jeder einzelne Fall besondere Überlegung erfordert. Erst die Praxis schärft den Blick für das Richtige und Angemessene, und nur durch Sehen und Vergleichen gewinnt man die Reife des Urteils, die Schönheit mit Zweckmäßigkeit in vollen Einklang zu bringen weiß.
Jede eingesetzte Zeile wird mit dem Zirkel genau gemessen, das gefundene Maß auf ein schmales Papierstreifchen, und von diesem auf das Titelfeld übertragen. Sind mehrere Bände gleichen Titels vorhanden, so werden diese alle in gleicher Weise vorgezeichnet und blind vorgedruckt. Der Schriftkasten wird natürlich ebenso wie die Fileten vor dem Druck heiß gemacht. Bleischriften kann man natürlich nicht mit über das Feuer bringen, sondern muß sie in den angewärmten Schriftkasten nachträglich einsetzen.
Beim Drucken mit dem Schriftkasten wie mit den Fileten ist es notwendig, den Ansatz mit der Daumenspitze der linken Hand zu regeln. Indem das hintere Ende des Werkzeugs auf diese aufgesetzt wird, erhält es einen Stützpunkt, der das Auffinden des Ansatzpunktes erleichtert. Im übrigen sei auf die früheren Bemerkungen über den Blinddruck (S. 116) verwiesen.
Sobald der blinde Vordruck ganz ausgeführt ist, wird der Rücken ausgewaschen und erforderlichen Falles mit Leimtränke überfahren. (Bei Ledersorten, die Kleistergrund bedingen, muß dieser schon vor dem Blinddruck aufgestrichen sein.) Nachdem der Leimgrund trocken geworden ist, werden alle Vordruckstellen, welche vergoldet werden sollen, mit Eiweiß ausgepinselt, und zwar mit Vorsicht, damit nicht das Eiweiß über die Grenzen hinauskommt und hier graue Stellen hinterläßt.
Wo es sich um das Drucken einzelner Linien handelt, kann das Gold, das man vorher in der oben (S. 75) angegebenen Weise in kleine Streifchen, etwas breiter als die Filete, zerlegt hat, mit der Filete aufgefangen werden. Diese muß vorher mit Öl oder anderem Fett leicht überfahren sein. Indem man sie mit einem Ende beginnend, leicht aufsetzt und über den Streifen wegführt, hängt sich das Gold an und wird danach auf die zu bedruckende Stelle gebracht.
Über das Erwärmen der Druckwerkzeuge ist schon oben (S. 115) das Erforderliche gesagt worden. Es sei hier nur noch bemerkt,[131] daß man gut daran thut, bei jeder Ledersorte vorerst eine Probe für den Hitzegrad zu machen. Bei zu geringer Wärme hält das Gold nicht und löst sich ab, wenn man das Leder mit dem Goldlappen abwischt; bei zu großer Wärme läuft man Gefahr, das Leder zu verbrennen. Kalbleder verträgt eine etwas stärkere Erwärmung als andere Ledersorten, erfordert aber sehr raschen Druck.
Beim Vergolden des Titels wird auf das ganze Titelfeld Gold aufgetragen, nachdem man es mit einem Hauch Fett überfahren hat. Das Auftragen des Goldes geschieht in derselben Weise wie beim Goldschnitt (s. S. 75) mittelst eines Streifchens Papiers. Das aufgetragene Gold wird mit sauberer Watte leicht betupft, damit es sich an die Fläche anschmiegt. Durch das Gold hindurch wird dann der Vordruck sichtbar, der nun Zeile für Zeile nachzudrucken ist. Sobald der Druck einer Linie oder eines Titels ausgeführt ist, wischt man das überschüssige Gold mit einem weichen, wollenen Lappen, dem Goldlappen, ab; bleiben dabei noch kleine Teilchen hängen, so werden diese mit schwarzem Gummi abgerieben oder mit einem spitzen Hölzchen entfernt. Der Goldlappen wird nach längerer Benutzung verkauft; das darin haftende Gold ist nämlich nicht verloren, sondern kann durch Ausbrennen wiedergewonnen werden.
Die fertige Vergoldung soll blank und selbst unter der Lupe fehlerlos erscheinen. Solange dies nicht der Fall ist, genügt der Druck nicht und muß nachgedruckt werden.
Pergamentbände erfordern besonders sorgfältige Behandlung, da das Material sehr leicht Schmutz annimmt. Deshalb schlägt man, wenn man den Rücken vergolden will, einen breiten Streifen Papier der Länge nach um den Band, so daß nur der Rücken heraussieht. In ähnlicher Weise schützt man den einen Deckel, wenn man den anderen in Arbeit nimmt. Die Vergoldung wird wie beim Leder vorgedruckt, aber nicht mit Eiweiß ausgepinselt; das Gold wird mit reichlichem Öl aufgetragen. Die Rückenvergoldung geschieht in der Weise, daß die Bundlinien, nachdem die Einteilung mit dem Zirkel abgestochen ist, auf dem aufgetragenen Golde vorgezeichnet werden. Der Vorzeichnung gemäß spannt man einen dünnen Zwirnsfaden quer über den Rücken und zieht denselben einmal kurz hin und her. Das Titelfeld besteht stets aus einem aufgeklebten Stück farbigen Leders.
Dies Überkleben des Titelfeldes mit andersfarbigem Leder läßt sich natürlich auch bei allen anderen Ledersorten anwenden, und dient zur Belebung der eintönigen Rückenfläche, die dadurch ein gefälligeres Ansehen gewinnt. Man nimmt dazu ganz dünn ausgeschärftes Saffian- oder Bockleder, schneidet das Stück genau passend und klebt es mit Kleister auf. Die Titelfelder werden vor und nach dem Golddruck ausgeglättet.
Von den verschiedenen Einteilungsweisen des Rückens war schon[134] oben (S. 124) die Rede. Natürlich sind damit nicht alle Abweichungen erschöpft, sondern nur die hauptsächlichsten Schemata gegeben. Der sog. lange Rücken ist eine englische Bezeichnung und in England zumeist üblich. Fig. 76 und 77 geben zwei derartige Rücken, die mit Stempeldruckverzierungen versehen sind und in England als herabhängende Rücken bezeichnet werden. Fig. 75 ist ein filetierter Rücken, bei dem die Fläche zwischen Titel und Schwanz mit einer gemusterten Filete vollständig bedruckt ist. Flächen, die filetiert werden sollen, müssen vorher nach der Breite der Filete ausgemessen werden, damit man mit der letzteren genau auskommt; der ganze Rücken wird mit Eiweiß überfahren, mit Gold aufgetragen und nach dem Druck der Fileten und Titel abgewischt und ausgeputzt.
Die Stempel werden beim Aufdruck etwas anders gehandhabt als die Fileten. Ihre Oberfläche ist leicht nach der Mitte zu gewölbt, so daß beim Aufsetzen nicht die ganze Druckfläche das Leder berührt, die Hand aber im stande ist, nach jedem einzelnen Punkte der Gravierung hin einen kräftigen Druck auszuüben. Größere Stempel werden zunächst mit der Mitte senkrecht aufgesetzt und dann mit der Hand in kreisförmiger Bewegung, ohne von der Stelle zu rücken, zum Abdruck gebracht. Bei kleineren, einfacheren Stempeln genügt das einmalige Hin- und Herbewegen, um einen guten Abdruck zu erzielen. Daß die Stempelabdrücke durchaus gleichmäßig erscheinen müssen, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Um beim Aufsetzen der Stempel auf den Rücken genau Mitte zu halten, zeichnet man, soweit der Stempel reicht, eine Mittellinie vor, die als Anhalt dient. Seitliche Linien (einfache oder doppelte), wie sie bei Fig. 78 und 79 zur Einrahmung des ganzen Rückens angeordnet und bei Rücken ohne Bundeinteilung üblich sind, streicht man mit dem Falzbein vor und druckt in Gold mit der Rolle nach. Dazu ist es aber nötig, den Band entweder auf ein schräg stehendes Brett mit einer vorstehenden Leiste, ähnlich einem Lesepult, zu legen oder ihn in eine Klotzpresse (vgl. S. 117) zu setzen und diese schräg zu stellen.
Feine Halbfranz- und Ganzlederbände erhalten stets erhabene Bünde, die eigentlich an der Stelle sitzen sollten, wo sich auf dem inneren Rücken die Bünde befinden, indes oft ganz beliebig angeordnet werden. Titelfelder ebenso wie verzierte Felder pflegt man mit einer einfachen oder einer Doppellinie einzufassen, die mit kurzen Linienstücken, deren etwa 10 von verschiedener Länge einen Satz bilden, gedruckt werden (sog. Karreedruck). (Fig. 84–88.) Es empfiehlt sich nicht, das Gold mit den Linienstücken aufzunehmen, da die kleinen Stücke leicht erkalten, ehe man zum Drucken kommt.
Beim Karreedruck ist vor allem darauf zu achten, daß die Linien an den Ecken genau zusammentreffen und den Eindruck machen, als sei das Viereck mit einem Stempel gedruckt.
Felder, die ganz oder zum größeren Teile mit Zierat bedeckt werden sollen, also unter Verwendung von Eckstücken neben dem Mittelstück, grundiert man in der ganzen Fläche mit Eiweiß und trägt danach Gold auf, von dem der Überschuß, wie oben erwähnt, hinterher abgewischt wird.
Verwickelte Stempelzusammenstellungen erfordern einen vorausgehenden Entwurf, der auf dünnem aber festem Papier gemacht werden muß. Das Papierstück mit dem Entwurf wird auf das Feld aufgelegt und an den vier Ecken leicht mit Kleister angehängt. Zum Vordruck werden die mäßig gewärmten Stempel durch das Papier durchgedruckt. Ganz kleine Teile, die etwa noch hier und da anzusetzen sind, druckt man aber nicht mit vor, sondern richtet sich dabei nach dem Augenmaß.
Außer den geraden Linien bedarf der Vergolder auch der gebogenen. Für eine gut eingerichtete Werkstatt sind mehrere Bogensätze bis zu dreißig Nummern erforderlich, so daß man im stande ist, Kreise von 4–5 mm ebenso wohl wie solche von 8–10 cm Durchmesser zu drucken. Je größer die Bogenlinie ist, um so flacher ist die Krümmung, oder um so größer der Kreis, von dem sie einen Teil bildet. Der Bogendruck ist die schwierigste Arbeit des Vergolders, der es erst nach langer Übung zu vollkommener Sicherheit bringt. Da die einzelnen Bogenlinien nicht scharf aneinander gesetzt werden können, sondern ein allmähliches Übergehen von der einen in die andere erfolgen muß, so erfordert der Druck namentlich kleiner Bogen viel Geduld, insofern häufig Fehlstellen vorkommen, die wiederholtes Grundieren und Nachdrucken nötig machen.
Die Deckelvergoldung erstreckt sich bei reich ausgestatteten Lederbänden nicht nur auf die äußeren, sondern auch auf die inneren Seiten. Wir beginnen mit diesen, da sie bei der Arbeit ebenfalls den Anfang machen. Die Verzierung der Innenseite besteht stets aus einer Kante (Umrahmung), die entweder an allen vier Rändern hinläuft oder nur an den drei äußeren, während die innere Seite am Falz her durch das Vorsatz, einen Leder- oder Stofffalz gedeckt wird. Das umrahmte Feld, der Spiegel, kann auf die verschiedenste Weise, symmetrisch (Fig. 96–99) und unsymmetrisch (Fig. 95 und 100), voll (Fig. 100), oder mit einem frei in der Fläche stehenden Zierstück (Fig. 95 und 98), ornamentiert werden; nur ist darauf zu achten, daß die Kante ein dichteres und kräftigeres Muster zeigt als die Mitte. In ihr soll die Festigkeit des Rahmens gewissermaßen zum Ausdruck kommen, ähnlich wie dies bei der Verzierung von Zimmerdecken der Fall ist, wo die tiefere Färbung die Ränder gegen die lichter behandelte mittlere Fläche absetzt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die[137] Verzierungsweise der Innenseiten von derjenigen der Außenseiten, bei denen man Kante und Spiegel nicht so scharf hervorhebt, sondern auf eine allmähliche Überleitung vom Rande nach der Mitte zu Bedacht nimmt, sei es durch vermittelnde Linien, sei es durch Anordnung von Eckstücken, die das Mittelfeld zu einem Oval oder zu einer dem Oval sich nähernden Form gestalten. Der Grund für diese gegensätzliche Art der Ornamentierung liegt wohl nur in dem Reiz des Gegensatzes, nicht aber in dem Wesen der Sache.
Der Arbeit voraus geht wieder der Entwurf, der, wenn er nicht ganz einfacher Art ist, wie beim Rücken, zu Papier gebracht wird. Nachdem man die geraden Linien mit Bleistift gezogen hat, läßt man das zur Verzierung dienende Werkzeug, Fileten, Stempel, Rollen, über der Flamme einer Kerze anrußen und druckt damit die Verzierung auf das Papier. Dies Verfahren ist dem Druck mit Druckerschwärze vorzuziehen, da diese die feinen Gravierungen leicht vollschmiert und nicht so leicht zu entfernen ist wie Ruß.
Dem Entwurfe gemäß, mag er nun bloß im Kopfe oder auf dem Papier vorhanden sein, werden alle Linien mit einem Stellzirkel parallel mit der Kante vorgestrichen. Wo Doppel- oder Dreilinien in Frage kommen, wird stets nur die äußere vorgezeichnet. Nun werden alle Linienrollen genau mit Gehrungsansatz in den Ecken lau vorgedruckt, danach folgen die Punktlinien und Fileten,[138] zuletzt die Stempel. Gemusterte Rollen werden nicht vorgedruckt, da ein genaues Nachdrucken derselben kaum möglich ist.
Beim Vordrucken des Spiegels verfährt man ebenso wie beim Vordruck des Rückens, indem man, wo es nötig ist, eine Papiermuster benutzt und die Stempel hindurchdruckt.
Vor dem Vordrucken und nach dem Vergolden werden Kanten und Spiegel stets abgeglättet.
Bei breiten Kanten werden die Fälze aus dem zum Überzug ver[139]wendeten Leder gebildet, und wie die anderen drei Kanten vergoldet. Das Vergolden dieser hinteren Kanten erfordert eine Unterstützung des Deckels bis in den Falz hinein. Man bedient sich dazu eines mit Tuch bezogenen Unterlagsbrettes, das an einer Kante schräg ausgekehlt ist und sich mit der Kehlung hart bis an den Rücken heranschieben läßt. Unter allen Umständen liegt das Buch, um keinen Schaden zu leiden, beim Ver[140]golden auf einem mit weichem Tuch überspannten Brett oder Pappdeckel.
In Fig. 89 bis 94 geben wir sechs verschiedene Kantenvergoldungen und in Fig. 95 bis 100 sechs Entwürfe zu inneren Deckelvergoldungen, von denen sich Fig. 99 und Fig. 100 übrigens auch zur Verzierung der Außenseiten eignen.
Bevor die Vergoldung der äußeren Decke an die Reihe kommt, werden auch noch die sog. Stehkanten des Deckels, die schmalen[141] äußeren Ränder mit einer feinen Linie, einer Doppellinie oder einer Tippellinie bedruckt. Will man ein übriges thun, so bedruckt man die den Ecken zunächst liegenden Stellen auf 3 bis 4 cm Länge mit einer Bundfilete und die übrigen Teile mit einer glatten oder punktierten Linie.
Für den Druck des äußeren Deckels gelten bezüglich des Übertragens der Zeichnung, des Auswaschens und Grundierens dieselben Vorschriften wie für den Druck der Innenseiten, bez. des Rückens.
Außer und neben der Goldverzierung wendet man zum Schmuck der äußeren Decke auch die Farbe an, entweder in der Gestalt der sog. Ledermosaik oder durch Auftragen mit dem Pinsel.
Die Ledermosaik ist eine Musterung des Lederüberzugs mittelst anders gefärbter Lederstücke, die entweder eingelegt oder aufgelegt werden. Für eingelegte Arbeit nach Art der Holzintarsia eignet sich aber das Material sehr wenig, da sich keine scharfen Konturen herstellen lassen, wie sie zur Hervorhebung der Zeichnung erforder[143]lich sind. Dagegen lassen sich mit der Lederauflage reiche und gefällige, dem Stoff angemessene Wirkungen erzielen. Die Teile der Zeichnung — vorzugsweise sind es die bandartigen Ornamente, indes auch Blätter, Rosetten und kleinere, durch Bandverschlingungen gebildete Felder — welche, wie der Fachausdruck lautet, »ausgelegt« oder »unterlegt« werden sollen, müssen vorerst ausgeschnitten werden. Das dazu zu verwendende Leder wird zuvor in entsprechend großen Stücken so weit ausgeschärft, daß es nicht viel stärker ist als ein[144] Blatt Seidenpapier. Die Vorderseite wird danach auf kräftiges Schreibpapier oder Aktendeckel mit Kleister aufgeklebt und angepreßt. Auf das Papier wird nun die Form des aufzulegenden Stückes genau aufgezeichnet und danach mit einem scharfen, spitzen Messer ausgeschnitten.
Nachdem alle farbigen Lederteile auf diese Weise vorbereitet sind, wird die Zeichnung auf dem Leder vorgedruckt und diesem Vordruck gemäß Stück für Stück auf den Deckel aufgeklebt, natürlich mit der Fleischseite des Leders, so daß das aufgeklebte Papier oben aufliegt. Das Anschmieren wird dabei in der Weise bewerkstelligt, daß man die einzelnen Teilchen auf ein mit Kleister bestrichenes[145] Blech legt und gut andrückt; man hebt sie danach mit der Messerspitze ab und klebt sie an der Stelle, für die sie bestimmt sind, auf. Ist die ganze Klebearbeit besorgt, so wird ein Blatt Papier über den Deckel gelegt und der Band einige Zeit zwischen Blechen oder Platten eingepreßt. Die Pressung bewirkt, daß die aufgelegten Teile sich in Papierstärke in den Grund eindrucken. Der aus der Presse kommende Band wird nunmehr mit Wasser überfahren, um das Papier loszuweichen. Nachdem dies abgelöst worden ist, legt man abermals ein Blatt Papier, besser noch ein Blatt Staniol auf den Deckel und preßt den Band von neuem ein. Vollendet wird die Arbeit zuletzt durch das Konturieren der eingelegten Teile mit Goldlinien. Der Kontur darf dabei die Auflage nur so weit treffen, daß sie gewissermaßen angeklemmt und die Verbindungsstelle zwischen Grund und Auflage gedeckt wird.
Die beigefügten Abbildungen Fig. 101 bis 104 geben einige Muster von Buchdecken mit Lederauflage und dienen der obigen Darlegung zur Erläuterung.
Eine ähnliche Verbindung von Farbe und Gold läßt sich auch, wie schon bemerkt, durch das Bemalen einzelner Teile der Zeichnung erzielen, ein Verfahren, das schon im 16. Jahrhundert geübt wurde. Man benutzt dazu nur Deckfarben, die mit Lack angerieben sind, auch wohl Ölfarben, die freilich den Fehler haben, daß sie nur[148] langsam trocknen. Durch Beimischung von Sikkativ kann man dem Übelstande etwas abhelfen. Im vorigen Jahrhundert und auch noch im gegenwärtigen hat man namentlich gern Pergamentdecken mit gemalten Verzierungen versehen und in der That ist Pergament wohl der am meisten für die farbige Behandlung geeignete Deckelüberzug. Nach dem Vergolden werden die Deckel mit einem mäßig warmen Glättkolben abgeglättet, und der Band dann zwischen Blechen oder Platten, um welche vorher ein Staniolblatt zu schlagen ist, in die Presse gebracht. Nach dem Auspressen wird die ganze Decke mit einem Flanellläppchen und einigen Tropfen gutem Lack recht gleichmäßig überfahren. Bände mit Bemalung müssen vor dieser Arbeit eingepreßt werden.
Eine verhältnismäßig einfache Art, eine Decke mit Linienornamenten in Gold zu verzieren, ist die Stiftvergoldung, die besonders in solchen Fällen gute Verwendung findet, wo rasch und ohne große Kosten eine Vergoldung in reicherer Zeichnung ausgeführt werden soll. Man kann die Stiftvergoldung nur auf glattem oder geglättetem Leder anwenden, das wie bei der Handvergoldung ausgewaschen, grundiert und mit Gold aufgetragen wird. Das Verfahren erfordert eine Vorzeichnung auf Pauspapier, welches über dem aufgetragenen Golde unverrückbar aufgespannt wird. Die gepausten Linien werden dann mit einem Messingstifte (Punktstifte) nachgefahren, der etwas heißer sein muß als bei der Handvergoldung, da das zwischenliegende Papier etwas von der Hitze wegnimmt. Nachdem die Arbeit beendet ist, nimmt man das Papier fort, wischt das Gold herunter und glättet die Fläche ab.
Die Vergoldung der Decke erfordert mitunter die Zuhilfenahme der Presse. Abgesehen von umfangreichen, die ganze Deckenfläche einnehmenden Platten, die nur mit der Presse gedruckt werden können, ist die Anwendung derselben auch bei größeren Mittel- und Eckstücken sowie bei Inschriften erforderlich. Der Pressendruck war schon im 16. Jahrhundert in Übung, und zwar für Blinddruck. Man kannte auch damals schon Vollplatten zum Bedrucken der ganzen Buchfläche. Die Platten sind meist auf beiden Seiten graviert; bei Eckstücken, die so behandelt sind, vereinigte man auf diese Weise das rechts- und das linksseitige Stück in einer Platte. Jede Plattenverzierung wurde einzeln gedruckt, nicht, wie in unserer Zeit, alle Teile, die die Deckenverzierung bilden, gleichzeitig mit einem Druck. Die Presse, die zum Drucken diente, war die sog. Stockpresse. Mit der Einbürgerung der Handvergoldung kam der Pressendruck mehr und mehr außer Gebrauch und beschränkte sich[149] im 17. und 18. Jahrhundert fast ausnahmslos auf die die Mitte einnehmenden Wappen oder Bibliothekszeichen.
In der heutigen Buchbinderei ist die Vergolderpresse eine für den Großbetrieb unumgängliche Maschine, die aber nicht bloß zum Golddruck, sondern auch zum Aufdruck von Farben dient, deren bis zu zwölf und mehr hintereinander gedruckt werden, um buntfarbige Bilder, figürliche wie landschaftliche, auf die Kalikodecke zu bringen. Es wird dem Buchdeckel damit eine Verzierung aufgenötigt, die seiner Natur und der Natur des ihn überziehenden spröden Stoffes wenig entspricht. Da aber über den Geschmack sich streiten läßt, würde es vergeblich sein, gegen diese Verirrung desselben sich aufzulehnen. Unsere Abbildung (Fig. 105) gibt die jetzt allgemein übliche Gestalt der Presse wieder. Der Druck wird von unten her mittelst eines Hebels ausgeübt. Der Kopf der Maschine ist unbeweglich; er hat unten eine glatte Fläche, den sog. Tiegel, mit drei Heizröhren darunter, die zur Aufnahme glühender Bolzen dienen. Diese geben die Hitze an die Druckplatte ab, die mit der Rückseite an den Tiegel befestigt wird. Zu dem Ende leimt man, da Metall auf Metall nicht festklebt, ein kräftiges Stück Papier auf die Druckplatte und diese mit dem Papier an den Tiegel an. Besteht die Verzierung aus einzelnen Stücken, so werden diese in der entsprechenden Zusammenstellung aufgeleimt. Unter dem Tiegel und von diesem durch einen Zwischenraum getrennt befindet sich der sog. Schlitten, eine Platte, die vorgezogen werden kann und zum Auflager für die zu pressende Decke dient. Beim Niederdrücken des Schwengels wird der Schlitten gegen den Tiegel gedrückt und auf diese Weise die Pressung bewirkt.
In der Regel kommt eine und dieselbe Decke mehrere Male in die Presse, zumal bei vielfarbiger Zeichnung. Um nun ohne weiteres jedes folgende Mal die Decke genau in dieselbe Lage zu bringen, wie die beim ersten Druck, ist eine Punktur erforderlich. Man schafft dieselbe mit Hülfe von zwei Reißzwecken mit nicht zu kurzem Stift, die man auf dem Schlitten festklebt. Die Decke selbst wird nach einer aufgelegten Schablone mit zwei Punktierlöchern versehen, die der Stellung der beiden Stifte genau entsprechen. Bei jedem neuen Druck wird die Decke mit den Punktierlöchern auf die Stifte gebracht, so daß genau Druck auf Druck paßt. Für Blinddrucke und Pressungen, die nur einen Druck erfordern, bedient man sich zur Anlage eines angeschraubten Metall- oder angeklebten Pappwinkels; besser noch sind die Klötzchen, die auf den Schlitten aufgeleimt werden, zwei für die seitliche Führung und eins hinten zum Anstoßen.
Für jede Art der Pressung: Blinddruck, Golddruck, Farbendruck, ist je eine Platte notwendig. Bei mehrfarbigem Druck erfordert jede Farbe ihre Platte, ganz wie beim lithographischen Farbendruck. Bei[150] sehr dichter Zeichnung, die vom Grunde des Überzugs nichts oder wenig mehr sehen läßt, wird die Fläche vorweg mit einer Platte ohne Gravierung glatt gepreßt.
Kommt Gold- und Farbendruck zusammen auf einer Decke zur Anwendung, so wird erst das Gold, dann die Farbe gedruckt. Die[151] Farben werden kalt gedruckt, beim Golddruck wird der Tiegel in der schon oben erwähnten Weise heiß gemacht. Statt der Bolzen kann man auch Gas oder überhitzten Dampf zu diesem Zwecke benutzen.
Die Grundierung der Decke ist bei der Preßvergoldung wesentlich einfacher als bei der Handvergoldung. Sowohl für Kaliko wie für Leder überfährt man die ganze Fläche mit verdünntem Eiweiß (halb Eiweiß, halb Essig oder Lagerbier); nur bei feinen Lederbänden werden die zu vergoldenden Stellen ausgepinselt. Das Gold wird mit Öl aufgetragen.
Kaliko erfordert einen schärferen Druck als Leder; die Hebelpresse wird demgemäß mit einer daran befindlichen Vorrichtung schärfer eingestellt, ebenso verlangt Kaliko einen größeren Hitzegrad als Leder.
Samt, der freilich nur noch selten vergoldet wird, muß vorerst sehr heiß vorgedruckt werden, damit die Haare wie niedergebrannt erscheinen; dann wird mit der abgekühlten Presse das Gold aufgedruckt. Als Grundiermittel dient Vergoldepulver, das aus zwei Teilen Kopal und einem Teil Dammarharz oder aus ostindischem Kopal und weißem Schellack zu gleichen Teilen — alles fein pulverisiert — besteht. Das Pulver wird mit einer Büchse aufgestäubt, die an Stelle des Bodens mit dünnem Webstoff (Gaze) überspannt ist. Wenn Samt mit der Hand vergoldet werden soll, wird das Gold mit den Stempeln, Fileten etc. aufgenommen; der Hitzegrad darf etwas höher sein, als bei der Eiweißvergoldung; es muß aber etwas langsamer gedruckt werden. Statt mit Pulver kann man auch mit Eiweiß grundieren, doch muß in diesem Falle der Vordruck erst mit gewöhnlichem Lack ausgepinselt werden und ganz trocken geworden sein, ehe man mit Eiweiß nachpinselt. Beim Pressendruck wird die oben ausziehbare Platte des Pressenkopfes mit der angeklebten Druckplatte über Gas oder Spiritus stark erwärmt. Während des Erwärmens wird Gold auf die Platte aufgetragen, dann die Ausziehplatte wieder in die Presse geschoben, die eingestäubte Decke auf den Schlitten aufgenadelt, dieser ebenfalls eingeschoben und nun die Presse zugedrückt. Die Decke wird nicht eher aus der Presse genommen, bis die Platte völlig erkaltet ist. Gewöhnlich bringt man auf den ersten Goldauftrag sofort einen zweiten aus Blattmetall (unechtes Gold), das dann beim Druck unter dem ersten Golde liegt. Auf diese Weise wird der Glanz der Vergoldung wesentlich erhöht.
Bei der Verzierung der Lederdecke spielt auch die Farbe derselben eine Rolle, zumal wenn das Ornament selbst farbig behandelt wird. Heutzutage ist das Leder in den verschiedensten Farben käuflich, ebenso wie der Kaliko. In früheren Zeiten färbte der Buchbinder das Leder (Kalb- oder Schafleder) selbst, das er in lohgarem[152] Zustande vom Händler bezog. Außer der einfachen Färbung gab man dem Leder auch wohl ein buntes Aussehen durch Marmorierung. Sämtliche Farben: Schwarz, Braun in verschiedenen Tönen, Rot, seltener Blau und Violett, wurden durch Beizen hervorgebracht. Für Schwarz diente Eisenschwärze, auch Eisenfeile, die man längere Zeit in Bier stehen ließ und darin kochte, für Braun Pottaschenwasser oder eine leichte Lösung von Ätzkali oder Ätznatron, für Rot ein Auszug aus Fernambukholz oder Alkannawurzel, mit Kochenille zusammengekocht; durch einen Zusatz von Zinnsalzlösung erhielt die Farbe ein lebhafteres Aussehen. Zur Blaufärbung nahm man Blauholz oder Indigokarmin. Die Beize wurde auf das ausgespannte Fell, nachdem es ausgewaschen, gekleistert und wieder getrocknet war, mit einem Schwamme oder Hasenfuß aufgetragen. Das Marmorieren wurde durch Aufsprengen von Beizen und Farben mittelst eines kleinen Reiswurzelbesens bewerkstelligt. Zuerst wurden die Farben auf das dunkel gefärbte Leder aufgesprengt, dann die zur Entfärbung einzelner Stellen dienenden stark verdünnten Beizen, aus Scheidewasser, Salz- oder Zitronensäure bestehend. Das Durcheinanderlaufen der Farben wurde auch dadurch bewirkt, daß das beim Aufsprengen flach liegende Fell hinterher nach einer Seite geneigt wurde, so daß die verschiedenen Flüssigkeiten in kleinen Rinnsalen ab- und zusammenliefen. Man erzielte dadurch eigentümlich abschattierte Adern; der Grund wurde vorher mit reinem Wasser oder einer Galläpfelabkochung besprengt. Auch das bereits fertig mit Leder überzogene Buch verstand man auf diese Weise zu marmorieren; indem man die Deckel ein wenig nach innen bog, das Buch dabei schräg nach unten neigte, liefen die Adern nach der Mitte zu zusammen und es entstand der sog. Baummarmor.
Das Marmorieren des Leders ist jetzt fast nur noch in England üblich. Zur Vergoldung auf marmoriertem Grunde bedient man sich nur weniger Linien und Stempel von kräftigen Formen, da zierliches und reiches Ornament auf buntem Grunde nicht gut wirkt.
Andere Arten der Ledermarmorierung seien hier noch kurz angemerkt. Der Marmor mit rotem Grunde hieß Feuermarmor, eine durch Tupfen mit dem Schwamme hergestellte Art Schwammmarmor; Kalkmarmor wurde durch Aufsprengen von dünnem Kalkwasser statt reinen Wassers hergestellt.
Wie die ganze Decke marmorierte man auch wohl nur Teile derselben, indem man die übrige Fläche durch Überkleben zudeckte. Auch wurden mit der Reißfeder vollständige Liniaturen ausgeführt, zwischen denen sich Vergoldungen recht gut ausnahmen.
Nachträglich sind noch einige Bemerkungen über die Behandlung des Pergamentes (vergl. S. 124) und des Samts (vergl. S. 151) zu machen.
Pergament, gleichviel ob Schaf- oder Kalbspergament, wird vor dem Überziehen mit reinem Papier gefüttert (zum Aufkleben ist Kleister zu verwenden) und zum Trocknen zwischen Pappen gelegt. Der so vorbereitete Überzug wird auf den Buchkörper aufgepaßt und an der Stelle, wohin die Fälze kommen, ein Bruch und in Falzbreite daneben, nach der Deckelseite zu, ein zweiter Bruch gemacht, ähnlich wie dies bei dem sog. gebrochenen Rücken (vergl. S. 92) zu geschehen pflegt. Das so vorbereitete Pergament wird dann mit Leim angeschmiert und über den Band gezogen.
Samt kann man auf zweierlei Weise verarbeiten. Entweder wird der Pappdeckel mit Leim angeschmiert, der Samt darüber gezogen und der Einschlag besonders mit Leim angeschmiert, oder der zugeschnittene Samt wird mit nicht zu dünnem Kleister angeschmiert und in gewöhnlicher Weise behandelt. Die Behandlung des Buchkörpers ist die gleiche wie beim Halbfranzbande. Samtbände nehmen sich stets am besten aus, wenn sie, sofern nicht Stickerei in Frage kommt, nur durch silbernes oder vergoldetes Beschläge verziert werden.
Schon bei einer früheren Gelegenheit (Seite 28) ist von der Behandlung alter Bücher die Rede gewesen, die mit einem neuen Einbande versehen und dabei womöglich in den Zustand versetzt werden sollen, in dem sie sich zur Zeit ihrer Entstehung befanden. Es wird nicht überflüssig sein, hier noch einige Bemerkungen über die Wiederherstellung, bez. Reinigung alter Einbände zu machen, da die Liebhaberei an alten Erzeugnissen des Kunstgewerbes immer mehr zunimmt und die Gemeinde der Sammler ebenso wie die Sammlungen täglich neuen Zuwachs erhalten.
Die Grundregel bei der Wiederherstellung beschädigter Einbände ist, daß man zu erhalten sucht, was eben noch zu erhalten ist. Es ist nicht gleichgültig, ob ein Stück des Einschlages einer alten Decke erhalten bleibt oder durch neues Leder ersetzt wird. Besonders wichtig ist es, etwaige sich vorfindende handschriftliche Bemerkungen zu erhalten, da sie mitunter Auskunft über die Geschichte des Bandes, seine Vorbesitzer u. s. w. geben. Wichtig ist auch die Bloßlegung der bei einer früher stattgefundenen Ausbesserung verklebten ersten Vorsätze, da sie häufig wertvolle alte Marmor- und Brokatpapiere zu Tage fördert.
Sind Bünde zu erneuern, so wählt man denselben Bundstoff, Leder, Pergament oder Schnur, der ursprünglich verwandt worden ist. Ist ein neuer Goldschnitt nicht zu umgehen, so wird dieser nach dem Trocknen nur unter Papier angeglättet; er erscheint dadurch alt. Alte Goldschnitte preßt man fest ein, bestreicht ein Stück weiches Leder mit einer erbsegroß Vaseline und reibt damit die Fläche einige Male recht fest ab. Aufgemalte Schnitte lassen sich erforderlichen Falles mit Aquarellfarben aufmuntern. Kapitale, die zu erneuern sind, werden mit Faden von blasser Färbung frisch umstochen.
Sind Fälze unter einer Decke zu ergänzen, so muß man die alten Decken ablösen; beim Wiederüberziehen sind die Bünde gut einzureiben, nach dem Einschlagen aber recht straff in den Rücken hereinzuziehen.
Bei Pergamentbänden müssen die Bünde durch den Falz gezogen werden, ebenso das verlängerte Kapital.
Überraschenden Erfolg hat häufig das Abwaschen der Deckenvergoldung. Laues Wasser und Schmierseife genügen in den meisten Fällen, um Jahrhunderte alten Schmutz zu entfernen. Die Ergänzung einzelner Fehlstellen in der Vergoldung bewirkt man am besten durch Einmalen von Muschelgold. Mit Rollen und Fileten erhält man ein zu blankes Gold, das man erst trüben muß, um es in Übereinstimmung mit der alten Vergoldung zu bringen.
Beschläge dürfen nur mit Sodawasser oder Seife ausgewaschen, nicht aber geputzt oder gar blank gebeizt werden. Sind die Knöpfe an den Ecken vom Gebrauch durchgerissen, so müssen sie unter Einlage eines abgepaßten und nachgetriebenen Stückchens Messing ausgelötet werden. Neu einzunietende Stifte läßt man vorher ausglühen, damit sie dunkel anlaufen.
Die erneuerten alten Decken mit Lack zu überstreichen, ist nicht ratsam, da der Glanz des Lackes unangenehm ins Auge fällt. Am besten ist es, die Fläche mit ein wenig Olivenöl einzufetten und mit einer Wachsbürste abzubürsten.
Im Verlaufe unserer Darstellung der Technik des Bucheinbandes haben wir bereits hin und wieder auf die geschichtliche Entwickelung derselben hingewiesen und auch die künstlerische Seite unseres Gegenstandes dabei berührt. Im nachfolgenden werden wir der letzteren ausschließlich unser Augenmerk zuwenden und der Geschichte des Geschmackes nachgehen, wie er sich zu verschiedenen Zeiten und bei den zumeist in Betracht kommenden Völkern in Bezug auf den Schmuck des Einbandes entwickelt hat. Wiederholungen werden dabei nicht ganz zu vermeiden sein, da der Zierat bei jedem Gebrauchsgegenstande abhängig ist von dem Material, aus dem dieser hergestellt, und von dem Zweck, zu dem er gebraucht wird.
Die Quellen, aus denen die Geschichte des Bucheinbandes zu schöpfen ist, sind leider nicht sehr ergiebig, und man ist häufig auf das Gebiet der Mutmaßung verwiesen, um für diese oder jene Erscheinung eine angemessene Erklärung zu finden. Dagegen sind uns eine große Anzahl Namen von Buchbindern, hauptsächlich deutschen, überliefert worden, da diese häufig das Werk ihrer Hände mit vollem Namen gekennzeichnet haben, und zwar sowohl im ausgehenden Mittelalter als auch zur Zeit der Renaissance. Diese Thatsache ist um so merkwürdiger, als wir bei den dem 16. Jahrhundert angehörigen Einbänden italienischen und französischen Ursprungs, die heutzutage die Augenlust der Sammler und Kenner sind, den nach Majoli, Grolier und anderen Bibliophilen benannten Bänden fast niemals auf den Namen des Binders stoßen.
Auch über die Lebensverhältnisse und die Werkstatteinrichtungen einzelner deutscher Buchbinder sind wir dank der archivalischen Forschungen Steches, Kirchhofs u. a. unterrichtet. So über den Leipziger Buchbinder Christoph Birck, der 1578 starb, über Jakob Krauße, den der Kurfürst August an seinen Hof berief, über Jörg Bernhard aus Görlitz, der 1550 in die Dienste des Pfalzgrafen Otto Heinrich, des kunstsinnigen Erbauers des Heidel[160]berger Schlosses, trat und im Dienste seines hohen Herrn nicht bloß für Einbände, sondern auch für die Hausverwaltung, für Vögel, Pferde und Kellerei zu sorgen hatte. So ließen sich noch viele Namen nennen, ohne daß sie viel mehr als Namen böten; auf einige mit bestimmten, noch vorhandenen Bänden in Beziehung stehende Meister werden wir später zurückkommen.
Aus den häufig vorkommenden Berufungen von Buchbindern an Fürstenhöfe, wo sie als »Hofhandwerker« nebenbei auch wohl noch mit anderen, außerhalb ihrer Berufsthätigkeit liegenden Diensten betraut wurden, läßt sich schließen, daß ihre bürgerliche Stellung im 15. und 16. Jahrhundert in gewissem Sinne eine bevorzugte war. Es läßt sich dies leicht aus dem Verhältnis erklären, in welchem die Buchbinder ursprünglich zur Kirche und zu der gelehrten Welt standen. Buchschreiber, Buchmaler und Buchbinder waren in den Klöstern oft eine und dieselbe Person. Dies läßt sich mit einzelnen urkundlich nachgewiesenen Beispielen belegen. Mit der Erfindung Gutenbergs tritt darin zwar eine Änderung ein, aber der Bucheinband blieb auch dann noch lange Zeit Mönchsarbeit und einzelne Mönchsorden, wie z. B. die »Brüder vom gemeinsamen Leben«, befaßten sich ebensowohl mit dem Einbinden wie mit dem Druck, also mit der vollständigen Herstellung von Büchern.
In dieser Hinsicht folgten ihnen die großen Drucker des 16. Jahrhunderts, die zugleich Verleger waren, wie die Koberger in Nürnberg, die Aldus in Venedig, die Elzevier in Leiden, die Stephanus in Paris u. s. w.; sie brachten ihre Ware gebunden auf den Markt und trafen daher auch die zur Herstellung der Einbände erforderlichen Einrichtungen.
Immerhin wurde die Buchbinderei auch unabhängig von dem Buchhandel betrieben. Sie blieb lange Zeit wie der Buchdruck ein vornehmes Gewerbe. Nicht selten erscheinen die Buchbinder als Schutzverwandte der Universitäten und suchen sich, gestützt auf dieses Verhältnis, auch wohl den strengen Vorschriften der Zunftordnungen zu entziehen.
Die Geschichte des äußeren Bücherschmuckes hängt im Grunde genommen eng zusammen mit der Geschichte der Goldschmiedekunst und der Stempelschneiderei (Gravierkunst), welch letztere anfänglich auch von Goldschmieden ausgeübt wurde. Die ornamentalen Erfindungen, die Zeichnung für den Stempel oder die Prägeplatte sind wohl nur ausnahmsweise auf Rechnung eigentlicher Buchbinder zu stellen, ja die Verzierung der Lederbände selbst lag ursprünglich in der Hand von Goldschmieden und ist erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts zur Buchbinderarbeit geworden.
Es ist schwer, die Geschichte der Buchdecke in bestimmte Perioden zu fassen, noch schwerer, sie innerhalb derselben nach nationalen Rücksichten zu gliedern. Ein in der Natur der Sache[161] liegender tiefer Einschnitt in dem Entwickelungsgange des Bucheinbandes, sollte man meinen, müßte sich aus der Erfindung des Buchdruckes oder, besser gesagt, des Druckes mit beweglichen Typen ergeben. Und doch ist ein solcher nicht in auffälliger Weise wahrnehmbar. Das handschriftliche Buch, das als Handelsware auf den Märkten und Messen schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts käuflich war, unterschied sich weder in der technischen Behandlung der Bindung noch in seinem äußeren Gewande von den sog. Wiegendrucken. Wohl aber unterschied es sich mit seinem schlichten Leder- oder Pergamentüberzuge von den lediglich zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten, aufs kostbarste ausgestatteten sog. Mönchsbänden[2] mit ihrer metallenen, emaillierten und von edlen Steinen durchsetzten Plattierung. Dieser Mönchsband verschwindet aber keineswegs mit dem Ausgange des Mittelalters, er behält lange noch seine Bedeutung als kirchliches Inventarstück ganz in derselben Weise wie die übrigen Altargerätschaften.
Die Geschichte des bürgerlichen Einbandes hat einen deutlichen Markstein in dem Auftreten der vergoldeten Lederdecke, des sog. Renaissancebandes, der, persisch-maurischen Ursprungs, von Italien her den übrigen europäischen Kulturvölkern übermittelt wurde. Aber diese rasch um sich greifende Neuerung räumte keineswegs mit der alten Gewohnheit auf, und die blindgepreßte Decke wich nur Schritt für Schritt, in Deutschland erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, dem Andrange des glänzenden Nebenbuhlers.
Diese eigentümlichen Umstände schließen eine streng historische Betrachtung der Buchdecke aus und machen es notwendig, jede Einbandgattung zunächst für sich ins Auge zu fassen und in ihrer ornamentalen Entwickelung zu verfolgen. Die Zierformen selbst wechseln, ändern und vermehren sich, sie zeigen nur ausnahmsweise einen nationalen Zug, der sich dann meistens rasch verallgemeinert d. h. Mode wird, sie behaupten auch oft auf Jahrzehnte hinaus ihren Platz der stilistischen Bewegung zum Trotz, die, von der Architektur ausgehend, zu allen Zeiten bald schneller, bald langsamer auf das Gebiet der Kleinkünste hinüberzugreifen pflegt.
Schon auf den ersten Seiten dieses Buches ist der historischen Entwickelung des Einbandes im allgemeinen gedacht. Das Vorbild für den Schmuck der hölzernen Deckel der für den kirchlichen Gebrauch bestimmten Handschriften lieferten die römischen Schreibtafeln, Diptychen oder Pugillarien genannt, deren Außenseite mit erhabenem Elfenbein-Schnitzwerk verziert zu sein pflegte. Da es indes schwierig war, die große Fläche der Ritualbücher ganz mit dergleichen Zierat zu bedecken, so brachte man die Schnitzerei gewöhnlich nur auf der Mitte der Decke an und gab ihr eine mehr oder minder kostbare Umrahmung aus Gold- und Silberplättchen, Filigran, Bergkristallen und Edelsteinen. Indes wurden auch zur Umrahmung Elfenbeinplatten mit kleinerem Schnitzwerk verwendet. Die einzelnen Stücke dieses Schmuckwerks wurden unmittelbar auf dem Holz — meist Buchenholz — mit Nägeln befestigt, die Kristalle und edlen Steine vorzugsweise in den Ecken angebracht, wo sie, wie später die Knöpfe der Eckbeschläge, zum Auflager für das aufgeschlagene Buch dienten.
Die Schauseite der liturgischen Bücher, die schon ihrer Größe und Schwere wegen ihren festen Platz auf dem Lesepulte oder dem Altar, an dem sie nicht selten angekettet waren, unveränderlich behielten, wurden natürlicherweise am reichsten mit Juwelen- und Goldschmuck ausgestattet, während die Rückseite eine einfachere Ausstattung erhielt. Das geschriebene Buch selbst galt als eine große Kostbarkeit, zumal wenn es mit Miniaturen ausgemalt war, und demgemäß stattete man auch die zu seinem Schutze dienende Decke mit dem kostbarsten Schmuckwerk aus. Meistens waren diese Prachtwerke des[163] Mittelalters Geschenke, die von fürstlichen Personen herrührten, wie das berühmte Evangeliar aus St. Emmeran in Regensburg (jetzt in der königl. Bibliothek zu München), das vom Kaiser Arnulf dem genannten Kloster geschenkt wurde und unter Otto II. seinen jetzigen, mit Smaragden und Perlen besetzten Einband erhielt. Ein Geschenk von Otto III. und seiner Mutter, der griechischen Prinzessin Theophano, an das Kloster Echternach war vermutlich das jetzt im Museum zu[164] Gotha befindliche Evangeliar, das wegen der diagonalen Teilung der mittleren Fläche, der wir später auf Lederbänden so häufig begegnen, von besonderem Interesse ist. Aus dem 11. Jahrhundert (zwischen 1039–54) stammt der in Abbildung wiedergegebene Deckel (Fig. 106) eines Evangelienbuches im Münster zu Essen mit einem sehr reichen Schnitzwerk, das von einem getriebenen Goldblechrahmen umgeben ist, dessen Gehrungsfugen mit Edelsteinen besetzt sind.
Mit dem 12. Jahrhundert beginnt der übertriebene Luxus, der diese kirchlichen Einbände auszeichnete, allmählich nachzulassen. Es hängt diese Erscheinung zum Teil wohl mit dem Umstande zusammen, daß die mittelalterliche Kultur den kirchlichen Charakter nach und nach abstreift oder doch mehr und mehr mit weltlichen Gedanken und rein menschlicher Empfindungsweise erfüllt wird. Erst sind es die höfischen Kreise, der Adel, dem sich mit den Minnesängern eine neue Gedankenwelt aufschließt; später ist es das in den aufblühenden Städten erstarkte Bürgertum, das dem gesamten Geistesleben der Nation einen höheren Aufschwung gibt. Die Bücher mehren sich unter der Hand berufsmäßiger Abschreiber gleichzeitig mit der Zahl derer, die lesen und schreiben lernen und bei denen sich naturgemäß ein gewisses litterarisches Bedürfnis herausbildet. Immerhin behalten die Einbände der liturgischen Bücher im wesentlichen ihr altes Gepräge, nur verschwindet allmählich das elfenbeinerne Mittelstück und wird durch eine getriebene Platte ersetzt, während die Edelsteine gleichzeitig auf kleine Stücke zusammenschrumpfen oder ganz fortfallen. In Fig. 107 geben wir einen derartigen Deckel aus dem 12. und in Fig. 108 einen solchen aus dem 14. Jahrhundert. Ärmlicher schon erscheinen die Decken, bei denen das Mittelfeld aus einem gemalten Bildchen besteht, das dann mit einer dünnen Horntafel überdeckt zu sein pflegt, die es gegen Beschädigung schützt.
Mit dem 14. Jahrhundert wird das Buch, die Abschrift, bereits vorhandener und neu entstehender Werke, immer mehr zur Ware, zum Handelsartikel, und demgemäß muß auch der Einband auf einfachere und billige Weise hergestellt werden, wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, daß die kirchlichen Zwecken dienenden Evangeliarien und Sakramentarien nach wie vor mehr Metall- als Lederarbeit erfordern. Ganze in Silber getriebene Buchdeckelbekleidungen kommen noch im 16. Jahrhundert vor, ja im 17. Jahrhundert erwacht von neuem der Geschmack an der Belegung des Deckels mit Metallplatten, die sich von der einfachsten Messinggravierung bis zu den kostbarsten Ziselierungen von silbernen und vergoldeten Platten erheben. Eine der prachtvollsten Arbeiten dieser Art, die der Warburger Goldschmied Eisenhoit für den Fürstbischof von Paderborn, Theodor v. Fürstenberg, zu einem Evangeliarium fertigte, ist in Fig. 109 wiedergegeben. In der Regel beschränkt sich seit dem 15. Jahrhundert der Metallbeschlag auf den Schutz der Ecken, auf ein rosettenförmiges oder als Medaillon gestaltetes Mittelstück und auf die Schließen (Klausuren), die dazu dienten, die beiden Deckel über den Vorderschnitt zusammenzuhalten (Fig. 111). Die Schließen, als Spangen von[167] Metall, häufiger in Form von Lederriemchen, kommen erst im 13. Jahrhundert auf. Mit ihrem Haftblech sind sie meist an dem untern Deckel befestigt und greifen mit einer Krampe oder Öse in den Beschlag an der oberen Deckelkante ein. Der Eckbeschlag ist in der Regel mit einem Knopf oder mit Buckeln versehen, die die Decke vor der Berührung mit der Tischfläche schützen, wenn das Buch aufgeschlagen wird. Es schiebt sich während der gotischen Stilperiode im spitzen Winkel nach der Mitte zu mit einem Dreiblattornament vor, wie aus Fig. 112, S. 171 zu ersehen ist. Der Beschlag bildet insbesondere, wenn er[168] in kunstvoller Silberarbeit ausgeführt ist, auch in der Zeit der Renaissance oft den ganzen Zierat der sonst schlicht mit Leder oder Samt bezogenen Decke. Unsere Abbildung Fig. 110 zeigt einen solchen Prachtbeschlag von dem Nürnberger Goldschmiede Hans[169] Kellner, bei welchem geflügelte Engelköpfe den Dienst der oben erwähnten Knöpfe oder Buckel versehen und der Eckbeschlag mehr im Sinne eines Schmuckstücks als einer Schutzvorrichtung erscheint.
Mit Erwähnung dieser Erzeugnisse der Renaissancezeit sind wir bereits weit über die Grenzen des Mittelalters hinausgegangen. Indes schien es uns der Sache angemessen, den mittelalterlichen Prachtband, an dem der Goldschmied das Beste gethan, hier gleich in seinen Ausläufern zu verfolgen, ehe wir uns zur Betrachtung des bürgerlichen Ledereinbandes anschicken.
Zweierlei Gattungen von schlichten bürgerlichen Einbänden kannte das 14. und 15. Jahrhundert in Deutschland und seinen Grenzländern. Die eine vornehmere Gattung, bei der die Lederdecke mit einer Ritzarbeit geschmückt ist, lernten wir bereits bei einer früheren Gelegenheit kennen (S. 110). Die andere, viel zahlreichere Gattung, den blindgepreßten Einband, haben wir an dieser Stelle einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Beide Behandlungsweisen der Lederdecke kommen übrigens auch vereint vor, wie z. B. auf der in Fig. 112 abgebildeten Vorderdecke eines Schwabenspiegels, dessen Mittelfeld geritzte Figuren von phantastisch gestalteten Vögeln in einem S-förmig gewundenen Rankenwerk zeigt, während der äußere wie der innere Rand mit Stempeln in blinder Pressung bedruckt ist. Die Ornamentierung dieser Decke ist besonders charakteristisch für den Geschmack des ausgehenden Mittelalters, der spätgotischen Periode. Der für die äußere Ränderung benutzte Stempel zeigt eine in ein Dreiblatt ausgehende Zacke, die an gotische Giebelblumen oder an gotisches Eisenwerk erinnert. Der innere Rahmen ist durch eine mannigfaltigere Musterung ausgezeichnet. Die seitlichen Schenkel zeigen ein mit der Spitze seitwärts gewandtes blattförmiges Ornament, das die Gestalt eines Vogels (Schwans?) einschließt, während die horizontalen Schenkel je vier auf die Spitze gestellte Quadrate aufweisen, deren Füllung eine Rosette (wiederum mit dem Dreiblatt-Motiv) bildet. Die durch Überschneidung der Einfassungslinien entstandenen vier Eckfelder des inneren Rahmens sind mit einem kreisrunden Stempel bedruckt, dessen Bild das Lamm Gottes mit der Siegesfahne darstellt. Das Beschläge fehlt; die Schließen sind demgemäß von Leder.
Den Grundformen der hier durch Aneinanderreihung zur Randverzierung dienenden kleinen Stempel begegnen wir auf allen gotischen[172] Lederdecken. Außer den angegebenen geschlossenen Formen, Rosenblatt, auf der Spitze stehendem Quadrat, Ring, kommen auch noch andere vor, namentlich liegende Quadrate, Rechtecke, Rauten, meist mit einer Tierfigur von natürlicher oder phantastischer Bildung; auch Spruchbänder mit Inschriften, wie sie sich auf Gemälden und Kupferstichen des 15. Jahrhunderts finden, sind nicht selten mit Stempeln gedruckt. (Vergl. Fig. 113–118.)
Neben den mit einer Randlinie geschlossenen Stempeln waren auch solche mit freistehendem Ornament, wie die auf unserem Beispiel vorkommende Zacke, in Gebrauch; die Motive sind in diesem Falle pflanzlicher Natur, Blüten, Blätter, Ranken u. s. w.
Gotische Decken mit Blindpressung zeigen im wesentlichen dieselbe Art der Flächenteilung wie die geritzten Decken. Zuerst wird ein äußerer Rand durch parallele Linien gebildet, die, sich an den Enden überschneidend, bis an die Deckelkanten gehen. Die Linien zog man am Lineal hin mit einem Falzbeine, vielleicht auch schon mit einem Streicheisen oder einem demselben ähnlichen Werkzeug mit stumpfer Schneide. So erhielt man ein mittleres Feld, dem man mitunter eine innere Umrahmung ähnlicher Art gab. Das eingerahmte Mittelfeld erhielt dann eine Rautenteilung, sei es mit glatten und geraden, sei es mit gebogenen und durch kleine, angesetzte Knorren u. dergl. rankenartig gestalteten Linien, und jedes der rautenförmigen Felder wurde mit kleinen Füllungsstempeln bedruckt, auch die Kreuzungspunkte der Linien durch kleine gedruckte Rosetten hervorgehoben. Mit Vorliebe wird von der Innenfläche ein oberes[173] Feld abgetrennt, das zur Anbringung einer Inschrift (Buchtitel, Name des Besitzers, des Buchbinders, häufiger ein frommer Spruch) dient. (Fig. 119.) Neben dem Blinddruck kommt auch der Schwarzdruck vor, der vorzugsweise bei größeren Stempeln angewendet wurde.
Die Schenkel des inneren Rahmens zeigen gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts statt der vorher erwähnten Ornamentierung mit kleinen Stempeln auch eine solche mit bandartigen Motiven, die gewöhnlich einen Stab darstellen, um den sich eine Blattranke windet, ähnlich den geschnitzten Balkenfriesen an gotischen Holzbauten, die sich auch in dem typographischen Zierat aus jener Zeit wiederfinden (Fig. 120 und 121). Es ist sehr begreiflich, daß die gedruckten Verzierungen des Textes einen starken Einfluß auf die Deckelornamentik übten. Vor allem zeigt sich dies im 16. Jahrhundert, wo große Meister, wie der jüngere Holbein in Basel und der ältere Cranach in Wittenberg, sich der Bücherornamentik annahmen und namentlich reiche Titelzeichnungen entwarfen, die dann den Stempelschneidern zum Vorbilde dienten.
Je mehr sich die Bücherproduktion hob und die Buchbinderei neuer Kräfte bedurfte, entwickelte sich auch eine lebhaftere Thätigkeit der Stempelschneider, die es nun nicht mehr bei dem Handstempel bewenden ließen, sondern auch größere Platten lieferten. Mit Hilfe dieser wurde das mühsame Nebeneinanderdrucken kleiner Ornamente zur Füllung der Mittelfläche überflüssig. Die frühesten dieser zweifellos mit einer hölzernen Presse (Stockpresse) einge[176]druckten »Stöcke« treffen wir vorzugsweise auf niederrheinischen Decken kleineren Formats von braunem Kalbleder, deren Lempertz in seinen »Bilderheften zur Geschichte des Bücherhandels« mehrere veröffentlicht hat. Unser aus dem Werke von Techener entlehntes Beispiel (Fig. 122) gibt die sich mit einzelnen Abänderungen stets wiederholenden Grundzüge dieser Gruppe von Einbänden wieder. Zwei längliche Rechtecke mit einem als aufsteigende Füllung entwickelten Ornament sind nebeneinander angeordnet und bilden den Spiegel eines Rahmens, auf dem häufig eine umlaufende Inschrift angebracht ist, die in vielen Fällen den Namen des Binders mit den üblichen Zusätzen enthält. Sie lautet in unserem Beispiel:
Ludovicus Bloc ob laudem Christi hunc librum recte ligavi,
zu deutsch:
Ich, Ludwig Bloc, habe dies Buch zur Ehre Christi ordnungsmäßig gebunden.
Das so umrahmte Stück erscheint auf einer und derselben Decke meist zwei-, mitunter auch dreimal übereinander, ja selbst viermal paarweise angebracht, je nach Maßgabe des Formats. Bei unserem Beispiel bleibt zwischen den beiden gleichartigen Stücken ein langes Rechteck frei, dem eine figürliche Komposition, ein Bauerntanz, wahrscheinlich die Nachbildung eines Kupferstichs, als Füllung dient. Das S-förmige Rankenornament mit den Tierfiguren in jedem Bogenfelde ist rein gotisch gedacht und stammt vermutlich aus den Miniaturen gotischer Handschriften her.
Gleichwohl dürfte der Einband selber, wie aus dem Charakter der Schrift zu schließen, erst dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts angehören. Die Stempel und Stöcke, die ein sehr wertvolles Inventar der Buchbindereien bildeten, wurden nicht so rasch von dem Wechsel des Geschmackes beseitigt, wie dies auf anderen kunstgewerblichen Gebieten im Anschluß an die Renaissancebewegung in der Architektur der Fall war. Besonders ansprechende Muster wurden zweifellos mehrfach nachgeschnitten und dienten den verschiedensten Buchbindern, die mit einem zu dem Werte der eigenen Arbeit kaum in richtigem Verhältnis stehenden Eifer ihre Namen inschriftlich zu verewigen bemüht waren.
Unter diesen kleinen Platten kommen im Laufe der Jahre auch größere in Gebrauch, die bei kleineren Formaten oft die ganze Deckelfläche einnehmen. Die heilige Jungfrau und andere Gestalten der biblischen Erzählung und der Heiligenlegende, dann Wappen verschiedener Herrscherhäuser, Bildnisse der Reformatoren u. s. w. erscheinen inmitten einer schmaleren oder breiteren Umrahmung. In einzelnen Fällen scheinen Kupferstichplatten ohne weiteres[177] für die Pressung benutzt zu sein. So findet sich in der Bibliothek des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig ein Kölnischer Einband vom Jahre 1530, zu dessen Verzierung zwei Schrotplatten aus dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts verwendet sind; bei einem anderen bildet das Mittelstück ein Bildnis, das auf Goldgrund gedruckt ist und in der flachen Art der Zeichnung ganz deutlich eine gestochene Platte erkennen läßt.
Die gesamte deutsche Buchbinderei bekundete bis tief ins 16. Jahrhundert hinein eine merkwürdige Gleichgültigkeit gegenüber den stilistischen Gesetzen der Flächendekoration. Ein gewisses Stilgefühl beherrscht noch die gotische Musterung der Innenfläche mit ihrem Rautennetzwerk. Mit dem Aufkommen der Rolle geht dasselbe aber mehr und mehr verloren. Die Verzierung der Innenfläche zeigt kein festes Gefüge, keine organische Gliederung. Man sucht mit den vorhandenen Stempeln, Stöcken und Rollen die Fläche zu mustern, wie es gerade paßt, unbekümmert darum, ob ein liegendes Ornament eine aufrechte, ein aufsteigendes eine horizontale Lage bekommt. Selbst bei figürlichen Motiven, wie auf unserem Beispiel, (Fig. 122) wird auf Kopf- und Fußende keine Rücksicht genommen.
Diese ästhetische Rücksichtslosigkeit hat zum großen Teile die gemusterte Rolle verschuldet. Sie gewährte der Druckarbeit eine wesentliche Erleichterung, indem sie für leisten- oder bandartige Ornamente (Borden) mit sich wiederholendem Motiv (Rapport) das Nebeneinanderdrucken einzelner Stempel überflüssig machte. Die Arbeit konnte also rascher gefördert werden, weshalb man sich so viel als möglich der Rolle bediente und damit auf das System der ineinander gesetzten rechteckigen Rahmen verfiel. Das Ornament bricht dabei nicht selten bei dem Zusammenstoß der seitlichen mit den oberen und unteren Schenkeln stumpf ab (läuft sich tot, wie der technische Ausdruck lautet); es fehlen die den Übergang vermittelnden Eckstücke, für welche die mit einem Blumenornament diagonal bedruckten Eckfelder (vergl. Fig. 123) nur einen mangelhaften Ersatz bieten.
Das System der ineinander gesetzten Rahmen führte dahin, daß die in der Mitte übrigbleibende Fläche sich als ein schmales rechteckiges Feld darstellte, das nun entweder der ganzen Länge nach mit einem Stock bedruckt oder ein- oder mehrfach der Breite nach geteilt wurde, um für den zu benutzenden Stock oder für ein aus Stempeln zusammengesetztes Ornament ein passendes Feld zu erhalten. Um diesem unschönen langen Mittelfelde aus dem Wege zu gehen, ordnete man die Querteilung auch wohl schon nach der ersten oder zweiten Rahmung an (Fig. 124), verwendete die Querleisten zur Anbringung von Inschriften und suchte die übriggebliebene Fläche mit kleinen Handstempeln zu beleben. Noch ein anderes Mittel gab es, um der übermäßigen Schlankheit des Mittelfeldes zu steuern: es bestand darin, daß man die Querschenkel des ersten oder zweiten Rahmens mit einem breiteren Ornamente füllte als die Längsschenkel. Man verdoppelte dabei gern das Ornament der[180] ersteren, indem man es in umgekehrter Stellung wiederholte. Vorzugsweise wurde in dieser Weise die an Posamentierarbeit erinnernde Kranzrolle verwendet, die aus zwei sich durcheinander schlingenden Schnüren gebildet ist und nach oben zu eine büschelartige Blume treibt. (Ursprünglich ein romanisches Friesornament mit Palmetten[181] und noch bis tief ins 18. Jahrhundert hinein im Gebrauch.) Eine solche Verdoppelung weist unsere Abbildung (Fig. 125) in dem zweiten Rahmen auf. Auf dieser Decke gibt sich, nebenbei bemerkt, bereits der Einfluß der italienischen Zierweise in der Anordnung des Mittelfeldes kund (Eckstücke und frei schwebendes Mittelstück), von der später die Rede sein wird.
Während die Renaissancebewegung so gut wie gar keinen Einfluß auf das für die Decke übliche Dekorationssystem ausübte und vorerst nur eine spärliche Verwendung des Goldstempeldrucks, der inzwischen in Italien zur Herrschaft gelangt war, herbeiführte, zeigt sich derselbe bisweilen sehr entschieden in dem abgerollten Rankenwerk der Borden, das durch seine feinere, flüssigere Zeichnung, seine klaren Formen und anmutig bewegten Linien auf italienische Vorbilder hinweist (Fig. 125, äußerer Rahmen). Im übrigen hielt man mit großer Zähigkeit an den überlieferten Motiven fest. Eine besondere Vorliebe bekundet der deutsche Geschmack für die mit Brustbildern, halben und ganzen Figuren durchsetzten Borden. Sie behielten noch bis ins 17. Jahrh. hinein ihre Geltung; die Renaissance änderte nichts an dem formalen Wesen derselben, sondern nur an dem Sinne der Figurenbilder, indem an die Stelle der Mutter Gottes und Heiligen die Helden des Altertums und der nordischen Sage, auch Bildnisse von Kaisern und Königen, von Reformatoren (auf Bibeln) u. s. w. traten. (Vergl. Fig. 123 u. 124.)
Es erübrigt noch, der farbig bemalten Einbände zu gedenken, welche ungefähr gleichzeitig mit dem Aufkommen der Handvergoldung hauptsächlich in den sächsischen Landesteilen, namentlich in Wittenberg, aber auch am Niederrhein angefertigt wurden. Die von dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen 1502 gegründete Universität nahm zur Zeit der Reformation einen hohen Aufschwung und führte eine lebhafte litterarische Thätigkeit herbei, die zahlreiche Pressen beschäftigte. Wie schon erwähnt, übte der Maler Lucas Cranach d. Ä., ebenso wie sein gleichnamiger Sohn, keinen geringen Einfluß auf die innere Ausstattung der Wittenberger Drucke aus, indem er Titelblätter und Illustrationen für Holzschnitt und auch sonstiges typographisches Schmuckwerk zeichnete. Er war selbst Besitzer einer Druckerei und hielt vermutlich auch eine eigene Buchbinderwerkstatt. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß von ihm der Versuch herrührt, dem Lederbande durch farbige Bemalung ein schmuckeres Ansehen zu geben. Diese bunten Einbände, bei denen sowohl das Rahmenwerk als auch das von ihm eingeschlossene Bildnis ziemlich grellfarbig erscheint, sind indes schwerlich für den täglichen Bedarf, sondern nur zu besonderen Zwecken angefertigt worden, da sie nur sehr vereinzelt (zwei in der Bibliothek des Börsenvereins zu Leipzig, zwei in Darmstadt, zwei in der Lempertz’schen Sammlung) anzutreffen sind. Sie haben daher auch nur die Bedeutung einer[182] Absonderlichkeit, die keinerlei Nachfolge erweckte und auf die fernere Entwickelung des Bucheinbandes ohne Einfluß blieb.
Technisch betrachtet, war der deutsche Lederband des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine musterhafte Leistung, aus[183]gezeichnet durch tüchtige Arbeit. Die Holzdecke mit dem farblosen Überzuge gab ihm einen gediegenen, aber schwerfälligen Charakter, die Blindpressung bot dem Auge meist kleinliche in schmalen Streifen sich aneinander reihende Formen von dürftiger Erfindung. Es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die romanischen Völker, als sie sich nach und nach die Erfindung Gutenbergs zu eigen machten, das äußere Gewand des gedruckten Buches anders gestalteten. Immerhin lassen frühitalienische Lederbände doch einen vorbildlichen Einfluß der deutschen Blindpressung erkennen, der sich auf der zur Erneuerung der schönen Künste berufenen Halbinsel im 15. Jahrhundert mit der vom Orient ausgehenden dekorativen Strömung begegnete. Das viereckige Wesen der deutschen Deckenornamentierung, das Einsetzen der kleineren in die größeren Rahmen (Fig. 126, 127), die steife Füllung des übrigbleibenden Mittelfeldes treffen wir auch hier; aber grundverschieden sind die Einzelmotive des Ornaments. Die durch Bandverschlingungen hervorgebrachte Musterung in Fig. 127 weist auf orientalische Vorbilder, der Stempel mit der Lotosblume, mit dem der innere Rahmen bei Fig. 126 gebildet ist, mahnt an die Dekoration antiker Thongefäße, der Stempel mit der stilisierten (heraldischen) Lilie und der mit dem Rautenmuster in Fig. 127 mutet uns noch gotisch an.
Den Übergang von der Blindpressung zur Vergoldung bezeichnet eine Gruppe von venetianischen Einbänden mit gestrichenen äußeren Rahmen, innerhalb dessen ein Bandornament, mit der Rolle in Gold gedruckt, den inneren Rahmen bildet und die Gehrungsstellen mit einem Lilienstempel oder einem einfachen Blattmotiv ebenfalls goldig bedruckt sind. Das Mittelstück dieser ziemlich schlichten Decken, in deren Spiegel meist eine Raute in Blindpressung eingedruckt ist, bildet mitunter eine Nachahmung antiker Kameen durch Prägung und Malerei, weshalb man diese Gattung als Kameenbände zu bezeichnen pflegt.
Noch an einer anderen, dem Osten näher liegenden Stelle begegnen sich Morgenland und Abendland auf dem Gebiete der Buchbinderkunst, in der uralten Mönchskolonie im Athosgebirge auf der chalkidischen Halbinsel. Die Klöster am Athos waren stets von Mönchen verschiedener nationaler Herkunft bevölkert, und es ist leicht möglich, daß zuerst deutsche Mönche die deutsche Technik und zugleich die Dekorationsweise der Lederdecke dort eingeführt haben. Charakteristisch für diese, von Dr. Bock zuerst aufgefundenen Einbände ist der Umstand, daß die Holzdecken nicht wie in Deutschland abgeschrägt, sondern auf der hohen Kante rinnenartig ausgehobelt sind. Dieselbe Eigentümlichkeit zeigen auch die vorerwähnten italienischen Einbände des 15. Jahrhunderts. Auf einzelne Verschiedenheiten in der Art, wie die Decke und der Buchkörper verbunden zu sein pflegen, auf die Behandlung des Kapitals und der aus drei geflochtenen Schnüren bestehenden ledernen Zuhaltung[184] (Schließen) gehen wir nicht näher ein, da sie für die historische Entwickelung der Deckendekoration keine Bedeutung haben. Von Interesse in dieser Hinsicht sind dagegen die zur Bordenbildung verwendeten Stempel, in denen hin und wieder sich ein Nachklang der Antike und ein Anklang an morgenländische Bandmotive neben entschieden deutschen Motiven (wie z. B. der Kranzrolle auf S. 162) erkennen läßt. Von einer dritten besonders merkwürdigen Begegnung der abendländischen und morgenländischen Lederzierkunst, die sich auf ungarischem Boden vollzog, wird weiter unten die Rede sein, nachdem wir uns von der Deckenverzierung mohamedanischer (persisch-türkischer und arabisch-maurischer) Handschriften ein deutliches Bild verschafft haben.
Auf dem Gebiete der Flächendekoration ist der Orient in mehr als einer Hinsicht der Lehrmeister des Abendlandes gewesen. Das Wort Arabeske, mit welchem wir gewisse Schmuckformen bezeichnen, bei denen sich verschlingende und durchkreuzende Linien ein scheinbar regelloses und doch von einem festen geometrischen Gesetze beherrschtes Spiel treiben, deutet schon den Ursprung der eigentümlichen Art von Flächenmusterung an, die vor allem in der Weberei sich geltend machte und von den Webstoffen auf andere Materialien übertragen wurde. So auch auf das Leder und die Lederdecke des Buches.
Der auffälligste Unterschied zwischen der deutschen (blindgepreßten) Decke und der orientalischen ist die bei der letzteren die Regel bildende Vergoldung des Ornaments und die teppichartige allseitig symmetrische (zentralisierte) Anordnung des letzteren bei lebhafter Betonung der Umrahmung im Gegensatz zu der umrahmten Fläche, auf der wiederum die Mitte durch ein mandel- oder kreisförmiges Feld mit reicher Musterung, auch wohl durch ein rosetten- oder sternförmiges Motiv ausgezeichnet wird. In der Regel sind auch die vier Ecken des Spiegels mit einer Arabeske ausgefüllt, die in ihrer Bewegung der Grundform des Mittelzierstücks entspricht. Ist dieses länglich, so dehnen sich die Eckstücke an den Längsseiten weiter aus als an den Querseiten, so daß bei Verbindung der Endpunkte ein ungleichseitiges Rechteck entsteht; ist es rund oder ein regelmäßiges Vieleck, so wird das Eckornament in ein gleichseitiges Rechteck gespannt. (Vergl. Fig. 129 und 130.) Derselbe[187] Sinn für einen harmonischen Gesamteindruck bekundet sich auch in den mit einer Blume gefüllten kleinen Feldern, die nur als Begleitung von mandelförmigen Mittelstücken vorkommen und mit der Spitze des blattförmigen Umrisses nach oben, bez. nach unten weisen (Fig. 129). Bisweilen ist der Spiegel in seiner ganzen Ausdehnung mit einem von der Mitte ausstrahlenden geometrischen Linienspiel, [188] in welches wieder gebogene Linien eingreifen, überzogen und der Grund durchweg gepunzt hier mit größeren, dort mit kleineren Punzen, so daß die Mitte und die Ecken minder scharf hervortreten. Diese mosaikartige Musterung, der maurischen Wanddekoration entlehnt, zeigt unsere Abbildung (Fig. 131).
Die Bücher haben vorwiegend schlanke Formate, so daß die Spiegel dem Buchbinder für seinen Verzierungsentwurf nicht immer bequem gestaltet waren. Er verkürzt die Fläche dann ähnlich, wie wir es bei den deutschen Einbänden gesehen, durch Einschiebung eines Frieses zwischen den Querschenkeln des Rahmens und dem Spiegel (Fig. 132) oder trennt oben und unten einen schmalen Streifen mit einer Linie ab (Fig. 131).
Bemerkenswert ist bei der allseitig symmetrisch entwickelten Ornamentation der Grundsatz, die einzelnen Elemente der Musterung zu einem Ganzen zu verweben, aus dem keins derselben in scharfer Weise sich abhebt. Zwischen Mittelstück und Eckstücken herrscht stets ein gewisser Einklang. Erscheint dort die Pflanzenform in Ranken- und Blattwerk, so findet sie sich auch hier; bilden dort Bandverschlingungen (Geriemsel) die Füllung, so treten diese auch hier auf. Auch in der Borde klingt mitunter das Muster des Mittelstücks wieder an (Fig. 129). Gewöhnlich zeigt die Rahmung den Wechsel von Saum und Naht, diese als gedrehte oder geflochtene Schnur charakterisiert oder durch glatte Linien bezeichnet, jener als breitere Borde aus sich stetig wiederholenden, linearen Motiven zusammengesetzt oder zu einer Blattranke mit längeren Rapporten entwickelt.
Ehe wir uns den bei der Flächenmusterung beobachteten technischen Verfahren zuwenden, dürfte hier ein Wort über die äußere Gestalt des orientalischen Buches und Eigentümlichkeiten der Bindung desselben am Platze sein.
Von der im Orient beobachteten Heftung ist bereits die Rede gewesen (S. 32). Die Decke besteht aus Pappe (vergl. S. 88) und hat genau die Größe des Buchkörpers, steht also nicht mit den Kanten darüber hinaus, wie es im Abendlande von jeher üblich war. Da die Pappeinlage nicht sehr stark ist, so liegt auch kein Bedürfnis zur Abschrägung der Kantenränder vor, wie es bei der Holzeinlage des deutschen Einbandes der Fall ist. Um die Verbindung zwischen Buchkörper und Decke herzustellen, wird der Rücken des ersteren mit einem Stück Zeug (Baumwolle oder Leinwand) überklebt, das breit genug ist, um mit seinen überstehenden »fliegenden« Seitenteilen an die Decke festgeklebt werden zu können. Als Klebemittel wird ein Pflanzenstoff ähnlich dem Dextrin verwendet.
Der Schnitt ist in den meisten Fällen ungefärbt. Indes kommen auch farbige Schnitte vor, die mit dem Pinsel hergestellt sind und eine geflammte Musterung haben (Fig. 133).
Die Decke ist stets mit einer überschlagenden Klappe versehen, [192]ähnlich wie bei Brieftaschen (Fig. 134). Diese Klappe ist beiderseits abgeschrägt, so daß sie nicht mit einer geraden Linie, sondern stumpfwinkelig abschneidet. Die Spitze der Klappe trifft immer genau auf die Mitte des Vorderdeckels und die Musterung derselben läuft bei reicheren Verzierungen häufig ununterbrochen in die Musterung des Deckels über. Unsere Abbildung (Fig. 135) zeigt etwas mehr als die Hälfte einer besonders reich verzierten Klappe, bei der der Grund des Spiegels ebenfalls vollständig ornamentiert ist.
Die Verzierungen wurden in den arabischen Teilen Nordafrikas aufgedruckt (blind und vergoldet) und zwar mit Streicheisen, Rolle und Stempeln oder Punzen, im übrigen osmanischen Orient und in Persien mit einer aus einem Stück Kamelshaut hergestellten Matrize als erhabene Zeichnung hervorgebracht. Das letztere, nur bei Eck- und Mittelstücken angewendete Verfahren ist aber in vielen Fällen auch mit Metallmatrizen ausgeführt worden. Die Lederteile, welche gepreßt werden sollten, wurden aus dem für den Einband zugerichteten Leder herausgeschnitten und erhielten nach der Ausschärfung dadurch eine erhabene Musterung, daß man das gefeuchtete Leder mit der Vorderseite auf die Matrize auflegte und von der Rückseite in die geschnittenen Verzierungen hineinarbeitete. Um den Grund, der in der Regel ganz fein punziert wurde, zu vergolden, überging man die Oberfläche der Matrize vor der Pressung mit einem Firnis, der beim Druck auf der Fläche haften blieb und den nachher darüber gepuderten Goldstaub festhielt, während die erhabene, vom Firnis nicht berührte Zeichnung die Farbe des Leders behielt. Umgekehrt vergoldete man das Ornament und ließ den Grund in Lederfarbe, oder die ganze Fläche, Grund und Ornament, wurde vergoldet, selbst mit mehrfarbigem Golde auf einer Fläche. Statt des vom Grunde abgelösten Lederstücks setzte man auch wohl anders gefärbtes, meist rotes Leder ein, um eine lebhaftere Farbenwirkung zu erzielen. Den Zusammenstoß des eingelegten Lederstücks mit dem Grundleder wußte man mit einer Goldlinie zu decken, die aus freier Hand mit dem Pinsel gezogen wurde. Der Umriß des auf diese Weise verzierten Feldes ist stets wellenförmig bewegt und jede Einbuchtung mit einem[193] Zierstrich besetzt, so daß das Ornament wie mit einem Strahlenkranz umgeben erscheint (Fig. 136).
Das Aufstäuben und das Aufmalen des Goldes mit dem Pinsel findet sich stets gleichzeitig auf einer Platte angewendet, mit Matrize hergestellte Ornamente sind aufgestäubt, alle gepunzten oder gezogenen Borden mit dem Pinsel ausgemalt. Dagegen fand auch statt des Staubgoldes Blattgold hin und wieder Anwendung; so ist Fig. 135 [196] in dieser Weise hergestellt. Das Auftragen des Goldes mit erwärmten Werkzeugen, wie es bei den Mauren und Sarazenen in Spanien und Sizilien üblich war, scheinen die Perser und die von ihnen zur Kunst erzogenen Türken nicht gekannt zu haben.
Der Stift spielt bei der Herstellung der Deckenverzierung eine Hauptrolle. Mit ihm werden die Linien vorgerissen und die Strahlen um die ornamentierten Felder hervorgebracht, er dient auch zum Nachvergolden und Glätten der Goldlinien. Auf manchen Einbanddecken ist nur mit Stift und Punzen gearbeitet. Es ist erstaunlich, mit welcher Kunstfertigkeit und Geduld die Orientalen mit ein paar Stempeln, einer geraden und einigen gebogenen Linien die mannigfaltigsten, in der verschiedensten Weise sich verschlingenden Ornamente hervorbringen, bei denen Anfang und Ende sich decken und keine Unregelmäßigkeit den Zug der Linien unterbricht (Fig. 130, Mittel- und Eckstück). Die gemusterte Rolle führt indeß auch bei ihnen ganz wie in Deutschland zu einer Mißbildung an den Ecken, wo Längs- mit Querborden unvermittelt zusammenstoßen.
Kaum geringere, ja oft größere Sorgfalt als auf die Außenseite verwandte man auf die Innenseite des Deckels und der zugehörigen Klappe, insbesondere bei den zum gottesdienstlichen Gebrauche dienenden Handschriften. Das Lederornament ist dabei nicht geprägt, sondern aus ganz fein geschärftem Ziegenleder ausgeschnitten, eine bei den zierlichen Formen des Blattwerks unendlich mühsame Arbeit, die vermutlich mit Hilfe einer Metall- oder Fayencetafel ausgeführt wurde, auf die man das Leder mit der Fleischseite aufklebte. Das so gewonnene Netz wurde dann über die vorher blau oder rot gefärbte Stelle geklebt, für die es bestimmt war. (Fig. 137.) Sowohl Eck- und Mittelstücke als auch die Borde erhielten solche Einsätze, die in der Regel die schwarze Lederfarbe zeigen, aber auch mitunter vergoldet sind. Die Borde wurde aus einzelnen aneinander gestoßenen Stücken gebildet, wofern sie nicht gefeldert war. An Stelle der Färbung des Grundes gab man dem Ornament auch wohl eine Unterlage von farbiger Seide oder Goldpapier. Übrigens sind diese durchbrochenen Ornamente nicht immer mit der Hand geschnitten: bei Büchern jüngeren Datums ist bereits die Stanze benutzt worden, was sich an den gestauchten Schnittkanten deutlich wahrnehmen läßt.
Geringere Einbände erhielten statt des Lederspiegels gewöhnlich einen Vorsatz von orangegelbem, auch wohl marmorierten oder gesprenkelten Papier. Eine Ausnahme machen jedoch die maurischen Einbände, welche stets ein mit dem Model auf nasses Leder gepreßtes Vorsatz aufweisen; das gepreßte Ornament erscheint dadurch glänzend dunkel. In der Musterung desselben zeigt sich wiederum ein unendlicher Reichtum an ornamentalen Gedanken, wie schon aus den wenigen Proben zu ersehen ist, die wir in Abbildung beifügen. (Fig. 138–141.)
Die sorgfältige und mühsame Kunstarbeit begann im Orient mit dem Sinken der mohammedanischen Macht zu erlahmen. Man griff zu ärmlichen Ersatzmitteln für die frühere edle Technik. An Stelle des Ledervorsatzes trat gepreßtes Goldpapier, das noch dazu vom Golde nur den Namen geborgt hatte. Die gepreßten Einlagen beschränken sich oft auf das Mittelstück des äußeren Deckels und sind statt aus Leder aus Papier geschnitten. Gold- und Silberpapier, [200] ja Zinnfolie bilden den Untergrund, der dann noch mit durchschimmerndem Lack in einer oder mehreren Farben überzogen wird. Besonders sind in Anatolien eine Menge solcher Einbände hergestellt worden.
Wie schon oben bemerkt, übte die Deckenverzierung orientalischer Bücher einen entscheidenden Einfluß auf die italienische Kunstarbeit aus. Es scheint indes, als ob die Berührung mit dem Kulturleben Italiens auf den Orient zurückgewirkt und in einzelnen Fällen eine Umbildung des ursprünglichen Dekorationsschemas herbeigeführt habe. Zeugnis dafür ist eine Gruppe von Decken, die, wie die hier abgebildete (Fig. 142), ein ungewöhnlich großes Mittelfeld mit einem lebhaft an die sog. Grolierbände erinnernden schraffierten Ornament aufweisen und deren Verzierung, von der gepunzten Borde abgesehen, ganz mit dem Stifte hergestellt ist.
Ein höchst eigentümliches Intermezzo in der Geschichte der Buchdecke bilden die Einbände, welche aus der Bibliothek des Königs Matthias Corvinus von Ungarn herrühren und von denen sich noch eine kleine Anzahl in öffentlichen Bibliotheken erhalten hat. Die Echtheit einzelner Stücke dieser nach dem ursprünglichen Besitzer benannten Gruppe von Einbänden wird von Einzelnen angezweifelt. Unzweifelhaft echt sind indes die Bände, welche erst vor kurzem von dem Sultan Abdul Aziz der ungarischen Regierung zum Geschenk gemacht worden sind und vermutlich unter Soliman II. bei der Eroberung von Budapest (1627) als Kriegsbeute nach Konstantinopel gekommen waren. Matthias Corvinus (1458–1490) war ein vollkommener Renaissancemensch, groß als Heerführer wie als Freund und Förderer der Künste und Wissenschaften. Er suchte es den italienischen Fürsten damaliger Zeit, die ihre Gewaltherrschaft mit dem Nimbus des geistigen Adels zu umkleiden wußten, in dieser Hinsicht gleichzuthun, zog Gelehrte und Künstler an seinen Hof und legte eine großartige Bibliothek an, die an 50,000 Bände umfaßt haben soll.
Die Einbände, an dem ungarischen Wappen oder dem Wahrzeichen des Königs, einem Raben (corvus) im Mittelfelde, kenntlich, zeigen nun eine merkwürdige Mischung orientalischer und abendländischer Elemente. Die Bindung und äußere Gestaltung des Buches ist die in Deutschland und Italien zu damaliger Zeit übliche. Der Rücken zeigt breite Wülste entsprechend der Heftung über Doppelbunde, die Kanten der Deckel überragen die Buchkörper und sind am Vorderschnitt mit ledernen Riemen oder Bändern versehen; das Beschläge fehlt wie auch an den italienischen Bänden jener Zeit. Den Überzug bildet gefärbtes Kalbleder dessen Verzierung, teils blind, teils vergoldet, auch wohl unter Hinzutritt von Bemalung den Bänden in ihrem ursprünglichen Zustande ein prächtiges Aussehen verliehen haben muß.
Einer Beschreibung der Ornamentierung, welche Luthmer in der[202] »Geschichte der technischen Künste« an einem Beispiele gibt, entlehnen wir die nachfolgenden Angaben. »Auf gelbrotes Kalbleder ist eine Mittelverzierung in Vergoldung und ein Randornament in blau gemalten Stempeln angewendet, welch letzteren einige Goldpunkte eingestreut sind. Man erkennt nur zwei Stempel, welche überhaupt[203] bei diesen Bänden die Hauptrolle gespielt haben: ein gerades und ein im Halbkreise gebogenes Band zwischen zwei glatten Rändern, mit schräg aufsteigenden Strichelchen (wie eine gewundene Schnur) versehen. Die Länge des Stempels, ebenso wie der Durchmesser des gebogenen beträgt 5 mm. Mit diesen zwei Stempeln ist in erstaunlichem Reichtum der Phantasie ein Flachornament geschaffen, das den Rahmen der Deckel bildet. Der obere und untere Schenkel ist dabei erheblich breiter als die Seitenteile. Die Dekoration des in diesem Rahmen eingeschlossenen Feldes ist eine äußerst mannigfaltige. Immer bleibt sie jedoch dem Prinzip des orientalischen Einbandes treu: der schrägen Ausfüllung der Ecken und der Anordnung eines Mittelfeldes. Dies letztere ist von verschiedener Form, bald dem gotischen Vierpaß ähnlich, bald ein Kreis mit vier heraustretenden rechten Winkeln, bald aus einer Verbindung von Kreissegmenten und geraden Linien, bald aus dem maurischen zweimal geschwungenen Bogen gebildet. Die Mitte scheint immer das Wappen Ungarns, ausnahmsweise dasjenige des Königs (ein Rabe) einzunehmen. Die übrige Fläche ist ausgefüllt mit einem ziemlich dichten, aus Stempeln und Fileten gebildeten Rankenornament. Einen charakteristischen Eindruck bringen dann noch neben den genannten Stempeln kreisrunde Punzen verschiedener Größe hervor, sowohl einzelne Punkte als auch kleine Kreise, in deren Mitte sich ein Punkt befindet. Diese Punzenschläge durchsetzen sowohl das Flechtwerk an geeigneten Stellen, wie sie auch, zwischen Linien eingeschlossen, zur Bildung von Rändern und Einfassungen benutzt werden. Am meisten erinnern sie an die reichliche Verwendung der Silberperlen bei gewissen Filigranarbeiten.« (Fig. 143.)
Ein Vergleich mit der von uns unter Fig. 127 (Seite 184) vorgeführten italienischen Decke läßt eine gewisse Verwandtschaft derselben mit der eben beschriebenen wenigstens in Bezug auf die aus Flechtwerk gebildete Umrahmung des Mittelfeldes erkennen. Das Flechtwerk erscheint hier freilich nur wie eine schüchterne Nachahmung orientalischer Muster. Das Crefelder Museum besitzt einen in ähnlicher Weise ornamentierten Band.
Der Umschwung, der im 14. und 15. Jahrhundert in dem gesamten Kulturleben des italienischen Volkes eintrat und den wir uns gewöhnt haben mit dem Worte Renaissance zu bezeichnen, führte bekanntlich die bildenden Künste zu einer glänzenden Entwickelung, deren Höhepunkt die Namen Raffael und Michelangelo bezeichnen. Auch die sog. technischen Künste blieben nicht unberührt von dem Geiste der Renaissance, der der Phantasie den freien Flug verlieh, die künstlerischen Kräfte entfesselte und im Volke selbst die Freude an der schönen Form weckte und wach erhielt.
Überall, wo die Zierkunst anknüpfen konnte an antike Vorbilder, die dem Schoße der Erde entrissen oder aus der Vergessenheit hervorgezogen worden waren, ließ sie sich den Vorteil nicht entgehen und suchte in freier Nachbildung der »klassischen« Formen etwas Neues zu schaffen, das den Anschauungen, dem Formgefühl und den Bedürfnissen des lebenden Geschlechtes entsprach.
Für den Bucheinband oder sagen wir für die Lederdecke des gedruckten Buches gab es selbstverständlich keine antiken Vorbilder, also auch keine Renaissance im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Indes war das Verlangen, das äußere Gewand des Buches mit Zierformen zu beleben, unabweisbar. Die unbehilfliche, für das Auge fast reizlose Technik des Blinddrucks jener Zeit genügte dem Schönheitssinne der Italiener nicht, und so griffen sie mit Begier nach den Mustern, die ihnen der Osten entgegenbrachte.
Das Verdienst, den vergoldeten Lederband mit Pappdeckelkern auf europäischen Boden verpflanzt zu haben, gebührt nachgewiesenermaßen dem großen Drucker und Verleger Aldus Manutius in Venedig, der von 1449 bis 1515 lebte, sowie dessen Söhnen und Geschäftsnachfolgern. An seinen Namen knüpft sich der Aufschwung des Buchdrucks in Italien, ja seine mit Erfolg gekrönten Bemühungen,[205] schöne Typen auch in mäßiger Größe herzustellen, haben weit über die Grenzen Italiens hinaus fruchtbringend gewirkt. Die »Aldinen«, die Drucke, die aus der Offizin der Aldi hervorgegangen sind, gehören bekanntermaßen zu den typographischen Kostbarkeiten, die heutzutage nicht selten mit Gold aufgewogen werden.
Persische und maurische Einbände waren in Venedig, das mit den Handelsplätzen an allen Küsten des Mittelmeers einen lebhaften Warenaustausch unterhielt, zweifellos schon vor der Einführung der Buchdruckerkunst bekannt und geschätzt. Ja die Vermutung, daß Arbeiter aus dem Orient, Mauren, vielleicht auch Griechen für Herstellung von Einbänden schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Venedig beschäftigt waren, hat vieles für sich und wird hauptsächlich gestützt durch vier venetianische Drucke vom Jahre 1477, die sich im Museum zu Gotha befinden. Drei dieser Bände sind mit jenen fein gemusterten, durchbrochenen Ledereinsätzen ornamentiert, wie wir oben (S. 196) kennen gelernt haben; zur Blindpressung aber sind an den Ecken der Borde römische Kaisermünzen verwendet, was darauf schließen läßt, daß die Decken nicht in der Levante, sondern in Venedig, möglicherweise von griechischen, bei der Eroberung Konstantinopels durch die Türken ausgewanderten Handwerkern hergestellt wurden.
Wie dem auch sei, jedenfalls hat erst die Betriebsamkeit des Aldus und seiner Söhne die Reform in der Buchbinderei herbeigeführt, die, anknüpfend an die Grundzüge des orientalischen Geschmacks, der Handvergoldung mit Bogenlinien und kleinen Stempeln die Bahn brach. Die Anregung dazu mag ihnen wohl von Nicolaus Jenson, ihrem Vorgänger, überkommen sein, denn dieser ist der Drucker der vorerwähnten gothaischen Bände und nahm 1479 den Andrea Torresano d’Asola in sein Geschäft als Gesellschafter auf, dessen Tochter sich mit Aldus Manutius (d. ä.) 1500 verheiratete.
Der ältere Aldus sowohl wie seine Söhne unterhielten den regsten Verkehr mit der wissenschaftlichen Welt Italiens und standen in den engsten Beziehungen zu den fürstlichen und fürstlich gesinnten Bücherliebhabern ihrer Zeit. Es darf mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß auch die prachtvollen Lederbände, in denen einzelne Aldinische Drucke unter Nennung des Bestellers, bez. ersten Besitzers auf uns gekommen sind, der von den Verlegern unterhaltenen Werkstatt oder den von ihnen herangebildeten und beschäftigten Werkleuten ihren Ursprung verdanken.
Die frühesten noch erhaltenen Renaissancebände sind namenlos, sofern es sich um die Verfertiger handelt; dafür sind sie benannt worden nach den Namen der Bibliophilen, in deren Bücherei sie zuerst vereinigt waren: Thomas Majoli, Demetrio Canevari und vor allen Jean Grolier. Von dem Erstgenannten ist kaum mehr als der Name bekannt, nicht einmal seine Lebenszeit läßt sich [207] genau bestimmen; nur aus den Büchern, deren Decke seinen Namen in der kleinen Inschrift: THO. MAJOLI ET AMICORUM, trägt, läßt sich abnehmen, daß er in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelebt hat und ein älterer Zeitgenosse des Jean Grolier war. Der letzte unter den noch erhaltenen Majolibänden trägt die Jahreszahl 1553. Eine nicht unbegründete Vermutung bringt Thomas Majoli in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu einem Michele Majoli, einem bekannten Kunstsammler, der möglicherweise sein Vater oder Oheim gewesen ist. Sicherer ist die Annahme, daß Majoli mit Grolier in freundschaftlichem Verkehre stand. Jedenfalls beschäftigten beide ein und dieselbe Werkstatt, wie aus der dekorativen Verwandtschaft der Majoli- mit frühen Grolierbänden hervorgeht. Einen weiteren Beleg bietet ein Band in der Brunet’schen Sammlung, auf dessen Decke das Merkzeichen Majolis angebracht ist, während das Titelblatt den Eigentumsstempel Groliers zeigt.
Das Charakteristische an diesen frühen italienischen Einbanddecken ist das feine, in großen, meist zur Spirale gebogenen Zügen gehaltene Rankenwerk mit angesetzten Blättern und Blüten, welches den größten Teil der Fläche überspinnt, von der nur ein schmaler Rand der gewöhnlich ziemlich einfach gehaltenen Umrahmung vorbehalten ist. Der mittlere Teil der Fläche bleibt dabei frei für ein Wappen oder eine Inschrift (Titel). Zu dem Rankenwerk tritt später auch noch Band- oder Riemenwerk, das sich in regelmäßigen Zügen durcheinander schlingt und entweder mit Lackfarben bemalt oder durch aufgelegte Lederstreifen (Mosaik) hergestellt ist. Das Mittelfeld ist in der Regel nur linear eingefaßt, bez. aus dem Linien- und Bandnetz ausgespart. Indes kommt auch bereits die Kartusche vor, und zwar in einer schon auf plastische Wirkung ausgehenden Zeichnung. Ein solches fest umrissenes Mittelschild mit Rollwerk zeichnet z. B. den trefflich erhaltenen Majoliband (32: 21 cm groß) aus, der in dem Kunstgewerbemuseum zu Leipzig aufbewahrt wird und eins der frühesten mit Holzschnitten ausgestatteten Druckwerke italienischen Ursprungs, die Hypnerotomachia des Polyphilus (Venedig 1499) umschließt[208] (Fig. 144). Das Leder hat einen bräunlichen Ton. Ranken, Blätter und die kleinen Arabesken in der Umrahmung sind mit Gold gedruckt, die hellen Flächen der Kartusche, des Bandwerks u. s. w. waren ursprünglich versilbert; außerdem ist noch rote und grüne Bemalung zur Erhöhung des reichen Eindrucks verwendet, so in den Feldern des Rahmens, wo Grün mit Rot wechselt, und an einigen anderen Stellen. Die Inschrift findet sich auf dem kleinen Schildchen des unteren Rollwerks. In dem Spiegel der Kartusche erscheint das französische Wappenschild, vermutlich eine spätere Zugabe, wenn nicht etwa Majoli den Band Heinrich II. von Frankreich verehrt hat, auf dessen Namen das zweifache H im Mittelfelde deutet. Der Rücken des Bandes zeigt fünf Bünde und sechs Felder, von denen das untere und obere ein silbernes Bandornament haben und das untere sich durch eine schlankere Form auszeichnet.[3]
Rückenschilder mit Titel waren zu jener Zeit, wie wir hier einschaltend bemerken, noch nicht üblich. Die Bücher wurden immer noch liegend aufbewahrt und der Inhalt des Bandes gewöhnlich auf einem an dem nach vorn gerichteten Schnitt angebrachten losen Schildchen angegeben oder auf den Schnitt geschrieben.
Die flache (nicht modellierte) Zeichnung der Blätter und Blüten, die entweder mit Vollstempeln oder mit schraffierten Stempeln (fers azurés) gedruckt wurden, ist mit der natürlichen Erscheinung nur noch schwach verwandt: die stilisierte Form läßt die Urform nur[209] selten mit Sicherheit erkennen. Einzelne Motive sind ohne weiteres von den orientalischen Vorbildern herübergenommen, so namentlich die schilfartig zugespitzten und die mit der Spitze in Hakenform sich biegenden Blätter, die in den sog. Mauresken (im maurischen Sinne entwickelten Füllungsmustern) von deutschen und italienischen Ornamentisten mit Vorliebe nachgebildet, auch mannigfach umgestaltet wurden. (Vergl. die Kopfleisten S. 204 und 186 sowie Fig. 145.)
Über den Lebenslauf Groliers sind wir ziemlich genau unterrichtet. Er wurde 1479 in Lyon geboren, lebte von 1510 bis gegen 1530 in Mailand als Schatzmeister des französischen Heeres in Italien. Später hielt er sich in Rom als französischer Gesandter beim päpstlichen Stuhle auf (1534), kehrte dann nach Frankreich zurück und ließ sich in Paris nieder, wo er in seinem Hause, dem sog. Hôtel de Lyon, eine reiche Büchersammlung, an 3000 Bände stark, anlegte, von der heutzutage noch etwa 350 Stück in verschiedenen Bibliotheken, öffentlichen wie privaten, nachweisbar sind. Er starb daselbst im Jahre 1565. Es ist zwar nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen, aber doch sehr wahrscheinlich, daß Grolier aus Italien Buchbinder und Vergolder nach Paris zog, oder aber daß Franz I., der so viele Künstler und Kunsthandwerker aus Florenz, Mailand und anderen italienischen Städten nach Frankreich kommen ließ, diesen Zuzug auf Groliers Betreiben veranlaßte. Jedenfalls war Grolier in litterarischen Dingen der Ratgeber des Königs ebenso wie seiner nächsten Nachfolger, Heinrichs II. und Karls IX., deren Bücherbesitz durch die im Genre Grolier gehaltenen Einbände ausgezeichnet ist.
Dies Genre Grolier zeigt übrigens keineswegs eine uniforme Schablone, sondern vielfache Variationen. Die frühesten Bände, die die Bezeichnung JO. GROLIERII ET AMICORUM tragen und auf jeden Fall noch auf italienischem Boden entstanden sind, zeigen eine schlichte Linien-, auch wohl gemusterte Rollendruckumrahmung und einen nur dürftig mit wenigen Vollstempeln[4] und linearem Ornament bedeckten Spiegel (Fig. 146). Bei anderen Bänden schlingt sich aufgelegtes oder bemaltes, mit Gold gerändertes Riemenwerk in geraden und gebogenen Zügen durcheinander (entrelacs) und Bogenlinien mit angesetzten Blüten und Blättern dienen zur Lückenfüllung. Dieser Richtung gehören die in Abbildung wiedergegebenen Decken (Fig. 147 und 148) an, ebenso die in Fig. 149 wiedergegebene, nur daß bei Fig. 148 das Linien- und Blattwerk zur Deckung des Grundes fehlt. Wiederum andere haben eine lineare Zeichnung, die gegen die Mitte hin sich zu einer Kartusche mit punktiertem Grunde gestaltet (Fig. 150). Die Verzierung ist bis auf das Wappen in der Mitte mit dem Drachen darunter ganz durch Bogendruck hergestellt,[212] eine Manier, die große Geschicklichkeit in dem Ansetzen der Bogenlinien erfordert, namentlich wenn der eine Bogen nach rechts, der andere nach links gezogen ist. Dieser Schwierigkeit suchte man durch die sog. Leerstempel (fers à filet) abzuhelfen, bei denen der Umriß der Blattform nicht mehr aus einzelnen Stückchen gebildet zu werden brauchte (Fig. 151.) Mit Hilfe dieser Leerstempel konnte man auch eine weniger breit angelegte Ornamentierung erzielen, als es bei ausschließlicher Anwendung von Bogenlinien der Fall war.
In einem wesentlichen Punkte von den Majoli- und Grolier-Decken abweichend erscheint eine Gruppe von Einbänden, die sich an den Namen des Malers und Formschneiders Geoffroy Tory von Bourges knüpft, eines ungemein vielseitigen Geschäftsmanns, der auch Drucker und Verleger war und wahrscheinlich die bei seinen Einbänden verwendeten Stempel selbst anfertigte, bez. in seinen Werkstätten anfertigen ließ. Die Tory-Einbände zeigen nämlich ein von unten aufsteigendes, von der Mittellinie sich nach den Seiten entwickelndes Ornament, in welchem ein Krug mit ausgebrochenem Rande das Merkzeichen des Ursprungs ist. Tory stand mit Grolier in geschäftlichen Beziehungen, ging aber, wie man sieht, bei der Deckenverzierung seine eigenen Wege (Fig. 152).
Die Anwendung der Leerstempel neben den schraffierten Stempeln, oft in Verbindung mit farbigem Bandwerk oder mit Linien auf getippeltem Grunde ist auch in der Folgezeit bei den für Heinrich II. angefertigten Bänden bemerkbar. Die in Fig. 153 wiedergegebene Decke, bei der die ineinander geschlungenen beiden C in den Ecken und die ebenso ineinander greifenden beiden M auf der Mitte der seitlichen Ränder auf die Besitzerin, Catharina von Medici, die Gemahlin Heinrichs II., deuten, zeigt ein sehr lockeres Gefüge in der Zusammensetzung der Ornamente und eine ungenügende Füllung der Fläche. Wesentlich geschmackvoller erscheint eine in Fig. 154 wiedergegebene Decke, welche in der Mitte und in den Eckfeldern ein auf Heinrich II. und seine Gattin bezügliches Monogramm hat und sich durch ein kreis[213]rundes Mittelfeld mit einem von einem Spruchbande umzogenen Kranze von Rebenzweigen auszeichnet.
Verwandter Art ist die Verzierung eines Bandes in Querformat, die wir in Fig. 155 nach Techener wiedergeben. Die beiden Monogramme im Mittelfelde werden auf Heinrich II. und seine Geliebte, Diana von Poitiers, gedeutet; indes kann das D auch ebenso gut die Bedeutung von »Deux« haben. Der zum Teil auf der Abbildung sichtbare Rücken ist bereits ohne Bünde hergestellt, aber noch nach der Bundteilung gefeldert, während der Band unter Fig. 153 auf die Bünde gar keine Rücksicht nimmt; ein langes Schildornament, dem Mittelschilde der Decke in der Zeichnung verwandt, deckt die Fläche[216] nicht völlig, Kopf- und Schwanzende lassen das Kapital in einem abschließenden Nahtornament anklingen.
Wir erwähnten oben des Demetrio Canevari, eines Bücherliebhabers, von welchem ebenso wie von Majoli wenig mehr als der Name bekannt ist. Er war nach einer unbestimmten Überlieferung Leibarzt des Papstes Urbans VIII., und wird vermutlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts seine Büchersammlung angelegt haben. Die Verzierung der mit seinem Namen oder seinem Bibliothekszeichen bezeichneten Bände ist eine ziemlich einfache; die Ornamente sind mit Linien- und Vollstempeln gedruckt. Es scheint übrigens, als habe Canevari manche Bücher in bereits fertigen Einbänden gekauft — die Bücher kamen zu seiner Zeit allgemein gebunden in den Handel — und diese nur mit seinem Bibliothekszeichen versehen, welches einen Apollo mit dem Zweigespann am Fuße des Parnaß darstellt, augenscheinlich in Nachbildung einer antiken Kamee.[5] Diese Vermutung wird durch einen Canevari im Museum zu Frankfurt a./M. bestätigt, bei dem unter dem aufgepreßten Signet sich noch deutlich ein kleinerer Stempel mit orientalischen Motiven erkennen läßt. Eigentümlich ist allen Canevaribänden, die dem Verfasser dieses Buches zu Gesicht gekommen, ein fehlerhafter Stempel, wie sich aus dem Vergleich von a und b in Fig. 157 ergibt; bei b fehlt die Spirale des rechtsseitigen Gegenstücks am Rücken des nach oben gebogenen Teiles.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts traten in der italienischen Buchbinderei eine Reihe neuer Stempelformen auf, die zwar die Arbeit bequemer machten, aber auch die Kunstfertigkeit verringern halfen, die vordem mit wenig Werkzeugen die verschiedenartigsten Flachmuster hervorzubringen im Stande war. Die Formen der Stempel werden krauser (Fig. 157a) oder nehmen die Gestalt von Vasen und Urnen an. Auch die Groteske, von der Wanddekoration herübergenommen, findet sich auf Buchdecken ein. Außer den in der gewöhnlichen Weise hergestellten Decken kommen zu jener Zeit auch[217] Einbände mit durchbrochener Lederarbeit nach persischem Muster vor, andere wieder mit einem in die Mitte eingelegten Miniaturgemälde.
Im 17. Jahrhundert übernimmt Frankreich die Führung in der künstlerischen Behandlung der Buchdecke und die übrigen Länder Europas fügen sich mehr oder weniger den von Paris ausgehenden dekorativen Neuerungen. Das erklärt sich leicht aus der politischen[218] Machtentfaltung des französischen Königtums und aus dem damit zusammenhängenden glänzenden Hofleben. Die Könige fühlen sich[219] verpflichtet, jeden edlen Luxus zu fördern, und die Großen des Reiches folgen dem Beispiele der Herrscher.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts sehen wir in Frankreich wie in Deutschland und England das durch Plattendruck hergestellte Mittelstück nebst Eckstücken in Aufnahme kommen, das, in sich geschlossen, nicht mehr, wie bei den der Grolier-Richtung angehörigen Bänden, aus dem gesamten Zierwerk herauswächst, sondern, wie auch[222] die Eckstücke, einen festen Umriß hat, mit dem es sich gegen die übrige Fläche abgrenzt. Die Art der Musterung erinnert an Metallätzung oder eingelegte Arbeit; in der Mitte ist gewöhnlich ein Schriftfeld von ovaler Form ausgespart (Fig. 158). Bisweilen nimmt dies Mittelstück auch die Gestalt der Kartusche an. Indes hält die alte Weise, mit Riemenverschlingungen und Rankenwerk die ganze Fläche zu mustern, noch lange stand. Eine Decke dieser Art, bei der die Mitte mit Vollstempeln bedruckt ist, während im übrigen ziemlich schwere schraffierte Stempel verwendet sind, zeigt Fig. 159. Charakteristisch an dieser und verwandten Decken ist die aus dem Riemenwerk nach oben und unten herauswachsende Palmette.
Als neue Ziermotive erscheinen im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts die Lorbeerzweige, die zur Füllung der von dem Riemenornament umzogenen oder freigelassenen Stellen dienen, und die Spiralschnecke, im Französischen »fanfare« genannt. Unsere Abbildung (Fig. 160) zeigt die Fanfare auf der Decke eines Einbandes, der für den Bibliothekar König Heinrichs III., Jacques Auguste de Thou, gefertigt wurde. An die Namen de Thous, dessen gleichnamiger Sohn die Bücherliebhaberei des Vaters erbte, und Nicolas Eves[6] der seit 1573 den Titel eines Relieur du roi führt, knüpft sich diese Art der Deckenverzierung, in der ein naturalistischer Zug, das unregelmäßig gestaltete, sich der Naturform nähernde Rankenfüllwerk, unverkennbar ist. (Fig. 161.) Noch mehr tritt derselbe hervor in der zierlichen Musterung von kleinen Einbänden, die, abgesehen von wenigen einfassenden Linien, ganz mit Laubkränzen, Blumenzweigen, Blümchen und Blättchen bedeckt sind und die, wie es scheint, von dem jüngeren Eve zuerst angefertigt wurden (Fig. 162). Der hier abgebildete Band führt bereits den Titel auf dem Rücken, dessen breite Fläche ganz so wie die Decken gemustert ist. Der Grundsatz der geometrischen Teilung der Fläche und der allseitig symmetrischen Entwickelung des Ornaments, der bisher für [227] die Verzierung der Decken maßgebend war, ist bei dieser neuen Art der Musterung vollständig verlassen.
Diese blumige Zierweise mit ihren niedlichen Formen erscheint in der verschiedensten Anordnung auf Einbänden, die für die Schwester[229] Heinrichs III., spätere Gemahlin Heinrichs IV., Margarete von Valois, angefertigt sind, und nach ihr wird die Gattung als Margaretenband bezeichnet. Zu derselben Zeit treten auch die mit kleinen Motiven,[230] Blümchen, Lilien, Kronen und dergl., »überstreuten« (semés-) Decken auf.
Unser Beispiel (Fig. 163) zeigt eine schräge Füllung der Ecken, die ebenfalls sehr zierlich gemustert ist, und ein ebenso gehaltenes Mittelstück, das gewissermaßen in der überstreuten Fläche schwimmt.[231] Die Anordnung greift, wie man sieht, wieder zurück auf das persisch-maurische Schema.
Von italienischen Bänden aus jener Zeit geben wir (Fig. 160) ein Beispiel, in welchem die Art der Majolibände freilich in ziemlich steifer und harter Formbehandlung mit dem Eve’schen Zweigmotiv in eine nicht sonderlich organische Verbindung gebracht ist. Die Arbeit[232] an diesem Einbande ist an sich eine vortreffliche. Die Felder sind in gelb, braun und schwarz auf rotem Grunde ausgelegt, die Blätter des Gezweigs, wie immer bei dieser Art der Verzierung, einzeln angedruckt.
Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts erreicht der französische Einband die Höhe der technischen Vollendung, welche den deutschen Einband schon vorher auszeichnete. Der äußere Schmuck des Buches dehnt sich fernerhin auch auf den Schnitt aus, dessen vergoldete Fläche mit den Punzen gemustert oder auch bemalt wird. Einen Schritt weiter that man noch mit der »Doublure«, der Verzierung der Innenseite beider Deckel durch Linien- und Stempelvergoldung, auch hier dem orientalischen Vorbilde folgend.
Das Schicksal des französischen Einbandes bestimmte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der vielgenannte Meister Le Gascon, von dessen Lebensschicksalen keine sichere Kunde auf die Nachwelt gekommen ist. Es gibt auch keinen Einband, der mit dem Namen Le Gascon gezeichnet wäre, ein Umstand, der französischen Forschern zu der Vermutung Anlaß gegeben hat, Le Gascon sei nur der populäre [234] Beiname eines unbekannten Meisters, vielleicht des Florimond Badier gewesen, dessen Name sich auf einer Anzahl Einbänden findet, die dem Genre Le Gascon verwandt sind. Von andern wird diese Annahme wegen der spätern Lebenszeit Badiers bestritten, von dessen Arbeiten wir ein Beispiel (Fig. 164) mitteilen. Auf Le Gascon werden eine Reihe neuer Stempel zurückgeführt, deren Motive vorzugsweise den Spitzenmustern, zum Teil aber auch der Goldschmiedetechnik entlehnt sind. Seine punktierten Stempel (Fig. 165) für Spiralen z. B. lassen ihr Vorbild in Buchbeschlägen vom Anfang des 16. Jahrhunderts erkennen; ein derartiges Vorbild ist in dem Mittelstück eines im Museum zu Düsseldorf bewahrten Missale nachweisbar. Le Gascon war der erste, der seinen Einbänden ein doppeltes farbiges Vorsatz gab. Die Lederspiegel der Innenseite bestehen in den meisten Fällen aus grauem Leder, das mit denselben Stempeln, die für die Verzierung der Außenseite verwendet waren, vergoldet wurde.
Die Grundzüge der Musterung, welche Le Gascon beobachtete, sind nicht immer dieselben. Was allen seinen Arbeiten gemeinsam ist, sind die ungemein zarten, punktierten (pointillés) Stempel, die bald als Ansätze an das Bandwerk erscheinen, bald in Spiralwindungen mit feinen Auswüchsen die Zwischenräume, die das Bandwerk frei läßt, wie mit einem Filigrangewebe überspinnen. (Fig. 166.) Die zu Eckverzierungen oder zur Bezeichnung der Mitte eines umrahmten Feldes dienenden Stempel haben eine rautenähnliche Grundform (Fig. 167) mit mehr oder weniger deutlicher Betonung des Oben und Unten, der Wurzel und der Spitze.
In der Folgezeit kommt das Spitzenmotiv im Anschluß an die damalige Mode und Vorliebe für diesen Kleiderschmuck immer mehr zur Herrschaft. (Fig. 168–170.) Auf Rollen eingeschnitten, ver[235]gröbert es sich indes zusehends, wie denn überhaupt seit den Tagen Le Gascons, dessen Lebenszeit kaum einige Jahre über die Regierung Ludwigs XIII. hinausgeht, ein Rückgang in der Buchbinderei Frankreichs sich bemerkbar macht.
Die Verzierung mit feingliederigen Stempeln führte die Bezeichnung »à petits fers«, die zusammengesetzten Spitzenborden hießen »à dentelle«. Außerdem fand auch die Musterung à l’éventail, die[236] fächerartige Verzierung, in Frankreich Eingang, die zu jener Zeit vorzugsweise in Deutschland zur Entwickelung kam und gern die ganze Buchfläche überwucherte. In Frankreich war man mit dieser Zierweise sparsamer und begnügte sich ebenso wie in Italien meistens nur Ecken und Mitte, jene mit einer Viertel-, diese mit einer vollen, fächerartig gebildeten Rosette zu bedrucken. Zur Verlängerung der Fächerstrahlen wurden dann noch kleine Spitzenstempel hier und da angesetzt. Einen im einzelnen wie in der Gesamtanordnung des Zierwerks besonders schönen Band der Art mit einem bischöflichen Wappen geben wir in Fig. 171 wieder.
Im 18. Jahrhundert begegnen wir noch einigen Berühmtheiten in der französischen Buchbinderei. Dérome und Padeloup sind vielgenannte Namen von Buchbinderfamilien, auch die Namen Dubuisson und Thouvenin haben noch guten Klang bei den Bücherliebhabern unserer Zeit. Es kommen neue Stempelformen[237] auf und neue Zusammenstellungen der alten und neuen Zierstücke und Stückchen, aber es wird nichts von durchgreifender Bedeutung mehr geschaffen. Von den Versuchen Déromes, einen originellen Zug in das Spitzenornament zu bringen, mag unsere Abbildung (Fig. 172) einen Begriff geben; von den Mitteln, mit denen Padeloup die Brillantschmuckformen auf die Buchdecke zu übertragen und mit farbiger Mosaik zu wirken wußte, gibt Fig. 173 eine annähernde Vorstellung. Die an den Rändern als »Kante« hinlaufende Spitzenborde[238] bildet im 18. Jahrhundert häufig den einzigen Schmuck der Decke, deren mittlere Fläche wie bei dem Spiegel der Innenseiten schmucklos sind.
Was das 18. Jahrhundert der Buchbinderei an neuen Dekorationsmitteln brachte, war eine Fülle von verschiedenartigen Vorsatzpapieren mit unbegrenzten (Tapeten-) Mustern. Sonderbarerweise findet sich das unbegrenzte Muster auch auf den Decken ein, und zwar als »Mosaik«, d. h. in aufgelegter Arbeit, ein Zeichen für die völlige Ermattung des Stilgefühls. (Fig. 174.) An Stelle des Leders wird mehr und mehr Seide mit Stickerei und Flitterwerk als Überzug der Decke verwendet.
Das graziöse und kapriziöse Formenwesen des Rokoko, das vom Stuck sich auf alle Gebiete des Kunsthandwerks übertrug, ist an der Buchbinderei nahezu spurlos vorübergegangen. Nur bei dem mit Silber plattierten Einbänden macht es sich und zwar in sehr ausgesprochener Weise (Fig. 175) geltend.
Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts fand in Deutschland die Handvergoldung Eingang und mit ihr die im Sinne des italienischen Renaissancebandes veränderte Anordnung des Zierats. Der althergebrachte »weiße« Einband mit Blindpressung auf Pergament oder Schweinsleder (vergl. S. 170) behauptet aber nebenher seine Geltung als bürgerlicher oder Buchhändlerband und verschwindet erst im 18. Jahrhundert aus dem litterarischen Verkehr.
Kaum minder zähe hielt die deutsche Sitte an dem Holzdeckel fest, der bei großen und schweren Bänden bis tief ins 18. Jahrhundert in Übung blieb, auch in Fällen, wo statt der Blindpressung eine reiche Verzierung in Golddruck beliebt wurde. Ja selbst im 19. Jahrhundert verwandte man noch sog. Spaltendeckel.
Ebenso galt das Beschläge lange noch für einen unerläßlichen Schmuck an Bänden vornehmer Art und fand sich auch auf den mit Pappeinlage versehenen Deckeln ein, obwohl an seine ursprüngliche Bedeutung als Schutzmittel gegen Stoß und Reibung kaum noch gedacht wurde.
Auch an den hohen Bünden und der durch die Bundwülste gegebenen Einteilung des Rückens hielt der deutsche Einband mit Ausdauer fest, als in Frankreich und Italien schon längst der glatte Rücken an der Tagesordnung war.
Unter den deutschen Renaissancebänden mit Handvergoldung lassen sich zwei Typen deutlich unterscheiden; der eine ist durch die aus einer Platte hergestellten Eckstücke und durch das ebenfalls als Platte erscheinende Mittelstück charakterisiert, der andere durch die nach italienisch-französischer Art aus kleinen Stempeln »komponierten« Muster für Mitte und Ecken oder auch für die ganze Fläche der Decke.
Die Platten- oder Stockdruckverzierung kommt meistens in Verbindung mit dem Rollendruck vor und nur ungern scheinen die deutschen Buchbinder das zur Bordenbildung bequeme Werkzeug beiseite gelegt zu haben. (Fig. 176.) Die gemusterte Borde, die bei der Blindpressung fortdauernd die Hauptrolle spielt, treffen wir daher noch oft auf deutschen Renaissancebänden, wenn auch nicht mehr in der Breite, die ihr ehedem eingeräumt war.
Bemerkenswert ist noch der Umstand, daß der Plattendruck mitunter ganz nach orientalischer Weise ausgeübt wurde, insofern das Ornament in Lederfarbe, der Grund aber golden erscheint.
Unsere Abbildung (Fig. 178) zeigt eine Decke, die mit drei Platten, zwei für die Ecken, eine für die Mitte, bedruckt ist. Die[241] Eckstücke sind aber nicht nach einem Muster geschnitten und der Buchbinder hat aus der Not eine Tugend gemacht, indem er das ihm fehlende linksseitige Eckstück durch ein anderes, formverwandtes[242] aus seinem Vorrat ersetzte. Der zwischen Eckstücken und Mittelstücken frei bleibende Grund ist mit Sternen besät. Diese Art der Musterung des unverzierten Grundes — statt der Sterne kommen auch kleine Blüten, Blätter u. s. w. vor — war allgemein beliebt; die Scheu vor leeren Stellen, der horror vacui, den der Blinddruckband erkennen läßt, übertrug sich auch auf den Golddruckeinband.
Die Kunst der Handvergoldung ist ohne Frage über die Alpen nach Deutschland gekommen, und zwar auf dem Wege des Handels und Meßverkehrs, namentlich der in Frankfurt blühenden Buchhändlermesse, die sowohl von italienischen wie auch von französischen Verlegern oder deren Agenten besucht zu werden pflegte. Auch sonst herrschte zwischen den Handelsstädten Norditaliens und denjenigen Süddeutschlands und Flanderns ein reger Warenaustausch, der zweifellos italienische Bände nach Augsburg, Nürnberg, Frankfurt sowohl wie auch nach Gent und Brügge brachte. Fürstliche und fürstlich gesinnte Bücherfreunde, die es freilich in Deutschland nicht in so großer Anzahl gab wie in Italien und Frankreich, von denen aber doch einige mit Auszeichnung zu nennen sind, so die Augsburger Fugger, die Grafen Mansfeld, vor allen aber der Kurfürst August von Sachsen, veranlaßten dann die Einbürgerung der neuen Art der Buchverzierung, und die deutschen Stempelschneider, deren Kunstfertigkeit auf hoher Stufe stand, sorgten dafür, daß es an den verschiedenartigsten Vergolderstempeln nicht fehlte. Die Formen dieser Stempel wurden in den Grundzügen den fremdländischen nachgebildet, dabei aber in selbständiger Weise gemodelt, so daß sie sich deutlich von jenen unterscheiden. (Vergl. Fig. 179.) Wie hätte es auch anders sein können bei der fruchtbaren Thätigkeit der zahlreichen Ornamentstecher, die unter dem Namen der Kleinmeister in der Kunstgeschichte des 16. Jahrhunderts eine so wichtige Rolle spielen. Namentlich sind die Flachmuster von Peter Flötner (s. S. 186), aber auch die ornamentalen Erfindungen von Aldegrever, Hopfer, Virgil Solis häufig von den Stempelschneidern benutzt worden. Dem letztgenannten Meister wird eine in der Bibliothek des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig befindliche große Rolle mit Bildnissen von Königen zugeschrieben, eine der wenigen, die sich aus jener Zeit erhalten haben.
Unter den deutschen Fürsten haben vorzugsweise die sächsischen der Buchbinderei im Sinne der italienisch-französischen Deckenverzierung Vorschub geleistet. Die Hofbibliothek zu Dresden enthält eine große Anzahl von Bänden, die entweder durch die Inschrift A. H. Z. S. C. (August, Herzog zu Sachsen, Kurfürst) oder durch den Charakter der Verzierung als zu der Bibliothek des Kurfürsten August gehörig gekennzeichnet sind. Die von dem Kurfürsten († 1586) in dem alten Kanzleigebäude auf der Schloßterrasse errichtete Buchbinderei stand seit 1566 unter der Leitung des von Augsburg berufenen [244] Jakob Krauße, dem 1578 Kaspar Mauser im Amte nachfolgte. Von dem Letztgenannten dürfte daher der Einband herrühren, dessen Rückseite wir in Fig. 179 wiedergeben. Das Beschläge der Ecken ist mittelst Linie und Borde abgegrenzt, so daß die Mittelfläche aus einem Viereck mit einem oben und unten vorgelegten rechteckigen Felde besteht; auf der Vorderseite erscheint das kursächsische, auf der hier abgebildeten Rückseite das markgräflich-brandenburgische Wappen inmitten eines aus Bogen und schraffiertem Blattwerk[245] gebildeten Ornaments, während die Ecken mittelst Stockdrucks verziert sind.
Den Dresdener Einbänden sehr ähnlich sind eine Anzahl von Bänden in der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, meistens bezeichnet F. D. H. Z. S., also für einen Herzog oder eine Herzogin von Sachsen gefertigt. Die schönsten darunter hat Stockbauer in seinen Mustereinbänden herausgegeben. Der Rahmen ist aus mehreren, meist gerollten Borden, seltener aus einer einzigen (vergl. S. 103) gebildet; in den Ecken desselben findet sich gewöhnlich das im orientalischen Sinne ausgeführte Zierstück, das dann, vierfach zusammengelegt, auch wohl zur Bildung des Mittelstückes dient. Die Spiegelfläche ist getüpfelt und trägt mitunter eine ganz im Sinne der deutschen Renaissance gedachte Kartusche, ein Wappen oder ein kreisförmig gestaltetes Zierstück. Die Einzelformen der Stempel decken sich nicht mit denen, die auf den Dresdener Einbänden vorkommen, wenn sie ihnen auch verwandt sind, weshalb man auf eine andere Werkstätte zu schließen berechtigt ist. (Vergl. Fig. 177.)
In auffälliger Weise abweichend erscheint eine Gruppe der mit der gleichen Bezeichnung versehenen Wolfenbütteler Bände. Bemerkenswert an diesen sind die kleinen, eng gewundenen, in einem Punkte endigenden Spiralen, die als Ansätze an großen, den Grundzug des Ornaments bildenden Spirallinien angebracht sind (vergl. Fig. 180). Unser Beispiel zeigt wieder den mit einem kleinen Stempel ganz überdruckten Grund und neben den sehr weit nach der Mitte vortretenden Eckfüllungen ein frei schwebendes Mittelornament, eine Anordnung, die sich der orientalischen Art nähert. Ein gewisser stilistischer Zusammenhang zwischen dieser deutschen Einbandgruppe und der französischen, die wir in Fig. 161 kennen lernten, läßt darauf schließen, daß eine lebhafte Wechselwirkung zwischen beiden Ländern auf dem Felde der Buchverzierung stattfand, ohne daß der deutsche Geschmack sich sklavisch an die französischen Muster gehalten hätte. Diese Beobachtung kann man auch in der Folgezeit machen, in der auch die deutsche Buchbinderei die Spitzenmotive für Rollen sowohl wie für Stempel aufnimmt. Eigentümlich deutsch erscheint daneben aber das Fächerornament, das uns einerseits an die verwandten Zierformen des Balkenwerks norddeutscher Holzbauten erinnert, anderseits aber orientalisch anmutet. (Vergl. Fig. 181.) In den Ecken angewendet, füllt es diese in Viertelkreisform, in der Mitte wird es zur Rosette und erhält dann oben und unten Spitzenansätze, die zur besseren Füllung der Mittelfläche an die Rosette mehr angeschoben als mit ihr verbunden sind (vergl. Fig. 181.)
Dies feine Zierwerk, das sich auch in den Seitenfeldern zwischen der Borde und dem mittleren Sechseck auf unserem Beispiel findet, ist den französischen Zierstempeln, die wir oben kennen lernten (Fig. 167), aufs engste verwandt.
Sehr verschieden von dieser durch geradlinige Einteilung der Fläche auffallenden Decke sind die Rosettendecken, bei denen Bandverschlingungen ähnlicher Art, wie sie auf den Bänden Le Gascons vorkommen, die Fläche feldern und dabei die Rücksicht auf den[248] symmetrischen Eindruck beiseite setzen. Die Führung dieser Bandornamente ist so getroffen, daß möglichst viel kreisrunde Felder, größere und kleinere, entstehen, deren Füllung dann die Rosette bildet. Die übrigen leeren Stellen des Grundes sind ganz klein gemustert mit Sternchen oder Punkten, jedoch nicht in so sparsamer Weise, wie bei dem französischen Streumuster, sondern dicht gedrängt, als ob die Fläche mit den Punzen behandelt worden wäre.
Noch einer besonderen Gruppe von Decken haben wir zu erwähnen, die vorzugsweise in Bayern angefertigt zu sein scheinen. Stockbauer hat in seinen Abbildungen von Mustereinbänden einen Einband dieser Art mit dem kurbayrischen Wappen veröffentlicht und dem Verfasser sind ebenfalls mehrere verwandte Arbeiten mit dem bayrischen Wappen zu Gesichte gekommen. Das Eigentümliche an diesen Bänden ist, daß einzelne Blättchen des mit der Punktschnecke durchsetzten Ornaments mit Silber ausgemalt sind; die Silberbronze ist zu diesem Zweck vermutlich mit weißer Farbe gemischt worden.
Der dreißigjährige Krieg, in welchem das gesamte deutsche Kulturleben nahezu verödete, führte auch den Niedergang der Buchdeckelverzierung herbei. Indes fehlte es in der nachfolgenden Zeit nicht an Bestrebungen, die alte Kunstübung wieder aufzufrischen. Zu den von früher her gebräuchlichen Stempeln mit feinem Spitzenwerk, zu der Rosette und Punktschnecke traten naturalistisch gezeichnete Blumen in großen Formen, wie sie auch auf Tapeten aus jener Zeit vorkommen (Fig. 182).
Auch die Art des Netzwerks, in welchem diese Blumen oft neben oder in Verbindung mit dem zarten Spitzenwerk erscheinen, erinnert an die Tapete mit ihrem nach allen Richtungen gleichmäßig wiederkehrenden Rapporte (Fig. 183).
Dieser niederdeutschen Decke stellen wir eine gleichzeitige aus Steiermark gegenüber (Fig. 184), bei der die Gesamtanordnung und die dichte und verschiedenartige Musterung der leeren Flächen einen der in Fig. 181 gegebenen Decke verwandten Zug offenbart. Die Rosette erscheint hier als Füllung des halbkreisförmigen Abschlusses[249] der in den Rahmen gewissermaßen eingelegten Felder, deren übrige Fläche mit einem von einer kleinen Vase aufsteigenden Zweige mit dichtem, geflammtem Laubwerk gefüllt ist. Das schöne Beschläge an den Ecken und auf der Mitte erhöht noch die prachtvolle Gesamtwirkung dieser Decke, die eine Pergamenthandschrift aus dem 15. Jahrhundert umschließt.
Einen nicht minder prächtigen Einband mit Rosetten und zierlichem Füllwerk in den durch Bandverschlingungen gebildeten Feldern bewahrt das Leipziger Kunstgewerbemuseum. Den Inhalt bildet eine Bibel in Folio, Lüneburger Druck vom Jahre 1665.
Es verlohnt sich nicht, den deutschen, mit Handvergoldung verzierten Einband über das Ende des 17. Jahrhunderts zu verfolgen.[251] Der frühere Lederband wird mehr und mehr von dem sog. Halbfranzbande verdrängt, bei dem nur noch der Rücken der Handvergoldung den nötigen Spielraum bietet. Die Musterung des Rückens war bisher bedingt gewesen von den hoch liegenden Bünden, und die Verzierung der durch sie abgeteilten Felder bestand gewöhnlich in einem als laufendes Band sich darstellenden oder auch schuppenartig gebildeten Ornament (Fig. 185), das mit der Filete gedruckt wurde. Im 18. Jahrhundert kommt, wie schon früher in Frankreich und Italien, der glatte Rücken auf, ohne freilich die bisher üblichen hohen Bünde ganz zu verdrängen.
Zum Schluß bleibt uns noch ein Blick auf die Pergamentbände übrig, die in der hergebrachten Weise mit Blindpressung auch noch im 18. Jahrhundert ihr Dasein fristen, dabei von dem Wechsel des Geschmacks in Bezug auf die Zierformen der Platten und Stempel mehr oder weniger berührt werden. (Vgl. das Schlußstück S. 155 und die Decke S. 156.) Im 17. Jahrhundert begegnen wir den Versuchen, mittelst farbiger Bemalung dem Pergamentbande einen besonderen Reiz zu verleihen. Die mit Leerstempeln gedruckten Zierformen wurden mit Beiz- oder Lackfarben ausgemalt, und es entstand so eine Art von bunten Einbänden, die meist als Emailbände bezeichnet werden, obwohl sie mit Email nichts zu thun haben. Die großen naturalistischen Blumen erinnern dabei an die sog. Bauernmajolika. Diese bunten Pergamentbände kommen vorzugsweise bei den damals üblichen Brautbüchern vor.
Außer dem deutschen, französischen und italienischen Einbande hat nur noch der englische ein geschichtliches Interesse für uns.
Der schlichte bürgerliche Einband mit Blindpressung war auch jenseits des Kanals in den ersten Zeiten des gedruckten Buches allgemein üblich. Daneben gab es aber auch sehr kostbare Einbände, die der Hauptsache nach für den Hof und den ihm nahe stehenden Adel angefertigt wurden. Eine Anzahl derselben bewahrt das Britische Museum. Sie sind zum größten Teile mit Samt, auch wohl mit anderen kostbaren Webstoffen, wie Damast und Goldbrokat, überzogen und mit einem reichen Gold- oder Silberbeschlag versehen.[252] Heinrich VIII. und die Königin Elisabeth zeichneten sich durch ihre Liebhaberei für Bücher und Büchereinbände aus, wie aus den Rechnungsbüchern des königlichen Haushalts deutlich zu ersehen ist. Unter Elisabeth wurde es Gebrauch, für Buchüberzüge auch Stickereien zu verwenden, deren Mittelstück das königliche Wappen bildete; vorzugsweise wurden Bibeln und Erbauungsbücher in dieser Weise ausgestattet. Die Sitte ist vielleicht von Flandern nach England gekommen, da auch hier die gestickten Einbände zu Anfang des 17. Jahrhunderts nachweisbar sind und Flandern neben Italien das klassische Land der Stickerei- und Spitzenindustrie ist. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kommt in England ebenfalls der vergoldete Lederband in Aufnahme, und auch für die königliche Bibliothek bildet er seit Jakob I. die Regel, während nur noch ausnahmsweise der Samt und das kostbare Beschläge zur Verwendung kommen. Die Einwanderung des italienisch-französischen Lederbandes wird an eine ganz bestimmte Thatsache geknüpft, nämlich an die Gefangenschaft des französischen Bibliophilen Louis de St. Maure, Marquis de Nesles, welcher, 1559 als Geisel ausgeliefert, später in England verblieb und Stammvater des hochangesehenen Geschlechts der Seymour wurde. (Vergl. Fig. 149.)
Der Hofbuchbinder Jakobs I. hieß John Gibson, und aus einer Rechnung, die sich von ihm erhalten hat, ist zu entnehmen, wie hoch die Buchbinderarbeit damals im Preise stand; Gibson erhielt nämlich für einen vergoldeten Folioband 20, für einen ebenfalls vergoldeten Oktavband 10 Schillinge, und für einen gewöhnlichen Pergamentband 3 Schillinge.
Unter den Bücherliebhabern jener Zeit steht obenan Sir Thomas Bodley, der die Universität Oxford mit einer großen[254] Büchersammlung (die Bodleiana) bereicherte, die ihm angeblich 200000 Pfd. St. gekostet haben soll, und derselben zur Vermehrung und Verwaltung ihrer Bücherschätze eine große Summe vermachte. Die Universitäten Oxford und Cambridge wetteiferten mit dem Hofe in Bezug auf schöne und haltbare Einbände. Die gediegene und sorgfältige Arbeit ist denn auch seit jener Zeit eine hervorstechende Eigentümlichkeit des englischen Einbandes geworden, und diesen Vorzug bewahrte sich die englische Buchbinderei auch im 18. Jahrhundert, das sonst fast in allen Ländern ein Nachlassen der früheren Tüchtigkeit mit sich brachte.
Die Ornamentierung der Lederbände des 16. und 17. Jahrhunderts richtete sich nach den von Frankreich und Deutschland herübergekommenen Mustern. Eine Zeitlang fand auch der sächsische Einband mit den gemalten Bildnissen der Reformatoren günstige Aufnahme und Nachahmung. Unter den ornamentalen Mittelstücken finden sich manche, die mit den deutschen, an Ätzarbeit erinnernden Prägestempeln formverwandt sind (vergl. Fig. 186).
Einer eigentümlich englischen, vielleicht mit Jakob I. von Schottland herübergekommenen Musterung der Decke begegnen wir zuerst im Laufe des 17. Jahrhunderts. Quaritch teilt in seinem »Facsimiles of bookbinding« einige Beispiele dieser schottischen Art mit. Das Charakteristische daran ist der Blütenzweig oder Stengel, der, mit dem Fußende nach dem Rande zu gerichtet oder auch umgekehrt vom Mittelfelde zum Rande aufwachsend, unter steter Wiederholung oder mit einem ähnlichen Motiv wechselnd den des festen Gefüges entbehrenden Rahmen bildet. Auf schottischen Einbänden des 18. Jahrhunderts zeigt auch das Mittelfeld dies Gezweige, das sich von der Mitte aus nach unten und oben zu entwickelt, ähnlich wie das Zweigwerk in den Seitenfeldern des oben mitgeteilten steirischen Bandes (Fig. 184). Die Gehrung des Rahmens ist mitunter durch den Stengel betont, der sich beiderseits verzweigt und oben in einer Blume endet (Fig. 187). Ein von Quaritch wiedergegebener Band aus der Bibliothek Jakobs I. hat ein sonderbares Streumuster im[255] Mittelfelde, Kronen, Zweige, Rosen und andere kleine Ornamente sind regellos durcheinander gewürfelt und umgeben dicht gedrängt das die Mitte einnehmende königliche Wappen. Die weichen, der[256] Naturform bisweilen sehr nahe kommenden Stempelmotive (Fig. 188) lassen den Einfluß der Stickerei erkennen, der im 18. Jahrhundert noch wunderlichere Blüten treibt, wie aus dem Beispiel ersichtlich, das wir der von Wheatley herausgegebenen Sammlung von Bucheinbänden des Britischen Museums entlehnen. (Fig. 189.)
Im 18. Jahrhundert gab der große Bücherfreund Harley, Graf von Oxford, für die Deckenverzierung den Ton an. Die Büchersammlung desselben ist später mit der Bibliothek des Britischen Museums vereinigt. In Fig. 190 geben wir einige Zierformen solcher[257] Harley-Bände; das Ornament ist offenbar von den Spitzenmusterstempeln abgeleitet, macht aber den Versuch, die Naturform von Knospen und Blüten damit in Einklang zu bringen. Die Harley-Bände haben in der Regel einen roten Maroquin-Überzug, der Deckel eine breite Umrahmung und ein Mittelornament, während die Ecken gewöhnlich unverziert erscheinen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts steht Roger Payne († 1797) an der Spitze der englischen Buchbinderei. Seine mit der peinlichsten Sorgfalt ausgeführten Arbeiten wurden im wahren Sinne des Wortes mit Gold aufgewogen. Er war hauptsächlich für Lord Spencer beschäftigt, der ihm einmal für einen einzigen Einband 80 Pfd. St., also 1600 Mark bezahlt hat. Ein bekanntes Meisterwerk von ihm ist ein Folioband, dessen Inhalt die Dramen des Aischylos bilden (Glasgow, 1795); die Rechnung darüber hat sich noch erhalten und beträgt 16 Pfd. St., 7 Sch., also 327 Mark. Von den Stempeln, die er verwendete, geben wir einige in Abbildung wieder (Fig. 191). Wie ersichtlich, hat der Zeichner die Naturform im Auge gehabt und nicht ungeschickt mit den schlichten Mitteln Blätter und Blüten, wie er sie sah, charakterisiert. Der realistische Zug, der die englische Malerei des vorigen Jahrhunderts beherrscht, kommt auch in diesen kleinen Ornamenten deutlich zum Vorschein. Der Streugrund wurde von Payne mit Vorliebe verwendet; in der Gesamtanordnung des Ornaments folgte er vorzugsweise dem französischen Beispiel.
Auch im 19. Jahrhundert hielt sich die Buchbinderkunst in England auf der erreichten Höhe. Kein Land hat eine so große Zahl reicher Bücherfreunde aufzuweisen wie England, und es ist begreiflich, daß auch keins so vielen Namen von Buchbindern zur Berühmtheit verholfen hat.
Der allgemeine Verfall des Kunsthandwerks im 18. Jahrhundert macht sich nirgends deutlicher bemerkbar, als in der Buchbinderei. Die besseren Ledersorten, wie das Maroquin und das Kalbleder, kommen mehr und mehr außer Gebrauch und werden durch Schafleder ersetzt. Als von besonders vornehmer Art erschien der Seidenband gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wie er gern für Almanache und ähnliche, zu Geschenken für Frauen bestimmte Bücher verwendet wurde. Der Durchschnittsband hatte einen Lederrücken mit einem aufgeklebten Papierschilde. Wollte man ein übriges thun, so wurde das Leder marmoriert oder mit aufgesprengten Farben bunt gemacht.
Das 19. Jahrhundert zehrte anfangs noch an der Erbschaft früherer Zeiten und benutzte die alten Stempel oft in geradezu gedankenloser Weise. Was an neuen Zierformen hinzukam, war nichts weniger als mustergültig. In Fig. 192 geben wir ein Beispiel dieser trostlosen Art der Deckenverzierung. Hier und da werden Versuche gemacht, etwas ganz Außerordentliches durch die Zusammensetzung[258] von Bogen und Linien zu leisten, indem man sich dabei bis zur Wiedergabe architektonischer Gebilde verstieg. Ein äußerst beliebtes Kunststück war es, auf einer Fläche, die der Größe eines Felles Saffian entsprach, das Vaterunser zu drucken, und zwar so, daß die Form der Buchstaben aus Bogen, Linien und Stempeln hergestellt wurde.
Die besten Buchbinder Deutschlands gingen damals außer Landes, um fern von der Heimat an dem Aufschwunge mitzuhelfen, der seit der ersten Weltausstellung in London auf allen Gebieten des Gewerb[259]fleißes eintrat. Schon zwischen 1830 und 1840 kommt der deutsche Meister Purgold in Paris zu gebührendem Ansehen, später dessen Schwiegersohn Georg Trautz, der Begründer einer der vornehmsten Buchbindereien unter der Firma »Trautz-Bauzonnet«. In England gründeten nacheinander Baumgärtner und Kalthöfer Buchbindereien, die sich eines begründeten Ansehens erfreuten. Ihre Leistungen wurden indes noch weit übertroffen von Joseph Zaehnsdorf, der sich unter den mißlichsten Verhältnissen in die Höhe arbeitete und, [260] unterstützt von seinem Mitarbeiter Mäullen, einem Rheinländer, seinem Geschäfte einen Weltruf zu verschaffen wußte. Er starb hochbetagt im Dezember 1886. Sein Sohn folgte ihm im Geschäft. Auch in Rom und Florenz entwickelten deutsche Buchbinder eine erfolgreiche Thätigkeit.
Die kunstgewerbliche Bewegung in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts, das Trachten und Streben, den verlorenen Sinn für die schöne Form der Gebrauchsgegenstände wiederzugewinnen, kam in Deutschland nur langsam in Fluß. Erst die Wiener Weltausstellung von 1873 zeigte die ersten Spuren der ästhetischen Erziehung an der Hand mustergültiger Vorbilder aus früheren Jahrhunderten auch auf dem Gebiete der Buchbinderei. Der Wiener Meister Franz Wunder vor allem erneuerte die alte Ledermosaikarbeit mit gutem Geschmack und reichem Erfolg. (Fig. 193.) Ebenso verdanken wir ihm die Wiedereinführung des Lederschnitts.
Die Franzosen traten schon früher in die Reihen mit der Wiederbelebung der alten Kunstweise. Bei Grolier-, Le Gascon- und Dérome-Bänden wurden Anleihen gemacht, dabei fehlte es aber auch nicht an Versuchen, Originelles zu leisten und eigene dekorative Gedanken zur Geltung zu bringen. Die namhaftesten Meister in Paris sind Pagnant, Magnin, Michel, Engelmann und Amand, von dem wir in Fig. 194 eine nicht überreiche, aber mit ihren zierlichen Schmuckformen gefällig wirkende Decke bringen. Wer sich über diese modern-französischen Arbeiten näher unterrichten will, findet das Material übersichtlich zusammen in dem Werke von Uzanne »la reliure moderne«.
In den letzten Jahrzehnten hat namentlich in Leipzig die Buchbinderei eine allerdings mehr in die Breite als in die Tiefe gehende Entwickelung genommen. Das darf insofern nicht wunder nehmen als ja heutzutage der mit Plattendruck in der Vergolderpresse hergestellte, oft in den buntesten Farben schillernde Kalikoband der Kunst des Buchbinders nicht allzuviel mehr zumutet. Immerhin sorgt aber die glücklicherweise auch in Deutschland zunehmende Bücherliebhaberei dafür, daß auch die Handarbeit mit Stempeln und Fileten zu Ehren kommt und verdientermaßen gewürdigt wird.
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(Die hinten angeführte Ziffer bedeutet die Seitenzahl.)
Borde von einem ägypt.-arabischen Einbande 3. | |
1. | Weicher Einband mit Überschlag 4. |
2. | Einband mit überstehendem Leder 5. |
3. | Buchbeutel 5. |
Aufhängen planierter Bogen 6. | |
Borde von einem arabischen Einbande 7. | |
4. | Handpresse mit Preßbengel 9. |
5. | Das Richten der Kolumnen 13. |
6. | Niederstreichen des Falzstrichs 13. |
7. | Ergreifen des Bogens zum zweiten Bruch 14. |
8. | Niederbiegen des zweiten Bruches 14. |
Borde von einem arab.-ägyptischen Bande 19. | |
9. | Das Kollationieren 25. |
Borde von einem arab. Einbande 31. | |
10. | Heftlade 32. |
Heftstift und Heftklammer 34. | |
11. | Heftknoten 38. |
12. | Preßknecht 38. |
13. | Drahtheftmaschine 41. |
14. | Prüfen abgepreßter Bücher 43. |
15. | Das Nachrichten 43. |
16. | Kaschiereisen 45. |
17. | Scharf abgepreßtes Buch 45. |
18. | Buch, für Pappband abgepreßt 45. |
19. | Rückenrundemaschine 46. |
20. | Abpreßmaschine 46. |
21. | Beschneiden des Buches 47. |
22. | Einsetzen des Buches mit dem Sattel 47. |
23. | Beschneidemaschine mit Hebelwerk 48. |
24. | Desgl. mit Schwungrad 49. |
25. | Schmalschneidevorrichtung 50. |
26. | Leimkessel 51. |
27. | Farbiger Zierschnitt 53. |
28. | Frühitalienischer Zierschnitt 54. |
29. | Italien. Zierschnitt des 16. Jahrh. 54. |
30. | Gemalter Zierschnitt, Frankreich, 17. Jahrh. 54. |
31. | Desgl. Sachsen, 17. Jahrh. 55. |
32. | Gepunzter Zierschnitt, Deutschland, 18. Jahrh. 55. |
33. | Sandschnitt 57. |
34. | Stärkeschnitt 58. |
35–38. Kleisterschnitte 59. | |
39. | Glättzähne 60. |
40. | Marmorierkasten mit Zubehör 63. |
Zugformen für Kammschnitt 69. | |
Zum Vergolden eingesetzter Vorderschnitt 73. | |
41. | Zum Vergolden eingesetzter Oberschnitt 77. |
42–43. Stempel zum Punzieren der Schnitte 80. | |
44. | Vierteilig umflochtenes Kapital 82. |
45. | Zweifarbiges Flechtkapital 82. |
46. | Mit Lederriemen durchflochtenes Kapital 82. |
47. | Zweifarbiges Kapital mit doppelter Einlage 83. |
48. | Kapital vom Berge Athos 83. |
49. | Das Umstechen des Kapitals 85. |
50. | Zweifarbig umstochenes Kapital 85. |
51. | Orientalisches Kapital 87. |
Borde von einem arab. Einbande 88. | |
52. | Pappschere 90. |
53. | Offenbacher und Pariser Schärfmesser 95. |
54. | Das Einschlagen des Kapitals 98. |
55. | Ausschneiden d. Überzugsecken 101. |
Borde von einem Wolffenbütteler Bande, 1572. 103. | |
[267] 56. | Zurichtung der Vorsätze 105. |
57. | Anreiben des Vorsatzes im tiefen Falz 105. |
58. | Tiefer Falz mit eingeklebtem Papiervorsatz 106. |
59. | Großer Glättkolben 108. |
Gotische Borde 110. | |
60. | Gepunzte Decke v. Berge Athos 111. |
61. | Deutscher Einband mit Lederritzung, 15. Jahrh. 112. |
62. | Rückseite von einem Brevier, Ende des 15. Jahrh. 114. |
63. | Deutsches Streicheisen 115. |
64. | Streicheisen, Rolle, Stempel und Filete 115. |
65. | Wärmapparate 115. |
66. | Klemmvorrichtung 117. |
67. | Modern-gotischer Einband 118. |
68. | Gotische Stempel 119. |
69. | Randverzierung in Blinddruck 119. |
70. | Moderner Renaissanceband mit Blinddruckverzierung 120. |
71. | Kleiner Glättkolben 121. |
Gotische Randverzierung 122. | |
72–79. Muster für Rückenvergoldung 126–127. | |
80. | Verschiedene Filetenmuster 128. |
81. | Schriftkasten 129. |
82–88. Verschiedene Rücken mit Bundeinteilung 132–133. | |
89–94. Innere Kantenverg. 136–137. | |
95. | Spiegel mit unsym. Mittelverz. 138. |
96–97. Desgl. mit eingesetztem Rahmen und freiem Mittelfelde 139–140. | |
98. | Desgl. mit gestirnter Fläche 141. |
99. | Desgl. mit breiten Eckfüllungen 142. |
100. | Spiegel mit unsym. Füllung 143. |
101. | Albumdecke mit Lederauflage, von M. Göhre 144. |
102. | Oktavdecke mit Ledermosaik, von demselben 145. |
103. | Oktavdecke mit Lederauflage, von P. Horn 146. |
104. | Deckenentwurf für Lederauflage, von P. Adam 147. |
105. | Vergoldepresse 150. |
Leiste von einem Wolfenbütteler Bande 159. | |
Kranzrollenmuster von einem Athosbande 162. | |
106. | Deckel eines Evangelienbuchs, um 1050. 163. |
107. | Buchdeckel aus dem 12. Jahrh. 165. |
108. | Deckel eines Evangeliars, 14. Jahrh. 166. |
109. | Desgl. von Anton Eisenhoit, um 1590. 167. |
110. | Einbanddecke des Tucherschen Geschlechterbuchs, 1559. 168. |
111. | Buchschließe 16. Jahrh. 170. |
112. | Vorderdecke eines Schwabenspiegels, 15. Jahrh. 171. |
113–118. Stempel für Blinddruckverzierung 172. | |
119. | Gotischer Band mit Rautenmuster 173. |
120–121. Gotische Friese 174. | |
122. | Decke mit Stockdruckverzierung. 1520. 175. |
123. | Decke von einem Lederbande in Ochsenfurt 178. |
124. | Teil der Decke des Gerichtsbuchs von Ochsenfurt 179. |
125. | Meßbuch aus Bamberg 180. |
126. | Ital. Einband, Ende 15. Jahrh. 182. |
127. | Desgl. 184. |
128. | Bordenstempel von Athos-Buchdecken 185. |
Maureske Füllung v. P. Flötner 186. | |
129. | Persischer Koran, 17. Jahrh. 187. |
130. | Arabischer Einband 188. |
131. | Desgl. Mitte des 16. Jahrh. 189. |
132. | Desgl. mit Fächerornament 191. |
133. | Orientalischer Buchschnitt 192. |
134. | Arab. Buchdeckel, 16. Jahrh. 193. |
135. | Deckelklappe von einem pers. Koran, 17. Jahrh. 194. |
136. | Pers. Einband, 17. Jahrh. 195. |
137. | Innenseite eines pers. Deckels 197. |
138–141. Maurische Ledervorsätze 198. | |
[268] 142. | Gravierter türkisch-ägyptischer Einband, 16.-17. Jahrh. 199. |
143. | Einband a. d. Corvina, um 1480. 202. |
Borde von einem franz. Einbande, 16. Jahrh. 204. | |
144. | Majoliband 206. |
144a. | Rücken dieses Bandes 207. |
145. | Maureske Füllung von einem italienischen Einbande 208. |
146. | Früher Grolier-Band 210. |
147. | Decke eines für Heinrich II. gebundenen Bandes, um 1560. 211. |
148b. | Decke eines italienischen Einbandes, 16. Jahrh. 213. |
148a. | Rücken dieses Einbandes 212. |
149. | Decke mit farbigem Riemenwerk, gef. für St. Maure 214. |
150. | Desgl. mit Bogendruckverzierung, für Franz I. 215. |
151. | Italienische Leerstempel 216. |
152. | Einbanddecke v. Geoffroy Tory 217. |
153. | Decke für Katharina II. von Medici, um 1556. 218. |
154. | Decke für Heinrich II. 1577. 219. |
155. | Einband mit dem Monogramm Heinrichs II. und der Diana von Poitiers, um 1560. 220. |
156. | Canevari-Einband 221. |
157. | Stempel von Canevaribänden 222. |
157a. | Stempelabdrücke von einem ital. Einband 222. |
158. | Mittelstück von einem französischen Einbande, um 1570. 223. |
159. | Französische Decke mit Linien- und Stempelvergold., um 1585. 224. |
160. | Ital. Einband mit Lorbeerzweigen Ende des 16. Jahrh. 225. |
161. | Einband aus der Sammlung von de Thou 226. |
162. | Franz. Einband mit Wappen der Margarete v. Valois 227. |
163. | Desgl. mit Streumuster, Anfang des 17. Jahrh. 228. |
164. | Desgl. mit Punktstempeldruck von Fl. Badier 231. |
165. | Punktstempel, 17. Jahrh. 231. |
166. | Teil einer Einbanddecke von Le Gascon 231. |
167. | Stempelformen v. Anf. 17. Jahrh. 231. |
168. | Spitzenstempel, 17. Jahrh. 231. |
169. | Deutsche, franz. u. ital. Schneckenstempel 232. |
170. | Borde mit Spitzenstempel gedruckt, 17. Jahrh. 232. |
171. | Italienischer Einband mit Spitzenornament, 17. Jahrh. 233. |
172. | Von einem Bande von Dérome 234. |
173. | Einband von Padeloup 235. |
174. | Franz. Mosaikband, um 1710. 236. |
175. | Silberplatt. Einband, um 1750. 237. |
Randverzierung von einem sächs. Einbande, 16. Jahrh. 239. | |
176. | Dresdener Decke, um 1600. 240. |
177. | Einband aus Wolffenbüttel 241. |
178. | Deutscher Einband mit Stockdruck, um 1600. 243. |
179. | Dresdener Einband, um 1589. 244. |
180. | Sächs. Einband mit Spiralschneckenverzierung 246. |
181. | Deutsche Einbanddecke mit Fächer- und Spitzenornament, 17. Jahrh. 247. |
182. | Deutsche Blumenstempel, 2. Hälfte, 17. Jahrh. 248. |
183. | Niederdeutsche Decke mit natural. Blumen, nach 1650. 249. |
184. | Steirische Decke um 1650. 250. |
185. | Rückenfelder, 17. Jahrh. 251. |
186. | Mittelstück eines engl. Einbandes, um 1600. 252. |
187. | Schottische Einbanddecke, 18. Jahrh. 253. |
188. | Von einem Bande aus der Bibl. Jakobs I. 254. |
189. | Englischer Einband mit Stickmusterverzierung, 18. Jahrh. 256. |
190. | Stempel von Harley-Bänden 256. |
191. | Desgl. von Roger Payne 256. |
192. | Decke v. Krehan, 19. Jahrh. 258. |
193. | Ledermosaikband von Wunder 258. |
194. | Maroquinband von Amand 261. |
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Fußnoten:
[1] Das Verhältnis von 2 zu 3 ist für die Randbreiten das angenehmste; kleiner als das Verhältnis von 3 zu 4 darf der Unterschied der Breiten nicht sein; d. h. wenn der innere und der obere Rand 2 cm mißt, soll der äußere und untere Rand nicht über 3 cm breit, und wenn der innere und obere Rand 3 cm mißt, der äußere und untere nicht unter 4 cm breit sein. Paßt sich der Spiegel des Bildes (die Bildfläche) dem Formate nicht an, so wird der obere Rand schmäler bez. breiter als der innere Rand werden müssen; es ist dann aber immerhin darauf zu achten, daß der innere Rand wenigstens um ¼ schmäler ist als der äußere und der obere um ebensoviel schmäler als der untere.
Anm. d. Verlegers.
[2] Wir behalten diese in der Wissenschaft einmal eingeführte Bezeichnung bei, obwohl sie nicht ganz zutreffend ist. Unter Mönchsbänden pflegt man sonst auch wohl die gewöhnlichen Leder- und Pergamentbände des späteren Mittelalters zu verstehen, die von Mönchen für die Klosterbibliotheken gefertigt wurden.
[3] Einen ganz ähnlichen Band besitzt das Museum zu Düsseldorf, der aber mit dem Namen Groliers bezeichnet ist. Auch dieser führt das Wappen Heinrichs II. im Mittelfelde.
[4] Außer den glatten Vollstempeln gab es auch schraffierte, die vorzugsweise in Frankreich verwendet und fers azurés genannt wurden.
[5] Unsere der Gazette des Beaux-Arts entlehnte Abbildung (Fig. 156) zeigt das Signet im Gegensinne.
[6] Ein Clovis Eve und dessen Sohn Robert führten denselben Titel unter Heinrich IV. und Ludwig XIII. — Das Wappen de Thous, das sich im Mittelfelde seiner Bücher befindet, ist ein silberner Schild mit blauem Sparren und drei Fliegen.