The Project Gutenberg eBook of Romeo und Julia

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Title: Romeo und Julia

Author: William Shakespeare

Translator: August Wilhelm von Schlegel

Release date: November 1, 2004 [eBook #6996]
Most recently updated: December 30, 2020

Language: German

Credits: Thanks are given to Delphine Lettau for finding a huge collection of ancient German books in London

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMEO UND JULIA ***

Thanks are given to Delphine Lettau for finding a huge collection of ancient

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Romeo und Julia

William Shakespeare

Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel

PERSONEN

ESCALUS, Prinz von Verona

[GRAF] PARIS, ein junger Edelmann, Verwandter des Prinzen

MONTAGUE und CAPULET } Häupter zweier Häuser, welche in Zwist miteinander sind

[Ein andrer CAPULET, des Vorigen Verwandter] Ein alter Mann, ein Onkel von Capulet

ROMEO, Montagues Sohn

MERCUTIO, Verwandter des Prinzen und Romeos Freund

BENVOLIO, Montagues Neffe und Romeos Freund

TYBALT, Neffe der Gräfin Capulet

Bruder LORENZO, ein Franziskaner

Bruder MARKUS, von demselben Orden

ABRAHAM, Diener im Hause Montague

BALTHASAR, Romeos Diener

[SIMSON, GREGORIO, PETER und andere DIENER im Hause Capulet]

SIMSON, Diener des Capulet

GREGORIO, Diener des Capulet

PETER, Diener von Julias Amme

Drei MUSIKANTEN

Ein PAGE des Paris; ein weiterer Page

Ein APOTHEKER

CHORUS

Ein Offizier

Gräfin MONTAGUE, Ehefrau des Montague

Gräfin CAPULET, Ehefrau des Capulet

JULIA, Capulets Tochter

[WÄRTERIN, früher] Juliens Amme

Bürger von Verona. Verschiedene Männer und Frauen, Verwandte beider Häuser.

Masken, Garde, Wächter, Gefolge

Die Szene ist den größten Teil des Stücks hindurch in Verona; zu Anfange des fünften Aktes in Mantua

PROLOG

(Der Chorus tritt auf.)

CHORUS
Zwei Häuser waren—gleich an Würdigkeit—
 Hier in Verona, wo die Handlung steckt,
Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit,
 Wo Bürgerblut die Bürgerhand befleckt.
Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß
 Das Leben zweier Liebender entsprang,
Die durch ihr unglückselges Ende bloß
 Im Tod begraben elterlichen Zank.
Der Hergang ihrer todgeweihten Lieb
 Und der Verlauf der elterlichen Wut,
Die nur der Kinder Tod von dannen trieb,
 Ist nun zwei Stunden lang der Bühne Gut;
Was dran noch fehlt, hört mit geduldgem Ohr,
Bringt hoffentlich nun unsre Müh hervor.

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

(Ein öffentlicher Platz)

(Simson und Gregorio, [zwei Bediente Capulets,] treten
bewaffnet mit
Schwertern und Schilden auf.)

SIMSON Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts in die Tasche stecken.

GREGORIO
Freilich nicht, sonst wären wir Taschenspieler.

SIMSON Ich meine, ich werde den Koller kriegen und vom Leder ziehn.

GREGORIO Ne, Freund, deinen ledernen Koller mußt du bei Leibe nicht ausziehen.

SIMSON
Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufgebracht bin.

GREGORIO
Aber du wirst nicht geschwind aufgebracht.

SIMSON
Ein Hund aus Montagues Hause bringt mich schon auf.

GREGORIO
Einen aufbringen heißt: ihn von der Stelle schaffen.
Um tapfer zu sein, muß man standhalten. Wenn du dich
also aufbringen läßt, so läufst du davon.

SIMSON Ein Hund aus dem Hause bringt mich zum Standhalten. [Mit jedem Bedienten und jedem Mädchen Montagues will ich es aufnehmen.] Ich habe bei jedem Bedienten und Mädchen der Montagues den Vorrang und nehme also die Mauerseite ein, [so daß ich nicht auf die schmutzige Straßenmitte treten muß.]

GREGORIO Daran sieht man, daß du ein schwacher Sklave bist; denn der schwächste geht gegen die Mauer.

SIMSON Das ist wahr; und daher werden die Weiber, da sie die schwächeren sind, immer gegen die Mauer gedrückt: folglich werde ich Montagues Bediente von der Mauer wegstoßen und seine Mädchen gegen die Mauer drücken.

GREGORIO
Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns,
ihren Bedienten. [Es mit den Mädchen aufnehmen? Pfui doch!
Du solltest dich lieber von ihnen aufnehmen lassen.]

SIMSON Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab ichs mit den Bedienten erst ausgefochten, so will ich mir die Mädchen unterwerfen. [Sie sollen die Spitze meines Degens fühlen, bis er stumpf wird.] Ich werde sie ihrer jungfräulichen Häupter berauben.

GREGORIO
Die Jungfrauen enthaupten?

SIMSON
Jawohl, die Jungfrauen enthaupten oder ihnen die
Jungfräulichkeit nehmen, nimm es in dem einen oder
anderen Sinn, ganz wie du willt.

GREGORIO Sie werden es sinngemäß aufnehmen müssen, die es zu spüren bekommen.

SIMSON
Mich sollen sie zu spüren bekommen, solange ich noch
standhalten kann: und es ist bekannt, daß ich ein hübsches
Stück Fleisches bin.

GREGORIO Nur gut, daß du nicht Fisch bist, sonst wärst du ein ärmlicher Dörr-Hering.—Zieh nur gleich vom Leder: Da kommen zwei aus dem Hause der Montagues.

(Abraham und Balthasar treten auf.)

SIMSON Hier, meine Waffe ist blank. Fang nur Händel an, ich will den Rücken decken.

GREGORIO
Den Rücken? Willst du Reißaus nehmen?

SIMSON
Fürchte nichts von mir!

GREGORIO
Ne, wahrhaftig! Ich dich fürchten?

SIMSON Laß uns das Recht auf unsrer Seite behalten, laß sie anfangen!

GREGORIO Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie mögens nehmen, wie sie wollen.

SIMSON Wie sie wagen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren; wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf.

(Abraham und Balthasar treten auf.)

ABRAHAM
Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?

SIMSON
Ich bohre einen Esel, mein Herr.

ABRAHAM
Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?

SIMSON
Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich ja sage?

GREGORIO
Nein.

SIMSON
Nein, mein Herr! Ich bohre Euch keinen Esel, mein Herr.
Aber ich bohre einen Esel, mein Herr.

GREGORIO
Sucht Ihr Händel, mein Herr?

ABRAHAM
Händel, Herr? Nein, mein Herr.

SIMSON
Wenn Ihr sonst Händel sucht, mein Herr: ich steh zu Diensten.
Ich bediene einen ebenso guten Herrn wie Ihr.

ABRAHAM
Keinen bessern.

SIMSON
Sehr wohl, mein Herr!

(Benvolio tritt auf.)

GREGORIO
Sag: einen bessern; hier kommt ein Vetter meiner Herrschaft.

SIMSON
Ja doch, einen bessern, mein Herr.

ABRAHAM
Ihr lügt!

SIMSON Zieht, falls ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! denk mir an deinen Schwadronierhieb.

(Sie fechten. Benvolio tritt auf.)

BENVOLIO
Ihr Narren, fort! Steckt eure Schwerter ein;
Ihr wißt nicht, was ihr tut.

(Er schlägt ihre Schwerter nieder. Tybalt tritt auf.)

TYBALT
Was? Ziehst du unter den verzagten Knechten?
Hieher, Benvolio! Biet die Stirn dem Tode!

BENVOLIO
Ich stifte Frieden, steck dein Schwert nur ein!
Wo nicht, so führ es, diese hier zu trennen!

TYBALT
Was? Ziehn und Friede rufen? Wie die Hölle
Haß ich das Wort, wie alle Montagues
Und dich! Wehr dich, du Memme!

(Sie fechten. Verschiedene Anhänger beider Häuser kommen und mischen sich in den Streit; dann Bürger mit Knütteln.)

ERSTER BÜRGER
He! Spieß' und Stangen her!—Schlagt auf sie los!
Weg mit den Capulets!—Weg mit den Montagues!

(Capulet im Schlafrock und Gräfin Capulet.)

CAPULET
Was für ein Lärm?—Holla, mein langes Schwert!

GRÄFIN CAPULET
Nein, Krücken, Krücken! Wozu soll ein Schwert!

CAPULET
Mein Schwert, sag ich! Der alte Montague
Kommt dort und schwingt die Klinge mir zum Hohn.

(Montague und Gräfin Montague.)

MONTAGUE
Du Schurke Capulet!—

MONTAGUE
Schon manchen Morgen ward er dort gesehn,
Wie er den frischen Tau durch Tränen mehrte
Und, tief erseufzend, Wolk an Wolke drängte.
Allein sobald im fernsten Ost die Sonne,
Die allerfreunde, von Auroras Bett
Den Schattenvorhang wegzuziehn beginnt,
Stiehlt vor dem Licht mein finstrer Sohn sich heim
Und sperrt sich einsam in sein Kämmerlein,
Verschließt dem schönen Tageslicht die Fenster
Und schaffet künstlich Nacht um sich herum.
In schwarzes Mißgeschick wird er sich träumen,
Weiß guter Rat den Grund nicht wegzuräumen.

BENVOLIO
Mein edler Oheim, wisset Ihr den Grund?

MONTAGUE
Ich weiß ihn nicht und kann ihn nicht erforschen.

BENVOLIO
Lagt Ihr ihm jemals schon deswegen an?

MONTAGUE
Ich selbst sowohl als mancher andre Freund.
Doch er, der eignen Neigungen Vertrauter,
Ist gegen sich, wie treu, will ich nicht sagen,
Doch so geheim und in sich selbst gekehrt,
So unergründlich forschendem Bemühn
Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt,
Eh sie der Luft ihr zartes Laub entfalten
Und ihren Reiz der Sonne weihen kann.
Erführen wir, woher sein Leid entsteht,
Wir heilten es so gern, als wirs erspäht.

(Romeo erscheint in einiger Entfernung.)

BENVOLIO
Da kommt er, seht! Geruht, uns zu verlassen;
Galt ich ihm je was, will ich schon ihn fassen.

MONTAGUE
O beichtet' er für dein Verweilen dir
Die Wahrheit doch!—Kommt, Gräfin, gehen wir!

(Montague und Gräfin Montague gehen ab. Romeo tritt auf.)

BENVOLIO
Ha, guten Morgen, Vetter!

ROMEO
 Erst so weit?

BENVOLIO
Kaum schlug es neun.

ROMEO
 Weh mir. Gram dehnt die Zeit.
War das mein Vater, der so eilig ging?

BENVOLIO
Er wars. Und welcher Gram dehnt Euch die Stunden?

ROMEO
Daß ich entbehren muß, was sie verkürzt.

BENVOLIO
Entbehrt Ihr Liebe?

ROMEO
 Nein.

BENVOLIO
 So ward sie Euch zuteil?

ROMEO
Nein, Lieb entbehr ich, wo ich lieben muß.

BENVOLIO
Ach, daß der Liebesgott, so mild im Scheine,
So grausam in der Prob erfunden wird!

ROMEO
Ach, daß der Liebesgott, trotz seinen Binden,
Zu seinem Ziel stets Pfade weiß zu finden!
Wo speisen wir?—Ach, welch ein Streit war hier?
Doch sagt mirs nicht, ich hört es alles schon:
Haß gibt hier viel zu schaffen, Liebe mehr.
Nun denn: Liebreicher Haß! Streitsüchtge Liebe!
Du Alles, aus dem Nichts zuerst erschaffen!
Schwermütger Leichtsinn! Ernste Tändelei!
Entstelltes Chaos glänzender Gestalten!
Bleischwinge! Lichter Rauch und kalte Glut!
Stets wacher Schlaf, dein eignes Widerspiel!
So fühl ich Lieb und hasse, was ich fühl!
Du lachst nicht?

BENVOLIO
 Nein, das Weinen ist mir näher.

ROMEO
Warum, mein Herz?

BENVOLIO
 Um deines Herzens Qual.

ROMEO
Das ist der Liebe Unbill nun einmal.
Schon eignes Leid will mir die Brust zerpressen,
Dein Gram um mich wird voll das Maß mir messen.
Die Freundschaft, die du zeigst, mehrt meinen Schmerz;
Denn, wie sich selbst, so quält auch dich mein Herz.
Lieb ist ein Rauch, den Seufzerdämpf erzeugten,
Geschürt, ein Feur, von dem die Augen leuchten,
Gequält, ein Meer, von Tränen angeschwellt;
Was ist sie sonst? Verständge Raserei
Und ekle Gall und süße Spezerei.
Lebt wohl, mein Freund!

(Im Gehen.)

BENVOLIO
 Sacht! Ich will mit Euch gehen;
Ihr tut mir Unglimpf, laßt Ihr so mich stehen.

ROMEO
Ach, ich verlor mich selbst; ich bin nicht Romeo.
Der ist nicht hier: er ist—ich weiß nicht, wo.

BENVOLIO
Entdeckt mir ohne Mutwill, wen Ihr liebt.

ROMEO
Bin ich nicht ohne Mut und ohne Willen?

BENVOLIO
Nein, sagt mirs ernsthaft doch!

ROMEO
Bitt einen ernsthaft um sein Testament,
Den Kranken quälts, wenn man das Wort ihm nennt!
Hört, Vetter, denn im Ernst: Ich lieb ein Weib.

BENVOLIO
Ich trafs doch gut, daß ich verliebt Euch glaubte.

ROMEO
Ein wackrer Schütz!—Und die ich lieb, ist schön.

BENVOLIO
Ein glänzend Ziel kann man am ersten treffen.

ROMEO
Dies Treffen traf dir fehl, mein guter Schütz;
Sie weicht dem Pfeil aus, sie hat Dianens Witz
Umsonst hat ihren Panzer keuscher Sitten
Der Liebe kindisches Geschoß bestritten.
Sie wehrt den Sturm der Liebesbitten ab,
Steht nicht dem Angriff kecker Augen, öffnet
Nicht ihren Schoß dem Gold, das Heilge lockt.
O sie ist reich an Schönheit; arm allein,
Weil, wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein.

BENVOLIO
Beschwor sie der Enthaltsamkeit Gesetze?

ROMEO
Sie tats, und dieser Geiz vergeudet Schätze.
Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält,
Bringt um ihr Erb die ungeborne Welt.
Sie ist zu schön und weis', um Heil zu erben,
Weil sie, mit Weisheit schön, mich zwingt zu sterben.
Sie schwor zu lieben ab, und dies Gelübd
Ist Tod für den, der lebt, nur weil er liebt.

BENVOLIO
Folg meinem Rat, vergiß an sie zu denken!

ROMEO
So lehre mich, das Denken zu vergessen.

BENVOLIO
Gib deinen Augen Freiheit, lenke sie
Auf andre Reize hin.

ROMEO
 Das ist der Weg,
Mir ihren Reiz in vollem Licht zu zeigen.
Die Schwärze jener neidenswerten Larven,
Die schöner Frauen Stirne küssen, bringt
Uns in den Sinn, daß sie das Schöne bergen.
Der, welchen Blindheit schlug, kann nie das Kleinod
Des eingebüßten Augenlichts vergessen.
Zeigt mir ein Weib, unübertroffen schön:
Mir gilt ihr Reiz wie eine Weisung nur,
Worin ich lese, wer sie übertrifft.
Leb wohl! Vergessen lehrest du mich nie.

BENVOLIO
Dein Schuldner sterb ich, glückt mir nicht die Müh.

(Beide ab.)

ZWEITE SZENE

(Eine Straße)

(Capulet, Paris und ein Diener kommen.)

CAPULET
Und Montague ist mit derselben Buße
Wie ich bedroht? Für Greise, wie wir sind,
Ist Frieden halten, denk ich, nicht so schwer.

PARIS
Ihr geltet beid als ehrenwerte Männer,
Und Jammer ists um Euren langen Zwiespalt.
Doch, edler Graf, wie dünkt Euch mein Gesuch?

CAPULET
Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt.
Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt,
Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn.
Laßt noch zwei Sommer prangen und verschwinden,
Eh wir sie reif, um Braut zu werden, finden.

PARIS
Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter.

CAPULET
Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh.
All meine Hoffnungen verschlang die Erde;
Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind.
Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht Euer Heil!
Mein Will ist von dem ihren nur ein Teil.
Wenn sie aus Wahl in Eure Bitten willigt,
So hab ich im voraus ihr Wort gebilligt,
Ich gebe heut ein Fest, von alters hergebracht,
Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht,
Was meine Freunde sind: Ihr, der dazu gehöret,
Sollt hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahl vermehret.
In meinem armen Haus sollt Ihr des Himmels Glanz
Heut nacht verdunkelt sehn durch irdscher Sterne Tanz.
Wie muntre Jünglinge mit neuem Mut sich freuen,
Wenn auf die Fersen nun der Fuß des holden Maien
Dem lahmen Winter tritt: die Lust steht Euch bevor,
Wann Euch in meinem Haus ein frischer Mädchenflor
Von jeder Seit umgibt. Ihr hört, Ihr seht sie alle,
Daß, die am schönsten prangt, am meisten Euch gefalle.
Dann mögt Ihr in der Zahl auch meine Tochter sehn,
Sie zählt für eine mit, gilt sie schon nicht für schön.
Kommt, geht mit mir!—Du, Bursch, nimm das Papier mit Namen,
Trab in der Stadt herum, such alle Herrn und Damen,
So hier geschrieben stehn,

(übergibt ein Papier)

und sag mit Höflichkeit: Mein Haus und mein Empfang steh ihrem Dienst bereit.

(Capulet und Paris gehen ab.)

DIENER Die Leute soll ich suchen, wovon die Namen hier geschrieben stehn? Es steht geschrieben, der Schuster soll sich um seine Elle kümmern, der Schneider um seinen Leisten, der Fischer um seinen Pinsel, der Maler um seine Netze. Aber mich schicken sie, um die Leute ausfindig zu machen, wovon die Namen hier geschrieben stehn, und ich kann doch gar nicht ausfindig machen, was für Namen der Schreiber hier aufgeschrieben hat. Ich muß zu den Gelahrten!—

DRITTE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Gräfin Capulet und die Wärterin.)

GRÄFIN CAPULET
Ruft meine Tochter her; wo ist sie, Amme?

WÄRTERIN
Bei meiner Jungfernschaft im zwölften Jahr,
Ich rief sie schon.—He, Lämmchen! zartes Täubchen—
Daß Gott! wo ist das Kind? He, Juliette!

(Julia kommt.)

JULIA
Was ist? Wer ruft mich?

WÄRTERIN
Eure Mutter.

JULIA
Hier bin ich, gnädge Mutter! Was beliebt?

GRÄFIN CAPULET
Die Sach ist diese!—Amme, geh beiseit,
Wir müssen heimlich sprechen.—Amme, komm
Nur wieder her, ich habe mich besonnen,
Ich will dich mit zur Überlegung ziehn.
Du weißt, mein Kind hat schon ein hübsches Alter.

WÄRTERIN
Das zähl ich, meiner Treu, am Finger her.

GRÄFIN CAPULET
Sie ist nicht vierzehn Jahre.

WÄRTERIN
Ich wette vierzehn meiner Zähne drauf—
Zwar hab ich nur vier Zahn, ich arme Frau—,
Sie ist noch nicht vierzehn. Wie lang ists bis Johannis?

GRÄFIN CAPULET
Ein vierzehn Tag und drüber.

WÄRTERIN
Nun, drüber oder drunter. Just den Tag,
Johannistag zu Abend, wird sie vierzehn.
Suschen und sie—Gott gebe jedem Christen
Das ewge Leben!—waren eines Alters.
Nun, Suschen ist bei Gott;
Sie war zu gut für mich. Doch wie ich sagte,
Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.
Das wird sie, meiner Treu; ich weiß recht gut.
Elf Jahr ists her, seit wir 's Erdbeben hatten;
Und ich entwöhnte sie—mein Leben lang
Vergeß ichs nicht—just auf denselben Tag.
Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt
Und saß am Taubenschlage in der Sonne;
Die gnädge Herrschaft war zu Mantua.
Ja, ja! Ich habe Grütz im Kopf! Nun, wie ich sagte:
Als es den Wermut auf der Warze schmeckte
Und fand ihn bitter—närrsches, kleines Ding—,
Wie's böse ward und zog der Brust ein Gsicht!
Krach! sagt' der Taubenschlag; und ich, fürwahr,
Ich wußte nicht, wie ich mich tummeln sollte,
Und seit der Zeit ists nun elf Jahre her.
Denn damals stand sie schon allein; mein Treu,
Sie lief und watschelt' Euch schon flink herum.
Denn tags zuvor fiel sie die Stirn entzwei,
Und da hob sie mein Mann—Gott hab ihn selig!
Er war ein lustger Mann—vom Boden auf.
Ei, sagt' er, fällst du so auf dein Gesicht?
Wirst rücklings fallen, wenn du klüger bist,
Nicht wahr, mein Kind? Und liebe, heilge Frau!
Das Mädchen schrie nicht mehr und sagte: Ja.
Da seh man, wie so 'n Spaß zum Vorschein kommt!
Und lebt ich tausend Jahre lang, ich wette,
Daß ich es nie vergaß. Nicht wahr, mein Kind? sagt' er;
Und 's liebe Närrchen ward still und sagte: Ja.

GRÄFIN CAPULET
Genug davon, ich bitte, halt dich ruhig.

WÄRTERIN
Ja, gnädge Frau. Doch lächerts mich noch immer,
Wie 's Kind sein Schreien ließ und sagte: Ja,
Und saß ihm, meiner Treu, doch eine Beule,
So dick wie 'n Hühnerei, auf seiner Stirn,
Recht gfährlich dick, und es schrie bitterlich.
Mein Mann, der sagte: Ei, fällst aufs Gesicht?
Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist.
Nicht wahr, mein Kind? Still wards und sagte: Ja.

JULIA
Ich bitt dich, Amme, sei doch auch nur still.

WÄRTERIN
Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich!
Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte.
Erleb ich deine Hochzeit noch einmal,
So wünsch ich weiter nichts.

GRÄFIN CAPULET
Die Hochzeit, ja, das ist der Punkt, von dem
Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter,
Wie stehts mit deiner Lust, dich zu vermählen?

JULIA
Ich träumte nie von dieser Ehre noch.

WÄRTERIN
Ein Ehre! Hättst du eine andre Amme
Als mich gehabt, so wollt ich sagen: Kind,
Du habest Weisheit mit der Milch gesogen.

GRÄFIN CAPULET
Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du
Sind angesehne Fraun hier in Verona
Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war
Ich deine Mutter in demselben Alter,
Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort:
Der brave Paris wirbt um deine Hand.

WÄRTERIN
Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann,
Als alle Welt—ein wahrer Zuckermann!

GRÄFIN CAPULET
Die schönste Blume von Veronas Flor.

WÄRTERIN
Ach ja, 'ne Blume! Gelt, 'ne rechte Blume!

GRÄFIN CAPULET
Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann?
Heut abend siehst du ihn bei unserm Fest.
Dann lies im Buche seines Angesichts,
In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb,
Betrachte seiner Züge Lieblichkeit,
Wie jeglicher dem andern Zierde leiht.
Was dunkel in dem holden Buch geblieben,
Das lies in seinem Aug am Rand geschrieben.
Und dieses Freiers ungebundner Stand,
Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band.
Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer
Wird äußres Schön' als innrer Schönheit Schleier.
Das Buch glänzt allermeist im Aug der Welt,
Das goldne Lehr in goldnen Spangen hält.
So wirst du alles, was er hat, genießen,
Wenn du ihn hast, ohn etwas einzubüßen.

WÄRTERIN
Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher;
Die Weiber nehmen oft durch Männer zu.

GRÄFIN CAPULET
Sag kurz, fühlst du dem Grafen dich geneigt?

JULIA
Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt;
Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen,
Als ihn die Schwingen Eures Beifalls tragen.

(Ein Diener kommt.)

DIENER Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem Tisch; Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber. Ich muß fort, aufwarten; ich bitte Euch, kommt unverzüglich!

GRÄFIN CAPULET
Gleich!—

(Der Diener geht ab.)

Paris wartet; Julia, komm geschwind!

WÄRTERIN
Such frohe Nacht auf frohe Tage, Kind!

(Alle ab.)

VIERTE SZENE

(Eine Straße)

(Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf oder sechs Masken,
Fackelträgern und anderen.)

ROMEO
Soll diese Red uns zur Entschuldgung dienen?
Wie? Oder treten wir nur grad hinein?

BENVOLIO
Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte.
Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe
Geblendet, der den bunt bemalten Bogen
Wie ein Tatar geschnitzt aus Latten trägt
Und wie 'ne Vogelscheuch die Frauen schreckt;
Auch keinen hergebeteten Prolog,
Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt.
Laßt sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen,
Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.

ROMEO
Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel!
Da ich so finster bin, so will ich leuchten.

MERCUTIO
Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo.

ROMEO
Ich wahrlich nicht! Ihr seid so leicht von Sinn
Als leicht beschuht; mich drückt ein Herz von Blei
Zu Boden, daß ich kaum mich regen kann.

MERCUTIO Ihr seid ein Liebender; borgt Amors Flügel und schwebet frei in ungewohnten Höhn.

ROMEO
Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt,
Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben.
Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei;
Ich sinke unter schwerer Liebeslast.

MERCUTIO
Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken?
Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding.

ROMEO
Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rauh,
Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn.

MERCUTIO
Begegnet Lieb Euch rauh, so tut desgleichen!
Stecht Liebe, wenn sie sticht; das schlägt sie nieder.

(Zu einem andern aus dem Gefolge.)

Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:

(Eine Maske aufsetzend.)

'ne Larve für 'ne Larve!

(Bindet die Maske vor.)

 Nun erspähe
Die Neugier Mißgestalt: was kümmerts mich?
Erröten wird für mich dies Wachsgesicht.

BENVOLIO
Fort! Klopft, und dann hinein! Und sind wir drinnen,
So rühre gleich ein jeder flink die Beine!

ROMEO
Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben,
Die laßt das Estrich mit den Sohlen kitzeln.
Ich habe mich verbrämt mit einem alten
Großvaterspruch: Wer 's Licht hält, schauet zu!
Nie war das Spiel so schön; doch ich bin matt.

MERCUTIO
Jawohl, zu matt, dich aus dem Schlamme—nein,
Der Liebe wollt ich sagen—dich zu ziehn,
Worin du leider steckst bis an die Ohren.
Macht fort, wir leuchten ja dem Tage hier.

ROMEO
Das tun wir nicht.

MERCUTIO
 Ich meine, wir verscherzen,
Wie Licht bei Tag, durch Zögern unsre Kerzen.
Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn
Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin.

ROMEO
Wir meinens gut, da wir zum Balle gehen;
Doch es ist Unverstand.

MERCUTIO
 Wie? Laßt doch sehen!

ROMEO
Ich hatte diese Nacht 'nen Traum.

MERCUTIO
 Auch ich.

ROMEO
Was war der Eure?

MERCUTIO
 Daß auf Träume sich
Nichts bauen läßt, daß Träume öfters lügen.

ROMEO
Sie träumen Wahres, weil sie schlafend liegen.

MERCUTIO
Nun seh ich wohl, Frau Mab hat Euch besucht.

[ROMEO
Frau Mab, wer ist sie?

MERCUTIO]
Sie ist der Feenwelt Entbinderin.
Sie kommt, nicht größer als der Edelstein
Am Zeigefinger eines Aldermanns,
Und fährt mit 'nem Gespann von Sonnenstäubchen
Den Schlafenden quer auf der Nase hin.
Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen,
Des Wagens Deck aus eines Heupferds Flügeln,
Aus feinem Spinngewebe das Geschirr,
Die Zügel aus des Mondes feuchtem Strahl;
Aus Heimchenknochen ist der Peitsche Griff,
Die Schnur aus Fasern; eine kleine Mücke
Im grauen Mantel sitzt als Fuhrmann vorn,
Nicht halb so groß als wie ein kleines Würmchen,
Das in des Mädchens müßgem Finger nistet.
Die Kutsch ist eine hohle Haselnuß,
Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm
Zurechtgemacht, die seit uralten Zeiten
Der Feen Wagner sind. In diesem Staat
Trabt sie dann Nacht für Nacht; befährt das Hirn
Verliebter, und sie träumen dann von Liebe,
Des Schranzen Knie, der schnell von Reverenzen,
Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich,
Der Schönen Lippen, die von Küssen träumen;
Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese,
Weil ihren Odem Näscherei verdarb.
Bald trabt sie über eines Hofmanns Nase,
Dann wittert er im Traum sich Ämter aus,
Bald kitzelt sie mit eines Zinshahns Federn
Des Pfarrers Nase, wenn er schlafend liegt,
Von einer bessern Pfründe träumt ihm dann;
Bald fährt sie über des Soldaten Nacken,
Der träumt sofort von Niedersäbeln, träumt
Von Breschen, Hinterhalten, Damaszenern,
Von manchem klaftertiefen Ehrentrunk;
Nun trommelts ihm ins Ohr: da fährt er auf
Und flucht in seinem Schreck ein paar Gebete
Und schläft von neuem. Eben diese Mab
Verwirrt der Pferde Mähnen in der Nacht
Und flicht in struppges Haar die Weichselzöpfe,
Die, wiederum entwirrt, auf Unglück deuten.
Dies ist die Hexe, welche Mädchen drückt,
Die auf dem Rücken ruhn, und die sie lehrt,
Als Weiber einst die Männer zu ertragen.
Dies ist sie—

ROMEO
 Still, o still, Mercutio!
Du sprichst von einem Nichts.

MERCUTIO
 Wohl wahr, ich rede
Von Träumen, Kindern eines müßgen Hirns,
Von nichts als eitler Phantasie erzeugt,
Die aus so dünnem Stoff als Luft besteht
Und flüchtger wechselt als der Wind, der bald
Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt
Und, schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend,
Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt.

BENVOLIO
Der Wind, von dem Ihr sprecht, entführt uns selbst.
Man hat gespeist; wir kamen schon zu spät.

ROMEO
Zu früh, befürcht ich; denn mein Herz erbangt
Und ahnet ein Verhängnis, welches, noch
Verborgen in den Sternen, heute nacht
Bei dieser Lustbarkeit den furchtbarn Zeitlauf
Beginnen und das Ziel des lästgen Lebens,
Das meine Brust verschließt, mir kürzen wird
Durch einen schnöd verwirkten frühen Tod.
Doch er, der mir zur Fahrt das Steuer lenkt,
Richt auch mein Segel!—Auf, ihr lustgen Freunde!

BENVOLIO
Rührt Trommeln!

(Alle ab.)

FÜNFTE SZENE

(Ein Saal in Capulets Hause)

(Musikanten warten. Diener kommen.)

ERSTER DIENER
Wo ist Schmorpfanne, daß er nicht abräumen hilft? Der wird
Teller wechseln, Teller scheuern!

ZWEITER DIENER Wenn die gute Lebensart in eines oder zweier Menschen Händen sein soll, die noch obendrein ungewaschen sind: 's ist ein unsaubrer Handel.

ERSTER DIENER Die Klappstühle fort! Rückt den Schenktisch beiseit! Seht nach dem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein Stück Marzipan auf, und wo du mich liebhast, sag dem Pförtner, daß er Suse Mühlstein und Lene hereinläßt. Anton! Schmorpfanne!

(Andre Diener kommen.)

ZWEITER DIENER
Hier, Bursch, wir sind parat.

ERSTER DIENER Im großen Saale verlangt man euch, vermißt man euch, sucht man euch.

ZWEITER DIENER Wir können nicht zugleich hier und dort sein.—Lustig, Kerle, haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.

(Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück. Capulet etc. [und die Seinen] mit den Gästen und Masken [und Dienerschaft].)

CAPULET
Willkommen, meine Herrn! Wenn Eure Füße
Kein Leichdorn plagt. Ihr Damen, flink ans Werk!
He, he. Ihr schönen Fraun, wer von Euch allen
Schlägts nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine,
Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,
Hab ichs Euch nah gelegt? Ihr Herrn, willkommen!
Ich weiß die Zeit, da ich 'ne Larve trug
Und einer Schönen eine Weis' ins Ohr
Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel.
Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!
Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!
Ihr Mädchen, frisch gesprungen!

(Musik und Tanz. [—Zu den Dienern:])

Mehr Licht, ihr Burschen, und beiseit die Tische!
Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß.—
Ha, recht gelegen kommt der unverhoffte Spaß.
Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet!
Wir beide sind ja übers Tanzen hin.
Wie lang ists jetzo, seit wir uns zuletzt
In Larven steckten?

ZWEITER CAPULET
 Dreißig Jahr, mein Seel.

CAPULET
Wie, Schatz? So lang noch nicht, so lang noch nicht.
Denn seit der Hochzeit des Lucentio
Ists etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald
Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.

ZWEITER CAPULET 's ist mehr, 's ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr, Sein Sohn ist dreißig.

CAPULET
 Sagt mir das doch nicht!
Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.

ROMEO
(zu einem Diener aus seinem Gefolge.)
Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter
Mit ihrer Hand beehrt?

DER DIENER
 Ich weiß nicht, Herr.

ROMEO
Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn!
Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,
So hängt der Holden Schönheit an den Wangen
Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.
Sie stellt sich unter den Gespielen dar
Als weiße Taub in einer Krähenschar.
Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken
Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.
Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht!
Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.

TYBALT
Nach seiner Stimm ist dies ein Montague.
(Zu einem Diener.)
Hol meinen Degen, Bursch!—Was? Wagt der Schurk,
Vermummt in eine Fratze, herzukommen
Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?
Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel,
Wer tot ihn schlüg, verdiente keinen Tadel!

CAPULET
Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?

TYBALT
Seht, Oheim, der da ist ein Montague!
Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste
Und macht sich einen Spott an diesem Feste.

CAPULET
Ist es der junge Romeo?

TYBALT
Der Schurke Romeo!

CAPULET
Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn!
Er hält sich wie ein wackrer Edelmann;
Und in der Tat, Verona preiset ihn
Als einen sittgen, tugendsamen Jüngling.
Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt
In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun.
Drum seid geduldig; merket nicht auf ihn.
Das ist mein Will, und wenn du diesen ehrst,
So zeig dich freundlich, streif die Runzeln weg,
Die übel sich bei einem Feste ziemen.

TYBALT
Kommt solch ein Schurk als Gast, so stehn sie wohl.
Ich leid ihn nicht.

CAPULET
 Er soll gelitten werden,
Er soll!—Herr Junge, hört Er das? Nur zu!
Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!
So, will Er ihn nicht leiden?—Helf mir Gott!—
Will Hader unter meinen Gästen stiften?
Will sich als starken Mann hier wichtig machen?

TYBALT
Ists nicht 'ne Schande, Oheim?

CAPULET
 Zu! Nur zu!
Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!
Der Streich mag Euch gereun; ich weiß schon was.
Ihr macht mirs bunt! Ja, das käm eben recht!—
Brav, Herzenskinder!—Geht, vorwitzig seid Ihr!
Seid ruhig, sonst—Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck!—
Will ich zur Ruh Euch bringen!—Lustig, Kinder!

TYBALT
Mir kämpft Geduld aus Zwang mit willger Wut
Im Innern und empört mein siedend Blut.
Ich gehe.—Hand ist frommer Waller Kuß.

ROMEO
Haben nicht Heilge Lippen wie die Waller?

JULIA
Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.

ROMEO
O so vergönne, teure Heilge nun,
Daß auch die Lippen wie die Hände tun.
Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre!

JULIA
Du weißt, ein Heilger pflegt sich nicht zu regen,
Auch wenn er eine Bitte zugesteht.

ROMEO
So reg dich, Holde, nicht, wie Heilge pflegen,
Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.

(Er küßt sie.)

Nun hat dein Mund ihn aller Sünd entbunden.

JULIA
So hat mein Mund zum Lohn Sünd für die Gunst?

ROMEO
Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf, süß erfunden!
Gebt sie zurück!

(Küßt sie wieder.)

JULIA
 Ihr küßt recht nach der Kunst.

WÄRTERIN (tritt heran.)
Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.

ROMEO
Wer ist des Fräuleins Mutter?

WÄRTERIN
 Ei nun, Junker,
Das ist die gnädge Frau vom Hause hier,
Gar eine wackre Frau und klug und ehrsam.
Die Tochter, die Ihr spracht, hab ich gesäugt.
Ich sag Euch, wer ihr' habhaft werden kann,
Ist wohl gebettet.

ROMEO
Sie eine Capulet? O teurer Preis! Mein Leben
Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben!

BENVOLIO
Fort, laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.

ROMEO
Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.

CAPULET
Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!
Ein kleines, schlichtes Mahl ist schon bereitet.—
Muß es denn sein? Nun wohl, ich dank Euch allen;
Ich dank Euch, edle Herren: Gute Nacht!—
Mehr Fackeln her!—Kommt nun, bringt mich zu Bett.

(Zum zweiten Capulet.)

Wahrhaftig, es wird spät, ich will zur Ruh.

(Alle ab, außer Julia und Wärterin.)

JULIA
Komm zu mir, Amme; wer ist dort der Herr?

WÄRTERIN
Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.

JULIA
Wer ists, der eben aus der Türe geht?

WÄRTERIN
Das, denk ich, ist der junge [Marcellin] Petruchio.

JULIA
Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?

WÄRTERIN
Ich weiß nicht.

JULIA
Geh, frage, wie er heißt!—Ist er vermählt,
So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.

WÄRTERIN (kommt zurück.)
Sein Nam ist Romeo, ein Montague
Und Eures großen Feindes einzger Sohn.

JULIA
So einzge Lieb aus großem Haß entbrannt!
Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.
O Wunderwerk: ich fühle mich getrieben,
Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.

WÄRTERIN
Wieso, wieso?

JULIA
Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer
Soeben lernte.

(Man ruft drinnen: Julia!)

WÄRTERIN
 Gleich, wir kommen ja!
Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder ist mehr da.

(Ab.)

(Der Chorus tritt auf.)

CHORUS
Die alte Liebe stirbt in ihm dahin,
 Und junge Zuneigung beerbt sie da;
Die Schöne, nach der schmachtend stand sein Sinn,
 Scheint nicht mehr schön nun neben Julia.
Er wird geliebt und liebt nun auch zum Schluß,
 Ein Zauberblick kann beiderseits nicht fehln,
Doch scheint als Feind sie, der ers klagen muß,
 Und seiner Falle Köder muß sie stehln.
Als Feind gesehn, darf er nicht zu ihr her,
 Zu schwörn, wie wirs sonst bei Verliebten sehn;
Auch sie liebt ihn, doch kann noch weniger
 Zum neu geliebten irgendwohin gehn:
Doch Zeit schafft Rat, Verlangen leiht die Kraft
Und lindert Leid durch süße Leidenschaft.

(Geht ab.)

ZWEITER AKT

ERSTE SZENE

(Ein offner Platz, der an Capulets Garten stößt)

(Romeo tritt auf.)

ROMEO
Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt?
Geh, frostge Erde, suche deine Sonne!

(Er ersteigt die Mauer und springt hinunter.
Benvolio und Mercutio treten auf.)

BENVOLIO
He, Romeo, he, Vetter!

MERCUTIO
 Er ist klug
Und hat, mein Seel, sich heim ins Bett gestohlen.

BENVOLIO
Er lief hieher und sprang die Gartenmauer
Hinüber. Ruf ihn, Freund Mercutio!

MERCUTIO
Ja, auch beschwören will ich. Romeo!
Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter!
Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer;
Sprich nur ein Reimchen, so genügt mirs schon;
Ein Ach nur jammre, paare Lieb und Triebe;
Gib der Gevattrin Venus ein gut Wort,
Schimpf eins auf ihren blinden Sohn und Erben,
Held Amor, der so flink gezielt, als König
Kophetua das Bettlermädchen liebte.
Er höret nicht, er regt sich nicht, er rührt sich nicht.
Der Aff ist tot; ich muß ihn wohl beschwören.
Nun wohl: Bei Rosalindens hellem Auge,
Bei ihrer Purpurlipp und hohen Stirn,
Bei ihrem zarten Fuß, dem schlanken Bein,
Den üppgen Hüften und der Region,
Die ihnen nahe liegt, beschwör ich dich,
Daß du in eigner Bildung uns erscheinest.

BENVOLIO
Wenn er dich hört, so wird er zornig werden.

MERCUTIO
Hierüber kann ers nicht; er hätte Grund,
Bannt ich hinauf in seiner Dame Kreis
Ihm einen Geist von seltsam eigner Art
Und ließe den da stehn, bis sie den Trotz
Gezähmt und nieder ihn beschworen hätte.
Das wär Beschimpfung! Meine Anrufung
Ist gut und ehrlich; mit der Liebsten Namen
Beschwör ich ihn, bloß um ihn aufzurichten.

BENVOLIO
Komm! Er verbarg sich unter jenen Bäumen
Und pflegt des Umgangs mit der feuchten Nacht.
Die Lieb ist blind, das Dunkel ist ihr recht.

MERCUTIO
Ist Liebe blind, so zielt sie freilich schlecht.
Nun sitzt er wohl an einen Baum gelehnt
Und wünscht, sein Liebchen wär die reife Frucht
Und fiel ihm in den Schoß. Doch, gute Nacht,
Freund Romeo! Ich will ins Federbett;
Das Feldbett ist zum Schlafen mir zu kalt.
Komm, gehn wir?

BENVOLIO
 Ja, es ist vergeblich, ihn
Zu suchen, der nicht will gefunden sein.

(Beide ab.)

ZWEITE SZENE

(Capulets Garten)

(Romeo kommt.)

ROMEO
Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.

(Julia erscheint oben an einem Fenster.)

Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?
Es ist der Ost, und Julia die Sonne!—
Geh auf, du holde Sonn! Ertöte Lunen,
Die neidisch ist und schon vor Grame bleich,
Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.
O da sie neidisch ist, so dien ihr nicht!
Nur Toren gehn in ihrer blassen, kranken
Vestalentracht einher; wirf du sie ab!
Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe!
O wüßte sie, daß sie es ist!—
Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das?
Ihr Auge redt, ich will ihm Antwort geben.—
Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.
Ein Paar der schönsten Stern am ganzen Himmel
Wird ausgesandt und bittet Juliens Augen,
In ihren Kreisen unterdes zu funkeln.
Doch wären ihre Augen dort, die Sterne
In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz
Von ihren Wangen jene so beschämen
Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd ihr Aug
Aus luftgen Höhn sich nicht so hell ergießen,
Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?
O wie sie auf die Hand die Wange lehnt!
Wär ich der Handschuh doch auf dieser Hand
Und küßte diese Wange!

JULIA
 Weh mir!

ROMEO
 Horch!
Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel!
Denn über meinem Haupt erscheinest du
Der Nacht so glorreich, wie ein Flügelbote
Des Himmels dem erstaunten, über sich
Gekehrten Aug der Menschensöhne, die
Sich rücklings werfen, um ihm nachzuschaun,
Wenn er dahin fährt auf den trägen Wolken
Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.

JULIA
O Romeo! Warum denn Romeo?
Verleugne deinen Vater, deinen Namen!
Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten,
Und ich bin länger keine Capulet!

ROMEO (für sich.)
Hör ich noch länger, oder soll ich reden?

JULIA
Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst,
Und wärst du auch kein Montague. Was ist
Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,
Nicht Arm noch Antlitz, noch ein andrer Teil
Von einem Menschen. Sei ein andrer Name!
Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,
Wie es auch hieße, würde lieblich duften;
So Romeo, wenn er auch anders hieße,
Er würde doch den köstlichen Gehalt
Bewahren, welcher sein ist ohne Titel.
O Romeo, leg deinen Namen ab,
Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,
Nimm meines ganz!

ROMEO (indem er näher hinzutritt.)
 Ich nehme dich beim Wort.
Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft
Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.

JULIA
Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt,
Dich drängst in meines Herzens Rat?

ROMEO
 Mit Namen
Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin.
Mein eigner Name, teure Heilge, wird,
Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehaßt;
Hätt ich ihn schriftlich, so zerriss' ich ihn.

JULIA
Mein Ohr trank keine hundert Worte noch
Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton.
Bist du nicht Romeo, ein Montague?

ROMEO
Nein, Holde; keines, wenn dir eins mißfällt.

JULIA
Wie kamst du her? O sag mir, und warum?
Die Gartenmaur ist hoch, schwer zu erklimmen;
Die Stätt ist Tod—bedenk nur, wer du bist—,
Wenn einer meiner Vettern dich hier findet.

ROMEO
Der Liebe leichte Schwingen trugen mich,
Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren;
Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann,
Drum hielten deine Vettern mich nicht auf.

JULIA
Wenn sie dich sehn, sie werden dich ermorden.

ROMEO
Ach, deine Augen drohn mir mehr Gefahr
Als zwanzig ihrer Schwerter; blick du freundlich,
So bin ich gegen ihren Haß gestählt.

JULIA
Ich wollt um alles nicht, daß sie dich sähn.

ROMEO
Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel.
Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden;
Durch ihren Haß zu sterben wär mir besser
Als ohne deine Liebe Lebensfrist.

JULIA
Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?

ROMEO
Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß;
Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.
Ich bin kein Steuermann, doch wärst du fern
Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,
Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.

JULIA
Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen
Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.
Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern
Verleugnen, was ich sprach; doch weg mit Form!
Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirsts bejahn,
Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,
So kannst du treulos werden; wie sie sagen,
Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.
O holder Romeo, wenn du mich liebst:
Sags ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei
Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,
Will widerspenstig sein und Nein dir sagen,
So du dann werben willst; sonst nicht um alles.
Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich,
Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.
Ich glaube, Mann, ich werde treuer sein
Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.
Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,
Wär ich von dir, eh ichs gewahrte, nicht
Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!
Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,
Die so die stille Nacht verraten hat.

ROMEO
Ich schwöre, Fräulein, bei dem heilgen Mond,
Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt—Lieben sei!

ROMEO
Wobei denn soll ich schwören?

JULIA
 Laß es ganz!
Doch willst du, schwör bei deinem edlen Selbst,
Dem Götterbilde meiner Anbetung;
So will ich glauben.

ROMEO
 Wenn die Herzensliebe—

JULIA
Gut, schwöre nicht! Obwohl ich dein mich freue,
Freu ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.
Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich,
Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist,
Noch eh man sagen kann: es blitzt.—Schlaf süß!
Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe
Der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten,
Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.
Nun gute Nacht! So süße Ruh und Frieden,
Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden.

ROMEO
Ach, willst du lassen mich so ungetröstet?

JULIA
Welch Tröstung kannst du diese Nacht begehren?

ROMEO
Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen!

JULIA
Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht;
Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben.

ROMEO
Wolltst du mir ihn entziehn? Wozu das, Liebe?

JULIA
Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich.
Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl. Geliebter!

(Die Wärterin ruft hinter der Szene.)

Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu!
Wart einen Augenblick; ich komme wieder!

(Sie geht zurück.)

ROMEO
O selge, selge Nacht! Nur fürcht ich, weil
Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,
Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn.

(Julia erscheint wieder am Fenster.)

JULIA
Drei Worte, Romeo, dann gute Nacht!
Wenn deine Liebe tugendsam gesinnt
Vermählung wünscht, so laß mich morgen wissen
Durch jemand, den ich zu dir senden will,
Wo du und wann die Trauung willst vollziehn.
Dann leg ich dir mein ganzes Glück zu Füßen
Und folge durch die Welt dir, meinem Herrn.

(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)

Ich komme, gleich!—Doch meinst du es nicht gut,
So bitt ich dich—

(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!)

 Im Augenblick, ich komme!
—Hör auf zu werben, laß mich meinem Gram!
Ich sende morgen früh.

ROMEO
 Beim ewgen Heil!

JULIA
Nun tausend gute Nacht!

(Geht zurück.)

ROMEO
Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.
Wie Knaben aus der Schul eilt Liebe hin zum Lieben,
Wie Knaben an ihr Buch wird sie hinweggetrieben.

(Er entfernt sich langsam. Julia erscheint wieder am Fenster.)

JULIA
St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme,
Den edlen Falken wieder herzulocken!
Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut
Zu reden, sonst zersprengt ich Echos Kluft
Und machte heisrer ihre luftge Kehle
Als meine mit dem Namen Romeo.

ROMEO (umkehrend.)
Mein Leben ists, das meinen Namen ruft.
Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme
Der Liebenden, gleich lieblicher Musik
Dem Ohr des Lauschers!

JULIA
 Romeo!

ROMEO
 Mein Fräulein!

JULIA
Um welche Stunde soll ich morgen schicken?

ROMEO
Um neun.

JULIA
 Ich will nicht säumen; zwanzig Jahre
Sinds bis dahin. Doch ich vergaß, warum
Ich dich zurückgerufen.

ROMEO
Laß hier mich stehn, derweil du dich bedenkst.

JULIA
Auf daß du stets hier weilst, werd ich vergessen,
Bedenkend, wie mir deine Näh so lieb.

ROMEO
Auf daß du stets vergessest, werd ich weilen,
Vergessend, daß ich irgend sonst daheim.

JULIA
Es tagt beinah, ich wollte nun, du gingst;
Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen
Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen läßt,
Gleich einem Armen in der Banden Druck,
Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden;
So liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit.

ROMEO
War ich dein Vögelchen!

JULIA
 Ach wärst du's. Lieber!
Doch hegt und pflegt ich dich gewiß zu Tod.
Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,
Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.

(Sie geht zurück.)

ROMEO
Schlaf wohn auf deinem Aug, Fried in der Brust!
O wär ich Fried und Schlaf und ruht in solcher Lust!
Ich will zur Zell des frommen Vaters gehen,
Mein Glück ihm sagen und um Hülf ihn flehen.

(Ab.)

DRITTE SZENE

([Ein Klostergarten] Bruder Lorenzos Zelle)

(Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.)

LORENZO
Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht
Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht.
Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken,
Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken.
Eh höher nun die Sonn ihr glühend Aug erhebt,
Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt,
Muß ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen,
Voll Pflanzen giftger Art und diensam zum Genesen.
Die Mutter der Natur, die Erd, ist auch ihr Grab,
Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab,
Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen,
Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen.
An vielen Tugenden sind viele drunter reich,
Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich.
Oh, große Kräfte sinds, weiß man sie recht zu pflegen,
Die Pflanzen, Kräuter, Stein in ihrem Innern hegen;
Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht,
Daß es der Erde nicht besondern Nutzen brächt.
Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet,
Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Mißbrauch schändet.
In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,
Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt.
Die kleine Blume hier beherbergt giftge Säfte
In ihrer zarten Hüll und milde Heilungskräfte!
Sie labet den Geruch und dadurch jeden Sinn;
Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.
Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte
Sich immerdar im Kampf: verderbter Will und Güte,
Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,
Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurm gar bald.

(Romeo tritt auf.)

ROMEO
Mein Vater, guten Morgen!

LORENZO
 Sei der Herr gesegnet!
Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet?
Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt,
Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt.
Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten,
Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten;
Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut
Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht.
Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen,
Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen.
Wie? Oder hätte gar mein Romeo die Nacht
—Nun rat ichs besser—nicht im Bette hingebracht?

ROMEO
So ists, ich wußte mir viel süßre Ruh zu finden.

LORENZO
Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?

ROMEO
Bei Rosalinden, ich? Ehrwürdger Vater, nein!
Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein.

LORENZO
Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? Sage!

ROMEO
So hör; ich sparte gern dir eine zweite Frage.
Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl,
Und da verwundete mich jemand auf einmal.
Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden
Wird heilge Arzenei bei deinem Amt gefunden.
Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund,
Denn sieh, zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind.

LORENZO
Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen!
Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.

ROMEO
So wiss' einfältiglich: Ich wandte Seel und Sinn
In Lieb auf Capulets holdselge Tochter hin.
Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine,
Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine
Die heilge Trauung nur; doch wie und wo und wann
Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan,
Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen;
Nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen!

LORENZO
O heiliger Sankt Franz! Was für ein Unbestand!
Ist Rosalinde schon aus deiner Brust verbannt,
Die du so heiß geliebt? Liegt junger Männer Liebe
Denn in den Augen nur, nicht in des Herzens Triebe?
O heiliger Sankt Franz! Wie wusch ein salzig Naß
Um Rosalinden dir so oft die Wangen blaß!
Und löschen konnten doch so viele Tränenfluten
Die Liebe nimmer dir; sie schürten ihre Gluten.
Noch schwebt der Sonn ein Dunst von deinen Seufzern vor,
Dein altes Stöhnen summt mir noch im alten Ohr,
Sieh, auf der Wange hier ist noch die Spur zu sehen
Von einer alten Trän, die noch nicht will vergehen.
Und warst du je du selbst und diese Schmerzen dein,
So war der Schmerz und du für Rosalind allein.
Und so verwandelt nun? Dann leide, daß ich spreche:
Ein Weib darf fallen, wohnt in Männern solche Schwäche.

ROMEO
Oft schmältest du mit mir um Rosalinden schon.

LORENZO
Weil sie dein Abgott war, nicht weil du liebtest, Sohn.

ROMEO
Und mahntest oft mich an, die Liebe zu besiegen.

LORENZO
Nicht um in deinem Sieg der zweiten zu erliegen.

ROMEO
Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie, der jetzt mein Herz gehört,
Hat Lieb um Liebe mir und Gunst um Gunst gewährt.
Das tat die andre nie.

LORENZO
 Sie wußte wohl, dein Lieben
Sei zwar ein köstlich Wort, doch nur in Sand geschrieben.
Komm, junger Flattergeist! Komm nur, wir wollen gehn;
Ich bin aus einem Grund geneigt, dir beizustehn:
Vielleicht, daß dieser Bund zu großem Glück sich wendet
Und eurer Häuser Groll durch ihn in Freundschaft endet.

ROMEO
O laß uns fort von hier! Ich bin in großer Eil.

LORENZO
Wer hastig läuft, der fällt; drum eile nur mit Weil.

(Beide ab.)

VIERTE SZENE

(Eine Straße)

(Benvolio und Mercutio kommen.)

MERCUTIO Wo, Teufel, kann der Romeo stecken? Kam er heute nacht nicht nach Hause?

BENVOLIO
Nach seines Vaters Hause nicht; ich sprach seinen Diener.

MERCUTIO
Ja, dies hartherzge Frauenbild, die Rosalinde,
Sie quält ihn so, er wird gewiß verrückt.

BENVOLIO
Tybalt, des alten Capulet Verwandter,
Hat dort ins Haus ihm einen Brief geschickt.

MERCUTIO
Eine Ausforderung, so wahr ich lebe!

BENVOLIO
Romeo wird ihm die Antwort nicht schuldig bleiben.

MERCUTIO
Auf einen Brief kann ein jeder antworten, wenn er schreiben kann.

BENVOLIO Nein, ich meine, er wird dem Briefsteller zeigen, daß er Mut hat, wenn man ihm so was zumutet.

MERCUTIO Ach, der arme Romeo; er ist ja schon tot! Durchbohrt von einer weißen Dirne schwarzem Auge; durchs Ohr geschossen mit einem Liebesliedchen; seine Herzensscheibe durch den Pfeil des kleinen blinden Schützen mitten entzweigespalten. Ist er der Mann darnach, es mit dem Tybalt aufzunehmen?

BENVOLIO
Nun, was ist Tybalt denn Großes?

MERCUTIO
Kein papierner Held, das kann ich dir sagen! Oh, er ist ein
beherzter Zeremonienmeister der Ehre. Er ficht, wie Ihr ein
Liedlein singt, hält Takt und Maß und Ton. Er beobachtet seine
Pausen; eins—zwei—drei; dann sitzt Euch der Stoß in der
Brust! Er bringt Euch einen seidnen Knopf unfehlbar ums Leben.
Ein Raufer, ein Raufer! Ein Ritter vom ersten Range, der Euch
alle Gründe eines Ehrenstreits an den Fingern herzuzählen weiß.
Ach die göttliche Passade! Die doppelte Finte! Der!

BENVOLIO
Der—was?

MERCUTIO Der Henker hole diese phantastischen, gezierten, lispelnden Eisenfresser! Was sie für neue Töne anstimmen!—"Eine sehr gute Klinge"—"Ein sehr wohlgewachsener Mann!"—"Eine sehr gute Hure!"—Wetter, sie hatte doch einen bessern Liebhaber, um sie zu bereimen!—, Dido eine Trutschel, Kleopatra eine Zigeunerin, Helena und Hero Metzen und lose Dirnen, Thisbe ein artiges Blauauge oder sonst so was, will aber nichts vorstellen.

(Romeo tritt auf.)

Signor Romeo, bonjour! Da habt Ihr einen französischen Gruß für Eure französischen Pumphosen! Ihr spieltet uns diese Nacht einen schönen Streich.

ROMEO
Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich?

MERCUTIO
Einen Diebesstreich. Ihr stahlt Euch unversehens davon.

ROMEO
Verzeihung, guter Mercutio. Ich hatte etwas Wichtiges vor,
und in einem solchen Falle tut man wohl einmal der Höflichkeit
Gewalt an.

MERCUTIO Das soll wohl heißen, daß in einem solchen Falle ein Mann dazu vergewaltigt wird, sich in den Schenkeln zu verbeugen.

ROMEO
Das bedeutet, einen höflichen Knicks zu machen.

MERCUTIO
Du hast es allergnädigst erfaßt.

ROMEO
Eine äußerst höfliche Auslegung.

MERCUTIO
Ich bringe die Höflichkeit zur höchsten Blüte.

ROMEO
Blüte steht für Blume.

MERCUTIO
Richtig.

ROMEO
Nun, dann ist mein Tanzschuh gut geblümt.

MERCUTIO Gut gesagt: spinne mir nun diesen Scherz weiter, bis du deinen Tanzschuh abgenutzt hast; so daß, wenn seine einzige Sohle abgenutzt ist, der Scherz solo und einzigartig hernach übrig bleibe.

ROMEO
Oh einfachbesohlter Scherz, einfach einzigartig in seiner Einfalt!

MERCUTIO
Tritt zwischen uns, guter Benvolio; mein Witz schwindet mir.

ROMEO Dann gib ihm Peitsche und Sporen, Peitsche und Sporen; oder ich rufe mich zum Sieger aus.

MERCUTIO Nein, wenn dein Witz ebenso ziellos herumgaloppiert wie bei einer Wildgansjagd, bin ich fertig; denn du hast mehr von einer schnatternden Wildgans in einem deiner Sinne, da bin ich mir sicher, als ich in meinen ganzen fünfen: bin ich Euch mit der Schnatterei zu nahe getreten?

{Wildgansjagd (wild-goose chase}: Ein Wettrennen zu Pferde, bei dem der führende Reiter die Strecke bestimmt. Im übertragenen Sinn: ein sehr wenig erfolgversprechendes Unternehmen.}

ROMEO
Du bist nie nahe zu mir getreten, außer mit Schnatterei.

MERCUTIO
Für diesen Scherz werde ich dir am Ohr knabbern.

ROMEO
Nein, guter Gänserich, beiß mich nicht.

MERCUTIO Dein Witz ist wie ein sehr bitterer Süßapfel; er ist eine äußerst scharfe Soße.

ROMEO
Und ist er dann nicht genau die richtige Beilage zu einer süßen
Gans?

MERCUTIO
Oh, das ist ein Witz aus Glacéleder, der sich von einem kleinen
Zoll auf eine große Elle dehnen läßt!

ROMEO
Ich werde ihn durch das Wort "groß" ausdehnen, welches, wenn es
der Gans hinzugefügt wird, dich weit und breit als eine große
Schnattergans dastehen läßt.

MERCUTIO Wie nun? [Du sprichst ja ganz menschlich. Wie kommt es, daß du auf einmal deine aufgeweckte Zunge und deine muntern Augen wiedergefunden hast? So hab ich dich gern.] Ist das nicht besser als das ewige Liebesgekrächze? Jetzt bist du umgänglich, jetzt bist du Romeo; jetzt bist du was du bist, in deiner Kunst ebenso wie in deiner Natur, denn dieser faselnde Amor ist wie ein großer Einfaltspinsel, der lächsend auf und ab rennt, um sein Stöckchen in einem Loch zu verstecken.

BENVOLIO
Halt ein, halt ein.

MERCUTIO
Du wünschst, daß ich meine Ergüße unzeitig beende.

BENVOLIO
Ansonsten wäre es dir zu lang geworden.

MERCUTIO O, du irrst dich; es wäre sogleich wieder kurz geworden, denn ich bin bereits in die volle Tiefe vorgedrungen und beabsichtigte in der Tat, auf dem Fall nicht länger herumzureiten.

ROMEO
Seht den prächtigen Aufzug!

(Die Wärterin und Peter hinter ihr.)

MERCUTIO
Was kommt da angesegelt?

BENVOLIO
Zwei, zwei: ein Männerhemd und ein Unterrock.

WÄRTERIN
Peter!

PETER
Was beliebt?

WÄRTERIN
Meinen Fächer, Peter!

MERCUTIO
Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken.
Ihr Fächer ist viel hübscher wie ihr Gesicht.

WÄRTERIN
Schönen guten Morgen, Ihr Herren!

MERCUTIO
Schönen guten Abend, schöne Dame!

WÄRTERIN
Warum guten Abend?

MERCUTIO
Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang.

WÄRTERIN
Pfui, was ist das für ein Mensch?

ROMEO Einer, Verehrte, den Gott geschaffen hat, daß er sich selbst verderbe.

WÄRTERIN
Schön gesagt, bei meiner Seele! Daß er sich selbst verderbe!
Ganz recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keiner von Euch sagen,
wo ich den jungen Romeo finde?

ROMEO
Ich kanns Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn
Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet.
Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer
da war.

WÄRTERIN
Gut gegeben.

MERCUTIO So? Ist das Schlechteste gut gegeben? Nun wahrhaftig: gut begriffen! Sehr vernünftig!

WÄRTERIN Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim zu sprechen.

BENVOLIO
Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten.

MERCUTIO
Eine Kupplerin, eine Kupplerin! Ho, ho!

BENVOLIO
Was witterst du?

MERCUTIO
[Neue Jagd, neue Jagd!—] Kein Häschen, mein Herr; außer vielleicht
einer Häsin, mein Herr, in einer Fastenspeise, die schon etwas
schal und schimmelig-grau geworden ist, bevor sie vernascht wurde.
(Singt.) Ein Has', ergraut,
 Und ein Has', ergraut,
Welch sehr gute Fastenspeis';
 Doch ein Has', der ergraut,
 Ist zu viel zugetraut,
Wenns ergraut eh' ichs verspeis.

{Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort "hoar" (ergraut) genauso klingt wie "whore" (Hure) und daß die sprichwörtliche Vermehrungsfreudigkeit der Hasen auch eine Interpretation von "hare" (Hase) als Hure nahelegt. So lautet die erste Zeile wörtlich "Ein alter Hase, (der) ergraut (ist)", doch der Zuhörer versteht "Eine alte Hure".}

Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag da essen.

ROMEO
Ich komme euch nach.

MERCUTIO
Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl,
(Singt.)
o Schöne—Schöne—Schöne!

(Benvolio und Mercutio gehen ab.)

WÄRTERIN Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte?

ROMEO Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten kann.

WÄRTERIN Ja, und wenn er auf mich was zu sagen hat, so will ich ihn bei den Ohren kriegen, und wäre er auch noch vierschrötiger, als er ist, und zwanzig solcher Hasenfüße obendrein; und kann ichs nicht, so könnens andre. So 'n Lausekerl! Ich bin keine von seinen Kreaturen, ich bin keine von seinen Karnuten. (Zu Peter.) Und du mußt auch dabeistehen und leiden, daß jeder Schuft sich nach Belieben über mich hermacht!

PETER Ich habe nicht gesehn, daß sich jemand über Euch hergemacht hätte, sonst hätte ich geschwind vom Leder gezogen, das könnt Ihr glauben. Ich kann so gut ausziehen wie ein andrer, wo es einen ehrlichen Zank gibt und das Recht auf meiner Seite ist.

WÄRTERIN Nu, weiß Gott, ich habe mich so geärgert, daß ich am ganzen Leibe zittre. So 'n Lausekerl!—Seid so gütig, mein Herr, auf ein Wort! Und was ich Euch sagte: Mein junges Fräulein befahl mir. Euch zu suchen. Was sie mir befahl. Euch zu sagen, das will ich für mich behalten; aber erst laßt mich Euch sagen, wenn Ihr sie wolltet bei der Nase herumführen, sozusagen, das wäre eine unartige Aufführung, sozusagen. Denn seht, das Fräulein ist jung, und also, wenn Ihr falsch gegen sie zu Werke gingt, das würde sich gar nicht gegen ein Fräulein schicken und wäre ein recht nichtsnutziger Handel.

ROMEO
Empfiehl mich deinem Fräulein! Ich beteure dir—

WÄRTERIN
Du meine Zeit! Gewiß und wahrhaftig, das will ich ihr wiedersagen.
O jemine, sie wird sich vor Freude nicht zu lassen wissen!

ROMEO
Was willst du ihr sagen, gute Frau? Du gibst nicht Achtung.

WÄRTERIN Ich will ihr sagen, daß Ihr beteuert, und ich meine, das ist recht wie ein Kavalier gesprochen.

ROMEO
Sag ihr, sie mög ein Mittel doch ersinnen,
Zur Beichte diesen Nachmittag zu gehn.
Dort in Lorenzos Zelle soll alsdann,
Wenn sie gebeichtet, unsre Trauung sein.
Hier ist für deine Müh.

WÄRTERIN
Nein, wahrhaftig, Herr, keinen Pfennig!

ROMEO
Nimm, sag ich dir; du mußt!

WÄRTERIN
Heut nachmittag? Nun gut, sie wird Euch treffen.

ROMEO
Du, gute Frau, wart hinter der Abtei,
Mein Diener soll dir diese Stunde noch,
Geknüpft aus Seilen, eine Leiter bringen,
Die zu dem Gipfel meiner Freuden ich
Hinan will klimmen in geheimer Nacht.
Leb wohl! Sei treu, so lohn ich deine Müh.
Leb wohl! Empfiehl mich deinem Fräulein!

WÄRTERIN
Nun, Gott der Herr gesegn es!—Hört, noch eins!

ROMEO
Was willst du, gute Frau?

WÄRTERIN
Schweigt Euer Diener? Habt Ihr nie vernommen:
Wo zwei zu Rate gehn, laßt keinen dritten kommen?

ROMEO
Verlaß dich drauf, der Mensch ist treu wie Gold.

WÄRTERIN Nun gut, Herr, meine Herrschaft ist ein allerliebstes Fräulein. O jemine, als sie noch so ein kleines Dingelchen war—Oh, da ist ein Edelmann in der Stadt, einer, der Paris heißt, der gern einhaken möchte; aber das gute Herz mag ebenso lieb eine Kröte sehn, eine rechte Kröte, als ihn.—Ich ärgre sie zuweilen und sag ihr: Paris wär doch der hübscheste; aber Ihr könnt mirs glauben, wenn ich das sage, so wird sie so blaß wie ein Tischtuch. Fängt nicht Rosmarin und Romeo mit demselben Buchstaben an?

ROMEO
Ja, gute Frau; beide mit einem R.

WÄRTERIN Ach, Spaßvogel, warum nicht gar? Das schnurrt ja wie 'n Spinnrad. Nein, ich weiß wohl, es fängt mit einem andern Buchstaben an, und sie hat die prächtigsten Reime und Sprichwörter darauf, daß Euch das Herz im Leibe lachen tät, wenn Ihrs hörtet.

ROMEO
Empfiehl mich deinem Fräulein!

(Ab.)

WÄRTERIN
Jawohl, viel tausendmal!

(Romeo geht ab.)

—Peter!

PETER
Was beliebt?

WÄRTERIN
Peter, nimm meinen Fächer und geh vorauf!

(Beide ab.)

FÜNFTE SZENE

(Capulets Garten)

(Julia tritt auf.)

JULIA
Neun schlug die Glock, als ich die Amme sandte.
In einer halben Stunde wollte sie
Schon wieder hier sein. Kann sie ihn vielleicht
Nicht treffen? Nein, das nicht. Oh, sie ist lahm!
Zu Liebesboten taugen nur Gedanken,
Die zehnmal schneller fliehn als Sonnenstrahlen,
Wenn sie die Nacht von finstern Hügeln scheuchen.
Deswegen ziehn ja leichtbeschwingte Tauben
Der Liebe Wagen, und Cupido hat
Windschnelle Flügel. Auf der steilsten Höhe
Der Tagereise steht die Sonne jetzt;
Von neun bis zwölf, drei lange Stunden sinds,
Und dennoch bleibt sie aus. O hätte sie
Ein Herz und warmes, jugendliches Blut,
Sie würde wie ein Ball behende fliegen,
Es schnellte sie mein Wort dem Trauten zu
Und seines mir.
Doch Alte tun, als lebten sie nicht mehr,
Träg, unbehülflich, und wie Blei so schwer.

(Die Wärterin und Peter kommen.)

O Gott, sie kommt!

(Die Amme und Peter treten auf.)

 Was bringst du, goldne Amme?
Trafst du ihn an? Schick deinen Diener weg!

WÄRTERIN
Wart vor der Türe, Peter!

(Peter ab.)

JULIA
Nun, Mütterchen? Gott, warum blickst du traurig?
Ist dein Bericht schon traurig, gib ihn fröhlich,
Und klingt er gut, verdirb die Weise nicht,
Indem du sie mit saurer Miene spielst.

WÄRTERIN
Ich bin ermattet; laßt ein Weilchen mich!
Das war 'ne Jagd! Das reißt in Gliedern mir!

JULIA
Ich wollt, ich hätte deine Neuigkeit,
Du meine Glieder. Nun, so sprich geschwind!
Ich bitt dich, liebe, liebe Amme, sprich!

WÄRTERIN
Was für 'ne Hast! Könnt Ihr kein Weilchen warten?
Seht Ihr nicht, daß ich außer Atem bin?

JULIA
Wie außer Atem, wenn du Atem hast,
Um mir zu sagen, daß du keinen hast?
Der Vorwand deines Zögerns währt ja länger
Als der Bericht, den du dadurch verzögerst.
Gib Antwort: Bringst du Gutes oder Böses!
Nur das, so wart ich auf das Nähere gern.
Beruhge mich! Ists Gutes oder Böses?

WÄRTERIN Ei, Ihr habt mir eine recht einfältige Wahl getroffen; Ihr versteht auch einen Mann auszulosen! Romeo—ja, das ist der rechte!—Er hat zwar ein hübscher Gesicht wie andre Leute; aber seine Beine gehen über alle Beine, und Hand und Fuß und die ganze Positur—es läßt sich eben nicht viel davon sagen, aber man kann sie mit nichts vergleichen. Er ist kein Ausbund von feinen Manieren, doch wett ich drauf, wie ein Lamm so sanft.—Treibs nur so fort, Kind, und fürchte Gott!—Habt Ihr diesen Mittag zu Hause gegessen?

JULIA
Nein, nein! Doch all dies wußt ich schon zuvor.
Was sagt er von der Trauung? Hurtig: was?

WÄRTERIN
O je, wie schmerzt der Kopf mir! Welch ein Kopf!
Er schlägt, als wollt er gleich in Stücke springen.
Da hier mein Rücken, o mein armer Rücken!
Gott sei Euch gnädig, daß Ihr hin und her
So viel mich schickt, mich bald zu Tode hetzt.

JULIA
Im Ernst, daß du nicht wohl bist, tut mir leid.
Doch, beste, beste Amme, sage mir:
Was macht mein Liebster?

WÄRTERIN Eur Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr—und ein artiger und ein freundlicher und ein hübscher Herr und, auf mein Wort, ein tugendsamer Herr.—Wo ist denn Eure Mutter?

JULIA
Wo meine Mutter ist? Nun, sie ist drinnen;
Wo wär sie sonst? Wie seltsam du erwiderst:
Eur Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr—
Wo ist denn Eure Mutter?

WÄRTERIN
 Jemine!
Seid Ihr so hitzig? Seht doch! Kommt mir nur!
Ist das die Bähung für mein Gliederweh?
Geht künftig selbst, wenn Ihr 'ne Botschaft habt.

JULIA
Das ist 'ne Not! Was sagt er? Bitte, sprich!

WÄRTERIN
Habt Ihr Erlaubnis, heut zu beichten?

JULIA
 Ja.

WÄRTERIN
So macht Euch auf zu Eures Paters Zelle,
Da harrt ein Mann, um Euch zur Frau zu machen.
Nun steigt das lose Blut Euch in die Wangen,
Gleich sind sie Scharlach, wenns was Neues gibt.
Eilt Ihr ins Kloster; ich muß sonst wohin,
Die Leiter holen, die der Liebste bald
Zum Nest hinan, wenns Nacht wird, klimmen soll.
Ich bin das Lasttier, muß für Euch mich plagen,
Doch Ihr sollt Eure Last zur Nacht schon tragen.
Ich will zur Mahlzeit erst; eilt Ihr zur Zelle hin!

JULIA
Zu hohem Glücke, treue Pflegerin!

(Beide ab.)

SECHSTE SZENE

(Bruder Lorenzos Zelle)

(Lorenzo und Romeo.)

LORENZO
Der Himmel lächle so dem heilgen Bund,
Daß künftge Tag' uns nicht durch Kummer schelten!

ROMEO
Amen! So sei's! Doch laß den Kummer kommen,
So sehr er mag; wiegt er die Freuden auf,
Die mir in ihrem Anblick eine flüchtge
Minute gibt? Füg unsre Hände nur
Durch deinen Segensspruch in eins, dann tue
Sein Äußerstes der Liebeswürger Tod;
Genug, daß ich nur mein sie nennen darf.

LORENZO
So wilde Freude nimmt ein wildes Ende
Und stirbt im höchsten Sieg, wie Feur und Pulver
Im Kusse sich verzehrt. Die Süßigkeit
Des Honigs widert durch ihr Übermaß,
Und im Geschmack erstickt sie unsre Lust.
Drum liebe mäßig; solche Lieb ist stet;
Zu hastig und zu träge kommt gleich spät.

(Julia tritt auf.)

Hier kommt das Fräulein, sieh,
Mit leichtem Tritt, der keine Blume biegt.
Sieh, wie die Macht der Lieb und Wonne siegt!

(Julia tritt auf.)

JULIA
Ehrwürdger Herr, ich sag Euch guten Abend.

LORENZO
Für mich und sich dankt Romeo, mein Kind.

JULIA
Es gilt ihm mit, sonst wär sein Dank zuviel.

ROMEO
Ach Julia! Ist deiner Freude Maß
Gehäuft wie meins und weißt du mehr die Kunst,
Ihr Schmuck zu leihn, so würze rings die Luft
Durch deinen Hauch; laß des Gesanges Mund
Die Seligkeit verkünden, die wir beide
Bei dieser teuern Näh im andern finden.

JULIA
Gefühl, an Inhalt reicher als an Worten,
Ist stolz auf seinen Wert und nicht auf Schmuck.
Nur Bettler wissen ihres Guts Betrag;
Doch meine treue Liebe stieg so hoch,
Daß keine Schätzung ihre Schätz erreicht.

LORENZO
Kommt, kommt mit mir, wir schreiten gleich zur Sache.
Ich leide nicht, daß ihr allein mir bleibt,
Bis euch die Kirch einander einverleibt.

(Alle ab.)

DRITTER AKT

ERSTE SZENE

(Ein öffentlicher Platz)

(Mercutio, Benvolio, Page und Diener.)

BENVOLIO
Ich bitt dich, Freund, laß uns nach Hause gehn!
Der Tag ist heiß, die Capulets sind draußen,
Und treffen wir, so gibt es sicher Zank:
Denn bei der Hitze tobt das tolle Blut.

MERCUTIO Du bist mir so ein Zeisig, der, sobald er die Schwelle eines Wirtshauses betritt, mit dem Degen auf den Tisch schlägt und ausruft: Gebe Gott, daß ich dich nicht nötig habe!—a kommen die Capulets.

MERCUTIO
Bei meiner Sohle! Mich kümmerts nicht.

(Tybalt und andre kommen.)

TYBALT (zu seinen Leuten.)
Schließt euch mir an, ich will mit ihnen reden.—
Guten Tag, Ihr Herrn! Ein Wort mit Euer einem!

MERCUTIO Nur ein Wort mit einem von uns? Gebt noch was zu, laßt es ein Wort und einen Schlag sein!

TYBALT
Dazu werdet Ihr mich bereit genug finden, wenn Ihr mir Anlaß gebt.

MERCUTIO
Könntet Ihr ihn nicht nehmen, ohne daß wir ihn gäben?

TYBALT
Mercutio, du harmonierst mit Romeo.

MERCUTIO Harmonierst? Was? Machst du uns zu Musikanten? Wenn du uns zu Musikanten machen willst, so sollst du auch nichts als Dissonanzen zu hören kriegen. Hier ist mein Fiedelbogen, wart, der soll Euch tanzen lehren! Alle Wetter! Über das Harmonieren!

BENVOLIO
Wir reden hier auf öffentlichem Markt;
Entweder sucht Euch einen stillern Ort,
Wo nicht, besprecht Euch kühl von Eurem Zwist.
Sonst geht! Hier gafft ein jedes Aug auf uns.

MERCUTIO
Zum Gaffen hat das Volk die Augen; laß sie!
Ich weich und wank um keines willen, ich!

(Romeo tritt auf.)

TYBALT
Herr, zieht in Frieden! Hier kommt mein Gesell.

(Romeo tritt auf.)

MERCUTIO
Ich will gehängt sein, Herr, wenn Ihr sein Meister seid.
Doch stellt Euch nur, er wird sich zu Euch halten;
In dem Sinn mögen Eure Gnaden wohl
Gesell ihn nennen.

TYBALT
Hör, Romeo! Der Haß, den ich dir schwur,
Gönnt diesen Gruß dir nur: Du bist ein Schurke!

ROMEO
Tybalt, die Ursach, die ich habe, dich
Zu lieben, mildert sehr die Wut, die sonst
Auf diesen Gruß sich ziemt. Ich bin kein Schurke,
Drum lebe wohl! Ich seh, du kennst mich nicht.

TYBALT
Nein, Knabe, dies entschuldigt nicht den Hohn,
Den du mir angetan; kehr um und zieh!

ROMEO
Ich schwöre dir, nie tat ich Hohn dir an.
Ich liebe mehr dich, als du denken kannst,
Bis du die Ursach meiner Liebe weißt.
Drum, guter Capulet, ein Name, den
Ich wert wie meinen halte, sei zufrieden!

MERCUTIO
O zahme, schimpfliche, verhaßte Demut!
Die Kunst des Raufers trägt den Sieg davon.—

(Er zieht.)

Tybalt, du Ratzenfänger, willst du dran?

TYBALT
Was willst du denn von mir?

MERCUTIO Mein guter Katzenkönig, nichts als eins von Euern neun Leben; damit will ich mich nebenbei lustig machen, und wenn Ihr mir wieder über den Weg lauft, auch die andern acht ausklopfen. Wollt Ihr bald Euren Degen bei den Ohren aus der Scheide ziehn? Macht zu, sonst habt Ihr meinen um die Ohren, eh er heraus ist.

TYBALT
Ich steh zu Dienst.

(Er zieht.)

ROMEO
Lieber Mercutio, steck den Degen ein!

MERCUTIO
Kommt, Herr! Laßt Eure Finten sehn!

(Sie fechten.)

ROMEO
Zieh, Benvolio!
Schlag zwischen ihre Degen! Schämt euch doch
Und haltet ein mit Wüten! Tybalt! Mercutio!
Der Prinz verbot ausdrücklich solchen Aufruhr
In Veronas Gassen. Halt, Tybalt! Freund Mercutio!

(Tybalt entfernt sich mit seinen Anhängern.)

MERCUTIO
Ich bin verwundet.—
Zum Teufel beider Sippschaft! Ich bin hin.
Und ist er fort? Und hat nichts abgekriegt?

BENVOLIO
Bist du verwundet, wie?

MERCUTIO
Ja, ja, geritzt, geritzt!—Wetter, 's ist genug.—
Wo ist mein Page?—Bursch, hol einen Wundarzt!

(Der Page geht ab.)

ROMEO
Sei guten Muts, Freund! Die Wunde kann nicht beträchtlich sein.

MERCUTIO Nein, nicht so tief wie ein Brunnen noch so weit wie eine Kirchtüre; aber es reicht eben hin. Fragt morgen nach mir, und Ihr werdet einen stillen Mann an mir finden. Für diese Welt, glaubts nur, ist mir der Spaß versalzen.—Hol der Henker eure beiden Häuser!—Was? Von einem Hund, einer Maus, einer Ratze, einer Katze zu Tode gekratzt zu werden! Von so einem Prahler, einem Schuft, der nach dem Rechenbuche ficht!—Warum zum Teufel kamt Ihr zwischen uns? Unter Eurem Arm wurde ich verwundet.

ROMEO
Ich dacht es gut zu machen.

MERCUTIO
O hilf mir in ein Haus hinein, Benvolio.
Sonst sink ich hin.—Zum Teufel eure Häuser!
Sie haben Würmerspeis aus mir gemacht.
Ich hab es tüchtig weg; verdammte Sippschaft!

(Mercutio und Benvolio ab.)

ROMEO
Um meinetwillen wurde dieser Ritter,
Dem Prinzen nah verwandt, mein eigner Freund,
Verwundet auf den Tod; mein Ruf befleckt
Durch Tybalts Lästerungen, Tybalts, der
Seit einer Stunde mir verschwägert war.
O süße Julia, deine Schönheit hat
So weibisch mich gemacht; sie hat den Stahl
Der Tapferkeit in meiner Brust erweicht.

(Benvolio kommt zurück.)

BENVOLIO
O Romeo, der wackre Freund ist tot,
Sein edler Geist schwang in die Wolken sich,
Der allzu früh der Erde Staub verschmäht.

ROMEO
Nichts kann den Unstern dieses Tages wenden;
Er hebt das Weh an, andre müssens enden.

(Tybalt kommt zurück.)

BENVOLIO
Da kommt der grimmige Tybalt wieder her.

ROMEO
Am Leben! Siegreich! Und mein Freund erschlagen!
Nun flieh gen Himmel, schonungsreiche Milde!
Entflammte Wut, sei meine Führerin!

(Tybalt kommt zurück.)

Nun, Tybalt, nimm den Schurken wieder, den du
Mir eben gabst! Der Geist Mercutios
Schwebt nah noch über unsern Häuptern hin
Und harrt, daß deiner sich ihm zugeselle.
Du oder ich! sonst folgen wir ihm beide.

TYBALT
Elendes Kind, hier hieltest du's mit ihm
Und sollst mit ihm von hinnen.

ROMEO
 Dies entscheide!

(Sie fechten; Tybalt fällt.)

BENVOLIO
Flieh, Romeo, die Bürger sind in Wehr
Und Tybalt tot. Steh so versteinert nicht!
Flieh, flieh, der Prinz verdammt zum Tode dich,
Wenn sie dich greifen. Fort, nur fort mit dir!

ROMEO
Weh mir, ich Narr des Glücks!

BENVOLIO
 Was weilst du noch?

(Romeo ab. Bürger treten auf.)

EIN BÜRGER
Wo lief er hin, der den Mercutio totschlug?
Der Mörder Tybalts? Hat ihn wer gesehn?

BENVOLIO
Da liegt der Tybalt.

EIN BÜRGER
 Auf, Herr, geht mit mir!
Gehorcht! Ich mahn Euch von des Fürsten wegen.

(Der Prinz mit Gefolge, Montague, Capulet, ihre
Gemahlinnen und andre.)

PRINZ
Wer durfte freventlich hier Streit erregen?

BENVOLIO
O edler Fürst, ich kann verkünden recht
Nach seinem Hergang dies unselige Gefecht.
Der deinen wackren Freund Mercutio
Erschlagen, liegt hier tot, entleibt vom Romeo.

GRÄFIN CAPULET
Mein Vetter! Tybalt! Meines Bruders Kind!
O Fürst! O mein Gemahl! O seht, noch rinnt
Das teure Blut! Mein Fürst, bei Ehr und Huld,
Im Blut der Montagues tilg ihre Schuld!—
O Vetter, Vetter!

PRINZ
Benvolio, sprich, wer hat den Streit erregt?

BENVOLIO
Der tot hier liegt, von Romeo erlegt.
Viel gute Worte gab ihm Romeo,
Hieß ihn bedenken, wie gering der Anlaß,
Wie sehr zu fürchten Euer höchster Zorn.
Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton,
Gelaßnem Blick, bescheidner Stellung, konnte
Nicht Tybalts ungezähmte Wut entwaffnen.
Dem Frieden taub, berennt mit scharfem Stahl
Er die entschloßne Brust Mercutios;
Der kehrt gleich rasch ihm Spitze gegen Spitze
Und wehrt mit Kämpfertrotz mit einer Hand
Den kalten Tod ab, schickt ihn mit der andern
Dem Gegner wieder, des Behendigkeit
Zurück ihn schleudert. Romeo ruft laut:
Halt, Freunde, auseinander! Und geschwinder
Als seine Zunge schlägt sein rüstger Arm,
Dazwischen stürzend, beider Mordstahl nieder.
Recht unter diesem Arm traf des Mercutio Leben
Ein falscher Stoß vom Tybalt. Der entfloh,
Kam aber gleich zum Romeo zurück,
Der eben erst der Rache Raum gegeben.
Nun fallen sie mit Blitzeseil sich an,
Denn eh ich ziehen konnt, um sie zu trennen,
War der beherzte Tybalt umgebracht.
Er fiel, und Romeo, bestürzt, entwich.
Ich rede wahr, sonst führt zum Tode mich.

GRÄFIN CAPULET
Er ist verwandt mit Montagues Geschlecht,
Aus Freundschaft spricht er falsch, verletzt das Recht.
Die Fehd erhoben sie zu ganzen Horden,
Und alle konnten nur ein Leben morden.
Ich fleh um Recht; Fürst, weise mich nicht ab:
Gib Romeo, was er dem Tybalt gab!

PRINZ
Er hat Mercutio, ihn Romeo erschlagen;
Wer soll die Schuld des teuren Blutes tragen?

GRÄFIN MONTAGUE
Fürst, nicht mein Sohn, der Freund Mercutios;
Was dem Gesetz doch heimfiel, nahm er bloß:
Das Leben Tybalts.

PRINZ
 Weil er das verbrochen,
Sei über ihn sofort der Bann gesprochen.
Mich selber trifft der Ausbruch eurer Wut,
Um euren Zwiespalt fließt mein eignes Blut;
Allein ich will dafür so streng euch büßen,
Daß mein Verlust euch ewig soll verdrießen.
Taub bin ich jeglicher Beschönigung,
Kein Flehn, kein Weinen kauft Begnadigung;
Drum spart sie. Romeo flieh schnell von hinnen!
Greift man ihn, soll er nicht dem Tod entrinnen.
Tragt diese Leiche weg! Vernehmt mein Wort!
Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord!

(Alle ab.)

ZWEITE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Julia tritt auf.)

JULIA
Hinab, du flammenhufiges Gespann,
Zu Phöbus' Wohnung! Solch ein Wagenlenker
Wie Phaethon jagt' euch gen Westen wohl
Und brächte schnell die wolkige Nacht herauf.
Verbreite deinen dichten Vorhang, Nacht,
Du Liebespflegerin, damit das Auge
Der Neubegier sich schließ und Romeo
Mir unbelauscht in diese Arme schlüpfe.
Verliebten gnügt zu der geheimen Weihe
Das Licht der eignen Schönheit, oder wenn
Die Liebe blind ist, stimmt sie wohl zur Nacht.
Komm, ernste Nacht, du züchtig stille Frau,
Ganz angetan mit Schwarz, und lehre mich
Ein Spiel, wo jedes reiner Jugend Blüte
Zum Pfände setzt, gewinnend zu verlieren!
Verhülle mit dem schwarzen Mantel mir
Das wilde Blut, das in den Wangen flattert,
Bis scheue Liebe kühner wird und nichts
Als Unschuld sieht in innger Liebe Tun.
Komm, Nacht! Komm, Romeo, du Tag in Nacht,
Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht
Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken.
Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib
Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst,
Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn:
Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,
Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt
Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt.—
Ich habe Lieb erworben wie ein Haus,
Und durfte noch nicht einziehn; bin verkauft,
Doch noch nicht übergeben. Dieser Tag
Währt so verdrießlich lang mir wie die Nacht
Vor einem Fest dem ungeduldgen Kinde,
Das noch sein neues Kleid nicht tragen durfte.

(Die Wärterin mit einer Strickleiter.)

Da kommt die Amme ja, die bringt Bericht,
Und jede Zunge, die nur Romeo
Beim Namen nennt, spricht so beredt wie Engel.

(Die Amme tritt auf mit einer Strickleiter.)

Nun, Amme? Sag, was gibts, was hast du da?
Die Stricke, die dich Romeo hieß holen?

WÄRTERIN
Ja, ja, die Stricke!

(Sie wirft sie auf die Erde.)

JULIA
Weh mir! Was gibts? Was ringst du so die Hände?

WÄRTERIN
Daß Gott erbarm! Er ist tot, er ist tot, er ist tot!
Wir sind verloren, Fräulein, sind verloren!
O weh uns! Er ist hin! Ermordet! Tot!

JULIA
So neidisch kann der Himmel sein?

WÄRTERIN
Ja, das kann Romeo; der Himmel nicht.
O Romeo, wer hätt es je gedacht?
O Romeo, Romeo!

JULIA
Welch Teufel bist du, daß du so mich folterst?
Die grause Hölle nur brüllt solche Qual.
Hat Romeo sich selbst ermordet? Sprich!
Und sagt du "Ja", vergiftet dieser Laut
Mehr als des Basilisks todbringend "Aug".
Ich bin nicht "ich", wenns gibt ein solches "Ja",
Dies Auge zu, das dich zwingt zu dem "Ja".

{Ein Wortspiel mit den Wörtern "aye" (ja), "I" (ich) und "eye" (Auge), die alle gleich ausgesprochen werden.}

Ist er entleibt, sag ja, wo nicht, sag nein!
Ein kurzer Laut entscheidet Wonn und Pein.

WÄRTERIN
Ich sah die Wunde, meine Augen sahn sie
—Behüte Gott!—auf seiner tapfern Brust;
Die blutge Leiche, jämmerlich und blutig,
Bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut besudelt,
Ganz starres Blut—de wieder! Pulsschlag, hemme dich!
Ein Sarg empfange Romeo und mich!

WÄRTERIN
O Tybalt, Tybalt! O mein bester Freund!
Leutselger Tybalt, wohlgesinnter Herr!
So mußt ich leben, um dich tot zu sehn?

JULIA
Was für ein Sturm tobt so von jeder Seite?
Ist Romeo erschlagen? Tybalt tot?
Mein teurer Vetter? Teuerster Gemahl?
Dann töne nur des Weltgerichts Posaune!
Wer lebt noch, wenn dahin die beiden sind?

WÄRTERIN
Dahin ist Tybalt, Romeo verbannt;
Verbannt ist Romeo, der ihn erschlug.

JULIA
Gott! Seine Hand, vergoß sie Tybalts Blut?

WÄRTERIN
Sie tats, sie tats! O weh uns, weh, sie tats!

JULIA
O Schlangenherz, von Blumen überdeckt!
Wohnt' in so schöner Höhl ein Drache je?
Holdselger Wütrich! Engelgleicher Unhold!
Ergrimmte Taube! Lamm mit Wolfesgier!
Verworfne Art in göttlichster Gestalt!
Das rechte Gegenteil des, was mit Recht
Du scheinest: ein verdammter Heiliger,
Ein ehrenwerter Schurke!—O Natur!
Was hattest du zu schaffen in der Hölle,
Als du des holden Leibes Paradies
Zum Lustsitz einem Teufel übergabst?
War je ein Buch, so arger Dinge voll,
So schön gebunden? Oh, daß Falschheit doch
Solch herrlichen Palast bewohnen kann!

WÄRTERIN
Kein Glaube, keine Treu noch Redlichkeit
Ist unter Männern mehr. Sie sind meineidig,
Falsch sind sie, lauter Schelme, lauter Heuchler!—
Wo ist mein Diener? Gebt mir Aquavit!
Die Not, die Angst, der Jammer macht mich alt.
Zu Schanden werde Romeo!

JULIA
 Die Zunge
Erkranke dir für einen solchen Wunsch!
Er war zur Schande nicht geboren; Schande
Weilt mit Beschämung nur auf seiner Stirn.
Sie ist ein Thron, wo man die Ehre mag
Als Allbeherrscherin der Erde krönen.
O wie unmenschlich war ich, ihn zu schelten!

WÄRTERIN
Von Eures Vetters Mörder sprecht Ihr Gutes?

JULIA
Soll ich von meinem Gatten Übles reden?
Ach, armer Gatte! Welche Zunge wird
Wohl deinem Namen Liebes tun, wenn ich,
Dein Weib von wenig Stunden, ihn zerrissen?
Doch, Arger, was erschlugst du meinen Vetter?
Der Arge wollte den Gemahl erschlagen.
Zurück zu eurem Quell, verkehrte Tränen!
Dem Schmerz gebühret eurer Tropfen Zoll,
Ihr bringt aus Irrtum ihn der Freude dar.
Mein Gatte lebt, den Tybalt fast getötet,
Und tot ist Tybalt, der ihn töten wollte.
Dies alles ist ja Trost: was wein ich denn?
Ich hört ein schlimmres Wort als Tybalts Tod,
Das mich erwürgte; ich vergäß es gern!
Doch ach, es drückt auf mein Gedächtnis schwer
Wie Freveltaten auf des Sünders Seele.
Tybalt ist tot und Romeo verbannt!
O dies "Verbannt", dies eine Wort "Verbannt"
Erschlug zehntausend Tybalts. Tybalts Tod
War gnug des Wehes, hätt es da geendet!
Und liebt das Leid Gefährten, reiht durchaus
An andre Leiden sich, warum denn folgte
Auf ihre Botschaft: tot ist Tybalt, nicht:
Dein Vater, deine Mutter, oder beide?
Das hätte sanftre Klage wohl erregt.
Allein dies Wort: verbannt ist Romeo,
Aus jenes Todes Hinterhalt gesprochen,
Bringt Vater, Mutter, Tybalt, Romeo
Und Julien um! Verbannt ist Romeo!
Nicht Maß noch Ziel kennt dieses Wortes Tod,
Und keine Zung erschöpfet meine Not.—
Wo mag mein Vater, meine Mutter sein?

WÄRTERIN
Bei Tybalts Leiche heulen sie und schrein.
Wollt Ihr zu ihnen gehn? Ich bring Euch hin.

JULIA
So waschen sie die Wunden ihm mit Tränen?
Ich spare meine für ein bängres Sehnen.
Nimm diese Seile auf.—Ach, armer Strick,
Getäuscht wie ich! Wer bringt ihn uns zurück?
Zum Steg der Liebe knüpft' er deine Bande,
Ich aber sterb als Braut im Witwenstande.
Komm, Amme, komm! Ich will ins Brautbett! Fort!
Nicht Romeo, den Tod umarm ich dort.

WÄRTERIN
Geht nur ins Schlafgemach! Zum Troste find ich
Euch Romeo: ich weiß wohl, wo er steckt.
Hört, Romeo soll Euch zur Nacht erfreuen;
Ich geh zu ihm; beim Pater wartet er.

JULIA
O such ihn auf! Gib diesen Ring dem Treuen;
Bescheid aufs letzte Lebewohl ihn her!

(Beide ab.)

DRITTE SZENE

(Bruder Lorenzos Zelle)

(Lorenzo und Romeo kommen.] Bruder Lorenzo tritt auf.)

LORENZO
Komm, Romeo! Hervor, du Mann der Furcht!
Bekümmernis hängt sich mit Lieb an dich,
Und mit dem Mißgeschick bist du vermählt.

(Romeo tritt auf.)

ROMEO
Vater, was gibts? Wie heißt des Prinzen Spruch?
Wie heißt der Kummer, der sich zu mir drängt
Und noch mir fremd ist?

LORENZO
 Zu vertraut, mein Sohn,
Bist du mit solchen widrigen Gefährten.
Ich bring dir Nachricht von des Prinzen Spruch.

ROMEO
Und hat sein Spruch mir nicht den Stab gebrochen?

LORENZO
Ein mildres Urteil floß von seinen Lippen:
Nicht Leibes Tod, nur leibliche Verbannung.

ROMEO
Verbannung? Sei barmherzig! Sage: Tod!
Verbannung trägt der Schrecken mehr im Blick,
Weit mehr als Tod!—O sage nicht Verbannung!

LORENZO
Hier aus Verona bist du nur verbannt;
Sei ruhig, denn die Welt ist groß und weit.

ROMEO
Die Welt ist nirgends außer diesen Mauern;
Nur Fegefeuer, Qual, die Hölle selbst.
Von hier verbannt ist aus der Welt verbannt,
Und solcher Bann ist Tod. Drum gibst du ihm
Den falschen Namen.—Nennst du Tod Verbannung,
Enthauptest du mit goldnem Beile mich
Und lächelst zu dem Streich, der mich ermordet.

LORENZO
O schwere Sünd, o undankbarer Trotz!
Dein Fehltritt heißt nach unsrer Satzung Tod;
Doch dir zulieb hat sie der gütge Fürst
Beiseit gestoßen und Verbannung nur
Statt jenes schwarzen Wortes ausgesprochen.
Und diese teure Gnad erkennst du nicht?

ROMEO
Nein, Folter; Gnade nicht! Hier ist der Himmel,
Wo Julia lebt, und jeder Hund und Katze
Und kleine Maus, das schlechteste Geschöpf,
Lebt hier im Himmel, darf ihr Antlitz sehn;
Doch Romeo darf nicht. Mehr Würdigkeit,
Mehr Ansehn, mehr gefällge Sitte lebt
In Fliegen als in Romeo. Sie dürfen
Das Wunderwerk der weißen Hand berühren
Und Himmelswonne rauben ihren Lippen,
Die sittsam in Vestalenunschuld stets
Erröten, gleich als wäre Sünd ihr Kuß.
Dies dürfen Fliegen tun, ich muß entfliehn;
Sie sind ein freies Volk, ich bin verbannt.
Und sagst du noch, Verbannung sei nicht Tod?
So hattest du kein Gift gemischt, kein Messer
Geschärft, kein schmählich Mittel schnellen Todes,
Als dies "Verbannt", zu töten mich? Verbannt!
O Mönch! Verdammte sprechen in der Hölle
Dies Wort mit Heulen aus; hast du das Herz,
Da du ein heilger Mann, ein Beichtiger bist,
Ein Sündenlöser, mein erklärter Freund,
Mich zu zermalmen mit dem Wort Verbannung?

LORENZO
Du kindisch blöder Mann, hör doch ein Wort!

ROMEO
O du willst wieder von Verbannung sprechen!

LORENZO
Ich will dir eine Wehr dagegen leihn,
Der Trübsal süße Milch, Philosophie,
Um dich zu trösten, bist du gleich verbannt.

ROMEO
Und noch verbannt? Hängt die Philosophie!
Kann sie nicht schaffen eine Julia,
Aufheben eines Fürsten Urteilspruch,
Verpflanzen eine Stadt, so hilft sie nicht,
So taugt sie nicht, so rede länger nicht!

LORENZO
Nun seh ich wohl. Wahnsinnige sind taub.

ROMEO
Wärs anders möglich? Sind doch Weise blind.

LORENZO
Laß über deinen Fall mit dir mich rechten!

ROMEO
Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden.
Wärst du so jung wie ich und Julia dein,
Vermählt seit einer Stund, erschlagen Tybalt,
Wie ich von Lieb entglüht, wie ich verbannt,
Dann möchtest du nur reden, möchtest nur
Das Haar dir raufen, dich zu Boden werfen
Wie ich und so dein künftges Grab dir messen.

([Er wirft sich an den Boden.] Man klopft draußen.)

LORENZO
Steh auf, man klopft; verbirg dich, lieber Freund!

ROMEO
O nein, wo nicht des bangen Stöhnens Hauch
Gleich Nebeln mich vor Späheraugen schirmt.

(Man klopft.)

LORENZO
Horch, wie man klopft!—Wer da?—Fort, Romeo!
Man wird dich fangen.—Wartet doch ein Weilchen!—
Steh auf

(Man klopft.)

und rett ins Lesezimmer dich!—

(Man klopft.)

Ja, ja! im Augenblick!—Gerechter Gott,
Was für ein starrer Sinn!—ehn und dich zurückzurufen
Mit zwanzighunderttausendmal mehr Freude,
Als du mit Jammer jetzt von hinnen ziehst.
Geh, Wärterin, voraus, grüß mir dein Fräulein;
Heiß sie das ganze Haus zu Bette treiben,
Wohin der schwere Gram von selbst sie treibt;
Denn Romeo soll kommen.

WÄRTERIN
O je, ich blieb hier gern die ganze Nacht
Und hörte gute Lehr. Da sieht man doch,
Was die Gelahrtheit ist!—Nun, gnädger Herr,
Ich will dem Fräulein sagen, daß Ihr kommt.

ROMEO
Tu das und sag der Holden, daß sie sich
Bereite, mich zu schelten.

WÄRTERIN
 Gnädger Herr,
Hier ist ein Ring, den sie für Euch mir gab.
Eilt Euch, macht fort, sonst wird es gar zu spät.

(Ab.)

ROMEO
Wie ist mein Mut nun wieder neu belebt!

LORENZO
Geh! Gute Nacht! Und hieran hängt dein Los:
Entweder geh, bevor man Wachen stellt,
Wo nicht, verkleidet in der Frühe fort.
Verweil in Mantua; ich forsch indessen
Nach deinem Diener, und er meldet dir
Von Zeit zu Zeit ein jedes gute Glück,
Das hier begegnet. Gib mir deine Hand!
Es ist schon spät. Fahr wohl denn! Gute Nacht!

ROMEO
Mich rufen Freuden über alle Freuden,
Sonst wärs ein Leid, von dir so schnell zu scheiden.
Leb wohl!

(Beide ab.)

VIERTE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Capulet, Gräfin Capulet, Paris.)

CAPULET
Es ist so schlimm ergangen, Graf, daß wir
Nicht Zeit gehabt, die Tochter anzumahnen.
Denn seht, sie liebte herzlich ihren Vetter.
Das tat ich auch; nun, einmal stirbt man doch.—
Es ist schon spät, sie kommt nicht mehr herunter,
Ich sag Euch, wärs nicht der Gesellschaft wegen,
Seit einer Stunde läg ich schon im Bett.

PARIS
So trübe Zeit gewährt nicht Zeit zum Frein;
Gräfin, schlaft wohl, empfehlt mich Eurer Tochter!

GRÄFIN CAPULET
Ich tu's und forsche morgen früh sie aus.
Heut nacht verschloß sie sich mit ihrem Gram.

CAPULET
Graf Paris, ich vermesse mich zu stehn
Für meines Kindes Lieb; ich denke wohl,
Sie wird von mir in allen Stücken sich
Bedeuten lassen, ja ich zweifle nicht.—
Frau, geh noch zu ihr, eh du schlafen gehst,
Tu meines Sohnes Paris Lieb ihr kund
Und sag ihr, merk es wohl: auf nächsten Mittwoch!
Still, was ist heute?

PARIS
 Montag, edler Herr.

CAPULET
Montag? So, so! Gut, Mittwoch ist zu früh.
Sei's Donnerstag!—Sag ihr: am Donnerstag
Wird sie vermählt mit diesem edlen Grafen.
Wollt Ihr bereit sein? Liebt Ihr diese Eil?
Wir tuns im stillen ab: nur ein paar Freunde;
Denn seht, weil Tybalt erst erschlagen ist,
So dächte man, er läg uns nicht am Herzen,
Als unser Blutsfreund, schwärmten wir zu viel.
Drum laßt uns ein halb Dutzend Freunde laden
Und damit gut. Wie dünkt Euch Donnerstag?

PARIS
Mein Graf, ich wollte, Donnerstag wär morgen.

CAPULET
Gut, geht nur heim! Sei's denn am Donnerstag.—
Geh, Frau, zu Julien, eh du schlafen gehst,
Bereite sie auf diesen Hochzeittag.—
Lebt wohl, mein Graf!

(Paris ab.)

 He! Licht auf meine Kammer!
Nach meiner Weise ists so spät, daß wir
Bald früh es nennen können. Gute Nacht!

([Capulet und die Gräfin ab.] Alle ab.)

FÜNFTE SZENE

(Eine offene Galerie vor Juliens Zimmer mit Blick auf den Garten)

(Romeo und Julia.)

JULIA
Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang;
Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.
Glaub, Lieber, mir: es war die Nachtigall.

ROMEO
Die Lerche wars, die Tagverkünderin,
Nicht Philomele; sieh den neidschen Streif,
Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt.
Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,
Der muntre Tag erklimmt die dunstgen Höhn;
Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.

JULIA
Trau mir, das Licht ist nicht des Tages Licht,
Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus,
Dein Fackelträger diese Nacht zu sein,
Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten.
Drum bleibe noch; zu gehn ist noch nicht not.

ROMEO
Laß sie mich greifen, ja, laß sie mich töten!
Ich gebe gern mich drein, wenn du es willst.
Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge,
Der bleiche Abglanz nur von Cynthias Stirn.
Das ist auch nicht die Lerche, deren Schlag
Hoch über uns des Himmels Wölbung trifft.
Ich bleibe gern; zum Gehn bin ich verdrossen.
Willkommen, Tod, hat Julia dich beschlossen!—
Nun, Herz? Noch tagt es nicht, noch plaudern wir.

JULIA
Es tagt, es tagt! Auf, eile, fort von hier!
Es ist die Lerche, die so heiser singt
Und falsche Weisen, rauhen Mißton gurgelt.
Man sagt, der Lerche Harmonie sei süß;
Nicht diese: sie zerreißt die unsre ja.
Die Lerche, sagt man, wechselt mit der Kröte
Die Augen; möchte sie doch auch die Stimme!
Die Stimm ists ja, die Arm aus Arm uns schreckt,
Dich von mir jagt, da sie den Tag erweckt.
Stets hell und heller wirds: wir müssen scheiden.

ROMEO
Hell? Dunkler stets und dunkler unsre Leiden!

(Die Wärterin kommt herein.)

WÄRTERIN
Fräulein!

JULIA
Amme?

WÄRTERIN
Die gnädge Gräfin kommt in Eure Kammer;
Seid auf der Hut; schon regt man sich im Haus.

(Wärterin ab.)

JULIA (das Fenster öffnend.)
Tag, schein herein, und Leben, flieh hinaus!

ROMEO
Ich steig hinab; laß dich noch einmal küssen!

(Er steigt [aus dem Fenster] herab.)

JULIA (aus dem Fenster ihm nachsehend.)
Freund! Gatte! Trauter! Bist du mir entrissen?
Gib Nachricht jeden Tag, zu jeder Stunde;
Schon die Minut enthält der Tage viel.
Ach, so zu rechnen bin ich hoch in Jahren,
Eh meinen Romeo ich wiederseh.

ROMEO (außerhalb.)
Leb wohl! Kein Mittel laß ich aus den Händen,
Um dir, du Liebe, meinen Gruß zu senden.

JULIA
O denkst du, daß wir je uns wiedersehn?

ROMEO
Ich zweifle nicht, und all dies Leiden dient
In Zukunft uns zu süßerem Geschwätz.

JULIA
O Gott, ich hab ein Unglück ahnend Herz,
Mir deucht, ich säh dich, da du unten bist,
Als lägst du tot in eines Grabes Tiefe.
Mein Auge trügt mich, oder du bist bleich.

ROMEO
So, Liebe, scheinst du meinen Augen auch.
Der Schmerz trinkt unser Blut. Leb wohl, leb wohl!

(Ab.)

JULIA
O Glück, ein jeder nennt dich unbeständig;
Wenn du es bist: was tust du mit dem Treuen?
Sei unbeständig. Glück! Dann hältst du ihn
Nicht lange, hoff ich, sendest ihn zurück.

GRÄFIN CAPULET (hinter der Szene.)
He, Tochter, bist du auf?

JULIA
Wer ruft mich? Ist es meine gnädge Mutter?
Wacht sie so spät noch, oder schon so früh?
Welch ungewohnter Anlaß bringt sie her?

(Gräfin Capulet kommt herein.)

GRÄFIN CAPULET
Nun, Julia, wie gehts?

JULIA
 Mir ist nicht gut.

GRÄFIN CAPULET
Noch immer weinend um des Vetters Tod?
Willst du mit Tränen aus der Gruft ihn waschen?
Und könntest du's, das rief' ihn nicht ins Leben;
Drum laß das! Trauern zeugt von vieler Liebe,
Doch zu viel trauern zeugt von wenig Witz.

JULIA
Um einen Schlag, der so empfindlich traf,
Erlaubt zu weinen mir!

GRÄFIN CAPULET
 So trifft er dich;
Der Freund empfindet nichts, den du beweinst.

JULIA
Doch ich empfind und muß den Freund beweinen.

GRÄFIN CAPULET
Mein Kind, nicht seinen Tod so sehr beweinst du,
Als daß der Schurke lebt, der ihn erschlug.

JULIA
Was für ein Schurke?

GRÄFIN CAPULET
 Nun, der Romeo.

JULIA (beiseit.)
Er und ein Schurk sind himmelweit entfernt.—

(Laut.)

Vergeb ihm Gott! Ich tu's von ganzem Herzen;
Und dennoch kränkt kein Mann, wie er, mein Herz.

GRÄFIN CAPULET
Ja freilich, weil der Meuchelmörder lebt.

JULIA
Ja, wo ihn diese Hände nicht erreichen!—
O rächte niemand doch als ich den Vetter!

GRÄFIN CAPULET
Wir wollen Rache nehmen, sorge nicht;
Drum weine du nicht mehr. Ich send an jemand
Zu Mantua, wo der Verlaufne lebt,
Der soll ein kräftig Tränkchen ihm bereiten,
Das bald ihn zum Gefährten Tybalts macht.
Dann wirst du hoffentlich zufrieden sein.

JULIA
Fürwahr, ich werde nie mit Romeo
Zufrieden sein, erblick ich ihn nicht—tot—,
Wenn so mein Herz um einen Blutsfreund leidet.
Ach, fändet Ihr nur jemand, der ein Gift
Ihm reichte, gnädge Frau; ich wollt es mischen,
Daß Romeo, wenn ers genommen, bald
In Ruhe schliefe.—Wie mein Herz es haßt,
Ihn nennen hören—und nicht zu ihm können,
Die Liebe, die ich zu dem Vetter trug,
An dem, der ihn erschlagen hat, zu büßen!

GRÄFIN CAPULET
Findst du das Mittel, find ich wohl den Mann.
Doch bring ich jetzt dir frohe Zeitung, Mädchen.

JULIA
In so bedrängter Zeit kommt Freude recht.
Wie lautet sie, ich bitt Euch, gnädge Mutter?

GRÄFIN CAPULET
Nun Kind, du hast 'nen aufmerksamen Vater:
Um dich von deinem Trübsinn abzubringen,
Ersann er dir ein plötzlich Freudenfest,
Des ich so wenig mich versah wie du.

JULIA
Ei, wie erwünscht! Was wär das, gnädge Mutter?

GRÄFIN CAPULET
Ja, denk dir, Kind, am Donnerstag frühmorgens
Soll der hochedle, wackre junge Herr,
Graf Paris, in Sankt Peters Kirche dich
Als frohe Braut an den Altar geleiten.

JULIA
Nun, bei Sankt Peters Kirch und Petrus selbst,
Er soll mich nicht als frohe Braut geleiten!
Mich wundert diese Eil, daß ich vermählt
Muß werden, eh mein Freier kommt zu werben.
Ich bitt Euch, gnädge Frau, sagt meinem Vater
Und Herrn, ich wollte noch mich nicht vermählen,
Und wenn ichs tue, schwör ich: Romeo,
Von dem Ihr wißt, ich haß ihn, soll es lieber
Als Paris sein.—Fürwahr, das ist wohl Zeitung!

GRÄFIN CAPULET
Da kommt dein Vater, sag du selbst ihm das,
Sieh, wie er sichs von dir gefallen läßt.

(Capulet und die Wärterin kommen.)

CAPULET
Die Luft sprüht Tau beim Sonnenuntergang,
Doch bei dem Untergange meines Neffen,
Da gießt der Regen recht.
Was? Eine Traufe, Mädchen? Stets in Tränen?
Stets Regenschauer? In so kleinem Körper
Spielst du auf einmal See und Wind und Kahn,
Denn deine Augen ebben stets und fluten
Von Tränen wie die See; dein Körper ist der Kahn,
Der diese salzge Flut befährt; die Seufzer
Sind Winde, die, mit deinen Tränen tobend,
Wie die mit ihnen, wenn nicht Stille plötzlich
Erfolgt, den hin und her geworfnen Körper
Zertrümmern werden.—Nun, wie steht es, Frau?
Hast du ihr unsern Ratschluß hinterbracht?

GRÄFIN CAPULET
Ja, doch sie will es nicht, sie dankt Euch sehr.
Wär doch die Törin ihrem Grab vermählt!

CAPULET
Sacht, rede deutlich, rede deutlich, Frau!
Was? Will sie nicht? Weiß sie uns keinen Dank?
Ist sie nicht stolz? Schätzt sie sich nicht beglückt,
Daß wir solch einen würdgen Herrn vermocht,
Trotz ihrem Unwert, ihr Gemahl zu sein?

JULIA
Nicht stolz darauf, doch dankbar, daß Ihrs tatet.
Stolz kann ich nie auf das sein, was ich hasse,
Doch dankbar selbst für Haß, gemeint wie Liebe.

CAPULET
Ei seht mir, seht mir! Kramst du Weisheit aus?
Stolz—und ich dank Euch—ner Schleife hin.
Pfui, du bleichsüchtges Ding, du lose Dirne!
Du Talggesicht!

GRÄFIN CAPULET
 O pfui! Seid Ihr von Sinnen?

JULIA
Ich fleh Euch auf den Knien, mein guter Vater,
Hört mit Geduld ein einzig Wort nur an!

CAPULET
Geh mir zum Henker, widerspenstge Dirne!
Ich sage dirs: zur Kirch auf Donnerstag,
Sonst komm mir niemals wieder vors Gesicht.
Sprich nicht! Erwidre nicht! Gib keine Antwort!
Die Finger jucken mir. O Weib, wir glaubten
Uns kaum genug gesegnet, weil uns Gott
Dies eine Kind nur sandte; doch nun seh ich,
Dies eine war um eines schon zuviel,
Und nur ein Fluch ward uns in ihr beschert.
Du Hexe!

WÄRTERIN
 Gott im Himmel segne sie!
Eur Gnaden tun nicht wohl, sie so zu schelten.

CAPULET
Warum, Frau Weisheit? Haltet Euern Mund,
Prophetin! Schnattert mit Gevatterinnen!

WÄRTERIN
Ich sage keine Schelmstück!

CAPULET
 Geht mit Gott!

WÄRTERIN
Darf man nicht sprechen?

CAPULET
 Still doch, altes Waschmaul!
Spart Eure Predigt zum Gevatterschmaus;
Hier brauchen wir sie nicht.

GRÄFIN CAPULET
 Ihr seid zu hitzig!

CAPULET
Gotts Sakrament, es macht mich toll! Bei Tag,
Bei Nacht, spät, früh, allein und in Gesellschaft,
Zu Hause, draußen, wachend und im Schlaf,
War meine Sorge stets, sie zu vermählen.
Nun, da ich einen Herrn ihr ausgemittelt,
Von fürstlicher Verwandtschaft, schönen Gütern,
Jung, edel auferzogen, ausstaffiert,
Wie man wohl sagt, mit ritterlichen Gaben,
Kurz, wie man einen Mann sich wünschen möchte,
Und dann ein albern, winselndes Geschöpf,
Ein weinerliches Püppchen da zu haben,
Die, wenn ihr Glück erscheint, zur Antwort gibt:
Heiraten will ich nicht, ich kann nicht lieben,
Ich bin zu jung, ich bitt, entschuldigt mich.—
Gut, willst du nicht, du sollst entschuldigt sein;
Gras', wo du willst, du sollst bei mir nicht hausen.
Sieh zu! Bedenk! Ich pflege nicht zu spaßen.
Der Donnerstag ist nah: die Hand aufs Herz!
Und bist du mein, so soll mein Freund dich haben;
Wo nicht, geh, bettle, hungre, stirb am Wege!
Denn nie, bei meiner Seel, erkenn ich dich,
Und nichts, was mein, soll dir zugute kommen.
Bedenk dich! Glaub, ich halte, was ich schwur!

(Ab.)

JULIA
Und wohnt kein Mitleid droben in den Wolken,
Das in die Tiefe meines Jammers schaut?
O süße Mutter, stoß mich doch nicht weg!
Nur einen Monat, eine Woche Frist!
Wo nicht, bereite mir das Hochzeitsbette
In jener düstern Gruft, wo Tybalt liegt!

GRÄFIN CAPULET
Sprich nicht zu mir, ich sage nicht ein Wort.
Tu, was du willst, denn ich bin mit dir fertig.

(Ab.)

JULIA
O Gott! Wie ist dem vorzubeugen, Amme?
Mein Gatt auf Erden, meine Treu im Himmel—
Wie soll die Treu zur Erde wiederkehren,
Wenn sie der Gatte nicht, der Erd entweichend,
Vom Himmel sendet? Tröste, rate, hilf!
Weh, weh mir, daß der Himmel solche Tücken
An einem sanften Wesen übt wie mir!
Was sagst du? Hast du kein erfreuend Wort,
Kein Wort des Trostes?

WÄRTERIN
 Meiner Seel, hier ists:
Er ist verbannt, und tausend gegen eins,
Daß er sich nimmer wieder her getraut,
Euch anzusprechen; oder tät ers doch,
So müßt es schlechterdings verstohlen sein.
Nun, weil denn so die Sachen stehn, so denk ich,
Das beste wär, daß Ihr den Grafen nähmt.
Ach, er ist solch ein allerliebster Herr!
Ein Lump ist Romeo nur gegen ihn.
Ein Adlersauge, Fräulein, ist so grell,
So schön, so feurig nicht, wie Paris seins.
Ich will verwünscht sein, ist die zweite Heirat
Nicht wahres Glück für Euch; weit vorzuziehn
Ist sie der ersten. Oder wär sie's nicht?
Der erste Mann ist tot, so gut als tot;
Denn lebt er schon, habt Ihr doch nichts von ihm.

JULIA
Sprichst du von Herzen?

WÄRTERIN
 Und von ganzer Seele,
Sonst möge Gott mich strafen!

JULIA
 Amen!

WÄRTERIN
 Was?

JULIA
Nun ja, du hast mich wunderbar getröstet.
Geh, sag der Mutter, weil ich meinen Vater
Erzürnt, so woll ich nach Lorenzos Zelle,
Zu beichten und Vergebung zu empfangen.

WÄRTERIN
Gewiß, das will ich; Ihr tut weislich dran.

(Ab.)

JULIA
O alter Erzfeind, höllischer Versucher!
Ists ärgre Sünde, so zum Meineid mich
Verleiten, oder meinen Gatten schmähn
Mit eben dieser Zunge, die zuvor
Viel tausendmal ihn ohne Maß und Ziel
Gepriesen hat?—
Seht, wie sie fröhlich aus der Beichte kommt!

(Julia tritt auf.)

CAPULET
Nun, Starrkopf? Sag, wo bist herumgeschwärmt?

JULIA
Wo ich gelernt, die Sünde zu bereun
Hartnäckgen Ungehorsams gegen Euch
Und Eur Gebot, und wo der heilge Mann
Mir auferlegt, vor Euch mich hinzuwerfen,
Vergebung zu erflehn.—Vergebt, ich bitt Euch!
Von nun an will ich stets Euch folgsam sein.

CAPULET
Schickt nach dem Grafen, geht und sagt ihm dies.
Gleich morgen früh will ich dies Band geknüpft sehn.

JULIA
Ich traf den jungen Grafen bei Lorenzo,
Und alle Huld und Lieb erwies ich ihm,
So das Gesetz der Zucht nicht übertritt.

CAPULET
Nun wohl, das freut mich, das ist gut.—Steh auf!
So ist es recht.—Laßt mich den Grafen sehn.
Potztausend, geht, sag ich, und holt ihn her!—
So wahr Gott lebt, der würdge fromme Pater,
Von unsrer ganzen Stadt verdient er Dank.

JULIA
Kommt, Amme, wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer?
Mir helfen Putz erlesen, wie Ihr glaubt,
Daß mir geziemt, ihn morgen anzulegen?

GRÄFIN CAPULET
Nein, nicht vor Donnerstag; es hat noch Zeit.

CAPULET
Geh mit ihr, Amme, morgen gehts zur Kirche.

(Julia und die Wärterin ab.)

GRÄFIN CAPULET
Die Zeit wird kurz zu unsrer Anstalt fallen;
Es ist fast Nacht.

CAPULET
 Blitz! Ich will frisch mich rühren,
Und alles soll schon gehn, Frau, dafür steh ich.
Geh du zu Julien, hilf an ihrem Putz.
Ich gehe nicht zu Bett; laß mich gewähren,
Ich will die Hausfrau diesmal machen.—Heda!—
Kein Mensch zur Hand?—Gut, ich will selber gehn
Zum Grafen Paris, um ihn anzutreiben
Auf morgen früh; mein Herz ist mächtig leicht,
Seit dies verkehrte Mädchen sich besonnen.

(Capulet und die Gräfin ab.)

DRITTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia und die Wärterin.)

JULIA
Ja, dieser Anzug ist der beste.—Doch
Ich bitt dich, liebe Amme, laß mich nun
Für diese Nacht allein; denn viel Gebete
Tun not mir, um den Himmel zu bewegen,
Daß er auf meinen Zustand gnädig lächle,
Der, wie du weißt, verderbt und sündlich ist.

(Gräfin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET
Seid ihr geschäftig? Braucht ihr meine Hülfe?

JULIA
Nein, gnädge Mutter, wir erwählten schon
Zur Tracht für morgen alles Zubehör.
Gefällt es Euch, so laßt mich jetzt allein
Und laßt zu Nacht die Amme mit Euch wachen,
Denn sicher habt Ihr alle Hände voll
Bei dieser eilgen Anstalt.

GRÄFIN CAPULET
 Gute Nacht!
Geh nun zu Bett und ruh; du hast es nötig.

(Gräfin Capulet und die Wärterin ab.)

JULIA
Lebt wohl!—Gott weiß, wann wir uns wiedersehn.
Kalt rieselt matter Schau'r durch meine Adern,
Der fast die Lebenswärm erstarren macht.
Ich will zurück sie rufen mir zum Trost.
Amme!—Doch was soll sie hier?
Mein düstres Spiel muß ich allein vollenden.
Komm du, mein Kelch!—
Doch wie, wenn dieser Trank nun gar nichts wirkte,
Wird man dem Grafen mit Gewalt mich geben?
Nein, nein! Dies solls verwehren. Lieg du hier!—

(Sie legt einen Dolch neben sich.)

Wie? Wär es Gift, das mir mit schlauer Kunst
Der Mönch bereitet, mir den Tod zu bringen,
Auf daß ihn diese Heirat nicht entehre,
Weil er zuvor mich Romeo vermählt?
So, fürcht ich, ists!—Doch dünkt mich, kanns nicht sein,
Denn er ward stets ein frommer Mann erfunden.
Ich will nicht Raum so bösem Argwohn geben.
Wie aber, wenn ich, in die Gruft gelegt,
Erwache vor der Zeit, da Romeo
Mich zu erlösen kommt? Furchtbarer Fall!
Werd ich dann nicht in dem Gewölb ersticken,
Des giftger Mund nie reine Lüfte einhaucht,
Und so erwürgt da liegen, wann er kommt?
Und leb ich auch, könnt es nicht leicht geschehn,
Daß mich das grause Bild von Tod und Nacht
Zusammen mit den Schrecken jenes Ortes
Dort im Gewölb in alter Katakombe,
Wo die Gebeine aller meiner Ahnen
Seit vielen hundert Jahren aufgehäuft,
Wo frisch beerdigt erst der blutge Tybalt
Im Leichentuch verwest; wo, wie man sagt,
In mitternächtger Stunde Geister hausen—
Weh, weh!—könnt es nicht leicht geschehn, daß ich,
Zu früh erwachend—und nun ekler Dunst,
Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt,
Das Sterbliche, die's hören, sinnlos macht—
Oh, wach ich auf, werd ich nicht rasend werden,
Umringt von all den greuelvollen Schrecken,
Und toll mit meiner Väter Gliedern spielen?
Und Tybalt aus dem Leichentuche zerren?
Und in der Wut mit irgendeines Ahnherrn
Gebein zerschlagen mein zerrüttet Hirn?
O da! Mich dünkt, ich sehe Tybalts Geist!
Er späht nach Romeo, der seinen Leib
Auf einen Degen spießte.—Tybalt, halt!—
Ich komme, Romeo! Dies trink ich dir!

([Sie trinkt und] wirft sich auf das Bett.)

VIERTE SZENE

(Ein Saal in Capulets Hause)

(Gräfin Capulet und die Wärterin.)

GRÄFIN CAPULET
Da, nehmt die Schlüssel, holt noch mehr Gewürz!

WÄRTERIN
Sie wollen Quitten und Orangen haben
Für ihre Bäckerei.

(Capulet kommt.)

CAPULET
Auf, rührt euch, frisch! Schon kräht der zweite Hahn,
Die Morgenglocke läutet; 's ist drei Uhr.
Sieh nach dem Backwerk, Frau Angelika,
Spar nichts daran!

WÄRTERIN
 Topfgucker! Geht nur, geht!
Macht Euch zu Bett! Ja, Ihr seid morgen krank,
Wenn Ihr die ganze Nacht nicht schlaf!

CAPULET
Kein bißchen! Was! Ich hab um Kleiners wohl
Die Nächte durchgewacht und war nie krank.

GRÄFIN CAPULET
Ja, ja! Ihr wart ein feiner Vogelsteller
Zu Eurer Zeit! Nun aber will ich Euch
Vor solchem Wachen schon bewachen.

(Gräfin und Wärterin ab.)

CAPULET
O Ehestand, o Wehestand! Nun, Kerle!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben treten auf.)

Was bringt ihr da!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben gehn über die Bühne.)

ERSTER DIENER 's ist für den Koch, Herr; was, das weiß ich nicht.

CAPULET
Macht zu, macht zu!

(Erster Diener ab.)

 Hol trockne Klötze, Bursch!
Ruf Petern, denn der weiß es, wo sie sind.

ZWEITER DIENER
Braucht Ihr 'nen Klotz, Herr, bin ich selber da
Und hab nicht nötig, Petern anzugehn.

(Ab.)

CAPULET
Blitz! Gut gesagt! Ein lustger Teufel! ha,
Du sollst das Haupt der Klötze sein.—Wahrhaftig,
's ist Tag; der Graf wird mit Musik gleich kommen.
Das woll er, sagt' er ja; ich hör ihn schon.

(Musik hinter der Szene.)

Frau! Wärterin! He, sag ich, Wärterin!

(Die Wärterin kommt.)

Weckt Julien auf! Geht, putzt sie mir heraus!
Ich geh indes und plaudre mit dem Grafen.
Eilt Euch, macht fort! Der Bräutgam ist schon da.
Fort, sag ich Euch.

(Beide ab.)

FÜNFTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia auf dem Bett. Die Wärterin kommt.)

WÄRTERIN
Fräulein!—Nun, Fräulein! Julia!—Nun, das schläft!
He, Lamm! He, Fräulein! Pfui, Langschläferin!
Mein Schätzchen, sag ich! Süßes Herz! Mein Bräutchen!
Was, nicht ein Laut? Ihr nehmt Eur Teil voraus,
Schlaft für 'ne Woche; denn ich steh dafür,
Auf nächste Nacht hat seine Ruh Graf Paris
Daran gesetzt, daß wenig Ruh Ihr habt!
Behüt der Herr sie! Wie gesund sie schläft!
Ich muß sie aber wecken.—Fräulein! Fräulein!
Laßt Euch den Grafen nur im Bett ertappen,
Der wird Euch schon ermuntern; meint Ihr nicht?—
Was, schon in vollen Kleidern? Und so wieder
Sich hingelegt? Ich muß durchaus Euch wecken.
He, Fräulein! Fräulein! Fräulein!—
Daß Gott, daß Gott! Zu Hülfe! Sie ist tot!
Ach, liebe Zeit! Daß ich je ward geboren!
Bringt Weingeist, he! He, gnädger Herr! Frau Gräfin!

(Grafin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET
Was ist das für ein Lärm?

WÄRTERIN
 O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET
Was gibts?

WÄRTERIN
 Seht, seht nur! O betrübter Tag!

GRÄFIN CAPULET
O weh, o weh! Mein Kind, mein einzig Leben!
Erwach, leb auf, ich sterbe sonst mit dir!
O Hülfe, Hülfe! Ruft doch Hülfe!

(Capulet kommt.)

CAPULET
Schämt euch! Bringt Julien her! Der Graf ist da.

WÄRTERIN
Ach sie ist tot, verblichen, tot! O wehe!

GRÄFIN CAPULET
O wehe, wehe, sie ist tot, tot, tot!

CAPULET
Laßt mich sie sehn!—Gott helf uns! Sie ist kalt,
Ihr Blut steht still, die Glieder sind ganz starr,
Von diesen Lippen schied das Leben längst,
Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost
Auf des Gefildes schönster Blume liegt.
Fluch dieser Stund! Ich armer alter Mann!

WÄRTERIN
O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET
 O jammervolle Stunde!

CAPULET
Der Tod, der mir sie nahm, mir Klagen auszupressen,
Er bindet meine Zung und macht sie stumm.

(Bruder Lorenzo, Graf Paris und Musikanten treten auf.)

LORENZO
Kommt! Ist die Braut bereit zur Kirch zu gehn?

CAPULET
Bereit zu gehn, um nie zurückzukehren.—
O Sohn, die Nacht vor deiner Hochzeit buhlte
Der Tod mit deiner Braut. Sieh, wie sie liegt,
Die Blume, die in seinem Arm verblühte.
Mein Eidam ist der Tod, der Tod mein Erbe;
Er freite meine Tochter. Ich will sterben,
Ihm alles lassen; wer das Leben läßt,
Der läßt dem Tode alles.

PARIS
Hab ich nach dieses Morgens Licht geschmachtet,
Und bietet es mir solchen Anblick dar?

GRÄFIN CAPULET
Unseliger, verhaßter, schwarzer Tag!
Der Stunden jammervollste, so die Zeit
Seit ihrer langen Pilgerschaft gesehn.
Nur eins, ein einzig armes, liebes Kind,
Ein Wesen nur, mich dran zu freun, zu laben—
Und grausam riß es nun der Tod mir weg!

WÄRTERIN
O Weh! O Jammer—Jammer—Sachen hier sehn gar erbärmlich aus.

(Ab.)

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT (zeigt auf sein Instrument.) Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen, aber sie klingen doch gut.

{Im Original bezieht der Musiker den Ausspruch der Amme aufgrund der Doppeldeutigkeit des Wortes "case" (Sache, Kasten) auf den Kasten für sein Instrument: "Ja, bei meiner Treu, den Kasten kann man doch ausbessern."}

PETER
O Musikanten, Musikanten, spielt:
"Frisch auf, mein Herz! Frisch auf, mein Herz, und singe!"
O spielt, wenn euch mein Leben lieb ist, spielt:
"Frisch auf, mein Herz!"

ERSTER MUSIKANT
Warum: "Frisch auf, mein Herz?"

PETER O Musikanten, weil mein Herz selber spielt: "Mein Herz voll Angst und Nöten." O spielt mir eine lustige Litanei, um mich aufzurichten.

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT
Nichts da von Litanei! Es ist jetzt nicht Spielens Zeit.

PETER
Ihr wollt es also nicht?

[MUSIKANTEN] ERSTER MUSIKANT
Nein.

PETER
Nun, so will ich es euch schon [eintränken] gründlich geben.

ERSTER MUSIKANT
Was wollt Ihr uns [eintränken] geben?

PETER [Keinen Wein] Kein Geld, wahrhaftig; sondern Spott,—ich werde es euch geben, indem ich euch als Spielmänner beschimpfe.

ERSTER MUSIKANT
Dann werde ich Euch eine Dienstboten-Kreatur nennen.

PETER
Dann wird Euer Schädel den Dolch dieser Dienstboten-Kreatur zu
spüren bekommen. Ich dulde solche Töne nicht: [ich will euch eure
Instrumente um den Kopf schlagen.] Ich will euch befa-sol-laen.
Das notiert euch!

ERSTER MUSIKANT
Wenn Ihr uns befa-sol-laet, so notiert Ihr uns.

ZWEITER MUSIKANT
Bitte steckt Euren Dolch ein und zieht Euren Witz hervor.

PETER
Dann legt euch mit meinem Witz an! Ich werde euch mit eisernem
Witz verbleuen und meinen eisernen Dolch einstecken.—
[Hört, spannt mir einmal eure Schafsköpfe wie die Schafsdärme an
euren Geigen.] Antwortet verständlich: Wenn in der Leiden hartem Drang
Das bange Herze will erliegen,
Musik mit ihrem Silberklang—Warum "Silberklang"? warum "Musik
mit ihrem Silberklang"? Was sagt Ihr, Hans Kolophonium?

ERSTER MUSIKANT
Ei nun, Musje, weil Silber einen feinen Klang hat.

PETER
Recht artig! Was sagt Ihr, Michel Hackebrett?

ZWEITER MUSIKANT
Ich sage "Silberklang", weil Musik nur für Silber klingt.

PETER
Auch recht artig! Was sagt Ihr, Jakob Gellohr?

DRITTER MUSIKANT
Mein Seel, ich weiß nicht, was ich sagen soll.

PETER Oh, ich bitt Euch um Vergebung! Ihr seid der Sänger, Ihr singt nur; so will ich es denn für Euch sagen. Es heißt "Musik mit ihrem Silberklang", weil solche Kerle wie Ihr kein Gold fürs Spielen kriegen! Musik mit ihrem Silberklang Weiß hülfreich ihnen obzusiegen.

(Geht [singend] ab.)

ERSTER MUSIKANT
Was für ein Pestkerl ist das?

ZWEITER MUSIKANT Hol ihn der Henker! Kommt, wir wollen hier hineingehn, auf die Trauerleute warten und sehen, ob es nichts zu essen gibt.

(Alle ab.)

FÜNFTER AKT

ERSTE SZENE

(Mantua. Eine Straße)

(Romeo tritt auf.)

ROMEO
Darf ich dem Schmeichelblick des Schlafes traun,
So deuten meine Träum ein nahes Glück.
Leicht auf dem Thron sitzt meiner Brust Gebieter;
Mich hebt ein ungewohnter Geist mit frohen
Gedanken diesen ganzen Tag empor.
Mein Mädchen, träumt ich, kam und fand mich tot
—Seltsamer Traum, der Tote denken läßt!—
Und hauchte mir solch Leben ein mit Küssen,
Daß ich vom Tod erstand und Kaiser war.
Ach Herz! Wie süß ist Liebe selbst begabt,
Da schon so reich an Freud ihr Schatten ist!

(Balthasar tritt auf.)

Ha, Neues von Verona! Sag, wie stehts?
Bringst du vom Pater keine Briefe mit?
Was macht mein teures Weib? Wie lebt mein Vater?
Ist meine Julie wohl? Das frag ich wieder,
Denn nichts kann übel stehn, gehts ihr nur wohl.

BALTHASAR
Nun, ihr gehts wohl, und nichts kann übel stehn.
Ihr Körper schläft in Capulets Begräbnis,
Und ihr unsterblich Teil lebt bei den Engeln.
Ich sah sie senken in der Väter Gruft
Und ritt in Eil hieher, es Euch zu melden.
O Herr, verzeiht die schlimme Botschaft mir,
Weil Ihr dazu den Auftrag selbst mir gabt!

ROMEO
Ist es denn so? Ich biet euch Trotz, ihr Sterne!—
Du kennst mein Haus, hol mir Papier und Tinte
Und miete Pferde; ich will fort zu Nacht.

BALTHASAR
Verzeiht, ich darf Euch so nicht lassen, Herr!
Ihr seht so blaß und wild, und Eure Blicke
Weissagen Unglück.

ROMEO
 Nicht doch, du betrügst dich.
Laß mich und tu, was ich dich heiße tun.
Hast du für mich vom Pater keine Briefe?

BALTHASAR
Nein, bester Herr.

ROMEO
 Es tut nichts; mach dich auf
Und miete Pferd', ich komme gleich nach Haus.

(Balthasar ab.)

Wohl, Julia, heute nacht ruh ich bei dir.
Ich muß auf Mittel sinnen.—O wie schnell
Drängt Unheil sich in der Verzweiflung Rat!
Mir fällt ein Apotheker ein; er wohnt
Hier irgendwo herum.—Ich sah ihn neulich,
Zerlumpt, die Augenbrauen überhangend;
Er suchte Kräuter aus; hohl war sein Blick,
Ihn hatte herbes Elend ausgemergelt.
Ein Schildpatt hing in seinem dürftgen Laden,
Ein ausgestopftes Krokodil und Häute
Von mißgestalten Fischen; auf dem Sims
Ein bettelhafter Prunk von leeren Büchsen
Und grüne Töpfe, Blasen, muffger Samen,
Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen,
Das alles dünn verteilt, zur Schau zu dienen.
Betrachtend diesen Mangel, sagt ich mir:
Bedürfte jemand Gift hier, des Verkauf
In Mantua sogleich zum Tode führt,
Da lebt ein armer Schelm, ders ihm verkaufte.
Oh, der Gedanke zielt' auf mein Bedürfnis,
Und dieser dürftge Mann muß mirs verkaufen.
Soviel ich mich entsinn, ist dies das Haus.
Weils Festtag ist, schloß seinen Kram der Bettler.
Hei Holla! Apotheker!

(Der Apotheker kommt heraus.)

APOTHEKER
 Wer ruft so laut?

ROMEO
Mann, komm hieher!—erregt mir Schrecken.

(Entfernt sich.)

ROMEO
O du verhaßter Schlund, du Bauch des Todes,
Der du der Erde Köstlichstes verschlangst,
So brech ich deine morschen Kiefer auf

(Er bricht die Tür des Grabmals auf.)

Und will, zum Trotz, noch mehr dich überfüllen.

(Er bricht die Tür des Gewölbes auf.)

PARIS
Ha, der verbannte, stolze Montague,
Der Juliens Vetter mordete; man glaubt,
An diesem Grame starb das holde Wesen.
Hier kommt er jetzt, um niederträchtgen Schimpf
Den Leichen anzutun; ich will ihn greifen!

(Tritt hervor.)

Laß dein verruchtes Werk, du Montague!
Wird Rache übern Tod hinaus verfolgt?
Verdammter Bube, ich verhafte dich;
Gehorch und folge mir, denn du mußt sterben.

ROMEO
Fürwahr, das muß ich; darum kam ich her.
Versuch nicht, guter Jüngling, den Verzweifelnden!
Entflieh und laß mich; denke dieser Toten!
Laß sie dich schrecken!—Ich beschwör dich, Jüngling,
Lad auf mein Haupt nicht eine neue Sünde,
Wenn du zur Wut mich reizest; geh, o geh,
Bei Gott, ich liebe mehr dich wie mich selbst,
Denn gegen mich gewaffnet komm ich her.
Fort, eile, leb und nenn barmherzig ihn,
Den Rasenden, der dir gebot zu fliehn!

PARIS
Ich kümmre mich um dein Beschwören nicht
Und greife dich als Missetäter hier.

ROMEO
Willst du mich zwingen? Knabe, sieh dich vor!

(Sie fechten.)

PAGE
Sie fechten! Gott, ich will die Wache rufen.

PARIS
O ich bin hin!—

(Fällt.)

 Hast du Erbarmen, öffne
Die Gruft und lege mich zu Julien.

(Er stirbt.)

ROMEO
Auf Ehr, ich wills.—Laßt sein Gesicht mich schaun.
Mercutios edler Vetter ists, Graf Paris.
Was sagte doch mein Diener, weil wir ritten,
Als die bestürmte Seel es nicht vernahm?
Ich glaube, Julia habe sich mit Paris
Vermählen sollen: sagt' er mir nicht so?
Wie, oder träumt ichs? Oder bild ichs mir
Im Wahnsinn ein, weil er von Julien sprach?
O gib mir deine Hand, du, so wie ich,
Ins Buch des herben Unglücks eingezeichnet!
Ich bette dich in eine stolze Gruft.
Doch Gruft? Nein, helle Wölbung, Jungerschlagner!
Denn hier liegt Julia: ihre Schönheit macht
Dies Grab zur Feierhalle voll von Licht.
Toter, lieg da, von totem Mann begraben!

(Er legt Paris in das Begräbnis.)

Wie oft sind Menschen, schon des Todes Raub,
Noch fröhlich worden! Ihre Wärter nennens
Den letzten Lebensblitz. Wohl mag nun dies
Ein Blitz mir heißen.—O mein Herz! Mein Weib!
Der Tod, der deines Odems Balsam sog,
Hat über deine Schönheit nichts vermocht.
Noch bist du nicht besiegt; der Schönheit Fahne
Weht purpurn noch auf Lipp und Wange dir;
Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner.—
Liegst du da, Tybalt, in dem blutgen Tuch?
O welchen größern Dienst kann ich dir tun,
Als mit der Hand, die deine Jugend fällte,
Des Jugend, der dein Feind war, zu zerreißen?
Vergib mir, Vetter!—Liebe Julia,
Warum bist du so schön noch? Soll ich glauben,
Der körperlose Tod entbrenn in Lieb
Und der verhaßte, hagre Unhold halte
Als seine Buhle hier im Dunkeln dich?
Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen
Und will aus diesem Palast dichter Nacht
Nie wieder weichen. Hier, hier will ich bleiben
Mit Würmern, so dir Dienerinnen sind.
O hier bau ich die ewge Ruhstatt mir
Und schüttle von dem lebensmüden Leibe
Das Joch feindseliger Gestirne.—Augen,
Blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte
Umarmung! Und, o Lippen, ihr, die Tore
Des Odems, siegelt mit rechtmäßgem Kusse
Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod.
Komm, bittrer Führer, widriger Gefährt,
Verzweifelter Pilot! Nun treib auf einmal
Dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung!
Dies auf dein Wohl, wo du auch stranden magst!
Dies meiner Lieben!—

(Er trinkt.)

 O wackrer Apotheker,
Dein Trank wirkt schnell.—Und so im Kusse sterb ich.

(Er stirbt, Bruder Lorenzo kommt vom andern Ende des Kirchhofes mit Laterne Brecheisen und Spaten.)

LORENZO
Helf mir Sankt Franz! Wie oft sind über Gräber
Nicht meine alten Füße heut gestolpert.
Wer ist da?
Wer ists, der noch so spät zu Toten geht?

{"Who is it that consorts, so late, the dead?" Dieser Vers findet sich in der Fassung des "Project Gutenberg Shakespeare Team's", fehlt aber in allen anderen mir bekannten Ausgaben.}

BALTHASAR
Ein Freund, und einer, dem Ihr wohl bekannt.

LORENZO
Gott segne dich! Sag mir, mein guter Freund,
Welch eine Fackel ists, die dort ihr Licht
Umsonst den Würmern leiht und blinden Schädeln?
Mir scheint, sie brennt in Capulets Begräbnis.

BALTHASAR
Ja, würdger Pater, und mein Herr ist dort,
Ein Freund von Euch.

LORENZO
 Wer ist es?

BALTHASAR
 Romeo.

LORENZO
Wie lange schon?

BALTHASAR
 Voll eine halbe Stunde.

LORENZO
Geh mit mir zu der Gruft!

BALTHASAR
 Ich darf nicht, Herr.
Mein Herr weiß anders nicht, als ich sei fort,
Und drohte furchtbarlich den Tod mir an,
Blieb ich, um seinen Vorsatz auszuspähn.

LORENZO
So bleib, ich geh allein.—Ein Graun befällt mich;
Oh, ich befürchte sehr ein schlimmes Unglück!

BALTHASAR
Derweil ich unter dieser Eibe schlief,
Träumt ich, mein Herr und noch ein andrer föchten,
Und er erschlüge jenen.

LORENZO
 Romeo?

(Er geht weiter nach vorn.)

O wehe, weh mir! Was für Blut befleckt
Die Steine hier an dieses Grabmals Schwelle?
Was wollen diese herrenlosen Schwerter,
Daß sie verfärbt hier liegen an der Stätte
Des Friedens?

(Er geht in das Begräbnis.)

 Romeo?—Ach, bleich!—Wer sonst?
Wie? Paris auch? Und in sein Blut getaucht?
O welche unmitleidge Stund ist schuld
An dieser kläglichen Begebenheit?—
Das Fräulein regt sich.

JULIA (erwachend.)
O Trostesbringer! Wo ist mein Gemahl?
Ich weiß recht gut noch, wo ich sollte sein;
Da bin ich auch. Wo ist mein Romeo?

(Geräusch von Kommenden.)

LORENZO
Ich höre Lärm.—Kommt, Fräulein, flieht die Grube
Des Tods, der Seuchen, des erzwungnen Schlafs;
Denn eine Macht, zu hoch dem Widerspruch,
Hat unsern Rat vereitelt. Komm, o komm!
Dein Gatte liegt an deinem Busen tot,
Und Paris auch; komm, ich versorge dich
Bei einer Schwesternschaft von heilgen Nonnen.
Verweil mit Fragen nicht; die Wache kommt.
Geh, gutes Kind!

(Geräusch hinter der Szene.)

Ich darf nicht länger bleiben.

(Ab.)

JULIA
Geh nur, entweich, denn ich will nicht von hinnen.—

(Bruder Lorenzo geht ab.)

Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt
In meines Trauten Hand?—Gift, seh ich, war
Sein Ende vor der Zeit.—O Böser! Alles
Zu trinken, keinen gütgen Tropfen mir
Zu gönnen, der mich zu dir brächt?—Ich will
Dir deine Lippen küssen. Ach, vielleicht
Hängt noch ein wenig Gift daran und läßt mich
An einer Labung sterben.

(Sie küßt ihn.)

 Deine Lippen
Sind warm.

ERSTER WÄCHTER (hinter der Szene.)
 Wo ist es, Knabe? Führ uns!

JULIA
Wie? Lärm?—Dann schnell nur!

(Sie ergreift Romeos Dolch.)

O willkommner Dolch!

(Sie ergreift Romeos Dolch.)

Dies werde deine Scheide.

(Ersticht sich.)

 Roste da
Und laß mich sterben!

(Sie fällt auf Romeos Leiche und stirbt.
Wächter mit dem Pagen des Paris.)

PAGE
Dies ist der Ort, da, wo die Fackel brennt.

ERSTER WÄCHTER
Der Boden ist voll Blut; durchsucht den Kirchhof,
Ein paar von euch; geht, greifet, wen ihr trefft.

(Einige von der Wache ab.)

Betrübt zu sehn! Hier liegt der Graf erschlagen,
Und Julia blutend, warm und kaum verschieden,
Die schon zwei Tage hier begraben lag.—
Geht, sagts dem Fürsten! Weckt die Capulets!
Lauft zu den Montagues! Ihr andern sucht!

(Andre Wächter ab.)

Wir sehn den Grund, der diesen Jammer trägt;
Allein den wahren Grund des bittern Jammers
Erfahren wir durch näh're Kundschaft nur.

(Einige von der Wache kommen mit Balthasar zurück.)

ZWEITER WÄCHTER
Hier ist der Diener Romeos; wir fanden
Ihn auf dem Kirchhof.

ERSTER WÄCHTER
Bewahrt ihn sicher, bis der Fürst erscheint!

([Ein andrer] Andere Wächter kommen zurück mit Lorenzo.)

DRITTER WÄCHTER
Hier ist ein Mönch, der zittert, weint und ächzt;
Wir nahmen ihm den Spaten und die Haue,
Als er von jener Seit des Kirchhofs kam.

ERSTER WÄCHTER
Verdächtges Zeichen! Haltet auch den Mönch!

(Der Prinz und sein Gefolge.)

PRINZ
Was für ein Unglück ist so früh schon wach,
Das Uns aus Unsrer Morgenruhe stört?

(Capulet, Gräfin Capulet und andre kommen.)

CAPULET
Was ists, daß draußen so die Leute schrein?

GRÄFIN CAPULET
Das Volk ruft auf den Straßen: "Romeo"
Und "Julia" und "Paris"; alles rennt
Mit lautem Ausruf unserm Grabmal zu.

PRINZ
Welch Schrecken ists, das Unser Ohr betäubt?

ERSTER WÄCHTER
Durchlauchtger Herr, entleibt liegt hier Graf Paris;
Tot Romeo; und Julia, tot zuvor,
Noch warm und erst getötet.

PRINZ
Sucht, späht, erforscht die Täter dieser Greuel!

ERSTER WÄCHTER
Hier ist ein Mönch und Romeos Bedienter;
Man fand Gerät bei ihnen, das die Gräber
Der Toten aufzubrechen dient.

CAPULET
 O Himmel!
O Weib! Sieh hier, wie unsre Tochter blutet.
Der Dolch hat sich verirrt; sieh seine Scheide
Liegt ledig auf dem Rücken Montagues,
Er selbst steckt fehl in unsrer Tochter Busen.

GRÄFIN CAPULET
O weh mir! Dieser Todesanblick mahnt
Wie Grabgeläut mein Alter an die Grube.

(Montague und andre kommen.)

PRINZ
Komm, Montague! Früh hast du dich erhoben,
Um früh gefallen deinen Sohn zu sehn.

MONTAGUE
Ach, gnädger Fürst, mein Weib starb diese Nacht;
Gram um des Sohnes Bann entseelte sie.
Welch neues Leid bricht auf mein Alter ein?

PRINZ
Schau hin, und du wirst sehn.

MONTAGUE
O Ungeratner! Was ist das für Sitte,
Vor deinem Vater dich ins Grab zu drängen?

PRINZ
Versiegelt noch den Mund des Ungestüms,
Bis wir die Dunkelheiten aufgehellt
Und ihren Quell und wahren Ursprung wissen.
Dann will ich Eurer Leiden Hauptmann sein
Und selbst zum Tod Euch führen.—Still indes!
Das Mißgeschick sei Sklave der Geduld. -
Führt die verdächtigen Personen vor!

LORENZO
Mich trifft, obschon den Unvermögendsten,
Am meisten der Verdacht des grausen Mordes,
Weil Zeit und Ort sich gegen mich erklärt.
Hier steh ich, mich verdammend und verteidgend,
Der Kläger und der Anwalt meiner selbst.

PRINZ
So sag ohn Umschweif, was du hievon weißt!

LORENZO
Kurz will ich sein, denn kurze Frist des Atems
Versagt gedehnte Reden. Romeo,
Der tot hier liegt, war dieser Julia Gatte,
Und sie, die tot hier liegt, sein treues Weib.
Ich traute heimlich sie, ihr Hochzeittag
War Tybalts letzter, des unzeitger Tod
Den jungen Gatten aus der Stadt verbannte;
Und Julia weint' um ihn, nicht um den Vetter.
Ihr, um den Gram aus ihrer Brust zu treiben,
Verspracht und wolltet sie dem Grafen Paris
Vermählen mit Gewalt. Da kommt sie zu mir
Mit wildem Blick, heißt mich auf Mittel sinnen,
Um dieser zweiten Heirat zu entgehn,
Sonst wollt in meiner Zelle sie sich töten.
Da gab ich, so belehrt durch meine Kunst,
Ihr einen Schlaftrunk; er bewies sich wirksam
Nach meiner Absicht, denn er goß den Schein
Des Todes über sie. Indessen schrieb ich
An Romeo, daß er sich herbegäbe
Und hülf aus dem erborgten Grab sie holen
In dieser Schreckensnacht, als um die Zeit,
Wo jenes Trankes Kraft erlösche. Doch
Den Träger meines Briefs, den Bruder Markus,
Hielt Zufall auf, und gestern abend bracht er
Ihn mir zurück. Nun ging ich ganz allein
Um die bestimmte Stunde des Erwachens,
Sie zu befrein aus ihrer Ahnen Gruft,
Und dacht in meiner Zelle sie zu bergen,
Bis ich es Romeo berichten könnte.
Doch wie ich kam, Minuten früher nur,
Eh sie erwacht', fand ich hier tot zu früh
Den treuen Romeo, den edlen Paris.
Jetzt wacht' sie auf; ich bat sie, fortzugehn
Und mit Geduld des Himmels Hand zu tragen;
Doch da verscheucht' ein Lärm mich aus der Gruft.
Sie, in Verzweiflung, wollte mir nicht folgen
Und tat, so scheints, sich selbst ein Leides an.
Dies weiß ich nur; und ihre Heirat war
Der Wärterin vertraut. Ist etwas hier
Durch mich verschuldet, laßt mein altes Leben,
Nur wenig Stunden vor der Zeit, der Härte
Des strengsten Richterspruchs geopfert werden.

PRINZ
Wir kennen dich als einen heilgen Mann.—
Wo ist der Diener Romeos? Was sagt er?

BALTHASAR
Ich brachte meinem Herrn von Juliens Tod
Die Zeitung, und er ritt von Mantua
In Eil zu diesem Platz, zu diesem Grabmal.
Den Brief hier gab er mir für seinen Vater,
Und drohte Tod mir, als er in die Gruft ging,
Wo ich mich nicht entfernt und dort ihn ließe.

PRINZ
Gib mir den Brief; ich will ihn überlesen.—
Wo ist der Bub des Grafen, der die Wache
Geholt?—Sag, Bursch, was machte hier dein Herr?

PAGE
Er kam, um Blumen seiner Braut aufs Grab
Zu streun, und hieß mich fern stehn, und das tat ich.
Drauf naht' sich wer mit Licht, das Grab zu öffnen,
Und gleich zog gegen ihn mein Herr den Degen;
Alsbald lief ich davon und holte Wache.

PRINZ
Hier dieser Brief bewährt das Wort des Mönchs,
Den Liebesbund, die Zeitung ihres Todes;
Auch schreibt er, daß ein armer Apotheker
Ihm Gift verkauft, womit er gehen wolle
Zu Juliens Gruft, um neben ihr zu sterben.—
Wo sind sie, diese Feinde?—Capulet, Montague!
Seht, welch ein Fluch auf eurem Hasse ruht,
Daß Liebe eure Freuden töten muß!
Und ich, weil ich dem Zwiespalt nachgesehn,
Verlor auch zwei Verwandte. Alle büßen.

CAPULET
O Bruder Montague, gib mir die Hand!
Das ist das Leibgedinge meiner Tochter,
Denn mehr kann ich nicht fordern.

MONTAGUE
 Aber ich
Vermag dir mehr zu geben; denn ich will
Aus klarem Gold ihr Bildnis fertgen lassen.
Solang Verona seinen Namen trägt,
Komm nie ein Bild an Wert dem Bilde nah
Der treuen, liebevollen Julia.

CAPULET
So reich will ich es Romeo bereiten.
O arme Opfer unsrer Zwistigkeiten!

PRINZ
Nur düstern Frieden bringt uns dieser Morgen;
Die Sonne scheint, verhüllt vor Weh, zu weilen.
Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen,
Ich will dann strafen oder Gnad erteilen,
Denn nie verdarben Liebende noch so
Wie diese: Julia und ihr Romeo.

(Alle ab.)

Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Romeo und Julia, von
William Shakespeare (Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel)