The Project Gutenberg eBook of Die Kneippkur This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Die Kneippkur Eine Wasserdichtung für Gesunde und Kranke Author: Aloysius Binder Release date: August 5, 2024 [eBook #74193] Language: German Original publication: München: Buchholz & Werner Credits: Alpo Tiilikka and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KNEIPPKUR *** Anmerkungen zur Transkription Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist ~so ausgezeichnet~. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist =so markiert=. Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Kneippkur. Eine Wasserdichtung für gesunde und Kranke von Aloysius Binder. [Illustration] München. Buchholz & Werner. 1890. Kgl. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei von =Dr.= C. Wolf & Sohn in München. Zueignung. Dein Zustand, lieber Xaverius, Erfüllt mich mit tiefer Bekümmernus! Du klagst in deiner letzten Epistel Über Gliederreißen und stetes Gehüstel, Der Kopf sei heiß, die Füße wie Eis, Du fändest weder Schlaf noch Schweiß, Dich quäle im Lauf des ganzen Jahres Das lästige Wesen des Kartarrhes, Auch Speisen, die du sonst vertragen, Bereiten einen Druck im Magen; Bei allgemeiner Leibabmagerung Befremde des Hängebauchs Fettablagerung; Die Nieren, sowie Blas’ und Darm, Sei’n launenhaft, daß Gott erbarm; Bald seist du da, bald dort entzündlich, Seist gegen Witterungswechsel empfindlich. Auch mit den Nerven will’s nicht klappen, Du fürchtest, gar noch überzuschnappen: Dein Hirn lieg’ wie in einer Klammer, Und dein Gemüt in Katzenjammer. Die Homöo- und Allopathen Wissen dir nimmer zu helfen und raten, Verschränken die Arme wie Fastenbretzel Und sprechen: Wir steh’n vor einem Rätsel. Und zitterig schreibst du zum Beschluß: »Leb’ wohl! Dein sterbender =Xaverius=.« [Illustration] Mein armer Xaverius! Du gehörst auch zu jenen, Die zum Zeitvertreibe sich totkrank wähnen. Auf dein Geehrtes vom letzten dieses Schick’ ich dir folgendes. Nimm’s und lies es! Die Wissenschaft, der Ärzte Kunst War alles, wie du schreibst, umsunst — Doch fasse Mut, Freund! Sei kein Thor! Als Rettung nimm die Kneippkur vor! Zwar keine Kur der Schwelger und Prasser — Ich mein’ eine Kur mit lauterem Wasser! Ist’s schon so weit mit dir gekommen, Daß du vom Pfarrer Kneipp nichts vernommen? Als Jüngling an des Grabes Rand, Hat seine Kur er angewandt. Und wahrlich — sie half wunderbar! Er zählt nun an die 70 Jahr. Die Kur, die ihn vermocht zu heilen, Sucht er begeistert mitzuteilen. O hättest du sein Büchlein nur, Betitelt: »Meine Wasserkur!« Es wird dir helfen, wird dir raten, Es wird dich lehren, kalt zu baden. Wer selbst in Not und Elend saß, ~Dem~ macht’s beim Nächsten keinen Spaß. Doch da es auch den Dichtern eigen, Der Menschheit neue Ziele zu zeigen, So fühlt’ ich die Begeisterung glimmen, Mein Saitenspiel für Kneipp zu stimmen. Mit Zuversicht und Hochgenuß Setzt’ ich mich auf den Pegasus, Und fädelte Thesen der Wasserkur Zu einer poetischen Perlenschnur. Befolg’ drum dieses Lehrgedicht, Dann wirst du wieder ganz hergericht’t! Ich selbst erwarte keinen Lohn: Den trägt man in sich selber schon. Vielleicht erwähnt mich mit meinem Gedichte Dereinst noch die Literaturgeschichte Als den einzigen Dichter, der offen gesteht, Daß er ein ehrlicher Wasserpoet. Besing’ ich ja doch in gereimter Dichtung Das Wasser und seine Heilverrichtung! Und sollen denn ~die~ blos Dichter heißen, Die beim Wasserglase den ~Rebensaft~ preisen? Besang nicht schon Pindar, der Vielbewunderte, Vor Christus das Wasser im fünften Jahrhunderte? Bewundert man ihn — warum nicht minder Auch deinen emsigen =Alois Binder=? [Illustration] Einleitung. Da ihr noch die schöne Welt regiertet, Edle, mythologische Gestalten, Da die Jugend noch nicht überbürdet, Noch nicht nervenleidend ihre Alten — Da man keine Modezeitung sah — Wie ganz anders, anders war es da! Ach, was sind wir doch für ein Jahrhundert! Wie so mancher Weise sprach das aus, Der sich über unsre Zeit verwundert, Dieses große Massenkrankenhaus! Zahllos sind die Leiden allzusammen — Doch wo ist der Grund, aus dem sie stammen? Zwiefach ist der Grund, den ich erkannte: ~Erstens~ ist des ~Blut’s Umlauf~ gestört, ~Zweitens~ ist in seinem ~Stoffbestande~ Schlechter Saft, der nicht hineingehört. Umlaufstörung — Zudrang fremder Stoffe — Wißt ihr, wie ich dem zu steuern hoffe? Krankheitsstoff im Blute muß ich lösen, Und das Aufgelöste dann entfernen, Und nachdem das Blut befreit vom Bösen, Muß es wieder rechten Umlauf lernen; Endlich muß ich mich damit beschäftigen, Schwachen Leib zu stählen und zu kräftigen. Alles dieses trefflich zu besorgen, Ist das Wasser ganz allein im Stand. Darum wartet nicht erst noch bis morgen — Heute schon das Wasser angewandt! Auf, ihr schwachen Enkel starker Ahnen, Kräftigt euch und wandelt meine Bahnen! [Illustration] Inhaltsverzeichnis. In welcher Form das Wasser heile, Das heißet, wie man es verständig Anwendet in- und außenwändig, Das findest du im ~ersten Teile~: Im ~zweiten Teil~ sind aufgezählt Die Hauptgebreste dieser Welt; Dort findest du der Übel jedes, Leicht an der Hand des Alphabetes. [Illustration] [Illustration] [Illustration] Erster Teil. Wasseranwendungen. Abhärtungsmittel. ~Motto~: Des Leibes dauernd Wohlsein ist Nur dadurch zu erreichen, Daß man zwei Mittel nicht vergißt: =Abhärten= und =Abweichen=. 1. Bei Mitteln, die verordnet werden, Um unsern Körper abzuhärten, Muß namentlich das Barfußgeh’n In allererster Reihe steh’n. Mir ist, als ob uns im Instinkte Natur oft mit dem Zaunspfahl winkte; Bedenkt nur, wie die Kinder streben, Sich diesem Labsal hinzugeben! Bedauernswerter Städterfuß, Der stets gefesselt wandeln muß, Geschnürt in Schuh’, gepackt in Strümpfe, Damit man nicht die Nase rümpfe. Doch, ein Verständiger hilft sich immer, Und wär’s auch nur auf seinem Zimmer, Der Brite, das weiß jeder Quastl, Sagt treffend: »=Mei haus is mei kastl!=« Das heißt auf deutsch, wenn einer fragt: Zu Haus thu’ ich, was ~mir~ behagt. Wohlauf drum, barfuß ungeniert Im Schlafgemach herumspaziert! Sowohl des Morgens in der Fruh, Als abends, eh’ du gehst zur Ruh’, Benütze dieses Mittel fleißig, Von zehn Minuten bis zu dreißig. Es wird nicht eher besser werden, Bis ihr beginnt, euch abzuhärten! Anmerkung. Hier möcht’ ich gerne bei den Müttern Ein altes Vorurteil erschüttern. Wie sündigt man mit Wärmeflaschen, Und sucht das Kind recht warm zu waschen — Wie hüllen sie die Kinderlein Gleichsam in wollene Öfen ein, Wie glauben sie, dem Wurm zu nützen, Wenn sie vor frischer Luft ihn schützen! Ja, man verhüllt ihm Mund und Hals, Und oft das Näslein ebenfalls. Bedenkt, daß die erschlaffte Zeit, Verzärtelt wird durch Weichlichkeit! Es wird nicht eher besser werden, Bis ihr beginnt, euch abzuhärten. 2. Sehr wirksam ist und macht viel Spaß, Das Barfußgeh’n im ~nassen Gras~. Das nützet Kranken und Gesunden Und währt ~1–3 Viertelstunden~. Alsdann mußt du von Sand und Steinchen Und Halmen deine Füße reinigen, Doch darfst du sie nicht trocken reiben — Die Füße müssen näßlich bleiben, Doch dann natürlich — zur Vermeidung Von Schnupfen — ~trockene Fußbekleidung~! Und geh’ an steinbelegten Orten, Bis deine Füße warm geworden! 3. Fehlt’s wem an Gras, so sei gefaßt er, Und such’ dafür ein steinern’ Pflaster, In Küch’ und Hausgang oder wo — Das thut die Dienste ebenso. Darüber wandle unverdrossen, Nachdem kalt Wasser vorgegossen. Bei solchem Aufguß nicht vergeß’ ich, Oft beizumischen etwas Essig. Zum Schluß befolg’ noch alles das, Wie nach dem Geh’n im nassen Gras. 4. Sehr wirksam ist und thut nicht weh’ Das Barfußgeh’n ~in frischem Schnee~. Man hat dies Narretei benannt — Allein so spricht der Unverstand. Brennt’s dich auch an die Zehenglieder — Nur herzhaft! Das vergeht schon wieder! Die 17jährige Helene Beklagt sich über Schmerz der Zähne. »Tritt 5 Minuten frischen Schnee, Dann thut dir wohl kein Zahn mehr weh’!« Das Mägdlein folgte augenblicklich, Und sieh’, der Schnee hat nicht betrogen; Nach 10 Minuten sprach sie glücklich: »Das Zahnweh ist wie weggeflogen!« Thut einer frösteln oder frieren, Der darf’s natürlich nicht probieren; Nur bei normal gewärmtem Leib Versuch’ er diesen Zeitvertreib. Zum Schluß befolg’ er alles das, Wie nach dem Geh’n im nassen Gras. 5. Gar sehr ist ~Geh’n bis an die Waden Im kalten Wasser~ anzuraten. Wer sich mit solcher Kur beschäftigt, =a=) Der wird bald allgemein gekräftigt, =b=) Es nützt den Nieren und der Blase, =c=) Und wirkt befördernd auf die Gase; =d=) Und ist der Kopf recht eingenommen, So wird ihm dieses Mittel frommen. Sind 5–6 Minuten um, Zieh’ warm dich an und geh’ herum. 6. (~Arm- und Fußbad.~) Sobald wir die Extremitäten Minutenlang ins Wasser thäten, Verspürten wir an Arm und Fuß Viel Besserung und Hochgenuß. Derartige Übung wirkt viel Gutes, Durch Umlaufsteigerung des Blutes. 7. Als letztes Mittel, welches stählt, Sei noch der ~Knieguß~ aufgezählt. Er ist es, den ich hier begrüße Als den besondern Freund der Füße. Er macht das träge Blut recht munter, Und lockt’s ins kalte Bein hinunter. [Illustration] Wasseranwendungen. Die Wasserkur als ~Heilungs~mittel Zerfällt in sieben Hauptkapitel. =A.= Aufschläger. Aufschläger werden angewandt Sehr gut mit grober Sackleinwand. Das große Leintuch mehrfach falte, Damit es eine Form erhalte, Die von dem Hals die ganze Strecke Bis an den Unterleib bedecke; Auch seitwärts links und rechts desgleichen, Soll’s noch ein Stück hinunterreichen. Hat man die rechte Form gefunden, Wird’s in kalt’ Wasser ausgewunden; Der Kranke, der im Bette leidet, Bekommt es über sich gebreitet; Dann schließe rasch mit dicker Decke Ganz luftdicht ab die ganze Strecke, Und wieder über diese endlich Das Federbett noch selbstverständlich. Aus Vorsicht leg’ ich ebenfalls Ein Tuch gewöhnlich um den Hals, Dann kann es nie der Luft gelingen, Von oben her noch einzudringen. Man muß dabei recht achtsam sein, Sonst tritt gar leicht Erkältung ein. Man liege also eingewunden Im Bette bis ~¾ Stunden~; Ist ~eine Stunde höchstens~ um, Zieht man sich an und geht herum. Vermag dies einer nicht zu thun, So kann er auch im Bett noch ruh’n. Dies Mittel, also angewandt, Wird ~Oberaufschläger~ kurz benannt: Es wird aus Unterleib und Magen Versessene Gase rasch verjagen. Der ~Unteraufschläger~ wird genommen Um auch dem Rücken beizukommen, Denn Rückenschmerz ist kein Genuß, Am wenigsten der Hexenschuß Vor Feuchtigkeit das Bett zu schützen, Wird eine Unterlage nützen; Auf diese wird das Tuch gebreitet, Das man wie oben zubereitet. Der Kranke legt sich obendrauf Und paßt auf seine Uhr schön auf. Das Weitere, sowie Vorsicht endlich, Ist grad wie oben selbstverständlich. Auflage auf den Unterleib. Es liegt ein Patient im Bett, Der gern was gegen Krämpfe hätt’! Auch ist ihm so ein Druck des Magens Ein Grund beständigen Mißbehagens. Der Arme eine Auflag braucht, Die gegen seine Schmerzen taugt. Ein Linnentuch zusammenlegend, In Wasser ausgewunden, Bedeck’ er seine Magengegend, Und was noch weiter unten. Auch Essig, oder sonst ein Sud, Von Zinnkraut, Haberstroh, thut gut. Anmerkung. Sehr häufig pflegt man mich zu fragen: »Was hältst du von den Eisauflagen? Und ist nicht auch gewissermaßen Empfehlenswert das Aderlassen?« Drauf sag’ ich ein- für allemal: Die Eisauflagen sind brutal. Bedenke: Drin ist’s glühend heiß, Und außen drauf ein Berg von Eis, Und mitten zwischen Eis und Glut Der zarte Stoff von Fleisch und Blut In Leidensqual ganz eingekeilt — Wird ~so~ ein krankes Glied geheilt? Ist’s gut — statt Hilfe mild zu bringen — Gewaltsam die Natur zu zwingen? Zwar wirkt es scheinbar oft ersprießlich — Sehr schlimm sind doch die Folgen schließlich. Es kann in allen Körperteilen Das ~Wasser~ jede Hitze heilen. Damit ist aber nicht gesagt, Wenn dich im Kopf die Hitze plagt, Du müßtest nur auf deine Glatzen Beständig kalte Aufschläg’ batzen — Die Hitze läßt sich so nicht heilen, Versuch’, das Blut erst zu verteilen, Greif’ erst ’mal bei den Füßen an Und rück’ allmählich weiter dann! Als and’res Mittel in der Regel Empfiehlt man Aderlaß und Egel. Auch dieses Mittel ist nicht gut: Der Mensch hat nie zu viel an Blut. Natur hat ihm fürs ganze Leben Ein Quantum Blutsaft mitgegeben, Das als Essenz, als Grundstock gilt, Aus dem die Blutbereitung quillt, Weshalb du jeden Blutverlust, Als Lebenskürzung, meiden mußt. Blutbildung, die man künstlich schafft, Hat keine wahre Lebenskraft. Der Enkel Schwächlichkeit und Blässe Verdammt des Ahnherrn Aderlässe. Hat je, wenn ’s Öl versiegt, ein Docht Noch länger fortzuglüh’n vermocht? Selbst wenn dich Schlaganfall bedroht, Folgt gern dem Aderlaß der Tod. [Illustration] =B.= Bäder. 1. Des ~Fußbad’s~ doppelte Gestalt Ist einmal warm und einmal kalt. =a=) Man steht in ~kalten~ Wasserfluten, So etwa 1–3 Minuten, Und zwar ist dringend anzuraten: Teils an, teils über deine Waden! Dies Mittel dient in kranken Zeiten, Das Blut vom Kopf hinabzuleiten. Derweil es dem Gesunden Kraft Und Munterkeit und Schlaf verschafft. =b=) Ein ~warmes~ Fußbad ist nur gut Für Leute, welche arm an Blut, Nervöse, oder Frau’nspersonen; Es wirket bei Congestionen, Und wenn das Blut im Umlauf stockt, Wird’s in das Bein hinabgelockt. Hiezu bereit’ ein Wasser dir, Bis 26 Reaumür, Holzasche drein zwei Handvoll thu’, Und eine Hand voll Salz dazu. Dies wende 12 Minuten an, Auch 15, wer es leisten kann. ~Heublumenfußbad~ ist zu raten Bei Fußschweiß oder Quetschungsschaden, Kurz, wenn am Fuß sich eine Art Von Säftefäulnis offenbart; Nichts wirkt bei Fußverknorpelung so, Als warmes Bad von ~Haberstroh~; Auch Podagra und Eiterwunde Braucht solches Bad ’ne halbe Stunde. =NB.= Ein warmes Sitzbad ist von Blei, Wenn keine Mischung sonst dabei. Dies Fußbad gab dem Goethe wohl Die schönen Worte ein: »Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll, Netzt’ ihm das nackte Bein.« 2. Ein Vollbad ist oft zu brutal, Ein Fußbad wirkt nicht allemal, Drum ist ein ~Halbbad~ gar nicht selten, Und hat als Mittelding zu gelten. Und fragst du, welcher Art es sei, So merk’ dir hiemit dreierlei: Man ~steht~ zuerst bis zu den Knie’n, Auch höher, in dem Wasser drin; Und zweitens ~kniet~ man, und zuletzt Hat man sich gar ~hineingesetzt~, So daß der Wasserstand vielleicht, Bis an die Nabelgegend reicht. Die ersten werd’ ich immer wählen, Um schwächliche Natur zu stählen, Das dritte aber unter diesen Sei hier besonders hochgepriesen: Es nützet Kranken und Gesunden, Sehr viel im Unterleibe unten. Ihr Armen, denen Hämorrhoiden Und sonstiges Übel ist beschieden, Was oft den Menschen zwickt und drückt, Und manchmal gar den Geist verrückt — Benützet dieses Mittel fleißig! Es währet der Secunden 30 — Vermeidet, mehr als 3 Minuten Euch solches Halbbad zuzumuten! Und ein’s hätt’ ich vergessen bald: Ein Halbbad sei beständig kalt. 3. Ein Sitzbad, das ich sehr belobige, Hat gleiche Dauer wie das obige, Indes man sich bei diesem Bad Nur soweit zu entblößen hat, Daß man zur Heilung seiner Übel Gut sitzt in einem flachen Kübel. Wer nachts, wenn er im Bett erwacht, Sich an ein solches Sitzbad macht, Und rasch dann ungetrocknet wieder Ins Bett sich legt zum Schlafen nieder, Der findet eine süße Ruh’, Und fühlt sich munter in der Fruh. * * * * * Wer je dies Kneippkapitel las, Wer je die leidensbangen Nächte Zur Linderung im Kübel saß, Der kennt des Wassers Segensmächte. Es macht nicht nur den Körper rein, Es läßt den Kranken fröhlich werden; Dann wird er bald gesünder sein, Und fühlt sich wieder wohl auf Erden. Ein ~warmes~ Sitzbad ist geboten Bei schlimmen Hämorrhoidenknoten, Bei Mastdarmfistel und so weiter; Doch stets bedarf’s dabei der ~Kräuter~. Das ~Zinnkrautsitzbad~ thu’ probieren, Plagt Krampf und Rheuma Blas’ und Nieren; Auch gegen Stein- und Harnbeschwerden Kann’s vorteilhaft verwendet werden. Hat einer Gicht und ~Haberstroh~, Verwend’ er letzteres ebenso. ~Heublumenbad~ verordnet Kneipp Bei Stauungen im Unterleib. 4. Das Vollbad fordert viel Gewässer Und ist, je kürzer, desto besser. Man muß dabei sich möglichst sputen, Es währt ½ bis 3 Minuten. Das Vollbad muß genommen werden, Um unsern Körper abzuhärten. Mich kann ein armer Teufel dauern, Der gar nicht abgehärtet ist. Und bei den kleinsten Regenschauern Das Wolltuch und den Schirm vermißt, Dem jedes Lüftchen, welches weht, Gleich Lunge, Hals und Kopf verdreht. Der Baum steht dort auf freiem Felde, Er trotzt dem Wetter und dem Wind, Dieweil ihm Hitze, Sturm und Kälte Nur etwas längst Gewohntes sind. Das Vollbad nimm — du glaubst es kaum, Bald gleichst du jenem starken Baum! Der Schwächling, der beim Stubenhocken Sich über jeden Zug beklagt, Dem seine besten Säfte stocken, Der nie sich vor die Thüre wagt, Spürt bald durch Waschung oder Baden Vom Wetter nicht den kleinsten Schaden. * * * * * Wer schwitzet, mag getrost sich baden; Dem Frierenden bereitet’s Schaden. Das Vollbad wirket wahre Wunder Am Leibe Kranker und Gesunder. Selbst Fieber bis zu 40 Grad Wich solchem kalt benützten Bad. Ein warmes Vollbad soll ~allein~ Gesunden nicht gestattet sein, Es öffnet alle Poren weit, Dann dringet Luft ein, ihm zum Leid. Warmbäder meide d’rum, wenn solchen Nicht kalte Waschungen noch folgen, Da sich die Poren wieder schließen, Wenn wir kalt Wasser drüber gießen. Man darf im Warmbad — soll es nützen — Kaum eine halbe Stunde sitzen, Dann sei man klug und steig alsbald Rasch in ein and’res, welches kalt. Dies dauert höchstens 1 Minute Und kommt dem Körper sehr zu gute. [Illustration] Lyrisches Intermezzo. Es hat in Deutschland mancher Zu dichten schon begonnen, Nachdem er erst vergeblich Auf etwas sich besonnen. Des Weltenschmerzes Thränen In dunkle Lieder träufeln, Das bleibt als letzter Ausweg Den meisten armen Teufeln. Die Schmerzen all’ zu schildern, Wird Lied auf Lied gefeilt — Warum besang noch keiner, Wie man die Schmerzen heilt? Habt ihr noch nie erwogen, Warum wohl dem Parnaß Ein Wasserquell entsprudelt? Sagt, was bedeutet das? Ich hab es längst erwogen, Drum kam ich auf die Spur; Der höchste Stoff der Dichtung Sei: Lob der Wasserkur! [Illustration] Durch Wasser wird der Leib gestählt Und die Gesundheit besser; Gilt dieses Urteil ebenfalls Vom Mineralgewässer? Das ~Mineralbad~ bringt dem Leib So wenig einen Nutzen, Als wolltest du ein Silberzeug Mit grobem Sande putzen. Gar mancher reist in’s Luxusbad Der lieben Besserung wegen Und läßt die Börse und den Leib Sich unbarmherzig fegen. Das Mittel ist brutal und streng, Und schadet oft unsäglich. Drum bleib’ im Lande, nähre dich, Und bade dich tagtäglich! 5. Badet jemand in der Eil’ Einzeln einen Körperteil, Etwa Auge oder Hand, Wird es ~Teilbad~ zubenannt. Namentlich empfiehlt es sich: Wasch’ die Kopfhaut säuberlich! [Illustration] =C.= Dämpfe. Wenn einer heißes Wasser gießt In ein Gefäß, das er verschließt Mit einem Deckel, daß nicht leicht Zu früh der Wasserdampf entweicht, Und dann, nachdem er diese Gelte Vor sich auf einen Stuhl hinstellte, Bis an den Nabel sich entkleidet, ’Ne wollene Decke überbreitet, Die ihn vom Kopfe bis zum Fuß Grad wie ein Zelt umschließen muß Und auch den Kübel mit umhüllt, — Dann hat er alles gut erfüllt, Entfernt den Deckel, faßt die Enden Des Kübels fest mit beiden Händen, Und beugt dann ohne Zeitverlust Dem Dampf entgegen Hals und Brust, Darf selbst in Auge, Mund und Nasen Den Dampf womöglich strömen lassen. Er trotze so des Dampfes Gluten Bis 20 oder mehr Minuten. Sobald der Kopfdampf so beschlossen, Wird rasch der Leib kalt abgegossen. Es hat für Ausschlag, Ohrenfließen Und Kopfgeschwulst sich gut erwiesen. Der Leibstuhldampf, der Fußdampf auch Sind je nach Notdurft im Gebrauch. [Illustration] =D.= Gießungen. Es gibt auch Kranke, die mit Güssen, Sich meistenteils kurieren müssen. 1. Knieeguß. Bis übers Knie entblöß’ die Füße Und stell’ sie in die Wanne, Dann sorge, daß man sie begieße Mit einer Blechgießkanne. 2. Oberguß. Wer zu den Obergüssen schreitet, Sei bis aufs Beinkleid ausgekleidet, Ein weiter Kübel wird ihm nützen, Darein soll er die Hände stützen, Damit das Wasser, das man gießt, Vom Rücken in den Kübel fließt. Man merke, daß der Oberguß, Stets nach dem Kopfdampf kommen muß. etc. etc. etc. [Illustration] =E.= Waschungen. Man wäscht sich täglich das Gesicht, Warum den ganzen Körper nicht? Des Morgens ist nach solchem Bade Sehr nützlich eine Promenade. Ganz unnütz ist — drum laß es bleiben — Den Körper erst noch abzureiben. [Illustration] =F.= Wickelungen. Bei Halsentzündung, Schlingbeschwerden Kann Wickelung verwendet werden. Ein weiches Tuch, kalt ausgerungen, Wird mehrmals um den Hals geschlungen, Ein zweites Handtuch, das man nimmt, Ist trocken, und dazu bestimmt, Das erste gänzlich zu umschließen; Und endlich lass’ dich’s nicht verdrießen, Und wickle alles obendrein Mit einer woll’nen Binde ein. Zu diesem Mittel muß man schreiten, Um Blut und Hitze abzuleiten. Doch wenn am Gliede, das entzündet, Der Wickel sich zu lang befindet, So wirkt er Schlimmes anstatt Gutes Durch Häufung des erhitzten Blutes. Für Brust und Rücken allemal Dient mir der sogenannte »~Shawl~.« Dem ~Fuß~ dient ein Paar nasse Socken, Darüber ein Paar welches trocken. Den Unterwickel nennet Kneipp Den Wickel für den Unterleib. Sobald von Heilungsdrang erfüllt, Der Mensch in nasses Tuch sich hüllt Vom Herzen bis zum Knie hinunter Und d’rinn verharrt ein Stündlein munter, So hat er, luftdicht zugedeckt, Den ~kurzen Wickel~ selbst entdeckt. Hat einer Krampf und ist vergrämt, So schlüpf’ er in ein ~nasses Hemd~. Wenn ich den ganzen Leib behandel’ Mit Wicklung, ist’s der ~spanische Mantel~. Es kommt gar manchem spanisch vor, Doch wohl dem, der ihn auserkor! Verstehst du’s nicht, so rat’ ich nur: Studiere selbst Kneipp’s Wasserkur. [Illustration] =G.= Trinken des Wassers. Kommt ein Bissen uns’rer Nahrung In den Magen zur Verwahrung, Machen sich die Magensäfte Alsobald an ihr Geschäfte Und durchdringen diesen Brei, Daß er leicht verdaulich sei. Aber trinkt man unterdessen Unvernünftig in das Essen, Wird verdünnt der Magensaft Und verliert an Wirkungskraft. D’rum ermahnet Meister Kneipp: Trinke nicht zum Zeitvertreib, Trinke nicht hinein ins Essen, Trinke nicht als wie besessen, Trinke nicht Getränk der Prasser, Trinke, wenn dich dürstet, Wasser! [Illustration] Zugabe zum Essen. Fern im schönen Land der Hindus In dem Stromgebiet des Indus, An dem Strand des gelben Ganges Gibt’s der Himmelswunder manches — Schädelgroße Edelsteine Kollern einem um die Beine, Massenhaftes Gold und Perlen Find’st du bei den ärmsten Kerlen — Nur kein Rindfleisch ißt man freilich, Denn das wäre unverzeihlich; Aber dafür kocht man Reis, Den man sehr zu schätzen weiß. Kurz und gut, ich sag’s summarisch: Dorten lebt man vegetarisch. Zwar ein Münchener =comme il faut= Würde dorten niemals froh; Denn falls er sich dort erdreistete Und sich einmal Kalbfleisch leistete, Wie im kalbfleischfrohen München, Würden ihn die Hindus lynchen; Und falls er sich wollt’ entwöhnen Und des Fleisches ganz entraten, Würd’ er sich zu Tode sehnen Nach den guten Nierenbraten, Nach den mächtigen Kälberhaxen, Wie sie nur in München wachsen. Und nun möchten manche wissen, Wie sie sich verhalten müssen, Ob nicht Würste, Fleisch und Braten Uns’rem lieben Körper schaden, Oder ob man Obst und Kohl Unablässig essen soll? Laß die Kämpfer beider Seiten, Gegenseitig weiter streiten, Hör’ getrost den beiden zu, Iß Gemüs’ — und Fleisch dazu! Schluß des ersten Teiles. [Illustration] Zwischenakt. Die Hausapotheke. Uns ist in alten Schriften Erzählet wunderviel Von Gift und Gegengiften, Karbol und Salicyl; Von Jodtinktur, Chinin, Gelöstem Zink und Blei Und sonstigen Mixturen Weiß man zu rühmen mancherlei. Was wohl der Wasserdoktor Für Kräutlein rühmen kann? Was braucht zur Apotheke Ein heilbeflissener Wassermann? Dazu gebraucht man Salbei Und Arnika und Attich, Wachholderbeeren, Wollkraut, Johanniskraut und Lattich, Auch Anis, Wermut, Eibisch, Hollunder, Gartenraute, Alaun und Rosmarin Nebst echtem Sauerkraute. Spitzwegerich, Kamille, Wegwarte, Aloë, Auch Bockshornklee und Kleie Und Baldrian und Lindenthee. Und fragst du, welches Leiden Ein jedes Kräutlein heilt, So wird dir deutlich Auskunft Im Buch der »Wasserkur« erteilt. [Illustration] [Illustration] Zweiter Teil. Krankheiten. Lyrisches Vorspiel. 1. Lieber Freund! Schon einige Monde Sind im Nu bereits verflossen, Seit ich dich mit Wasserstrophen, Vielfach wechselnd, übergossen. Ach, die Monde schwinden eilig, Das heißt, die der Astronomen, Während die der Menschen freilich Meistenteiles eilig kommen. Wieder greif’ ich in die Saiten, Die wie Wasserfälle rauschen, Daß der Mond am Himmel lächelt Und die gold’nen Sternlein lauschen. 2. Mond, der Mutter Erde Bruder, Unser guter Onkel droben, — Wenn der Jugend Sonne sank, Scheinst doch du auf unsern Globen. Mond, ich spürte manchmal Lust, Dir ein zartes Lied zu widmen Und dein Emmenthalerantlitz Zu verherrlichen in Rhythmen — Aber Mond, du hast nicht Menschen, Hast von Wasser keine Spur, Darum bist du ganz belanglos Bei dem Lob der Wasserkur. Ich, von allen deutschen Dichtern, Bin der erste Apostat, Der zum Aufputz seines Sanges Deiner nicht mehr nötig hat. [Illustration] 3. Lieber Freund! Gar mannigfaltig Sind die menschlichen Gebrechen, Dieser hat ein Nervenleiden. Der klagt über Blasenschwächen, Jener ist moralisch schwächlich. Andern fehlt’s am Intellekt, Und die meisten wissen gar nicht, Wo vielleicht das Übel steckt. Namentlich der letzteren wegen Stimm’ ich jetzt die Saiten an, Denn ein Menschenfreund und Dichter Tröstet, wo er trösten kann. [Illustration] Asthma. So mannigfach die Übel sind, Prosaisch und poetisch, So kriegst du sie doch, Gott sei Dank, Nur selten alphabetisch. Du müßtest sonst als Kind dich schon Aufs Asthma vorbereiten, Und wenn du noch so rüstig wärst — Das Asthma käm’ bei Zeiten! Und säßest du am grünen Tisch Im dumpfigen Examen, Und trätest du als Jüngeling In einen Kreis von Damen Und würdest vor Bescheidenheit Zu atmen ganz vergessen — So wärst du nach dem Alphabet Von Asthma schon besessen. Doch Gott sei Dank — das Übel kommt Erst in beleibten Jahren, Und wer es fühlt, der greife rasch Zum Wasserheilverfahren. Nach Ober-, Knie- und Rückenguß, Halbbad und Barfußlaufen Und Voll- und Sitzbad wirst du bald Ganz urgemütlich schnaufen. Wer hat dies feine Lied erdacht Für Kind und Kindeskinder? Ein Freund des Wassers hat’s gemacht. Man nennt ihn Alois Binder. [Illustration] Blasenstein. Der Mensch mag noch so glücklich sein, Auf einmal kommt der Blasenstein. Dann heißt’s, auf Mittag, Abend, Morgen Für warmes Zinnkrautsitzbad sorgen, Und Zinnkrautthee vor jedem Bad In eine Schale ist probat. Doch trink’ ihn nicht zu heiß hinein Er könnte dir sonst schädlich sein. [Illustration] Congestionen. Der Umstand, daß du ledig bist, Vermag mich wohl zu hindern, Zu fragen, wie’s dem Weibchen geht Und deinen lieben Kindern: Hingegen, wie’s dir selber geht, Dem stolzen Junggesellen, Und ob du’s wohl noch lange bleibst — ~Die~ Frage muß ich stellen! Greifst du nur stets ins Saitenspiel Und niemals an ein Mieder? Lockt dich kein and’rer Rhythmus je, Als der im Bau der Lieder? Suchst du das edle Ebenmaß, Das hohe himmlisch Schöne In anderer Verschmelzung nie Als nur in der der Töne? Den schönen Sinn in schöner Form Beseligend verbunden — Hast dies Geheimnis du sonst nie Als in Musik gefunden? Willst du nur stets den Schreibekiel Und nie die Lippen spitzen? Willst du nur bei dem Kadhi stets, Nie bei der Kathi sitzen? Jahraus, jahrein Congestion — Ist das ein Lebenswandel? Entweder wähl’ ein Weibchen Dir — Oder den spanischen Mantel. [Illustration] Dichteritis. Als ich kaum mein Wasserepos Einigen Freunden still vertraut, Wurde schnell mein Ruhm als Dichter In dem ganzen Städtchen laut. Und bereits nach einigen Tagen Kam ein Jüngling auf mein Zimmer, Sprach im Anfang ganz verständig, Aber plötzlich ward er schlimmer, Denn sein Mund verzog sich schief, Teuflisch, wahrhaft bestialisch, Und ein kühn gezuckter Griff Hob das Haupthaar genialisch, Und aus einer großen Tasche Auf der Brust zog er mit Ruh’ Seine Kinder, seine Lieder — O, dies schlimme Känguruh! Bleich, jedoch mit beiden Händen Schleppt’ ich ihn zur Wasserleitung Und versetzt’ ihm einen Kopfguß Ohne weitere Vorbereitung. [Illustration] Geburten. Als Übel, d’rob schon viele murrten, Sind uns geläufig die Geburten. Sie waren schon seit alten Zeiten Aus Gründen nicht gut zu vermeiden. Wer nicht beginnt, sich abzuhärten, Der kann da leicht entmutigt werden. Das Halb- und Ganzbad ist deswegen Dem Weib ein ganz besond’rer Segen. [Illustration] Gemütsleiden. Ein junger Praktikant War so verliebt wie nie. Er hieß mit Namen Hildebrand Und sie Fräulein Sophie. Der reiche Herr Papa War filzig und gemein, Und als sie baten um sein Ja, Sprach er natürlich Nein. Das zog der Praktikant Sich schrecklich zu Gemüt, Und eh’ ein Vierteljahr entschwand, War er beinah’ verblüht. Da las er einst im Kneipp Und schöpfte frischen Mut; Das Halbbad für den Unterleib That ihm vortrefflich gut. Moral: Statt daß du dich erhängst, Versöhn’ dich mit der Welt! Herr Hildebrand ist nun schon längst Pragmatisch angestellt. [Illustration] Gicht. Die Dichter seh’n von höhern Zinnen Als von dem Zinnkrug in die Welt, Und was die Menge roh benamset, Benennen jene feingewählt. Doch dieser Unterschied verschwindet Auf einmal angesichts der Gicht, Und beiden spendet gleiche Labung Das Wort: Mensch, ärgere dich nicht! Und beiden spendet gleiche Lind’rung Der Heudampf, jener Feind der Gicht. Doch ist man reich und eigensinnig, Dann hilft auch dieser Heudampf nicht. [Illustration] Hämorrhoiden. Ein junger Herr Philologus War ein Hämorrhoidarius. Ein solcher armer Teufel ist Gewöhniglich ein Pessimist, Das kommt, weil von dem vielen Hocken Die Blutgefäße ihm verstocken. Er kauert stets in Bibliotheken Vor schweineledernen Scharteken, Irgend welchen unbekannten Halbverschimmelten Folianten, Oder einem Manuscript, Das eine neue Lesart gibt. Das Sitzbad that ihn rasch kurieren, Jetzt kann er wieder fortstudieren. [Illustration] Heiserkeit. Spricht jemand plötzlich rauh und leiser, So weiß man, die Person ist heiser. In solchem Falle laß’ ich sie Im Wasser steh’n bis an die Knie’, Und auch die Händ’ ins Wasser halten Das hilft bei Jungen und bei Alten. Hilft dies nicht, mach’ es umgekehrt, Da Abwechslung sich oft bewährt. [Illustration] Husten. Ich kenne Leute, die vor Husten, Sich oft nicht mehr zu helfen wußten. Doch wenn sie erst sich abzuhärten Genau beflissen sind, so werden Die einen später, die andern bälder, Um manches weitere Jährchen älter, Und wenn sie immer so weiter fahren, Bringen sie’s noch zu Jubilaren. [Illustration] Hypochondrie. Der Zustand eines Hypochonders Erweckt mein Mitleid ganz besonders, Drum rat’ ich ihm als Rettungsmittel Die sieben Abhärtungskapitel, Dann werden Geist und Körper frisch Und geh’n mit Appetit zu Tisch. Den Sokrates, den alten Denker, Verwünschte oft sein Weib zum Henker; Ihm war ein jeder Mensch zu schlecht, Und nichts im Hause war ihm recht. Doch war er selber viel zu klug, Und so erkannt’ er bald genug, Daß er sich selbst kurieren müsse, Gewöhnte sich an bloße Füße Und ging damit im Schnee herum Vor seinem griechischen Publikum. Nur war, wie häufig manchesmal, Veraltet schon sein Krankheitsfall, Und trotz der strengen Abhärtmittel Half nicht mehr dieses Kneippkapitel, Und als er einst zu Haus krakehlte Und auf die besten Bissen schmälte Und endlich mürrisch sich empfahl, Da goß Xantippe genial Vom Fenster noch ihm über’s Haupt Ein Schaff voll Wasser. Wer’s nicht glaubt, Der merke, daß dies Kaltbad schon Geschildert wird von Xenophon. Besonders allen Junggesellen Läßt sich das Kaltbad — warm empfehlen. [Illustration] Kalte Füße. Ein Handwerksbursche, welcher fror, Kam morgens an ein Gartenthor Und sah am Boden — sonderbar — Ein Socken- und ein Stiefelpaar. Der Aberglaube dieses Lümmels Hielt das für einen Wink des Himmels, Und ohne daß er sich besann, Zog er die Strümpf’ und Stiefel an. Nach einiger Zeit trat unter’s Thor, Des Dorfes Pfarrherr barfuß vor Und fand daselbst — wie sonderbar! Nichts als ein lumpiges Stiefelpaar, Und erst nach einigem Stirnerunzeln Begriff er es und mußte schmunzeln: »Der Kerl hat durch mein Kneippverhalten Unfehlbar warme Füß’ erhalten!« [Illustration] Kurzsichtigkeit. Der Bauer steht vor seinem Feld Und zieht die Stirne kraus in Falten; »Ich hab’ den Acker wohl bestellt, »Auf reine Aussaat streng gehalten — »Nun seh’ mir ein’s den Stadtfrack an! »Was hat denn der im Feld gethan?!« Da kommt der Stadtfrack hochbeglückt, Die Füße nackt bis an die Waden; Am Feldweg er sich niederbückt, Und ganz, wie Kneipp ihm angeraten, Ergreift er schleunig Schuh’ und Socken, Und findet sie noch ziemlich trocken. Da wird’s dem biedern Bauersmann Im Oberstübchen ziemlich helle; Er fährt den armen Stadtfrack an Und packt ihn an der Gurgel schnelle: »Ist denn ein Kornfeld eine Wiese?? »Putzt anderswo die sauber’n Füße!!« [Illustration] Katarrh. Muse, melde mir ein Mittel, Ob man ohne Wollenkittel, Nur mit Waschung Tag für Tag, Sich vor Schnupfen schützen mag? Die Muse spricht: Wer sich fleißig abgehärtet, Bleibt gewöhnlich ungefährdet, Aber dieses Mittelein Schützet dich noch nicht allein! Nebenbei ermahn’ ich jeden Niemals plötzlich einzutreten In geheizten Aufenthalt, Wenn es draußen ziemlich kalt. [Illustration] Verschnupfte sieht man heute viel, Doch ist das gern Komödienspiel. Ein kalter Guß hat da schon oft Kuriert Patienten unverhofft. [Illustration] Nierenleiden. Ihr schaut mich an so stumm und düster, Ihr säftestockigen Bierphilister — Vernahmt ihr denn nicht schon zu Zeiten Das dumpfe Schlagwort »Nierenleiden?« Da scheint man korpulent und frisch Und so gesund als wie ein Fisch — Und kann nichts thun und kann nicht laufen Und kann nicht schlafen und nicht schnaufen, Und schaut man gar in den Urin, So ist er dick und Blut darin. Erst durch das Bad mit Haberstroh Und Wickel wird man wieder froh. [Illustration] Nervenerschöpfung. Sitzbad, Knie- und Oberguß Jener Kranke nehmen muß, Der dem Wasserdoktor klagt, Daß ihn Nervenschwäche plagt. Sehr vernünftig wird er handeln, Wenn er sucht, im Schnee zu wandeln. Wenn wir es genau besehen, Wie die Raben und die Krähen Solch’ ein Alter ohne Gleichen Und voll Rüstigkeit erreichen Und es lieben, oft in Haufen Barfuß durch den Schnee zu laufen, Sind wir fast versucht, zu schreiben, Daß die Kerle Kneippkur treiben. [Illustration] Ohrensausen. Ein Fräulein, welches Kaffee trank Im Kreis betagter Damen, Die jede Woche, Gott sei Dank, Sehr frisch zusammenkamen, Klagt eines Tages ungemein, Sie wisse nicht wo aus noch ein Vor lauter Ohrensausen. Zwar sei sie jenem Damenbund Gar sehr zu Dank verpflichtet, Man höre ja aus deren Mund Getreulich stets berichtet, Was Neues in der Stadt passiert, Wer sich verging, wer sich blamiert, Und wer demnächst verlobt wird. Allein es könne nicht so schnell In diesen wirren Tönen Ein neugeworbenes Trommelfell Sich völlig eingewöhnen; Sie höre tagelang zu Haus Nach solcher Schlacht ein Sturmgebraus Als wie am Niagara. »Mein Fräulein, ich gesteh’ es gern, Das Leiden ist verdrießlich, Doch bleiben Sie dem Kaffee fern, Alsdann vergeht es schließlich; Und daß die Heilung gründlich sei, Versuchen Sie noch nebenbei Kaltwaschung vorzunehmen!« [Illustration] Rheumatismus. Das ist im Leben so dumm eingerichtet, Daß rund um uns wir lauter Dornen seh’n, Und wenn der Mensch auch noch so gern verzichtet, So muß er doch einmal darüber geh’n; Besonders wer das Rheuma sich erlesen, Der litt gar oftmals ganz verfluchte Pein — Wär’ ihm die Dampfkur schon bekannt gewesen, So hätt’ er bald gesünder können sein. [Illustration] Säuferwahnsinn. Das Trinken rächt sich dann und wann Sehr bitter durch den Säuferwahn. Dann siehst du öfter ganze Haufen Von Mäusen auf dem Boden laufen, Und schwarze Mücken tanzen immer Vor deinen Augen schlimm und schlimmer; Da beut dir, seinem einstigen Hasser, Gar edle Hilfe gern das Wasser, Und Güsse, Wassersteh’n und Baden Sind rasch und dringend anzuraten. [Illustration] Schlaflosigkeit. Du schwärmst für Wagnermusik, Sie sei so deutsch, so tief; Du kennst aus ihr zwar höchstens Das hörnerne Siegfriedsmotiv, Oder du trommelst etwa Manchmal zum Zeitvertreibe Der Gattin das Riesenmotiv Auf einer Fensterscheibe — So nahm dich wohl bis heute Der Umstand noch nicht wunder, Wie denn die Nixen im Rheingold So lang sich halten munter? Bedenk’, daß von zwei Übeln Ihr ~Wellenbad~ befreit: Die Wellenmädchen von ~Asthma~, Die Hörer von ~Schlaflosigkeit~. [Illustration] Schlaganfall. Ein jeder Mensch muß einmal sterben, Und hat er Geld, so freut’s die Erben, Doch hat er einen ~Schlaganfall~, So hilft ihm Kneipp noch dieses Mal. Gewöhnlich führt ein solcher Zustand Zu Abschied, Pension und Ruhstand. Hier gilt es rasch nach andern Seiten Das Blut vom Kopfe wegzuleiten: Der ~Kopf-~ und ~Fußdampf~ ist probat, Und ebenso das ~warme Bad~. Was sonst noch wirkungsvoll gewesen, Ist leicht bei Kneipp selbst nachzulesen. [Illustration] Schwermut. Wenn in dein Inn’res und den Schmerz der Zeiten Der ernste Geist sich allzu ernst versenket, Und schwarze Dinge sich noch schwärzer denket, Und über alles einen Schleier breitet, Daß man kein Farbenspiel mehr unterscheidet, Kein Außending uns mehr ein Lächeln schenket — Dann heißt es: Freund, bei Zeiten eingelenket, Daß dieser Zustand nicht noch weiter schreitet! Denn Schwermut ist ein Leiden ernster Art, Ein Alpdruck, welcher das Gemüt bedrückt, Sich manchmal zwar poetisch offenbart, Doch öfter noch so viel ist wie verrückt. Wo aber Kneippkur angewendet ward, Ist meistenteils die Heilung rasch geglückt. [Illustration] Unterleibsverschleimung. Man sollte meinen, rasche Räumung Sei gut bei Unterleibsverschleimung! Allein die Heilung durch Gewässer Ist weitaus gründlicher und besser. Nach Knieguß und zwei Obergüssen Wird man im Wasser gehen müssen, Auch Rückenguß und Geh’n im Gras Hilft solchen Kranken immer was. [Illustration] Unzufriedenheit. Gold’ne Zeit, von der wir lesen, Gold’nes Alter des Saturnus — Bist du wirklich schon gewesen, Wie im hesiodischen Turnus? Willst du wirklich unsern Zeiten Und der Welt im allgemeinen Und uns Deutschen und mir selber Nicht zum zweiten Mal erscheinen? Komm uns gnadenreich hernieder, Und wir wollen froh dir huldigen Und die alten Dichter nie mehr Plumper Schwindelei beschuldigen. Komm herab, du gold’nes Alter, Du allein kurierst mich nur, Oder, in Ermangelung deiner, Eine kalte Wasserkur! [Illustration] Verfolgungswahn. »Oheim, Oheim, lieber Oheim, »Sag’, was fliehst du deinen Neffen? »Wenn ich komm, dich anzupumpen, »Bist du nie daheim zu treffen!« Zweimal hatte schon der Studio Seinem Oheim dies geschrieben, Und die Antwort auf die Frage Ist schon zweimal ausgeblieben. Ach, er hatte seinem Oheim Etwas Schlimmes angethan — Denn der ewig Angepumpte Litt nun an Verfolgungswahn! Um des guten Onkels Leiden, Möglichst gründlich zu beenden, Ließ der Arzt »So sollt ihr leben!« Jenem Neffen übersenden. Und der Neffe, den es rührte, Hat die Lehren wohl beachtet, Hat fortan aus vielen Gründen, Suff und Völlerei verachtet. Und so ward durch Kneipps Belehrung, Wenn auch mittelbar, allmählich Der bedauernswerte Onkel, Wieder ganz vertrauensselig. [Illustration] Wassersucht. Wohl dem, der bei der Wassersucht Die Hilfe rasch beim Wasser sucht! Die Wassersucht ist ein Gebrest, Das sich sehr leicht vergleichen läßt Mit Pfützen, die bei langem Regen Entsteh’n auf Äckern oder Wegen: Die abgestand’ne faule Pfütze Ist niemals einem Wachstum nütze! So wird als wäss’riger Morast Uns oft der eig’ne Leib zur Last. Doch wenn das Leiden nicht zu alt, Hilft Wickel, Bad und Waschung bald. [Illustration] Der nervöse Zeitungsleser. Das war doch in der letzten Zeit, Fast nimmer auszuhalten, Die Schimpferei und Wühlerei In allen Zeitungsspalten! Man hangt und bangt in Schwebepein, Inmitten all der Wahlen Des Zentrums und des Deutschfreisinns Und gar der Sozialen! Die Lärmetrommeln dröhnen da, Und dort die Wahldrommeten, Aus Goethe’s Werken wird citiert, Und alten Bismarckreden! Drum rat’ ich, rasch nach jedem Blatt Die Kleider abzuwerfen, Zum Rücken-, Kopf- und Oberguß, Das hilft den armen Nerven. [Illustration] Schlußworte. Doch »Nicht zu viel!« sprach Solon schon, Der große Siebenweise. Und Recht hat er! Zur Seite drum Die Leier leg’ ich leise. Nur einmal mit der Rechten noch, Zum letzten Schlußakkorde, Greif’ ich ins gold’ne Saitenspiel Und singe diese Worte: »Du Schwachbein, Dünnblut, Grillenfreund, »Verlaß den dumpfen Ofen »Und stähle dich, wie Meister Kneipp »In seinem Wörishofen!« [Illustration] [Illustration] [Illustration] *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KNEIPPKUR *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. 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