The Project Gutenberg eBook of Wald This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Wald Der deutsche Wald und was er raunt und singt Editor: Dr. Ernst Weber Illustrator: Willibald Weingärtner Release date: February 1, 2025 [eBook #75267] Language: German Original publication: München: Georg D. W. Callwey + Verlag des deutschen Spielmanns, 1927 Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WALD *** Anmerkungen zur Transkription Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_. Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches. Der deutsche Spielmann Eine Auswahl aus dem Schatze deutscher Dichtung für Jugend und Volk Herausgegeben von Dr. Ernst Weber * Wald Der deutsche Wald und was er raunt und singt Bildschmuck von Willibald Weingärtner Vierte, veränderte Auflage * München 1927 Georg D. W. Callwey * Verlag des deutschen Spielmanns Druck von Kastner & Callwey in München [Illustration] »Der deutsche Wald!« – Wer möchte nicht Den Wald der Deutschen lieben? Mir steht er wie ein hold Gedicht Im Herzen eingeschrieben. Die Schauer meiner Kinderzeit, Der spätern Jahre Wonne, Des Winters frostige Herrlichkeit, Des Sommers sengende Sonne, Der Herbst im Purpur flammendrot, Der Lenz auf blühendem Throne: Was mir Natur an Schönheit bot, Dem Wald gebührt die Krone. Einst gab der Wald uns Herd und Haus Und hohe Götterhallen. Die Zeit vertrieb uns längst daraus, Das Heimweh blieb uns allen. Und klingt ein Lied vom deutschen Wald, Dann wird die Brust uns enge; Aus seinen Weisen fühlst du bald Die heimattrauten Klänge; Die Waldfei harft mit weicher Hand, Du stehst in süßem Lauschen – Am schönsten ist mein deutsches Land, Wo seine Wälder rauschen. Der deutsche Spielmann Gegrüßt, gegrüßt, ihr trauten Waldeshallen! Gegrüßt, gegrüßt, ihr trauten Waldeshallen! Hier hört ich einst im Wintersturmesdröhnen Zum erstenmal das Hohelied des Schönen Wie Orgelbraus durch eure Säulen schallen. Hier fühlt ich süß der Sehnsucht erstes Wallen, Und, um dem Sein das Träumen zu versöhnen, Begann in leisen, ahnungscheuen Tönen Der Knabenmund sein erstes Lied zu lallen. So mancher Herbst hat seine welken Blätter Seit jener Zeit auf dieses Haupt geschüttelt; So manchen Winters schneidig kaltes Wetter Hat kräftig mich aus manchem Traum gerüttelt – Doch nun zu euch mein Wandern mich getrieben, Heut fühl ich jubelnd: ich bin jung geblieben! Ferdinand Avenarius Jetzt rede du! Du warest mir ein täglich Wanderziel, Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen, Ich hatte dir geträumten Glücks so viel Anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen. Und wieder such ich dich, du dunkler Hort, Und deines Wipfelmeers gewaltig Rauschen – Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort! Verstummt ist Klag und Jubel. Ich will lauschen. C. F. Meyer Erster Mai Erster Mai ist heute, Fort Papier und Buch! Grüner Wald umbreite Mich mit Würzgeruch. Schlage deine Blätter Mir im Weben auf: Unsrer alten Götter Sprache steht darauf. Martin Greif Der Herr des Waldes Der Herr des Waldes machte seinen Morgenspaziergang. Warm lag das Sonnenlicht ihm auf den Schultern, milde sahen seine Augen an den Buchen hinauf und freuten sich an dem schwellenden Grün und der Lichtfülle in den Wipfeln. Und wenn er an eine Stelle kam, an der ein Unwetter hart gewütet, fuhr er langsam durch den weißen, langen Bart und sagte: »Hier müssen wir neuen Wuchs anpflanzen.« Da sah er auf seinem Wege zu Füßen einen Ameisenhaufen. Ein lustiges, emsiges, regsames Gekribbel. Die einen bauten Gemächer und Gänge und trieben Stollen und Schächte in die Erde; die andern schleppten Wintervorräte heran; und wieder andere schienen mit heftigen Gebärden in ernstem Disput zu sein. Plötzlich ging eine Bewegung durch die Massen. Ein armer Sünder wurde durch die Stadt zum Richtplatz geführt, wo ihn die Schergen zu Tode bringen sollten. »Was soll das?« fragte der Herr des Waldes. »Wir müssen ihn töten«, antwortete jemand aus der Menge, »er hat gesagt, er glaube nicht an den Herrn des Waldes.« Und weiter zogen sie mit ihm zum Richtplatz. Der Herr des Waldes lächelte und fuhr sich durch den greisen Bart. Milde sahen seine Augen an den Buchen hinauf, und im Weitergehen freuten sie sich an dem schwellenden Grün und an der Lichtfülle in den Wipfeln. Albert Sergel Morgens im Walde Ein sanfter Morgenwind durchzieht Des Forstes grüne Hallen; Hell wirbelt der Vögel muntres Lied; Die jungen Birken wallen. Das Eichhorn schwingt sich von Baum zu Baum; Das Reh durchschlüpft die Büsche; Viel hundert Käfer im schattigen Raum Erfreun sich der Morgenfrische. Und wie ich so schreit im lustigen Wald Und alle Bäum erklingen, Rings um mich alles singet und schallt: Wie sollt ich allein nicht singen? Ich singe mit starkem, freudigem Laut Dem, der die Wälder säet, Der droben die luftige Kuppel gebaut Und Wärm und Kühlung wehet. Karl Egon Ebert Die Waldkapelle Wo tief im Tannengrunde So friedlich äst das Wild, Steht an geweihter Stelle Die kleine Waldkapelle Mit ihrem Gnadenbild. Der Efeu und die Rose Umrankt das Bild von Stein; Die Vöglein in den Zweigen, Sie laden durch ihr Schweigen Hier still zum Beten ein. Habt Rast, ihr Hirsch und Rehe, Hab Rast, mein Roß, auch du! Kein Jagdruf soll euch schrecken, Kein Horn den Wald erwecken Aus tiefer Mittagsruh. Georg Scherer Waldesstimme Wie deine grüngoldnen Augen funkeln, Wald, du moosiger Träumer! Wie deine Gedanken dunkeln, Einsiedel, schwer von Leben, Saftseufzender Tagesversäumer! Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben, Wie’s Atem holt und voller wogt und braust Und weiter zieht – Und stiller wird – Und saust. Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben Hoch droben steht _ein_ ernster Ton, Dem lauschen tausend Jahre schon Und werden tausend Jahre lauschen … Und immer dieses starke, donnerdunkle Rauschen. Peter Hille Waldandacht Grausilbern jeder Buchenstamm, Das Grün mit Gold umzirkt Und oben hoch am lichten Kamm Von Himmelsblau durchwirkt. Ein brauner Teppich deckt den Grund, Aus Moos und Laub gewebt, Wo durch die dämmerdunkle Rund Kein einzig Lüftlein bebt. Das ist des Waldes Hochaltar, Mit Kerzen reich beschickt, Darüber strahlend, groß und klar Ein Schöpferauge blickt. Ernst Weber Mittag Am Waldessaume träumt die Föhre, Am Himmel weiße Wölkchen nur; Es ist so still, daß ich sie _höre_, Die tiefe Stille der Natur. Rings Sonnenschein auf Wies’ und Wegen, Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach, Und doch, es klingt, als ström ein Regen Leis tönend auf das Blätterdach. Theodor Fontane [Illustration] [Illustration] Schneeweißchen und Rosenrot Eine arme Witwe, die lebte einsam in einem Hüttchen, und vor dem Hüttchen war ein Garten, darin standen zwei Rosenbäumchen, davon trug das eine weiße, das andere rote Rosen: und sie hatte zwei Kinder, die glichen den beiden Rosenbäumchen, und das eine hieß Schneeweißchen, das andere Rosenrot. Sie waren aber so fromm und gut, so arbeitsam und unverdrossen, als je zwei Kinder auf der Welt gewesen sind: Schneeweißchen war nur stiller und sanfter als Rosenrot. Rosenrot sprang lieber in den Wiesen und Feldern umher, suchte Blumen und fing Sommervögel; Schneeweißchen aber saß daheim bei der Mutter, half ihr im Hauswesen oder las ihr vor, wenn nichts zu tun war. Die beiden Kinder hatten einander so lieb, daß sie sich immer an den Händen faßten, so oft sie zusammen ausgingen; und wenn Schneeweißchen sagte: »Wir wollen uns nicht verlassen«, so antwortete Rosenrot: »Solange wir leben nicht«, und die Mutter setzte hinzu: »Was das eine hat, soll’s mit dem andern teilen.« Oft liefen sie im Walde allein umher und sammelten rote Beeren; aber kein Tier tat ihnen etwas zuleid, sondern sie kamen vertraulich herbei: das Häschen fraß ein Kohlblatt aus ihren Händen, das Reh graste an ihrer Seite, der Hirsch sprang ganz lustig vorbei, und die Vögel blieben auf den Ästen sitzen und sangen, was sie nur wußten. Kein Unfall traf sie: wenn sie sich im Walde verspätet hatten und die Nacht sie überfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen, bis der Morgen kam, und die Mutter wußte das und hatte ihretwegen keine Sorge. Einmal, als sie im Walde übernachtet hatten und das Morgenrot sie aufweckte, da sahen sie ein schönes Kind in einem weißen, glänzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts und ging in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen und wären gewiß hineingefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen wären. Die Mutter aber sagte ihnen, das müßte der Engel gewesen sein, der gute Kinder bewache. Schneeweißchen und Rosenrot hielten das Hüttchen der Mutter so reinlich, daß es eine Freude war, hineinzuschauen. Im Sommer besorgte Rosenrot das Haus und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Bäumchen eine Rose. Im Winter zündete Schneeweißchen das Feuer an und hing den Kessel an den Feuerhaken, und der Kessel war von Messing, glänzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter: »Geh, Schneeweißchen, und schieb den Riegel vor«, und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Mädchen hörten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein Lämmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Täubchen und hatte seinen Kopf unter den Flügel gesteckt. Eines Abends, als sie so vertraulich beisammen saßen, klopfte jemand an die Türe, als wollte er eingelassen sein. Die Mutter sprach: »Geschwind, Rosenrot, mach auf, es wird ein Wanderer sein, der Obdach sucht.« Rosenrot ging und schob den Riegel weg und dachte, es wär ein armer Mann, aber der war es nicht, es war ein Bär, der seinen dicken schwarzen Kopf zur Tür hereinstreckte. Rosenrot schrie laut und sprang zurück: das Lämmchen blökte, das Täubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Bär aber fing an zu sprechen und sagte: »Fürchtet euch nicht, ich tue euch nichts zuleid, ich bin halb erfroren und will mich nur ein wenig bei euch wärmen.« – »Du armer Bär,« sprach die Mutter, »leg dich ans Feuer und gib nur acht, daß dir dein Pelz nicht brennt!« Dann rief sie: »Schneeweißchen, Rosenrot, kommt hervor, der Bär tut euch nichts, er meint’s ehrlich.« Da kamen sie beide heran, und nach und nach näherten sich auch das Lämmchen und Täubchen und hatten keine Furcht vor ihm. Der Bär sprach: »Ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk!« und sie holten den Besen und kehrten dem Bär das Fell rein: er aber streckte sich ans Feuer und brummte ganz vergnügt und behaglich. Nicht lange, so wurden sie ganz vertraut und trieben Mutwillen mit dem unbeholfenen Gast. Sie zausten ihm das Fell mit den Händen, setzten ihre Füßchen auf seinen Rücken und walgerten ihn hin und her, oder sie nahmen eine Haselrute und schlugen auf ihn los, und wenn er brummte, so lachten sie. Der Bär ließ sich’s aber gerne gefallen, nur wenn sie’s gar zu arg machten, rief er: »Laßt mich am Leben, ihr Kinder: Schneeweißchen, Rosenrot, Schlägst dir den Freier tot.« Als Schlafenszeit war und die andern zu Bett gingen, sagte die Mutter zu dem Bär: »Du kannst in Gottes Namen da am Herde liegen bleiben, so bist du vor der Kälte und dem bösen Wetter geschützt.« Sobald der Tag graute, ließen ihn die beiden Kinder hinaus, und er trabte über den Schnee in den Wald hinein. Von nun an kam der Bär jeden Abend zu der bestimmten Stunde, legte sich an den Herd und erlaubte den Kindern, Kurzweil mit ihm zu treiben, soviel sie wollten; und sie waren so gewöhnt an ihn, daß die Türe nicht eher zugeriegelt ward, als bis der schwarze Gesell angelangt war. Als das Frühjahr herangekommen und draußen alles grün war, sagte der Bär eines Morgens zu Schneeweißchen: »Nun muß ich fort und darf den ganzen Sommer nicht wieder kommen.« – »Wo gehst du denn hin, lieber Bär?« fragte Schneeweißchen. »Ich muß in den Wald und meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten. Im Winter, wenn die Erde hart gefroren ist, müssen sie wohl unten bleiben und können sich nicht durcharbeiten; aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgetaut und erwärmt hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen; was einmal in ihren Händen ist und in ihren Höhlen liegt, das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht.« Schneeweißchen war ganz traurig über den Abschied, und als es ihm die Türe aufriegelte und der Bär sich hinausdrängte, blieb er an dem Türhaken hängen, und ein Stück seiner Haut riß auf, und da war es Schneeweißchen, als hätte es Gold durchschimmern gesehen; aber es war seiner Sache nicht gewiß. Der Bär lief eilig fort und war bald hinter den Bäumen verschwunden. Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald, Reisig zu sammeln. Da fanden sie draußen einen großen Baum, der lag gefällt auf dem Boden, und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras etwas auf und ab, sie konnten aber nicht unterscheiden, was es war. Als sie näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten, verwelkten Gesicht und einem ellenlangen, schneeweißen Bart. Das Ende des Bartes war in eine Spalte des Baumes eingeklemmt, und der Kleine sprang hin und her wie ein Hündchen an einem Seil und wußte nicht, wie er sich helfen sollte. Er glotzte die Mädchen mit seinen roten, feurigen Augen an und schrie: »Was steht ihr da! könnt ihr nicht herbeigehen und mir Beistand leisten?« – »Was hast du angefangen, kleines Männchen?« fragte Rosenrot. »Dumme, neugierige Gans,« antwortete der Zwerg, »den Baum habe ich mir spalten wollen, um kleines Holz in der Küche zu haben; bei den dicken Klötzen verbrennt gleich das bißchen Speise, das unsereiner braucht, der nicht so viel hinunterschlingt als ihr grobes, gieriges Volk. Ich hatte den Keil schon glücklich hineingetrieben, und es wäre alles nach Wunsch gegangen, aber das verwünschte Holz war zu glatt und sprang unversehens heraus, und der Baum fuhr so geschwind zusammen, daß ich meinen schönen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte; nun steckt er drin, und ich kann nicht fort. Da lachen die albernen, glatten Milchgesichter! pfui, was seid ihr garstig!« Die Kinder gaben sich alle Mühe, aber sie konnten den Bart nicht herausziehen, er steckte zu fest. »Ich will laufen und Leute herbeiholen,« sagte Rosenrot. »Wahnsinnige Schafsköpfe,« schnarrte der Zwerg, »wer wird gleich Leute herbeirufen, ihr seid mir schon um zwei zuviel; fällt euch nichts Besseres ein?« – »Sei nur nicht ungeduldig,« sagte Schneeweißchen, »ich will schon Rat schaffen,« holte sein Scherchen aus der Tasche und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg sich frei fühlte, griff er nach einem Sack, der zwischen den Wurzeln des Baumes steckte und mit Gold gefüllt war, hob ihn heraus und brummte vor sich hin: »Ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stück von meinem stolzen Barte ab! lohn’s euch der Kuckuck!« Damit schwang er seinen Sack auf den Rücken und ging fort, ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen. Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenrot ein Gericht Fische angeln. Als sie nahe bei dem Bach waren, sahen sie, daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu hüpfte, als wollte es hineinspringen. Sie liefen heran und erkannten den Zwerg. »Wo willst du hin?« sagte Rosenrot, »du willst doch nicht ins Wasser?« – »Solch ein Narr bin ich nicht,« schrie der Zwerg, »seht ihr nicht, der verwünschte Fisch will mich hineinziehen!« Der Kleine hatte dagesessen und geangelt, und unglücklicherweise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten. Als gleich darauf ein großer Fisch anbiß, fehlten dem schwachen Geschöpf die Kräfte, ihn herauszuziehen; der Fisch behielt die Oberhand und riß den Zwerg zu sich hin. Zwar hielt er sich an allen Halmen und Binsen, aber das half nicht viel, er mußte den Bewegungen des Fisches folgen und war in beständiger Gefahr, ins Wasser gezogen zu werden. Die Mädchen kamen zu rechter Zeit, hielten ihn fest und versuchten, den Bart von der Schnur loszumachen, aber vergebens, Bart und Schnur waren fest ineinander verwirrt. Es blieb nichts übrig, als das Scherchen hervorzuholen und den Bart abzuschneiden, wobei ein kleiner Teil desselben verloren ging. Als der Zwerg das sah, schrie er sie an: »Ist das Manier, ihr Lorche, einem das Gesicht zu schänden? nicht genug, daß ihr mir den Bart unten abgestutzt habt, jetzt schneidet ihr mir den besten Teil davon ab; ich darf mich vor den Meinigen gar nicht sehen lassen! Daß ihr laufen müßtet und die Schuhsohlen verloren hättet!« Dann holte er einen Sack Perlen, der im Schilfe lag, und ohne ein Wort weiter zu sagen, schleppte er ihn fort und verschwand hinter einem Stein. Es trug sich zu, daß bald hernach die Mutter die beiden Mädchen nach der Stadt schickte, Zwirn, Nadeln, Schnüre und Bänder einzukaufen. Der Weg führte sie über eine Heide, auf der hier und da mächtige Felsenstücke zerstreut lagen. Da sahen sie einen großen Vogel in der Luft schweben, der langsam über ihnen kreiste, sich immer tiefer herabsenkte und endlich nicht weit bei einem Felsen niederstieß, Gleich darauf hörten sie einen durchdringenden, jämmerlichen Schrei. Sie liefen herzu und sahen mit Schrecken, daß der Adler ihren alten Bekannten, den Zwerg, gepackt hatte und ihn forttragen wollte. Die mitleidigen Kinder hielten gleich das Männchen fest und zerrten sich so lange mit dem Adler herum, bis er seine Beute fahren ließ. Als der Zwerg sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, schrie er mit seiner kreischenden Stimme: »Konntet ihr nicht säuberlicher mit mir umgehen? Gerissen habt ihr an meinem dünnen Röckchen, daß es überall zerfetzt und durchlöchert ist, unbeholfenes und täppisches Gesindel, das ihr seid!« Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen und schlüpfte wieder unter den Felsen in seine Höhle. Die Mädchen waren an seinen Undank schon gewöhnt, setzten ihren Weg fort und verrichteten ihr Geschäft in der Stadt. Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen, überraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plätzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschüttet und nicht gedacht hatte, daß so spät noch jemand daherkommen würde. Die Abendsonne schien über die glänzenden Steine, sie schimmerten und leuchteten so prächtig in allen Farben, daß die Kinder stehen blieben und sie betrachteten. »Was steht ihr da und habt Maulaffen feil!« schrie der Zwerg, und sein aschgraues Gesicht ward zinnoberrot vor Zorn. Er wollte mit seinen Scheltworten fortfahren, als sich ein lautes Brummen hören ließ und ein schwarzer Bär aus dem Walde herbeitrabte. Erschrocken sprang der Zwerg auf; aber er konnte nicht mehr zu seinem Schlupfwinkel gelangen, der Bär war schon in seiner Nähe. Da rief er in Herzensangst: »Lieber Herr Bär, verschont mich, ich will Euch alle meine Schätze geben, sehet die schönen Edelsteine, die da liegen. Schenkt mir das Leben, was habt Ihr an mir kleinem, schmächtigem Kerl? Ihr spürt mich nicht zwischen den Zähnen. Da, die beiden gottlosen Mädchen packt, das sind für Euch zarte Bissen, fett wie junge Wachteln, die freßt in Gottes Namen.« Der Bär kümmerte sich um seine Worte nicht, gab dem boshaften Geschöpf einen einzigen Schlag mit der Tatze, und es regte sich nicht mehr. Die Mädchen waren fortgesprungen, aber der Bär rief ihnen nach: »Schneeweißchen und Rosenrot, fürchtet euch nicht, wartet, ich will mit euch gehen!« Da erkannten sie seine Stimme und blieben stehen, und als der Bär bei ihnen war, fiel plötzlich die Bärenhaut ab, und er stand da als ein schöner Mann und war ganz in Gold gekleidet. »Ich bin eines Königs Sohn,« sprach er, »und war von dem gottlosen Zwerg, der mir meine Schätze gestohlen hatte, verwünscht, als ein wilder Bär in dem Walde zu laufen, bis ich durch seinen Tod erlöst würde. Jetzt hat er seine wohlverdiente Strafe empfangen.« Schneeweißchen ward mit ihm vermählt und Rosenrot mit seinem Bruder, und sie teilten die großen Schätze miteinander, die der Zwerg in seiner Höhle zusammengetragen hatte. Die alte Mutter lebte noch lange Jahre ruhig und glücklich bei ihren Kindern. Die zwei Rosenbäumchen aber nahm sie mit, und sie standen vor ihrem Fenster und trugen jedes Jahr die schönsten Rosen, weiß und rot. Brüder Grimm Im Wald Die Winde gehn ums kleine Jägerhaus, Die Wälder rauschen in die Nacht hinaus. Da drinnen schimmert warmes Lampenlicht, Ein stilles Stübchen, traulich-eng und schlicht. Geweih und Rehgehörn als Schmuck der Wand, Ein Falke drüber, der die Flügel spannt. So still, so stille – nur die Wanduhr tickt Und vom Kamin der rote Glutschein zückt. Bisweilen schlägt im Schlaf der Jagdhund an, Er träumt vom Pirschgang wohl im freien Tann! Der Jäger sitzt und pafft sein Pfeifchen stumm, Der Rauch blaut nebelnd im Gemach herum. Die blonde Frau lehnt still im Stuhl zurück Und schaut ins Licht mit weitverträumtem Blick. Sie hebt den Kopf nur lauschend dann und wann – Weint nicht im Schlaf ihr Kindchen nebenan? Doch nur die Wanduhr sagt ihr leis Ticktick: Es geht – die Zeit, – halt fest – halt fest – das Glück! Und nur die Winde gehn ums Jägerhaus, Die Wälder rauschen in die Nacht hinaus! Lulu v. Strauß-Torney Waldeinsamkeit Waldeinsamkeit! Du grünes Revier, Wie liegt so weit Die Welt von hier! Schlaf nur, wie bald Kommt der Abend schön, Durch den stillen Wald Die Quellen gehn, Die Mutter Gottes wacht, Mit ihrem Sternenkleid Bedeckt sie dich sacht In der Waldeinsamkeit, Gute Nacht, gute Nacht! – Joseph von Eichendorff [Illustration] Nachts Ich stehe in Waldesschatten Wie an des Lebens Rand, Die Länder wie dämmernde Matten, Der Strom wie ein silbern Band. Von fern nur schlagen die Glocken Über die Wälder herein, Ein Reh hebt den Kopf erschrocken Und schlummert gleich wieder ein. Der Wald aber rühret die Wipfel Im Traum von der Felsenwand. Denn der Herr geht über die Gipfel Und segnet das stille Land. Joseph von Eichendorff [Illustration] Das Abenteuer im Walde Es regnete, was vom Himmel herunter wollte. Die Tannen schüttelten den Kopf und sagten zueinander: »Wer hätte am Morgen gedacht, daß es so kommen würde!« Es tropfte von den Bäumen auf die Sträucher, von den Sträuchern auf das Farnkraut und lief in unzähligen kleinen Bächen zwischen dem Moose und den Steinen. Am Nachmittag hatte der Regen angefangen, und nun wurde es schon dunkel, und der Laubfrosch, der vor dem Schlafengehen noch einmal nach dem Wetter sah, sagte zu seinem Nachbar: »Vor morgen früh wird es nicht aufhören.« Derselben Ansicht war eine Ameise, die bei diesem Wetter im Walde spazieren ging. Sie war am Vormittag mit Eiern in Tannenberg auf dem Markte gewesen und trug jetzt das dafür gelöste Geld in einem kleinen blauen Leinwandbeutel nach Hause. Bei jedem Schritte seufzte und jammerte sie. »Das Kleid ist hin,« sagte sie, »und der Hut auch! Hätt ich nur den Regenschirm nicht stehen lassen, oder hätt ich wenigstens die Überschuhe angezogen! Aber mit Zeugschuhen in solchem Regen ist gar kein Weiterkommen!« Während sie so sprach, sah sie gerade vor sich in der Dämmerung einen großen Pilz. Freudig ging sie darauf zu. »Das paßt,« rief sie; »das ist ja ein Wetterdach, wie man es sich nicht besser wünschen kann! Hier bleib ich, bis es aufhört, zu regnen. Wie es scheint, wohnt hier niemand – desto besser! Ich werde mich sogleich häuslich einrichten.« Das tat sie denn auch. – Sie war eben daran, das Regenwasser aus den Schuhen zu gießen, als sie bemerkte, daß draußen eine kleine Grille stand, die auf dem Rücken ihr Violinchen trug. »Hör, Ameischen,« hub die Grille an, »ist es erlaubt, hier unterzutreten?« – »Nur immer herein!« erwiderte die Ameise; »es ist mir lieb, daß ich Gesellschaft bekomme.« – »Ich habe heute,« sagte die Grille, »im Heidekrug zur Kirmes aufgespielt. Es ist ein bißchen spät geworden, und nun freue ich mich, daß ich hier die Nacht bleiben kann. Denn das Wetter ist ja schrecklich, und wer weiß, ob ich noch ein Wirtshaus offen finde.« Also trat Grillchen ein, hing sein Violinchen auf und setzte sich zu der Ameise. Noch nicht lange saßen sie da, als sie in der Ferne ein Lichtchen schimmern sahen. Als es näher kam, erkannten sie es als ein Laternchen, das ein Johanniswürmchen in der Hand trug. »Ich bitt euch,« sagte das Johanniswürmchen höflich grüßend, »laßt mich die Nacht hier bleiben. Ich wollte eigentlich nach Moosbach zu meinem Vetter, habe mich aber im Walde verirrt und weiß weder aus noch ein.« – »Nur immer zu!« sagten die beiden. »Es ist recht gut für uns, daß wir Beleuchtung bekommen.« Gern folgte Johanniswürmchen der Einladung und stellte sein Laternchen auf den Tisch. Der Schein des Lichtchens führte ihnen bald einen Wanderer zu, der ziemlich ungeschickt über Laub und Moos herangestolpert kam. Er war ein Käfer von der großen Art. Ohne guten Abend zu sagen, trat er ein. »Aha!« rief er, »so bin ich doch recht gegangen und dies ist die Zimmergesellen-Herberge.« – Mit diesen Worten setzte er sich, holte seinen Schnappsack hervor und begann sein Abendbrot zu verzehren. »Ja, ja,« sagte er, »wenn man den ganzen Tag über Holz gebohrt hat, dann schmeckt das Essen!« – Als er mit dem Essen fertig war, stopfte er sich seine Pfeife, ließ sich vom Johanniswürmchen Feuer geben, zündete an und fing an, ganz gemütlich zu rauchen. Unterdessen war es draußen ganz dunkel geworden und das Wetter schlimmer, als vorher; da traf zu allgemeiner Verwunderung noch ein später Gast ein. Schon seit längerer Zeit hörte man in der Ferne ein eigentümliches Schnaufen; dies kam langsam näher und näher, und endlich erschien unter dem Pilze eine Schnecke, die ganz außer Atem war. »Das nenne ich laufen!« rief sie; »wie bin ich gejagt, ordentlich das Milzstechen hab ich bekommen! Ich will nur gleich bemerken, daß ich im nächsten Dorfe eine Bestellung zu machen habe, die Eile hat. Aber niemand kann über seine Kräfte, besonders, wenn er sein Haus trägt. Wenn die Gesellschaft erlaubt, will ich hier ein paar Stündchen rasten; dann kann ich nachher wieder galoppieren, als gälte es, den Dampfwagen einzuholen.« Niemand hatte etwas dagegen, daß sich die Schnecke ein gemütliches Plätzchen aussuchte. Da setzte sie sich vor ihre Haustür, holte ein Strickzeug hervor und fing an zu stricken. So waren nun die Fünfe da versammelt, als die Ameise das Wort nahm und also sprach: »Warum sitzen wir hier so trübselig beieinander und langweilen uns, da wir uns doch die Zeit auf angenehme Weise verkürzen könnten? Ich habe daran gedacht, daß wir uns Geschichten erzählen sollten, und gern würde ich selbst den Anfang machen, wenn ich nur eine recht hübsche Geschichte wüßte. Nun ist mir aber eben etwas noch Besseres eingefallen. Ich sehe, daß die Grille ihr Violinchen bei sich hat. Wenn sie nicht gar zu müde ist, möcht ich sie bitten, uns ein lustiges Stückchen zu spielen, damit wir eins tanzen können.« – Dieser Vorschlag der Ameise fand allgemeinen Beifall. Die Grille aber ließ sich nicht lange nötigen, sondern stellte sich sogleich mit ihrem Violinchen in die Mitte und spielte das lustigste Tänzchen herunter, welches sie auswendig wußte, während die andern um sie herumtanzten. Nur die Schnecke tanzte nicht mit. »Ich bin,« sagte sie, »nicht gewöhnt an das schnelle Herumwirbeln; mir wird zu leicht schwindelig. Aber tanzt, soviel ihr wollt, ich sehe mit Vergnügen zu und mache meine Bemerkungen.« – Die andern ließen sich denn auch gar nicht stören, sondern jubelten so laut, daß man es auf drei Schritte Entfernung hören konnte. Aber ach, durch welch ein furchtbares, ungeahntes Ereignis wurde plötzlich ihr Fest unterbrochen! Der Pilz, unter welchem die lustige Gesellschaft tanzte, gehörte leider einer alten Kröte. An schönen Tagen saß sie oben auf dem Dache, wie die Kröten zu tun pflegen; trat aber schlecht Wetter ein, so kroch sie unter den Pilz, und es konnte ihretwegen regnen von Pfingsten bis Weihnachten. Diese Kröte nun war am Nachmittag nach dem nächsten Moor zu ihrer Base, einer Unke, gegangen und hatte sich mit derselben bei Kaffee und Napfkuchen so viel erzählt, daß es darüber dunkel geworden war. Jetzt am Abende kam sie ganz leise nach Hause geschlichen. Über den Arm hatte sie ihren Arbeitsbeutel hängen, und in der Hand trug sie einen roten Regenschirm mit messingener Krücke. Als sie in ihrem Hause den Jubel hörte, trat sie noch leiser auf; so kam es, daß die Leutchen drinnen sie nicht eher gewahr wurden, als bis sie mitten unter ihnen stand. Das war eine unerwartete Störung! Der Käfer fiel vor Schreck auf den Rücken, und es dauerte fünf Minuten, ehe er wieder auf die Beine kommen konnte. Das Leuchtkäferchen dachte zu spät daran, daß es sein Laternchen hätte auslöschen sollen, um in der Dunkelheit zu entwischen. Die Grille ließ mitten im Takt ihr Violinchen fallen, die Ameise sank aus einer Ohnmacht in die andere, und selbst die Schnecke, die sonst nicht leicht aus der Fassung zu bringen ist, bekam Herzklopfen. Sie wußte sich aber schnell zu helfen; sie kroch in ihr Häuschen, riegelte die Tür hinter sich ab und sprach zu sich: »Was da will, kann kommen! Ich bin für niemand zu sprechen.« – Nun hättet ihr aber hören sollen, wie die Kröte die armen Leute heruntermachte! »Sieh einmal an,« rief sie zornig und schwang ihren Regenschirm, »da hat sich ja ein schönes Lumpengesindel zusammengefunden? Ist das hier eine Herberge für Landstreicher und Dorfmusikanten? Ich sag es ja: Nicht aus dem Haus kann man gehen, gleich ist der Unfug los. Augenblicklich packt jetzt eure sieben Sachen ein, und dann fort mit euch, oder ich will euch schon Beine machen!« – Was war zu tun? Die armen Leute wagten gar nicht, sich erst aufs Bitten zu legen, sondern nahmen still ihre Sachen auf, riefen der Schnecke durchs Schlüsselloch zu, daß sie mitkommen solle, und als auch diese sich fertiggemacht hatte, zogen sie alle zusammen von dannen. Das war ein kläglicher Auszug! Voran das Johanniswürmchen, um auf dem Wege zu leuchten, dann der Käfer, dann die Ameise, dann das Grillchen und zuletzt die Schnecke. Der Käfer, der eine gute Lunge hatte, rief von Zeit zu Zeit: »Ist hier kein Wirtshaus?« Aber alles Rufen war vergeblich. Als sie ein Stück gegangen waren, merkten sie, daß die Schnecke nicht mehr bei ihnen war. Sie riefen alle zusammen in den Wald zurück: »Schnecke, Schnecke! Beeil dich!« – erhielten aber keine Antwort. Die Schnecke mußte wohl so weit zurückgeblieben sein, daß sie die Rufe nicht mehr hören konnte. Die andern zogen betrübt weiter, und nach langem Umherirren fanden sie unter einer Baumwurzel ein leidlich trockenes Plätzchen. Da brachten sie die Nacht zu unter großer Unruhe und ohne viel zu schlafen. Waren sie auch mit heiler Haut davongekommen, es blieb doch immerhin ein schlimmes Abenteuer, und die mit dabei gewesen sind, werden daran denken, so lange sie leben. Johannes Trojan [Illustration] Was den Kindern im Walde passiert ist Zwei Kinder gehen ganz allein Frühmorgens in den Wald hinein. Da springen sie wohl hin und her Nach mancher Erd- und Heidelbeer Und essen sich gemütlich satt Und werden endlich müd und matt, Die Hitze ist auch gar zu groß! Sie legen nieder sich aufs Moos – Kein Bettchen könnte weicher sein; Nicht lange währt’s, sie schlafen ein. Da kommen aus dem dichten Wald Hervor die Tiere mannigfalt. Wie sie die beiden Kinder sehn, Da bleiben sie verwundert stehn. Nehmt euch in acht! Nur nicht zu nah! Was für Geschöpfchen schlafen da? Sie sind so nett und zart und fein, Was mögen das für Tierchen sein? Der Hase sagt: »Beseht euch doch Die allerliebsten Näschen; Die Ohren wachsen ihnen noch, Dann sind’s die schönsten Häschen.« Eichkätzchen spricht: »Gebt einmal acht, Da find ich ein paar Vettern, Sie werden, sind sie aufgewacht, Mit mir zusammen klettern.« »Ei,« sagt das Reh, »was schwatzt ihr da! Das sind ja dumme Faxen. Rehkälbchen sind’s, man sieht es ja, Wie nett sind sie gewachsen!« Rotkehlchen ruft: »Ich sah noch nie Im Walde solche Gäste, Ich nähm sie mit, hätt ich für sie Nur Raum in meinem Neste.« Da kommt ein Käfer angesummt, Der sieht die kleinen Schläfer Und fliegt herum um sie und brummt: »Hu! Was für große Käfer!« So schwatzen sie noch vieles mehr Und laufen eifrig hin und her, Besehn sich alles mit Bedacht, Bis daß die Kinder aufgewacht. Hast du gesehn! Mit einem Husch Ist alles fort in Wald und Busch. Und alle rufen: »Fort von hier! Das kann uns nimmer taugen, Im ganzen Wald kein einzig Tier Hat ja so große Augen. Das können keine Tierchen sein! Schnell flüchtet in den Wald hinein!« Die beiden Kinder sehn sich an: »Was man doch alles träumen kann! Soeben war’s im Traume mir, Als stände alles Waldgetier Um uns herum – Jetzt ist ringsum Nichts mehr zu sehn. Komm, komm, laß uns nach Hause gehn, Da wartet schon indessen Die Mutter mit dem Essen; Und sind wir nicht zur Zeit zu Haus, Schilt sie uns aus.« Da machen sie sich auf alsbald Und gehn zusammen durch den Wald. Wie ist nun alles still umher, Kein einz’ges Tierchen zeigt sich mehr! Allein ein Kuckuck, – seht nur, seht, Sitzt oben auf der Tanne Und ruft: »Kuckuck, da unten geht Der Gottlieb mit der Hanne!« Johannes Trojan Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald In gutem und schlechtem Wetter; Das hat von unten bis oben halt Nur Nadeln gehabt statt Blätter; Die Nadeln, die haben gestochen, Das Bäumlein, das hat gesprochen: »Alle meine Kameraden Haben schöne Blätter an, Und ich habe nur Nadeln, Niemand rührt mich an; Dürft ich wünschen, wie ich wollt, Wünscht ich mir Blätter von lauter Gold.« Wie’s Nacht ist, schläft das Bäumlein ein, Und früh ist’s aufgewacht; Da hatt’ es goldne Blätter fein, Das war eine Pracht! Das Bäumlein spricht: »Nun bin ich stolz; Goldne Blätter hat kein Baum im Holz.« Aber wie es Abend ward, Ging der Jude durch den Wald Mit großem Sack und großem Bart, Der sieht die goldnen Blätter bald; Er steckt sie ein, geht eilends fort Und läßt das leere Bäumlein dort. Das Bäumlein spricht mit Grämen: »Die goldnen Blättlein dauern mich; Ich muß vor den andern mich schämen, Sie tragen so schönes Laub an sich; Dürft ich mir wünschen noch etwas, So wünscht ich mir Blätter von hellem Glas.« Da schlief das Bäumlein wieder ein, Und früh ist’s wieder aufgewacht; Da hatt’ es glasene Blätter fein, Das war eine Pracht! Das Bäumlein spricht: »Nun bin ich froh; Kein Baum im Walde glitzert so.« Da kam ein großer Wirbelwind Mit einem argen Wetter, Der fährt durch alle Bäume geschwind Und kommt an die glasenen Blätter; Da lagen die Blätter von Glase Zerbrochen in dem Grase. Das Bäumlein spricht mit Trauern: »Mein Glas liegt in dem Staub, Die andern Bäume dauern Mit ihrem grünen Laub; Wenn ich mir noch was wünschen soll, Wünsch ich mir grüne Blätter wohl.« Da schlief das Bäumlein wieder ein, Und wieder früh ist’s aufgewacht; Da hatt’ es grüne Blätter fein, Das Bäumlein lacht Und spricht: »Nun hab ich doch Blätter auch, Daß ich mich nicht zu schämen brauch.« Da kommt mit vollem Euter Die alte Geiß gesprungen; Sie sucht sich Gras und Kräuter Für ihre Jungen; Sie sieht das Laub und fragt nicht viel, Sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel. Da war das Bäumlein wieder leer, Es sprach nun zu sich selber: »Ich begehre nun keiner Blätter mehr, Weder grüner, noch roter, noch gelber! Hätt ich nur meine Nadeln, Ich wollte sie nicht tadeln.« Und traurig schlief das Bäumlein ein, Und traurig ist es aufgewacht; Da besieht es sich im Sonnenschein Und lacht und lacht! Alle Bäume lachen’s aus; Das Bäumlein macht sich aber nichts draus. Warum hat’s Bäumlein denn gelacht, Und warum denn seine Kameraden? Es hat bekommen in einer Nacht Wieder alle seine Nadeln, Daß jedermann es sehen kann; Geh naus, sieh’s selbst, doch rühr’s nicht an! Warum denn nicht? Weil’s sticht. Friedrich Rückert [Illustration] Das Häslein Unterm Schirme, tief im Tann, Hab ich heut gelegen, Durch die schweren Zweige rann Reicher Sommerregen. Plötzlich rauscht das nasse Gras – Stille, nicht gemuckt! – Mir zur Seite duckt Sich ein junger Has … Dummes Häschen, Bist du blind? Hat dein Näschen Keinen Wind? Doch das Häschen, unbewegt, Nutzt, was ihm beschieden, Ohren, weit zurückgelegt, Miene, schlau zufrieden. Ohne Atem lieg ich fast, Laß die Mücken sitzen; Still besieht mein kleiner Gast Meine Stiefelspitzen … Um uns beide – tropf – tropf – tropf – Traut eintönig Rauschen … Auf dem Schirmdach – klopf – klopf – klopf … Und wir lauschen … lauschen … Wunderwürzig kommt ein Duft Durch den Wald geflogen; Häschen schnubbert in die Luft, Fühlt sich fortgezogen; Schiebt gemächlich rückwärts, macht Männchen aller Ecken … Herzlich hab ich aufgelacht – Ei, der wilde Schrecken! Christian Morgenstern [Illustration] Waldabenteuer Als ich heut morgens – es war noch bald – Einsam spazierte draußen im Wald, Sprang plötzlich vor mir etwas Braunes auf Und – hast du gesehen – den Baum hinauf. Noch sucht ich umher am unteren Ast, Da war es auch schon der Krone Gast. Dort in einer Gabel hielt sich’s versteckt. Wär voller das Laubwerk, kein’ Seel’ hätt’s entdeckt. Nun hing ihm aber sein buschiger Schwanz Wie ein aufgefangener, loser Kranz Vom Ast herab und wehte im Wind. So glaubt wohl auch ein bangendes Kind, Es bliebe damit schon unentdeckt, Wenn’s den Kopf unter Großmutters Schürze steckt. Es ward dir wohl sicher längst schon klar, Daß jenes Etwas ein Eichhörnchen war. Das ist – weiß Gott – ein niedliches Tier! Ihm zuzuschauen, macht viel Pläsier: Gewandt und schneller wie eine Katz Springt es dann meist mit riesigem Satz Von Ast zu Ast, von Wipfel zu Wipfel, Erfaßt vom Zweiglein kaum noch ’n Zipfel, Schnellt auf und ab wie ein Gummiball Und kommt doch nimmermehr zu Fall. Ja, in der Tat, es muß wohl erbauen, Solch einem Künstler zuzuschauen. Drum späht auch ich erwartend nach oben. Aber wie war’s? – Der Racker da droben Tat auf einmal nichts mehr dergleichen, Gab nicht das mindeste Lebenszeichen, Nur sein Schwänzlein baumelte munter Nach wie vor vom Ast herunter. Wie mir das lange Stehen zu dumm, Sah ich mich nach ’m Plätzchen um, Wo ich mich könnte niederlassen, Das kommende Schauspiel abzupassen. Als ich nun nichts Geeignetes fand, Warf ich mich nieder, grad wo ich stand, Lag dann gemächlich im weichen Moose, Dachte dabei an meine Hose, Die, wenn man lang so im Moose liegt, Meistenteils grünliche Flecken kriegt. Aber trotz alledem blieb ich liegen. Mag sie immerhin Flecken kriegen, Wenn ihr Träger dafür in der Nähe Einmal nur solch Kunststücklein sähe! Ewig konnt ja das Warten nicht dauern! Also begann ich ihm aufzulauern, Recht wie ein Luchs mit blinzelnden Blicken, Hielt ich mich mäuschenstill auf dem Rücken, Rührte und regte fortab kein Glied. – Über mir sang der Wald sein Lied, Und das Geäste, noch kahl in der Runde, Hob sich dunkel vom Himmelsgrunde, Schwankte und wogte bald hin, bald her, Wie ein Korallenbaum im Meer. Da auf einmal, da kam mir’s vor, Zog sich schwupps das Schwänzlein empor, Und wo vorerst noch der Flederwisch, Sah nun vertraulich, keck und frisch Ein neugieriges Köpflein hernieder, Schwand und kam und schwand immer wieder, Riß gar verwundert die Äuglein auf, Nickte herab, ich nickte hinauf, Bis es zuletzt sonder Scheu und Scham Ruckweis zu mir hernieder kam. Aber auf dem untersten Ast Hielt es noch einmal längere Rast, Schnüffelte mit dem winzigen Näslein, Spitzte die Ohren wie ein Häslein, Sah mir ins Auge fest und still: »Was nur der Kerl da unten will?« Was nur das Bürschlein da droben denkt? – Haben uns ganz ineinander versenkt. Tierlein und Mensch und Mensch und Tier! »Was hältst du von mir? Was weiß ich von dir?« Sahen uns lange, lange an, Hat mir am Ende fast weh getan, Weil mich das Sonnenlicht geblendet, Hab ich mich ein wenig zur Seite gewendet, Hab mir ein bißchen die Wimper gejuckt, Hab dann gleich wieder hingeguckt. Aber was meinst du? Vom alten Plätzchen War auf einmal verschwunden das Kätzchen, War auch sonst nicht mehr zu entdecken, Ob ich auch brach durch Busch und Hecken, Ob ich auch suchte ringsumher, ’s war wie verhext, ich fand’s nicht mehr! Und hätt es doch gar zu gerne belauscht. Aber der Wald nur hat gerauscht, Als trieb er selber mit mir sein Spiel, War stets nur ein Blatt, das zu Boden fiel, Wenn etwas raschelte im Geäste. Da hielt ich’s am Ende für das Beste, Mich auf den Weg nach Hause zu machen. Das tat ich denn, und du würdest lachen, Wenn ich nun auch noch zum Schlusse schrieb, Was mir als Erinnrungszeichen verblieb. Sei’s denn! Nämlich auf heller Hose Zwei dunkle Flecken vom grünen Moose Und von dem Streifen durch Dünn und Dick Rechts überm Knie ein Zickzackflick. Ernst Weber [Illustration] Der weiße Hirsch Es gingen drei Jäger wohl auf die Birsch, Sie wollten erjagen den weißen Hirsch. Sie legten sich unter den Tannenbaum; Da hatten die drei einen seltsamen Traum. Der Erste: »Mir hat geträumt, ich klopf auf den Busch; Da rauschte der Hirsch heraus, husch, husch!« Der Zweite: »Und als er sprang mit der Hunde Geklaff, Da brannt ich ihn auf das Fell, piff paff!« Der Dritte: »Und als ich den Hirsch an der Erde sah, Da stieß ich lustig ins Horn, trara!« So lagen sie da und sprachen, die drei, Da rannte der weiße Hirsch vorbei. Und eh die drei Jäger ihn recht gesehn, So war er davon über Tiefen und Höhn. Husch husch! piff paff! trara! Ludwig Uhland [Illustration] Der Schütze Mit dem Pfeil, dem Bogen Durch Gebirg und Tal Kommt der Schütz gezogen Früh im Morgenstrahl. Wie im Reich der Lüfte König ist der Weih, Durch Gebirg und Klüfte Herrscht der Schütze frei. Ihm gehört das Weite; Was sein Pfeil erreicht; Das ist seine Beute, Was da fleugt und kreucht. Friedrich von Schiller Im Waldhof Ich war vor Tag und Tau erwacht – Mich weckten meines Wirtes schwere Schlurfschritte in der Treppen Nacht, Umklirrt von seinem Jagdgewehre. Dann knirschte drunten kurz das Tor, Der Alte riß zurück die Hunde, Und lautlos sich sein Pfad verlor In nachtumblauter Wälderrunde … Denn dieses war der Väter Saat: Es schlich wie vor vielhundert Jahren Der Bauer den gekrümmten Pfad, Den jene schon geschlichen waren. Auch er den Wildpfad sich erkor, Den Förstern trotzend, um verwegen Mit dem vererbten Feuerrohr Den besten Brunfthirsch zu erlegen. Gewiß, ihn trieb der Väter Lust: Seit sie sich hier gesiedelt hatten, Bedrückte ihre breite Brust Der ungeheure Wälderschatten. Sie pflügten ihre Scholle schlicht, In ihre Ernte rauschten Föhren – Doch still erglänzte ihr Gesicht, Begann im Herbst der Hirsch zu röhren. Ja, dieser Orgelruf voll Macht Ließ ihr verhülltes Lachen steigen: Brach er wie heut in kühler Nacht Das atemlose Wälderschweigen. Und stürzte unter ihrem Schuß Rotüberschweißt der Waldeskönig: Stand in dem Siegesechogruß Der Schütze hoch und jubeltönig. – Inzwischen löste sich der Wald Aus mürrisch bleichem Morgengrauen; Ihr Schleppkleid rafften müd und alt Des nahen Flusses Nebelfrauen. Doch klang der Hirsche Brunftgeschrei Aus Dämmerwegen dicht und dichter; Mir war, als säh ich ihr Geweih Und ihre zorngetrübten Lichter … Und nun ein Schuß, ein Donnerschuß, Erschütternd rings die Wälderrunde! – Die Nebel sanken in den Fluß, Der Hof stand auf im Lärm der Hunde. Und fern ein Rudel flüchtend flog – Auf eines Zwanzigenders Glieder Gewiß ein greises Haupt sich bog Gleich seinen Vätern lachend nieder … A. K. T. Tielo Sterben In dumpfheißer Dickung, von goldgrünen Fliegen umschwirrt, liegt der starke Hirsch. Sein Atem geht scharf, seine Flanken jagen, immer wieder und wieder fährt er mit dem Lecker über den schwarzen Windfang. Der ist trocken und warm – und ferne die kühlende Suhle. Manchmal schlägt der Wunde nach den gierigen Schmeißfliegen, die so beharrlich die Stelle belagern, wo das Haar klebrig rot ist und zähe Tropfen sickern. Sie tasten die Gelegenheit nach einer Brutstätte ab. Selbst unter den Leib ihres Opfers kriechen sie; dort brennt die Wunde am ärgsten, dort fließt der Saft reichlicher, darum hat sich der Hirsch auf die linke Seite gelegt. Aber diesen teuflischen Peinigern vermag er nicht zu wehren, jede Bewegung läßt den Brand durch all seine Glieder lecken. Darum hält er still und leidet und denkt an Wasser. Wasser! Wasser! Nur mehr diese eine Vorstellung ist in allen seinen zuckenden Nerven. Was geht ihn sein getreuer Freund, der zwölfendige Beihirsch an, was kümmert ihn die Wonne der großen Zeit, die schon in ihm vorbereitet war, da er die Kugel empfing! Nur Wasser! Ob er noch die Suhle erreicht? Sie liegt ferne über dem Hügel, eine halbe Hirschstunde von hier. Dort ist kühler Schatten, dort möchte er sterben – nur nicht in diesem stickigen Dunkel. Keuchend, zitternd, dunstend vor Schmerz wird er hoch. Fast bricht er auf der Stelle zusammen, so flackert und siedet sein Eingeweide. Und seine Läufe sind so schwach, so müde, wie zerbrochen. Aber er tut einen Schritt und einen zweiten und dritten, und siehe, er kommt besser vorwärts, als es zuerst schien. So zieht er langsam aus der schwülen Dickung und ins raume Stangenholz hinein, mit krummem Rücken und hängendem Haupte, fast so, als suchte er des Schmaltieres Liebesfährte. Aber ihm ist nicht danach. Wie er mit Anstrengung Lauf vor Lauf setzt, deucht ihn, er schreite hoch über dem Waldboden in freier Luft, alles ist fern und verschwommen und gleichgültig. In seinen Flanken tobt das Weh, sein brodelndes Blut will Wasser, seine trockene Drossel würde nach Wasser brüllen, vermöchte sie es. Und die grünen Fliegen summen hinterdrein. Jetzt tritt er ins Altholz. Ferne klingen Axt und Säge, er vernimmt es, aber er deutet es nicht, er weiß, dort sind Menschen, Menschen, diese Feinde, grausamer fast als Winter und Seuche – aber er hat sie nicht mehr zu fürchten. Von seiner Flanke tropft es rotwäßrig, hier auf Farnkraut, dort auf die Streu; die Wunde ist wieder lebendig, der Schmerz wühlt in ihm. Fast verspürt er es nicht, solche Stumpfheit, Bleischläfrigkeit umfängt seine Sinne. Nur weiter, weiter! Hier ist der Abfuhrweg, den er sonst immer in heller Flucht überfiel; heute zieht er achtlos drüber hinweg. Jenseits beginnt das enge Stangenholz. Er gibt sich gar keine Mühe, leise aufzutreten, sein Krongeweih schlägt überall an, dem Menschen tausend Zeichen hinterlassend. Ein Holzwagen knarrt hinter ihm durch den Bestand, der Markolf warnt, Stimmen schreien. Das alles hat keine Schrecken mehr für ihn. Er kann nicht weiter, niedertun muß er sich, bis wieder ein allerletzter Rest von Kraft zusammenkommt. Da sind die goldenen Blutfliegen auch schon wieder; wie Bienen umschwärmen sie die rote Blume des Todes, die ihnen so honigsüß duftet … O, er weiß, daß jener Mensch es war, der ihm so wehe getan! Jener Mensch mit dem grauen Rock und dem grauen Bart, den er durch neun Winter für gut hielt, weil er ihm Heu brachte und den Schnee wegpflügte und salzige Steine an seinem Lieblingsstandorte aufstellte. Aber die Güte dieser Mächtigen ist nicht treuer Art; sie geben nur, um nehmen zu dürfen … Weiter, weiter, eh das Blut gerinnt, die Flamme verlischt! Stöhnend reißt er sich empor. Stangenholz, Altholz, Stangenort, Abfuhrweg, hohes Holz, Schneise. Er sieht die Baumreihen wie im Traume an sich vorbeigehen. Er kennt jedes einzelne Jagen, jeden Stamm. Hier hat er vor zwei Jahren seine Zwölferstangen abgeschlagen, dort hat er im letzten Sommer sein Vierzehnergeweih fertiggefegt. Es war das beste, das er je trug, heute setzte er auf ungerade zwölf Enden zurück. Da der Futterraufen, drüben die Lecke; in diesem Bestande schlug er damals den Sechzehnendigen fast zuschanden und trieb ihm dann noch sein Rudel weg. Nun das enge Jungholz, wo einst der uralte Zehner plötzlich zurückblieb, kurz wurde, dröhnend ins Reisig brach. Dort stürzte das Schmaltier inmitten der Richtschneise; hier hat er zum ersten Male heimlicher Herbstminne gepflogen, während der Achtzehnendige im Farnkraut schlief … Die Wälder wandern an ihm vorbei wie seine Schicksale. Er wirft nicht auf, in seinen verglasenden Lichtern spiegelt sich nichts mehr. Er sieht nur die Waldstreu, die, wie er langsam weiterzieht, unter seinen Läufen weg nach rückwärts geht. Er ist sich seiner Tritte nicht bewußt, ohne Wille, ohne Kraft schleppt er sich durch den heißen Spätsommertag. Nur das eine weiß er irgendwo im Innersten: Dort ist das Wasser, dort die schwarze Suhle, dorthin drängt ihn ein dumpfer Trieb, eine letzte Sehnsucht. Er tritt aus dem Bestande auf den Schlag. Die Luft flackert, Schmetterlinge schwanken über den Klafterstößen, im blauen Himmel schwärmen schon die funkelnden Schwalben. Fast tut ihm die glosende Sonne wohl. Denn in seinen Läufen ist schon eine Kälte, eine lähmende Schwere. Weiter, weiter! Da drüben liegt ja das Bruch, die Suhle. Wieder schlägt tiefer Schatten über ihm zusammen. Es ist doch besser in dieser Dunkelheit. Hier im Bruch weht es kühl, Moorduft liegt über dem gurgelnden Boden. Dann tut er sich im schwarzen Ellernwasser nieder. Jetzt hat er wenigstens vor den Fliegen Ruhe. Sie können nicht an die rote Stelle in den Flanken, die liegt im Nassen. Es zwingt ihn, die Lichter zu schließen; den Äser berührt die schlammige Flut. Bei jedem Atemzuge gurgelt sie und trübt sich von neuem. So hat er manchen Sommertag gelegen, wenn im Bestande die Hitze, in der Dickung die Mückenqual zu unerträglich war. Hier fand er stets Frieden und Kühlung und Schlummer. Er schläft nicht, aber seine Lider sind in behaglichem Träumen geschlossen. Er träumt nicht, aber er ist ohne Bewußtsein. Nur das Kühlende verspürt er, die Feuchtigkeit vor dem Äser. Ganz still ist der Wald, still wie die Stube, in der ein Wiegenkind schlummert. Man vernimmt keine Axt, keines Menschen Ruf. Und von Getier ist nur die Hummel wach, die draußen im Schlag um den Salbei burrt, und der Schwarzspecht, der in ferner Eichenkrone seinen wehen Einsamschrei tut. Aber weit drüben in der Dickung, wo die Schwüle ganz eng zusammengedrückt liegt, da steht jetzt der graue Mann mit dem grauen Bart, und an ihm zieht ein glatter Hund, so rot wie ein Hirsch, ein Hund mit schwermütigen Augen und nachdenklicher Stirn – der Todeshund, der die Spur des langsamen Sterbens findet und bis ans Ende ausläuft. Er senkt die Nase tief in die Streu: da liegen rotklebrige Tropfen, kleine Lachen, aus denen Schwärme funkelnder Fliegen aufbrummen. Allein Mann wie Hund lassen sich nicht irremachen. Der Graue bückt sich, prüft, wendet, beriecht die rotgetränkten Fallnadeln. Dann lobt er den ungeduldigen Gesellmann: »So recht, mein Hund – such verwund’t!« Dem Hirsche kriecht eisige Starre von den Läufen her immer höher, immer näher ans Herz heran. Schon sind seine Gelenke steif, nur im Leibe geht noch kochende Hitze um. Dann erfaßt Kälte auch die Muskeln. Sie tastet sich spinnebeinig das Rückenmark entlang, umlauert das sprunghaft schlagende Herz. Plötzlich greift sie zu. Das krallt und krampft, schwarzes Wasser spritzt von schlagenden Läufen, Schlamm fliegt umher. Noch einmal hebt der Sterbende das gekrönte Haupt, in der Drossel raucht’s und gurgelt’s, steil nach unten neigen sich die Stangen – und nun schießt ein warmer Strom durch den zitternden Leib, die Läufe strecken sich hart, kleine Wellen schauern an ihnen hin. Es ist vorbei. Schwer fällt das Haupt ins klatschende Moorwasser: eine Stange liegt im Schlamm, die andere ragt zackig empor. Hoch überm Walde steht der heilige Mittag. Friedrich von Gagern Auf der Wacht Mein Vater litt zu jener Zeit an einer langwierigen Krankheit. Es war selten wer um ihn als sein ältestes Söhnlein. Auch der Jäger Wolf saß zuweilen neben auf der Ofenbank und freute sich, wenn dem Kranken der gespendete Wildbraten recht mundete. Und der Wildbraten stellte meinen Vater richtig soweit wieder her, daß dieser eines Tages, es war im August um die Zeit des Maria-Himmelfahrtsfestes, zu mir sagte: »Bub, jetzt werd ich doch endlich wieder was anfangen müssen. Was meinst, zum Korbflechten wär ich wohl stark genug?« Und am nächsten Tage gingen wir schon zur Morgenfrühe aus und gegen die sogenannte Wildwiese hinauf, wo viele Weiden wuchsen. Die Wildwiese war oben in den hinteren Waldungen. Oft blieb mein Vater unterwegs stehen, stützte sich auf seinen Stock, schöpfte Luft, und dann fragte er mich immer, ob ich ein Schnittchen Brot beißen wolle. Als wir über die Schafhalde hinaufgekommen waren, wo der junge Lärchenanwuchs noch im Morgentaue stand, sahen wir im Dickichte einen Mann dahinhuschen, der ein Stück Hochwild über der Achsel trug und etwas wie ein Schießgewehr hinter sich herschleppte. Er duckte sich so sehr, daß nur ein paar kohlschwarze Haarfetzen von seinem Haupte zu sehen waren. Als diese Gestalt vorüber war, blieb mein Vater wieder stehen und sagte: »Hast geguckt? Das ist der schwarz’ Toni gewesen.« Der schwarz’ Toni war ein Mann, vor dem sie überall die Türen verriegelten. »Ja, Kind,« sagte der Vater, als wir uns auf den Stamm eines gefallenen Baumes gesetzt hatten, »ist hart für einen Menschen, dem’s so geht wie dem Toni. Der hat sein Lebtag nicht Vater und Mutter gesehen. Als Kind ist er aus dem Findelhause in unsere Gegend gebracht worden. Freilich nicht aus christlicher Barmherzigkeit, sondern des Geldes wegen, das für ihn ausgezahlt worden, hat ihn ein Köhlerweib an Kindesstatt genommen. Halb erwachsen, hat sich der Toni im Wald herumgetrieben, kein Mensch hat sich an ihn gekehrt; so ist er verwahrlost und verwildert. Wie das Köhlerweib sieht, der Ziehsohn bringe nur Schande, so hat sie gesagt: »Toni, du Lump, bei mir bist nimmer daheim!« – »Wo denn?« hat sie drauf der Toni gefragt, aber überall, wo er angeklopft, ist ihm die Tür verschlossen gewesen. Mögen ihn die Menschen nicht, so gibt er sich mit den Tieren ab – verlegt sich aufs Wildern. Vor einem Jahr hat ihn der Jäger Wolf in das Zuchthaus gebracht; aber jetzt wieder frei, mag ihm kein Mensch gern begegnen, gleichwohl ich nicht glaub, daß er wem was zuleide tät. Schlecht, sag ich, ist er nicht, aber verkommen durch und durch; und so, mein Büblein, wird oft ein Mensch hinausgestoßen auf die schiefe Straßen, und so rutscht er ab und kann sich nicht mehr halten.« Nach diesen Worten schritten wir wieder langsam dahin, und nachdem wir durch viel Wald und schattendunkle Schluchten gegangen waren, kamen wir endlich zur Lichtung der Wildwiese. Teilweise lag sie noch im Schatten des Teufelssteinberges; die Bachweiden aber, die in einer langen Reihe hin standen und sich über ein stillrieselndes Wässerlein wölbten, schimmerten in dem lichten Sonnentag, als ob sie alle silberne Blätter hätten. Die Wiese war bereits gemäht und das Heu fortgebracht; sehr still und verlassen lag die Matte. An den Rändern wuchsen blaue Enzianglocken, und es war schon die Zeitlose da. Wir kamen um die Weidenruten, die am Bache standen. Wir gingen quer über die Wiese bis hin zum Rande, wo wieder die sehr hohen Fichten des Waldes begannen und wo ein rot angestrichenes Kreuz stand, dessen Dachbrettchen reichlich mit Moos bewachsen waren. Hier wollten wir vor der Arbeit uns ein wenig setzen, auf die Bäume hinausschauen und ein Stück Brot verzehren. Aber noch ehe der Vater sich niederließ, sah er lange und unverwandt auf eine Stelle hin. Am Fuße einer Weißtanne lag ein Mann. Ein Jägersmann mit einem Schießgewehr; die Locken gingen ihm über Stirn und Auge, man wußte nicht, ob er denn wirklich so fest schlafe, als es aussah. Mein Vater trat endlich hinzu, schob aber mich mit der Hand hinter sich zurück. Dann sahen wir es: Der Mann lag in einer Blutlache; der aus einer Halswunde sprudelnde Quell war bereits gestockt. Mein Vater legte die Hände ineinander und sagte ganz leise: »Jetzt haben sie da den Jäger Wolf erschlagen!« Als ich hierauf zu weinen begann, hob mich mein Vater empor zu seiner Brust; und wie ruhig er auch scheinen wollte, ich hab es doch wahrgenommen, wie sein Herz so heftig schlug. Dann untersuchte er den Erschlagenen – die Augen waren gebrochen, die Lippen fahl wie trocken Erdreich – das Leben war dahin. »Mit dem Weidenschneiden ist es heute nichts,« sagte mein Vater, »jetzt muß einer von uns Leute holen, daß sie den Wolfgang wegtragen; und der andere wird dieweilen dableiben müssen. Einen Toten kann man nicht allein lassen, solange er nicht im Grabe ruht. Es könnte auch leicht ein Tier über ihn kommen. Das beste wird sein, ich holpere hinaus in den Brandgraben zu den Holzknechten, und du setzest dich schön still da unter das Kreuz.« Mir gab’s einen Stich im Herzen. Wie konnte mir mein Vater das antun, mich stundenlang allein lassen im Walde bei einem Toten! Aber ich wußte den Weg nicht und hätte die Holzknechte nicht gefunden. »Freilich, Büblein, ist das ein trauriges Warten da,« fuhr er fort, »aber wachen muß wer dahier, diese christliche Lieb müssen wir dem Wolf schon erweisen.« Ich starrte auf den Toten. Mein Vater zog seine kleine Axt aus dem Gürtel, mit welcher er die Weidenruten hauen wollte, und fällte nun Äste von den Bäumen und hüllte den Jägersmann mit Reisig ein. Dann kniete er nieder vor der grünen Bahre und betete still ein Vaterunser. Und als er sich wieder erhob, sagte er: »Und jetzt, mein Knabe, tu unserem Mitbruder den Liebesdienst und wache! Die Axt laß ich dir da, die halt fest. Fuchsen und Raben können leicht kommen; andere Raubtiere weiß ich in der Gegend nicht. Bis zu den Weiden dort magst hingehen, aber weiter weg nicht. Ich will recht eilen; bis die Schatten anheben zu wachsen, wird schon wer kommen!« Dann legte er für mich noch Brot unter ein Bäumchen, und dann ging er davon. Er ging hin quer über die Wiese, wie wir hergegangen waren, und er verschwand in dem Dunkel des Waldes. Nun war ich allein auf der umwaldeten Wiese, und das milde Sonnenlicht war ausgegossen über die einsame Matte, über die glitzernden Weiden und über den stillen Reiserhügel am Waldrande. Ich wollte nicht hinblicken auf die seltsame Bahre; ich schritt gegen das Weidengebüsche, aber mein Auge wendete sich immer wieder zurück zum roten Kreuze und zu dem, was daneben lag. Der arme Jäger Wolf! Ich wußte es noch recht gut, wie er vor wenigen Jahren mit seiner Braut und seinem Hochzeitszuge an unserem Hause vorübergezogen war. Die Waldhörner und die Böller schallten, daß die Fenster unseres Hauses klirrten. Der Wolf war ein hübscher Bursche gewesen; einen großen Strauß trug er auf dem Hut, und ein rotes Band ging nieder über seinen Nacken, wo jetzt die Blutstrieme war. – Ich ging den Weidenbüschen entlang. Manches Zweiglein regte sich und zitterte fort und fort. Hie und da schnellte ein Heupferdchen. Ich bog die Äste auseinander und blickte in das Wässerlein; das stand still unter dem dichten Flechtwerke und glitzerte kaum. Ein großgefleckter Molch kroch hervor und nahm seine Richtung gegen mich; da floh ich entsetzt davon. Dann begann ich mit meinen kurzen Schritten die Schatten der Bäume zu messen – bis diese zu wachsen anheben, kommen die Leute. – Noch aber wurden sie kürzer und kürzer. Die Sonne stand hoch über dem Teufelsstein, und über dem Talgrunde lag ein bläulicher Duft. Ich kehrte wieder zum Kreuze zurück und setzte mich auf den Stein, auf welchem sonst andächtige Waldwanderer knien. Das Kreuz war hoch und hatte keinen Heiland. Weit streckte es seine Arme aus, als wollte es den Wald umfangen. Ich wendete mich von dem Pfahle und von dem Bahrhügel und sah hin gegen den Bergrücken des Teufelssteins. Die Himmelsglocke lag in mattem Blau, kein Vogel und kaum eine Mücke war vernehmbar. Es war ein fast traumhafter Frühherbstmittag, durchklungen von einer ewigen Stille. – Wildschützen haben ihn erschossen. Ich ging über die Wiese und sagte mir, wenn ich zehnmal über die Wiese gegangen sein würde, dann wollte ich wieder den Schatten messen. Aber der Schatten duckte sich noch mehr unter die Bäume als früher. Dann ging ich hin zu der verhüllten Leiche des Weidmannes und stand lange vor derselben; ich fühlte kaum ein Schauern mehr. Dann setzte ich mich wieder unter das Kreuz und aß ein Schnittchen Brot. Da hörte ich plötzlich ein Knistern; ein Reh stand und guckte durch das Gestämme. Zuletzt kam das Tier gar zu dem Reisighügel heran und schnupperte; vor diesem Jägersmanne fürchtete es sich nicht mehr. Erst als es den Pulvergeruch des Gewehrlaufes gewahrt haben mochte, wendete es sich mit großen Sätzen dem Dickichte zu. Endlich, als ich wieder den Schatten maß, hatte er sich um ein Weniges gedehnt. Ich mußte ja doch schon viele Stunden auf der Wildwiese geweilt haben. Wie immer, so hatte mein Vater auch diesmal recht. Ich hörte einen getragenen Schall und Widerhall im Walde. Es nahten Menschen. Doch nicht die Holzknechte waren es, die um den Wolfgang kommen sollten, sondern quer über die Wiese her kam ein junges Weib, das trug einen Korb am Rücken und führte ein etwa dreijähriges Kind am Arm. Sie sangen ein lustiges Kinderlied, und das kleine Mädchen lachte dabei und hüpfte flink über das weiche Gras. Ich erkannte die Nahenden bald, es waren das Weib und das Kind des erschlagenen Jägers Wolf. Sie kamen heran, und als sie mich sahen, sagte die Jägerin zum Mädchen: »Schau, Agatha, da beim Kreuz sitzt ein Bub, der betet ein Vaterunser; das ist gar ein braver Bub.« Dann kniete sie hin auf den Stein, legte die Hände zusammen und betete auch. Das Kind tat desgleichen und war gar ernsthaft dabei. Mir war unbeschreiblich weh. Wie hätte ich sagen können, was unter dem Reisig lag! Ich ging abseits gegen die Weiden. »So, mein Herz,« sagte das Weib hierauf zur Kleinen, »jetzt geh ich Enziankraut schneiden, du setz dich dieweilen da auf das G’reisigbrett und brocke dir Zäpfchen ab. Hernach kommt der Vater vom Teufelsstein herab, und hernach setzen wir uns zusammen und essen den Schottenkäs, den ich im Korb hab, und hernach hopsen wir lustig miteinander heimzu.« Und sie setzte das Kind auf den Reisighaufen – auf die Bahrstätte des Vaters. Dann ging sie mit dem Korb gegen den Wiesenrain, wo Gebüsche von Enzian standen. Von dort aus rief sie mich an, was ich denn so allein mache auf der Wildwiese, ob ich mich verirrt hätte oder etwa Ziegen suchte? Ich wußte keine Antwort, deutete auf einen großen, schneeweißen Schmetterling und sagte: »Jetzt schau das Tier an, wie’s herumfliegt; schau, wie’s fliegt!« »Bist ein rechter Närrisch, du!« versetzte die Jägerin lachend und ging an ihre Arbeit. Die kleine Agatha spielte auf dem Reisighügel, sie zupfte an den Zweigen und wühlte in denselben und nestelte etwas hervor. Endlich wurde ihr bang, und sie hub an nach der Mutter zu rufen. Nach einer Weile kam das Weib heran, da hielt ihm das Kind einen Ring entgegen und sagte: »Schau, das hab ich gefunden, das ist des Vaters!« Die Jägerin tat einen hellen Ruf: »Kind, wie kommst du zu diesem Ring?« Die Kleine lachte vergnügt. Das Weib hub das Kind auf die Erde, warf einen Blick auf das Gezweige und stieß einen gellenden Schrei aus. Sie sah durch das Reisig eine Menschenhand. Wie wütend stürzte sie hin auf die Schichtung und raffte die grünen Zweige auseinander – mit Hast und heißer Angst –, dann sank sie zurück und schlug sich die flachen Hände in das Antlitz. Vor ihr lag im Blute erstarrt ihr gemordeter Gatte. – Zur selben Stunde gingen zwei Holzhauer über die Wiese und brachten eine Tragbahre mit. Zuerst knieten sie vor dem Toten und beteten still, dann hoben sie ihn auf die Bahre, legten das Gewehr an seine Seite und trugen ihn davon. Der Korb blieb stehen bei dem Enziangebüsche, das Weib folgte der Bahre; es sagte kein Wort, es vergoß keine Träne, es trug das spielende Mädchen auf dem Arm. Das blasse, starre Angesicht der Gattin, das rotwangige, helläugige Lockenköpfchen des Kindes hinter der Bahre her – das mag ich nimmermehr vergessen. Ich bin auch hinterdrein gegangen. Die Weiden standen in ihrem wässerigen Schimmer; die Schatten der Tannen lagen hingestreckt über die ganze Wiese. Das rote Kreuz ragte regungslos im Dunkel des Waldrandes. [Illustration] Die Bahre schwankte dem entfernten Jägerhause zu. Ich ging gegen unser Gehöfte. Als ich zu demselben hinabkam, führten handfeste Burschen einen wüst aussehenden Mann herbei. Es war der schwarz’ Toni. Da wir ihn am Morgen im Lärchenanwuchs gesehen, so hatte mein Vater auf seine Spur gewiesen. Der Richter kam, und unter der großen Esche, die vor unserem Hause stand, wurde das Verhör gehalten. Der Toni war geständig, den Jäger Wolfgang aus Rache erschossen zu haben. Hierauf wurde der Bursche in Ketten gegen die Stadt geführt, aus der er einst als Wickelkind gekommen war. Als ich in die Stube kam, saß mein Vater an seinem Bette. Er war sehr bewegt, hub mich zu sich auf das Knie und sagte: »Bübel, das ist ein böser Tag gewesen. Deinetwegen ist mir ein Stein auf dem Herzen gelegen.« Wir gingen in jenem Jahre nicht mehr hinauf zur Wildwiese. Seither aber bin ich wohl mehrmals auf derselben gewesen. Die Weiden glitzern, die hohen Fichten stehen noch heute – und ihr Schatten schwindet und wächst, wie das trübe Erdengeschick, und ihr Schatten wächst und schwindet, wie das menschliche Leben. Peter Rosegger Mondwanderung »Der Förster ging zu Fest und Schmaus!« – Der Wildschütz zieht in den Wald hinaus. Es schläft sein Weib mit dem Kind allein, Es scheint der Mond ins Kämmerlein. Und wie er scheint auf die weiße Wand, Da faßt das Kind der Mutter Hand. »Ach, Mutter, wo bleibt der Vater so lang, Mir wird so weh, mir wird so bang!« »Kind, sieh nicht in den Mondenschein, Schließ deine Augen, schlaf doch ein.« Der Mondschein zieht die Wand entlang, Er schimmert auf der Büchse blank. »Ach, Mutter! und hörst den Schuß du nicht? Das war des Vaters Büchse nicht!« »Kind, sieh nicht in den Mondenschein, Das war ein Traum, schlaf ruhig ein.« – Der Mond scheint tief ins Kämmerlein Auf des Vaters Bild mit blassem Schein. »Herr Jesus Christus im Himmelreich! O Mutter, der Vater ist totenbleich!« Und wie die Mutter vom Schlummer erwacht, Da haben sie tot ihn heimgebracht. Robert Reinick Wo Bismarck liegen soll Nicht in Dom oder Fürstengruft, Er ruh in Gottes freier Luft Draußen auf Berg und Halde, Noch besser tief, tief im Walde; Widukind lädt ihn zu sich ein: »Ein Sachse war er, drum ist er _mein_, Im _Sachsenwald_ soll er begraben sein.« Der Leib zerfällt, der _Stein_ zerfällt, Aber der Sachsenwald, der hält, Und kommen nach dreitausend Jahren Fremde hier des Weges gefahren Und sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen, Den Waldgrund in Efeu tief eingesponnen, Und staunen der Schönheit und jauchzen froh, So gebietet einer: »Lärmt nicht so! – _Hier unten liegt Bismarck irgendwo._« Theodor Fontane Als die hellen Nächte waren Der Sommer war heiß gewesen. Das Moos des Waldbodens war fahl und spröde geworden, und zwischen den Halmgerippen der Gräser sah man auf den grauen Erdboden. Neben den dürren Nadeln des Waldbodens lagen tote Ameisen und Käfer. Die Steine in den Betten der Bäche waren trocken und weiß wie Elfenbein. Wo dazwischen noch ein Tümplein stand, da starb darin eine Forelle oder ein anderes Tier des Wassers. Die Luft war dicht, und die Berge – auch die nahen – waren blaß. Die Sonne war des Morgens rot wie das verdorrte Blatt einer Buche, dann blaß und glanzlos, so daß man ihr ins Gesicht sehen konnte. Matt kroch sie hin über die graue Wüste des Himmels, als wäre sie erschöpft vor Durst. Gegen Abend stiegen häufig scharfgeränderte, glänzende Wolken auf; die Leute fingen zu hoffen an, aber es kam ein Luftzug, und am anderen Morgen waren die Wolken vergangen und der nächtliche Tau aufgesogen. Draußen im Dorfe wurde ein Bittag um Regen angeordnet. Da strömten aus unserem Walde die Leute davon, nur der alte Knecht Markus und ich blieben im einsamen Hause, und der Knecht sagte zu mir: »Wenn das schön Wetter gar ist, wird’s regnen, was hilft der Bittag! Wenn uns ein Herrgott hergesetzt hat, so wird er keinen schwachen Kopf haben und unser vergessen. Und hat er keinen Kopf, so daß er die Welt nur mit den Händen zusammenstellt und mit den Füßen auseinandertritt, nun, so hat er auch keine Ohren. Wofür hernach das Geschrei! Sagst du’s nicht auch, Bübel?« Leute, was läßt sich drauf sagen! »Der Knecht Markus ist ein alter Spintisierer« – das läßt sich drauf sagen. Jetzt sprang der Riegelberger Halter zur Tür herein. Er war vor Aufregung sprachlos, durch das Fenster wies er mit beiden Zeigefingern auf den Rücken des Filnbaumwaldes hin. Der Knecht sah es und schlug die Hände zusammen. Dort hinter dem Waldrücken stieg ein ungeheurer Wirbel von rotem Rauch auf und verfinsterte den Himmel. »Das kann ein Unglück geben!« rief der Markus, langte nach einer Axt und eilte davon. Der Rauch flutete immer heftiger auf und wurde immer breiter und dichter. Ich fing doch das Geschrei an, dem der Knecht keine Bedeutung beilegen wollte. Es hatte auch keine, wie sich’s wies. An den sonnigen Lehnen des Filnbaumschlages war’s gewesen, wo das dürre Gestrüppe lag. Nahe, wo der halbverdorrte Lärchenanwachs begann, war die Flamme entstanden, kein Mensch wußte wie. Zuerst mochte sie leicht hingehüpft sein von Reisig zu Reisig, dann empor von Ast zu Ast mit flatternden Flügeln. Sachte entfaltet das Element seine wilde Gewalt, seine roten, siegreichen Fahnen. Der Wald wird höher und dichter, an dem Geäste hängen lange Moosflechten nieder, und die vor wenigen Jahren von einem schweren Hagelschlage geschädigten Stämme sind harzig bis hinauf zu den Wipfeln. Hei, wie die feurigen Zungen lechzen und emporlodern! Und in den Gründen züngeln sie wie ein Schlangengezücht, und allerseits beginnt sich ein fürchterliches Leben zu entwickeln. Die wenigen Holzhauer rennen in Verwirrung herum und fluchen und rufen nach Hilfe. Aber der Wald und seine Hütten sind menschenleer, alles ist bei der Bittprozession. Bis sie nach Stunden endlich kommen, ist der Hochwald im Brande. Das ist ein Fiebern und Zittern in der Luft, ein Krachen und Prasseln weithin; Äste stürzen nieder, Stämme brechen zusammen und sprühen noch einmal auf in den wogenden Rauch. Neu und frisch blasen glühende Luftströme durch das Gehölz; die Flammen erzeugen sich selbst den Sturm, auf dem sie fahren. O gewaltiges, nimmersattes Element! Es zehrt, so lange es lebt, und lebt, so lange es zehrt, es verzehrt die Welt, und wenn sie erreichbar, tausend Welten, und hat nimmer genug. Keine Macht kann so ins Unendliche wachsen wie das Feuer, darum stellt es der Seher als den letzten Sieg über alles dar, als den Herrscher in Ewigkeit. Die Menschen arbeiteten und arbeiteten; manchen trugen sie halb verbrannt von dannen. Der Knecht Markus sah die Folgen, aber er jammerte nicht, und er verzagte nicht, er war die stille, die ruhige Tat. Schon begannen seine harzigen Kleider Feuer zu fangen, da eilte er hinab zum Bachbett und wälzte sich im Sand, bis sich dieser an alle Teile seines klebrigen Anzuges gelegt hatte. Nun war er gepanzert. Äste haute er ab, Bäume hieb er um – o Gott, das schlug nicht an. Der glühende Strom brauste weiter; die kahlen Äste in der Runde, die rotnadeligen Zweige harrten schon der nahenden Flammenbraut und huben noch früher zu brennen an, als sie der erste Kuß erreichte. Nun suchten die Arbeiter, die von allen Seiten herbeigekommen waren, den Flammen einen Vorsprung abzugewinnen und ihnen durch breite Abstockungen eine Grenze zu setzen, aber es teilte sich der Brand in Arme nach verschiedenen Himmelsgegenden. Zur Abendstunde erhob sich ein Wind und zerzauste die mächtigen Feuerfahnen in tausend Fetzen und vervielfältigte überall das Element. Das war ein unheimliches Dröhnen in den Lüften und ein wunderlich Leuchten hin über das weite Waldland. Erschöpft und ratlos ließen die Männer ihre Hände sinken, die Weiber räumten ihre Hütten aus und wußten mit der Habe nicht wohin. In tiefen Tälern war es noch ruhig, da hörte man nichts als das leise Flüstern der hohen Tannen, aber der nächtliche Himmel war rosig und zuweilen flog hoch oben ein Feuerdrache dahin. Dann wieder kam eine zwitschernde Vogelschar und die heimatlosen Tierchen schossen planlos umher, und die Rehe und Hirsche kamen erschreckt heran zu den Menschenwohnungen. »Wie diesen Tieren geht’s uns allen!« klagte ein Weib, »keine Menschenmöglichkeit, daß der Wald gerettet wird – alles brennt, alles brennt! O Christi Heiland – es ist das Jüngste Gericht!« Tagelang währte der Greuel. Von unserem hochgelegenen Hause aus sahen wir aus den Wäldern des Filnbaum und der Fresenleiten die Flammen rot und langsam aufsteigen. Die ganze Gegend lag in einem Schleier, und scharfer Brandgeruch stach in die Nasen. Unser Berg schien eingewölbt von Rauch, daß es oft schier dunkel war. Und da stand ein großes, trübrotes Rad über uns, das der Rauch umwirbelte, verdeckte und doch nicht ganz vertilgen konnte. Es war die Sonne. Wir sahen aber auch, wie das Feuer allmählich gegen uns heranrückte, es stieg über die Höhen her, und es stieg in die Täler nieder, und es stieg endlich an unserem Berghange heran. Wir bedurften des Abends keines Kienspans. Das Vieh hatten wir längst auf die Almweide gejagt und die Einrichtungsstücke des Hauses mitten auf das freie Feld hinausgeschleppt. Halb wahnsinnige Menschen kamen herbei. Der Vernünftigsten einer war der uralte Martin, dem die Hütte verbrannt war und der nun mitternächtig beim Scheine des Waldbrandes Preißelbeeren pflückte. Mein Vater kletterte auf den Dächern unseres Gehöftes herum, und mit einer langen Stange, an deren Ende er einen nassen Lappen gebunden hatte, schlug er die Funken tot, die herangeflogen kamen und sich auf das Dach gesetzt hatten. In der fünften Nacht, als wir in einer Ecke unserer ausgeräumten Stube kauernd schliefen, wurden wir plötzlich von einem lauten Tosen geweckt, und der alte Markus, der auf dem Dache Nachtwache hatte, rief: »Das ist schon recht! Das ist schon recht!« Ein Wettersturm hatte sich erhoben und wütete in dem brennenden Walde, daß es eine schreckbare Pracht war. Als ob ein wüstes Gewässer dahinbrauste zwischen den Stämmen, so toste und dröhnte es. Aber das Feuer wurde in die entgegengesetzte Richtung von unserem Hause geworfen, und das war es, was dem alten Markus so recht war. Die Flammen waren wie auf wilder Flucht; sie übersprangen ganze Waldpartien, zündeten an neuen, entlegenen Stellen. Als sich der Orkan gelegt hatte, kam ein Regenguß. Der Regen währte tagelang, und die Wolken stiegen träge auf und nieder. Lange noch mischte sich mit ihnen der Rauch der kohlenden Strünke – endlich aber war alles Feuer ausgelöscht. Über alles legte sich der feuchte, frostige Nebel – es war die herbstliche Zeit. So ist die Begebenheit hier erzählt. Doch endet der Wald mit seinem Untergange nicht, in ihm ist die Urkraft. Der Nebel des Herbstes spann den Schnee; im Winter sahen wir von unseren Fenstern aus weit mehr weiße Flächen als sonst. Aber erst als der Lenz kam, sahen wir, was der Waldbrand angerichtet hatte. Überall verkohlter Grund, rostfarbige Steine, halbverbrannte Wurzeln, und darüber ragten die schwarzen Strünke einzelner Baumstämme. – Nun kamen die Leute und reuteten. Sie stachen den schwarzen Rasen um, sie säeten Korn in das Erdreich; den Obdachlosen wurden neue Hütten gebaut. Und als der Frühherbst kam, war’s eine Herrlichkeit. Kein Mensch in unserem Waldlande hatte je eine so große goldgelbe Pracht gesehen, als das Kornfeld war, das sich über die Berge hinzog. Wir mußten alle zusammenhalten, die Flut der Halme, wovon einer sein schweres Haupt auf die Achsel des anderen legte, einzuheimen. Ich erinnere mich noch an das Wort, das bei dieser Gelegenheit der Pfarrer sprach: »Der Herr schlägt die Wunden, aber er spendet auch den Balsam, sein Name sei gelobt!« – Am nächsten Tage schickte er seine Knechte, um von der reichen Ernte den Zehnt zu holen, und er hat recht getan. Gegen dreißig Jahre lang gab der Grund des verbrannten Waldes den Menschen Brot. Dann kam die Landflucht der Menschen, und neuerdings sproßt auf den Berghöhen der junge, grüne Wald. Neues unendliches Leben webt darin – eine üppige Pflanzenwelt, ein lustiges Tierreich, eine helle Gottesmorgenfreude. Peter Rosegger [Illustration] Waldkonzert Konzert ist heute angesagt Im frischen, grünen Wald, Die Musikanten stimmen schon; Hört, wie es lustig schallt! Der Distelfink spielt keck vom Blatt Die erste Violin; Sein Vetter Buchfink nebenan Begleitet lustig ihn. Frau Nachtigall, die Sängerin, Die singt so hell und zart; Und der Herr Hänfling bläst dazu Die Flöt nach bester Art. Die Drossel spielt die Klarinett, Der Rab, der alte Mann, Streicht den verstimmten Brummelbaß, So gut er streichen kann. Der Kuckuck schlägt die Trommel gut; Die Lerche steigt empor Und schmettert mit Trompetenklang Voll Jubel in den Chor. Musikdirektor ist der Specht; Er hat nicht Rast noch Ruh, Schlägt mit dem Schnabel, spitz und lang, Gar fein den Takt dazu. Verwundert hören Has und Reh Das Fiedeln und das Schrein; Und Biene, Mück und Käferlein, Die stimmen lustig ein. Georg Dieffenbach Jüngst sah ich den Wind Jüngst sah ich den Wind, das himmlische Kind, als ich träumend im Walde gelegen, und hinter ihm schritt mit trippelndem Tritt sein Bruder, der Sommerregen. In den Wipfeln, da ging’s nach rechts und nach links, als wiegte der Wind sich im Bettchen; und sein Brüderchen sang: »Die Binke die Bank,« und schlüpfte von Blättchen zu Blättchen. Weiß selbst nicht, wie’s kam, gar zu wundersam, es regnete, tropfte und rauschte, daß ich, selber ein Kind wie Regen und Wind, das Spielen der beiden belauschte. Dann wurde es Nacht, und eh ich’s gedacht, waren fort, die das Märchen mir schufen. Ihr Mütterlein hatte sie fein hinauf in den Himmel gerufen. Arno Holz Schlechtes Wetter Gestern durch den Wald ging ich im Regen Einem ungewissen Ziel entgegen. Sah, bevor sie tot zu Boden fielen, Tausend Tropfen mit den Blättern spielen, Die sich lustig mit dem Winde zausten Und voll Übermut gewaltig brausten. Wie sie in der frischen Nässe blinkten Und von allen Seiten mich umringten, Ward die Seele mir so frisch und weit, So voll Regenwetterlustigkeit, Daß ich in das Rauschen unbewußt Sang ein Frühlingslied aus tiefster Brust – Heut im Tagblatt hab ich dann gelesen, Daß das Wetter gestern schlecht gewesen … Wilhelm Langewiesche [Illustration] Waldlieder Arm in Arm und Kron an Krone steht der Eichenwald verschlungen, Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen. Fern am Rande fing ein junges Bäumchen an sich sacht zu wiegen, Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen; Kam es her in mächt’gem Zuge, schwoll es an zu breiten Wogen. Hoch sich durch die Wipfel wälzend, kam die Sturmesflut gezogen. Und nun sang und pfiff es graulich in den Kronen, in den Lüften, Und dazwischen knarrt und dröhnt es unten in den Wurzelgrüften. Manchmal schwang die höchste Eiche gellend ihren Schaft alleine, Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine! Einer wilden Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen; Alles Laub war weißlich schimmernd nach Nordosten hingestrichen. Also streicht die alte Geige Pan der Alte laut und leise, Unterrichtend seine Wälder in der alten Weltenweise. In den sieben Tönen schweift er unerschöpflich auf und nieder, In den sieben alten Tönen, die umfassen alle Lieder. Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken, Kauernd in den dunklen Büschen sie die Melodien trinken. Gottfried Keller Gewitter im Walde »Steht nun, Brüder, wie ein Turm!« Sprach im Forst die alte Eiche; »In den Lüften rast der Sturm, Und schon naht er unserm Reiche. Junges Volk, noch reich belaubt, Schließt euch dicht an uns, die Alten; Stark den Stamm und hoch das Haupt, Laßt uns fest zusammenhalten!« »Kinder,« sprach die Weide, »dreht Fügsam euch nach allen Winden; Schmiegt und biegt euch, wie es geht, Daß wir unversehrt uns finden!« Rief das Moos: »Was das Gehölz Schwatzt von Kämpfen, Schmiegen, Ducken! Ich auf meinem grünen Pelz Fühl nur ein behaglich Jucken.« – Doch die Windsbraut fährt alsbald In den Forst, die Bäume zittern; Bis zum Grund erbebt der Wald, Wipfel brechen, Stämme splittern. Aus den Wolken, schwarz verhüllt, Wirft der Sturm des Blitzes Schlange, Und des Donners Stimme brüllt Dumpf ihm nach auf seinem Gange. – – Tief gespalten und zerfetzt Steht der Baum, ein wunder Streiter; Moos und Weiden, taubenetzt, Grünen unbekümmert weiter. Georg Scherer Nach dem Gewitter Der Sturm hat ausgetobt – es schimmert Die Sonne durch die Wolkenwand, Ein Regentropfen farbig flimmert An jedes Blättchens krausem Rand; Es beben noch die rauhen Stämme, Die ungestüm der Wind umsaust; Aufschäumend gegen Fels und Dämme Des Wildbachs trübe Woge braust; Und in der Lichtung, wo die Ranken Den Boden dornig überziehn, Wo tausend zarte Gräser schwanken Und tausend kleine Blumen blühn, Da liegt, umstrahlt vom Abendlichte, Der schönste Stamm in weiter Rund, Die alte, dunkelgrüne Fichte, Entwurzelt auf dem feuchten Grund. Ich streichle die gewalt’gen Äste, Die splitternd sich im Fall zerdrückt, Die wie zu einem Maienfeste Mit roten Knospen noch geschmückt. Zum schlanken Wipfel muß ich schauen, Der gestern in des Lufthauchs Wehn, Sich fröhlich wiegend hoch im Blauen, Noch übers weite Land gesehn; Muß denken, daß gleich jenem Baume Ich sterben möcht – vom Sturm gerafft, Umwogt noch von des Frühlings Traume, In ungebrochner Lebenskraft. Sophie von Waldburg Regen Geht ein grauer Mann Durch den stillen Wald, Singt ein graues Lied. Die Vöglein schweigen alsbald. Die Fichten ragen so stumm und schwül Mit ihrem schweren Astgewühl. In fernen Tiefen Vergrollt ein Ton. Johannes Schlaf [Illustration] Durchlaucht Da hilft kein alter Fürstenbrief, Daß ich mich bücken kann – Doch heute traf im Walde tief Ich eine Hoheit an. Fest wurzelnd in der Erde Grund Steht frei sie und allein, Jahrhundertalt, doch kerngesund, Im neuen Sommerschein! Und ihre Krone blätterdicht, Sie strahlt in lauterm Gold, Läßt sich durchleuchten von dem Licht, Wie Fürsten es gesollt. Du bist so herrlich, bist so groß, Daß all mein Stolz verraucht – Verehrend streck ich mich ins Moos Zu Füßen der Durchlaucht! Hanns von Gumppenberg Bei den Holzern Daß doch der Wald, wie er sich so hinbreitet über Höhen und Täler – unabsehbar, wie er daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig blauend am sonnigen Sehkreis – der stille, unendliche Wald –, daß er doch auch seine Feinde hat! Wie ist das eine schöne, säuselnde, rauschende, brausende, allebendige Ringmauer, schützend vor dem wüsten Unfrieden draußen! Aber – Waldfried ist gestorben. Im Forste braust der Sturmwind, schlägt manchem jungen Tannling den lustig winkenden Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das Genick. Und in der Tiefe rauscht und schäumt in weißen Gischten und Flocken – wie ein brandender Wolkenstrom – der Wildbach und wühlt und gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln, immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige Baum zuletzt schier in der Luft dasteht und sich oben mit starken Armen nur noch an den Nachbarn hält, um nicht zusammenzubrechen, endlich aber doch niederstürzt in das Grab, das ihm jenes Wasser heimtückisch gegraben hat. Jenes Wasser, welches er durch seinen Nebeltau gestärkt, durch seine dichte Krone vor dem Lechzen des Windes geschützt, durch seinen Schatten vor dem zehrenden Kusse der Sonne bewahrt hat. – Und auf den luftigen Wipfeln hackt der Specht, und unter den Rinden frißt der Wurm die Borke, und das Sägerad der Zeit geht allerwege, und die Späne fliegen – im Frühlinge als Blüten, im Herbste als gedörrte Nadeln und Blätter. Es geht ewig zu Ende, und im Ende keimt ewig der Anfang. Da naht nun erst der Mensch mit seiner Zerstörungswut. Da schallt das Schlagen und Pochen, da surrt die Säge, da klingt das Beil auf das Stemmeisen im dunkeln Grunde; – wenn du oben hinblickest über das stille Meer der Wipfel, so ahnst du es nicht, welchen es angeht. Aber das Stemmeisen und der Keil dringen tiefer und tiefer; da schüttelt einer der Hundertjährigen sein hohes Haupt, er weiß doch gar nicht, was die Menschlein wollen da unten, die kleinen possierlichen Wesen – er kann nicht begreifen und schüttelt wieder das Haupt. Da geht ihm der Stoß ins Herz; – unten knistert es, schnalzt es, und nun wankt der Riese, knickt ein, rauschend und pfeifend in einem ungeheuren Bogen kreist er hin, mit wildem Krachen stürzt er zu Boden. Leer ist es in der Luft, eine Lücke hat der Wald. Hundert Frühlinge haben ihn emporgehoben mit ihrer Liebe und Milde; jetzt ist er tot, und die Welt ist und bleibt ganz auch ohne ihn – den lebendigen Baum. Still stehen die zwei, drei Menschlein, sie stützen sich auf den Beilstiel und blicken auf ihr Opfer. Sie klagen nicht, sie jauchzen nicht, eine grausame Kaltblütigkeit liegt auf ihren rauhen, sonnverbrannten Zügen, ihr Gesicht und ihre Hände sehen ja aus wie von Fichtenrinden. Sie stopfen sich ein Pfeiflein, schärfen die Hacken und gehen wieder an die Arbeit. Sie hauen die Äste von dem hingestreckten Stamme, sie schürfen ihm mit einem breiten Messer die Rinde ab, sie schneiden ihn vielleicht gar in klafterlange Stücke; – und nun liegt der stolze Baum in nackten Klötzen. Peter Rosegger [Illustration] In der Stadt Was ist das für ein Schrein und Peitschenknallen? Die Fenster zittern von der Hufe Klang, Zwölf Rosse keuchen an dem straffen Strang, Und Fuhrmannsflüche durch die Gasse schallen. Der auf den freien Bergen ist gefallen, Dem toten Waldeskönig gilt der Drang; Da schleifen sie, wohl dreißig Ellen lang, Die Rieseneiche durch die dumpfen Hallen. Der Zug hält unter meinem Fenster an, Denn es gebricht zum Wenden ihm an Raum; Verwundert drängt sich alles Volk heran. Sie weiden sich an der gebrochnen Kraft; Da liegt entkrönt der tausendjährge Baum, Aus allen Wunden quillt der edle Saft. Gottfried Keller Herbstlicher Wald Rings ein Verstummen, ein Entfärben; Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; Ich liebe dieses milde Sterben. Von hinnen geht die stille Reise, Die Zeit der Liebe ist verklungen, Die Vögel haben ausgesungen, Und dürre Blätter sinken leise. Die Vögel zogen nach dem Süden, Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, Die Blätter fallen stets, die müden. In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir, als hör ich Kunde wehen, Daß alles Sterben und Vergehen Nur heimlichstill vergnügtes Tauschen. Nikolaus Lenau Novembersonnenschein Der Wald wirft seine Blätter ab; viele Bäume sind schon ganz kahl; andre haben noch etwas Laub; einige sind noch vollbelaubt; aber das sind wenige. Vor zwei Wochen, da war es anders. Da hatte der Wald sein rotes Staatskleid an, das bunteste von allen dreien. Denn drei hat er; eins aus hellgrüner Foulardseide; das trägt er im Mai. Dann das aus rotem Atlas, das er Ende Oktober trägt, und das weiße, mit Silber gestickte, das er nur an sehr schönen Wintertagen anzieht. Das andere sind alles mehr Alltagskleider, so auch das, was er jetzt anhat. Aber wenn er Besuch bekommt, vornehmen Besuch, dann macht er sich trotzdem fein, so gut es geht. Heute zum Beispiel, denn da kam die Sonne zu Besuch, ein seltener Gast im November. Da hatte der Wald sich dann schnell hingesetzt und das fahle Alltagskleid etwas aufgeputzt, einen goldgelben Einsatz eingenäht, eine hellgrüne Rüsche eingeheftet, einen goldroten Volant angesetzt, hatte die knallroten Korallen angelegt und eine funkelnde Brosche vorgesteckt. Fein sah das aus. Als ich gestern über die Felder ging, war er nicht so fein. Graubraun, fahlgelb, trübrot, so war sein Kleid, mit stumpfen, dunkelgrünen Samtaufschlägen. Heute aber ist die ganze Jungbuchenkante ein langer leuchtender goldroter Strich, als wenn Elbenfeuer brennten. Und im Walde die Buchenjugenden, die sind bunt wie ein Pantherfell, noch viel bunter. Denn ein Pantherfell ist rot und schwarz gefleckt; hier aber ist hellrot und goldbraun, orange und gelb, grün und tiefrot durcheinander gewirbelt. Von Rechts wegen müßte das unruhig aussehen, gesucht und augenverwirrend. Aber es wirkt gerade umgekehrt. Es beruhigt und erfrischt wie sprudelndes Wasser, dieses Sprudeln der Farben. Der Querweg ist sauber gefegt, den geh ich nicht. Ich gehe den laubbedeckten Weg geradeaus. Das ganze Jahr mag ich leise treten im Walde und gehe um die trockenen Blätter herum; aber im November suche ich sie, und wo sie am dicksten liegen, gehe ich am liebsten. Es redet dann so viel, das Rauschelaub. Wenn die Luft grau und der Himmel tief ist, redet es von Herbst und Sterben, von Vergehen und Verwesen und predigt das alte Entsagungslied. Heute aber nicht. Von Ruhe vor neuem Schaffen, von Winterrast vor jungem Frühling, von stiller Gegenwart und froher Zukunft redet heute das Rauschelaub. Hier unter den alten Samenbuchen muß ich stehen bleiben. So schön war es hier noch nie wie heute, wo die Sonne hier zu Besuch ist an diesem Novembertag. Ein unendlicher Teppich aus kupferrotem geschorenen Plüsch bedeckt den Boden; die altsilbernen Stämme der Buchen, der Fichten tiefviolette Schäfte teilen ihn ein, daß die Augen ihn in Absätzen genießen sollen. An vielen Zweigen ist noch Laub, und leise bewegt der Wind diese Zweige, damit ich sie zuerst sehen soll und mich freuen an ihrem goldenen Rot und rotem Gold. Langsam schaukeln sie hin und her, und hin und wieder fällt ein goldenes Blatt von ihnen zu Boden. [Illustration] Absichtlich hat der Wind meine Augen abgelenkt; denn jetzt, wo sie dem einen fallenden Blatt folgten und von ihm weiterwandern, da sahen sie erst das Allerschönste. Eine Buche ist es, eine schlanke, mit vielen wagerechten Zweigen. Die hat noch alles Laub. Und darauf fällt die Sonne mit besonderer Liebe. Gestern habe ich ihn gar nicht gesehen, diesen goldenen Buchenbaum; ich bin an ihm vorbeigegangen. Gestern schien die Sonne auch nicht. Es gibt Menschen, die sieht man auch erst, wenn sie lächeln; da leuchtet ihr goldenes Herz. Dort unten steht ein junger Ahorn; der leuchtet wie gelbes Glas. Prächtig sieht er aus und lustig; aber denken kann ich mir nichts bei ihm, und wenn er auch noch so prahlerisch seine goldgelben, spreizigen Blätter im Winde dreht. Höchstens, daß es auch solche Menschen gibt. Durch das rote, rauschende Laub geh ich weiter. Ein blaugrüner Brombeerbusch wirft eine rauhe Schlinge um meinen Fuß. Als wenn er mir etwas sagen wollte. Er will auch etwas sagen, er, der nie blüht und nie Frucht trägt und Sommer und Winter grünt in demselben harten Grün. Draußen, am Moorwege oder am sonnigen Rain, wachsen seine Brüder. Purpurrote Ranken haben sie, prangen im Sommer mit weißen Blüten und im Herbst mit süßen Früchten und färben im Winter ihr Laub rot und gelb. Er bleibt aber das ganze Jahr, wie er ist. Denn hier unter dem Schatten der Buchen kriegt er keine Sonne, hat nicht Luft und Licht. Das bißchen müde Herbstsonne, das bißchen fahles Winterlicht kann ihn nicht zur Blüte und Frucht bringen. Menschen gibt es auch, die so sind. Ihr Leben leben sie im schattigen Einerlei; sie blühen nicht in ihrem Mai, und wenn sie blühen, es trägt keine Frucht. Auch der Brombeerstrauch zu meinen Füßen hat wohl einmal eine Blüte gehabt, aber nie trug er eine Frucht. Hinter den Fichten an der Waldstraße stehen hohe Kiefern. Schwer, entsagungsvoll, hängen ihre Zweige. Wenn sie jung sind, sind sie Himmelsstürmer, langen nach oben mit kecken Zweigen, wachsen und wachsen, schneller als jeder Baum im Wald, als könnten sie es gar nicht abwarten. Und wenn sie groß sind, sind sie müde und lassen die Zweige sinken. Alles Schnellwüchsige wird früh müde. Unter den Fichten der Adlerfarn, kraftlos und altersschwach hängt er in den Zweigen des Faulbaums. Und wie wuchs er im Mai, und wie eilig hatte er es im Juni, und wie gierig spreizte er im Juli seine Wedel nach rechts und links! Alles Mache, nichts dahinter! Wenn ich mir dagegen die winzige Eiche unter ihm ansehe: Drei Jahre ist sie alt. Dreimal wuchs ihr der freche Farn über den Kopf; aber jedesmal wurde er auch wieder klein, ganz klein, noch kleiner als die kleine Eiche. Ein heller Klang, wie von einer silbernen Glocke, geht durch den Wald. Der Schwarzspecht ist es. Er lacht den Menschen aus, der in Novembersonne geht und doch nachdenklich ist. Er hat recht, der Rotkopf. Nachdenken ist gut genug für graue Tage. An hellen Tagen soll man leben und lachen. Rauschelaub, rausch mir das Werdelied von goldener Frühlingszeit, wo junges Gras aus dir hervorkommt und weiße Blumen zwischen dir winken, wo alle Vögel singen im sonnigen Frühlingswald! Gerade hier, wo ich bin, wo das dunkle Schaftheu seine starren Halme reckt und blanker Efeu schimmert, hier am Grabenrand, da wird es dann wunderbar sein. Braune Simsenknäulchen werden da zittern; weiß wird alles sein von Windröschen, und dazwischen wird die goldene Waldnessel blühn. Einen großen, runden Fleck malt die Sonne vor mich hin auf rotes Laub und dunklen Efeu. Und mitten darin blüht es weiß und goldgelb, ein weißes Sternchen, drei goldene Mäulchen, zwei Frühlingsblüten im späten Herbst. Das ist ein Wunder, ein wirkliches Wunder. Alle Windröschen haben im Frühjahr geblüht; alle Goldnesseln leuchteten im Mai; diese beiden aber blühen jetzt in dem großen, runden Fleck, den die Sonne auf den Grabenrand wirft, die Spätherbstsonne. Denn Sonne bleibt Sonne und behält ihre Kraft. Ringsherum fallen die Blätter, rund umher welkt das Laub; hier allein blüht ein Stück Frühling in der Sonne im Wald. Hermann Löns Herbstgold Wie war’s im Walde Heut wunderhold – Die Wipfel alle Von rotem Gold! Golden der Boden, Golden der Duft, Fallende Blätter Von Gold aus der Luft! Und es leuchtet Aus Tod und Vergehn Golden die Hoffnung Aufs Auferstehn. Ferdinand Avenarius Die Zeit der schweren Not Der Wind pfiff halb von Nord, halb von Ost. Allem, was am Berge lebte, mißfiel er; alle, Maus und Eichhorn, Has und Reh, Fuchs und Dachs, blies er in ihre Verstecke, und Bussard und Krähe, Meise und Häher pustete er über den Kamm des Berges an den Westhang. Es fror, daß es knackte. Die Weizensaat unter dem Walde winterte aus, die Rinde der Eiche sprang, still stand der Graben, und der Bach verschwand. Sieben Tage schnob der bitterböse Wind im Lande umher, dann verlor er den Atem. Über den Berg stieg eine Wolkenwand, schwarzblau und schwer, schob sich über den hellen, hohen Himmel und legte sich tief auf das Land, bis sie sich an den scharfen Klippen des Berges den Bauch aufschlitzte. Da quoll es heraus, weiß und weich, einen Tag und eine Nacht und noch einen Tag und noch eine Nacht und so noch einmal, bis alles zugedeckt war im Lande und auf dem Berge und so sauber aussah und so reinlich, daß die Sonne vor Freuden lachte. Ihr Lachen brachte Leben an den Osthang des Berges. Mit einem Male waren die Rehe wieder da und die Hasen, Fuchs und Dachs fuhren aus ihren Gebäuden, das Eichhorn verließ den Kobel und die Maus das Loch, Bussard, Krähe und Häher tauchten auf, und überall wimmelte es von buntem, lustigem Kleinvogelvolke. Das Lachen der Sonne war falscher Art, es kündete Blut und Tod. Der tauende Schnee ballte sich und brach Äste und Bäume; er knickte die Fichten und krümmte die Jungbuchen, und auf dem Boden überzog der Schnee sich mit einer Kruste, hart wie Eis und scharf wie Glas. Der Ostwind hatte ausgeschlafen und blies auf das Neue gegen den Berg. Da kam die Zeit der schweren Not. Die Maus hatte ihren Gang unter dem Schnee, das Eichhorn behalf sich mit Blattknospen und Rinde, der Hase rückte in die Kohlgärten, der Dachs verschlief die hungrigen Nächte, der Fuchs suchte die Dungstätten ab. Übel daran aber war das Reh. Die Saat war begraben in steinhartem Schnee. Die Obermast im Holze war verschwunden. Verschneit waren die Himbeeren, verweht die Brombeeren, unsichtbar die Heide. Buchenknospen und dürre Halme, trockene Blätter und harte Stengel, das war alles, was der Berg an Äsung bot. [Illustration] Der Hunger ging durch den Wald. Wo seine Augen ein Reh trafen, da fiel es ab. Der Hals wurde lang, die Dünnungen tief, rauh die Decke und immer größer die Lichter. Langsam und vorsichtig zogen die Rehe am Hange entlang, aber alle Behutsamkeit half ihnen nichts; eins nach dem anderen trat durch die Eiskruste des Schnees und zerschabte sich die Läufe. In jedem Wechsel zeichneten sich blaßrote Flecke ab. Und wieder baute sich eine schwarzblaue Wand hinter dem Berge auf, schob sich über den hellen Himmel, legte sich über das Land, riß sich an den Klippen den Pansen auf und schüttete Schnee auf das Gefilde, einen ganzen Tag und eine volle Nacht. Und wieder lächelte die Sonne ihr hinterlistiges Lächeln und machte Eis aus dem Schnee. Noch langsamer, noch vorsichtiger zogen die Rehe dahin, mit Hälsen, so dünn wie Heister, schwarze Löcher in den Dünnungen. Und wo sie zogen, da wurde der Schnee rot. Der Tod ging durch den Wald. Da war kein Reh am ganzen Berge, das nicht an den Läufen klagte. Das eine blieb stehen, wo es stand, und zitterte, bis es fiel. Ein anderes tat sich nieder und stand nicht wieder auf. Ein drittes stürzte halbverdurstet in die Quellschlucht und erstarrte im eisigen Wasser. Noch niemals ging es dem Fuchs so gut, wie da. Sein Tisch war gedeckt, war reicher beschickt als zur Maienzeit, wenn alle Mäuse hecken und das Feld von Junghasen wimmelt. Auch der Marder konnte zufrieden sein und Bussard und Krähe nicht minder; sogar für die bunten Meisen blieb noch Fraß genug übrig, und die Waldmäuse nagten die letzten Sehnenfetzen von den Knochen. Kein Ende der Not kam; jeden Tag ging der Tod seinen Belauf im Berge ab. Selbst die Hasen schonte er nicht; mancher von ihnen, der sich am gefrorenen Kohl verdarb, füllte den Pansen des Fuchses, der von Tag zu Tag mehr in die Breite ging. Eines Morgens aber fuhr er mit ledigem Leibe zu Baue. Vor der Dickung lag ein gefallenes Reh, an dem er sich schon eine Nacht gütlich getan hatte. Doch als er die zweite Nacht heranschnürte, da schlug ihm eine seltsame Witterung entgegen, ein Geruch, den er nur einmal gewittert hatte. Rund um den Fleck, wo das gefallene Stück lag, schnürte er, und eine geschlagene Stunde dauerte es, ehe er sich ein Herz faßte und heranschlich. Und da stand er und windete und äugte lange Zeit, und schließlich schnürte er mit hängender Lunte und angelegten Gehören mißmutig ab; denn sein Reh war fort, war bis auf die Schalen und einige Deckenfetzen verschwunden, und weiter war nichts da, als die niederträchtige und dabei doch verlockende Witterung. Aber der Tod ging immer noch durch den Wald, und er schlug Stück um Stück mit harter Hand. Der Fuchs verlor den Mut nicht. Behende trabte er von Wechsel zu Wechsel, bis er einen fand, in dem eine kranke Fährte stand, und der hing er nach. So ganz leicht war es nicht, sie zu halten. Es schneite und schneite, und der Wind pfiff böse; er schob den Schnee von den Blößen vor die Dickungen, fegte ihn hier zusammen, kehrte ihn dort fort, verdeckte auf weite Strecken die Rotfährte und verwischte sie endlich völlig. Das ganze helle Holz suchte der Fuchs ab; er nahm die Fährte wieder auf, wo er sie zuerst gefunden hatte, und er hing ihr nach bis zu der Stelle, wo sie in der großen Schneewächte unterging. Da saß er eine ganze Weile auf den Keulen, und dann schnürte er weiter, hungrig, müde und verdrießlich. Er suchte alle Rehdickungen ab; sie waren leer. Er schlich durch den Stangenort; da war es tot. Er trabte den Bach entlang bis zum Vorholze; es war dort unten so wie oben. Da schnürte er zu Felde, um an der Dieme auf Mäuse zu passen. Als er dort angelangt war, vergaß er alle Mäuse, denn er fand die kranke Fährte wieder. Eilig, aber behutsam, nahm er sie auf und hielt sie bis zu dem Fichtenmantel unter dem Altholze. Immer länger wurde er, denn immer wärmer wurde die Fährte, und schon war er in den Fichten, da fuhr er wie besessen heraus und stob in das Feld zurück. Denn in den Fichten war es nicht geheuer. Es hatte da gebrochen, so laut und so grob, als wenn ein Mensch da gegangen wäre, und es hatte dort geschnauft und geschnarcht, wie kein Tier des Waldes zu schnaufen und zu schnarchen vermag. In guter Sicherheit stand der Fuchs im Schatten der krausen Feldeiche und überlegte. Dann holte er sich Wind. In weitem Bogen trabte er am Vorberge entlang, verschwand bei der Quellschlucht im Altholze, schnürte hoch über dem Fichtenmantel durch die Räumdungen und schlich vorsichtig näher. Gerade, als der Mond die Wolken fortschob, kam der Fuchs bei den Fichten an. Da war es still und einsam. Der Fuchs schlich näher, den vollen Wind nehmend. Rehwitterung zog ihm entgegen. Langsam schlich er näher, verhoffte, schlich wieder näher, der guten Witterung entgegen; da fuhr er zurück. Denn da war eine zweite Witterung, die fremde Witterung von vorhin, dieselbe, die er bei dem gefallenen Stück wahrgenommen hatte, das ihm verlorengegangen war, eine unbekannte, verdächtige, absonderliche, geheimnisvolle, niederträchtige Witterung, zwar keine von Mensch oder Hund, aber immerhin nicht ungefährlich und auf keinen Fall vertrauenswert. Und jetzt der Ton! Ein Blasen, Schnaufen, Schnarchen, wie es nachts oft aus den Ställen bei den Gehöften kommt. Der Fuchs drehte um und stahl sich davon. Er traute dem Frieden nicht. Eine gelbgesäumte Wolke brachte den Mond wieder zu Bett. Das Schneetreiben setzte abermals ein. Da blies es lauter in den Fichten, da krachte es im Schnee, brach es in dem Fallholz, und schwarz und groß schob es sich aus der Dickung, verhoffte, nahm laut schnaubend Wind, trat dichter an das gefallene Stück, daß der harte Schnee krachend zerbrach, prüfte noch einmal blasend den Wind und nahm dann den Fraß an. Der Waldkauz, der allabendlich an dem Tannenmantel entlangstrich, um eine Maus zu schlagen oder einen Vogel aus dem Verstecke zu klatschen, rüttelte einen Augenblick neugierig über der kleinen Lichtung, von der ein lautes, gieriges Schmatzen und Schlabbern erscholl, untermischt mit dem Knirschen der Schneekruste und dem Krachen von Knochen. Dann strich die Eule ab; wo es so laut war, gab es für sie nichts zu fangen. Als der Fuchs am Spätnachmittage des anderen Tages den Tannenmantel absuchte, fand er dort, wo das Schmalreh gelegen hatte, nur noch die Schalen, einige zertrümmerte Knochen und etliche Fetzen der Decke in dem zerwühlten, niedergetretenen, besudelten Schnee. Alles andere hatte der von weither zugewechselte, versprengte Schwarzkittel verschlungen. Der Tod ging immer noch durch den Wald, aber dem Fuchs bescherte er nicht. Jedes Stück, das Hunger und Hartschnee umwarfen, verschwand im Gebräche der Sau, so daß auch Reineke empfand, daß sie gekommen war, die Zeit der schweren Not. Hermann Löns Am Futterplatz Still träumt der Wald in tiefem Schnee. Ein weißer Dom schließt rings mich ein; Durch seine Lücken in der Höh Blickt grauer Winterhimmel drein. Wie starr der Bäume Säulen stehn! Von überall haucht’s kalt mich an; Und doch: wie schön, wie wunderschön! Ein Märchen, das der Tod ersann. Zuweilen wie ein Glöcklein klingt’s: Das ist der Meise Silberton; Durchs weiße Netzwerk oben schwingt’s Und ist im Nu dem Blick entflohn. Und dort: ein Werk der Menschenhand – Gestützte Dächer, dick verschneit – Im unbarmherz’gen Winterland Ein Tempel der Barmherzigkeit. Im weißen Grunde scharrt das Reh Und äugt und wittert langsam fort: Kein nährsam Hälmchen überm Schnee, Und drunter alles Grün verdorrt. Und näher stampft es, da – und da – Am nächsten Busche rührt sich’s schon. Zum Tempel kommt von fern und nah Die hungrig stumme Prozession. Der Wärtel hat gedeckt den Tisch: Die Raufen füllt das duft’ge Heu. Nun quillt’s in schwärzlichem Gemisch Und zupft behaglich sonder Scheu … Ich späh versteckt; mein Auge hängt An ihrer zierlichen Gestalt, Bis alles satt und weiter drängt – Und wieder einsam träumt der Wald. Victor Blüthgen Fichtennadelduft Durch schwülen Wald in Sommertagen, Wo der Pirol aus Wipfeln rief, Sonst alles ruhte, alles schlief, Da ging ich, wo man Holz geschlagen. Der sommerlichen Sonne Gluten, Sie senkten sich in goldnen Fluten Hin auf den unbeschützten Grund – Ein süßer Fichtennadelduft Erfüllte rings die heiße Luft, Still brütend in der Lichtung Rund. Und wie auf Schwingen fortgetragen, Hinflog mein Geist zu Wintertagen, Wo in des Zimmers stillem Kreis Der Tannenbaum die harz’gen Düfte, Haucht in die sanft durchwärmten Lüfte, Und Rauschgold knistert zart und leis. Und meinen Busen fühlt ich’s dehnen, Und mich befiel ein kindlich Sehnen Nach dir, du holde Weihnachtszeit. Was darf man in des Sommers Reichen Wohl deinem stillen Glanz vergleichen Und deiner trauten Heimlichkeit! Die Zeit verging. – In Wintertagen, Da wurden Buden aufgeschlagen Mit all dem sonderlichen Tand. Das Wunder stieg vom Himmel wieder Auf die verschneite Erde nieder – Die heil’ge Weihnacht kam ins Land. Es stand die schön geschmückte Fichte In farb’gem Glanz, in hellem Lichte, Ein goldumglänzter Märchenbaum. Doch als der Zweige harz’ges Düften Nun schwebte in den warmen Lüften, Kam’s über mich gleichwie ein Traum. Da ward mein Geist hinweggetragen Zu glutgetränkten Sommertagen – Ich hört ihn rufen, den Pirol, Und Vogelsang und blühende Wälder, Und grüne Wiesen, goldne Felder – Ein Märchen schienen sie mir wohl. – Und meinen Busen fühlt ich’s dehnen, Und mich befiel ein tiefes Sehnen Mit drängend-lieblicher Gewalt, Und als ein Glück, nicht auszusagen, Erschien es mir: in Sommertagen Zu wandern durch den grünen Wald! Heinrich Seidel [Illustration] Der vereisete Wald Da wir endlich gegen den Taugrund kamen und der Wald, der von der Höhe herabzieht, anfing, gegen unsern Weg herüberzulangen, hörten wir plötzlich in dem Schwarzholze, das auf dem schön emporragenden Felsen steht, ein Geräusch, das sehr seltsam war und das keiner von uns je vernommen hatte – es war, als ob viele Tausende oder gar Millionen von Glasstangen durcheinander rasselten und in diesem Gewirre fort in die Entfernung zögen. Das Schwarzholz war doch zu weit zu unserer Rechten entfernt, als daß wir den Schall recht klar hätten erkennen können, und in der Stille, die in dem Himmel und auf der Gegend war, ist er uns recht sonderbar erschienen. Wir fuhren noch eine Strecke fort, ehe wir den Fuchs aufhalten konnten, der im Nachhauserennen begriffen war und auch schon trachten mochte, aus diesem Tage in den Stall zu kommen. Wir hielten endlich und hörten in den Lüften gleichsam ein unbestimmtes Rauschen, sonst aber nichts. Das Rauschen hatte jedoch keine Ähnlichkeit mit dem fernen Getöse, das wir eben durch die Hufschläge unseres Pferdes hindurch gehört hatten. Wir fuhren wieder fort und näherten uns dem Walde des Taugrundes immer mehr und sahen endlich schon die dunkle Öffnung, wo der Weg in das Gehölze hineingeht. Wenn es auch noch früh am Nachmittage war, wenn auch der graue Himmel so licht schien, daß es war, als müßte man den Schimmer der Sonne durchsinken sehen, so war es doch ein Winternachmittag, und es war so trübe, daß sich schon die weißen Gefilde vor uns zu entfärben begannen und in dem Holze Dämmerung zu herrschen schien. Es mußte aber doch nur scheinbar sein, indem der Glanz des Schnees gegen das Dunkel der hintereinander stehenden Stämme abstach. Als wir an die Stelle kamen, wo wir unter die Wölbung des Waldes hineinfahren sollten, blieb der Thomas stehen. Wir sahen vor uns eine sehr schlanke Fichte zu einem Reife gekrümmt stehen und einen Bogen über unsere Straße bildend, wie man sie einziehenden Kaisern zu machen pflegt. Es war unsäglich, welche Pracht und Last des Eises von den Bäumen hing. Wie Leuchter, von denen unzählige umgekehrte Kerzen in unerhörten Größen ragten, standen die Nadelbäume. Die Kerzen schimmerten alle von Silber, die Leuchter waren selber silbern und standen nicht überall gerade, sondern manche waren nach verschiedenen Richtungen geneigt. Das Rauschen, welches wir früher in den Lüften gehört hatten, war uns jetzt bekannt; es war nicht in den Lüften; jetzt war es bei uns. In der ganzen Tiefe des Waldes herrschte es ununterbrochen fort, wie die Zweige und Äste krachten und auf die Erde fielen. Es war um so fürchterlicher, da alles unbeweglich stand; von dem ganzen Geglitzer und Geglänze rührte sich kein Zweig und keine Nadel, außer wenn man nach einer Weile wieder auf einen gebogenen Baum sah, daß er von den ziehenden Zapfen niederer stand. Wir harrten und schauten hin, man weiß nicht, war es Bewunderung oder war es Furcht, in das Ding hineinzufahren. Unser Pferd mochte die Empfindungen in einer Ähnlichkeit teilen; denn das arme Tier schob, die Füße sachte anziehend, den Schlitten in mehreren Rucken etwas zurück. Wie wir noch dastanden und schauten – wir hatten noch kein Wort geredet –, hörten wir wieder den Fall, den wir heute schon zweimal vernommen hatten. Jetzt war es uns aber völlig bekannt. Ein helles Krachen, gleichsam wie ein Schrei, ging vorher, dann folgte ein kurzes Wehen, Sausen oder Streifen, und dann der dumpfe, dröhnende Fall, mit dem ein mächtiger Stamm auf der Erde lag. Der Knall ging wie ein Brausen durch den Wald und durch die Dichte der dämpfenden Zweige; es war auch noch ein Klingeln und Geschimmer, als ob unendliches Glas durcheinander geschoben und gerüttelt würde – dann war es wieder wie vorher, die Stämme standen und ragten durcheinander, nichts regte sich, und das stillstehende Rauschen dauerte fort. Es war merkwürdig, wenn ganz in unserer Nähe ein Ast oder Zweig oder ein Stück Eis fiel; man sah nicht, woher es kam, man sah nur schnell das Herniederblitzen, hörte etwa das Aufschlagen, hatte nicht das Emporschnellen des verlassenen und erleichterten Zweiges gesehen, und das Starren, wie früher, dauerte fort. Es wurde uns begreiflich, daß wir in den Wald nicht hineinfahren konnten. Es mochte irgendwo schon über den Weg ein Baum mit all seinem Geäste liegen, über den wir nicht hinüber konnten, und der nicht zu umgehen war, weil die Bäume dicht stehen, ihre Nadeln vermischen und der Schnee bis an das Geäste und Geflechte des Niedersatzes ragte. Wenn wir dann umkehrten und auf dem Wege, auf dem wir gekommen waren, zurück wollten, und da sich etwa auch unterdessen ein Baum herübergelegt hätte, so wären wir mitten darinnen gewesen. Der Regen dauerte unablässig fort, wir selber waren schon wieder eingehüllt, daß wir uns nicht regen konnten, ohne die Decke zu zerbrechen, der Schlitten war schwerfällig und verglast, und der Fuchs trug seine Lasten – wenn irgend etwas in den Bäumen um eine Unze an Gewicht gewann, so mochte es fallen, ja die Stämme selber mochten brechen, die Spitzen der Zapfen, wie Keile, mochten niederfahren, wir sahen ohnedem auf unserm Wege, der vor uns lag, viele zerstreut, und während wir standen, waren in der Ferne wieder dumpfe Schläge zu vernehmen gewesen. Wie wir umschauten, woher wir gekommen, war auf den Feldern und in der Gegend kein Mensch und kein lebendiges Wesen zu sehen. Nur ich mit dem Thomas und mit dem Fuchse waren allein in der freien Natur. Ich sagte dem Thomas, daß wir umkehren müßten. Wir fuhren dann, so schnell wir konnten, gegen die uns zunächst gerichteten Eidunhäuser zurück. Adalbert Stifter Winter im Hochwald Den Fels erstieg, demantenübersät, Im Hermelin des Winters Majestät. Die Faust gekrampft in den vereisten Bart, Hält sinnend er hier Rast von langer Fahrt. Kein Laut, kein Lauscher stört des Alten Ruh. Bald fallen ihm die müden Augen zu … Ein fernes Fuchsgebell erstirbt im Forst; Leis schwebt ein Adler zum verschwiegnen Horst, Und tief im Grunde tritt ein scheues Reh Lautlos heraus an den erstarrten See. – Dies ist die Stunde, wo die müde Zeit Zu schlummern scheint im Schoß der Ewigkeit, Wo uns der weiterschlossne Himmel still Sein wundersam Geheimnis künden will, Und durch die Wälder leis von Baum zu Baum Ein Flüstern geht, ein goldner Frühlingstraum. Paul Wolf Der Tannenbaum Draußen im Walde stand ein niedlicher Tannenbaum. Er hatte einen guten, luftigen Platz, war freundlich von der Sonne beschienen, und ringsumher wuchsen viele größere Kameraden, Tannen und Fichten. Der kleine Tannenbaum wünschte aber so sehnlich, größer zu werden! Er achtete nicht der warmen Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die Bauernkinder, die in den Wald kamen, um Erdbeeren und Himbeeren zu sammeln. Oftmals kamen sie mit einem ganzen Topf voll und hatten Erdbeeren an einen Strohhalm gereiht; dann setzten sie sich neben den kleinen Tannenbaum und sagten: »Wie niedlich klein ist der!« Das mochte der Baum aber nicht hören. Im folgenden Jahre wurde er schon um einen Ansatz größer und das Jahr darauf wieder; denn an den Tannenbäumen kann man an den Ansätzen, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie alt sind. »O, wäre ich doch ein großer Baum,« seufzte er, »dann könnte ich meine Zweige weit umher ausbreiten und mit dem Gipfel in die weite Welt hinausblicken! Die Vögel würden dann ihre Nester in meinen Zweigen bauen, und wenn der Wind wehte, könnte ich ebenso vornehm nicken wie die andern!« Er hatte keine Freude am Sonnenschein, an den Vögeln und an den rötlichen Wolken, die morgens und abends über ihn hinsegelten. War es dann Winter und der Schnee lag blendendweiß ringsumher, so kam zuweilen ein Hase angesprungen und setzte gerade über den kleinen Baum weg – o, wie er sich darüber ärgerte! – Aber zwei Winter vergingen, und im dritten war das Bäumchen schon so groß, daß der Hase um dasselbe herumlaufen mußte. »O, wachsen, wachsen, groß und alt werden, das ist doch das einzig Schöne in dieser Welt!« dachte der Baum. Im Spätherbst kamen Holzhauer und fällten einige der größten Bäume. Das geschah alle Jahre, und den jungen Tannenbaum schauerte dabei, denn die großen Bäume fielen mit Prasseln und Krachen zur Erde, die Zweige wurden ihnen abgehauen, so daß die Bäume ganz nackt aussahen; sie waren fast nicht mehr zu erkennen. Aber dann wurden sie auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie davon. Wo kamen sie hin? Im Frühjahr, als die Schwalbe und der Storch geflogen kamen, fragte sie der Baum: »Wißt ihr nicht, wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen nicht begegnet?« Die Schwalbe wußte nichts; aber der Storch sah sehr nachdenklich aus, nickte mit dem Kopfe und sagte: »Ja, ich glaube fast! Mir begegneten viele neue Schiffe, als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen waren prächtige Mastbäume; ich glaube, daß sie es waren; sie hatten Tannengeruch; ich kann vielmals grüßen; sie sahen stolz und prächtig aus und überragten alles.« »O, wäre ich doch auch groß genug, um so über das Meer hinfahren zu können! Wie sieht denn eigentlich das Meer aus?« »Ja, das zu erklären, ist zu weitläufig,« sagte der Storch und ging fort. »Freue dich deiner Jugend!« sagten die Sonnenstrahlen, »freue dich des jungen Lebens, das in dir ist!« Und der Wind küßte den Baum, und der Tau weinte Tränen über ihn; aber das alles verstand der Tannenbaum nicht. Gegen Weihnachten wurden ganz junge Bäume gefällt, die oft nicht einmal so groß wie dieser Tannenbaum waren, der weder Ruhe noch Rast hatte, sondern immer davon wollte. Diese jungen Bäume – es waren gerade die allerschönsten – behielten immer alle ihre Zweige; sie wurden auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie fort. »Wohin sollen die?« fragte der Tannenbaum. »Sie sind nicht größer als ich, ja einer war sogar noch kleiner! Weshalb behielten sie alle ihre Zweige? Wohin fahren sie?« »Das wissen wir! das wissen wir!« zwitscherten die Sperlinge. »In der Stadt haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin sie fahren! O, sie gelangen zur größten Pracht und Herrlichkeit! Wir haben gesehen, daß sie mitten in der warmen Stube aufgepflanzt und mit vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen, Spielzeug und vielen Hunderten von Lichtern geschmückt werden.« »Und dann?« fragte der Tannenbaum und bebte an allen Zweigen. »Und dann? Was geschieht dann?« »Ja, mehr haben wir nicht gesehen!« »Ob ich wohl auch bestimmt bin, diesen strahlenden Weg zu betreten?« jubelte der Tannenbaum. »Das ist noch schöner, als über das Meer zu ziehen! Wäre es doch Weihnachten! Nun bin ich groß, wie die anderen, die im vorigen Jahre weggeführt wurden! – O, wäre ich erst auf dem Wagen! Wäre ich doch erst in der warmen Stube mit aller Pracht und Herrlichkeit! Und dann –? Ja, dann kommt noch etwas weit Schöneres, weshalb würden sie uns sonst so schmücken! Es muß noch etwas Herrlicheres kommen –! Aber was? O, ich sehne mich, ich weiß selbst nicht, wie mir ist!« »Freue dich,« sagten die Luft und das Sonnenlicht, »deiner frischen Jugend im Freien!« Aber er freute sich gar nicht und wuchs und wuchs; Winter und Sommer stand er grün; die Leute, die ihn sahen, sagten: »Das ist ein hübscher Baum!« Und zu Weihnachten wurde er vor allen zuerst gefällt. Die Axt hieb tief ein, der Baum fiel mit einem Seufzer zu Boden; er fühlte einen Schmerz, eine Art Ohnmacht, er konnte gar nicht an das kommende Glück denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu müssen; er wußte ja, daß er die lieben alten Kameraden, die kleinen Büsche und Blumen ringsum nie mehr erblicken würde, ja vielleicht nicht einmal die Vögel. Die Abreise war gar nicht angenehm. Der Baum kam erst in einem Hofe in der Stadt wieder ganz zu sich, als er einen Mann sagen hörte: »Dieser hier ist prächtig! Wir brauchen nur diesen!« Nun kamen zwei Diener und trugen den Tannenbaum in einen großen, schönen Saal. An den Wänden hingen Bilder, und neben dem Kachelofen standen große chinesische Vasen. Da gab es Schaukelstühle, seidene Sofas, große Tische voller Bilderbücher und Spielzeug. Der Tannenbaum wurde in ein großes, mit Sand gefülltes Faß gestellt; aber niemand konnte sehen, daß es ein Faß war; denn es wurde mit grünen Zweigen behängt und stand auf einem großen, bunten Teppich. O, wie der Baum vor Erwartung bebte! Was wird nun wohl vorgehen? Zunächst kamen Diener und Fräulein und schmückten ihn. An seine Zweige hingen sie kleine Netze aus farbigem Papier; jedes Netz war mit Zuckerwerk gefüllt; vergoldete Äpfel und Nüsse hingen herab, und über hundert rote, blaue und weiße kleine Lichter wurden in die Zweige gesteckt. Puppen, die wie Menschen aussahen, schwebten im Grünen, und oben auf der Spitze wurde ein Stern von Flittergold befestigt. Das war prächtig, ganz unvergleichlich prächtig! »Heut abend,« sagten alle, »heut abend wird er strahlen!« »O!« dachte der Baum, »wäre es doch Abend! Würden nur die Lichter bald angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem Walde kommen, um mich anzuschauen? Ob die Sperlinge gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und Winter und Sommer geschmückt dastehen werde?« Er hatte ordentlich Borkenweh vor lauter Sehnsucht, und Borkenweh ist für einen Baum ebenso schlimm, wie Kopfschmerzen für uns andre. Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz! Welche Pracht! Der Baum bebte dabei in allen Zweigen so, daß eins der Lichter das Grüne anbrannte. »Gott bewahre uns!« schrien die Fräulein und löschten es schnell aus. Jetzt durfte der Baum nicht einmal mehr beben. Ihm war so bange, etwas von seinem Schmuck zu verlieren; er war ganz geblendet von all dem Glanze. Und nun gingen die Zimmertüren auf, und eine Menge Kinder stürzten herein, als wollten sie den Baum umwerfen; die älteren Leute kamen langsam nach. Die Kleinen standen ganz stumm, aber nur einen Augenblick, dann jubelten sie wieder, tanzten um den Baum herum, und ein Geschenk nach dem andern wurde abgepflückt. »Was machen sie denn?« dachte der Baum. Und die Lichter brannten bis an die Zweige herunter, und je nachdem eins niederbrannte, wurde es ausgelöscht, und dann erhielten die Kinder Erlaubnis, den Baum zu plündern. O, die stürzten auf ihn ein, daß er in allen Zweigen knackte; wäre er nicht mit der Spitze an der Decke befestigt gewesen, so hätten sie ihn sicher umgeworfen. Die Kinder tanzten dann mit ihrem prächtigen Spielzeuge herum. Niemand sah nach dem Baume, als die alte Kindsfrau, welche zwischen die Zweige blickte, aber nur, um zu sehen, ob nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen worden sei. »Eine Geschichte! Eine Geschichte!« riefen die Kinder und zogen einen kleinen, dicken Mann gegen den Baum hin; und er setzte sich gerade unter denselben, »denn da sind wir im Grünen,« sagte er, »und der Baum kann Nutzen davon haben, wenn er aufmerksam zuhört! Aber ich erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede-Avede oder die von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppe herunterfiel und doch die Prinzessin erhielt?« »Ivede-Avede!« schrien einige, »Klumpe-Dumpe!« schrien andre; das war ein Rufen und Schreien! Nur der Tannenbaum schwieg und dachte: »Komme ich gar nicht mit, werde ich nichts dabei zu tun haben?« Und der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, welcher die Treppe herunterfiel und doch die Prinzessin erhielt. Und die Kinder klatschten in die Hände und riefen: »Erzähle! erzähle!« Sie wollten auch die Geschichte von Ivede-Avede hören; aber sie mußten sich mit der von Klumpe-Dumpe begnügen. Der Tannenbaum stand ganz nachdenklich und still, nie hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt. »Klumpe-Dumpe fiel die Treppe herunter und bekam doch die Prinzessin! Ja, ja, so geht es in der Welt!« dachte der Tannenbaum und glaubte, daß es wahr sei. »Ja, ja, wer kann es wissen! Vielleicht falle ich auch die Treppe hinunter und bekomme eine Prinzessin.« Und er freute sich darauf, den nächsten Tag wieder mit Lichtern, Spielzeug, Gold und Früchten geputzt zu werden. »Morgen werde ich nicht zittern!« dachte er. »Ich will mich recht meiner Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte von Klumpe-Dumpe oder auch die von Ivede-Avede hören.« Und der Baum stand die ganze Nacht still und träumte von dem Erlebten. Am andern Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein. »Nun beginnt das Schmücken aufs neue!« dachte der Baum. Aber sie schleppten ihn die Treppe hinauf auf den Boden und stellten ihn in einen dunklen Winkel. »Was soll das bedeuten?« dachte der Baum. »Was werde ich hier wohl hören sollen?« Und er lehnte sich an die Mauer und dachte und dachte. Wahrlich, er hatte Zeit genug; denn es vergingen Tage und Nächte; aber niemand kam herauf. Als endlich jemand kam, so geschah es nur, um einige große Kasten in den Winkel zu stellen. Nun stand der Baum so versteckt, als ob er ganz und gar vergessen wäre. »Jetzt ist es Winter draußen!« dachte der Baum. »Die Erde ist gefroren und mit Schnee bedeckt, die Menschen können mich jetzt nicht pflanzen, deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutze stehen! Wie die Menschen doch so gut sind! Wäre es nur nicht so dunkel hier und so schrecklich einsam! Nicht einmal ein kleiner Hase kommt zu mir! Das war doch so hübsch da draußen im Walde, wenn der Schnee lag und der Hase vorbeilief, ja, selbst als er über mich hinwegsprang; aber damals konnte ich es nicht leiden. Hier ist es doch schrecklich einsam!« »Pip, pip!« sagte da eine kleine Maus und huschte hervor, und dann kam noch eine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum und schlüpften zwischen seine Zweige. »Es ist eine furchtbare Kälte!« sagten die kleinen Mäuse. »Sonst ist es hier gut sein! Nicht wahr, du alter Tannenbaum?« »Ich bin gar nicht alt!« sagte der Tannenbaum, »es gibt viel ältere als ich bin!« »Woher kommst du?« fragten die Mäuse, »und was weißt du?« Sie waren sehr neugierig. »Erzähle uns doch. Bist du schon an dem herrlichsten Orte auf Erden, in der Speisekammer, gewesen, wo die Käse liegen und die Schinken hängen, wo man auf Talglichtern tanzt, mager hinein- und fett herauskommt?« »Das kenne ich nicht!« sagte der Baum. »Aber den Wald kenne ich, wo die Sonne scheint und wo die Vögel singen!« Und dann erzählte er alles aus seiner Jugend, und die kleinen Mäuse horchten auf und sagten: »Wie viel du doch gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!« »Ich?« sagte der Tannenbaum, und dachte über das, was er selbst erzählte, nach. »Ja, es waren im Grunde recht fröhliche Zeiten!« – Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit Zuckerwerk und Lichtern geschmückt war. »O!« sagten die kleinen Mäuse, »wie glücklich du gewesen bist, du alter Tannenbaum!« »Ich bin gar nicht alt!« sagte der Baum, »erst diesen Winter bin ich vom Walde gekommen! Ich bin nur sehr rasch gewachsen!« »Wie schön du erzählst!« sagten die kleinen Mäuse. Und in der nächsten Nacht kamen sie mit vier anderen Mäuschen, die den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte, desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles und dachte: »Es waren doch fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkehren! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und erhielt doch die Prinzessin!« Und dann dachte der Tannenbaum an eine niedliche Birke draußen im Walde; das war für ihn eine wirkliche Prinzessin. »Wer ist Klumpe-Dumpe?« fragten die Mäuschen. Dann erzählte der Tannenbaum das Märchen; er konnte sich jedes Wortes entsinnen, und die Mäuse wollten vor lauter Freude bis an die Spitze des Baumes springen. In der folgenden Nacht kamen noch mehr Mäuse und am Sonntage sogar zwei Ratten. Aber die meinten, die Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse, denn nun gefiel sie ihnen auch nicht mehr recht. »Wissen Sie nur die eine Geschichte?« fragten die Ratten. »Nur die eine!« sagte der Baum, »die hörte ich an meinem glücklichsten Abend. Damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich doch war.« »Das ist eine langweilige, schlechte Geschichte! Wissen Sie keine von Speck oder Talglicht? Keine Speisekammer-Geschichte?« »Nein!« sagte der Baum. »Dann danken wir dafür!« erwiderten die Ratten und gingen fort. Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da seufzte der Baum: »Es war doch ganz hübsch, als sie um mich herumsaßen und zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch das vorbei! Aber ich werde daran denken, mich zu freuen, wenn ich wieder hervorgeholt werde.« Das dauerte aber recht lange. Endlich eines Morgens kamen Leute und wirtschafteten auf dem Boden; die Kasten wurden weggesetzt und der Baum hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart hin, aber ein Diener schleppte ihn sogleich nach der Treppe, wo es hell war. »Nun beginnt das Leben wieder!« dachte der Baum; er fühlte die frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles ging sehr rasch; der Baum vergaß ganz, sich selbst zu betrachten. Der Hof stieß an einen Garten, und alles blühte darin; die Rosen hingen frisch und duftend über das niedere Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und die Schwalben flogen umher und zwitscherten: »Quirre-virre vit, mein Mann ist kommen!« Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie meinten. »Nun will ich leben!« jubelte dieser und breitete seine Zweige weit aus; aber ach, sie waren alle vertrocknet und gelb, und er lag da im Winkel zwischen Unkraut und Nesseln! Der goldene Stern saß noch oben an der Spitze und glänzte im Sonnenschein. Im Hofe spielten einige von den Kindern, die zu Weihnachten den Baum umtanzt hatten und so fröhlich gewesen waren. Eins lief hin und riß den Goldstern ab. »Sieh, was da noch an dem alten, häßlichen Tannenbaum sitzt!« sagte es und trat auf die Zweige, so daß sie unter seinen Stiefeln knackten. Und der Baum sah all die prachtvollen Pflanzen und Bäume im Garten, betrachtete sich dann selbst und wünschte, daß er in seinem dunkeln Winkel auf dem Boden liegen geblieben wäre; er dachte an seine frische Jugend im Walde, an den lustigen Weihnachtsabend und an die kleinen Mäuse, die so gerne die Geschichte von Klumpe-Dumpe angehört hatten. »Vorbei! vorbei!« seufzte der arme Baum. »Hätte ich mich doch gefreut, als ich es noch konnte! Vorbei! Vorbei!« Und der Knecht kam und hieb den Baum in viele kleine Stücke; ein ganzer Haufen lag da; ein großes Bündel wurde daraus gemacht und in die Küche getragen; hell flackerte es auf unter dem großen Braukessel. Der Baum seufzte tief, und jeder Seufzer glich einem kleinen Schusse. Deshalb liefen die Kinder herbei und setzten sich vor das Feuer, blickten in dasselbe hinein und riefen: »Piff! Paff!« Aber bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum an einen Sommertag im Walde oder an eine Winternacht, wenn die Sterne so hell funkelten; er dachte an den Weihnachtsabend und an Klumpe-Dumpe, das einzige Märchen, welches er gehört hatte und zu erzählen wußte, und dann war er verbrannt. Die Knaben spielten im Garten, und der kleinste steckte an die Brust den Goldstern, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Aber der war vorbei, und mit dem Baum war es auch vorbei! Vorbei! vorbei! So geht es mit allen Geschichten. Hans Christian Andersen Gefunden Ich ging im Walde So für mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich Ein Blümchen stehn, Wie Sterne leuchtend, Wie Äuglein schön. Ich wollt es brechen, Da sagt es fein: Soll ich zum Welken Gebrochen sein? Ich grub’s mit allen Den Würzlein aus, Zum Garten trug ich’s Am hübschen Haus. Und pflanzt es wieder Am stillen Ort; Nun zweigt es immer Und blüht so fort. Wolfgang von Goethe Ein kleines Nest Ein kleines Nest, o sagt mir an, Was uns so herzig rührt daran? Ein Halmenkranz ist es doch bloß, Ein Züpflein Gras, ein Flöcklein Moos, Darin ein Blatt, ein Borkenstück Und – eine ganze Welt voll Glück. Julius Lohmeyer Das Blatt im Buche Ich hab eine alte Muhme, Die ein altes Büchlein hat, Es liegt in dem alten Buche Ein altes, dürres Blatt. So dürr sind wohl auch die Hände, Die einst im Lenz ihr’s gepflückt. Was mag doch die Alte haben? Sie weint, so oft sie’s erblickt. Anastasius Grün Wanderers Nachtlied Über allen Gipfeln Ist Ruh; In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch. Wolfgang von Goethe Abschied O Täler weit, o Höhen, O schöner grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächt’ger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saust die geschäftige Welt, Schlag noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Tun und Lieben Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Ward’s unaussprechlich klar. Bald werd ich dich verlassen, Fremd in die Fremde gehn, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird deines Ernsts Gewalt Mich Einsamen erheben: So wird mein Herz nicht alt. Joseph von Eichendorff Inhalt Seite Geleitspruch des deutschen Spielmanns 3 Gegrüßt, gegrüßt, ihr trauten Waldeshallen! [Avenarius] 4 Jetzt rede du! [Meyer] 4 Erster Mai [Greif] 4 Der Herr des Waldes [Sergel] 5 Morgens im Walde [Ebert] 5 Die Waldkapelle [Scherer] 6 Waldesstimme [Hille] 6 Waldandacht [Weber] 7 Mittag [Fontane] 7 Schneeweißchen und Rosenrot [Grimm] 8 Im Wald [Strauß-Torney] 14 Waldeinsamkeit [Eichendorff] 14 Nachts [Eichendorff] 15 Das Abenteuer im Walde [Trojan] 16 Was den Kindern im Walde passiert ist [Trojan] 20 Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt [Rückert] 22 Das Häslein [Morgenstern] 27 Waldabenteuer [Weber] 28 Der weiße Hirsch [Uhland] 31 Der Schütze [Schiller] 31 Im Waldhof [Tielo] 32 Sterben [Gagern] 33 Auf der Wacht [Rosegger] 37 Mondwanderung [Reinick] 45 Wo Bismarck liegen soll [Fontane] 46 Als die hellen Nächte waren [Rosegger] 46 Waldkonzert [Dieffenbach] 51 Jüngst sah ich den Wind [Holz] 51 Schlechtes Wetter [Langewiesche] 52 Waldlieder [Keller] 53 Gewitter im Walde [Scherer] 54 Nach dem Gewitter [Waldburg] 55 Regen [Schlaf] 56 Durchlaucht [Gumppenberg] 56 Bei den Holzern [Rosegger] 57 In der Stadt [Keller] 58 Herbstlicher Wald [Lenau] 59 Novembersonnenschein [Löns] 59 Herbstgold [Avenarius] 64 Die Zeit der schweren Not [Löns] 65 Am Futterplatz [Blüthgen] 69 Fichtennadelduft [Seidel] 70 Der vereisete Wald [Stifter] 73 Winter im Hochwald [Wolf] 76 Der Tannenbaum [Andersen] 76 Gefunden [Goethe] 84 Ein kleines Nest [Lohmeyer] 85 Das Blatt im Buche [Grün] 85 Wanderers Nachtlied [Goethe] 85 Abschied [Eichendorff] 86 Der deutsche Spielmann herausgegeben von _Ernst Weber_, eine großangelegte Auswahl aus dem Schatze deutscher Dichtung für Jugend und Volk, schöpft aus dem Besten deutscher Erzählungs- und Verskunst unter Beschränkung auf das Volks- und Jugendtümliche. Die Sammlung gliedert sich in 40 Einzelbände, von denen jeder ein in sich geschlossenes Ganzes bildet und von einem Künstler illustriert ist, dessen Eigenart dem Charakter des jeweiligen Stoffgebietes ungezwungenen Ausdruck verleiht. Die Sammlung eignet sich wie kaum ein zweites Werk zur Anschaffung für öffentliche Bibliotheken, als Mittel zur Belebung des Schulunterrichts und für die Familienbücherei. _Der deutsche Spielmann hofft, zum eisernen Bestand jeder Volks- und Jugendbücherei zu werden._ Er huldigt ja nicht einer vorübergehenden Mode des Tages. Er schöpft aus dem aufgespeicherten Schatz der Jahrhunderte und wird darum auch seine Geltung für das Jahrhundert behalten. Bd. 1 Kindheit (E. Kreidolf) Bd. 2 Wanderer (J. V. Cissarz) Bd. 3 Wald (W. Weingärtner) Bd. 4 Hochland (Franz Hoch) Bd. 5 Meer (J. V. Cissarz) Bd. 6 Helden (W. Weingärtner) Bd. 7 Schalk (Julius Diez) Bd. 8 Legenden (G. A. Stroedel) Bd. 9 Arbeiter (Gg. O. Erler) Bd. 10 Soldaten (Gg. O. Erler) Bd. 11 Sänger (Hans Röhm) Bd. 12 Frühling (H. v. Volkmann) Bd. 13 Sommer (Edmund Steppes) Bd. 14 Herbst (Karl Biese) Bd. 15 Winter (Karl Biese) Bd. 16 Gute alte Zeit (Rud. Schiestl) Bd. 17 Himmel und Hölle (Jul. Diez) Bd. 18 Stadt u. Land (J. V. Cissarz) Bd. 19 Bach u. Strom (E. Liebermann) Bd. 20 Heide (Adalbert Holzer) Bd. 21 Arme und Reiche (J. Widnmann) Bd. 22 Abenteurer (Rud. Schiestl) Bd. 23 Germanentum (H. Röhm) Bd. 24 Mittelalter (H. Schroedter) Bd. 25 Zeit der Wandlungen (C. Roesch) Bd. 26 Neuzeit (Angelo Jank) Bd. 27 Gespenster (Julius Diez) Bd. 28 Tod (Matthäus Schiestl) Bd. 29 Blumen und Bäume (R. Sieck) Bd. 30 Nordland (Rudolf Koch-Hanau) Bd. 31 Italien (Hans Volkert) Bd. 32 Hellas (Karl Bauer) Bd. 33 Fremde Zonen (H. Volkert) Bd. 34 Vaterland (W. Roegge jun.) Bd. 35 Tierwelt (Ludwig Werner) Bd. 36 Menschenherzen (Rud. Schiestl) Bd. 37 Glück und Trost (H. Schwegerle) Bd. 38 Tag und Nacht (Otto Bauriedl) Bd. 39 Riesen und Zwerge (R. Schiestl) Bd. 40 Fabelreich (Ernst Weber) Hinter den Bandtiteln steht der Name des illustrierenden Künstlers in Klammern. Auch die je vier Bände vereinigenden Sammelbände in schönem farbigen Ganzleinenband wurden wiederum neu ausgegeben: »Deutsches Jahr«, »Deutsche Gestalten«, »Deutsche Natur«, »Deutsche Heimat«, »Deutsches Land«, »Deutsches Volk«, »Deutsches Leben«, »Deutsche Geschichte«, »Deutscher Glaube« und »Fremde Welt«. Weitere Anmerkungen zur Transkription Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WALD *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. Project Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase “Project Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg™ License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your possession. 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